Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

31. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 14. Juni 2018

 

 


Stenographisches Protokoll

31. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 14. Juni 2018

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. Juni 2018: 9.05 – 20.52 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Natio­nalrates zum Thema „Ausblick auf die Schwerpunkte der bevorstehenden EU-Ratsprä­sidentschaft“

2. Punkt: Bericht über den Antrag 261/A der Abgeordneten Nico Marchetti, Wendelin Mölzer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schülervertretungengesetz geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 260/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatschulgesetz geändert wird

4. Punkt: Bericht über den Antrag 191/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Ham­merschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Ganztagsschulen

5. Punkt: Bericht über den Antrag 192/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Ham­merschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung im Bildungsbereich

6. Punkt: Bericht über den Antrag 161/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung eines Chancen- und Innova­tionspakets für die österreichischen Schulen

7. Punkt: Bericht über den Antrag 201/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung einer Integrationsstiftung

8. Punkt: Bericht über den Antrag 232/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung des Unterrichtsfachs „Ethik und Religionen“

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG

10. Punkt: Bericht über den Antrag 214/A der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenver­sicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wer­den


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 2

11. Punkt: Bericht über den Antrag 226/A der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommens­transparenzgesetz geschaffen wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 213/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Finanzierung der Ausbildungsgarantie bis 25 auch 2019

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (29. StVO-Novelle)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2018)

15. Punkt: Bericht über den Antrag 207/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fern- und Aus­wärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 268/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entrümpelung radverkehrsfeindlicher gesetzlicher Regelungen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Ordnungsrufe ......................................................................................  175, 175, 175, 178

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 382/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ............................................................................................................................... 35

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 4 GOG ................................. 115

RednerInnen:

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 116

Bundesminister Hartwig Löger ................................................................................ 118

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 121

Doris Margreiter ......................................................................................................... 122

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 124

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 125

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 126

Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den An­trag 274/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutange­stelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsge­setz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 15. Juni 2018 zu setzen                         35

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ......................................................................................................................................... 35

RednerInnen:

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................. 128

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 130


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 3

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 131

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 132

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 133

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 134

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 135

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    35

Antrag des Abgeordneten Mag. Andreas Schieder im Sinne des § 18 Abs. 3 GOG auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Zurückziehung ...........................................................................  68, 68

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................  115, 173, 179

Ersuchen des Abgeordneten Mag. Andreas Schieder um Einberufung einer Stehpräsidiale zur Erörterung der Vorgehensweise bei der Zuweisung eines An­trages ............................................. 172

Mitteilung der Präsidentin Doris Bures in diesem Zusammenhang ....................... 173

Fragestunde (3.)

Frauen, Familien und Jugend ..................................................................................... 13

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (27/M)

Gabriele Heinisch-Hosek (35/M); Angela Fichtinger, Peter Wurm, Michael Bern­hard

Edith Mühlberghuber (30/M); Michael Bernhard

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (33/M); Dr. Alfred J. Noll, Eva Maria Holzleit­ner, BSc

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (38/M); Dr. Gudrun Kugler, Peter Schmied­lechner

Norbert Sieber (28/M); Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Mag. Verena Nussbaum

Birgit Silvia Sandler (36/M); Petra Wagner

Ricarda Berger (31/M)

Claudia Gamon, MSc (WU) (34/M)

Stephanie Cox, BA (39/M)

Claudia Plakolm (29/M)

Mario Lindner (37/M); Angela Baumgartner

Carmen Schimanek (32/M); Mag. Selma Yildirim

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 12

Ausschüsse

Zuweisungen .......................................................................................................  140, 199


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Ver­kehr, Innovation und Technologie gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Ausblick auf die Schwerpunkte der bevorstehen­den EU-Ratspräsidentschaft“ ...................................... 36

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 36

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ........................................................................... 38

Durchführung einer Debatte gemäß § 74b GOG .......................................................... 42

RednerInnen:

Mag. Christian Kern ..................................................................................................... 42

August Wöginger ......................................................................................................... 45

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 46

Petra Steger .................................................................................................................. 49

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 51

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 53

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ........................................................................... 54

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 55

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 56

Mag. Roman Haider (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 61

Dr. Susanne Fürst ........................................................................................................ 61

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 63

Dr. Maria Theresia Niss, MBA ..................................................................................... 65

Stephanie Cox, BA ....................................................................................................... 67

Werner Herbert ............................................................................................................. 69

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 70

Dipl.-Ing. Georg Strasser ............................................................................................ 73

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 74

Dr. Brigitte Povysil ....................................................................................................... 75

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 76

Andreas Ottenschläger ............................................................................................... 78

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 79

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 83

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Europaweite Bekämpfung von Lohn- und Sozialdum­ping“ – Ablehnung ..............  59, 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Konzernklagerechte in EU-Abkommen!“ – Ableh­nung ...............................  60, 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „für eine Gemeinsame Agrarpolitik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nachhaltigkeitskriterien und einem Verbot für gefährliche Pestizide“ – Ablehnung  71, 84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gerechter Beitrag von Konzernen – Digitalsteuer und Finanztransaktionssteuer beschließen“ – Ablehnung      81, 84

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 261/A der Abge­ordneten Nico Marchetti, Wendelin Mölzer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülervertre­tungengesetz geändert wird (167 d.B.) ............................... 84


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 5

RednerInnen:

Nico Marchetti ............................................................................................................... 85

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid .................................................................................. 85

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 86

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................... 87

Stephanie Cox, BA ....................................................................................................... 88

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ..................................................................................... 89

Annahme des Gesetzentwurfes in 167 d.B. ................................................................... 90

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 260/A der Abge­ordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kolle-
gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatschulgesetz geändert wird (168 d.B.)                        90

RednerInnen:

Mag. Dr. Rudolf Taschner ........................................................................................... 90

Erwin Preiner ................................................................................................................ 92

Annahme des Gesetzentwurfes in 168 d.B. ................................................................... 93

4. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 191/A(E) der Ab­geordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Ganztagsschulen (169 d.B.)              ............................................................................................................................... 93

RednerInnen:

Christian Kovacevic ..................................................................................................... 93

Ing. Manfred Hofinger .................................................................................................. 94

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 95

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 96

Mag. Gerald Hauser ..................................................................................................... 97

Dipl.-Ing. Christian Schandor ..................................................................................... 99

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 100

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 169 d.B. ...................................................... 101

5. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 192/A(E) der Ab­geordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung im Bildungsbereich (170 d.B.)      ............................................................................................................................. 101

RednerInnen:

Walter Bacher ............................................................................................................. 101

Dr. Maria Theresia Niss, MBA ................................................................................... 102

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 104

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 105

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 106

Angelika Kuss-Bergner, BEd .................................................................................... 108

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 170 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 192/A(E)                    109

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 170 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Digitalisierung im Bildungsbereich“ (E 22) .................................................................. 109

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 161/A(E) der Ab­geordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er­möglichung eines Chancen- und Innovationspakets für die österreichischen Schulen (171 d.B.) ............................................................................ 109


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 6

RednerInnen:

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 109

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger .................................................................................... 111

Mag. Dr. Matthias Strolz ............................................................................................ 112

Wendelin Mölzer ......................................................................................................... 113

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 114

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 171 d.B. ...................................................... 115

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 201/A(E) der Ab­geordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er­möglichung einer Integrationsstiftung (172 d.B.)                135

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 136

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 137

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 138

Hannes Amesbauer, BA ............................................................................................ 139

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 172 d.B. ...................................................... 140

Zuweisung des Antrages 201/A(E) an den Außenpolitischen Ausschuss ................... 140

8. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 232/A(E) der Ab­geordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein­führung des Unterrichtsfachs „Ethik und Religionen“ (173 d.B.) ....................................................................................................................................... 141

RednerInnen:

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ............................................................................... 141

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................... 142

Mag. Dr. Matthias Strolz ............................................................................................ 143

Hannes Amesbauer, BA ............................................................................................ 144

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .......................................................................................... 145

Dipl.-Ing. Christian Schandor ................................................................................... 146

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 173. d.B. ..................................................... 147

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz be­treffend Jahresvorschau 2018 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-98/160 d.B.)                                                                                                                            147

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 214/A der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (161 d.B.)                                                                                                                                                     148

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 226/A der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird (162 d.B.) ....................................... 148

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 213/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Finanzierung der Ausbildungsgarantie bis 25 auch 2019 (163 d.B.) ...................................................................................................................... 148

RednerInnen:

Josef Muchitsch ................................................................................................  148, 175

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 151


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 7

Mag. Gerald Loacker .........................................................................................  153, 177

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 154

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 156

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ..............................................  159, 170

Peter Wurm ................................................................................................................. 159

Alois Stöger, diplômé .......................................................................................  161, 180

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 162

Gabriele Heinisch-Hosek ..................................................................................  164, 181

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 165

Dietmar Keck .............................................................................................................. 166

Tanja Graf .................................................................................................................... 167

Birgit Silvia Sandler ................................................................................................... 168

Petra Wagner .............................................................................................................. 169

Norbert Sieber ............................................................................................................ 170

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 171

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 173

August Wöginger ....................................................................................................... 176

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 177

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................. 179

Peter Haubner ............................................................................................................. 181

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 182

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 183

Philip Kucher .............................................................................................................. 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „angekündigte Reparatur des Budgetbegleitgesetzes im Be­reich Strafen gegen Meldevergehen“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  150, 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Fortführung der Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 25 Jahre, als Mittel aktiver Arbeitsmarktpolitik“ – Ablehnung                                                                                            158, 185

Kenntnisnahme des Berichtes III-98 d.B. ..................................................................... 185

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 161, 162 und 163 d.B. ........................... 185

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (146 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (29. StVO-Novelle) (174 d.B.) ....... 185

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 186

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 186

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ................................................................  187, 192

Dietmar Keck .............................................................................................................. 188

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 189

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 189

Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 190

Johann Singer ............................................................................................................ 191

Annahme des Gesetzentwurfes in 174 d.B. ................................................................. 192

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (72 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-
Novelle 2018) (175 d.B.) .............................................................................................. 193

RednerInnen:

Walter Bacher ............................................................................................................. 193

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................... 194

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 194


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 8

Annahme des Gesetzentwurfes in 175 d.B. ................................................................. 195

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 207/A der Abge­ordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG geändert wird (176 d.B.) ................................................................................... 196

RednerInnen:

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 196

Dominik Schrott ......................................................................................................... 196

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 198

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 198

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 176 d.B. ...................................................... 198

Zuweisung des Antrages 207/A an den Justizausschuss ............................................ 199

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 268/A(E) der Ab­geordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entrümpelung radverkehrsfeindlicher gesetzlicher Regelungen (177 d.B.) ............................................................................. 199

RednerInnen:

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 199

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 201

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 202

Robert Laimer ............................................................................................................. 202

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 203

Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 204

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 177 d.B. ...................................................... 205

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Transparenz von Abgeordnetenbezügen (298/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung „Aktions­plan Frauengesundheit“ (299/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung „Aktionsplan Frauengesundheit“ (300/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Vergleichs­möglichkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (301/A)(E)

Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (302/A)

Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung von umfassender Rechtssicherheit für Blockchain-Technologien und die Kryptoökonomie (304/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 9

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Leistun­gen aller Krankenversicherungsträger (305/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Schließung öffentlicher Krabbelstuben (1020/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend strafrechtliche und verwaltungs­strafrechtliche Verurteilungen bei Fußballmeisterschaftsspielen in der Saison 2013/14 (1021/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend strafrechtliche und verwaltungs­strafrechtliche Verurteilungen bei Fußballmeisterschaftsspielen in der Saison 2014/15 (1022/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend strafrechtliche und verwaltungs­strafrechtliche Verurteilungen bei Fußballmeisterschaftsspielen in der Saison 2015/16 (1023/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend strafrechtliche und verwaltungs­strafrechtliche Verurteilungen bei Fußballmeisterschaftsspielen in der Saison 2016/17 (1024/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend strafrechtliche und verwaltungs­strafrechtliche Verurteilungen bei Fußballmeisterschaftsspielen in der Saison 2017/18 (1025/J)

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend mangelnde Transparenz der Konsulta­tionsphase zur Klima- und Energiestrategie „mission2030“ (1026/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bericht des Rechnungshofes zu Genderaspekten im Steuerrecht (1027/J)

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Ausschreibung für den Ankauf von Pferden für die Reiterstaffel (1028/J)

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend zukünftiger Standort der Flugpolizei (1029/J)

Konrad Antoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Ausbau der Franz Josef Bahn (1030/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend des Innenministers berittene Polizei (1031/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds „im Bedarfsfall“ (1032/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Pferde (1033/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Umsetzung der Agenda 2030 (1034/J)


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Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Umsetzung der Agenda 2030 (1035/J)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Österreich noch fitter für das Internet machen (1036/J)

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend mangelnde Transparenz der Kon­sultationsphase zur Klima- und Energiestrategie „mission2030“ (1037/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus betreffend Tempo 140 auf österreichischen Autobahnen: Um­welt- & Gesundheitsgefährdung (1038/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend „Veröffentlichung der Gutachten zum Weltkultur­erbe“ (1039/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Europa, Integration und Äußeres betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1040/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1041/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Landesverteidigung betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1042/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanz­ler betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmit­teln (1043/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Finanzen betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1044/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend öffentliche Auftrags­vergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1045/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1046/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für öffentlichen Dienst und Sport betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Be­schaffung im Bereich von Lebensmitteln (1047/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Inneres betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1048/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1049/J)


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Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1050/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für Frauen, Familien und Jugend betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1051/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Be­schaffung im Bereich von Lebensmitteln (1052/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesmi­nisterin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend öffentliche Auftragsvergabe und Beschaffung im Bereich von Lebensmitteln (1053/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend ausständiges Maßnahmenvollzugsgesetz (1054/J)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 12

09.05.56Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! Liebe Damen und Herren auf der Besuchergalerie! Liebe Zuseher an den Fernsehgeräten zu Hause! Ich darf die Schülerinnen und Schüler der Polytechni­schen Schule Korneuburg mit ihrer Direktorin recht herzlich bei uns begrüßen! (Allge­meiner Beifall.)

Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Walter Bacher - - (Rufe bei der SPÖ: Er ist eh da! – Zwischenruf des Abg. Bacher. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Bacher wird immer automatisch entschuldigt!) Herr Kollege Bacher, herzlichen Dank! Wir sollten uns darüber unterhalten, warum Sie immer als fehlend eingetragen sind.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Ing. Reinhold Einwallner, Melanie Erasim, MSc, Wolfgang Katzian, Josef Muchitsch, Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. und Josef Schellhorn.

09.06.59Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mittei­lung gemacht: Der Vizekanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Heinz-Christian Strache wird durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in ei­nem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt: Der Bundesminister für Inneres Herbert Kickl wird durch die Staatssekretärin im Bundes­ministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass ORF 2 diese Sitzung bis 13 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der über 19.15 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.07.41Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch die Bun­desministerin für


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 13

Frauen, Familien und Jugend vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen, die Beantwortung der Anfragen darf jeweils 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Mi­nute nicht überschreiten. Ich werde kurz vor Ende der jeweiligen Redezeit auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Frauen, Familien und Jugend


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 27/M, der Ab­geordneten Mag. Jeitler-Cincelli an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Ju­gend Juliane Bogner-Strauß. – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundes­minister!

27/M

„Welche Zielsetzungen und Themen im Bereich der Gleichstellung von Mann und Frau begegnen uns während Österreichs EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2018?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Zuerst einmal schönen guten Morgen von meiner Seite! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Um Ihre Frage zu beantworten: Wir beginnen ja in einigen Tagen, am 1. Juli 2018, die dritte EU-Ratspräsidentschaft Österreichs. Das machen wir gemeinsam mit unseren TriopartnerInnen Estland und Bulgarien. Wir haben bereits im Jahr 2017 eine Deklaration unterzeichnet, in der wir uns der Gleich­stellung verschrieben haben, und diese Deklaration wurde auch veröffentlicht.

Mein Thema, unser österreichisches Thema ist Geschlechtergerechtigkeit und Jugend. Wir haben dabei auch wirklich auf die Jugend gehört, wir haben im letzten Jahr ge­meinsam mit Estland und Bulgarien 50 000 Jugendliche befragt, um ihre Meinungen mit hineinnehmen zu können.

Wir haben im Oktober eine Konferenz, „Gender Equality and You“, bei der es um Ge­schlechtergerechtigkeit und Jugend gehen wird, und wir haben auch ein informelles Treffen der GleichstellungsministerInnen im Oktober. Da wird es sehr viele neue The­men geben.

Ich glaube, es wäre wichtig, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung wieder eine höhere Priorität in der Europäischen Kommission, im Parlament einzuräumen. Es gibt derzeit keine Kommissionsstrategie, und darauf arbeiten wir hin. Wir hoffen natürlich auch, dass es Ende Dezember Schlussfolgerungen geben wird, um der Geschlechter­gerechtigkeit, der Gleichstellung mehr Priorität geben zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeord­nete.


Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Wie auch in den letzten Jah­ren zeigt sich, dass das internationale Verhandlungsklima im Bereich Frauenrechte und Gleichstellung sehr komplex ist, Fortschritte relativ schwer zu erreichen sind und die Bewahrung des Status quo im Vordergrund steht. Welche internationalen Aktivitä­ten werden Sie setzen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Hier möchte ich erst einmal die Frauenstatuskom­mission erwähnen. Sie wurde von den Vereinten Nationen 1946 ins Leben gerufen und dient wirklich dazu, die Rechte der Frauen umzusetzen, sowohl gesellschaftlich als


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 14

auch sozial und politisch. Österreich ist bei den Sitzungen jedes Jahr dabei, sie finden in New York statt, am Sitz der Vereinten Nationen. Wir beteiligen uns auch maßgeb­lich.

Heuer waren bei einem Side Event der Triopräsidentschaft Estland, Bulgarien und Ös­terreich die Risiken und Chancen von Digitalisierung Thema. Das Hauptthema der Ta­gung war die Stärkung von Frauen im ländlichen Raum, und zwar sowohl die Chancen als auch die Risiken für Frauen im ländlichen Raum. Wir werden uns auch als Mitglied der Frauenstatuskommission ab 2021 bewerben, um noch mehr Gewicht zu haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 2. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Heinisch-Hosek. – Bitte.


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, schönen guten Morgen! Meine Fragen stellen auf Arbeitszeit und Vereinbarkeit ab. Wie wir ja wissen, plant die Bundesregierung, planen Sie als Mitglied der Bundesregierung, die Arbeitszeit auf 12 Stunden täglich – als Normalarbeitszeit, nicht als Ausnahme – und auf 60 Stunden pro Woche auszuweiten. (Zwischenruf der Abg. Winzig. – Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja nicht!)

Jetzt gibt es zahlreiche Ausnahmen in Betriebsvereinbarungen, mit verschiedenen Mo­dellen, die durchaus mit der Belegschaft abgesprochen werden. Wenn der 12-Stunden-Tag Normalarbeitszeit wird, müssen wir uns oder müssen Sie als Frauenministerin sich schon die Frage stellen, wie sich das vereinbaren lässt, wenn Frauen Kinder haben. Daher zielt meine Frage auf diese beiden Bereiche ab.

35/M

„Wie sollen Frauen Beruf und Familie in Zukunft vereinbaren, wenn der von Ihnen ge­plante 12-Stunden-Arbeitstag zur Normalarbeitszeit wird und der weitere Ausbau der Kinderbetreuungsplätze durch Verzögerungen Ihres Ressorts bei den Art. 15a B-VG Verhandlungen massiv gefährdet wird?“

(Abg. Zanger: Das stimmt ja nicht! – Ruf bei der FPÖ: Und wenn Sie es jetzt fünf Mal sagen, wird es nicht richtig! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Weil Sie das jetzt so oft betont haben, möchte ich im Gegensatz dazu betonen: Die Normalarbeitszeit bleibt bei 8 Stunden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Derzeit geht es darum, dass im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz eine Regierungsvorlage ausgearbeitet wird, mit der wir eine Flexibilisierung der Arbeitszeit auf 12 Stunden anstreben. Ich darf meine Meinung dazu sagen: Ich glaube, das ist eine große Chance, vor allem was die Vereinbarkeit von Fa­milie und Beruf angeht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das einzubinden. Frauen kön­nen flexibler arbeiten, aber natürlich auch Männer. Sie können eventuell die Digitali­sierung nützen und zu Hause, am Heimarbeitsplatz, im Homeoffice noch weiterarbei­ten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es vielleicht besser mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren ist, wenn eine Person im Haushalt län­ger arbeitet. Natürlich sind wir auch gefordert, die Kinderbetreuung auszubauen, da bin ich ganz bei Ihnen!

Ich möchte etwas, das mir auch ganz wichtig ist, erwähnen, und dazu kenne ich ganz viele Beispiele aus der Realität: Frauen und auch Männer wünschen sich manchmal, im Block arbeiten zu dürfen, weil die Anreise zur Arbeit oft relativ weit ist. (Beifall bei


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 15

ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Damit hat man in Summe weniger Reisezeit, man hat eine Blockarbeitszeit über einige Tage und eine Blockfreizeit.

Das geschieht aber immer im Sinne dessen, dass das von den Mitarbeitern und Mitar­beiterinnen gewünscht ist und gemeinsam mit den Arbeitgebern besprochen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Ich glaube, dass gerade Alleinerzie­hende von dieser Regelung wenig haben werden.

Der Dachverband der Frauen- und Familienberatungsstellen beklagt in einem offenen Brief, dass weniger Geld fließt und daher auch weniger Beratungsstunden geleistet werden können. Sie mussten auch schon 200 000 Euro verschieben, Frauenzeitschrif­ten wie „Frauen*solidarität“ oder „an.schläge“ werden nicht mehr finanziert, die Frau­enhetz wird nicht mehr finanziert, auch das Netzwerk der Frauengesundheitszentren wird nicht mehr finanziert. Das alles wird gerade Frauen, die dringend Hilfe brauchen, treffen. Meine Zusatzfrage in dieser Hinsicht ist:

Wie verantworten Sie es als Frauenpolitikerin, da so viele Mittel gestrichen zu haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wir haben uns als Bundesregierung gesagt, wir konsolidieren das Budget, weil wir auf unsere Nachkommen schauen möchten. Wir möchten auf die Zukunft schauen. Wir möchten unseren Kindern auch in Zukunft etwas bieten können. Wir möchten diesen Sozialstaat aufrechterhalten. Wir haben das Frau­enbudget gesichert und es ist so, dass wir einen Schwerpunkt gesetzt haben. Unser Schwerpunkt ist der Gewaltschutz, und deswegen fließt natürlich sehr viel Geld in Ge­waltschutzzentren, in Interventionsstellen. Da auch bei diesen jedes Jahr eine Anpas­sung erfolgt, gibt es leichte Reduktionen bei den Förderungen. Es werden aber alle Mädchen- und Frauenberatungsstellen mit Beträgen in der Höhe der des letzten Jah­res kofinanziert, und die Förderungen fließen jetzt wie gesagt genau dorthin, wo wir un­sere Schwerpunkte gesetzt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Fichtinger.


Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Ministerin, ich darf noch einmal zu den flexiblen Arbeitszeiten zurückkommen: Studien besagen ja, dass flexible Arbeitszeiten die Familienfreundlichkeit positiv beeinflussen können. Zum Beispiel arbeitet jemand zwei Tage und hat dafür die andere Zeit frei und kann so die Kinderbetreuung besser einteilen. Welche Überlegungen gibt es noch, wie das noch besser unterstützt werden könnte?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich glaube, durch die Flexibilisierung wird es vielen Familien einfacher gemacht, Kinderbetreuung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, weil man sich eben eventuell abwechseln kann bei der Kinderbetreuung, in­dem eine Person länger in der Arbeit ist und die andere Person in dieser Zeit die Kin­derbetreuung übernimmt. Man kann die Digitalisierung – und die Digitalisierung ist die Zukunft – besser nutzen, auch im Homeoffice. Ich glaube, auch AlleinerzieherInnen werden davon sehr stark profitieren. Blockarbeitszeiten geben uns die Chance, an we­niger Tagen zu arbeiten, dafür aber auch längere Freizeitblöcke einplanen zu können. Ich denke, das ist sehr wertvolle Familienzeit.


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Auf der anderen Seite sind wir natürlich auch gefordert, die Kinderbetreuung auszu­bauen und vor allem auch flexibler zu gestalten, wo es gebraucht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wurm, bitte.


Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Minister! Die Ferien­zeit steht kurz bevor und Sie wissen, es ist für Eltern immer sehr schwierig, Beruf und Ferien und Familie unter einen Hut zu bekommen. Meine Frage:

Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, was haben Sie vor, um den Familien vor allem in der Ferienzeit zu helfen, um sie zu unterstützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ja, die Ferienzeit ist wahrlich eine Herausforderung, das weiß ich mit drei Kindern selbst. Jedes Jahr geht es darum, gute Betreuung in der Ferienzeit zu finden. Wir stellen dafür die FamilyApp zur Verfügung, die von jedem benutzt werden kann. In dieser App können Anbieter ihre Projekte hinterlegen und die Familien können relativ einfach nachschauen, wo sie Kinderbetreuungsprojekte für den Sommer finden, wo Eltern ihre Kinder in diesen neun Wochen unterbringen können. In der FamilyApp sind für diesen Sommer bereits knapp 1 100 Projekte eingetragen wor­den, das heißt, es gibt da wirklich schon eine sehr große Auswahl.

Die Anbieter können diese Projekte natürlich auch kostenfrei zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus fördern wir auch familienfreundliche Unternehmen. Es gibt das Netz­werk „Unternehmen für Familien“, und da können wir natürlich auch sehr viel in den Sommerferien anbieten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Michael Bernhard.


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage zielt auf das Thema 15a-Vereinbarung für den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze ab. Die bestehende Vereinbarung läuft dieses Jahr im August aus. Wir haben bereits Juni, mehrere Bundesländer haben uns schon kommuniziert, dass es auch keine laufenden Verhandlungen gibt. Spannend war auch, dass der Bildungsminister sich ebenfalls als verantwortlich für den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze bezeichnet hat. – Meine kon­krete Frage:

Sind Sie als Frauen- und Familienministerin für die Weiterführung und Zusammenle­gung der 15a-Vereinbarungen betreffend Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, Gratis­kindergartenjahr und frühe sprachliche Förderung als federführende Verhandlerin zu­ständig?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wir verhandeln derzeit auf Beamtenebene, weil wir natürlich diese 15a-Vereinbarungen, wie im Regierungsprogramm verankert, zusam­menlegen möchten.

Mit den Bundesländern haben bereits Ende Mai Verhandlungen stattgefunden; derzeit geht es darum, die Kriterien festzulegen – dabei geht es ja, wie Sie gesagt haben, um drei Punkte: Es geht um das Gratiskindergartenjahr, es geht um die Sprachförderung, und – was mir besonders wichtig ist – es geht um den Ausbau der Kinderbetreuung. Da möchten wir vor allem den Ausbau der Plätze für die unter Dreijährigen forcieren,


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denn bei Plätzen für über Dreijährige steht Österreich beim Kindergartenausbau wirk­lich schon bei 96 bis 98 Prozent, wir sind da flächendeckend. Bei den unter Dreijähri­gen gibt es aber noch ein paar Prozente zu erfüllen, bis wir das Barcelona-Ziel errei­chen, und deswegen hat das im Moment höchste Priorität. Gestern gab es eine Be­sprechung auf Kabinettsebene und demnächst wird es die nächste Besprechung auf Beamtenebene geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage. – Frau Abgeordnete Mühlberghuber, bitte.


Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! El­tern zu sein ist eine spannende, vielseitige, jedoch nicht immer einfache Aufgabe. Sie ist nicht immer leicht zu bewältigen, da man vor den unterschiedlichsten Herausforde­rungen stehen kann. – Meine Frage dazu lautet:

30/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie als Familienministerin, um Eltern hinsichtlich der un­terschiedlichsten, oft nicht einfach bewältigbaren Herausforderungen während und auch vor der Zeit des Eltern-Seins zu unterstützen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
In Österreich gibt es sehr, sehr viele Familienleis­tungen, und wir wissen, diese sind sehr treffsicher. Wir haben das Kinderbetreuungs­geld, wir haben die Familienbeihilfe, wir unterstützen aber auch noch später: Es gibt die Schülerfreifahrt, es gibt Unterhaltsvorschüsse, die wir leisten. – Wir nehmen in Summe über 9 Prozent des Bundesbudgets in die Hand, um Familien zu unterstützen; das sind heuer über 7 Milliarden Euro, und da ist der Familienbonus noch gar nicht da­zugerechnet.

Auf der anderen Seite haben wir sehr viele Elternbildungsmaßnahmen: Wir haben El­terntipps, es gibt die Seite www.eltern-bildung.at, wir haben eine Werbekarte für El­ternbildung, die schon dem Mutter-Kind-Pass beigelegt wird, weil ich glaube, dass es sehr wichtig ist, da schon vor der Geburt anzusetzen, denn vor der Geburt hat man eventuell auch noch Zeit, sich mit diesen Broschüren und Prospekten auseinanderzu­setzen, dann kann man noch relativ viel mitnehmen.

Wir haben Frühe-Hilfen-Netzwerke für jene, die es ganz dringend brauchen, eine Be­gleitung schon während der Schwangerschaft, aber auch noch danach, und wir haben familienfreundliche Unternehmen. – Wie schon gesagt, wir versuchen da, mehr und mehr familienfreundliche Unternehmen zu gewinnen, um für die Familien in Österreich wirklich ein gutes Angebot zu schaffen, das allen etwas bringt: sowohl den Familien als auch den Unternehmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mühl­berghuber.


Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Welche Angebote gibt es seitens des Bundeskanzleramtes?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wir haben noch weitere Projekte, die schon seit sehr, sehr vielen Jahren laufen. Ein ganz wichtiges Projekt ist für uns die Beratung von Familien und Kindern bei Trennungen. Da gibt es wirklich Unterstützung aller Art.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 18

Familien und Kinder werden begleitet, das ist eine ganz wichtige Maßnahme. Voriges Jahr haben wir 10 000 Kinder in Trennungs- und Scheidungsfällen begleitet.

Darüber hinaus haben wir ein Anti-Gewalt-Projekt, dabei geht es vor allem um Vernet­zungsveranstaltungen. Wir wollen alle Multiplikatoren und Multiplikatorinnen mitneh­men und diese schulen. Es geht dabei darum, Lehrer, ElementarpädagogInnen, Be­treuerInnen mitzunehmen, aber auch Ärzte, damit Gewalt wirklich erkannt wird und so­fort gegengesteuert werden kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage kommt von Herrn Abgeordne­tem Bernhard. – Bitte.


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Ministerin! Familie ist für uns dort, wo Menschen in Liebe und Verantwortung zueinanderstehen, unabhängig davon, wie sie ihren Lebensentwurf gestalten. Wir wissen, dass die bestehende Regierung in der Kommunikation einen Lebensentwurf gegenüber anderen Lebensentwürfen voranstellt. Darauf zielt auch meine Frage ab, diese lautet nämlich so:

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um insbesondere Familien mit gleichgeschlechtli­chen Eltern, sogenannte Regenbogenfamilien, in Ihrer Politik aktiv zu unterstützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass in unserem Regierungsprogramm ganz klar der Satz steht: „Familien sind dort, wo Kinder leben.“

Wenn Sie auf Regenbogenfamilien abzielen, so lassen Sie mich sagen, dass wir auch den Verein FAmOs unterstützen, denn auch in dieser Richtung braucht es sehr oft Be­treuung und Beratung, um diese Lebensmodelle gut leben zu können. Auch in diesen Lebensmodellen gibt es Fragen, die es in jeder, wie Sie es genannt haben, Familie gibt, und diese Fragen gilt es zu beantworten. Deshalb wird dieser Verein auch von uns gefördert.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Das Thema Jugendschutz ist Ihnen ein wichtiges Anliegen, das weiß ich – wir haben ja auch immer wieder darüber gesprochen. Wir wissen auch, dass Sie da durchaus Maßnahmen gesetzt haben, damit das auf Landesebene angeglichen wird. Ich glaube, Oberösterreich ist noch ein bisschen schwierig, aber da sind Sie zuver­sichtlich.

Das Problem ist allerdings, dass sich das – wenn wir das auf Landesebene haben – durchaus verändern kann, weil die Länder natürlich jederzeit die Möglichkeit haben, das zu revidieren und als Druckmittel zu verwenden. – Deswegen meine Frage:

33/M

„Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht dagegen, die Gesetzgebungskompetenz für Jugendschutz zur Bundesangelegenheit zu machen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Sie haben es schon gesagt: Jugendschutz ist Län­dersache und per se keine Angelegenheit der Bundesgesetzgebung. Deswegen freue


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ich mich eigentlich umso mehr, dass wir nach 35 Jahren diesen fast schon historischen Erfolg erzielt haben, dass der Jugendschutz in ganz Österreich vereinheitlicht wird. Es geht dabei um die Ausgehzeiten, die angepasst wurden – mit einer kleinen Ausnahme, die Sie schon erwähnt haben, nämlich Oberösterreich; da bin ich noch in Gesprä­chen –, es geht um die Anhebung der Altersgrenze beim Rauchen auf 18 Jahre, die Hand in Hand mit sehr viel Prävention geschieht – wir haben Folder, wir haben Infor­mationen –, und es geht auch um die Anhebung des Schutzalters beim Konsum von Getränken, die gebrannten Alkohol beinhalten.

Natürlich war es mir ein großes Anliegen, dass es da eine Vereinheitlichung gibt, aber alles, was außerschulische Kinder- und Jugendarbeit angeht, ist Länderkompetenz. Der Jugendschutz in seiner großen Auslegung sollte auch genau deswegen in der Kompetenz der Länder sein, weil ich denke, dass der Jugendschutz nur eine unter­stützende Maßnahme für all die Kinder- und außerschulische Jugend- und Kinderarbeit sein kann, die in den Ländern stattfindet, und zwar wirklich ganz großartig stattfindet.

Diesbezüglich gibt es in allen Ländern andere Herausforderungen. Wien zum Beispiel hat fast nur urbanen Raum; es gibt Länder, in denen es sehr viel ländlichen, ruralen Raum gibt. Ich denke, da gibt es ganz andere Ansätze, wie man Kinder und Jugendli­che in die außerschulische Arbeit bringen kann, und deshalb, glaube ich, ist es als Ge­samtpaket zu sehen und, wie ich denke, auch in Länderkompetenz sehr gut aufgeho­ben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Trautt­mansdorff.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Wenn Sie der Meinung sind, dass das in Länderkompetenz so gut aufgehoben ist, dann stellt sich für mich schon die Frage: Wozu brauchen wir eigentlich eine Jugendministerin, wenn genau das Wichtige, nämlich der einheitliche Schutz für alle Kinder und Jugendlichen, etwas ist, wofür Sie sich nicht einsetzen und gesetzlich auch nicht einsetzen können?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Das sehe ich ganz anders: Ich setze mich extrem dafür ein. Ich habe es schon erwähnt: Ich habe es nach 35 Jahren geschafft, den Ju­gendschutz zu vereinheitlichen – diesbezüglich gab es sehr viele Anläufe. Ich darf jetzt wirklich sagen, ich habe unglaublich tolle Gespräche mit den Bundesländern geführt, und deswegen – wie gleichfalls schon gesagt – ist das für mich ein historisches Ereig­nis.

Ich möchte hier natürlich den Ländern Danke sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir haben damit drei sehr wichtige Maßnahmen vereinheitlicht.

Und wenn Sie auf mich als Jugendministerin hinweisen, sage ich Ihnen Folgendes: Ich denke, da gibt es wesentlich mehr zu tun als nur im Zusammenhang mit dem Jugend­schutz. Ich möchte hier nur die neue Jugendstrategie erwähnen; auch eine neue EU-Jugendstrategie gilt es zu verhandeln.

Ich meine, es ist ganz, ganz wichtig, die Jugend zu hören und in den nächsten Jahren so viel wie möglich im Sinne der Jugendlichen zu bewegen, weil Kinder und Jugendli­che einfach unsere Zukunft sind. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Kitzmüller.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Noll. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Sehr geehrte Frau Minister! Habe ich das richtig verstanden, dass Sie die bestehenden Diskrepanzen in den Jugendschutzgeset-


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zen der Länder nicht weiter harmonisieren wollen? – Ein Beispiel, das sehr signifikant ist: Das Vorarlberger Jugendschutzgesetz hat eine Bestimmung, dass Kindern unter 14 Jahren das Autostoppen verboten ist; in Tirol ist es erlaubt. Das heißt, wenn ein Kind in Tirol in ein Auto einsteigt, darf es nicht nach Vorarlberg mitfahren. Dasselbe Verhältnis haben wir zwischen der Steiermark – dort ist Autostoppen bis 16 Jahre ver­boten – und Niederösterreich – dort ist es nicht verboten. Das heißt, der Übertritt von Kindern über die Landesgrenzen ist verboten. Dieselben Diskrepanzen gibt es beim Besuchen von Nachtlokalen, dieselben Diskrepanzen gibt es bei jugendgefährdenden Medien.

Wäre es nicht eine Aufgabe der Jugendministerin, da für eine Harmonisierung zu sor­gen, und zwar weit über das hinaus, was bisher gemacht wurde?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich bin da ganz bei Ihnen; man kann sich da noch weitere Themen anschauen.

Wir haben jetzt einmal mit diesen drei Themen angefangen. Ich habe zumindest noch viereinhalb Jahre Zeit, und ich kann mich wieder mit den Ländern zusammensetzen. Es gibt jedes Jahr eine Landesjugendreferenten- und -referentinnenkonferenz, und es gibt jedes Jahr neue Themen, die es da zu besprechen gibt.

Ich bedanke mich für die Anregungen, nehme diese gerne mit und mache diese gerne nächstes Jahr zum Thema. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Holz­leitner. – Bitte.


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich komme zum Themenkomplex Jugendarbeitslosigkeit. Diese ist in Österreich auf einem niedrigen Niveau, aber es gibt sie. Im Arbeitspapier zur Ratspräsidentschaft ist der Themenkomplex Jugendarbeitslosigkeit explizit bei Ihnen angeführt, und deshalb mei­ne Frage:

Welche Schwerpunkte werden Sie setzen, um einen europäischen Beitrag zur weiteren Eindämmung der Jugendarbeitslosigkeit zu leisten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Sie haben es schon erwähnt: Die Jugendarbeitslo­sigkeit liegt in Österreich Gott sei Dank bei nur 9 Prozent, das heißt, wir sind in Europa wirklich schon fast das Maß aller Dinge. Vor allem in den südlichen Ländern gibt es wesentlich mehr Jugendarbeitslosigkeit.

Wir haben auch im Kapitel Erasmus+ einen Jugendbereich; dabei können Jugendliche in Zukunft länderübergreifend Praktika machen. Auch im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps ist es möglich, länderübergreifend zu agieren. Ich denke, das gibt den Jugendlichen die Chance, ihre Kompetenz zu erweitern, aber ich meine, auch in den Ländern selbst muss viel getan werden. Dementsprechend wird es sehr viele Bespre­chungen auf EU-Ebene mit Kollegen Navracsics geben, der dafür verantwortlich ist. Die Gespräche sind bereits vor Monaten losgegangen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 5. Anfrage, jener der Abge­ordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Guten Morgen, Frau Mi­nisterin! Meine Frage bezieht sich auf die aktuelle Situation der Kinderarmut in Öster-


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reich. Jedes fünfte Kind in Österreich ist von Armut bedroht, das sind rund 312 000 un­ter 18-Jährige. Während wir auf der einen Seite von vielen Maßnahmen hören, durch die Steuern für Großunternehmen gesenkt werden, sehe ich die Bekämpfung der Kin­derarmut auf der anderen Seite als sehr nachrangig betrachtet.

Im Budgetausschuss haben wir diskutiert, welche weiteren Maßnahmen gesetzt wer­den können, um die Kinderarmut zu senken. Es ist von Ihrer Seite auch der Familien­bonus erwähnt worden, und das zu hören war für mich schockierend, weil Menschen, die von Armut betroffen sind, und Familien, die von Armut gefährdet sind, keinen Cent dieses Familienbonus erhalten werden. – Daher meine Frage:

38/M

„Welche familienpolitischen Maßnahmen plant die Regierung, um den 312.000 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Kindern zu helfen, insbesondere da der Familienbonus mit einer Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro für weitere soziale Unge­rechtigkeit sorgt und bei den jetzt schon von Armut Bedrohten nicht ankommt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Also der Ausführung, dass wir mit dem Familien­bonus nichts für von Armut Betroffene tun, möchte ich ganz klar widersprechen (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn ich glaube, Sie wissen auch, dass sehr viele Alleinerzie­herInnen von Armut betroffen sind, weswegen es den Kindermehrbetrag im Rahmen dieses Familienbonus Plus geben wird – obwohl wir uns zuerst gesagt haben, wir ma­chen nur eine Steuerentlastung, weil die letzte Steuerentlastung 2016 eben genau jene mitgenommen hat, die schon sehr wenig haben und von Armut betroffen sind. 2016 haben wir in diese Richtung also schon sehr viel getan, aber dennoch haben wir ge­sagt, mit dem Familienbonus Plus möchten wir auch diese Personen, diese Kinder wie­der mitnehmen – wie gesagt, es trifft ja vor allem oder sehr oft Kinder von Alleinerzie­henden.

Dennoch möchte ich hier auch noch einmal betonen, dass die Familienleistungen in Österreich sehr treffsicher sind, darüber gibt es Studien, und die Familienleistungen in Österreich sind in den letzten Jahren auch viel stärker gestiegen als die Inflationsrate. Wir haben das Kinderbetreuungsgeld, die Familienbeihilfe, Unterhaltsvorschüsse, Schülerfreifahrt, Bücher. Es gibt auch noch Leistungen aus dem BKA, aus meiner Sektion, für Familien, die in eine Notsituation geraten sind.

Wir geben, wie schon vorhin gesagt, mit dem Familienbonus 10 Prozent des Bundes­budgets für Familien aus, und ich glaube, gerade aus diesem Grund steht Österreich, was das Thema Kinderarmut betrifft, wirklich sehr gut da. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber.


Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Ich möchte da widerspre­chen, denn eine steuerliche Entlastung hilft Familien, die an der Armutsgrenze leben, meist sehr wenig, besonders da viele Alleinerziehende eine Aufzahlung aus der Min­destsicherung bekommen und dann vom Familienbonus genau null Euro erhalten wer­den.

Meine Zusatzfrage bezieht sich aber auf eine weitere Gruppe, nämlich jene der Allein­erziehenden und Ein-Eltern-Haushalte mit Kindern, die oft aufgrund kaum vorhandener oder gar keiner Unterhaltszahlungen ebenfalls an der Armutsgrenze leben müssen. Davon sind rund 40 000 Kinder vehement betroffen, und im Wahlkampf wurden große Hoffnungen für diese Zielgruppen geschürt. (Abg. Fürlinger: Fragestunde!)


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Im Familienausschuss hat es dann geheißen, es muss evaluiert werden, geprüft wer­den, und in drei Jahren könnte man weitersehen.

Warum soll es noch mindestens drei Jahre dauern, bis eine Reform dieses Unterhalts­gesetzes mit einer fairen Unterhaltssicherung, die präventiv gegen Kinderarmut wirken könnte, ausgearbeitet wird, und wann kommt es endlich zu dieser Maßnahmenumset­zung, die hier von allen im Nationalrat vertretenen Parteien versprochen worden ist?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich bin da bei Ihnen: Der Unterhaltsvorschuss ist ein sehr wichtiges Thema; wir bezahlen ja auch Unterhaltsvorschuss. Sehr viel von die­sem Unterhaltsvorschuss, den wir bezahlen, bekommen wir nicht zurück – ich spreche da von 60 Millionen Euro im Jahr.

Im Moment geht es darum: Im Justizministerium ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich dieser Thematik sehr genau annimmt. Sie sprechen nämlich immer nur von Allein­erzieherInnen, ich spreche auch von Familien, bei denen ein Elternteil zum Beispiel aufgrund einer Krankheit oder dergleichen nicht arbeitsfähig ist. Das heißt, wir müssen uns dieses Themas wirklich sehr genau annehmen und wir müssen da sehr genau hin­schauen, damit es zu keiner Bevorteilung und zu keiner Benachteiligung kommt. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kug­ler. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Oft wird ja die notwendige Steuerentlastung durch den Familienbonus gegen sozialpolitische Maß­nahmen ausgespielt, und das, obwohl der Familienbonus natürlich auch armutsbe­kämpfend wirkt – er greift ja auch schon bei einem Einkommen von 1 700 Euro brutto zur Gänze. Niemand wird weniger bekommen.

Sie haben gestern im Ministerrat den Familienbonus Plus auf Schiene gebracht. Wie genau sieht seine Ausgestaltung in dieser Letztfassung aus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich freue mich sehr, dass ich hier den Familien­bonus genau als das, was er ist, noch einmal vorstellen darf. Er ist nämlich die größte Entlastung für Familien, die es jemals in der Geschichte gegeben hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist eine Steuerentlastung, die ab dem ersten Steuereuro, den man bezahlt, greift. Das heißt, Familien können diese Steuerentlastung entweder zur Gänze ausnutzen oder maximal mit 1 500 Euro pro Kind und Jahr.

Dazu möchte ich sagen: Das Medianeinkommen liegt bei knapp 2 000 Euro, und, wie Sie schon gesagt haben, bei 1 750 Euro kann man für ein Kind 1 500 Euro mehr im Jahr bekommen. Bei 2 300 Euro Bruttoverdienst kann man bereits für zwei Kinder 3 000 Euro mehr im Jahr im Geldtaschl haben. Ich glaube, dadurch sehen die Familien wirklich, dass es sich auszahlt, arbeiten zu gehen, und wir möchten diese Familien auch genau dahin gehend unterstützen. Arbeit muss einfach etwas wert sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.


Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Als Vater von sieben Kindern bin ich sehr froh, dass im Regierungsprogramm klar verankert ist,


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dass Familie dort ist, wo Kinder sind. (Ruf: Sieben?) – Ja genau, sieben. (Heiterkeit.) Der Familienbonus Plus ist die größte Entlastungsmaßnahme für die Familien; 950 000 Familien profitieren davon.

Wie sorgt die Regierung vor, um beim Familienbonus Plus für mehr soziale Gerech­tigkeit für inländische Familien zu sorgen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wie Sie erwähnt haben, entlasten wir damit 950 000 Familien, 1,6 Millionen Kinder in Österreich. In Österreich haben wir relativ ho­he Lebenshaltungskosten, Österreich ist ein relativ teures Land. Die Länder im Osten weisen oft wesentlich günstigere Lebenshaltungskosten auf, und deshalb wird auch der Familienbonus indexiert, sprich an die Lebenshaltungskosten angepasst. Das heißt, in Österreich wird es nach dem Eurostatindex einen höheren Familienbonus pro Kind ge­ben als zum Beispiel in einem östlichen Nachbarland wie Tschechien oder Ungarn oder Rumänien.

Ich glaube, das ist gerecht gegenüber allen Kindern, die in Österreich leben. Alle Kin­der in Österreich werden unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft gleich behandelt. Bei der Indexierung geht es nur darum, wo die Kinder leben: Leben sie in einem Land, das teuer ist, oder leben sie in einem Land, wo die Lebenshaltungskosten wesentlich günstiger sind. Dementsprechend ist die Indexierung einfach nur gerecht und fair allen Kindern gegenüber. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 6. Anfrage, jener des Abgeord­neten Sieber. – Bitte.


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Ich muss sagen, ich freue mich, dass diese Regierung mit dem gestrigen Beschluss des Familienbonus Plus im Ministerrat bewiesen hat, dass sie die familienfreundlichste Regierung, die die­ses Land je gehabt hat, ist. Ich gratuliere Ihnen dazu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Familienbonus Plus ist natürlich auch ein Mittel, das sehr stark auf die Wahlfreiheit der Familien abzielt und sie darin unterstützt. Es ist aber auch so, dass wir natürlich auch ein Hauptaugenmerk darauf legen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vo­ranzutreiben.

Daher meine Frage, Frau Minister:

28/M

„Welche Aufgaben zur Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die eine der wichtigsten Herausforderungen für die österreichische Familienpolitik ist, gibt es?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wir haben in den letzten Jahren natürlich die Kin­derbetreuung ganz stark ausgebaut; das ist nämlich ein wichtiges Thema.

Für mich aber auch ein wichtiges Thema, um wirklich alle zu erreichen, nämlich auch die Unternehmen, die ja auch schon erkannt haben, dass Familienfreundlichkeit kein weicher Faktor, sondern wirklich ganz, ganz wichtig in einem Unternehmen ist, ist das Netzwerk Unternehmen für Familien, das wir gegründet haben. Dieses Netzwerk um­fasst inzwischen bereits 500 Partner und Partnerinnen. Es sind hauptsächlich Unter­nehmen, aber auch Gemeinden, und diese Unternehmen – wie der Name schon sagt – vernetzen sich in diesem Netzwerk. Es gibt Partner- und Partnerinnentage, es gibt Ver-


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netzungstreffen, sie tauschen sich aus, sie erzählen einander, was sie gut machen, wo sie Familien unterstützen. Diese Unternehmen haben einfach erkannt, dass die Mitar­beiter wesentlich loyaler sind, wenn sie das tun. Es gibt eine stärkere Mitarbeitermo­tivation, die Frauen und auch die Männer gehen weniger lange in Karenz, und es gibt wesentlich weniger krankheitsbedingte Fehltage. Diese Unternehmen lassen sich wirk­lich einiges einfallen. Sie haben oft flexible Kinderbetreuung, wenn es noch Termine am Abend gibt, sie haben oft Ferienbetreuungsangebote.

Wie gesagt, das sind jetzt 500 Unternehmen, und ich glaube, es gilt einfach, noch mehr Unternehmen an Bord zu holen, weil die Unternehmen einfach erkannt haben, Familienfreundlichkeit ist gleich nach dem Gehalt das zweitwichtigste Symbol, um gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Diese Regierung hat eine Vielzahl an Audits, aber auch die Plattform berufundfamilie-index.at ins Leben gerufen und zur Verfügung gestellt. Meine Frage lautet nun: Wie viele Institutionen und Gemeinden wurden von den angebotenen Audits bereits erreicht, und wie viele Zugriffe gab es auf den beruf­undfamilie-Index?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich habe die Zahlen nicht ganz genau im Kopf, aber es sind über 2 000, seit es diesen berufundfamilie-Index gibt.

Was die Auditierungen betrifft: Die Gemeinden, die Hochschulen, die Pflegeeinrich­tungen freuen sich inzwischen über diese Plakette, die sie bekommen. Sie werben mit dieser Plakette sogar oft in Ausschreibungen, in Stellenausschreibungen. Derzeit ha­ben wir bereits 450 Unternehmen in dieser Auditierung, wir haben, glaube ich, 475 Ge­meinden in der Auditierung, um die 15 Pflegeeinrichtungen und 29 Hochschulen, und darauf lege ich auch viel Wert, weil ich auch aus einer solchen familienfreundlichen Hochschule komme. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Bißmann. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Guten Morgen, Frau Bundes­ministerin! Heute interessiert mich beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders unser eigener Berufsstand, also jener von Politikerinnen – und auch von Politikern, falls sie werdende oder junge Väter sind. Wir sind ja rechtlich gesehen keine ArbeitnehmerInnen, deswegen greifen die Schutzbestimmungen für werdende Mütter und Elternteile und der Anspruch auf Karenz nicht. In den letzten Jahren gab es einige Verbesserungen, zumindest für Schwangere und junge Mütter im Parlament – es wurde ein Stillzimmer mit Zugang auch für die Partner eingerichtet –, es gibt aber keine Mutterschutzregelung für Parlamentarierinnen, auch nicht für Ministerinnen; diesbezüg­lich ist in der Geschäftsordnung nichts vorgesehen. Möchte man länger als 30 Tage entschuldigt fernbleiben, gibt es als einzige Möglichkeit, Krankheit als Grund dafür an­zugeben; Schwangerschaft ist aber keine Krankheit und Geburt auch nicht.

Also diesbezüglich könnte man sowohl in der Geschäftsordnung als auch – das wäre eine weitere Möglichkeit – in der Verfassung etwas ändern, etwas verbessern. Ich woll­te Sie fragen, wie Sie das sehen, ob Sie sich im Laufe Ihrer Amtszeit vielleicht dafür einsetzen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Sie sprechen da ein ganz wichtiges Thema an. Ich


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habe ja, wie vorhin schon erwähnt, selbst drei Kinder. Ich freue mich sehr, dass auch Kollegin Köstinger demnächst ein Baby bekommen wird. Sie ist nach wie vor unter­wegs, erst gestern war sie, glaube ich, im Parlament. Sie ist jeden Tag unterwegs, es geht ihr ausgezeichnet, also man sieht, Schwangerschaft ist keine Krankheit. Es ist aber nicht in jedem Fall so, und natürlich ist das ein Thema, das es zu diskutieren gilt, da bin ich ganz bei Ihnen. Ich glaube, man kann sich durchaus einmal zusammenset­zen und neue Ideen andenken, was wir da noch anders gestalten könnten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Der 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche, die geplant werden (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt ja nicht!), wozu man natür­lich schon sagen muss, dass dann die Überstundenzuschläge und die Überstunden­entlohnung wegfallen werden, werden die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben noch schwieriger gestalten. Daher, Frau Ministerin: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die Einkommensschere zu schließen, damit auch Männer verstärkt mo­tiviert werden, Karenz und Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Auch dazu möchte ich noch einmal sagen: Die Nor­malarbeitszeit beträgt weiterhin 8 Stunden, und es wird Zuschläge geben, wenn man mehr arbeitet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Abgeordnete Heinisch-Hosek hat gesagt, es gibt bereits Verträge, im Rahmen derer man mehr Stunden arbeiten darf. Ich hatte auch das Glück, auf der Universität mehr als 8 Stunden arbeiten zu dürfen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Krankenschwester!


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Auch für Krankenschwestern gilt das, richtig, Herr Präsident. Ich glaube, das kann man sehr gut nutzen, wie schon gesagt, um die Arbeit im Rahmen von Blockarbeitszeiten zu leisten, um auf der anderen Seite auch wesent­lich mehr freie Tage zu haben. Ich glaube, das erhöht auch wirklich die Chancen auf Vereinbarkeit.

Ich denke, dahin gehend ist das ein ganz wichtiges und ein ganz flexibles Tool, wie ich schon erwähnt habe, das vieles erleichtern wird, für uns alle und, wie ich glaube, gera­de für Frauen, aber nichtsdestotrotz: Wir müssen bei den Männern das notwendige Be­wusstsein schaffen. Männer müssen einfach – und das sage ich ganz, ganz offen – auch mehr partnerschaftliche Arbeit übernehmen, egal ob es um Kindererziehung, um Kinderbetreuung oder auch um die Pflege von älteren Menschen geht. Das muss part­nerschaftlich erledigt werden. Dann haben auch die Frauen die Chance, wieder mehr in den Arbeitsalltag einzusteigen, mehr Stunden zu arbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 7. Anfrage, jener von Frau Ab­geordneter Sandler. – Bitte.


Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin, Herr Mi­nister, Herr Präsident! Rund 85 Prozent der Kinder, die in Haushalten leben, die die Bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen, sind von den Kürzungen betroffen, und das sind rund 70 000 Kinder. Gerade bei Familien mit Kindern liegt das Armutsrisiko bei rund 13 Prozent, bei Familien mit drei oder mehr als drei Kindern steigt es sogar auf 22 Prozent.

Meine Frage lautet:


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36/M

„Welche Maßnahmen werden Sie als Familien- und Frauenministerin ergreifen um zu verhindern, dass die geplanten Kürzungen bei der Mindestsicherung vor allem österrei­chische Familien und AlleinerzieherInnen“ – hier mit großem i – „mit mehreren Kindern schlechter stellen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Die Mindestsicherung ist eine ganz wichtige Säule, um Armut zu bekämpfen, aber ich glaube, es ist auch ebenso wichtig, dass die Min­destsicherung in ganz Österreich gleich aussieht. Das gibt einfach Rechtssicherheit, und ich glaube, das führt auch dazu, dass für alle Gleiches gilt.

Mit dieser Mindestsicherung Neu haben wir unser Augenmerk aber auch wirklich auf die Alleinerzieherinnen gelegt, und ich darf Ihnen sagen: Eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern wird in Zukunft 2 500 Euro mehr im Jahr bekommen. Bis jetzt hat eine Allein­erzieherin mit zwei Kindern in etwa 1 170 Euro im Monat bekommen, jetzt werden es in etwa 1 380 Euro im Monat sein. Das heißt, wir haben uns die Situation angesehen und wir verbessern sie.

Auf der anderen Seite wollen wir aber mit dieser Mindestsicherung Neu auch wirklich differenzieren: Wer hat seit Jahren in unser System eingezahlt? Wen unterstützen wir mit dieser Mindestsicherung? Und wer ist neu in unserem Sozialsystem? Ich glaube auch, dass es wirklich gerechtfertigt ist, dass wir sagen: Um diese Mindestsicherung im vollen Ausmaß zu bekommen, muss man eine Sprachfertigkeit nachweisen können.

Ich glaube, mit der Mindestsicherung Neu, die wir über ganz Österreich mit der Grund­satzgesetzgebung vereinheitlichen, können wir auch besser sanktionieren, nämlich ge­nau jene, die eigentlich nicht arbeitswillig und nicht integrationswillig sind.

Das heißt, wir haben da ein Gesamtpaket geschnürt, das nach außen hin wirklich hauptsächlich positiv ist, vor allem Alleinerzieherinnen mitberücksichtigt und zwischen Personen, die ins System einbezahlt haben – für diese ist es eine Säule der Armuts­bekämpfung –, und solchen, die in den Sozialstaat hineindrängen, differenziert; es wird dabei auch aufgezeigt, dass dieses Hineindrängen in unseren Sozialstaat, nur um die Mindestsicherung zu nutzen, unterbunden wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Eine Bemerkung sei mir gestattet, bevor ich zu meiner Zusatzfrage komme: Ich habe Sie dezidiert nach österreichischen Fami­lien und nicht nach Zuwanderern gefragt, und ich glaube, dass man den österreichi­schen Familien nicht unterstellen kann, dass sie nicht Deutsch können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie sehen Ihre nächsten Schritte inhaltlich und zeitlich aus, um den Familien in Öster­reich, aber auch den Ländern und vor allem den Kommunen Planungssicherheit betref­fend den Fortbestand ihrer Kinderbetreuungseinrichtungen zu geben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich darf noch einmal auf das, was Sie gesagt ha­ben, replizieren: Ich bin bei den Alleinerzieherinnen definitiv auf österreichische Allein­erzieherinnen eingegangen, aber ich wollte Ihnen auch die anderen Vorteile der Mindestsicherung Neu vermitteln, um nämlich sagen zu können, wir werden gerade durch dieses Geld, das wir uns auf der einen Seite sparen, weil wir genau hinschauen, wer diese finanzielle Unterstützung braucht, ab wann wir diese finanzielle Unterstüt-


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zung geben, auch mehr Geld dafür frei haben, Alleinerzieherinnen mit Kindern in der Mindestsicherung besser zu unterstützen, als wir das bis jetzt getan haben. Das ist mir sehr, sehr wichtig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was die 15a-Vereinbarung betrifft, so habe ich dazu heute schon Stellung genommen. Wir sind mitten in den Verhandlungen. Die Beamtenverhandlungen mit den Ländern waren Ende Mai, gestern gab es eine Kabinettsverhandlung, und es wird demnächst die nächste Beamtenverhandlungsrunde mit den Bundesländern geben. – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Wagner. – Bitte.


Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sowohl mit dem Familienbonus Plus als auch mit der Mindestsicherung Neu wird mehr Gerechtig­keit für die Familien geschaffen. Meine Frage an Sie: Inwiefern können österreichische Alleinerziehende mit einer Entlastung bei der Mindestsicherung rechnen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich darf noch einmal auf das Beispiel eingehen, das ich schon erwähnt habe, nämlich jenes mit zwei Kindern. Alleinerzieherinnen sind sehr, sehr oft vor Herausforderungen gestellt. Alleinerzieherinnen können oft nicht oder nicht so viel arbeiten gehen, daher passiert es auch relativ häufig, dass sie Mindestsiche­rung beziehen. Diese Frauen wollen wir unterstützen, vor allem wenn sie sich auch noch allein um ihre Kinder kümmern müssen. Deshalb bekommen Alleinerzieherinnen, wenn sie zwei Kinder haben – das darf ich als Beispiel nennen –, in Zukunft auch um 2 500 Euro mehr Mindestsicherung pro Jahr, als sie bis jetzt bekommen haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 8. Anfrage, jener von Abge­ordneter Ricarda Berger. – Bitte.


Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Meine Frage lautet:

31/M

„Welche Punkte werden Sie in den kommenden Verhandlungen betreffend des Vorschla­ges einer neuen EU-Jugendstrategie in den Vordergrund rücken, zumal ERASMUS+ 2020 ausläuft?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Erasmus+ läuft aus, aber noch früher läuft die EU-Jugendstrategie aus, nämlich 2018, und auch die Österreichische Jugendstrategie läuft aus. Das ist für uns natürlich eine unglaublich große Chance. Wir haben im Rahmen der Triopräsidentschaft gemeinsam mit den TriopartnerInnen 50 000 Jugendliche be­fragt, was sie sich von der Zukunft wünschen, was sie an Themenschwerpunkten ha­ben wollen. Digitalisierung, Arbeit, Bildung, aber auch medizinische Versorgung sind ihnen ganz wichtig. Die Jugendlichen sind natürlich ein Parameter: Was ist wichtig in dieser Zeit? – Das sind auch oft die Medien, und gerade durch die Medien war es mög­lich, so viele Jugendliche zu erreichen.

Mithilfe der Ergebnisse dieser Befragungen der Jugendlichen werden wir diese neue EU-Jugendstrategie ausformulieren. Es gab bereits einen Vorschlag der Europäischen Kommission im Mai 2018. Mithilfe dieses Vorschlagspapiers und mithilfe all der Er­kenntnisse, die wir durch die Befragungen der Jugendlichen erzielt haben, werden wir eine neue EU-Jugendstrategie ausrichten, natürlich auch im Sinne von Erasmus+, das ja noch bis 2020 läuft.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine Zusatzfrage? – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 28

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Welche Erfolge konnten im Jugendteil von Eras­mus+ verbucht werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Der Jugendteil von Erasmus+ ist meiner Meinung nach ein ganz, ganz wichtiger Teil – Erasmus+ gilt sozusagen als das erfolgreichste Projekt Europas, wenn man das so sagen darf –, der Jugendteil ist nämlich ein Teil, der wirklich mit wenig Geld, muss man schon fast sagen, extrem viel Mobilität schafft. Wir hatten 5 Millionen Euro, es gab 400 Projekte und 4 000 Mobilitäten von Jugendli­chen. Dieses Programm ist niederschwellig, aber wir möchten es noch niederschwel­liger machen. Wir möchten nämlich, dass sich vor allem Jugendliche, die sonst nicht die Chance haben, für eine längere Zeit in ein anderes Land in Europa zu gehen und Erfahrungen zu sammeln, das über dieses Programm ermöglichen können. Wir möch­ten auch einen Bürokratieabbau erreichen und versuchen, dass noch mehr Geld, das jetzt in der Bürokratie steckt, wirklich in die Projekte fließt, damit wir noch mehr Ju­gendliche einbinden können, damit diese einfach Erfahrungen sammeln, die sicher großartig und nachhaltig für ihr ganzes Leben sein werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 9. Anfrage, jener von Abgeord­neter Gamon. – Bitte.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir haben schon während der Budgetberatungen über das Thema der För­derschwerpunkte gesprochen, und Sie haben damals gesagt, dass Sie diesen Plan noch nicht genau gemacht haben, was wir auch so zur Kenntnis genommen haben. Jetzt haben wir den Medien entnommen, dass einer der Förderschwerpunkte auch die Förderung von Frauen- und Mädchenberatungsstellen ist.

Meine Frage lautet:

34/M

„In welcher Höhe wurden seit Ihrem Amtsantritt welche Institutionen im Rahmen des Förderschwerpunktes ,Frauen- und Mädchenberatungsstellen‘ gefördert?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Es ist uns gelungen, die Frauen- und Mädchenbe­ratungsstellen weiter so kozufinanzieren, wie sie im letzten Jahr finanziert worden sind. Wir werden 4,7 Millionen Euro ausgeben, davon fließen 3,3 Millionen Euro zu den Rah­menfördervertragsnehmerInnen und 1,4 Millionen Euro in sonstige Beratungsstellen.

Wir fördern die Frauen- und Mädchenberatungsstellen, wir fördern Frauenservicestel­len mit den Außenstellen, wir fördern Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt, Frauenhäuser, Notunterkünfte, auch alle Onlineberatungsstellen werden weiterhin ge­fördert sowie die Frauenhelpline. Wie ich schon gesagt habe, ist das neben dem Ge­waltschutz mein Schwerpunkt, und deswegen werden auch alle Frauen- und Mädchen­beratungsstellen genauso gefördert, wie sie im letzten Jahr gefördert worden sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Welche Institutionen, die im letz­ten Jahr Fördergelder aus der Sektion und aus dem Frauenbudget erhalten haben, wurden seit Ihrem Amtsantritt oder werden jetzt nicht mehr gefördert?



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 29

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wir haben einen Schwerpunkt gesetzt: Gewalt­schutz ist uns ganz wichtig. Wir investieren in Gewaltschutzzentren, in Interventions­stellen, und diese Zentren werden angepasst, das ist gesetzlich geregelt. Da das Budget gleich geblieben ist, gibt es dementsprechend für die Förderungen etwas weniger Budget. Deshalb haben wir sehr genau hingesehen und mussten leider bei ei­nigen Beratungsstellen kürzen.

Hierzu möchte ich aber auch noch sagen, dass viele dieser Beratungsstellen aus an­deren Ministerien kofinanziert sind. Das Thema Frauen ist ressortübergreifend, ist mi­nisterienübergreifend. Ich glaube, deshalb ist es auch ganz wichtig, da einen Fokus und einen Schwerpunkt zu setzen, und mein Schwerpunkt war Gewalt, Frauenbera­tung, Mädchenberatung, um auch das Wirkungsziel halten zu können, das wir uns mit 80 Prozent Flächendeckung bei den Frauen- und Mädchenberatungsstellen gesetzt haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 10. Frage, jener der Abgeord­neten Cox. – Bitte.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Guten Morgen! Österreichs Gewaltschutz­gesetz hat internationale Vorbildwirkung. Eine Vorreiterrolle hat, wie wir wissen, auch die Schulung in der Polizeigrundausbildung, die seit 20 Jahren gemeinsam mit Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern der Frauenhäuser entwickelt, evaluiert und durchgeführt wurde. Das Ergebnis war unter anderem auch eine ausgezeichnete Zusammenarbeit der Gewaltschutzzentren mit der Exekutive, wie auch im Grevio-Bericht sehr positiv hervorgehoben wurde.

Nun ist es aber so, dass eigentlich der Wunsch vorhanden war, dieses Modell in die Ausbildung der Justiz zu implementieren, das Innenministerium hat im Herbst 2017 allerdings die üblichen 16 Schulungsstunden auf 12 Stunden gekürzt.

Jetzt die Frage an Sie:

39/M

„Frau Ministerin, welche Schritte haben Sie bereits unternommen, damit die Schulung in der Polizeigrundausbildung in Zusammenarbeit mit Vortragenden der Frauenhäuser, die im Herbst 2017 vom Innenministerium reduziert und auf unentgeltliche Vorträge be­schränkt wurde, wieder finanziert wird?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Die Polizeigrundausbildung wurde ja 2016 refor­miert und adaptiert. Im Zuge dessen hat man beschlossen, wesentlich mehr Praxis­ausbildung einfließen zu lassen und die Theorie zu reduzieren. Ich glaube, das war ein sehr guter Schritt. Sie haben schon erwähnt, dass diese Schulungsstunden von 16 auf 12 Stunden reduziert wurden, auf der anderen Seite wurde aber die Gewaltschutzaus­bildung auf 40 Stunden erhöht und damit verdreifacht.

Auch da muss ich sagen, dass Gewaltschutz nicht nur in diese 40 Stunden der Ge­waltschutzausbildung einfließt, sondern auch noch in anderen Unterrichtsstunden immer wieder mit einbezogen wird. Wir haben – ich habe es vorhin erwähnt – eine Förderung der Gewaltschutzzentren und der Interventionsstellen, die sehr hoch ist, und wir haben in diesen Förderverträgen auch hinterlegt, dass die Gewaltschutzzentren dafür verantwortlich zeichnen, diese Schulungen bei der Grundausbildung zu überneh­men. Ich glaube, die Frauen in den Gewaltschutzzentren sind dafür sehr gut geeignet,


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wissen es am besten und sind auch österreichweit abgestimmt. Das heißt, wir haben da eine unglaublich tolle Harmonisierung in dieser Grundausbildung der Polizisten und Polizistinnen, indem diese Schulungen von den Gewaltschutzzentren übernommen werden.

Die Gewaltschutzzentren dürfen natürlich auch die Frauen aus den Frauenhäusern für diese Ausbildung, für diese Beratung beiziehen, aber es darf die Stunden nicht über­schreiten. Ich glaube, das ist eine Win-win-Situation, und, wie gesagt, in Summe wer­den jetzt viel mehr Stunden bei der Grundausbildung in Gewaltschutz investiert als früher.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Dies wurde auch von den Frauenhäusern an uns herangetragen. Wie sieht es mit der Zusammenarbeit aus? Gibt es Treffen mit den Frauenhäusern? Wie stellen Sie sich die zukünftige Zusammenarbeit vor? Wie ist Ihr Vorgehen in der Zusammenarbeit mit Frauenhäusern in Ihrer Arbeit?


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich hatte schon sehr viele Treffen mit den Frau­enhäusern, auch die zwei Dachorganisationen der österreichischen Frauenhäuser wa­ren schon bei mir. Wir haben sehr viele Gespräche geführt, um eben genau hinzuse­hen, wo es noch mehr Frauenhausplätze braucht. Ich habe auch gesagt, dass mir Ge­waltprävention ein wichtiges Thema ist. 100 Betreuungsplätze kommen in den nächs­ten fünf Jahren dazu, und deshalb stimme ich mich mit den Frauenhäusern sehr gut ab und bin österreichweit in sehr guten Gesprächen mit den Frauenhäusern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 11. Frage, jener der Abgeord­neten Claudia Plakolm. – Bitte.


Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Liebe Frau Bundesministerin! Aus einer Um­frage von SOS-Kinderdorf und Rat auf Draht geht hervor, dass 27 Prozent aller Kinder und Jugendlichen schon mindestens einmal von sexueller Belästigung im Internet be­troffen waren.

29/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um Kinder und Jugendliche im Internet“ – und den sozialen Medien – „insbesondere vor extremistischen, pornografischen und gewaltver­herrlichenden Inhalten zu schützen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich glaube, das ist eine große Herausforderung, mit der wir einfach umzugehen lernen müssen. Was müssen wir tun? – Wir müssen ein­fach die Medienkompetenz aller schulen. Soziale Medien, Internet – das ist heute die Lebensrealität. Kinder wachsen damit auf, Kinder kommunizieren so, Kinder spielen so Spiele. Wir müssen schauen, dass sie das richtig machen. Da müssen ganz viele ei­nen Blick darauf haben, die Eltern, aber natürlich auch die Lehrer und die Lehrerinnen, Betreuungspersonen, und deswegen brauchen wir da wirklich gute Schulungsprogram­me. Wir müssen schauen, dass alle Medienkompetenz haben, das ist heute wirklich eine Schlüsselkompetenz. Das hat uns einfach kalt erwischt, möchte ich schon fast sagen, aber was offline nicht erlaubt ist, kann online auch nicht erlaubt sein.

Wir haben da die Medien-Jugend-Info, mit der wir sehr, sehr viel tun und mit der wir versuchen, Jugendliche, aber auch Eltern, Pädagogen und Pädagoginnen zu schulen. Wir haben ja unterschiedliche Formate wie Sextalks, Jobtalks, Schön genug ohne Pho­toshop, ich glaube, das sind ganz wichtige Projektformate, die die Jugendlichen auch


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wirklich ansprechen. Wir müssen aber alle ansprechen, wir müssen da alle mitnehmen, damit wirklich alle Medienkompetenz entwickeln.

Wir haben eine sehr gute Kooperation mit Saferinternet. Saferinternet ist ein Projekt, das im Rahmen eines EU-Projektes läuft. Auch da versuchen wir vor allem, über Schu­lungen Medienkompetenz an Multiplikatoren und Multiplikatorinnen zu vermitteln, damit wir alle in diesem Bereich wirklich gut geschult und informiert sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Bei meiner Zusatzfrage bleiben wir beim The­ma Gefahren im Internet. Das Thema Fake News ist ja auch sehr gegenwärtig und gefährlich, speziell für Kinder und Jugendliche. Sie verängstigen natürlich auch die Eltern und verunsichern in Zeiten wie diesen, in denen sich Informationen sehr schnell massenhaft verbreiten. Welche Angebote gibt es da im Bereich Familie und Jugend?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Fake News sind natürlich eine große Gefahr, sie sind oft absichtlich gesetzt. Fake News werden aber leider auch in der Schule verwen­det, das muss man ganz ehrlich sagen, weil Schüler und Schülerinnen oft gar nicht mehr imstande sind, richtige und falsche Nachrichten zu unterscheiden. Ich glaube, auch da geht es darum, Kompetenz zu entwickeln, damit man wirklich weiß, was Fake News sind.

Auch die Sprache, die im Internet verwendet wird – und leider oft nicht nur im Internet, das möchte ich gerade hier im Parlament betonen –, ist weit entfernt von Wertschät­zung, von einem guten Umgang miteinander. Da gibt es das nationale Komitee No Hate Speech, auch das läuft im Rahmen eines EU-Programmes. Da gibt es auch ein Pilotprojekt, das heißt #MyStory, bei dem Jugendliche in kleinen Filmen versuchen, aufzuzeigen, wie man wertschätzend miteinander umgeht. Die Sprache verroht ein­fach. Wir haben eben auch noch, wie ich schon vorhin gesagt habe, Saferinternet, womit wir die Chance haben, Multiplikatoren und Multiplikatorinnen zu erreichen, damit Medienkompetenz erlernt wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 12. Anfrage, jener des Abge­ordneten Lindner. – Bitte.


Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Bundesministerin! Ich erinnere mich mit Schrecken an die Diskussion über die Familienberatungsstellen zurück. Sie haben hier in diesem Haus zugesagt, in diesem Bereich nicht zu kürzen. Im Ausschuss hat sich dann herausgestellt, dass über 1 Million Euro in diesem Bereich gekürzt wird, und das trifft speziell das Personal in diesen Vereinen.

Jetzt geht es anscheinend um die nächste Institution, die meiner Meinung nach nicht ins Weltbild der Bundesregierung passt. Frau Bundesministerin:

37/M

„Aus welchen Gründen hindern Sie den ‚Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern‘ an seiner für Gleichstellung so wichtigen Tätigkeit und kür­zen die Förderungen um die Hälfte?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich glaube, was in mein Weltbild passt oder nicht, würde ich gerne noch selbst entscheiden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 32

Ich habe schon vorhin gesagt, dass wir eine Budgetkonsolidierung durchführen, und diese Budgetkonsolidierung ist dazu da, um die Zukunft von Österreich auch sicher zu gestalten. Wir müssen daher auch gewisse Förderungen kürzen, zurücknehmen. Ich habe mir den Schwerpunkt Gewaltschutz, Opferschutz gesetzt. Wir möchten auch das Wirkungsziel bei den Frauen- und Mädchenberatungsstellen mit 80 Prozent Flächen­abdeckung in Österreich erhalten.

Sie sprechen den Klagsverband an: Da möchte ich wirklich einmal meine Wertschät­zung deren Arbeit gegenüber betonen. Auf der anderen Seite muss ich aber auch sa­gen, dass ich einfach gewisse Förderungen zurücknehmen musste. Der Klagsverband ist aber nicht nur von mir gefördert – und das ist bei vielen Förderanträgen so –, sondern auch von vielen anderen Ministerien. Frauenthemen, Diskriminierungsthemen sind ressortübergreifend, und der Klagsverband bekommt schon seit Jahren auch eine sehr, sehr starke Hauptförderung vom Sozialministerium.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wir sind mitten im Pride-Monat, und ich habe an Sie eine schriftliche Anfrage zu den europäischen Diskrimi­nierungsschutzrichtlinien gestellt, die meiner Meinung nach sehr dürftig beantwortet wurde. Daher meine Zusatzfrage: Welche gesetzlichen und anderen Maßnahmen pla­nen Sie als für Gleichbehandlung zuständige Ministerin zur Absicherung des Schutzes vor Diskriminierung aufgrund der Merkmale sexuelle Orientierung und Alter?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Das war gestern schon Thema im Parlament, und ich glaube, gestern war es dort Thema, wo auch die Verantwortlichkeit liegt, nämlich bei der Kollegin im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz. Sie wissen sicher, dass es diesbezüglich eine Richtlinie auf Europa­ebene gibt, die schon seit Längerem, muss man sagen, in Diskussion ist. An dieser Richtlinie wird derzeit gearbeitet, es wird europaweit darüber diskutiert, und ich glaube, es gilt abzuwarten, wie es mit dieser Richtlinie weitergeht, und dementsprechend wird Österreich natürlich auch agieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Baum­gartner.


Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! In welchen Bereichen investieren Sie in die Gleichstellung, und wofür werden die­se Mittel dann verwendet?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Wir haben im Frauenbudget derzeit knapp über 10 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist etwa zur Hälfte in Gewaltschutzzentren, in In­terventionsstellen investiert. Die andere Hälfte geht in Mädchen- und Frauenberatungs­stellen, die eben dem Wirkungsziel, das wir uns gesetzt haben, nämlich 80 Prozent Flächendeckung, entsprechen. Ich bin auch wirklich stolz darauf, sagen zu können, dass wir diese Mädchen- und Frauenberatungsstellen so gefördert haben, wie sie im letzten Jahr gefördert worden sind, und dass wir die Fördersummen für Gewaltschutz­zentren und Interventionsstellen sogar erhöhen konnten. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor wir zur nächsten Frage kommen, darf ich die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Albertgasse recht herzlich bei uns will­kommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen zur letzten Frage, zur Frage 13, die von der Abgeordneten Schimanek ge­stellt wird. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 33

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minis­ter! Jede fünfte Frau in Österreich ist mindestens einmal im Leben Opfer von Gewalt, ist körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt, aber nur eine von fünf wagt es auch, diese anzuzeigen und sich an offizielle Stellen zu wenden. Mir und auch der Bundes­regierung ist es ein Anliegen, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Deshalb meine Frage:

32/M

„Welche Maßnahmen werden Sie im Bereich der Gewaltprävention zum Schutz von Frauen und Kindern setzen, zumal das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ den Ausbau von Akutintervention, Notunterkünften und Gewaltschutzzentren zum Inhalt hat?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ja, es ist erschreckend, Gewalt ist in Österreich lei­der immer noch im Steigen begriffen, sowohl körperliche als auch sexuelle Gewalt. Sehr oft sind Frauen Opfer dieser Gewalt, und deshalb ist es mir und auch der Bundes­regierung auch ganz wichtig, in Gewaltschutz zu investieren. Wir fördern Gewalt­schutzzentren, wir fördern Interventionsstellen.

Ich möchte in den nächsten Jahren aber auch 100 neue Betreuungsplätze schaffen, Notunterkünfte, Akutunterkünfte, Übergangswohnungen, dort, wo die Stellen gebraucht werden. Deshalb bin ich auch gerade in Abklärung mit den Bundesländern und natür­lich auch in Abstimmung mit den anderen Ressorts, denn Gewalt ist ein ministerien­übergreifendes Thema, Gewalt ist ein Thema, für das auch die Bundesländer, die für die Notunterkünfte und Frauenhäuser zuständig, auch finanziell zuständig sind, Verant­wortung tragen. Ich glaube, wir müssen das gemeinsam finanziell stemmen, um eben den Frauen und den Kindern genau dort Schutz zu bieten, wo sie ihn brauchen.

Wir haben außerdem, Gott sei Dank schon vor langer Zeit, die Istanbulkonvention un­terschrieben, in der es gegen Gewalt gegen Frauen und um die Bekämpfung der Ge­walt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geht. Ich glaube, auch das ist ein wichtiges Thema. Österreich ist da ein Vorzeigeland, und es gilt, gerade auf europäischer Ebene noch alle Mitgliedstaaten mitzunehmen, denn nur gemeinsam können wir diese Gewalt eindämmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Meine Zusatzfrage: Frau Minister, der Ab­geordnete Peter Pilz feierte diese Woche trotz Vorwürfen sexueller Belästigung – die Ermittlungen wurden wegen Verjährung eingestellt – und eines Hickhacks um sein Mandat in der eigenen Partei ein mehr als fragwürdiges und frauenfeindliches Come­back in der Politik. Wie sehen Sie als Ministerin für Frauen diese fragwürdigen Vor­gänge? (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Der Giftpilz!)


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Na ja, offensichtlich muss ich in seiner Abwesenheit sprechen, er nimmt offensichtlich die Rückkehr ins Parlament nicht wirklich ernst. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube – und das gilt für Politiker auf allen Ebenen –, wir haben eine Vorbildwir­kung, die wir leben müssen. Wir haben vor allem moralische und ethische Grundsätze zu berücksichtigen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir sind Vorbilder für alle und können eigentlich nicht nur das Strafrecht sozusagen als Norm sehen. Wir müssen meiner Mei­nung nach einfach nach anderen moralischen und ethischen Grundsätzen handeln.


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Als Frauenministerin kann ich sagen: Jede Art von sexueller Belästigung, von körperli­chen Angriffen oder auch nur Berührungen, die nicht gewünscht sind, darf einfach nicht erlaubt sein. Die körperliche Integrität muss geschützt sein, und zwar die von allen: von Frauen, von Männern, von Kindern. Es darf nichts und niemanden geben, der sich da­rüber hinwegsetzt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Yildirim.


Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Ministerin, Sie betonen jedes Mal, dass der Gewaltschutz für Sie ein Schwerpunktthema ist, und erwähnen immer wieder, dass Sie mit hervorragenden ExpertInnen aus dem Bereich des Gewaltschutzes be­reits im Gespräch sind. Trotzdem hat die Bundesregierung für die nächsten zwei Jahre genau 0 Euro für den Ausbau oder für die angekündigten 100 neuen Betreuungsplätze beschlossen, und fast im selben Atemzug haben dann die Regierungsparteien wie­derum diesen Antrag auf zusätzliche 100 Betreuungsplätze eingebracht. Ich erinnere daran – auch Sie haben ja die Istanbulkonvention erwähnt –, dass es internationale Mindeststandards dahin gehend gibt, wie viele Betreuungsplätze empfohlen oder not­wendig sind.

Sie haben angekündigt, das zu evaluieren. Nun haben Sie in diesen Gesprächsrunden wahrscheinlich von der Notsituation und der Betroffenheit, unabhängig von der so­zialen Herkunft, erfahren. Warum benötigt es noch einmal eine Evaluierung? Wie rea­listisch ist es tatsächlich, dass diese 100 zusätzlichen Plätze kommen werden? Wann und wer wird befragt werden, und wie sieht es mit den Kosten aus? Ist es nicht sinn­voller, diese Kosten gleich für Gewaltschutzplätze zu verwenden, anstatt noch einmal zu evaluieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß:
Ich evaluiere nicht, sondern ich setze mich selbst mit diesen Personen zusammen und sammle einfach Daten, die bereits vorhanden sind. Wir brauchen da nichts neu zu evaluieren. Es geht einfach nur darum: Ich kann mich erinnern, dass mir, als ich hier vor ein paar Wochen im Rahmen einer Gewalt­schutzdebatte antworten durfte, gesagt wurde: Wir brauchen in allen Frauenhäusern Plätze! – Das stimmt nicht. Es gibt zumindest in vier Bundesländern mehr als aus­reichend Frauenhausplätze. Es geht eher darum, dass diese Plätze bundesländerüber­greifend benutzt werden dürfen.

Wir sind diesbezüglich mit Herausforderungen konfrontiert, über die wir hier noch nie gesprochen haben. Wir schauen, dass wir diese 100 Plätze wirklich genau dort schaf­fen, wo wir sie brauchen. Ich weiß, dass auch der Grevio-Bericht besagt, dass es Emp­fehlungen gibt, denen wir nachzukommen haben, und das werden wir auch tun. Dafür haben wir bis mindestens 2021 Zeit, und ich werde mir diese Zeit nehmen, um genau die richtigen Entscheidungen für Frauen in Not treffen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären.

10.22.01Einlauf

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungs­saal verteilte Mittteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


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Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 1020/J bis 1054/J

*****

10.22.13Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte
über die Anfragebeantwortung 382/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 382/AB der Anfrage 382/J der Abgeordneten Gamon, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Klärung des aktuellen Rechtsrahmens für Kryptowährungen und Blockchain-Anwendungsformen am Wirtschaftsstandort Österreich“ abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

10.22.50Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters darf ich vor Eingang in die Tagesord­nung mitteilen, dass der Abgeordnete Mag. Andreas Schieder beantragt hat, dem Aus­schuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 274/A der Abge­ordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Ge­setzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geän­dert werden“, eine Frist bis zum 15. Juni 2018, 24 Uhr, zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren. Diese kurze Debatte wird im Anschluss an die Debatte über die Anfragebeant­wortung stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird dann nach Schluss dieser Debatte vorgenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punk­te 9 bis 12 der Tagesordnung zusammenfassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Da das nicht der Fall ist, dürfen wir in die Tages­ordnung eingehen.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt.

Der Tagesordnungspunkt 1, die EU-Erklärungen, ist nicht in die Tagesblockzeit einzu­rechnen.

Weiters wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ für die Tagesordnungs­punkte 2 bis 16 vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 111, SPÖ und FPÖ jeweils 99 sowie NEOS und Liste Pilz je 33 Minuten.


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Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. – Das ist ein­stimmig.

10.24.461. Punkt

EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Ausblick auf die Schwerpunkte der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 1.

Ich darf die Bundesregierung und den Herrn Bundeskanzler herzlich begrüßen.

Die Erklärungen sollten insgesamt etwa 25 Minuten nicht überschreiten.

Im Anschluss daran wird im Sinne des § 74b der Geschäftsordnung eine Debatte statt­finden.

Ich darf nunmehr dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. – Bitte.


10.25.14

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Regierungskolleginnen und -kollegen! Mit 1. Juli darf Österreich zum dritten Mal den Ratsvorsitz in der Europäischen Union überneh­men, und das in einer sehr herausfordernden Phase. Es wird dies der letzte voll­ständige Ratsvorsitz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament sein. Es wird der Ratsvorsitz sein, in dem 300 noch offene Triloge behandelt werden sollen, und es ist der Ratsvorsitz, bei dem es wahrscheinlich auch große Herausforderungen zu bewälti­gen gibt, was den Brexit und die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen be­trifft.

Ein Ratsvorsitz ist etwas, das nicht nur Arbeit während des Halbjahres auslöst, in dem man tätig ist, sondern ein Ratsvorsitz ist etwas, bei dem es sehr viel an Vorbereitungs­arbeit zu leisten gibt. Ich darf daher an dieser Stelle allen, die einen Beitrag dazu ge­leistet haben und nach wie vor leisten, ein großes Danke sagen. Ich darf bei den Mit­gliedern der Bundesregierung beginnen, allen voran bei Kanzleramtsminister Gernot Blümel und auch bei Außenministerin Karin Kneissl. Ich möchte mich aber auch bei al­len Beamtinnen und Beamten bedanken, die hier in Österreich, aber auch in der Stän­digen Vertretung in Brüssel schon seit Monaten sehr intensive Arbeit leisten, um den österreichischen Ratsvorsitz auch zu einem Erfolg werden zu lassen. (Allgemeiner Bei­fall.)

Der österreichische Ratsvorsitz findet in einer Zeit des Umbruchs statt. Sie erleben alle gemeinsam mit uns, dass derzeit internationale Abkommen geschlossen werden – wenn wir nach Nordkorea blicken. Es werden internationale Abkommen aufgekündigt – wenn wir in den Iran blicken. Wir erleben eine unberechenbarer gewordene Situation in den USA, nach wie vor Spannungen mit Russland, und auch in der Europäischen Uni­on ist mittlerweile durch den Brexit eine Zeit des Umbruchs eingeleitet worden.

Seit der Flüchtlingskrise gibt es zunehmende Spannungen in der Europäischen Union: Der Norden klagt über den Süden, der Westen klagt über den Osten. Manche Mitglied­staaten haben das Gefühl, dass es mittlerweile Mitgliedstaaten erster und zweiter Klas­se gibt, und insofern ist ein großes Ziel unseres Ratsvorsitzes, dass wir unsere schon geografisch günstige Position im Herzen Europas dafür verwenden wollen, Spannun-


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gen in der Europäischen Union abzubauen und sicherzustellen, dass die Europäischen Union in Zukunft auch wieder geeinter auftritt.

Ich glaube, dass es wichtig ist, unserem Motto gerecht zu werden, nämlich: In Vielfalt geeint, und nicht das Gegenteil anzustreben, nämlich: In Gleichheit getrennt. – Das be­deutet einen Diskurs, und das bedeutet, unterschiedliche Meinungen nicht nur zuzulas­sen, sondern stets zu versuchen, dass die unterschiedlichen Zugänge, die es in der Europäischen Union gibt, auf Augenhöhe diskutiert werden und dass der Umgang mit­einander respektvoll ist, denn nur so hat dieses Projekt der Europäischen Union auch Zukunft. Wenn wir den Eindruck entstehen lassen, dass es bessere oder schlechtere Europäer gibt, Mitglieder erster und Mitglieder zweiter Klasse, diejenigen, die überle­gen sind, und diejenigen, die noch erzogen werden müssen, dann ist diese unsere Eu­ropäische Union gefährdet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich komme gerade aus Israel zurück, einem Staat, in dem wie kaum in einem anderen Land der Welt bewusst wird, dass Sicherheit keine Selbstverständlichkeit ist. Die letz­ten Jahre haben uns aber leider Gottes auch in der Europäischen Union gezeigt, dass Sicherheit auch in Europa keine Selbstverständlichkeit sein muss und dass es nicht gottgegeben ist, dass wir immer in Stabilität und Sicherheit zusammenleben. Insofern ist es unser großes Ziel, während des Ratsvorsitzes einen Beitrag dazu zu leisten, dass Stabilität, Sicherheit und Wohlstand auch in Zukunft eine Selbstverständlichkeit in der Europäischen Union sind.

Wir haben uns als Bundesregierung für das Motto entschieden: ein Europa, das schützt, und wir wollen daher auf das Thema der Sicherheit, aber auch auf das Thema des Wohlstands und des Absicherns unseres Lebensstils und unseres Wohlstands in Europa fokussieren.

Das bedeutet zum Ersten, dass es einen klaren Fokus auf den Außengrenzschutz ge­ben muss, denn Sicherheit in der Europäischen Union kann es nur geben, wenn nicht nur militärische Sicherheit gewährleistet ist, sondern auch innere Sicherheit, und in die­ser Hinsicht ist es auch notwendig, zu wissen, wer zuwandern darf und wer nicht, und ist es notwendig, sicherzustellen, dass die Regierungen entscheiden, wer nach Europa kommt, und dass nicht die Schlepper diejenigen sind, die diese Entscheidungen tref­fen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir setzen daher in enger Abstimmung zwischen Außenministerium, Innenministerium und Bundeskanzleramt einen Schwerpunkt auf das Thema Außengrenzschutz. Wir werden den Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 20. September in Salzburg ganz dem Thema der Sicherheit, dem Außengrenzschutz sowie dem Kampf gegen ille­gale Migration widmen.

Es ist unser großes Ziel, dass dort eine Stärkung von Frontex gelingt, und zwar inhaltlich, personell und finanziell. Das bedeutet, es kommt nicht erst bis zum Jahr 2027 – wie derzeit vorgesehen – zu einer Aufstockung auf 10 000 Mann, sondern deutlich schneller. Das bedeutet aber vor allem auch eine Ausweitung des Mandats von Frontex, denn nur dann, wenn die Beamten, die für Frontex tätig sind, auch aktiv gegen Schlepper ankämpfen dürfen, wenn sie mit Drittstaaten kooperieren können und wenn sie auch die Möglichkeit haben, Boote daran zu hindern, überhaupt abzulegen – also nur dann, wenn all diese Möglichkeiten bestehen –, können die Beamten von Frontex auch effektiv dem Ziel nachkommen, das wir verfolgen, nämlich dem Ziel der Rettung von Menschenleben, der Sicherung unserer Außengrenzen und der Rückge­winnung der Kontrolle in der Europäischen Union. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn wir von Sicherheit und einem Europa sprechen, das schützt, dann bedeutet das aber nicht nur Sicherheit im körperlichen Sinne, sondern natürlich auch, den Wohlstand abzusichern, den wir in Europa genießen. Ich habe als Außenminister viele Regionen


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sehen dürfen, die aufholen, ich habe auch erleben müssen, dass uns manche einholen oder sogar überholen, und daher ist es dringend notwendig, dass wir als Europäische Union alles tun, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der Infrastrukturminister wird noch im Detail darauf eingehen, aber es ist natürlich not­wendig, dass wir in der Europäischen Union bei der digitalen Infrastruktur vorankom­men, dass wir den digitalen Binnenmarkt vollenden, dass wir Steuerungerechtigkeiten durch die Besteuerung von Internetgiganten auf unserem Kontinent beseitigen, und es ist notwendig, dass wir in Wissenschaft und Forschung investieren, um auch weiterhin der Ort in der Welt zu sein, an dem Innovationen stattfinden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Dritten: Neben jenem auf die klassische Sicherheit und dem auf das Absichern von Wohlstand liegt der Fokus natürlich auch – wie könnte es anders sein! – auf unse­rer Nachbarschaft. Nur wenn wir in unserer Nachbarschaft Stabilität und Sicherheit ge­nießen, wird es auch Stabilität und Sicherheit in der Europäischen Union geben. Es wird daher einen klaren Fokus auf unsere Nachbarschaft geben. Die Außenministerin wird einen Schwerpunkt auf die Region Südosteuropa setzen, mit dem klaren Ziel, auch die Staaten des Westbalkans nicht nur näher an die Europäische Union heranzu­führen, sondern ihnen Unterstützung bei ihrer europäischen Perspektive zu sichern.

Wir haben Gott sei Dank gerade gestern mit der Lösung des Namensstreits zwischen Griechenland und Mazedonien einen großen Fortschritt erlebt. Wir erleben große Fort­schritte, wenn es um Reformen in Serbien, aber auch in anderen Staaten dieser Re­gion geht. Zudem ist es in Österreich unsere Aufgabe, diese Region, die uns historisch, wirtschaftlich, kulturell und menschlich so nahesteht, bestmöglich bei der Annäherung an die Europäische Union zu unterstützen.

Das sind, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, grob skizziert die Schwer­punkte, die wir uns während unseres Ratsvorsitzes setzen. Es gibt darüber hinaus na­türlich noch in den Zuständigkeitsbereichen aller Ministerinnen und Minister sehr viele Aufgaben, die auf uns zukommen.

Ich kann Ihnen nur versichern, wir freuen uns auf die Arbeit, und wir freuen uns auf die Möglichkeiten, noch stärker in der Europäischen Union gestalten zu können, als wir das als Mitgliedstaat ohnehin schon können. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass neben den Schwerpunkten, die wir selbst ausgewählt haben, natürlich große Themen wie der Abschluss der Brexitverhandlungen oder die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen und oftmals auch das, was wir noch nicht vorhersehen können, diesen Ratsvorsitz zeichnen und diesen Ratsvorsitz prägen werden.

Ich darf Sie alle um bestmögliche Unterstützung während des Ratsvorsitzes bitten. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir in diesem halben Jahr parteiübergreifend an ei­nem Strang ziehen, zum Wohle Österreichs, vor allem aber auch zum Wohle der Eu­ropäischen Union. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich Herrn Minister Hofer das Wort erteile, darf ich die Schülergruppen der NMS Schweglerstraße und des Gymnasiums Purkers­dorf recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf nun Herrn Bundesminister Hofer das Wort erteilen. – Bitte.


10.35.41

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen auf der Ministerbank! Wenn wir heute Schülerin-


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nen und Schüler in diesem Haus begrüßen, dann sind das junge Österreicherinnen und Österreicher, die das Leben außerhalb der Europäischen Union nicht mehr ken­nen. Es ist dies eine neue Generation in Österreich, der vollkommen klar ist, dass es unsere Aufgabe in der Politik ist, an dieser positiven Entwicklung der Europäischen Union aktiv mitzuwirken.

Europa steht für Freiheit, für Demokratie, für Chancen und ist in dieser Zusammenset­zung eine Wirtschaftsgemeinschaft. Es war ja die Idee der Gründer der Europäischen Union, dass Staaten, die miteinander wirtschaftlich in engem Kontakt stehen, nicht Krieg gegeneinander führen. Wir sehen es auch bei anderen Projekten, wie zum Beispiel beim Projekt Seidenstraße hinsichtlich Breitspurbahn, dass die Ukraine und Russland in diesen Bereichen keine Differenzen haben, sondern dass es da eine Zu­sammenarbeit gibt.

Europa ist aber mehr oder muss mehr sein, es kann nicht nur um wirtschaftliche In­teressen gehen. Europa ist auch eine Wertegemeinschaft. Wir alle miteinander haben sehr oft betont, dass die Art und Weise, wie wir die Gesellschaft gestalten wollen und wie wir in Zukunft leben wollen, auch eine Wertegemeinschaft ist. (Ruf bei der SPÖ: Eine Sozialgemeinschaft!) Wenn Sie von Sozialgemeinschaft sprechen, dann sage ich: Soziales und soziale Gerechtigkeit sind auch ein wichtiger Wert für uns innerhalb der Europäischen Union.

Am 1. Juli 2018 übernimmt Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union und hat für die anschließenden sechs Monate die große Aufgabe, die Herausforderungen in der Europäischen Union zum Wohle der Union selbst, zum Wohle der Mitgliedstaaten und zum Wohle der Bürger zu meistern.

Wir werden zwei wichtige Aufgabenstellungen zu bewältigen haben, nämlich erstens den Austritt der Briten aus der Europäischen Union. – Bedenken wir dabei aber bitte immer Folgendes: Es ist kein Austritt aus Europa, und es wird notwendig sein, dass wir mit den Freunden aus dem United Kingdom eng zusammenarbeiten, nicht nur im Si­cherheitsbereich, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich, und dass dieser enge Kon­takt bestehen bleibt. Es ist dies kein Austritt aus Europa! Nicht alle im Vereinigten Königreich sind glücklich über die Entscheidung, die getroffen worden ist, und viele würden sich heute wahrscheinlich auch anders entscheiden.

Die zweite große Aufgabe ist der mehrjährige Finanzrahmen. Die Verhandlungen darü­ber werden alles andere als einfach sein. Die Briten waren Nettozahler, es fehlt ein er­heblicher Betrag. Wir dürfen aber bei den Begehrlichkeiten, in allen möglichen Berei­chen weiterhin sehr viel zu investieren, nie vergessen, dass wir auch auf dieser Ebene nach den Maßstäben der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit arbeiten müssen und wir uns sehr genau ansehen müssen, in welchen Bereichen In­vestitionen sinnvoll sind und wo man vielleicht in Zukunft auch sparen kann.

Die Europäische Union war in den letzten Jahren mit vielen Krisen konfrontiert. Sie war mit einer Finanzkrise konfrontiert – die ihren Ausgangspunkt nicht innerhalb Europas hatte –, die nicht nur die Europäische Union erschüttert hat. Weiters war sie mit einer Migrationskrise konfrontiert: Wir waren im Jahr 2015 nicht in der Lage, die großen Migrationsströme so zu organisieren und so zu bewältigen, dass wir sicherstellen konn­ten, dass nicht jene über die Grenze kommen, die in Wirklichkeit gar keine Schutzsu­chenden sind, sondern bei denen andere Interessen im Mittelpunkt stehen.

Daher kam auch die Idee, das Motto: ein Europa, das schützt in den Vordergrund die­ser Präsidentschaft zu stellen, und zwar nicht nur, was die Grenzen und den Grenz­schutz anbelangt, wie der Herr Bundeskanzler schon betont hat, sondern um auch in allen anderen Bereichen Sicherheit zu geben, soziale Sicherheit – und auch in meinem Bereich: Sicherheit, wenn es darum geht, Fahrzeuge sicherer zu machen, aktive und


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passive Sicherheit zu gewährleisten, im Straßenbau Maßnahmen zu setzen, damit, wenn es Unfälle gibt, diese nicht letal enden. – All das sind Ziele, die wir uns gesetzt haben.

Wir wollen auch, dass sich die Europäische Union nicht in Kleinigkeiten verliert, son­dern im Sinne der Subsidiarität wirklich die großen und wichtigen Themen gemeinsam anpackt.

Wir müssen auch neue Akzente im Bereich der organisierten Kriminalität und deren Verbindungen zum Terrorismus und im Bereich der digitalen Sicherheit setzen. Die di­gitale Sicherheit ist etwas ganz Wesentliches. Wir waren in den letzten Jahrzehnten gewöhnt, sehr viel in den Bereich der klassischen Landesverteidigung zu investieren, doch wir werden auch Investitionen brauchen, wenn es darum geht, unsere Systeme im digitalen Bereich zu sichern.

Wenn wir – auch das hat der Herr Bundeskanzler angesprochen – in den nächsten Jahren sehr viel in den Bereich des digitalen Europas, in den Ausbau des 5G-Netzes investieren – da haben wir uns sehr viel vorgenommen –, bedenken Sie, was das dann eigentlich für uns bedeutet, wenn es einen Angriff auf diese Netze gibt! Es wird nicht so sein wie jetzt, dass man sagt: Na gut, ich kann nicht telefonieren, ich kann nicht ins Internet!, in Zukunft werden im Internet der Dinge alle Dinge miteinander verbunden sein.

Wir werden im 5G-Bereich 10 Gigabit pro Sekunde mobil herunterladen können. Das sind Geschwindigkeiten, die man sich heute gar nicht vorstellen kann. Werden diese Netze aber angegriffen, dann steht alles: dann steht der Verkehr, die Industrie 4.0, die Smart Cities. Das heißt, wir brauchen redundante Systeme, die uns garantieren, dass solche Angriffe, die wir erleben können, nicht auch zum schweren Schaden der Euro­päischen Union passieren können.

Maßstab unseres Handelns ist, dass wir einen Vorsitz führen, bei dem wir faire Makler sind. Natürlich stehen die Interessen Österreichs für uns immer im Vordergrund. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.) Bei der Vorsitzführung sind wir um Ausgleich bemüht. Es ist oftmals sehr, sehr schwierig, zwischen den einzelnen Gruppen zu vermitteln.

Man sieht es bei den Fragen der sozialen Sicherheit im Transportverkehr – einerseits die Road Alliance, auf der anderen Seite die Visegrád-Plus-Staaten, die unterschiedli­che Interessen haben. Wir arbeiten mit unseren gewachsenen Systemen kosteninten­siver, bieten aber auch soziale Sicherheit. Andere, neuere Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union arbeiten sehr günstig in diesem Bereich, jedoch sind deren Fahrer viele, viele Wochen unterwegs, ohne jemals nach Hause zu kommen, übernachten im Lkw und sind unter Bedingungen tätig, die wir innerhalb der Europäischen Union nicht ha­ben wollen.

Da müssen wir ausgleichen – ich glaube, das ist auch etwas, das Österreich als neu­trales Land wirklich kann – und ein ehrlicher Vermittler sein. Das Ziel muss sein, Dos­siers abzuschließen, Dinge voranzutreiben, damit es nach diesem halben Jahr heißt: Österreich hat wirklich etwas bewegt. Es muss doch unser gemeinsames Ziel sein, dass wir zeigen, dass dieses Land in der Lage ist, sich positiv in die Europäische Union einzubringen und diese wichtigen Angelegenheiten zum Abschluss zu bringen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In der Vorwoche war die gesamte Bundesregierung in Brüssel und hat dort der EU-Kommission ihre Pläne für die Ratspräsidentschaft präsentiert. Das Gespräch mit Jean-Claude Juncker wird uns noch lange in guter Erinnerung bleiben, es ist sehr offen geführt worden. Es war ein sehr offenes Gespräch, in dem wir klar dargelegt haben, was uns in diesen sechs Monaten wichtig ist, und Jean-Claude Juncker gesagt hat, was seine Wünsche sind.


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Ich bin nach diesem Gespräch von einer Journalistin gefragt worden, wie es denn so ist, wenn man jemand ist, der die Europäische Union kritisiert, aber gleichzeitig als Re­gierungsmitglied in den folgenden sechs Monaten große Verantwortung für diese Euro­päische Union übernimmt. Ich habe gesagt: Meine größte Kritikerin ist meine eigene Frau, aber wir vertragen uns trotzdem oder vielleicht sogar deswegen gut. Wir finden immer gute Lösungen für unsere Familie, und genauso soll es auch in der Europäi­schen Union sein. Ich denke, wenn man es mit der Europäischen Union und mit der Zukunft der EU gut meint und man der Meinung ist, dass etwas anders organisiert sein sollte, dann soll es auch möglich sein, dies auszusprechen, denn wir leben in einer freien Gesellschaft. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Unser Motto lautet aber auch: weniger und effizienter. Dazu steht auch diese Bundes­regierung. Was wir nicht wollen, ist ein Zuviel an Bürokratie. Wer auf dieser Ebene aktiv war, weiß, wie schwierig es oft ist, zu Entscheidungsprozessen zu kommen, wie viele Abläufe es gibt, die im diplomatischen Korsett gefangen sind. Wissen Sie, wenn man sich zum Beispiel im Rat bei dieser oder jener Person für die hervorragende Arbeit bedankt, da man das eben so macht und es üblich ist, und man dann vor die Tür geht und hört, wie schlimm die Arbeit dieser Person war und diese wirklich kritisiert wird, so sind das Abläufe, die sich zwar so verfestigt haben, die aber die Gemeinschaft nicht weiterbringen. Wir brauchen auch bei den Sitzungen offene Worte, sonst weiß man nicht, welchen Weg und welche Richtung man einschlagen soll.

Auch bei uns hat bezüglich Bürokratie ein Umdenkprozess eingesetzt. Wir als Bundes­regierung treten gemeinsam für eine Eindämmung der Gesetzesflut und für eine Re­duzierung des Gold Plating, also der Übererfüllung von EU-Richtlinien, ein. Es ist aber auch wichtig, im Sinne der Subsidiarität darauf einzuwirken, dass sich die EU auf die wesentlichen Themen fokussiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich freue mich auf dieses zweite Halbjahr 2018, es wird eine sehr arbeitsreiche und intensive Zeit werden. Sehe ich auf mein eigenes Ressort, so werden es mehr als 150 Ratsarbeitssitzungen sein. Sie werden mich zum Jahreswechsel schlanker und grauer sehen. Es werden herausfordernde Monate. (Abg. Strolz: Mit Bart?) – Den Bart werde ich mir dieses Mal nicht wachsen lassen, Herr Klubobmann, das hat das letzte Mal zu Irritationen geführt. (Allgemeine Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, was wird in meinem Bereich noch wichtig sein? – Wichtig wird sein, die Mobilitätspakete voranzubringen – ich habe vorhin schon den Interessen­ausgleich zwischen den Visegrád-Plus-Staaten und der Road Alliance erwähnt –, die Sicherheit im Straßenverkehr, die Frage der E-Privacy-Verordnung. Es gibt da völlig unterschiedliche Interessen in den Ländern, aber auch eine große Kluft zwischen Industrie einerseits und Datenschutz andererseits. Da gibt es Dinge, auf die man sehr achten muss, etwa die Frage der Cookies und wie diese in Zukunft zu verwenden sind. Bedenken Sie, dass unsere heimische Medienlandschaft sehr abhängig davon ist, dass man darstellen kann, wie viele Personen die Seiten besucht haben. Ist das nicht mehr möglich, dann wird es auch nicht möglich sein, Geldgeber für diese digitalen Me­dien zu finden. Die Gewinner werden dann die ganz großen internationalen Konzerne wie Google, Facebook und so weiter sein. Wir müssen also schon darauf achten, dass auch kleinere Medien in den Mitgliedsländern weiterhin ihre Chancen haben.

Autonomes Fahren wird ein riesiges Thema werden. Autonomes Fahren wird alles ver­ändern, auch die Frage, ob man ein eigenes Fahrzeug braucht oder nicht. Elektromobi­lität, alternative Treibstoffe – all das werden Themen sein, die wir in den Vordergrund stellen.

Ich glaube, dass die Ratspräsidentschaft bei Österreich in guten Händen ist, da wir alle gemeinsam, egal ob Regierung oder Opposition, den festen Willen haben, einen Bei-


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trag zu leisten, damit sich die Europäische Union auch im Interesse Österreichs wei­terentwickelt. Denn: Was ist die Europäische Union? – Sie ist die Summe der Mit­gliedstaaten. Ich freue mich sehr auf diese Zeit, und ich freue mich auch sehr auf eine gute Zusammenarbeit. – Besten Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke für die Zeitdisziplin. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) – Wenn Sie sich zu Wort melden wollen, dann kommen Sie bitte heraus, Herr Abgeordneter!

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 74b Abs. 4 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtzeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kern. – Bitte.


10.49.08

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Wir wissen, dass Europa an einem Wendepunkt steht. Wir sehen, dass wir an einem Punkt stehen, wo Europa massiv unter Druck kommt – und zwar durch Entwicklungen im Inneren der Europäischen Union –, indem wir es mit Regierungen und deren politi­schen Vertretern zu tun haben, die Europa ganz bewusst schwächen wollen. Wir se­hen auch, dass wir durch äußere Umstände vor massiven Herausforderungen stehen: Das ist der amerikanische Präsident – ich brauche Ihnen das nicht im Detail zu schil­dern –, der jedenfalls keinen Respekt vor der Integrität Europas hat, das ist die expan­sionistische Politik Chinas, das ist aber auch die Entwicklung digitaler Konzerne, wah­rer Riesen, die die politische Kraft entwickelt haben, ganze Länder gegeneinander aus­zuspielen.

Angesichts dieser Herausforderungen, vor denen wir stehen, bin ich davon überzeugt, dass es nur eine einzige Antwort gibt, die wir America first gegenüberzustellen haben, und diese lautet: Europe united! (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Es ist eine Notwendigkeit, Europa zu stärken. Wir wissen, dass es ein starkes Öster­reich nur in einem starken Europa geben kann. Es ist ein patriotischer Akt der Heimat­liebe, Europa zu stärken. Wir wissen, dass es keine Möglichkeit gibt, die Herausforde­rungen unserer Zeit innerhalb der Grenzen eines einzigen Landes zu meistern. Das wird auch Deutschland und den anderen großen Ländern nicht gelingen. Es wird uns nur dann gelingen, wenn wir gemeinsam an den Herausforderungen arbeiten.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir nicht alles mit dem Maßstab der Nützlichkeit beurteilen können. Ja, es ist so, dass Österreichs Volkseinkommen mit dem EU-Beitritt 50 Milliarden Euro höher ist als ohne, aber die Nützlichkeit ist nicht der einzige Maßstab, mit dem wir die europäischen Herausforderungen bewerten müssen. Es ist so, dass Europa – da hat der Herr Bundesminister völlig recht – eine Wertege­meinschaft ist.

Ich möchte an dieser Stelle für mich formulieren, was diese Werte ausmacht: Es geht um ein Bekenntnis zur Demokratie, es geht um ein Bekenntnis zum Rechtsstaat, es geht um ein Bekenntnis zur Gleichberechtigung, und es geht darum, dass wir in Euro­pa der Auffassung sind, dass die Würde des Menschen unteilbar ist. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Zadić.)

Wenn wir über Europa reden und nachdenken, dann bin ich der Auffassung, dass Europa den größten zivilisatorischen Fortschritt darstellt, der auf unserem Kontinent


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stattgefunden hat. Wenn es ein Bild gibt, das wir mit der europäischen Einigung ver­binden, dann ist es die Handreichung von Kohl und Mitterand in Verdun angesichts Tausender Gräber von Menschen, die im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind. Das ist ein beeindruckendes Bild, denn die beiden haben uns damit gezeigt, dass es mög­lich ist, jahrhundertelange Konflikte, Chaos, Auseinandersetzungen und Rivalitäten im gemeinsamen Geist zu bewältigen.

Mitterand war es auch, der erklärt hat: Nationalismus ist Krieg! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns das vor Augen führen, gerade in einer Zeit des aufkommenden Chauvinismus und Nationalismus in vielen politischen Fragestellungen.

Sie alle kennen die Konzepte des Italien zuerst, des Frankreich zuerst, des vielleicht auch Deutschland zuerst – das alles sind politische Ansätze, die vielleicht in einem ein­zigen Land funktionieren, aber wenn alle damit anfangen, dann werden wir am Ende kein stärkeres, kein gemeinsames Europa haben, sondern dann werden alle Verlierer sein; deshalb müssen wir den Nationalismus dort einordnen, wo er hingehört, nämlich in die Vergangenheit der europäischen Geschichte. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Griss.)

Wir haben kürzlich eine Studie gesehen, die besagt, dass sich 45 Prozent der Österrei­cher aktiv zur Europäischen Union bekennen. Das ist eine Größenordnung, die zwar etwas besser als in der unmittelbaren Vergangenheit ist, aber nicht das Ziel unserer Wünsche sein kann. Unser Wohlstand, unsere Sicherheit – darauf hat der Herr Bun­deskanzler völlig zu Recht hingewiesen – hängen an dieser europäischen Einigung. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe in der Politik, Europa über die Parteigrenzen hinweg zu stärken und da zu kooperieren. Insofern darf ich Ihr Angebot, Herr Bundeskanzler, herzlich gerne annehmen.

Aus meiner Sicht geht es aber auch darum, einen rationalen, sinnvollen Dialog über Europa zu führen. Herr Bundesminister Hofer hat betont, seine Vorstellung von Europa ist weniger Europa, aber das effizienter. Ich bin der Auffassung, dass wir sehr vor­sichtig dabei sein müssen, auf dem Mythos der Gurkenkrümmungsverordnung zu sur­fen, denn wir sollten diese Diskussion ganz ernsthaft führen.

Wir haben uns in den vergangenen Wochen bemüht, zu fragen, da wir gerne in der Tiefe mit Ihnen diskutieren wollen, was denn der Grundsatz des weniger Europa, des effizienteren Europas, der Stärkung der Subsidiarität eigentlich bedeutet. Wir haben eine parlamentarische Anfrage eingebracht und wollten wissen, welche Rechtsakte Ihrer Meinung nach dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen. Die Antwort war denkbar enttäuschend, denn Sie haben uns mehr oder weniger keine Antwort geliefert und
nur darauf hingewiesen, dass das alles noch zu überlegen wäre. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.)

Ich bin der Meinung, dass wir uns ernsthaft damit auseinandersetzen sollten, und ich stimme auch zu, dass wir die großen Fragen europäisch lösen sollen, und da ist die Präsidentschaft eine Chance dazu. Wir alle miteinander und Sie ganz besonders ha­ben durch den Ratsvorsitz wirklich die Chance dazu, Europa handlungsfähig zu ma­chen. Und wir brauchen ein handlungsfähiges Europa! (Beifall bei der SPÖ, bei Abge­ordneten der NEOS sowie der Abg. Bißmann.)

Ich möchte Ihnen ein paar Punkte mitgeben, die ich für wichtig erachte, wenn wir über die großen Fragen Europas reden: Wir haben dafür zu sorgen, dass die Solidarität intakt bleibt. Einer der Punkte, die die Solidarität untergraben, ist der Umstand des or­ganisierten Steuerbetrugs. Ich würde mir wünschen, dass Sie mit aller Konsequenz
die Steuerfluchtrouten schließen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Noll
und Zadi
ć.)


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Wir wissen, dass jedes Jahr 600 Milliarden Euro an Steueroasen fließen und damit dem Steueraufkommen Europas entzogen werden. Das ist nicht akzeptabel. Unser Ziel muss es sein, diese Steueroasen mit aller Konsequenz zu bekämpfen. Unser Ziel muss es auch sein, dass jene, die von diesem Großsteuerbetrug und diesen Steu­erverschiebungen profitieren, gezwungen werden, ihre Geschäfte tatsächlich offenzu­legen.

Ich muss auch sagen, dass ich mir mehr Engagement hinsichtlich der Harmonisierung von Steuersätzen wünschen würde. Wir erleben, dass Nettoempfänger in unserer un­mittelbaren Umgebung – wie Ungarn – ihre Steuersätze für Unternehmensgewinne auf 9 Prozent reduziert haben. Da beginnt sich eine Spirale in Gang zu setzen, bei der am Ende die einzigen Steuerzahler, die übrigbleiben, die Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rinnen, die Arbeiter und Angestellten, Einzelpersonen, Klein- und Mittelunternehmer sein werden. Das ist, ehrlich gesagt, nicht mein Bild von Europa. Wenn wir das zu­lassen, dann schwächen wir die Solidarität. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erwarte als Zweites, dass wir dem Lohn- und Sozialdumping einen Riegel vorschie­ben. Lohn- und Sozialdumping darf sich in Europa nicht lohnen. Es kann nicht sein, dass Länder mit niedrigeren Sozialstandards davon profitieren, wenn ihre Arbeitneh­mer in Länder mit höheren Sozialstandards geschickt werden. Da entsteht eine Spirale, an deren Ende wir nur Verlierer sind.

Die Einschränkung der Personenfreizügigkeit wird uns da auch nicht helfen, denn das ist nicht die richtige Antwort. Wir haben uns darum gekümmert, dass die Entsendericht­linie im Europäischen Rat beschlossen wird und dass sie letztendlich vor drei Wochen auch im Europäischen Parlament beschlossen worden ist. Das ist ein entscheidender Fortschritt, aber er reicht nicht. Jetzt geht es darum – da liegt der Ball bei Ihnen –, dass wir dafür sorgen, dass die Gesetze, die beschlossen worden sind, auch tatsächlich kontrolliert werden. Dafür brauchen wir eine europäische Arbeitsagentur, am besten in Österreich, und ich bitte Sie, dieses Projekt zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf in diesem Zusammenhang die Bischöfe zitieren, die in ihrem beeindruckenden Europagebet festgehalten haben, dass es notwendig ist, ein soziales Europa zu bauen. Ich halte die soziale Säule für wirklich entscheidend, und da geht es nicht darum, dass wir vernadern, dass österreichisches Geld an osteuropäische Länder bezahlt wird, son­dern da geht es darum, dass wir unsere eigenen Standards schützen. Es geht mir auch da um eine rationale Diskussion.

Der dritte Punkt, der mir wichtig ist, ist jener, den wir vielleicht schon ein bisschen ver­gessen haben. Vor mehr als zehn Jahren hat uns die Finanzkrise, die wüsten Spe­kulationen, der entgrenzte Kapitalismus an den Rand des Abgrunds geführt. Wir haben bis heute noch nicht die Konsequenzen daraus gezogen, was das bedeutet. Wir wis­sen, dass wir die Spekulationen einzudämmen haben. Es ist wichtig, dass das Projekt der Finanztransaktionssteuer wieder Fahrt aufnimmt. Es ist wichtig, dass wir die Ban­kenunion vollenden. Es ist wichtig, dass wir einen europäischen Währungsfonds schaf­fen, um uns verteidigen zu können, wenn sich die Geschichte wiederholt.

Da geht es mir nicht darum, dass das eine Transferunion ist, und da würde ich Sie bitten, das auch nicht zu vernadern, denn wenn es heute Spekulationen gegen ganze Länder wie Griechenland oder Italien gibt, dann betrifft uns das alle, dann können wir nicht wegschauen, denn am Ende werden wir diese Rechnung zahlen. Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen enttäuscht über die Zurückhaltung, die Sie diesbezüglich bislang an den Tag gelegt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gelesen, es geht um eine Achse der Willigen. Ich kann das nur voll und ganz unterstützen. Ich meine, um diese Herausfor­derungen zu bewältigen, sollten wir diese Achse der Willigen mit den Macrons, den


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Merkels, den Scholz’, den Sanchez’ anführen, nicht mit jenen, die Europa schwächen wollen, wie den Orbáns, den Salvinis. Wir brauchen ein handlungsfähiges Europa, und wir brauchen das Verständnis dafür, dass es unsere Schicksalsgemeinschaft ist. (Bei­fall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Ich darf zum letzten Satz kommen. Jacques Delors hat einmal formuliert: „Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt“. Ich möchte hinzufügen: Ich denke, dass sich nie­mand in einen Binnenmarkt verliebt und auch nicht in die Grenzsicherung. Es ist eine Notwendigkeit, aber wir brauchen eine kraftvolle Vision und das Verständnis, dass wahrer Patriotismus, wahre Heimatliebe nicht nur rot-weiß-rot, sondern europäisch ist. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

11.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.


11.00.24

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ho­hes Haus! Zu Beginn möchte ich der Bundesregierung, an der Spitze dem Bundes­kanzler, der Außenministerin und dem Kanzleramtsminister, samt der gesamten Beam­tenschaft ganz herzlich für die sehr gute und professionelle Vorbereitung dieser EU-Ratspräsidentschaft danken, die mit 1. Juli beginnen wird. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Für Österreich bedeutet diese Ratspräsidentschaft, dass wir zum dritten Mal den Vor­sitz im Rat der Europäischen Union übernehmen, und ich möchte ein paar Thesen erörtern, von denen ich glaube, dass es wichtig ist, sie der österreichischen Bevölke­rung zu vermitteln. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir geben ein ganz klares Bekenntnis zu Europa ab, denn nur mit einem starken Eu­ropa können wir die Herausforderungen, die nicht kleiner geworden sind, letzten Endes bewältigen. Ich halte auch das Motto für sehr gut gewählt: Ein Europa, das schützt. Si­cherheit, meine Damen und Herren, ist ein Grundbedürfnis der Menschen, und dazu gehört auch, dass wir eine geordnete Situation im Bereich der Migration erreichen. Wenn man heute mit den Menschen spricht, dann spürt man auch, dass genau dieses Grundbedürfnis unserer Bevölkerung enorm wichtig ist. So etwas wie das, was im Jahr 2015 passiert ist, darf es nie wieder geben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Wenn wir uns darauf verständigt haben, dass wir die illegale Migration gemeinsam be­kämpfen, wenn Europa das gelingt, dann, sage ich Ihnen, wird auch die Glaubwürdig­keit Europas innerhalb der Bevölkerung wieder steigen. Dazu gehört eine gemeinsame Vorgangsweise beim Schutz der EU-Außengrenzen – nur so wird es möglich sein, dass wir jenen Menschen helfen, die in Not geraten sind, sie logischerweise auch ret­ten –, dass wir letzten Endes an unseren Außengrenzen jene Schutzmaßnahmen ein­leiten können, die notwendig sind.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Subsidiarität. Es steht auch schon in der christlichen Soziallehre, dass das ein wichtiges Anliegen ist. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Europa muss sich nicht um alles kümmern, meine Damen und Herren. Herr Klubob­mann Kern hat angesprochen, wir sollen „die großen Fragen [...] lösen“. – Ja, dieser Meinung bin ich auch, aber Europa muss nicht jede Kleinigkeit in den Nationalstaaten regeln, dazu ist Europa nicht da. Europa muss die Fragen der Zeit lösen, die den Men­schen wichtig sind, damit dieses Europa auch weiterhin insgesamt in Wohlstand leben


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kann. Daher geht es um Wertefragen, es geht darum, dass wir uns schützen, auch die Außengrenzen, und letzten Endes auch darum, dass wir eine gemeinsame Wirtschafts­politik aufrechterhalten – darum geht es –, damit wir angesichts dieser globalen He­rausforderung letzten Endes bestehen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Angesprochen wurden auch die Brexitverhandlungen; ein Wort auch dazu. Es muss folgender Grundsatz gelten: Mitglieder in der Europäischen Union haben Rechte und Pflichten. Wer diese Europäische Union verlässt, wird fair, aber höflich verabschiedet. Rechte behalten und Pflichten abgeben, das kann es nicht geben (Abg. Scherak: Au­ßer man gehört zu den Visegrádstaaten!), Rosinen herauspicken wird nicht möglich sein. Daher ist die Vorgangsweise, was die Brexitverhandlungen anbelangt, ganz klar: fair, aber höflich verabschieden und natürlich auch mit der notwendigen Konsequenz. Wer ausgetreten ist, ist ausgetreten. Der mehrjährige Finanzrahmen wird in diesem Bereich natürlich eine Herausforderung werden.

Ein Wort auch zur Familienbeihilfe, weil das ein Thema ist, das uns in der Innenpolitik berührt: Wenn es für Großbritannien gegolten hätte – wäre es bei der Europäischen Union geblieben –, dass die Familienbeihilfe indexiert werden kann, dann muss es auch möglich sein, dass wir in Österreich diese Indexierung durchführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wichtig sind mir auch die Bereiche Soziales, Gesundheit und Beschäftigung. Öster­reich wird die Verhandlungen zur Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeits­bedingungen in der EU weiterführen.

Ein weiterer Punkt ist die Digitalisierung: Wir müssen dafür sorgen, dass wir insgesamt wieder an die Spitze innerhalb der Europäischen Union kommen. Wissenschaft, For­schung, Innovation, aber auch ein nachhaltiges Sozialsystem sind wichtige Vorausset­zungen dafür; letzten Endes auch dafür, dass wir unseren Wohlstand absichern kön­nen. Österreich kommt daher im Rahmen der Ratspräsidentschaft eine sehr bedeuten­de Rolle als Vermittler und als Moderator zu.

Abschließend, meine Damen und Herren, ist es mir noch wichtig, zu erwähnen, dass es auch darum geht, wie sich Österreich, vertreten durch die Spitze der Bundesregie­rung, innerhalb der Europäischen Union präsentiert. Ich möchte aus gegebenem An­lass in erster Linie den Mitgliedern der Bundesregierung, an der Spitze unserem Bun­deskanzler, erstens danken und zweitens ganz herzlich gratulieren. Zu den Auftritten, die unser Bundeskanzler hier in Europa tätigt, in einer Dimension, die eigentlich nicht einholbar ist – er ist jetzt gerade von einem Besuch bei der deutschen Kanzlerin Merkel zurückgekommen –, möchte ich wirklich gratulieren, meinen vollen Respekt zum Aus­druck bringen. So soll Österreich in der Europäischen Union letzten Endes auch respektiert und anerkannt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, dass Österreich das nächste Halbjahr gut nutzen wird, dass die Ratspräsidentschaft erfolgreich sein wird. Wir werden die Bun­desregierung nach besten Kräften unterstützen. Glück auf und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.06


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Matthias Strolz. – Bitte.


11.06.53

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Re­gierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verhandeln das Thema EU-


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Ratsvorsitz von Österreich, das ist natürlich eine sehr gewichtige Aufgabe, die der ös­terreichischen Bundesregierung da bevorsteht, und es ist auch eine Zeit schicksal­hafter Entscheidungen für Europa. Ich glaube, wir stehen am Vorabend großer Wei­chenstellungen für unseren Kontinent, und die Qualität dieser Weichenstellungen, vor allem die Richtung, die wir dem geben, wird darüber entscheiden, ob Wohlstand, Si­cherheit und Lebensqualität auf diesem Kontinent, in dieser gemeinsamen Europäi­schen Union, in unserer Union auch weiterhin jenen Platz haben werden wie bisher, in den letzten Jahrzehnten.

Ich höre die wohlgesetzten Worte, selbst aus dem Munde eines FPÖ-Politikers, zu die­sem Zeitpunkt, sitze in meinem Sessel und kann teilweise nicken (Ruf: Gut so!); ich sage: Ja, das sind wohlgesetzte, wohlgewählte Worte! Dann ergibt sich aber eine Wort-Bild-Schere angesichts dessen, was Sie tun, angesichts der Allianzen, die Sie su­chen.

Ich lade uns alle dazu ein, an diesem Vorabend großer Entscheidungen in Europa ei­nen Schritt zurückzugehen und zu schauen, in welcher Lage, in welcher Situation wir sind. Wir stehen, Europa steht in einem Ring aus Feuer: beginnend bei Nordafrika, ei­nem ganzen Band an instabilen Staaten mit bürgerkriegsähnlichen Turbulenzen oder unberechenbaren Diktaturen, über Syrien, das seit Jahren im Krieg taumelt, mit Hun­derttausenden Toten, mit Millionen Flüchtlingen, bis hin zur Ukraine im Nordosten – wir hätten es nicht für möglich gehalten, dass wir in einen Krieg stolpern, bringen aber diesen Krieg nicht mehr weg, einen latent flammenden Bürgerkrieg. Im Nahen Osten ist die Lage insgesamt hochexplosiv, und da sind auch keine Lösungskonzepte in Sicht, die zu einer Beruhigung beitragen könnten. – Das ist unsere Nachbarschaft, die brennt.

Wir haben – wir wissen nicht, ob auf Dauer, aber nach sieben Jahrzehnten dann doch schmerzhaft – unseren wichtigsten Verbündeten, die Vereinigten Staaten, verloren: völlig unberechenbar, taumelt durch die Weltgeschichte, testosterongesteuert. Der Hashtag: Ich hab den Längeren!, leitet irgendwie die Politik einer ganzen Nation. Das ist gewissermaßen absurd, aber für Europa natürlich ein Weckruf, endlich erwachsen zu werden, seine Geschicke in die eigene Hand zu nehmen.

Wir haben auf der anderen Seite Russland, das sich beginnend mit September 2015 – da war es weltpolitisch noch irgendwie verloren – auf die weltpolitische Bühne zurück­gebombt hat, mit großem Erfolg, die sind wieder wer. Russland hat mit hohem Blutzoll diesen Status herbeigebombt, die Mittel sind akzeptiert, das Ziel ist erreicht. Das ist das neue Russland, das sich auch anmaßt, in nationale Wahlkämpfe einzugreifen, ganze Trollfabriken in Stellung zu bringen, um in Wahlkämpfe einzugreifen. Das ist jen­es Russland, das auch hofiert wird, mit dem von österreichischen Regierungsparteien Freundschaftsverträge abgeschlossen werden. (Ruf bei der FPÖ: Gott sei Dank ...!) – „Gott sei Dank“, sagen Sie. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Na ja, „Gott sei Dank“: Das ist das Russland, das Regierungskritiker einsperrt, ins Ge­fängnis sperrt, ohne rechtsstaatliche Prozesse, das sich noch einmal auf die weltpoli­tische Bühne zurückgebombt hat – das kann man gut finden, ich finde es nicht gut. Es geht um Menschen, die heute tot sind, zu vielen Tausenden; das sind Regime, die auch jenseits europäischer Grundwerte agieren – aber natürlich mit toller Inszenierung, und vielleicht findet das Ihren Beifall und ist das die Attraktion. Ich bin nicht beein­druckt, wenn einer mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd herumreitet (Abg. Lugar: Wenn’s heiß ist!), aber ich nehme zur Kenntnis, dass es wirkungsvolle Bilder sind; Sie sollten aber nicht staatspolitische Dynamiken daran knüpfen. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Stefan und Kassegger.)

Wir gehen dann ein Stück weiter Richtung China, eines Landes mit 1,4 Milliarden Ein­wohnern, das in den nächsten fünf Jahren hinsichtlich des Bruttosozialprodukts die


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Vereinigten Staaten ablösen wird, damit die größte Wirtschaftsnation auf diesem Pla­neten sein wird und das zunehmend auch mit einem weltpolitischen Gestaltungsan­spruch verbindet. (Ruf: Strolz auf Weltreise!) – Ja, unser Leben findet in einer Welt statt, das ist eben die Erkenntnis. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie feiern den Natio­nalstaat, wir anerkennen, dass wir heute in einer Welt leben, in der wir schon davon abhängig sind, was in China passiert (Abg. Martin Graf: Was wollen Sie uns sagen?); nicht wenn dort ein Fahrrad umfällt, aber wenn China, natürlich auch mit einem Werte­anspruch, der nicht derselbe ist wie der europäische, auf die weltpolitische Bühne kommt, dann wird ein gewisser Wind gehen, angesichts dessen wir halt angezogen sein sollten – und wir sind nicht angezogen! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordne­ten von SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenrufe der Abgeordneten Rosenkranz und Stefan.)

Europa ist nackt. Wir sind in der Geiselhaft von Nationalisten und Populisten, die hier am Tag der österreichischen Regierungserklärung zwar sagten: Wir sind für proeuro­päische Haltungen!, während am selben Tag FPÖ-Politiker in Prag bei einer Konferenz jener Rechtsaußenpolitiker waren, die sagen: Wir wollen die Europäische Union zer­stören! – Das ist einfach die Wahrheit, das können Sie durch noch so wohlgesetzte Worte nicht hinwegfegen.

Heute ist ein Tag nach der Beobachtung, dass der österreichische Bundeskanzler die deutsche Bundeskanzlerin an die Wand drückt. Es ist imposant, wenn das ein Bun­deskanzler eines kleinen europäischen Landes macht, der 31 Jahre alt ist; imposant ist das allemal! Ich habe an der handwerklichen Fähigkeit von Sebastian Kurz nie ge­zweifelt, das ist ganz großes Kino! Ich zweifle aber an seiner Vision und an den Zielen, denen er dient. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Ich halte das für seelenlose Politik, die Sie vorantreiben, diese Achsen von Salvini über Orbán über Seehofer bis Kurz. (Zwischenrufe der Abgeordneten Höbart und Schima­nek.) Das ist seelenlose Politik. Mit der kann man Wahlen gewinnen, jawohl, aber mit der kann man Europa keine Seele geben – und Europa braucht eine Seele! (Beifall
bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Europa braucht eine Seele, und die heißt: in Vielfalt vereint!; und das wird nur auf Basis unserer gemeinsamen Werte passieren. Das sind natürlich Gleichheit, Freiheit, Geschwisterlichkeit. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Geschwisterlichkeit heißt, dass wir ge­meinsam Lösungen suchen – und die suchen Sie nicht; Sie suchen die Spaltung, weil Sie wissen, dass Sie mit der Spaltung Wahlen gewinnen können. Sie haben das in Österreich gemacht, und jetzt wollen Sie es in Europa machen. Das ist grundfalsch! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Und das Ganze wird natürlich immer mit einem sehr seriösen Auftritt, mit einer profes­sionellen Inszenierung, auch mit dem Charme eines tollen Schwiegersohns kombiniert, aber in der Essenz ist es falsch. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Um in biblischen Wor­ten zu sprechen, weil hier schon die christliche – gemeint war: die katholische – Sozial­lehre bemüht wurde (Abg. Schimanek: ... großes Kino!): Wer große Talente hat, ist in der Pflicht, sie auch mit großer Verantwortung zu nutzen. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Herbert und Wöginger. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist das Gleichnis der Bewirtschaftung der Talente. Ich war zehn Jahre lang Ministrant, und das ist eine der Geschichten, die mir immer gefallen haben und die ich mir gemerkt habe. (Heiterkeit der Abgeordneten Gamon und Rendi-Wagner sowie Beifall bei den NEOS.)

Sebastian Kurz, du hast großartige Talente – nutze sie bitte für andere Allianzen als mit Orbán, Salvini, Seehofer und - - (Ruf: Merkel!) – Mit Merkel, das war keine Allianz (Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger, Brückl und Mölzer), Merkel wurde vom


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österreichischen Bundeskanzler vorgeführt, sie musste bei einer Pressekonferenz auch noch lachen. Und 12 Stunden später sagt Innenminister Seehofer eine Integrationskon­ferenz ab und macht eine Pressekonferenz, in der eine Achsenbildung verkündet wird, die noch dazu das Potenzial hat, die deutsche Regierung zu spalten, wenn nicht zu sprengen. (Abg. Wöginger: Jessas na!)

Das alles ist bekannt, aber der Leitstern dieser Politik ist nicht eine Vision für Europa, nicht eine Seele für Europa (Zwischenruf des Abg. Wöginger), sondern der Leitstern sind die Professionalität und die Optimierung, vor allem auch die Optimierung von Karrieren – und ich finde, das ist zu wenig für diesen Kontinent am Vorabend großer Entscheidungen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

11.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.


11.16.49

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Regierungsmitglie­der! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, sehr geehrter Kollege Strolz, ich kann Ihnen gratulieren, das war mal wieder schönes Kino, was Sie hier geboten haben, also es war zumindest lustig mitanzusehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Im Innviertel hat er keine Stimmen mehr!)

Sie haben gefordert: ein Europa, in Vielfalt vereint. – Ja, Herr Kollege Strolz, wir haben nie etwas anderes gesagt. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Wir wollen ein Europa, in der Vielfalt der eigenständigen, unabhängigen Nationen vereint (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), ein starkes Europa mit starken unabhängigen Natio­nalstaaten, die europäisch vereint sind – nichts anderes haben wir je gesagt.

Kommen wir aber zurück zum Programm, zum Ratsvorsitz: Der Ratsvorsitz steht vor der Tür (Abg. Wittmann: Stimmt es, dass Strache beim Fußballspiel in Russland ist?), in weniger als drei Wochen übernimmt Österreich zum dritten Mal nach 1998 und 2006 diesen Vorsitz. Das wird, wie wir gehört haben, keine leichte Aufgabe werden, denn es stehen viele Herausforderungen vor der Tür, und noch viele weitere werden auf uns zukommen. (Abg. Wittmann: Stimmt es, dass Strache beim Fußballspiel in Russland ist?) Eine der größten Herausforderungen wird mit Sicherheit der Brexit sein, aber auch der mehrjährige Finanzrahmen, betreffend den, wie wir gesehen haben, uns noch vie-
le Diskussionen bevorstehen, weil es da noch große Uneinigkeit gibt. (Abg. Witt­mann: ... dass Strache beim Fußballspiel in Russland ist?) Da freut es mich, dass die Regierung von Anfang an eine klare Position dazu hatte und festgehalten hat, dass die EU zuerst im eigenen System sparen muss, bevor Nettozahler wie Österreich noch mehr zur Kassa gebeten werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Ziel, besonders nach dem Brexit, muss es sein, dass die EU effizienter, sparsamer und schlanker aufgestellt wird und dass bei einer Reduzierung der Zahl der Mitglied­staaten nicht noch mehr ausgegeben wird – das, sehr geehrte Damen und Herren, wä­re der falsche Weg! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Ratsvorsitz steht vor der Tür, und natürlich gibt es auch ein Programm, das Sechsmonatsprogramm, das vergangene Woche in Brüssel präsentiert wurde und heu­te Thema hier im Nationalrat ist – ein Programm, das sich meiner Meinung nach sehen lassen kann, ein Programm, das unter dem Motto steht: ein Europa, das schützt. Die­ses Motto spricht nicht nur die Sicherheit – eines der wichtigsten Themen – an, son­dern sendet auch eine klare Botschaft; eine Botschaft, die von zentraler Bedeutung ist, da es in den vergangenen Jahren in Europa einige Krisen gab, die das Vertrauen der Bürger in die EU zutiefst erschüttert haben.


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Stichwort Flüchtlingskrise: 2015 wurde da ein komplett falscher Weg eingeschlagen – ein Weg in Richtung unkontrollierter Massenzuwanderung, eine Politik des Grenzen-auf-für-alle, eine Politik, die dazu geführt hat, dass es eben immer mehr Konflikte, Streitereien und Unruhen zwischen den Mitgliedstaaten gegeben hat. Genau das muss in Zukunft verhindert werden, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Vertrauen in die Europäische Union gilt es in den nächsten Monaten und in den nächsten Jahren mit den richtigen Maßnahmen wieder aufzubauen. Dabei ist es die zentrale und wichtigste Aufgabe der Europäischen Union, ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Statt Streit über die Verteilung von irgendwelchen Flüchtlingen muss der zentrale Fokus auf dem Schutz der Außengrenzen liegen. Wir müssen weg von einer Reparaturpolitik hin zu einer Präventionspolitik – nur das ist der richtige Ansatz. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dafür braucht es eine starke Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Wir brauchen Transit­zentren außerhalb der EU, auf dem jeweiligen Kontinent, damit schutzbedürftige Men­schen gleich vor Ort, außerhalb der EU Hilfe beantragen können und diejenigen, die keine Berechtigung haben, sich diesen langen und mühsamen Weg, der auch gefähr­lich für sie ist, ersparen und damit auch die Rückführung in Zukunft viel leichter wird.

Deswegen freut es mich und deswegen macht es mich stolz, dass wir mit Herbert Kickl einen Innenminister haben, der schon jetzt in aller Klarheit und Entschlossenheit
das Signal in die Welt hinausgeschickt hat, dass sich dieser weite Weg für diejeni-
gen, die keine Asylberechtigung haben, nicht lohnt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Wöginger.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Motto „ein Europa, das schützt“ betrifft aller­dings nicht nur die Sicherheit, die Migration, sondern es betrifft auch, wie wir heute ge­hört haben, die Sicherung des Wohlstands und auch die des Wettbewerbs, zum Bei­spiel durch die Digitalisierung. Es betrifft auch die Stabilität der Nachbarschaft, und da­bei geht es um die Heranführung Südosteuropas an die EU.

An dieser Stelle, weil es gerade um das Thema Sicherheit geht, möchte ich noch kurz zu einem Thema abschweifen, das mich sehr schockiert hat, etwas, was ich gerade vor meiner Rede erfahren habe, nämlich dass die FPÖ ein E-Mail bekommen hat, in der dem gesamten FPÖ-Parlamentsklub – allen Abgeordneten, allen Bundesräten, den Regierungsmitgliedern und sogar deren Mitarbeitern – der Tod angedroht wurde. Es wurde ihnen gedroht, sie alle umzubringen – aufgrund der Zustimmung zu Ceta, die gestern gegeben wurde.

Ich möchte dies daher auch zum Anlass nehmen, um von diesem Rednerpult aus ei­nen Appell auszusprechen, weil in diesem E-Mail viele Ausdrücke zu finden waren, die wir auch gestern in der Debatte gehört haben, wie Verräter, Umfaller und vieles Wei­tere, was uns vorgeworfen wurde. Ich möchte daher noch einmal den Appell ausspre­chen, bei der Rhetorik ein wenig abzurüsten.

Als Zweites möchte ich mich auch bei den Sicherheitskräften bedanken, die die nächs­ten Monate während dieses Ratsvorsitzes dafür sorgen werden, dass nicht nur alle unsere Gäste, sondern auch unsere Politiker und Österreich insgesamt, alle, die im Zei­chen dieser großen Herausforderung stehen, sicher sein werden. Ein großes Danke­schön schon jetzt dafür! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wie gesagt, es ist ein umfassendes Programm, das diese Regierung auf mehr als 70 Seiten präsentiert hat, ein Programm, das alle möglichen Fachbereiche betrifft: von Justiz über Umwelt, von Landwirtschaft bis hin zu Sport, Gesundheit und vieles Wei­tere. Das alles soll immer unter dem Motto der Subsidiarität stehen, das bedeutet: we­niger EU, dafür effizienter – ein Europa, das sich auf die großen Fragen konzentriert


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und sich gleichzeitig bei Themen, die besser auf nationaler Ebene geregelt werden, zu­rücknimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wünsche auch von dieser Stelle aus der Regie­rung für ihre Aufgabe und während des Ratsvorsitzes alles Gute und vor allem einen erfolgreichen Ratsvorsitz. Wir sollten auch darauf schauen, diesen Ratsvorsitz in den nächsten Monaten dafür zu nützen, eigene Schwerpunkte zu setzen, und darauf hin­wirken, dass wir diese EU in eine positive Zukunft führen, mit einem starken, neutralen Österreich. Ich glaube, dass mit diesem Programm der perfekte Grundstein dafür ge­legt wurde. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Bruno Rossmann. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Der Ökonom!)


11.23.58

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe das EU-Ratsvorsitz-Programm sehr genau gelesen: Auf 67 Seiten findet sich dort wenig Konkretes, leider! Heute hingegen, Herr Bundeskanz­ler, sind Sie sehr konkret gewesen. Heute haben Sie nämlich gesagt – und viel mehr habe ich auch aus Ihren Ausführungen nicht mitnehmen können –: Es geht um ein Eu­ropa, das schützt, es geht um Sicherheit.

Ja, es geht um Sicherheit, da stimme ich Ihnen zu, aber es geht nicht nur um die Si­cherheit und den Schutz der Außengrenzen, sondern es gibt eine Reihe von Heraus­forderungen, die Sicherheit weiter interpretieren lassen und die eine weitere Interpre­tation erfordern. Das aber vermisse ich beispielsweise in diesem EU-Ratsvorsitz-Pro­gramm: die soziale Sicherheit, die Schaffung einer Sozialunion, um Spaltungen in der Europäischen Union entgegenzuwirken.

Ein weiterer Punkt, den ich vermisse, ist etwa die Frage eines Steuerpaktes, der dazu angetan ist, mehr Steuergerechtigkeit auf europäischer Ebene zu schaffen: durch die Besteuerung von Vermögen auf europäischer Ebene, aber auch durch die Schließung von Steuerfluchtrouten, die dazu führt, dass in diesem Europa endlich auch die großen Konzerne ihre Steuern zahlen und nicht nur die Kleinen. Es geht darum, in diesem Europa auch den Steuerbetrug zu beenden. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Eine weitere große Herausforderung, Herr Bundeskanzler – und auch das wird in die­sem Programm sehr kurz abgehandelt –, ist der Klimaschutz. In diesem Zusammen­hang ist es von enormer Bedeutung, ein klares Bekenntnis zu CO2-Steuern abzulegen, zu einer ökologischen Steuerreform, die in Österreich beginnen kann, aber auf euro­päischer Ebene fortgesetzt werden muss. Von alledem findet sich in Ihrem Vorsitzpro­gramm leider, leider sehr wenig.

Nun komme ich aber zum Punkt: Wenn wir ein gemeinsames, ein starkes Europa ha­ben wollen, dann brauchen wir auch eine Bundesregierung mit einer klaren proeuro­päischen Haltung. Und diese proeuropäische Haltung, Herr Bundeskanzler, vermisse ich bei dieser Regierung. Bereits angesprochen wurde das Beispiel der Annäherung an Ungarn: Sie betreiben die gleiche Flüchtlingspolitik wie Orbán, Sie sind aber auch sehr still und schweigsam, wenn es darum geht, zur Demontage der Demokratie in Ungarn Stellung zu nehmen.

Ein anderes Beispiel: Vizekanzler Strache hat jüngst die Personenfreizügigkeit infrage gestellt, eine der vier Grundfreiheiten in Europa. Das nennen Sie einen proeuropäi­schen Kurs?


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Ein weiteres Beispiel: die Indexierung der Familienbeihilfen für Kinder von EU-Aus­ländern. Das ist nach Ansicht vieler Rechtsexperten klar EU-rechtswidrig.

Ein weiteres Beispiel, Herr Bundeskanzler: Sie erfinden Migrationsrouten. Das jüngste Beispiel: Albanien, wo dann der dortige Ministerpräsident Edi Rama erklärt hat, es gibt kein Problem mit Migranten, es gibt gar keine Migrationsrouten, es gibt keine Migra­tionswelle in Albanien.

Ein weiteres Beispiel – und da werden Sie im Rahmen der Präsidentschaft eine be­sonders wichtige Rolle spielen – ist die Frage des mehrjährigen Finanzrahmens. Da nehmen Sie eine sehr unrühmliche Rolle ein, indem Sie mit einigen skandinavischen Ländern eine Minderheitenposition vertreten. (Abg. Rosenkranz: Die Liste Pilz, würde ich sagen, ist auch ein Minderheitenprogramm!) Sie wollen einen mehrjährigen Finanz­rahmen haben, in den Sie weniger einzahlen, aber aus dem Sie mehr herausbekom­men. Einzig der Finanzminister hat Sie jüngst korrigiert und gemeint, das geht gar nicht, aber Sie und Ihr Herr Minister Blümel beharren ja weiterhin darauf, weniger ein­zuzahlen und mehr herauszubekommen, insbesondere für die Landwirtschaft. (Abg. Martin Graf: Das ist aber ein sehr guter Ansatz!)

Das ist nicht proeuropäisch, Herr Kanzler (Abg. Belakowitsch: Das ist einmal ganz europäisch!), das ist eine erbärmliche Haltung (Abg. Martin Graf: Immer nur die Mehr­heitsmeinung vertreten ist auch nicht ...!) in einer sehr zentralen Frage, bei der es um die großen Herausforderungen in der Europäischen Union geht. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wenn es um die großen Fragen in der Europäischen Union geht, dann ziehen Sie sich zurück auf die Floskel: weniger Europa, aber effizienter. – Sie sprechen von der Subsi­diarität, sprechen aber nie klar aus, was Sie eigentlich darunter verstehen wollen. Orientieren Sie sich lieber an den großen Linien, die Präsident Emmanuel Macron vor einigen Monaten gezeichnet hat! Ich kenne noch keine Stellungnahme der Bundesre­gierung zu diesen Fragen, beispielsweise dazu: Wie halten Sie es mit einem EU-Fi­nanzminister? Wie halten Sie es mit einem Eurozonenbudget? (Ruf bei der FPÖ: Gar nicht!) Diskutieren wir doch darüber! Aber daran haben Sie offenbar kein Interesse. (Abg. Rosenkranz: Mit dem Herrn Strache haben Sie nicht diskutiert! Das ist unfass­bar!)

Stattdessen hagelt es von Ihrer Seite immer wieder populistische Töne für das heimi­sche Publikum. Ohne diese Sündenbockpolitik können Sie Ihre Politik in Österreich nämlich nicht betreiben. Und dann wundern wir uns in Österreich alle, dass die Öster­reicherinnen und Österreicher eine kritische Haltung gegenüber der EU haben. (Abg. Belakowitsch: Es ist aber umgekehrt: Zuerst war die kritische Haltung!)

Sie, Herr Bundeskanzler, spielen auf der Klaviatur des Nationalismus ein sehr gefährli­ches Spiel, und das haben Sie gestern auch in Berlin gezeigt: Sie sprachen sich ges­tern in Berlin für eine Achse der Willigen aus. (Abg. Rosenkranz: Bravo!) – Ja, bra­vo. – Sie wissen aber schon, Herr Bundeskanzler – und Sie, Herr Abgeordneter Ro­senkranz, wissen das hoffentlich auch –, dass dieser Begriff der Achse der Willigen historisch schwer belastet ist (Abg. Martin Graf: Das hat der Kern auch gesagt!) und dass diese Metapher in fataler Weise an den Pakt zwischen Mussolini und Hitler erin­nert. (Abg. Rosenkranz: Das ist unfassbar!) Herr Bundeskanzler, unpassender geht es nicht mehr. (Abg. Rosenkranz: Das ist unfassbar! Aber bei dieser Vorsitzführung wun­dert mich nie etwas! Jetzt langt es bald! Jetzt langt es aber!) Unterlassen Sie derartige Provokationen und Vorstöße, und sorgen Sie für gesamteuropäische Lösungen in al­len Fragen. – Danke sehr. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Jetzt langt es aber! – Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Frechheit! – Abg. Neubauer: Ist das kein Ordnungsruf, Frau Vorsitzende?)

11.30



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Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wort gemeldet. – Herr Bundeskanzler, Ihre Redezeit darf 10 Minuten nicht über­schreiten. Bitte.


11.31.13

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, das, was Sie, Herr Abgeordneter Rossmann, ge­rade gesagt haben, richtet sich so sehr von selbst, dass ich nicht darauf eingehen muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte aber sehr wohl, wenn Sie es mir gestatten, ein paar Worte zu dem sagen, was Matthias Strolz gesagt hat. Lieber Matthias, du hast das so mitreißend vorge­bracht, dass ich fast schon Sorge habe, du glaubst das, was du hier gesagt hast, selbst. (Heiterkeit. – Abg. Strolz: Das ist der Fall!) Ich möchte dir in einem Punkt recht geben, nämlich bei der Analyse, wie wir in Europa gerade dastehen: dass nicht nur um die Europäische Union herum das Umfeld ein schwieriges ist – mit den Spannungen mit Russland, der Unberechenbarkeit in den USA, der Situation in der Türkei, dem Ter­ror im Süden der Europäischen Union –, sondern dass wir auch innerhalb Europas ei­ne Zeit erleben, die wir hinter uns lassen sollten. Wir haben Spannungen in der Eu­ropäischen Union zwischen Mitgliedstaaten, wie es sie in der Vergangenheit noch nie­mals gegeben hat. Wir haben Fliehkräfte, die teilweise problematisch sind. Wir haben in den letzten Jahren eine Stimmungslage erlebt, die in Großbritannien zu einer Ab­stimmung für den Austritt aus der Europäischen Union geführt hat. Und wir haben nicht nur einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung, sondern wir haben sogar die Situation, dass die Grundfreiheiten der Europäischen Union erstmals in Gefahr sind. (Ruf: Ja, durch den Vizekanzler! – Abg. Strolz: Durch Heinz-Christian Strache!)

Ich war gestern in Deutschland: Wir haben mittlerweile Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich – in einem Wirtschaftsraum, der enger nicht verwoben sein könnte. Wir haben nicht nur Spannungen in der Europäischen Union, sondern wir haben das erste Mal seit Bestehen der Niederlassungsfreiheit eine echte Gefährdung dieser Reisefreiheit in der Europäischen Union.

Und wenn du in einem Zwischenruf Heinz-Christian Strache nennst, kann ich nur sa­gen: Es ist weder der Vizekanzler noch sonst irgendein Politiker in der Europäischen Union dafür verantwortlich, sondern verantwortlich sind diejenigen, die damals in der Flüchtlingskrise die falschen Entscheidungen getroffen haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Sie waren damals Außenminister!)

Verantwortlich für Grenzkontrollen in der Europäischen Union (Abg. Loacker: Sie wa­ren damals in der Bundesregierung wer?) – lassen Sie mich eine Minute ausreden, dann sind Sie wieder am Wort; es ist unangenehm, diese Wahrheit zu akzeptieren, aber lassen Sie mich eine Minute ausreden (Ruf bei der SPÖ: Wer war verantwortlich für die Außenpolitik 2015?) – sind diejenigen, die im Jahr 2015 und 2016 für die Politik der offenen Grenzen gestanden sind. (Ruf bei der SPÖ: ... Integrationsminister!)

Aber, lieber Matthias Strolz, ich kann Ihnen heute eine Garantie abgeben: Wir bringen das wieder in Ordnung. Wir werden sicherstellen, dass die Außengrenzen so geschützt werden, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen wieder Realität wird. Das ist es, wonach wir streben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und wissen Sie, was unser Ziel ist? – Ein geeintes Europa, denn nur dann sind wir stark. Das ist der Grund, warum ich mit Seehofer genauso spreche wie mit Merkel und warum ich mit Orbán genauso spreche wie mit Macron.

Aber wissen Sie, was das Schönste ist? – Unser engster Verbündeter in all diesen Fra­gen, in der Achse der Willigen als Erster dabei gewesen, vielleicht sogar vor mir, ist der


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Premierminister der Niederlande, ein Liberaler, weil er tut, was richtig ist, und nicht versucht, zu schubladisieren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Norbert Hofer zu Wort gemeldet. – Herr Bundesminister, Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten. Bitte.


11.35.36

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich einfach mit einer Bitte melden: Ich stelle fest, auch aufgrund der Aussagen eines Vertreters der Liste Pilz, wie leicht man sich in Österreich noch immer tut, jemanden mit Adolf Hitler gleichzusetzen. Aus meiner Sicht ist das eine wirklich üble Form der Verharmlosung. Dieser Mensch ist für die Vernichtung von Millionen von Menschen verantwortlich – Kinder, Frauen –, und Sie gehen heraus und vergleichen Politiker, die ihr Bestes tun und Bestes wollen, für Österreich und für Europa, mit dieser Bestie. Das ist schamlos, das ist wirklich scham­los. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was Sie mit diesen permanenten Vergleichen auch tun, ist, dass Sie damit diese Bes­tie irgendwie - -, dass Sie das wirklich verharmlosen, sodass das keine große Bedeu­tung mehr hat für junge Menschen, die dadurch den Eindruck bekommen: Na gut, das war eh alles nicht so schlimm, die sind eh alle so. – Bitte seien wir daher vorsichtig. Ich verstehe, dass man in der Emotion auch einmal etwas sagt, das vielleicht überzogen ist, aber so weit dürfen wir nicht gehen. Das ist eine Grenze, die wir einfach nicht über­schreiten dürfen.

Meine Damen und Herren! Matthias Strolz hat – sehr emotional – die Seele Europas angesprochen. Die Seele Europas ist eine vielschichtige: die Werte, die wir angespro­chen haben, aber – ich sage es noch einmal – auch die Frage, wie wir einen wirtschaft­lichen Rahmen schaffen, damit wir diese Werte auch verteidigen können, wirtschaftlich verteidigen können. Wenn wir uns heute die großen innovativen Unternehmen im Bereich Digitales ansehen, dann sehen wir in der Liste: USA, USA, USA, China, China, USA, USA. – Europa wird dann stark sein, wenn es in Europa wieder Industrie gibt – weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen passen, weil es weniger Bürokratie gibt, weil die Steuerlast nicht so groß ist – und wenn wir im digitalen Bereich stark werden. Das ist die Zukunft.

Klar ist es weiterhin wichtig, starke Schienenverkehrswege zu haben, den Straßenbau zu haben, aber die Frage, wie wir mit 5G durchsetzt sind, wird eine der wichtigsten Fragen in der Europäischen Union sein und auch eine Lösung der großen Probleme ermöglichen, die wir mit der Urbanisierung haben. Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt, weil dort die Chancen größer sind, aber gerade wir in Österreich und viele an­dere Länder in der Europäischen Union müssen ja auch danach trachten, dass Men­schen am Land leben und arbeiten können – und da ist die Digitalisierung die größte Chance: Betriebe siedeln sich dort an, wo es diese Anbindung an das schnelle Netz geben wird.

Und das ist die gemeinsame Verantwortung, die wir haben. Die Seele Europas ist eine sehr moderne. Die Gesellschaft, die sich entwickelt, ist eine völlig andere: Wir werden in einigen Jahren im Transportbereich völlig anders unterwegs sein. Die Frage, wie es einem Fahrer in sozialer Hinsicht geht, wird vielleicht gar nicht mehr so sehr im Vor­dergrund stehen, weil es diesen Fahrer gar nicht mehr geben wird. Wir haben uns aber die Frage zu stellen: Wie viele Arbeitsplätze gehen durch Digitalisierung verloren? Wel­che gehen verloren? Welche neuen werden geschaffen? Und welche Chancen können wir damit auch für die Menschen in Europa schaffen?


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Oder – ich sage es noch einmal –: Die Frage, ob ich ein eigenes Fahrzeug brauche, ist bei autonomem Fahren nicht mehr bedeutend. Auch Piloten werden wir, wenn es völlig andere Flugzeuge geben wird – (in Richtung des Abg. Leichtfried) Herr Minister außer Dienst, Sie wissen es –, nicht mehr benötigen, was mich sehr schmerzt.

Meine Damen und Herren, wir reden da also von einer neuen Gesellschaft, und ich kann eines sagen – ich habe Kinder im Alter von 15 bis 25 Jahren –: Ich sehe da eine irrsinnig große Hoffnung, was die Zukunft Europas, der Europäischen Union und Ös­terreichs anbelangt, und sehr viel Optimismus.

Diese Generation ist fest davon überzeugt, dass es neue Chancen gibt, dass wir in der Lage sind, an einem besseren Österreich, an einer besseren Europäischen Union zu bauen, und dass man daran auch wirklich selbst mitwirken kann. Ich glaube, dieser Generation müssen wir sehr vertrauen. Es ist eine starke Generation, gut ausgebildet, motiviert, optimistisch. Und so können auch wir mit viel Optimismus in eine gute Zu­kunft gehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka. – Bitte.


11.40.31

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! In unsicheren Zeiten soll die politische Spitze ei­nes Staates Orientierung geben. Bundeskanzler Kurz und Minister Hofer haben es ge­zeigt: Diese Bundesregierung gibt Orientierung, sie geht in Europa voran, wenn es um unsere Sicherheit und darum geht, unsere offene, freie Gesellschaft zu sichern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sowohl Klubobmann Kern als auch Klubobmann Strolz und Klubobmann Rossmann haben sich Gedanken über Nationalismus und über die Seele von Europa gemacht. Ich möchte Ihnen mit einem Zitat des langjährigen deutschen Mi­nisterpräsidenten und deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau antworten. Er hat einmal gesagt: „Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist je­mand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“

Diese Bundesregierung ist sowohl eine patriotische als auch eine europäische. Das haben (in Richtung Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Hofer) Ihre beiden Rede­beiträge deutlich gezeigt. Und das ist kein Widerspruch: für Österreich zu arbeiten und gleichzeitig das Bestmögliche für die Europäische Union zu erreichen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm versprochen, und so ist es im Regierungsprogramm festgeschrieben, wir werden ein aktiver und zuverlässiger Part­ner der Weiterentwicklung – der Weiterentwicklung! – der Europäischen Union sein. Seit der Angelobung am 18. Dezember des Vorjahres hat diese Bundesregierung, und zwar die gesamte Bundesregierung, das immer wieder sehr, sehr deutlich gezeigt.

Der Bundeskanzler ist unermüdlich unterwegs, nicht nur diese Woche, sondern immer, um einerseits Brücken zu bauen – leider sind wir in einer Situation, in der wir auch in­nerhalb der Europäischen Union diese Brückenbauerfunktion wahrnehmen müssen – und um andererseits alles zu tun, damit diejenigen, für die Europa eine Perspektive sein soll, diese Perspektive nicht verlieren, nämlich die Westbalkanländer. Es ist ganz, ganz wichtig, dass der Südosten Europas weiterhin diese Perspektive hat.

Wir sehen schon einen Widerspruch: Wirtschaftlich geht es der Europäischen Union zurzeit besser als in den letzten zehn Jahren. Wirtschaftlich ist es uns schon lange nicht mehr so gut gegangen. Gleichzeitig müssen wir aber jetzt politisch das aufarbei-


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ten, was die Rückschläge der Europäischen Union verursacht hat. Zuerst die Finanzkri­se: Diese hat uns in Österreich ganz massiv beschäftigt, auch das Parlament hier. Dann die Flüchtlingskrise. Und meiner Meinung nach der größte Rückschlag für die Europäische Union ist natürlich das Votum der Briten, dass sie sich dafür entschieden haben, die Europäische Union zu verlassen. Da ist es richtig, in allen Fragen die richti­gen Antworten zu geben.

Was meine ich damit? – Ja, nach wie vor ist die größte Sorge der Menschen in dieser Zeit, dass wir die Migration nicht in den Griff bekommen. Daher ist es hundertprozentig richtig, an die Spitze unserer Arbeit das Motto zu stellen: ein Europa, das schützt. Nur der, der Sicherheit gibt, sichert auch die Freiheit hier in Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Daher bin ich sehr froh darüber, wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche darauf reagiert hat, was Sebastian Kurz schon lange als Kurs vorgege­ben hat: Das Wichtige ist jetzt, die EU-Außengrenzen zu sichern. Das ist das Entschei­dende, um die Freiheit innerhalb von Europa, diese offenen Grenzen, die die Men­schen in dieser Europäischen Union so schätzen, wiederzubekommen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir durch den Brexit mit Großbritannien den zweit­größten Nettozahler verlieren werden, wenn uns rund 10 Milliarden Euro Jahr für Jahr fehlen werden, wenn wir in der Europäischen Union mehr als 60 Millionen Menschen weniger haben werden, dann kann nicht gleichzeitig das Budget der Europäischen Uni­on steigen. Das muss man im Zusammenhang sehen, auch den mehrjährigen Finanz­rahmen.

Diesbezüglich ist diese Bundesregierung auch eine, die natürlich auch den österreichi­schen Steuerzahler sieht, denn letztendlich ist es nicht negativ, wenn man auch an den Steuerzahler denkt und wenn man sorgsam mit den Steuergeldern umgeht – und es sind Steuergelder, die wir zahlen, denn wir sind natürlich auch solidarisch. Als reiches, kleines Land werden wir selbstverständlich auch unseren Beitrag leisten. Es ist unser Ziel, in fairen Verhandlungen zu einem Ergebnis zu kommen, an dem man beides sieht: einerseits unsere Bereitschaft, solidarisch unseren Beitrag zu leisten, aber ande­rerseits auch unsere Verpflichtung, auf das Geld der Steuerzahler zu achten.

Ein letzter Punkt, den ich anschneiden möchte: Wir reden eigentlich immer von der Bundesregierung, wenn wir von der EU-Präsidentschaft reden. Meine lieben Abgeord­netenkollegen! Wir als Parlament haben in diesem zweiten Halbjahr 2018 auch die parlamentarische Dimension dieser Präsidentschaft zu sehen. Es wird ein halbes Dut­zend großer Konferenzen in Österreich stattfinden. Auch der Abgeordnete Klubobmann Schieder wird den Vorsitz bei einer führen, wenn Abgeordnete aus ganz Europa bei uns zusammenkommen werden. Alleine bei der Cosac-Tagung werden es 380 Abge­ordnete unter unserem Vorsitz sein. Auch da können wir die Richtung vorgeben.

Mein Ziel ist es, alle Abgeordneten miteinzubinden, alle zu motivieren, damit wir ge­meinsam am 31. Dezember dieses Jahres sagen können: Ja, das war eine gute Präsi­dentschaft, die Regierung hat ihre Arbeit gemacht, aber auch wir als Parlamentarier haben unseren Beitrag hierzu geleistet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte. (Abg. Leichtfried stellt einen grünen Sack neben das Rednerpult. – Abg. Belakowitsch – auf den ehemaligen Abg. Steinbichler anspie­lend –: Das ist schon fast wie beim Leo!)


11.47.19

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe dem Herrn


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Bundeskanzler, der jetzt leider die Regierungsbank verlassen hat, sehr aufmerksam zugehört. Ich muss sagen, es war nicht viel Neues unter dem, was gekommen ist. Er hat das gesagt, was er immer sagt, und es passt auch ins Bild. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können, wir hatten hier einmal eine Fragestunde mit dem Herrn Bun­deskanzler. Die Menschen, die dabei zugehört haben, haben dann auf Twitter einen Hashtag produziert: #AnswerLikeKurz. Das hat mich heute wieder ein bisschen daran erinnert, dass dieser Hashtag noch nicht ganz vergessen wird, sondern vielleicht noch notwendig ist.

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum der Vizekanzler heute gar nicht ge­kommen ist. Ich frage mich, wo er ist. Hier erfolgt die EU-Erklärung der Regierung, die die Ratspräsidentschaft angeht. Ich habe in der Zeitung gelesen, der Herr Vizekanzler schaut sich lieber ein Fußball-WM-Match an – als Fan von Russland oder Saudi-Ara­bien, das weiß ich nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja dann sagen Sie mir, wo er ist, was er Besseres zu tun hat! Ich sage Ihnen schon, es macht einen schlechten Eindruck, wenn der Vizekanzler bei der EU-Erklärung nicht da ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Zanger: Du schaust dir auch Kapfenberg gegen ... an!) – Ja wo ist er? Wo ist er? Sag mir, wo er ist! (Abg. Martin Graf: Wo ist der Herr Katzian? Wo ist der Herr Muchitsch? – Abg. Rosenkranz: Wo sind die Ge­werkschafter?)

Aber, geschätzte Damen und Herren, ich habe mich schon gefragt: Wieso bekommen wir so wenige Informationen über die Ratspräsidentschaft? Was hat die Regierung wirklich vor? – Ich habe mir das Dokument über die Ratspräsidentschaft durchgelesen. Sehr interessant: Das Wort Sicherheit wird 77 Mal genannt, das Wort Schutz 47 Mal. Also das könnte ja meines Erachtens so eine Art Schwerpunkt sein.

Selbstverständlich ist es so, dass die Sicherheit, der Schutz vor Verbrechen, die Ter­rorabwehr, die Prävention von Verbrechen, die Prävention von Terror, die internatio­nale Zusammenarbeit ein wesentlicher Teil dieser Arbeit sind. Aber da würde es mich schon interessieren – und ich hätte jetzt dem Herrn Bundeskanzler diese Frage gerne gestellt, aber das ist ihm anscheinend nicht so wichtig, jetzt stelle ich sie halt Ihnen allen –, was Sie dazu sagen, was Ihr Koalitionspartner, die FPÖ so treibt. Ich darf den Herrn Landesrat Podgorschek (das zweite o betonend) zitieren (Rufe bei der FPÖ: Podgorschek!) – jetzt nicht das Zitat: „Traue keinem Schwarzen.“, das ist jetzt nicht so das Thema; er hat auch ein anderes Zitat gebracht, nämlich –: Der Verfassungsschutz, der ist eine eigene politische Zelle innerhalb der Partei. Und das wird ausgetrocknet. – Das hat dieser Herr Landesrat gesagt. Wie, geschätzte Damen und Herren, können Sie Ihre Forderung nach mehr Sicherheit glaubhaft aufrechterhalten, wenn Sie zulas­sen, dass Ihr Koalitionspartner das wirksamste Schwert gegen Terror, gegen Verbre­chen, das wirksamste Schwert für Prävention aus parteipolitischen Gründen zer­schlägt? Das ist unglaubwürdig, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Mölzer.)

Aber Sicherheit ist viel mehr: Sicherheit ist nicht nur Terrorabwehr, Sicherheit ist auch, dafür zu sorgen, dass es den Menschen gut geht. Das ist Bekämpfung der Arbeitslo­sigkeit, Bekämpfung des Steuerbetrugs, Bekämpfung des Sozialbetrugs, geschätzte Damen und Herren. Das erwähnen Sie in Ihrem Papier überhaupt nicht. Sie wollen ein Nachtwächtereuropa, ein kaltes Europa, ein neoliberales Europa. (Abg. Belakowitsch: Was haben Sie gemacht die letzten Jahre?) Und da ist Ihnen Herr Rutte ein wichtiger Verbündeter. Ja, aber das ist nicht unser Europa. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zan­ger: ..., das muss man schon sagen!)

Herr Bundesminister Hofer! Ich gebe Ihnen recht: Diese Ratspräsidentschaft sollte eine gemeinsame nationale Anstrengung sein. Ich sehe das ganz wie Sie. Was ich nicht ganz teile, ist der Vergleich mit der Ehe, denn in Europa sind Sie zu siebenundzwan-


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zigst, und das wäre für eine Ehe unter Umständen ein bisschen übertrieben. (Abg. Be­lakowitsch: Aber nur unter Umständen!)

Aber es gibt für uns zwei Bedingungen, wo wir sagen: Ja, wir arbeiten mit, wir unter­stützen diese Bundesregierung, wir wollen eine gute Ratspräsidentschaft. Das Erste ist die soziale Dimension, die uns so wichtig ist. Dazu bringen wir auch zwei Anträge ein.

Der erste Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Euro­paweite Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Um Lohn- und Sozialdumping europaweit zu bekämpfen, sollen die zuständigen Re­gierungsmitglieder sicherstellen, dass die Gründung der Europäische Arbeitsschutzbe­hörde bereits während der österreichischen Ratspräsidentschaft erfolgt. Sitz der Ar­beitsschutzbehörde soll Österreich sein.“

*****

Der zweite Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Konzernklagerechte in EU-Abkommen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Verhandlungen bzw. dem Abschluss von Abkommen auf EU-Ebene nur dann zuzustimmen, wenn diese keine Sonderklagerech­te für Konzerne enthalten.“

*****

Das ist das Erste, was uns wichtig ist.

Und das Zweite ist, dass wir uns selbst auch etwas ernster nehmen, geschätzte Da­men und Herren.

Zum Ernster-Nehmen gehört auch Folgendes – schauen Sie einmal! (einen Abakus aus dem grünen Sack nehmend und diesen auf das Rednerpult stellend – Abg. Bela­kowitsch: Der Leo hat auch immer was mitgebracht!) –: Das ist jetzt nicht so digital, Herr Bundesminister Hofer, wie Sie das gerne hätten. (Abg. Zanger: Hast du das die­nen Enkerln weggenommen?) Aber verzichten Sie, geschätzte Damen und Herren von der österreichischen Bundesregierung, in Zukunft auf diese Fantasiezahlen! Es war beim EU-Budget so, als Sie zuerst gesagt haben: Kein Cent mehr. – Inzwischen ist es schon mehr. Es war bei den Kosten für die Ratspräsidentschaft so, als der Bundes­kanzler gesagt hat: 43 Millionen Euro. – Wenn man alle Ministerien abfragt, sind es 120 Millionen Euro. (Abg. Hafenecker: Können Sie nicht kopfrechnen?) Entweder war es so gewollt oder es war ein Rechenfehler. Falls es ein Rechenfehler war, habe ich dem Herrn Bundeskanzler etwas mitzugeben – in seiner Abwesenheit bekommt es halt der Herr Finanzminister und der Herr Infrastrukturminister. (Der Redner überreicht Bun-


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desminister Löger den Abakus.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger – auf den grünen Sack zeigend –: Ist das eh ein Steiermark-Sackerl?)

11.53

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 31. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Erklärung des Bundes­kanzlers gem. § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR betreffend österreichischer Ratsvorsitz (TOP1)

betreffend Europaweite Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping

Begründung

Lohn- und Sozialdumping steht in Europa noch immer an der Tagesordnung. Öster­reich ist davon besonders stark betroffen. Auf EU-Ebene wurde nun endlich die Über­arbeitung der Entsenderichtlinie finalisiert. Zusätzlich zu strengeren Regeln braucht es eine funktionierende grenzüberschreitende Kontrolle bei Arbeits- und Sozialvorschrif­ten, um Ausbeutung von Beschäftigten zu verhindern.

Österreich ist Zielland von Entsendungen, gleichzeitig steigt Lohn- und Sozialbetrug bei Entsendefirmen. Im Vorjahr kamen im 300.000 EU-Arbeitskräfte per Entsendung nach Österreich. Parallel dazu ist der Sozialbetrug durch neue betrügerische Praktiken gestiegen. Umso wichtiger ist es, das Prinzip "gleiches Entgelt am gleichen Ort für glei­che Arbeit" in allen EU-Staaten umzusetzen.

Kontrollen der österreichischen Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) belegen die Problematik: Bei Kontrollen im ersten Halbjahr 2017 gab es bei 0,9 Pro­zent der ArbeitnehmerInnen von österreichischen Betrieben Verdachtsfälle auf Unter­bezahlung, bei Entsendebetrieben mit einem Firmensitz in anderen EU-Staaten, die ih­re Beschäftigten nach Österreich entsenden, hingegen in 44 Prozent der Fälle.

Aber damit nicht genug: Das Problem der Scheinentsendungen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird immer wieder in Österreichs Grenzregionen deutlich. Im Burgenland wurden im Vorjahr Strafen in Höhe von einer Million Euro von ungarischen Unternehmen eingefordert, davon konn­ten aber nur 2.000 Euro tatsächlich eingetrieben werden. Genau aus diesem Grund muss die grenzüberschreitende Kontrolle sowie der grenzüberschreitende Vollzug von Verwaltungs- und Strafverfahren lückenlos sichergestellt werden, indem die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist noch einiges zu tun. Konkrete Maßnahmen wie die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsnummer, oder die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde müssen in naher Zukunft dringend gesetzt werden, um Lohn- und Sozialdumping effektiv zu bekämpfen.

Die Europäische Kommission stellte nun am 13. März 2018 entsprechend der Ankündi­gung von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2017 und im Rahmen des Paketes für soziale Gerechtigkeit, die Europäische Arbeitsschutzbehörde vor. Die Europäische Arbeitsschutzbehörde soll den Bürgerinnen und Bürgern, den Unterneh­men und den nationalen Regierungen helfen, eine faire Arbeitskräftemobilität zu ge­währleisten.


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Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um den massiven Problemen im Zusammenhang mit Entsendungen wirksam zu begegnen. Denn die Mitgliedstaaten allein treffen wie oben dargestellt an administrative Grenzen, die auch die vorbildlichste rechtliche Rege­lung (vgl. das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz) ins Leere laufen lassen.

Umso bizarrer und empörender ist, dass die schwarz-blaue Bundesregierung diesen sinnvollen Vorschlag der EU-Kommission zu verzögern versucht bzw. ihn gleich kom­plett ablehnt, während für Konzerne günstige Regelungen im Schnelldurchgang be­schlossen werden sollen. Den Preis zahlen die österreichischen ArbeitnehmerInnen. Dies muss sich ändern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Um Lohn- und Sozialdumping europaweit zu bekämpfen, sollen die zuständigen Re­gierungsmitglieder sicherstellen, dass die Gründung der Europäische Arbeitsschutzbe­hörde bereits während der österreichischen Ratspräsidentschaft erfolgt. Sitz der Ar­beitsschutzbehörde soll Österreich sein.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 31. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Erklärung des Bundes­kanzlers gem. § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR betreffend österreichischer Ratsvorsitz (TOP1)

betreffend Keine Konzernklagerechte in EU-Abkommen!

Begründung

Laut Programm des österreichischen Ratsvorsitzes setzt sich dieser zum Ziel, Kon­zernklagerechte zum Standard in der EU-Handelspolitik zu machen. So enthält das Programm folgenden Satz: „Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusam­menhang auch ausgewogenen, die legitimen staatlichen Regulierungsinteressen be­rücksichtigende Investitionsbestimmungen in den EU-Abkommen“.

Die im Rahmen der Sonderklagerechte gegebene Möglichkeit für Konzerne, Staaten auf Grund von Verletzungen des Abkommens direkt und unter Umgehung der österrei­chischen Gerichte vor einem internationalen Tribunal zu klagen, darf keinesfalls weiter­hin Teil der EU-Handelspolitik sein, da sie niemals „ausgewogen“ sein können und per Definition die staatlichen Regulierungsinteressen unterwandern.

Die bisherige Klagetätigkeit auf Grund solcher Konzernklagerechte zeigt, welche nega­tiven Folgen die bloße Möglichkeit solcher Konzernklagen hat. Vor allem verletzen sol­che Konzernklagerechte einen fundamentalen Grundsatz unseres Rechtsstaates: die Gleichheit vor dem Recht.

Während es sich die Konzerne richten können und ihr „Recht“ vor ihnen günstig ge­wogenen Tribunalen durchsetzen können, sind Bürgerinnen und Bürger auf normale Gerichte verwiesen. Ihnen steht etwa bei Verletzung von ArbeitnehmerInnenrechten


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oder Verstößen gegen Umweltschutzpflichten nicht die Möglichkeit offen, vor Sondertri­bunalen Klage zu erheben.

Auch aus europarechtlicher Sicht gibt es massive Bedenken gegen das System der Konzerngerichte. Im Achmea-Urteil hat der EuGH eindeutig ausgesprochen, dass Son­derklagerechte für Konzerne dazu führen, dass das Europarecht ausgehöhlt wird und diese daher für unzulässig erklärt.

Nichtsdestotrotz stimmen ÖVP und FPÖ bedingungslos solchen Konzernprivilegien zu. In die Abkommen mit Singapur und Mexiko sollen solche Bestimmungen aufgenom­men werden, mit Japan gehen die Verhandlungen dazu weiter und auch in Abkommen mit anderen Staaten sollen diese Konzernklagerechte aufgenommen werden. Nicht einmal die Überführung der Konzernklagerechte in eigene Abkommen nur der Mitglied­staaten statt der EU hält ÖVP und FPÖ davon ab, solche Regelungen zu beschließen. Das Wirtschaftsministerium hat sogar den Vorschlag gemacht, innerhalb der EU ein eigenes, privilegiertes Konzerntribunal zu gründen.

Die Bundesregierung sollte sich auf die Seite der ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und der Umwelt stellen anstatt Konzerne mit Sonderrechten zu versorgen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Verhandlungen bzw. dem Abschluss von Abkommen auf EU-Ebene nur dann zuzustimmen, wenn diese keine Sonderklagerech­te für Konzerne enthalten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen daher auch mit in Verhandlung.

Eine tatsächliche Berichtigung gibt es von Herrn Abgeordnetem Mag. Roman Hai­der. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.53.54

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Kollege Leichtfried hat soeben behauptet, der oberösterreichische Sicherheitslandesrat Pod­gorschek hätte gesagt, das BVT sei eine politische Zelle und gehöre ausgetrocknet. – Das ist nicht richtig. (Abg. Doppelbauer: Gibt es auf Video!)

Richtig ist, der oberösterreichische Sicherheitslandesrat Podgorschek hat gesagt, im BVT sei eine politische Zelle und die gehöre ausgetrocknet.

Und politische Zellen haben im BVT nichts verloren, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schieder: Eigentlich hat er jetzt dem Leicht­fried recht gegeben!)

11.54


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Dr.in Susanne Fürst zu Wort ge­meldet. – Bitte.


11.54.39

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schülerinnen


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und Schüler! Herr Abgeordneter Leichtfried! Wo sitzt er? (Abg. Leichtfried – die Hand hebend –: Da!) Dass Herr Bundeskanzler Kurz immer das Gleiche sagt: Ja, natürlich, er hat eine klare Linie. Das gilt für alle Mitglieder dieser Bundesregierung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Wo ist der Herr Vizekanzler?)

Sie haben im Wahlkampf hundert Mal dasselbe gesagt, und jetzt sagen sie wieder das­selbe und setzen es jetzt um. Das sind Sie nicht gewohnt, das ist mir klar. (Abg. Witt­mann: Wo ist der Herr Vizekanzler? Sie müssen das doch wissen!) Ex-Bundeskanzler Kern hat es anders gehandhabt. Aber die Wähler schätzen es so, wie es jetzt ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Helmut Kohl hatte eine ganz klare Vision von der in seiner Regierungszeit entstehen­den Europäischen Gemeinschaft. Er hat des Öfteren auf die Geschichtsvergessenheit in der Politik hingewiesen. Daher möchte ich ihn jetzt kurz der Geschichte entreißen. Seine Vorstellung - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann. – Abg. Rosen­kranz: Er ist beim ÖGB-Tag! – Abg. Belakowitsch – in Richtung Präsidium –: Bitte könnten Sie die Zwischenrufe ...?! – Ruf: Das ist ... der Vorsitzführung!) – Darf ich sprechen, Herr Abgeordneter Wittmann? Sonst - - (Ruf: Selbstverständlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Seine Vorstellung von einem starken Europa war ein Europa der Stabilität und des Rechts, der Solidarität und der Subsidiarität. Dies war seine Vorgabe aus den Achtzi­ger- und Neunzigerjahren, als die EU sich zu entwickeln und zu wachsen begann und er an der Gestaltung maßgeblichen Anteil hatte. Für diese Idee einer Europäischen Gemeinschaft konnten sich die Menschen begeistern, und sie stimmten mit großen Mehrheiten zu.

Interessant ist, dass diese Leitlinien, die circa 30 Jahre alt sind, praktisch ident mit den Zielen sind, welche sich unsere Bundesregierung als Schwerpunkte für die kommende Ratspräsidentschaft gesetzt hat. Sicherheit und Stabilität durch entschiedenen Kampf gegen die illegale Migration, Solidarität der EU mit ihren Bürgern, mit dem Rest der Welt bestmögliche Kooperation. Auch da wandeln wir auf den Spuren von Helmut Kohl, der sich so verdienstvoll an der Aussöhnung mit vielen Ländern beteiligt hat – ob das jetzt Frankreich, Tschechien oder Israel waren. Auch in Russland hat er immer die Mei­nung vertreten, dass man auch mit schwierigen Partnern auf Augenhöhe reden und verhandeln muss, und leistete so einen konstruktiven Beitrag für die Umgestaltung der UdSSR. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weitere Schwerpunkte sind die Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähig­keit, der Stabilität in der Nachbarschaft, die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit und die Besinnung darauf, was besser national oder regional besorgt werden kann.

Warum müssen diese Prinzipien nun zum Schwerpunkt dieser EU-Ratspräsidentschaft erklärt werden, wo sie doch offensichtlich schon vor 30 Jahren realisiert werden hätten sollen? Der Grund liegt darin, dass die EU, beginnend mit der Jahrtausendwende, den von Kohl vorgegebenen und vorgezeichneten Weg in einem Ausmaß verlassen hat, wie er sich das sicher nicht vorstellen konnte. Brüssel entwickelte die Idee und die Tendenz zu einem EU-Einheitsstaat mit mehr Zentralismus, Bürokratie, Umverteilung, Zwangsumverteilung – sowohl von Schulden als auch von illegalen Migranten –, einem Staat, der ohne demokratische Legitimation entstehen soll, denn zu diesem Staat ha­ben die Bürger ihre Zustimmung nicht gegeben.

Auf diesem Weg wurden auch geltendes Recht und vereinbarte Verträge missachtet. Wer erinnert sich noch an die Konvergenzkriterien im Euro-Stabilitätspakt von Maas­tricht, an Schengen, die Dublinregelung, die No-Bailout-Klausel und natürlich die siche­re Außengrenze? Das war eine Garantie und für sehr viele Bürger eine Bedingung für ihre Zustimmung zur EU. Darauf haben sie vertraut, diesbezüglich sind sie enttäuscht worden.


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Diese Vorgänge – da hat auch der EuGH durchaus assistiert – haben nicht nur zu ei­ner Krise des Rechts und der Rechtsstaatlichkeit geführt, sondern zu einem Vertrau­ensverlust und Autoritätsverlust der EU mit dem Höhepunkt natürlich im August 2015, als die Grenzen praktisch geöffnet wurden. Vor allem der Umgang der deutschen Bun­deskanzlerin und von Vertretern dieser Linie mit den Kritikern, die verteufelt wurden, obwohl sie sich an das Recht halten wollten, und die lächerlich gemacht wurden, war nicht förderlich. Auch die deutsche Bundeskanzlerin hat behauptet, man könne doch Grenzen gar nicht schützen. Das hat für die Bürger dazu geführt, dass man den Boden unter den Füßen verloren hat. Offensichtlich waren kein Schutz und keine Sicherheit mehr gewollt. Und das noch dazu von einer Frau, die in der DDR aufgewachsen ist, die doch eigentlich von Grenzschutz einiges verstanden hat.

Nach jahrelanger Entwicklung in die falsche Richtung ist es nun an der Zeit, der Brüsseler Tendenz zu mehr Zentralismus diese Wiener Version einer EU der Vaterlän­der entgegenzusetzen (Beifall bei der FPÖ), erreicht durch mehr Subsidiarität, Dezen­tralismus, Autonomie und Bürgernähe, Freiheit und Eigenverantwortung. Liebe und Treue zu unseren Heimatländern ist die Basis für die Entwicklung eines europäischen Geistes und für eine gemeinsame positive europäische Identität. Wir müssen uns an unsere unterschiedlichen Wurzeln und Traditionen erinnern – anstatt des falschen Uni­versalismus. Da kommt es dann zu dieser Liebesbeziehung, die OGM-Chef Bach­mayer im vergangenen „Report“ vermisst hatte; er wurde zur Einstellung der Österrei­cher zur EU befragt und meinte, sie seien mehrheitlich schon gerne dabei, aber es sei keine Liebesbeziehung. Man kann diese wieder herstellen.

Auch hier verweise ich noch einmal auf Helmut Kohl, der das auf den Punkt gebracht hat, als er in sehr hohem Alter – schon sehr müde, nachdem er stundenlang den sal­bungsvollen Worten anlässlich seiner Ehrung als großer Europäer gelauscht hatte – lediglich lapidar gesagt hat: „Es lebe Deutschland, unser Vaterland. Es lebe Europa.“ – In dieser Verbindung liegt die Lösung, dann sind auch die Menschen wieder dabei, und zwar mit Liebe.

Das muss man jetzt auf Österreich umlegen und umsetzen. Ich habe mir erlaubt, das Motto der EU-Ratspräsidentschaft etwas auszukleiden: Es lebe Österreich, unsere Heimat. Es lebe ein Europa der Vaterländer, ein Europa, das schützt und in dem wir in Vielfalt friedlich und in Respekt geeint sind. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.01


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


12.01.50

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als einem Jahr fragen wir NEOS, wann es denn endlich das inhaltliche Programm zur Ratspräsidentschaft geben werde. Wir wur­den mit leeren Phrasen vertröstet. (Abg. Rosenkranz: Seit mehr als einem Jahr?) – Ja, da hat es nämlich die erste Anfrage dazu gegeben. (Abg. Belakowitsch: Aber da war noch eine andere Regierung! – Ruf bei der FPÖ: ... Wahlen dazwischen gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es hat vorher auch eine Regierung gegeben, es war keine Anarchie (Abg. Rosenkranz: Okay! Gut!), aber ich weiß, dass Sie das viel­leicht verwechseln könnten. Im Übrigen war die ÖVP vorher auch in der Regierung, das möchte ich auch erwähnt haben. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

Wir wurden also vertröstet, mit leeren Phrasen konfrontiert – jetzt gibt es endlich das Programm, und es ist auch voll mit leeren Phrasen und PR-Erfindungen, es ist vor al­lem aber eines: vollkommen ambitionslos.


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Die Ratspräsidentschaft steht unter dem Motto: „ein Europa, das schützt“. Das steht für durchaus wichtige Themen, aber es ist vor allem eines: defensiv. Warum nicht: ein Europa, das gestaltet, ein Europa, das sich erneuert, ein Europa, das nach vorne schaut? Sie haben sich für die Variante entschieden, die man mit Bedrohung und Ge­fahr assoziiert. Und warum das? – Weil das das ist, was Sie antreibt. Ich bin der Mei­nung, dass Sie ohne Gefahr und Bedrohung politisch gar nicht mehr existieren könn­ten.

Dieses Programm ist auch von EU-Skepsis durchzogen. Ich möchte in diesem Zusam­menhang Folgendes zitieren: „Die EU war in den vergangenen Jahren mit mehreren Krisen konfrontiert, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union als Union, die Sicherheit und Frieden gewährleistet, erschüttert haben.“

Es waren aber nicht die Krisen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen erschüttert haben, es waren die Mitgliedstaaten, die nationale Egoismen nach vorne und das Wohl der gesamten Union hintangestellt haben. Das hat das Ver­trauen in die Institutionen erschüttert. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist genau Ihre Art von Politik, die das Vertrauen in die Funktionalität der europäi­schen Institutionen zugrunde richtet. Sie wollen jetzt die Verantwortung für all das, was passiert ist, an Brüssel abschieben, aber wer ein wenig Verständnis dafür hat, wie die europäischen Institutionen funktionieren, weiß, dass diese Entscheidungen nicht ohne die österreichischen Regierungen hätten getroffen werden können. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Neubauer: Sehr erfolgreich sind Sie auch nicht!) Alle, die bisher in der Regierung waren – und da war die ÖVP nicht ganz unbeteiligt –, und auch jetzt die neue Regierung sind an den Entscheidungen, die im Rat gefällt werden, immer mitbe­teiligt.

Sie sprechen immer wieder auch von Szenario 4 des Juncker-Weißbuchs über die Zu­kunft der Union „Weniger, aber effizienter“. Da möchte ich zwei Dinge herausarbeiten: Sie lassen bewusst aus, dass dieses Szenario auch beinhalten würde, dass es eine echte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geben müsste. Das würde bedeuten: keine nationalen Alleingänge mehr in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Ich würde mich zu behaupten trauen, dass Sie im letzten halben Jahr nicht wirklich bewiesen haben, dass Sie dazu überhaupt imstande wären, nämlich sich für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einzusetzen. Das würde bedeuten, dass man Federica Mogherini vertraut, dass man sie für uns sprechen lässt und dass man Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, nicht konterkariert, indem man eigene Aktionen lanciert. Es gibt Dutzende Beispiele aus dem vergangenen halben Jahr, die man in diesem Zusammenhang aufzählen könnte; wir haben sie auch im Parlament schon öfter ausdiskutiert. Dass das in diesem Szenario genauso mit ge­meint ist, wird immer nett beiseitegelegt und nicht erwähnt.

Zum Aspekt der Subsidiarität: Was wollen Sie denn weniger? Was wollen Sie denn effi­zienter? – Nachdem wir das jetzt ein halbes Jahr lang gehört haben – „Weniger, aber effizienter!“, „Weniger, aber effizienter!“, „Weniger, aber effizienter!“ –, wäre es doch toll, wenn wir einmal darüber diskutieren könnten, was weniger und was effizienter! Es ist einfach an der Zeit, Antworten zu liefern. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Und was bedeutet dieser nichtssagende Stehsatz: „Die Europäische Union soll auf die großen Fragen fokussieren, die einer gemeinsamen Lösung bedürfen, und sich in klei­nen Fragen zurücknehmen [...]“? (Abg. Rosenkranz: Na die Gurkenkrümmung ist kei­ne bedeutende Sache!) Oder, wie Herr Minister Hofer gesagt hat: „die wesentlichen Themen“. (Abg. Rosenkranz: Die Gurkenkrümmung ist keines!)


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Welche großen Fragen? Welche wesentlichen Themen? – Na die großen!, das ist Ihre Antwort. Welche großen? (Ruf: Außengrenzschutz!) – Na die großen halt! – Aber das ist keine Antwort auf die Frage.

Kollege Leichtfried von der SPÖ hat unlängst eine Anfrage dazu gestellt, welche EU-Gesetzesvorhaben denn aktuell nicht dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen würden. – Sie werden vermuten, was die Antwort war, die auf diese Frage gegeben wurde: kein einziges. Kein einziges aktuelles Gesetzesvorhaben würde nicht dem Subsidiaritäts­prinzip entsprechen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte zum Schluss noch etwas Lustiges erwähnen: Sie konnten sich nicht einmal darauf einigen, ob jetzt diese wichtige Region, auf die wir uns während des EU-Rats­vorsitzes konzentrieren wollen, Westbalkan oder Südosteuropa heißt; deshalb heißt es im gesamten Programm: Westbalkan/Südosteuropa. Wir wissen, dass die Außenminis­terin den Begriff Westbalkan als Kunstbegriff ablehnt, und deshalb konnte man sich nicht einmal einigen, wie man diese Region benennen will. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Vielleicht ist das ein gutes Beispiel, das zeigt, wie die Kommunikation zwischen den einzelnen zuständigen Ministerien gerade, was die Gestaltung des Programms des EU-Ratsvorsitzes betrifft, abgelaufen ist. (Abg. Hafenecker: Wir sollten sofort in Neu­wahlen gehen!)

Was ist eigentlich Europapolitik? – Europapolitik macht man dann, wenn man nicht nur die Interessen des eigenen Staates in den Vordergrund stellt, sondern für die ganze Union mitdenkt, wenn man Politik macht, die für alle Bürgerinnen und Bürger der Euro­päischen Union etwas Positives bewirken kann, wenn man zum Europäer wird. Die Frage, die man eigentlich stellen muss, ist deshalb: Wann werden Sie anfangen, Euro­papolitik zu machen? (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Ma­ria Theresia Niss. – Bitte. (Abg. Neubauer: ... ist die Frau Mlinar auch gescheitert von den NEOS!)


12.07.44

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Viele von Ihnen können sich wahrscheinlich noch daran erinnern, wo genau sie am 12. Juni 1994, am Tag der Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäi­schen Union waren und wo sie das grandiose Ergebnis von 66 Prozent Zustimmung vernommen haben. Ich war damals 16 Jahre alt und habe ein Auslandsjahr in England verbracht. Die digitalen Medien hat es damals noch nicht gegeben, und deshalb habe ich ein Vermögen vertelefoniert, um mit meinen Freunden und mit meiner Familie die­sen Tag sozusagen durch das Telefon zu feiern.

Bis zu diesem Zeitpunkt haben sich viele in Österreich als Menschen zweiter Klasse gefühlt: Wir gehörten einfach nicht dazu, nicht zur Europäischen Union, nicht zum größten Friedensprojekt der Geschichte und nicht zum gemeinsamen Binnenmarkt.

Und jetzt, fast genau 24 Jahre nach diesem Tag, freuen wir uns, zum dritten Mal die Ratspräsidentschaft übernehmen und die Zukunft der Europäischen Union entschei­dend mitgestalten zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein Europa, das schützt – neben Migration und Stabilität in der Nachbarschaft ist der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, und zwar vor allem durch die Digitalisierung, der dritte Schwerpunkt dieser Bundesregierung und dieser Ratspräsidentschaft. Was wir nämlich auch schützen müssen – der Herr Bundeskanzler hat das vorhin schon erwähnt –, sind


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der Wohlstand und die Arbeitsplätze. Das sind wir unseren Kindern und Kindeskindern schuldig; sie und auch wir haben das verdient. Europa hat nämlich eigentlich alles, was es braucht. Wir haben Innovationskraft, wir haben unternehmerische Kompetenz und wir haben exzellente Mitarbeiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nach außen brauchen wir dafür Freihandelsabkommen, und deswegen haben wir ges­tern mit der Ratifizierung von Ceta einen wichtigen Schritt für ein wirtschaftlich starkes Europa gesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Was wir nicht brauchen, definitiv nicht brauchen, ist zu viel Bürokratie und ist eine Politik der Verhinderung, denn wir stehen im internationalen Wettbewerb beispielswei­se mit China, das im Jahr 170 Milliarden Euro in die Forschung investiert.

Mir persönlich liegt die Forschungs- und Innovationspolitik besonders am Herzen, denn darauf basiert unsere Zukunft und auch jene unserer Kinder. Warum ist mir die For­schung so wichtig? – Sie hat es in der Hand, Antworten auf gesellschaftliche Heraus­forderungen zu finden und unser Leben entscheidend zu erleichtern und angenehmer zu machen, unheilbare Krankheiten doch zu heilen, um die Welt zu fliegen, alternative Energiequellen zu entwickeln. Und wenn die Forschungsergebnisse in Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden, dann schafft das auch Arbeitsplätze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Daher ist es auch so entscheidend, welche Art der Forschung wir fördern, und deshalb ist die Ausgestaltung des 9. Forschungsrahmenprogramms so wichtig. Vom 8. For­schungsrahmenprogramm hat Österreich im überwiegenden Ausmaß netto profitiert. Um beim nächsten Forschungsrahmenprogramm ähnlich erfolgreich zu sein, wäre es wichtig, dass wir vor allem Bereiche wie Mobilität, Klima und Energie stärker fördern. Da gäbe es – ausgehend vom Entwurf – noch ein bisschen Verbesserungspotenzial.

Erfreulich ist, dass wir mit dem Programm Digital Europe ein Programm haben, das sich auf die Bewältigung von digitalen Herausforderungen konzentriert, denn die kann kein Mitgliedstaat allein meistern. Das sind die digitalen Kompetenzen, das ist Cyber­security, das ist die künstliche Intelligenz. Überall da brauchen wir vereinte Kräfte, und es wird – genauso wie beim 9. Forschungsrahmenprogramm – die Aufgabe der öster­reichischen Ratspräsidentschaft sein, einen entscheidenden Schritt weiterzukommen.

Entscheidend wird auch die Vermittlung der richtigen Kompetenzen sein. Gestern war die Kommissarin für Digitales Gabriel hier im Parlament, und ich darf sie zitieren: Wenn wir nicht in die digitalen Kompetenzen der Bürger investieren, können wir die positiven Früchte der Digitalisierung niemals ernten.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, die Digitalisierung ist eine ganz große Chance, aber nur dann, wenn wir uns richtig darauf vorbereiten, und das wird ein Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft sein; das ist gut so und dafür danke ich der Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines ist klar: Wenn wir es nicht schaffen, Europa zu dem Innovationskontinent zu ma­chen, werden wir es auch nicht schaffen, unsere Arbeitsplätze, unseren Wohlstand und unseren Sozialstaat zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union und Österreichs Mitgliedschaft sind eine Erfolgsgeschichte, und ich bin davon überzeugt, die Bundesregierung und auch wir werden in der nächsten Ratspräsidentschaft ein weiteres Kapitel hinzufügen. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ste­phanie Cox. – Bitte.



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12.13.06

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungs­mitglieder! Kolleginnen und Kollegen! Damen und Herren vor den Bildschirmen! Als einer der Schwerpunkte des Programms des österreichischen Ratsvorsitzes wird die Sicherung des Wohlstandes und der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union durch Digitalisierung genannt. Das klingt im ersten Moment richtig und ist wichtig, stellt die EU und Österreich jedoch vor große Herausforderungen. Einer der wichtigsten Punkte zur Erfüllung dieser Ziele ist die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes, den die EU-Kommission bereits im Jahr 2014 zu einer ihrer Top-10-Prioritäten ernannt hat.

Einigen dieser Prioritäten konnte bereits entsprochen werden beziehungsweise konnte etwas erreicht werden, beispielsweise die Abschaffung der Roaminggebühren. Haken tut es noch ein bisschen bei der Geoblockingverordnung. Das heißt, in diesem Bereich Einigungen zu finden, das ist gar nicht so einfach, und deswegen ist die Rolle Öster­reichs im nächsten halben Jahr umso wichtiger. Vor allem wird Österreich während der Ratspräsidentschaft den Kommunikator spielen müssen, der die unterschiedlichen In­teressen der einzelnen Mitgliedsländer zusammenführt und zur Kenntnis nimmt und die Länder von einer großen gemeinsamen europäischen Vision nicht nur überzeugt, son­dern diesbezüglich voranschreitet.

Um die EU nämlich auch langfristig wettbewerbsfähig zu machen und zu erhalten, braucht es neben der Digitalisierung im Bereich des Arbeitsmarkts, damit man die auch handeln kann, Förderungen im Bereich der Forschung und der Innovation, vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz, Robotik. Da hinken wir noch hinterher. Die Maß­nahmen im Bereich der Cybersecurity darf man auch nicht unterschätzen. Wir haben noch zu wenige Expertinnen und Experten in Österreich und auf europäischer Ebene.

Wir brauchen auch eine einheitliche Regelung für den digitalen Wirtschaftsraum und die Investition in Infrastruktur, 5G, mittlerweile haben wir sogar eine Strategie (Abg. Povysil: Ist das nicht erfreulich?) – schauen wir einmal, wie wir sie umsetzen, weil wir auch da leider hinterherhinken. Diesem Punkt hat sich unter anderen das Programm Horizon 2020 gewidmet, da geht es um die Investition in Innovation und Forschung. Horizon Europe, an dem wir während der Ratspräsidentschaft maßgeblich mitgestalten werden, ist ein wichtiger Meilenstein.

Mir ist es wichtig, an dieser Stelle einen Aspekt nicht außer Acht zu lassen: die Rolle Österreichs im digitalen Europa. Österreich lag laut dem Index für die digitale Wirt­schaft und Gesellschaft 2017 auf Platz zehn innerhalb der EU und damit lediglich im Mittelfeld.

Der Index bewertet die Digitalisierung in den EU-Mitgliedstaaten in fünf Bereichen: Konnektivität, also die technische Infrastruktur, Humankapital, digitale Skills, Internet­nutzung sowie die Digitalisierung der Wirtschaft. Interessant werden die Zahlen, wenn man ins Detail geht. Österreich schneidet nämlich durchaus sehr gut ab beim öffentli­chen Dienst – Platz fünf – und beim Humankapital – Platz sieben. Was man aber auch sieht, ist, dass sich der Platz zehn ziemlich relativiert, denn bei den Konnektivitäten lie­gen wir auf Platz 15, bei der Digitalisierung der Wirtschaft auf Platz 14, bei der Inter­netnutzung sogar auf Platz 20 von 28. – Das ist völlig inakzeptabel für ein reiches und wohlhabendes Land wie Österreich, dass nicht alle den Internetzugang haben, den sie benötigen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich fordere daher die Bundesregierung auf, die Ratspräsidentschaft dafür zu nutzen, die EU in die richtige Richtung zu weisen und starker Vermittler zu sein. Gleichzeitig sollten wir aber die Ratspräsidentschaft auch nutzen, um in Bereiche zu investieren, die für uns Österreicher und in weiterer Folge für Europa wichtig sind. Es ist so, wie Digitalkommissar Andrus Ansip schon immer gesagt hat: Jene EU-Länder, die bei der


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Digitalisierung EU-weit am weitesten vorne sind, sind es auch weltweit, und im glo­balen Kontext spiegelt sich auch wider, welche Länder in der EU weiter hinten sind.

Das bedeutet, um es in seinen Worten zu sagen, alle Mitgliedstaaten sollten mehr in­vestieren, um den digitalen Binnenmarkt voll ausschöpfen zu können. Wir wollen bei der Digitalisierung kein Europa der zwei Geschwindigkeiten haben – kein Europa der zwei Geschwindigkeiten! Es ist wichtig, dass wir uns das vor Augen führen, dass wir das ernst nehmen. Es braucht da klare Maßnahmen, und wir müssen uns da Fragen stellen wie beispielsweise: Wie können wir künstliche Intelligenz und Robotik für die österreichische Industrie nutzen? Wie gewährleisten wir, dass Österreicherinnen und Österreicher mit der Nutzung des Internets vertraut sind und auch den Zugang dazu haben? Diese Fragen müssen wir uns aber auch auf EU-Ebene stellen, denn ich möchte – wie viele andere auch – kein Österreich der zwei Geschwindigkeiten haben und ich möchte auch kein Europa der zwei Geschwindigkeiten haben. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.18

*****


Präsidentin Doris Bures: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Mag. Schie­der. – Bitte.


12.18.43

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind bei Tagesordnungspunkt 1: EU-Erklärungen des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie. Der Herr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ist zwar hier, aber der Herr Bundeskanzler, der ja diese Erklärung hier abgeben wollte, ist schon längere Zeit nicht im Saal – fünf Rednerinnen und Redner haben inzwischen gesprochen –, was eine grobe Unhöflichkeit ist. Man fragt sich, warum er eine Erklä­rung abgibt, dann aber selbst der Debatte nicht folgten möchte.

Ich wollte jetzt eigentlich Herrn Klubobmann Wöginger bitten, darauf zu schauen, dass der Herr Bundeskanzler kommt, jetzt ist aber Herr Wöginger auch nicht hier. Daher würde ich den Antrag stellen, dass der Herr Bundeskanzler kommt und dass man ihn gegebenenfalls herbeischafft. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Bundeskanzler Kurz begibt sich auf seinen Platz auf der Regierungsbank. – Abg. Belakowitsch: Er ist eh da! Er wird ja wohl noch auf der Seite stehen dürfen! Er war ja eh herinnen!)

12.19


Präsidentin Doris Bures: Ich vernehme erstens, dass es keine Wortmeldung mehr zur Geschäftsordnung gibt, und zweitens ist die Abstimmung über den Antrag, die an sich gleich vorzunehmen ist, nicht mehr erforderlich. (Abg. Rosenkranz: Herr Schieder hat keinen Überblick über den Raum! – Abg. Martin Graf: Er war die ganze Zeit da! Er ist ja da gestanden!)

Bevor wir in der Rednerliste weitergehen, muss ich trotzdem noch fragen: Herr Klubob­mann Schieder, ist der Antrag zurückgezogen? (Abg. Schieder nickt zustimmend.)

*****

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Werner Herbert zu Wort. – Bitte. (Abg. Ro­senkranz: Zur Geschäftsordnung! Ist der Herr Bundeskanzler da? – Abg. Schieder: Regierungsmitglieder haben nicht in den Reihen der Abgeordneten zu sein! – Abg. Ro­senkranz: Was machen wir jetzt mit dem Wöginger? Müssen wir den auch herbei-


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schaffen?) – Am Wort ist Herr Abgeordneter Werner Herbert, der sich auch schon am Rednerpult befindet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.20.32

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ja, Kollege Schieder, wer gut schaut und seinen Blick schärft, ist manchmal klar im Vorteil, kann ich Ihnen dazu nur sagen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Aber nun zum EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018: Es ist, glaube ich, unbe­stritten, dass der Bereich Sicherheit ein Thema ist, das diese Ratsvorsitzzeit wesentlich bestimmen wird. Das sieht man auch an den Ausführungen meiner Vorredner, die fast alle in ihren Wortspenden das Thema Sicherheit mehr oder weniger lang angespro­chen haben. Ich darf Ihnen daher ein paar Schwerpunkte aus dem Bereich Sicherheit näherbringen, die die EU-Ratsvorsitzführung Österreichs im Besonderen betreffen wer­den und zu denen wir als EU-Mitgliedsland Österreich, wie ich meine, auch einen we­sentlichen Beitrag werden leisten können.

Da ist zum einen das Vorhaben, den Schutz der europäischen Außengrenzen und die Schließung von illegalen Migrationsrouten voranzutreiben (Beifall bei der FPÖ), ein wichtiges Thema, ein wichtiger Schwerpunkt, wollen wir doch alle die Bilder, die uns 2015 nähergebracht wurden, mit Strömen von illegalen Migranten, die die Grenze pas­sieren, was wohl auch große Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst hat, nicht mehr haben. Aus diesem Grund darf ich mich schon jetzt bei Innenminister Kickl be­danken, der ja bereits im Vorfeld seine Tätigkeit darauf ausgerichtet hat, dass die Bal­kanroute als Migrationsroute Nummer eins erfolgreich geschlossen werden konnte. Da es bis zur Umsetzung und Verwirklichung des Schutzes der europäischen Außen­grenze natürlich auch gilt, die Souveränität Österreichs sicherzustellen, hat er mit einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie, einerseits mit dem Assistenzeinsatz des österrei­chischen Bundesheers, aber auch mit der Aufstellung der neuen Grenzschutzeinheit Puma – es wird am 25. Juni eine große Übung zur Abstimmung dieser Grenzsiche­rungsmaßnahmen geben – entsprechend Vorsorge getroffen, sodass wir für unsere ös­terreichische Bevölkerung alle Maßnahmen ergreifen, um solche Bilder nicht noch ein­mal in den Köpfen der Österreicher zu erzeugen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist eine wirksame Rückführungspolitik für illegale Migranten, wobei es in erster Linie gilt, die schon jetzt vonseiten der Bundesregierung eingeleite­ten Maßnahmen, um die Anreize für die Wahl Österreichs als Migrationszielland mög­lichst gering zu halten, fortzusetzen.

Ich darf an dieser Stelle auch darauf verweisen, dass das Innenministerium die Be­strebungen, Außerlandesbringungen mittels der Grenzschutztruppe Frontex und deren Möglichkeiten durchzuführen – sei es mit Flugzeugen oder auch mit Landfahrzeugen –, erfolgreich vorangetrieben hat und wir mittlerweile als Kooperationsdrehscheibe in der EU gelten, wenn es gilt, solche Außerlandesbringungen auch erfolgreich umzusetzen.

Ein weiterer Schwerpunkt wird im Kampf gegen den Radikalismus und den Terroris­mus liegen, wie auch in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Da gibt es sehr enge Verknüpfungen und Verschmelzungspunkte, insbesondere wenn es um die Fi­nanzierung geht, aber auch hinsichtlich der Möglichkeiten zur Durchführung, die sich negativerweise bieten und die unterbunden werden mögen, wenn es beispielsweise um Dokumentenfälschung oder auch den Waffenhandel geht.

Einer der letzten im Bereich der Sicherheit liegenden Schwerpunkte betrifft die digitale Sicherheit und den Datenschutz. Von Minister Hofer wurde ja schon angesprochen, dass es nicht nur darum geht, die digitale Sicherheit im Bereich der kritischen Infra­struktur sicherzustellen, also Maßnahmen zu treffen, um möglichen Angriffen von au-


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ßen möglichst wirkungsvoll zu begegnen, sondern dass es auch darum geht, die Cy­bersicherheit des einfachen Internetnutzers wesentlich zu verbessern.

Ich glaube, gerade im Bereich der Sicherheit haben wir als österreichisches Ratsvor­sitzland ein sehr ambitioniertes, ein sehr gutes, ein sehr wichtiges Programm vorge­legt, bei dem es gilt, nach möglichst weitgehender Umsetzung zu streben. Ich bin da­von überzeugt, dass diese Bundesregierung ihre Aufgaben im Rahmen des EU-Rats­vorsitzes erfolgreich und zum Wohle der österreichischen Bevölkerung gut umsetzen wird.

Abschließend darf ich mich an dieser Stelle schon jetzt bei allen Polizisten und Poli­zistinnen sowie bei den Angehörigen des österreichischen Bundesheers bedanken, die besonders während des EU-Ratsvorsitzes im Rahmen ihrer Sicherheitsaufgaben zum Einsatz kommen werden, viel Zeit investieren müssen, wahrscheinlich oft von ihren Fa­milien getrennt sein werden und viele Überstunden werden absolvieren müssen. Ich bin zuversichtlich, dass sie in gewohnter Manier die Sicherheit in Österreich erfolgreich aufrechterhalten werden, wofür ihnen nicht nur mein Dank, sondern, wie ich meine, auch der Dank der Bundesregierung sicher sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.


12.27.10

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute schon sehr viel dazu gehört, Europa steht vor einer Epoche zahlreicher und signifikan­ter Herausforderungen, sei es der demografische Wandel der Bevölkerung, seien es die Globalisierung, die Migration oder Staatsverschuldungen. All das hat auch mittel- und langfristige Folgen für unser aller Gesundheit, und es ist an der Zeit, Europa wei­terzudenken, auch im Gesundheitsbereich, denn auch bei der Sicherung der Gesund­heit braucht es mehr und nicht weniger an grenzüberschreitenden Lösungen.

Wir haben heute auch schon gehört, sehr geehrte Bundesregierung, dass Sie die künf­tige österreichische Präsidentschaft ganz gezielt – und das ist gut so – mit dem Fokus auf Sicherheit und Schutz abhandeln wollen. Umso mehr wundere ich mich über die Haltung von Bundesminister Blümel, der kürzlich im EU-Unterausschuss im Parlament gesagt hat, dass es im Bereich Gesundheit – und übrigens auch im Bereich Konsu­mentenschutz – künftig weniger EU brauche. Aus meiner Sicht irren Sie in diesem Fall, denn wenn es beispielsweise darum geht, dass wir in Österreich künftig Zugang zu innovativen, neuen und auch leistbaren Medikamenten haben, ganz stark zum Beispiel im Zusammenhang mit der Entwicklung im Bereich der Krebstherapie, dann brauchen wir Europa.

Auch wenn es darum geht, die Bevölkerungen vor grenzüberschreitenden Gesund­heitsbedrohungen, wie kürzlich beispielsweise Ebola, aber auch Bedrohungen wie An­tibiotikaresistenzen zu beschützen, brauchen wir Europa. Und auch wenn es darum geht – und Sie wollen das vielleicht nicht hören –, die Bevölkerungen, auch in Öster­reich, vor den Gefahren des Rauchens zu schützen, brauchen wir Europa, vor allem wenn Regierungen wie Sie, sehr geehrte Damen und Herren, die Nichtraucher im Stich lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn es darum geht, die Menschen mit sicheren und nicht gesundheitsschädli­chen Lebensmitteln zu versorgen, brauchen wir Europa, denn, sehr geehrte Damen und Herren, eine hohe Zahl der Lebensmittel, die Sie in heimischen Supermärkten bei uns vorfinden, sind nicht österreichischer Herkunft.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 71

Was bedeutet das für die Bürgerinnen und Bürger? – Das bedeutet, dass sich die Kon­sumentinnen und Konsumenten quasi bei jeder Tomate, bei den Weintrauben und sonstigen Lebensmitteln, die sie einkaufen, fragen müssen, ob und welche Pestizide zum Beispiel im Herkunftsland verwendet werden. Da braucht es auch endlich einheitli­che, EU-weite Qualitätsstandards und Regelungen, und zwar auf höchstem Niveau. Es braucht da die EU als starken Partner. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „für eine Gemeinsame Agrarpolitik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nachhaltigkeitskriterien und einem Verbot für gefährliche Pestizide“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzuset­zen,

- dass es zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in der EU-Agrarpolitik kommt und daher ei­ne absolute Obergrenze der Direktzahlungen bei 25.000 Euro eingeführt wird,

- dass wirksame und messbare Nachhaltigkeitskriterien als Voraussetzung für die Ab­rufbarkeit von EU-Agrarfördermitteln definiert werden,

- dass nur jene Betriebe Agrarfördermittel erhalten können, die sich zu einer messba­ren Pestizidreduktion verpflichten, sowie,

- dass Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Genossinnen und Genossen

in Zusammenhang mit TOP 1 EU-Erklärung(en) gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Ge­schäftsordnung des Nationalrates betreffend österreichischen Ratsvorsitz

für eine Gemeinsame Agrarpolitik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nach­haltigkeitskriterien und einem Verbot für gefährliche Pestizide

Laut Europäischer Kommission (Mitteilung vom 29.11.2017, S.17) erhalten nach wie vor derzeit 20% der Beihilfenempfänger 80% der Direktzahlungen. Auch in Österreich erhalten die Betriebe mit den höchsten Einkommen laut Grünem Bericht 2017 die höchsten Subventionen (Daten Grüner Bericht 2017, S 175). Dies liegt vor allem auch am flächenbezogenen Fördersystem der EU.

Die österreichische Bundesregierung muss sich für eine Begrenzung der Direktzahlun­gen für die Landwirtschaft mit 25.000 Euro aussprechen. Solch eine Begrenzung der Direktzahlungen in der Landwirtschaft bei 25.000 Euro würde bedeuten, dass 97 Pro­zent der österreichischen Landwirte davon nicht betroffen wären. Sie hätten keine


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 72

finanziellen Einbußen und die Förderungen für 110.000 Bäuerinnen und Bauern wäre gesichert. Lediglich drei Prozent der größten Agrarbetriebe in Österreich wären davon betroffen. Unionsweit wären rund 6% der Betriebe erfasst.

Das Bienen- und Insektensterben ist eines der brennendsten Umwelt- und Agrarpro­bleme der Gegenwart und ein wichtiger Indikator, dass die Nachhaltigkeitsziele in der Landwirtschaft mit der bisherigen Agrarpolitik und ihren Maßnahmen nicht bzw. nur sehr unzureichend erreicht wurden.

Im Herbst 2017 wurde durch eine Studie der Universität Nijmegen auf der Grundlage von Datensammlungen in Deutschland ein allgemeines Insektensterben aufgezeigt. Im Druck auf die Insekten- bzw. Nützlingspopulationen spielt die großflächige Anwendung von Pestiziden aller Art eine zentrale Rolle. Pestizidreduktionsprogramme und Agrar­umweltprogramme mit garantierter Pestizidfreiheit sind deshalb dringend geboten.

Vor einer Woche wurde in Wien durch die Stiftung „Blühendes Österreich“ und GLO­BAL 2000 der dritte Teil der Studie „Ausgeflattert“ zum alarmierenden Status Quo der heimischen Schmetterlinge in Vorarlberg und Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Kärn­ten präsentiert. Es wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass von den rund 4.070 in Österreich registrierten Schmetterlingsarten mehr als die Hälfte der Tiere bedroht ist. Vor allem in Tälern gibt es laut Studie einen großen Rückgang zu verzeichnen.

Als Gründe für diesen Rückgang wurden auch hier intensive Landwirtschaft, Bodenver­brauch und Klimaerwärmung angeführt. Zunehmend industrielle Landwirtschaft mit Düngung, Pestizideinsatz, Abholzung der Wälder und die damit in Zusammenhang ste­hende Verbauung der Flächen sind laut Bericht in den westlichen Bundesländern die Ursachen für das Verschwinden der Tiere.

In diesem Zusammenhang ist aufzuzeigen, dass, obwohl in Österreich der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen zunimmt und der Anteil der insgesamt bewirtschaf­teten Flächen abnimmt, die Menge der ausgebrachten Pestizide sich nicht eindeutig verringert.

Anhand der Statistiken aus den diversen Grünen Berichten ergibt sich, dass seit An­fang der 90er Jahre der Trend der in Verkehr gebrachten Wirkstoffmengen mehr oder weniger konstant blieb. Im Durchschnitt der Jahre 1994 bis 1996 wurden 3.529 Ton­nen, von 2014 bis 2016 durchschnittlich ca. 3.587 Tonnen in Verkehr gebracht (ohne insektizide Lagerbegasung). Im gleichen Zeitraum nahm aber die Intensität des Einsat­zes pro Hektar Ackerfläche von 2,51 kg Wirkstoff / ha auf 2,67 kg Wirkstoff / ha zu, obwohl immer wieder beteuert wurde, dass der Pflanzenschutzmittel-Einsatz „gezielter“ und damit effizienter erfolge. Zudem gab es parallel dazu eine Ausdehnung der biolo­gisch bewirtschafteten Flächen von ca. 150.000 ha auf ca. 550.000 ha; sodass es ein­deutig ist, dass im konventionellen Anbau immer größere Mengen an Pestizidwirkstof­fen eingesetzt werden, und obwohl seit den 90er Jahren in jeder Periode der Gemein­samen Agrarpolitik Förderungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen stattfinden.

Wir erlebten in den letzten 20 Jahren somit trotz der Agrarumweltprogramme und trotz des „Greening“, welches über einen Teil der Direktzahlungen Einfluss auf eine umwelt­gerechtere Bewirtschaftung nehmen sollte, keine nachhaltige Entwicklung, sondern ei­ne gefährliche Intensivierung in Österreichs Landwirtschaft.

In Österreich kommen neben Pestiziden mit hormoneller Wirkung (endokrine Disrupto­ren), wie z.B. Thiacloprid, auch weiterhin Organophosphat-Insektizide wie Chlorpyrifos zum Einsatz, welches in Deutschland bereits seit Längerem verboten ist. Es ist zudem ein Nervengift, das fortpflanzungsschädigend beim Menschen wirkt und hochgiftig für Vögel, Bienen und Fische ist. Es steht auch in Verdacht, bereits in geringen Dosen das Hormonsystem zu stören und das Aufmerksamkeitsstörungssyndrom ADHS zu för­dern.


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Im österreichischen Pflanzenschutzmittelregister finden sich noch immer 6 Chlorpyri­fos- und 4 Chlorpyrifos-Methyl-Produkte mit zahlreichen Indikationen.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzuset­zen,

-             dass es zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in der EU-Agrarpolitik kommt und da­her eine absolute Obergrenze der Direktzahlungen bei 25.000 Euro eingeführt wird,

-             dass wirksame und messbare Nachhaltigkeitskriterien als Voraussetzung für die Abrufbarkeit von EU-Agrarfördermitteln definiert werden,

-             dass nur jene Betriebe Agrarfördermittel erhalten können, die sich zu einer messbaren Pestizidreduktion verpflichten, sowie,

-             dass Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte.


12.31.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Liebe Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Da­men und Herren! Keine Europadiskussion ohne Landwirtschaftsdiskussion – auch ein Bereich, der zeigt, dass es wichtig ist, dass man sich kritisch mit den Dingen in der Eu­ropäischen Union auseinandersetzt.

Es liegen die Vorschläge zum Finanzrahmen und zur Gemeinsamen Agrarpolitik vor. Ich muss sagen, ja, es stehen Kürzungen in der Höhe von circa 10 Prozent im Raum, und das können wir so nicht akzeptieren, da auf der anderen Seite – Frau Rendi-Wag­ner hat das ja durchaus interessant ausformuliert – die Ansprüche, die Leistungen, die wir Bäuerinnen und Bauern erbringen sollen, auch in die Höhe geschraubt werden. Das wird sich so nicht ausgehen.

Ich sehe in der zweiten Säule, die den biologischen Landbau, die Ökologisierung, die Umwelt- und Klimaschutzpolitik, die Innovationen und Investitionen beinhaltet, auch Kürzungen im Raum stehen, die wir so nicht hinnehmen können, da die zweite Säule, die Ländliche Entwicklung, in der österreichischen Agrarpolitik historisch gesehen im­mer der wichtigste Bereich war. Auch dort werden wir noch Lösungen brauchen.

Der dritte Bereich: Wir predigen seit Jahren hinauf und hinunter, wir brauchen Vereinfa­chungen. Uns Bäuerinnen und Bauern sind diese Programme einfach zu kompliziert. Auch diese Ansprüche, nämlich dass wir die Dinge einfacher und entbürokratisiert ha­ben wollen, sind in den jetzigen Vorschlägen leider noch nicht abgebildet.

Ein paar Eckdaten: Das Landwirtschaftsbudget wird immer wieder kritisch diskutiert. Ich darf darauf hinweisen, dass die Ausgaben für Landwirtschaft in der EU, wenn man


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alle nationalen Budgets und das Budget in Brüssel zusammenzählt, 0,3 Prozent betra­gen – 0,3 Prozent; bitte nehmen Sie das mit!

Zweitens: Die Gemeinsame Agrarpolitik und die Leistungen der Bäuerinnen und Bau­ern sichern leistbare Lebensmittel. 1954 gab ein durchschnittlicher österreichischer Haus­halt noch 37 Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel aus, 2017 nur mehr 11 Prozent. Das heißt, die Bemühungen rund um die Agrarpolitik halten auch Lebens­mittel höchster Qualität in Europa leistbar.

Ich darf berichten: Über 20 Prozent der Bäuerinnen und Bauern haben bereits auf die biologische Wirtschaftsweise umgestellt, aber wir sind trotzdem manchmal erschüttert, dass man uns vorwirft, dass Bäuerinnen und Bauern in der Hängematte liegen und dass Bäuerinnen und Bauern geschenktes Geld bekommen. Da darf ich schon darauf hinweisen, dass 2008 und 2017 das bäuerliche Einkommen im Schnitt gleich war. Ich frage Sie: Welche Berufsgruppe würde sich das gefallen lassen? Wir verrichten gerne täglich unseren Dienst, aber wir haben auch ein faires Einkommen verdient (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ), damit wir auch in Zukunft Lebensmittel höchster Qualität liefern können, damit wir auch in Zukunft unsere Kulturlandschaft pflegen können und damit wir auch in Zukunft unsere Partnerschaft mit den Konsu­mentinnen und Konsumenten aufrechterhalten können. Diesen sind wir verpflichtet und dafür werden wir kämpfen. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loa­cker. – Bitte.


12.35.27

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Kollege Strasser, wie Sie den Spagat hinbekommen, dass diese Bundesregierung möglichst wenig ins EU-Budget einzahlen will, aber das Geld für die Landwirtschaft gleich viel bleibt, haben Sie jetzt versäumt zu erklären.

Es ist heute schon angesprochen worden, dass diese Europapolitik der Bundesre­gierung aus Überschriften und schönen Sätzen besteht. Ich möchte ein ganz konkretes Beispiel herausgreifen, wie diese schönen Worte im Verhältnis zu den Taten der Bun­desregierung auseinanderklaffen: Subsidiarität ist eines der Zauberworte, die wir vom Herrn Bundeskanzler, vom Europaminister und heute auch von Minister Hofer gehört haben, Subsidiarität in einem fort: Die EU soll nur das machen, was sie besser kann als die Einheiten darunter. Und jetzt kommen wir zu einem Punkt, den eigentlich jeder hier kennen müsste: Politik, gute Politik ist beinharte Knochenarbeit im Detail. Politik ist Arbeit und nicht nur Überschriften.

Dazu möchte ich ein Beispiel für nichterledigte Arbeit der Bundesregierung heraus­greifen: Wir haben im letzten Sozialausschuss die Jahresvorschau des Sozialministe­riums zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission behandelt. Darin steht unter anderem das Pan-European Pension Product, das Pepp.

Ich habe mir erlaubt, zu diesem Pepp, das im Papier (ein Dokument in die Höhe hal­tend) des Sozialministeriums erwähnt wird, ein paar Fragen an die Ministerin zu rich­ten, und die Antwort war null – null Komma null. Die Antwort war: Oh, leider, leider, das fällt in die Kompetenz des Finanzministeriums. Es steht aber im Papier des Sozialmi­nisteriums, dass das BMASGK selbst „mitbetroffen ist“. – Ja, leider, man klopft ein Lo­go drauf, aber man hat keine Ahnung. Und offensichtlich ist auch in der Europapolitik die Abstimmung unter den Ministerien so schlecht, dass man nicht einmal den Tele-


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fonhörer in die Hand nehmen und eine gemeinsame Position des Finanzministeriums und des Sozialministeriums zu diesem europapolitischen Thema ausarbeiten kann. (Abg. Rosenkranz: Das hat keinen Pep!)

Nun, jetzt kann man sich fragen, wieso wir überhaupt ein Pan-European Pension Pro­duct, ein Pensionsvorsorgeprodukt in der dritten Säule brauchen, denn jeder, der eine Lebensversicherung, eine Rentenversicherung bespart, kann diese besparen, egal in welchem EU-Land er sich befindet. Dafür braucht man kein europäisches Produkt. Subsidiarität würde bedeuten, man braucht diese Regulierung der EU zum Pepp über­haupt gar nicht und die österreichische Bundesregierung müsste auf den Plan treten und sagen, schenkt euch diese Regulierung, sie ist überflüssig.

Das Pepp wurde nämlich von der Eiopa entwickelt, und die Eiopa ist die europäische Aufsichtsbehörde für die Pensionskassen. Eine Aufsichtsbehörde entwickelt also ein Produkt! Das ist ungefähr so, als würde die Lebensmittelaufsicht eine Schokolade ent­wickeln – da interessiert nicht der Kunde, sondern da interessiert sich die Aufsicht für ihre eigenen Anliegen.

Aber was hören wir von der Regierung? – Gar nichts! Dieses Thema wäre ein Klas­siker, bei dem dieses Subsidiaritätsanliegen zur Umsetzung gelangen könnte, Sie ha­ben es aber versäumt. Wenn es nämlich wirklich an die politische Knochenarbeit geht, dann ist es schnell ruhig in dieser Reihe von europapolitischen Flachwurzlern, die uns unter dem Marketingtitel Regierung gegenübertreten. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Krainer: Das war nicht unrichtig, was er gesagt hat!)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Brigitte Povysil. – Frau Abgeordnete, Ihre Fraktion hat noch eine Restredezeit von genau 5 Mi­nuten, dann wird das Mikrofon ausgeschaltet.


12.39.10

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum! Liebe Zuschauer via Medien! Ich hoffe, ich werde mich jetzt etwas tiefer in die Digitalisierung verwurzeln, als mein Vorredner das getan hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es etwas gibt, das an Grenzen nicht haltmacht, meine Damen und Herren, das einerseits per se unpolitisch ist, andererseits aber natürlich hochpolitisch genutzt wer­den kann, dann sind es die Daten, dann ist es die Digitalisierung, dann ist es die digita­le Revolution. Sie erinnern sich alle an die Analyse der Cambridge Analytica im Rah­men des Wahlkampfs von Donald Trump.

Digitalisierung: Dieser Überbegriff, meine Damen und Herren, bezeichnet die Erzeu­gung, Speicherung und Verarbeitung von Daten auf unterschiedliche Art, je nachdem, wie wir das zulassen. Herr Infrastrukturminister Hofer ist heute schon sehr stark auf die Datensicherheit eingegangen, und das ist ein großes Thema für die kommende EU-Ratspräsidentschaft, aber auch ein großes Thema in der gesamten Weltpolitik. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Digitalisierung verändert laufend die gesamte Gesellschaft auf eine grundlegende Art und Weise, daher ist sie auch ein Leuchtturmprojekt unserer Gesundheits- und Sozial­ministerin, nach dem Motto Investment in e-health structures. Data Science und Big Data betreffen aber nicht nur ein Ministerium, das sind ja große vernetzende, zusam­menspielende Themen. Das betrifft einerseits das Infrastrukturministerium mit Minister Hofer, was die Ausweitung und Verfügbarmachung des ultraschnellen 5G-Datennetzes angeht, das bis 2025 ganz Österreich umfassen soll. Es betrifft auch den Wissen-


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schaftsminister, was das Wissen angeht, das an Universitäten gesammelt und dann verknüpft wird und in weiterer Folge der gesamten Welt – weitgehend barrierefrei – zur Verfügung gestellt werden soll. Da gibt es ein großes europäisches Projekt, nämlich die Initiative European Open Science Cloud, die ebenfalls unser Wissen auf eine Art revolutionieren wird, wie wir es uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.

Zurück jedoch zum Thema e-Health: Grundlage für e-Health ist die Elektronische Kran­kenakte Elga, das heißt, die Krankenakte, die erstmals sowohl dem Patienten selbst als auch den Ärzten eine Gesamtinformation über die Gesundheit des Patienten bietet. In diese Krankenakte werden jetzt verschiedene Parameter integriert, unter anderem der elektronische Impfpass. Das ist ebenfalls eine große europäische Initiative. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich zitiere: „Der österreichische Ratsvorsitz strebt die Verabschiedung“ eines EU-Fahr­plans „zur verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der durch Impfung vermeidbaren Erkrankungen“ an. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den auch meine Kollegin Rendi-Wagner bereits vorgebracht hat: die Vermeidung von Krankheiten im Rahmen einer europäischen Initiative – europaweit, weltweit.

In die Elektronische Krankenakte wird auch der Mutter-Kind-Pass, der bis ins Jugend­alter erweitert werden soll, als großes Vorsorgeprojekt integriert. Integriert wird die Pa­tientenverfügung, die dem Patienten mehr Selbstverantwortung für sein Leben gibt, ei­ne ganz wichtige Maßnahme im Gesundheitssystem. All diese elektronischen Gesund­heitsagenden werden wiederum mit dem Thema Telemedizin verknüpft, also mit dem Kommunikationssystem, das diese elektronischen Daten weitergibt.

Dazu gibt es ebenfalls ein großes europäisches Forschungsprojekt, das sich Active and Assisted Living Research and Development Programme nennt. Das ist ein Projekt, das aktives und gesundes Altern zu Hause und am Arbeitsplatz mithilfe telemedizini­scher Möglichkeiten unterstützt, sodass wir länger aktiv bleiben und länger unsere Le­benszeit zu Hause nützen können.

Meine Damen und Herren! Die digitale Revolution wird weltweit menschliche Empathie und Kommunikation niemals ersetzen – aber sie revolutioniert unsere Lebensräume, und sie tut das in verschiedenen Bereichen. Denken Sie zum einen an den jetzt schon bestehenden virtuellen Anatomieraum, in dem die Studenten sich in einem 3-D-Körper bewegen können! (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Denken Sie auf der anderen Seite an Sophia, den modernsten menschlichen Robo­ter – sie erlangte sogar die saudi-arabische Staatsbürgerschaft! Denken Sie aber auch an das Negativbeispiel China mit den Polizisten mit den übergroßen Brillen, die mittels Gesichtserkennung Menschen in gute oder schlechte Mitbürger einteilen.

Wir stoßen an viele Grenzen – ethische, ökonomische und gesellschaftspolitische –, wir sind aber, und das haben wir in unseren Genen, immer ein Vielvölkerstaat gewe­sen! Ich sehe dieser unserer EU-Ratspräsidentschaft mit großer Positivität und mit gro­ßer Freude entgegen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.


12.45.12

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler Kurz! Frau Bundesministerin Köstinger! Sehr geehrte Bundesminister! Ich glau­be, es gibt zwei Möglichkeiten, wie man über die bevorstehende Ratspräsidentschaft diskutieren kann: Das eine ist die Frage der großen Vision für Europa, die Frage, die schon angesprochen wurde, was denn die Seele Europas sein soll. Ich finde den Dis-


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kurs mit der Bundesregierung einigermaßen schwierig, weil ich die große Vision nicht sehe – ich glaube, es ist eher ziemlich visionslos. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was man aber machen kann, ist, über die Details zu diskutieren. Ein wesentlicher Teil sollen ja die Themen ein Europa der Sicherheit, ein Europa des Rechts sein. Wenn man sich aus dem Programm des österreichischen Ratsvorsitzes das Kapitel „Rat Jus­tiz und Inneres“ ausdruckt, so erhält man grundsätzlich einmal neun Seiten, wenn man dann die Bilder abzieht, sind es sieben Seiten, und wenn man sich ganz genau an­schaut, wo es um Asyl und Migration geht, bleibt eine Seite mit sieben Zeilen, und das ist im Wesentlichen Prosa. Was mir fehlt, sind ganz konkrete Maßnahmen. Ein paar wurden heute von Bundeskanzler Kurz angesprochen – es gibt aber auch viele andere Maßnahmen, die jetzt schon von der bulgarischen Ratspräsidentschaft angesprochen wurden, auf die keine Antwort gegeben wird. Ein wesentlicher Punkt, der von der bul­garischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagen wurde, ist beispielsweise der europawei­te Entlastungsschlüssel: Darauf haben Sie, Herr Bundeskanzler, zumindest heute – und auch in diesem Papier – keine Antwort gegeben.

Jetzt weiß ich, wenn man zwischen den Zeilen liest, was Sie davon halten, und Sie haben ja auch gesagt, man solle die anderen Mitgliedstaaten nicht belehren, wie sie innerhalb der Europäischen Union agieren sollen. Es geht aber um eine wesentliche Frage: Will ich Österreich im Zusammenhang mit der Migrationskrise entlasten? Wir wissen alle, wir haben in Österreich besonders viele Flüchtlinge aufgenommen. Wenn es einen fairen Verteilungsschlüssel gäbe, dann müssten auch andere Länder inner­halb der Europäischen Union mehr Flüchtlinge aufnehmen und nicht nur wir.

Jetzt höre ich immer, man solle die anderen nicht belehren, aber was ich dabei nicht verstehe, Herr Bundeskanzler: Wir sind in der Europäischen Union in einer Wertege­meinschaft, und wenn man sich ernsthaft mit seinen Partnern auseinandersetzt, geht es nicht darum, den anderen zu belehren, sondern darum, dass man gemeinsam ver­sucht, diese Werte zu diskutieren. Es geht auch darum, dass Solidarität keine Ein­bahnstraße ist; es kann nicht sein, dass Ungarn, Polen und andere Länder jahrelang von der Europäischen Union profitiert haben und sich dann, wenn es darum geht, sich auch einmal solidarisch zu zeigen, einfach wegducken. Ihre Argumentation dazu ist: Na ja, wir sollen sie nicht belehren!, aber es braucht einen ernsthaften Diskurs dazu! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Man muss ja den Österreicherinnen und Österreichern erklären, wieso die österreichi­sche Bundesregierung dagegen ist, dass andere Staaten mehr Flüchtlinge und wir dementsprechend weniger Flüchtlinge aufnehmen. – Das muss man erklären, aber das sind Sie hier schuldig geblieben!

Klubobmann Wöginger hat dann gesagt, es gehe immer um Rechte und Pflichten, auch im Zusammenhang mit dem Brexit. Das sehe ich auch so. Ein Teil der Rechte und Pflichten ist halt auch die europäische Solidarität! Da geht es eben genau darum, dass man sich nicht, wie von Klubobmann Wöginger angesprochen, die Rosinen he­rauspicken kann und dann nichts tut, wenn es um Solidarität geht. Genau dasselbe wie im Zusammenhang mit dem Brexit, hinsichtlich dessen wir es auch ablehnen, dass Großbritannien sich nur die Rosinen rauspickt, gilt im Zusammenhang mit der Flücht­lingsfrage: Wir müssen alle gemeinsam agieren, und gemeinsam können wir eine Lö­sung schaffen!

Wenn es um den europäischen Grenzschutz geht, sind wir einigermaßen einer Mei­nung: Wir brauchen starke Außengrenzen, die gesichert gehören. Da bin ich auch sehr froh über das Bekenntnis zu mehr Mittelausstattung für Frontex, denn ein wenig mehr wird da nicht reichen; deswegen halte ich auch das Commitment diesbezüglich für sehr richtig. Herr Bundeskanzler, Sie müssen halt leider in diesem Zusammenhang auch mit Ihrem Vizekanzler Strache reden: Wenn nämlich der Herr Vizekanzler nach Brüssel


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fährt und Frontex vorwirft, das wäre eine einzige „Schlepperorganisation“, dann werden sich die Frontex-Beamten, die nun aufgestockt werden, nicht sonderlich freuen! So wird es nicht weitergehen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Was wir auch unbedingt brauchen, sind ernstzunehmende Rückführungsabkommen mit den Ländern, aus denen Menschen nach Europa kommen, die keinen Schutzstatus genießen. Dazu steht im Papier ein bisschen etwas drinnen, etwa das Less-for-less-Prinzip. Wir haben immer wieder vorgeschlagen, Mittel der Entwicklungszusammenar­beit für jene Länder drastisch zu kürzen, die ihre Angehörigen nicht zurücknehmen, wenn kein Schutzstatus besteht, wenn es um sichere Drittstaaten geht, beispielsweise Marokko. Auch da könnten Sie in den nächsten Monaten zeigen, dass man entspre­chend etwas voranbringt.

Was man auch brauchen würde, wären gemeinsame europäische Erstaufnahmezen­tren, natürlich an den Außengrenzen, an denen natürlich eine europäische Asylbehör­de diese Asylverfahren abwickelt. Ich weiß, dass Sie da mit Ihrem Koalitionspartner ein Problem haben, die FPÖ hat dann immer Angst, dass ein portugiesischer oder ein spanischer Beamter über Asylverfahren entscheidet – diese Angst habe ich persönlich nicht. Ich glaube, es ist zwingend notwendig, dass wir bei diesem Thema gemeinsam europäisch vorgehen und noch an den Außengrenzen entscheiden, ob jemand über­haupt ansatzweise die Möglichkeit hat, Schutz bei uns zu bekommen, oder nicht.

Herr Bundeskanzler, Sie kennen die Konzepte. – Mir ist das, was im Programm des ös­terreichischen Ratsvorsitzes steht, ein bisschen zu wenig; Sie haben mündlich mehr gesagt. Mir wäre wichtig, und das ist quasi die Hoffnung für das nächste halbe Jahr, dass Sie in den nächsten sechs Monaten wirklich den Beweis liefern, dass das nicht nur markige Sprüche in vielen Bereichen sind, sondern dass ganz konkrete Taten fol­gen.

Jetzt ist das Licht auf Österreich gerichtet: Wenn wir es schaffen, in diesen sechs Mo­naten im Zusammenhang mit der Asyl- und Migrationskrise einiges voranzubringen, ei­nen wirksamen Außengrenzschutz zu implementieren, ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu implementieren, dann können Sie sich nach sechs Monaten hier ans Rednerpult stellen und sagen, Sie hätten einen wesentlichen Beitrag geleistet. Ich glaube eher, dass wir nach sechs Monaten nicht sonderlich viel weitergebracht haben werden – ich lasse mich aber überraschen. Wir werden auf jeden Fall in ein paar Mo­naten wieder hier stehen und das diskutieren. Ich glaube, es wird bei den markigen Sprüchen bleiben, und am Schluss wird nicht viel herausgeschaut haben. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Wöginger: Ja, ja! War völlig unnötig!)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ot­tenschläger. Ihre Fraktion hat noch eine Restredezeit von 4 Minuten, Herr Abgeordne­ter. – Bitte.


12.51.08

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Her­ren! Gestatten Sie mir, kurz auf das Thema Visionen einzugehen. Wir haben heute schon sehr viel darüber gehört, und ich möchte das zum Anlass nehmen, einen kurzen Rückblick zu wagen. Ich bin Jahrgang 1975 und habe als Jugendlicher noch erlebt, wie es vor 1989 war – manche von Ihnen und viele Zuseherinnen und Zuseher kennen das nicht mehr persönlich, sondern nur aus der Geschichte.

Wir hatten damals Verwandte in der Tschechoslowakei, und ich kann mich noch gut er­innern, wie es war, wenn man über die Grenze fuhr: Es war wirklich gespenstisch, mei-


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ne Damen und Herren! Es war eine andere Welt, das muss man schon sagen. Wenn wir heute über diese Grenze fahren, sieht das ganz anders aus. Das ist – und wir soll­ten ja auch über die positiven Seiten und die erreichten Erfolge dieses europäischen Projekts sprechen – auch ein Erfolg dieser gemeinsamen Europäischen Union. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir das auch immer, immer wieder betonen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich war schon beim Verkehr, Stichwort Grenzübergang; damals hat man wirklich sehr lange gebraucht. Herr Bundesminister Hofer hat ja schon einige Themen angeschnit­ten, die uns im Rahmen dieser EU-Ratspräsidentschaft beschäftigen werden, ich möchte ganz kurz zwei Themen davon erwähnen.

Das eine betrifft den Schienenverkehr. Sie wissen, es gibt große gemeinsame europäi­sche Projekte, was den Schienenausbau, also die transeuropäischen Netze, betrifft. Dazu gehört ja beispielsweise auch das europäische Projekt Brennerbasistunnel, die­ser wird zu 40 Prozent über die Europäische Union gefördert und ist ein sehr wichtiges Verkehrsprojekt.

Sie alle wissen, dass es in Tirol eine breite Diskussion über die Verkehrsproblematik des Landes Tirol als Transitland gibt: Ich glaube, dass auch das ein europäisches Thema ist, das wir nur gemeinschaftlich mit unseren Nachbarländern lösen können und sollen. Ich danke auch dem Verkehrsminister, dass er sich da sehr einsetzt. Es wird sehr viel Geld in den Schienenausbau investiert, und diese gemeinsame Infrastruktur wird auch für den gemeinsamen Wirtschaftsstandort Europäische Union von großer Bedeutung sein.

Es gibt aber auch ganz andere Herausforderungen, der Brexit wurde schon genannt. Wenn wir uns den Flugverkehr anschauen, dann sehen wir, dass da durchaus noch ei­niges vor uns liegt: Derzeit würde es nämlich so aussehen, dass Großbritannien mit jedem einzelnen EU-Land ein neues Luftverkehrsabkommen abschließen müsste. Da wird man auch darüber reden müssen, wie wir das gestalten. Wie auch schon erwähnt wurde, hat es ja keinen Sinn, wenn wir die Briten mehr oder weniger ausschließen, sondern wir wollen trotz allem einen offenen Handel mit dem europäischen Staat Großbritannien führen, auch im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger und unseres Wirtschaftsstandorts.

Es gibt noch viele andere Themen, meine Damen und Herren, der Herr Minister hat sie schon erwähnt, etwa autonomes Fahren und ökoeffiziente Verkehrspolitik. Diese wer­den wir in den nächsten Monaten diskutieren. Da können wir, glaube ich, einen we­sentlichen Beitrag als Technologieträger, als Know-how-Träger liefern, gerade was ökoeffizienten Verkehr betrifft. Ich bin optimistisch, dass wir in diesem Halbjahr vieles in die richtige Richtung bringen, auch was das Thema Mobilität in Europa betrifft. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Andreas Schieder. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ – in Richtung des sich zum Red­nerpult begebenden Abg. Schieder –: Gott sei Dank! – Abg. Schieder: Sie können sich wo auch immer bedanken, ich glaube, Gott hat damit an sich nichts zu tun, aber ich freue mich, dass Sie sich freuen! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)


12.55.32

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Bei der Erklärung heute Früh hat Herr Bundeskanzler Kurz davon ge­sprochen, er wolle ein Europa, das eint. – Jetzt muss man aber ehrlich sagen, Herr Bundeskanzler: Passen Sie auf, dass Sie und Ihre Regierung, wenn Sie so weiterma-


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chen wie bisher, nicht ganz schnell zu den Spaltern Europas gehören! (Abg. Belako­witsch: Und Sie gehören zu den Spaltern der SPÖ!)

Ihre Politikansätze gehören nämlich zu jenen, die separieren und spalten. Wenn ich Herrn Minister Hofer höre, der sagt, besser weniger Europa, dann weiß ich nicht, ob das die Antwort auf die Fragen unserer Zeit ist – ich glaube, das ist auf jeden Fall die falsche Antwort! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir spüren es ja alle: Wir stehen vor großen Wei­chenstellungen. Wir leben inmitten einer unsicheren Welt, die zunehmend unsicher wird, weil auch die Weltpolitiker zunehmend, sagen wir es einmal höflich, uneinschätz­bar werden, wenn wir den amerikanischen Präsidenten, den russischen Präsidenten und all die Weltführer hernehmen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Die Antwort auf genau diese Situation muss doch ein starkes, geeintes Europa sein, ein Europa als ein Pol der Stabilität, von dem Sicherheit, Frieden und sozialer Wohlstand ausgehen – das ist doch das Ziel, nicht weniger Europa, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.)

Um es anders zu formulieren: Gäbe es die Europäische Union nicht, dann müsste man sie gerade jetzt in dieser historischen Situation erfinden – und nicht daran arbeiten, dass sie schlechter wird! Es geht um die Zukunft dieses Einigungsprojekts, es geht um die Zukunft des Friedensprojekts Europa, und in dieser historischen Situation muss man auf der richtigen Seite stehen, Herr Bundeskanzler: Nicht Seehofer, sondern Mer­kel ist die richtige Seite! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Nicht Orbán, sondern Sánchez ist die richtige Seite. (Zwischenruf des Abg. Höbart.) Grundrechte, nicht Polen ist die richtige Seite! Und auch nicht Achsenmächte, sondern Europapolitik ist die richtige Seite, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Sie spalten gerade Europa!)

Es wird Zeit: Es wird Zeit, dass diese Bundesregierung endlich das Große im Auge hat. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Wir brauchen starke, gemeinsame europäische Institutionen. Wir brauchen ein Europa, das schützt, sagt die Bundesregierung. – Ja, aber wir brauchen ein Europa, das die Menschen auch vor Arbeitslosigkeit schützt, wir brauchen ein Europa, das die Jugend vor Jugendarbeitslosigkeit schützt! (Abg. Bela­kowitsch: Könnten Sie den Satz mit der Merkel noch einmal wiederholen?) Wir brau­chen ein Europa, das die soziale Sicherheit, die öffentlichen Dienstleistungen in unse­rem Europa schützt! Das ist das, was wir brauchen, und das sollte unsere Bundesre­gierung während der Präsidentschaft auch einbringen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hö­bart: Sie hetzen gegen die Visegrád-Staaten!)

Vielleicht haben Sie auch schon vergessen, was doch im Nachkriegseuropa so wahr ist, nämlich dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Sicherheit zusammengehören. Ein Bundeskanzler, der sich hier ans Rednerpult stellt und sagt, eigentlich pfeift er auch auf die Sozialpartnerschaft, hat vielleicht nicht verstanden, dass wirtschaftlicher Erfolg, In­novation, Fortschritt und Reichtum genau nur dann entstehen können, wenn es soziale Sicherheit in unserer Gesellschaft gibt, und auch nur dann, wenn alle ihren fairen Bei­trag leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher auch einen Antrag ein, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ge­rechter Beitrag von Konzernen – Digitalsteuer und Finanztransaktionssteuer beschlie­ßen“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert,

- sicherzustellen, dass es europaweit zu einer gerechten Besteuerung von Konzernen kommt und daher insbesondere die Vorschläge zur Digitalsteuer sowie die Finanz­transaktionssteuer beschlossen werden;

- sicherzustellen, dass verbindliche, europaweite Mindeststeuersätze für Unterneh­menssteuern von zumindest 15% oder darüber gelten.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, das wäre einmal eine Agenda für eine österrei­chische EU-Präsidentschaft! Nehmen Sie das noch auf, wenn Sie während der Prä­sidentschaft etwas Gescheites tun wollen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des
Abg. Deimek.)

Weil ich gerade Finanzminister Löger sehe: 900 Millionen Euro, sagt der Wirtschafts­forscher und Professor Zucman, entgehen alleine Österreich durch diese Schlupflö­cher – machen wir diese zu, dann können wir beginnen, Lösungen für alle Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben, zu finanzieren! (Präsidentin Kitzmüller über­nimmt den Vorsitz.)

Warum lassen Sie diese Lücken offen? Ich verstehe es einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, als großer Fan des Mark Rutte, wie ich heute gelernt habe: Re­den Sie einmal mit ihm! Der ist nämlich der Oberlückenaufmacher bei der Besteue­rung. Sagen Sie ihm einmal, er soll gemeinsam mit den restlichen Europäern für ein faires Steuerrecht kämpfen und nicht der Oberfreund der Steueroasen sein! Das wäre dringend nötig. (Beifall bei der SPÖ.)

In nächster Zukunft, das ist auch mein Schlusssatz (Abg. Hafenecker: Wie war das mit den SPÖ-Stiftungen?), in nächster Zukunft, in den nächsten Jahren werden wir alle die Frage beantworten müssen: Haben wir daran mitgearbeitet, dass sich Europa positiv weiterentwickelt hat? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Haben wir mitgearbeitet, dass Euro­pa, das glühende Beispiel, auch Bestand hatte? Oder haben wir dabei mitgemacht, dass Europa sich selbst geschwächt hat? (Abg. Belakowitsch: Sie haben es 2015 zer­stört!) Ich hoffe, dass wir nicht Zweiteres tun. – Sie tun es leider, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

13.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 31. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Erklärung des Bundes­kanzlers gem. § 74b Abs. 1 lit. b GOG-NR betreffend österreichischer Ratsvorsitz (TOP1)

betreffend Gerechter Beitrag von Konzernen – Digitalsteuer und Finanztransaktions­steuer beschließen

Begründung

In den vergangenen Jahren hat die Europäische Kommission, der Rat und das Par­lament nachhaltige Maßnahmen gesetzt, um Besteuerungslücken durch unerwünschte


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Gewinnverschiebungen bzw. Steuervermeidungsmodelle im Anwendungsbereich des internationalen Steuerrechts zu schließen. Die traditionellen Steuersysteme knüpfen an die physische Präsenz eines Unternehmens für die Erhebung der Gewinnsteuern an. Durch die digitalen Geschäftsmodelle entsteht eine große Gerechtigkeitslücke, nicht nur innerhalb der Unternehmensbesteuerung, sondern auch im Vergleich zu der Be­steuerung von Arbeitseinkommen, die abgabenrechtlich jedenfalls immer bis auf den letzten Cent erfasst werden.

Ein anderer Aspekt der Steuergerechtigkeit betrifft den finanziellen Beitrag des Finanz­sektors zur Behebung der Kosten der zurückliegenden Finanzkrise. Die Kommission hat mit Vorschlägen zur Finanztransaktionssteuer und Besteuerung der digitalen Wirt­schaft Maßnahmen erarbeitet, die durch die steuerliche Erfassung der Gewinne von Unternehmen der digitalen Wirtschaft und Transaktionen von Finanzmarktakteuren den Steuerbeitrag dieser Branchen auf ein faireres Niveau anheben würden und die Gelegenheit bieten, die Besteuerung von Arbeitsaufkommen zu senken. Sowohl bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft als auch bei der Finanztransaktionssteuer (FTT) muss der Ort der Besteuerung in internationalem Konnex definiert werden. Bei der FTT wird dies durch das Ansässigkeitsprinzip gelöst, der Vorschlag für die Be­steuerung der digitalen Wirtschaft enthält als Anknüpfungspunkt die digitale Betriebs­stätte, damit die Erträge in dem Mitgliedstaat, in dem die Wertschöpfung entsteht, be­steuert werden.

Die zwischenzeitigen Verhandlungsergebnisse des Rates zu diesen beiden Vorhaben sind moderat oder machen skeptisch was die notwendige Steuergerechtigkeit inner­halb der EU betrifft. Bei der FTT ist in den letzten Monaten kein Fortschritt erkennbar und auch bei der digitalen Betriebsstätte ist, aufgrund des medial berichteten Verhand­lungsverlaufes im Frühjahr 2018, keine schnelle Einigung zu erwarten.

Das Konzept der digitalen Betriebsstätte soll in den rechtlichen Rahmen der gemein­samen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage eingearbeitet werden. Diese ist ein Herzstück der Steuergerechtigkeit in Europa, denn eine harmonisierte Bemessungs­grundlage und ein Verteilungsschlüssel zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen die Besteuerung der Gewinne am Ort ihrer Entstehung. Bei einer einheitlich ermittelten Steuerbemessungsgrundlage aber fehlenden Vorgaben für die Höhe des darauf an­zuwendenden Steuersatzes, ist ein für die Mitgliedstaaten schädlicher Steuerwettbe­werb nach unten zu erwarten, der zu einer Erosion des Steueraufkommens im Unter­nehmensbereich und damit verbundenen Einnahmenausfällen führen wird. Die Finan­zierbarkeit wichtiger staatlicher Leistungen wie soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung usw. wird in Frage gestellt. Es ist daher notwendig, dass gemeinsam mit der einheitli­chen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage auch unionsweit verbindliche Mindest­steuersätze vorgegeben werden.

Die Bundesregierung hat im Programm des österreichischen Ratsvorsitzes festge­schrieben, dass die öffentlichen Haushalte vor schädlichem Steuerwettbewerb und Steuervermeidung geschützt werden müssen, und die begonnenen Arbeiten der EU zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft unter österreichischem Ratsvorsitz vorange­trieben werden sollen, um Gewinne dort zu besteuern, wo sie anfallen. Um sicherzu­stellen, dass es sich dabei nicht nur um leere Ankündigungen handelt, sondern tat­sächlich Taten folgen, stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert,


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- sicherzustellen, dass es europaweit zu einer gerechten Besteuerung von Konzernen kommt und daher insbesondere die Vorschläge zur Digitalsteuer sowie die Finanz­transaktionssteuer beschlossen werden;

- sicherzustellen, dass verbindliche, europaweite Mindeststeuersätze für Unterneh­menssteuern von zumindest 15% oder darüber gelten.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wur­de ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Die Steueroasen braucht nur der Gusenbauer! Ruf bei der FPÖ: Den haben wir noch gebraucht! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


13.01.22

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Ja, werte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Hafen­ecker: Faulpilz!) Wie? (Abg. Martin Graf: Ganze Zeit zu Hause gewesen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Langsam benehmen sich Freiheitliche wieder wie Frei­heitliche. Mir ist schon fast etwas abgegangen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Ab­geordneten der SPÖ.) Wenn Sie das als Beleidigung empfinden, nehme ich das na­türlich mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. (Abg. Höbart: Die Wahrheit ist immer zumutbar! Waren Sie da?) – So, das einmal dazu.

Herr Bundeskanzler, ich richte mich nun ganz persönlich an Sie: Am Beginn einer Ratspräsidentschaft geht es einfach um die politischen und kulturellen Signale, die man als Bundeskanzler an Europa aussendet. Eine Ratspräsidentschaft ist geprägt von den ersten großen symbolischen Akten und von den ersten großen Botschaften an Europa. Und da, Herr Bundeskanzler, ist einfach etwas danebengegangen (Abg. Jaro­lim: Aber ordentlich!), das möchte ich kurz schildern.

Sie kennen Ihren Tweet „... müssen wir eine Achse d. Willigen zwischen Rom, Berlin, Wien im Kampf gegen illeg. #migration bilden“ besser als ich. Das (einen Ausdruck des Tweets in die Höhe haltend) war Ihr Tweet vom 13. Juni 2018. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Schauen wir uns jetzt einfach an, wie das in Europa ankommt, wie das insbe­sondere in der Bundesrepublik Deutschland ankommt! Ich bewerte das jetzt überhaupt nicht, ich gebe es nur wieder (einen weiteren Ausdruck in die Höhe haltend): Reuters „euronews“: „Kurzer Geschichtskurs? ‚Achse der Willigen: Rom-Berlin-Wien‘“. Und dann kommt ein kurzer Geschichtskurs, Herr Bundeskanzler, der es wirklich in sich hat.

„Süddeutsche Zeitung“ (einen weiteren Ausdruck in die Höhe haltend): „Achse der Willigen – Es stellt einem die Haare auf“. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kassegger: Er war ja nicht da, er weiß es nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und darunter heißt es: „Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht von der ‚Achse der Willigen‘. Und benutzt damit eine politische Metapher, die unpassender nicht sein könnte.“ – Das stellt die „Süddeutsche Zeitung“ fest.

Die „Berliner Morgenpost“ (einen weiteren Ausdruck in die Höhe haltend): „‚Achse Rom-Berlin-Wien‘ – Kurz eckt mit Nazi-Rhetorik an“, schreibt die „Berliner Morgenpost“. (Abg. Höbart: Wollen Sie vielleicht die „Taz“ zitieren? – Ruf bei der FPÖ: „Falter“ fehlt noch!) Herr Bundeskanzler! So was betrachtet und bezeichnet man gemeinhin als schweren Imageschaden. (Beifall bei der Liste Pilz sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich weiß nicht, ob Sie, bevor Sie diesen Begriff der Achse der Willigen verwendet ha­ben, gewusst haben, wie das interpretiert werden kann. (Abg. Neubauer: Sie haben


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doch Imageschaden zugefügt!) Ich weiß es nicht, aber ich weiß, welchen interna­tionalen Schaden Sie mit dieser Metapher angerichtet haben, und ich habe, Herr Bun­deskanzler, eine einzige Frage an Sie: Wie werden Sie das im Ausland erklären (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch) und wie werden Sie den Schaden am Image der Republik Österreich reparieren?

Ich ersuche Sie, Herr Bundeskanzler, in aller Form (weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), uns hier und jetzt im Plenum des Nationalrates auf diese Frage eine Antwort zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. Abg. Rosenkranz: Haben Sie eigentlich schon einmal gezählt, ...?)

13.04

13.04.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ruhe für die Abstimmung.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Europaweite Bekämp­fung von Lohn- und Sozialdumping“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Konzernklagerechte in EU-Abkommen!“

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „für eine Gemeinsame Agrar­politik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nachhaltigkeitskriterien und ei­nem Verbot für gefährliche Pestizide“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.

Wir gelangen nun zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Gerechter Beitrag von Konzernen – Digitalsteuer und Finanztransaktionssteuer beschließen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

13.06.322. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 261/A der Abgeordneten Nico Marchetti, Wendelin Mölzer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülervertretungen­gesetz geändert wird (167 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Marchetti. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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13.07.12

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Regie­rungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ab 16 Jahren darf man in Österreich wählen. Das haben wir mit der Wahlrechtsreform 2007 ja festgeschrieben und haben damit den jungen Menschen in diesem Land sehr früh sehr viel Verantwortung in die Hand gegeben.

Wenn man sich anschaut, was seitdem passiert ist, muss man schon feststellen, dass wir beim notwendigen Rüstzeug für diese wichtigen Entscheidungen durchaus noch Optimierungsbedarf haben. Deswegen haben wir im Regierungsprogramm zwei wich­tige Punkte festgeschrieben: Das eine ist politische Bildung im Unterricht ab der 5. Schulstufe, und das Zweite ist die gesetzliche Verankerung des Schülerparlaments. Bei letzterem Punkt kommen wir jetzt, ein halbes Jahr, nachdem sich die Regierung konstituiert hat, schon zur Umsetzung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist die erste Reform des Schülervertretungengesetzes seit 28 Jahren. Das be­deutet mir sehr, sehr viel, da ich ja selbst – wie auch viele andere in diesem Saal – mein politisches Engagement in der Schülervertretung begonnen habe und die Schü­lervertretung das auch schon sehr, sehr lange fordert. Damit kommen wir heute zur Umsetzung und so schaut das Modell aus: Ab nächstem Schuljahr wird einmal jährlich ein Schülerparlament stattfinden, dessen Ergebnisse dann im Unterrichtsausschuss jährlich diskutiert und behandelt werden. Mit diesem Mittel zeigen wir, dass wir uns nicht nur in Sonntagsreden einig sind, dass Schüler mehr ins Zentrum der Bildungs­politik gehören, sondern wir bringen jetzt tatsächlich etwas auf den Weg, damit das auch passiert.

Das Ganze – ich habe es schon gesagt – zahlt auf das Konto der politischen Bildung ein. Wenn man dieses Thema ernsthaft angehen will, dann braucht man viel Finger­spitzengefühl und ein gemeinsames Commitment in diesem Haus, dass es uns wichtig ist, das überparteilich anzugehen. Ich bin stolz darauf, dass es gelungen ist, dieses Gesetz gemeinsam auf den Weg zu bringen, und dass wir dabei auch Fingerspitzen­gefühl bewiesen haben. Es war sozusagen der erste Stresstest, und den haben wir als Parlament bestanden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich glaube wirklich, wenn man politische Bildung ernst nimmt, dann darf sie kein Ma­scherl tragen, dann müssen wir das gemeinsam machen. Mit diesem Stil, mit dem wir das jetzt durchgeführt haben, werden wir auch den anderen Punkt im Regierungspro­gramm, die politische Bildung im Unterricht ab der 5. Schulstufe, angehen.

Ich freue mich darauf und hoffe, dass wir das auch in dieser Art und Weise gemeinsam umsetzen können, denn so können wir langfristig einen großen Schritt in Richtung Stärkung der Qualität unserer Demokratie in Österreich weitergehen und gegen Fake News und andere Dinge, die rund um die Welt gerade passieren, vorgehen. Das ist notwendig, machen wir das! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Hammerschmid. – Bitte.


13.10.09

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Immer wieder ist die Rede davon, dass sich die Jugend von heute nicht mehr so wirklich und von Herzen für Politik interessiert. Seit etwas mehr als zehn Jahren dürfen junge Menschen ab 16 bei Nationalratswahlen wählen gehen. Umso wichtiger ist es, dass Kinder und junge Menschen über die Bedeutung von Politik, von De-


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mokratie und von demokratischen Prozessen informiert sind, diese kennen und darü­ber und auch über alle Formen der Beteiligung daran Bescheid wissen.

Wie können wir jetzt dafür sorgen, dass Jugendliche eine positive Einstellung zur Poli­tik entwickeln und gut informiert ihr Recht, zu wählen, ausüben und in Anspruch neh­men und sich im besten Fall auch politisch engagieren? Das müsste ja auch ein Ziel von uns allen sein.

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie der Universität Wien, die ich gerne noch einmal zitieren möchte, sie wurde im Vorjahr anlässlich „10 Jahre Wählen ab 16“ präsentiert. Eines der zentralen Ergebnisse dieser Studie ist: Je höher das Vor­wissen der jungen Menschen ist und je mehr Spaß es ihnen gemacht hat, in der Schule über Politik zu diskutieren, desto eher und wahrscheinlicher gehen junge Men­schen wählen. Die Schule ist der richtige Raum dafür, die Schule ist der Raum, wo sich junge Menschen ausprobieren können, politische Diskussionen miteinander führen kön­nen, frei von politischer Einflussnahme verschiedene Systeme und Parteien kennenler­nen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Den Initiativantrag, um den es heute geht, unterstützen wir gerne, denn es bedeutet, dass SchülerInnenparlamente eine gesetzliche Verankerung und damit eine größere Legitimierung und Bedeutung bekommen. Es bedeutet auch, dass die Anliegen der Schülerinnen und Schüler wirklich ernst genommen werden. Ich möchte aber auch anmerken, dass es sich bei der Verankerung der SchülerInnenparlamente um eine Maßnahme handelt, die vor allem jene umfasst, die ohnehin schon politisch tätig sind, denn es sind hauptsächlich die Schülerinnen- und Schülervertreter aus den Länderor­ganisationen, die Teil davon sind.

Mir und der Sozialdemokratischen Partei wäre es vielmehr wichtig gewesen, auch jene abzuholen, die noch nicht diese Begeisterung und diesen Funken von Politik in sich tragen und sich engagieren wollen, die sich in diesen politischen Formaten vielleicht noch nicht so fit fühlen.

Deshalb haben wir auch einen Entschließungsantrag im Ausschuss eingebracht, der ein wesentlich größeres Demokratiepaket umfasst hat: politische Bildung – als eine der Forderungen – als Pflichtfach in der Sekundarstufe I, lernend von den Erfahrungen aus den acht Modulen im Geschichtsunterricht, die bereits jetzt implementiert sind; Schü­lerInnenparlamente an jeder einzelnen Schule, damit die Schülerinnen und Schüler an den Schulen erleben können, was es heißt, ein SchülerInnenparlament zu gestalten, denn die Vollversammlungen, die jetzt als Möglichkeit im Gesetz stehen, sind nur eine Möglichkeit, verlangen aber nicht die Durchführung, und ein wesentlicher Punkt in der UN-Kinderrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat, ist die Beteiligung. Es wäre legitim, die SchülerInnenparlamente an den Schulstandorten zu verankern.

Schlussendlich war auch ein Punkt, dass wir gesagt haben, die Behandlung der An­träge aus dem SchülerInnenparlament muss ernst genommen werden, diese Anträge wollen wir im Unterrichtsausschuss auch behandelt wissen. Es freut mich, dass zumin­dest dieser letzte Punkt aus unserem Demokratiepaket, aus unserem Antrag aufge­nommen wurde und heute mit abgestimmt wird. Deshalb unterstützen wir das Ganze natürlich auch umso mehr. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

13.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Mölzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.14.14

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen auf der Galerie beziehungsweise vor den Fern-


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sehbildschirmen und via Livestream! Es ist sehr erfreulich, dass wir in dieser Sache Einigkeit beweisen und dass wir dem Ausschuss entsprechend heute gemeinsam die­se gesetzliche Verankerung des Schülerparlaments – das bis dato schon gelebte Pra­xis war, ich habe selbst schon das eine oder andere Mal daran teilnehmen dürfen – be­schließen.

Damit erbringen wir eine entsprechende Würdigung des Engagements junger Men­schen, was ganz wichtig ist, und manifestieren das Schülerparlament legistisch. Wie Kollegin Hammerschmid schon gesagt hat, statten wir es auch mit der Möglichkeit ei­ner besseren Mitsprache in Form eines Berichtswesens an den Bundesminister bezie­hungsweise in weiterer Folge an den Nationalrat aus, damit wir uns hier im Hohen Haus auch mit den Anliegen der jungen Menschen auseinandersetzen können und de­ren Meinungen, deren Anliegen, deren Ideen auch in Gesetzgebungsprozesse für die Gestaltung unseres Bildungswesens – und darüber hinaus – einbringen können.

Ich glaube, es ist in diesem Bereich ein ganz wesentlicher Punkt, dass es eben darum geht, politisches Engagement zu fördern, auch zu verstärken; aber der zweite Punkt – das wurde schon ausgeführt – ist sicher im Bereich der politischen Bildung zu suchen, in dem wir weiteren Handlungsbedarf haben. Kollege Marchetti hat schon ausgeführt, dass wir auch da einige wesentliche Schritte setzen werden, um politische Bildung verstärkt in den Schulunterricht einzubinden und jungen Menschen das Rüstzeug mit­zugeben.

Da wäre ein kleiner Widerspruch zur Kollegin Hammerschmid: Ich glaube, die jungen Menschen sind schon mehrheitlich an Politik interessiert, es fehlt ihnen, was ich so beobachte, einfach nur das Rüstzeug. Das müssen wir ihnen mitgeben, damit sie sich entsprechend in politische Vorgänge und überhaupt in öffentliche Vorgänge einmengen können. Das beginnt bei den Basics, wie beispielsweise sinnerfassend lesen, geht aber dann weiter bis ins Detailwissen.

Ich glaube, es ist auch ein wertvoller Beitrag – ich kann es nur immer wieder emp­fehlen, viele Kollegen machen das schon –, an der Demokratiewerkstatt teilzunehmen, die natürlich auf Wien konzentriert ist, aber, wie ich gehört habe, auch in die Bundes­länder getragen werden soll, also mehr zu den Schülern kommen soll. Die Demokratie­werkstatt leistet auch einen starken Beitrag, um den jungen Menschen unsere Demo­kratie näherzubringen. Auf der anderen Seite wird es aber wichtig sein, dass man poli­tische Bildung auch im Unterricht ab der 5. Schulstufe manifestiert.

Abschließend möchte ich noch kurz die Wichtigkeit von politischer Bildung aufzeigen, auch betreffend das Wissen von Abgeordneten hier im Hohen Haus, wenn etwa von einer Partei hartnäckig die Gewaltentrennung im Zusammenhang mit Vorgängen im In­nen- und im Justizressort geleugnet wird. Daran sieht man, dass es ganz, ganz drin­gend notwendig ist, dass wir in diesem Bereich mehr tun. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.17.07

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Liebe Schüler und Schülerinnen auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Liebes Hohes Haus! Ich glaube, wir setzen heute einen ganz, ganz wichtigen Schritt, wenn es um die Beteiligung von jungen Menschen geht.

Es ist für die Demokratie im Allgemeinen ganz, ganz wichtig, dass wir jungen Men­schen früh Einblick in demokratische Prozesse gewähren und sie in diese hineingleiten


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lassen, damit sie mitbekommen, was Demokratie bedeutet. Um das zu machen, ist na­türlich das Schülerparlament ein ganz wichtiges Instrument, dementsprechend ist die gesetzliche Verankerung ganz wichtig für uns. Das Schülerparlament ist auch wichtig, um immer die Anbindung an die Schülerinnen und Schüler zu haben. Es gibt das Schü­lerparlament schon seit einigen Jahren, das ist eine höchst erfolgreiche Geschichte. Viele von uns waren da immer wieder zu Besuch und haben sich das angeschaut. Ich glaube, jetzt setzen wir einen ganz wichtigen Schritt.

Es gibt einen zweiten Punkt bei diesem Antrag, den man erwähnen muss, der aus de­mokratiepolitischer Sicht auch sehr erfreulich ist. Es gab einen Abänderungsantrag der Opposition, der auch eingeflossen ist, der genau die Anmerkungen, die Kollegin Ham­merschmid schon angesprochen hat, betrifft: dass die Ergebnisse des Schülerparla­ments am Ende auch im Unterrichtsausschuss behandelt werden und dort eine Debat­te darüber stattfindet. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, den wir gesetzt haben. Dass hier auch die Opposition auf allen Ebenen gut eingebunden wurde, das halte ich auch für sehr wichtig.

Ein bisschen traurig in diesem Zusammenhang – es ist vorhin schon angeklungen – ist natürlich, dass das Thema politische Bildung leider noch keinen Einzug in unsere Lehr­pläne gehalten hat. Das, glaube ich, wird noch ein nächster wichtiger Schritt sein, um wieder in diesen Partizipationskreisel einzutreten, um junge Menschen früh in den poli­tischen Diskurs zu bringen.

Kollegin Hammerschmid hat schon gesagt, es ist wichtig, dass wir nicht nur oben bei der SchülerInnenvertretung ansetzen, sondern auch in die Breite gehen und junge Menschen auf breiter Ebene für Politik begeistern. In diesem Sinne möchte ich mich insbesondere bei denen bedanken, die das schon machen – das sind oft Klassenspre­cher, Klassensprecherinnen, die nicht die Aufmerksamkeit wie die Landesschülerver­tretung oder die Bundesschülervertretung bekommen –, denn sie leisten in diesem Zu­sammenhang eine ganz besonders wichtige Arbeit.

Insgesamt aber glaube ich, dass das ein guter Tag für junge Politik und ein guter Tag für die Demokratie ist. Daher freue ich mich sehr, dass wir das heute einstimmig be­schließen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cox. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.19.44

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Sie haben es nun schon vernommen, dass es um ein Produkt geht, bei dem alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Das ist, finde ich, sehr gut, wichtig und richtig. Wir haben, wie ich schon in der letzten Plenar­sitzung erwähnt habe, das Problem gesehen: Wie kann man junge Menschen zur Partizipation anregen? Wie kann man junge Menschen dazu anregen, sich mehr zu be­teiligen?

Demokratie hat ja sehr viel mit Partizipation zu tun. Daher war es wichtig, auch im Ausschuss noch einen Schritt weiter zu gehen und zu sagen: Okay, was aber passiert mit den Schülerinnen- und SchülervertreterInnen im Parlament? – Es ist ja schön und gut, wenn sie in einer Runde diskutieren und Beschlüsse fassen, aber genau den Punkt, es in den Ausschuss zu bringen, halte ich für eine Wertschätzung, die diese jungen Menschen verdienen. Ich finde, es ist sehr, sehr wichtig, dass wir ihnen diese Wertschätzung und diesen Raum geben. Ich bin schon sehr gespannt darauf, dass sie uns dann, wenn sie in den Ausschuss kommen, davon berichten, denn genau darum sollte es gehen: diese Partizipation anzuregen.


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Ich wünsche mir für die weitere Zusammenarbeit im Ausschuss – auch mit Ihnen, Herr Minister –, dass man, wenn es um politische Bildung geht, darauf schaut, an einem Strang zu ziehen. Ich kann mich erinnern, als ich in die Schülervertretung kam, hatte ich vor allem auf der Landesschülervertretungsebene das Glück, dass mich Menschen angesprochen hatten. Ich glaube, es gibt da draußen viele Schülerinnen und Schüler, die gar nicht wissen, dass sie auf dieser Ebene partizipieren können.

Ich denke, es ist wichtig, auch im Zuge der politischen Bildung, Jugendliche anzuregen und ihnen zu sagen: Ja, ihr könnt euch beteiligen, ihr könnt Teil dieser Gesetzgebung sein! – Da sollte man wieder den Ansatz haben, das Problem zu sehen und zu sagen: Wie können wir das machen?, die Lösung zu finden und diese dann hoffentlich auch wieder gemeinsam umzusetzen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

13.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Himmelbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.21.59

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Schülerinnen und Schüler hier vor Ort und zu Hause vor den Bildschirmen! Bildung ist ein Thema, das uns alle bewegt und das uns gerade hier im Hohen Haus auch stetig begleitet. Es wurde schon mehrfach angesprochen: Heute geht es darum, ein Schülerparlament, das bereits in der Praxis existiert, auch gesetzlich zu verankern.

Meines Erachtens geht es nicht darum, den Schülerinnen und Schülern oder der Schü­lervertretung eine Stimme zu geben, denn diese Stimme hatten sie bis dato schon und haben sie auch genutzt, um ihre bildungspolitischen Anliegen auszusprechen und zu vertreten. Meiner Meinung nach geht es vielmehr darum, ihnen Gehör zu schenken, ihre Anliegen ernst zu nehmen, und zwar auch hier im Hohen Haus, indem wir ihre Anliegen im Unterrichtsausschuss behandeln.

Meiner Meinung nach ist dies auch notwendig. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass bei bildungspolitischen Fragestellungen, denen sich die Regierung oder das Hohe Haus widmet, die Schüler und Schülerinnen nicht immer einbezogen wurden. Deswegen ist es, glaube ich, heute ein wichtiges Anliegen, dass wir dieses Schülerparlament partei­enübergreifend gesetzlich verankern.

Ich darf mich im Zuge dessen ganz herzlich bei den Initiatoren bedanken, bei der Schülervertretung selbst, die dieses Anliegen seit vielen Jahren vertritt und einfordert. Einen Dank möchte ich auch an meinen Abgeordnetenkollegen Nico Marchetti aus­sprechen, der von Anfang an, seit seinem ersten Arbeitstag hier im Hohen Haus, die­ses Thema vorangetrieben und diesen Beschluss mit herbeigeführt hat. – Nico, dir herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Du bezeichnest dich selbst oft als „Hinterbänkler“. Ich glaube, der heutige Beschluss ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass man selbst von der letzten Reihe aus beziehungs­weise selbst als junger Mensch in der Politik vieles bewegen kann. Ich hoffe auch, dass du damit ein Vorbild für viele junge Menschen bist, sich politisch zu engagieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Zum Schluss möchte ich noch einen Wunsch äußern – das Thema politische Bildung ist heute schon aufgekommen –: In den vergangenen Jahren haben wir oft an sehr vie­len Schrauben im Bildungssystem gedreht, sei es in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, der Autonomie der Schulen oder der Struktur und Verwaltung. Das alles sind wichtige Punkte – keine Frage. Wir müssen uns jedoch auch kritisch und ohne Scheuklappen mit den Inhalten in der Schule auseinandersetzen und die Frage stellen:


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Was muss Schule überhaupt vermitteln, damit Schülerinnen und Schüler das notwen­dige Rüstzeug mit auf den Weg bekommen?

Ich weiß, wir alle haben unsere Vorstellungen dazu – die Eltern, die Schüler, die Leh­rer, wir als Abgeordnete –, und ich habe sie natürlich auch. Unter anderem ist das für mich die politische Bildung, gleichermaßen aber auch das wirtschaftliche Verständnis, das lebensbegleitend und lebensnah vermittelt werden soll. Das ist für mich auch die digitale Kompetenz, die Medienkompetenz, und das wäre auch die Berufsorientierung, die Einzug in unsere Schulen erhalten soll.

Mir ist jedoch auch eines klar: Wir können nicht alles den Schulen, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern überstülpen. Es muss trotzdem realistisch sein, Inhalte innerhalb eines Schultages und innerhalb eines Schuljahres umsetzen zu können. Deswegen ist es umso wichtiger, sich auch kritisch damit auseinanderzuset­zen: Welche Inhalte muss Schule in Zukunft unseren Schülerinnen und Schülern ver­mitteln? – Ich freue mich, wenn wir hier noch einiges bewegen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.26

13.26.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 167 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig. Somit ist der Gesetzentwurf angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

13.26.413. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 260/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Privatschulgesetz geändert wird (168 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


13.27.13

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es handelt sich bei diesem Antrag einerseits um die Schaffung einer für internationale Schulen notwendigen Ausnahmeregelung betreffend das Erfordernis der Kenntnis der deutschen Sprache und andererseits „um eine Anpassung der Vorausset­zungen hinsichtlich der Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung für die Errichtung von Privatschulclustern. Hier soll für den Leiter oder die Leiterin des


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Schulclusters die Lehrbefähigung für eine der am Schulcluster beteiligten Schulen aus­reichen.“

Das ist also eine recht technische Angelegenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bin sehr dankbar, dass wir das einstimmig erledigen können. Es geht einer­seits darum, dass wir ein gutes Gesetz noch besser hinsichtlich derjenigen machen, die zunächst vom Gesetz ausgenommen worden sind, nämlich vor allem der Native Speaker an den internationalen Schulen, andererseits geht es um die Möglichkeit, dass bei Schulclustern von Privatschulen die Direktorenbestellungen sinnvoll und treffsiche­rer getroffen werden können – damit das erledigt wird; vielen herzlichen Dank dafür.

Es ist auch ein Zeichen dafür – um etwas allgemeiner zu sprechen –, dass die öster­reichische Schullandschaft sehr bunt ist, und es ist ein gutes Zeichen, dass diese Schullandschaft sehr bunt ist, sowohl bei den privaten Schulen als auch bei den öffent­lichen Schulen. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Eltern bildungshungrig sind – hof­fentlich – und dafür sorgen möchten, dass auch ihre Kinder bildungshungrig sind. Je nach ihren Eignungen und Neigungen die richtige Schule zu finden, ist sehr wichtig.

Es wird manchmal von bildungsfernen Schichten gesprochen: Konrad Paul Liessmann hat in einem seiner letzten Interviews angemerkt, dass das kein so besonders gutes Wort ist. Das klingt ein bisschen nach Gutsherrenart: Das sind die anderen, diese bil­dungsfernen Schichten. – Ich glaube, man sollte dieses Wort nicht verwenden, man sollte lieber von Bildungshunger und von Bildungsverweigerern sprechen.

Als erwachsener Mensch kann ich durchaus ein Bildungsverweigerer sein, denn das ist mein gutes Recht. Eltern aber sollten das nicht sein, sie sollten auf jeden Fall den Bil­dungshunger der Kinder fördern – das ist für uns sehr wichtig. Ich glaube, das ist et­was, was wir gesetzlich nicht verlangen können, denn natürlich wollen wir in jedem Fall den Eltern die volle Souveränität und die ganze Freiheit bei der Erziehung lassen – das ist ganz, ganz wichtig.

Wir müssen daher Anreize schaffen, vor allem durch Beispiele, die man in der Öffent­lichkeit sieht. Mit Bildung werden wir bei unseren Kindern – wenn wir sie dazu bringen, bildungshungrig zu sein – Zukunft schaffen. Das ist ganz wichtig. Manchmal wird es in der Öffentlichkeit so dargestellt, als hätten echte Role Models mit Bildung eigentlich nichts zu tun: Das sollten wir eher zu vermeiden trachten, denn das andere ist das Richtige und das Wahre.

Bildungsverweigerung kann aber unter Umständen auch dadurch zustande kommen, dass in der Schule nicht das vermittelt wird, was der Bildungshunger eigentlich als Fut­ter erwartet, sondern einem etwas gegeben wird, von dem man sagt, dass es nicht das Richtige ist. Frau Kollegin Himmelbauer hat ja gesagt, dass wir immer darüber nach­denken müssen, neue und interessante Inhalte zu vermitteln, die einerseits dem Bil­dungshunger entsprechen und andererseits in der Tradition entscheidend sind. Ich glaube, auch das ist wichtig: da austarieren zu können. Ich bin überzeugt davon, dass das gerade die Lehrerinnen und Lehrer, die in den Schulen unterrichten, sehr gut wis­sen.

Wir hoffen sehr, dass dadurch und in dieser Vielfalt die österreichische Schullandschaft im europäischen Maßstab einen guten Stand hat. Ich glaube, dass sie ihn nun hat. Manchmal wird die Schule schlechtgeredet: Ich denke, man muss auch einmal sagen, dass die Schule in Österreich eigentlich auf einem ganz guten Weg ist. Die paar Stei­ne, die noch auf dem Weg liegen, werden wir in dieser Legislaturperiode wegräumen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Preiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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13.31.10

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher auf der Galerie und vor den Fernseh­apparaten, auch meinerseits ein herzliches Willkommen! Wir stimmen natürlich sehr gerne der Änderung und Modifizierung des vorliegenden Gesetzes in puncto Privat­schulen zu; diese Vorlage hätte ohne Weiteres aber auch schon früher eingebracht werden können.

Ich möchte mich sehr herzlich bei den PädagogInnen, die in den diversen Privatschu­len in Österreich unterrichten, bedanken. Sie leisten genauso wie auch die PädagogIn­nen an den öffentlichen Schulen nachhaltig gute und wertvolle Arbeit im Sinne der Aus­bildung der Schülerinnen und Schüler, der jungen Generation in Österreich – daher ein herzliches Dankeschön an alle PädagogInnen, egal ob sie in Privatschulen oder in Schu­len mit öffentlicher Trägerschaft tätig sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

Der vorliegende Antrag sieht eine Vereinfachung beim Nachweis von Deutschsprach­kenntnissen für PädagogInnen an Privatschulen vor und leistet auch eine gesetzliche Klarstellung bei der Einrichtung von Privatschulclustern – mein Vorredner hat schon kurz darauf Bezug genommen.

Mit der Bildungsreform 2017 wurde im Sinne eines qualitätsvollen Unterrichts die erfor­derliche Sprachkompetenz für PädagogInnen an Privatschulen auf C1-Niveau festge­legt, ein entsprechender Sprachnachweis ist natürlich auch vorgeschrieben. Letzten Endes geht es darum, dass künftig Reifeprüfungszeugnisse und Studienabschlüsse mit der Unterrichtssprache Deutsch als gleichwertig mit einem C1-Zertifikat, wie es Sprach­institute ausstellen, gelten. Von der Nachweispflicht ausgenommen sind Lehrkräfte, die als Native Speaker an internationalen Schulen unterrichten.

Die Definition für C1 ist eigentlich sehr technisch, ich möchte daher nur kurz inhaltlich darauf Bezug nehmen: „Kann ein breites Spektrum anspruchsvoller, längerer Texte verstehen und auch implizite Bedeutungen erfassen. Kann sich spontan und fließend ausdrücken, ohne öfter deutlich erkennbar nach Worten suchen zu müssen. Kann die Sprache im gesellschaftlichen und beruflichen Leben oder in Ausbildung und Studium wirksam und flexibel gebrauchen. Kann sich klar, strukturiert und ausführlich zu kom­plexen Sachverhalten äußern und dabei verschiedene Mittel zur Textverknüpfung an­gemessen verwenden.“ – So weit das Zitat bezüglich C1.

Es ist meiner Meinung nach aber auch sehr sinnvoll, dass für LeiterInnen von Privat­schulclustern die Lehrbefähigung für nur einen am Schulcluster beteiligten Schultyp erforderlich ist. Das ist eine hundertprozentige Angleichung zur Gesetzmäßigkeit der öffentlichen Trägerschaften.

Ich möchte nun folgende Frage an Sie richten, Herr Bildungsminister: Ist es auch mög­lich, dass ein Clusterleiter für Schulen mit jeweils privater und öffentlicher Trägerschaft bestellt wird? Vielleicht ist das auch eine Novität in der Diskussion und eine Überle­gung wert.

Des Weiteren möchte ich auch auf einen Punkt Bezug nehmen, der vorhin bereits kurz angesprochen wurde, nämlich auf die politische Bildung. Diese ist natürlich sehr we­sentlich und insofern wichtig, als wir ja vor geraumer Zeit hier im Hohen Haus das Wählen ab 16 beschlossen haben, weswegen die Notwendigkeit besteht, sich im Allge­meinen intensiver mit Politik und im Speziellen mit der Parteienlandschaft in Österreich zu befassen. Wo, wenn nicht an der Schule, ist der Ort, an dem das möglich ist? – Daher meine ich, dass es in Zukunft nicht nur beim Unterrichtsprinzip der politischen Bildung bleiben soll, sondern sehr wohl auch die Möglichkeit bestehen könnte, diesbe­züglich ein eigenes Unterrichtsfach einzurichten.


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Auch noch ein Wunsch meinerseits an Sie, Herr Minister Faßmann, was die institutio­nelle Kinderbetreuung betrifft: Wir wissen, dass diese 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern im August 2018 ausläuft. Sie ist mit 52,2 Millionen Euro dotiert, speziell als finanzielle Transferzahlung an die Gemeinden, letzten Endes auch als finanzielle Unterstützung der Eltern. Ich möchte Sie dringendst ersuchen, sich im Mi­nisterrat dafür einzusetzen (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), dass dieser Betrag auch 2019 in derselben Höhe erhalten bleibt. (Neuerlicher Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die nun von Regierungsseite beschlossenen 1 000 Euro sind eindeutig zu wenig. Ach­ten Sie bitte auch in diesem Bereich auf mehr soziale Gerechtigkeit, schaffen Sie mehr Planungssicherheit für die Gemeinden, schaffen Sie aber auch insofern Sicherheit für die Eltern, als dass diese nicht mehr für die Elementarpädagogik in den Kindergärten zahlen müssen!

Ich bin erfreut darüber, dass wir diese Änderung des Privatschulgesetzes heute ein­stimmig beschließen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

13.36

13.36.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 168 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

13.36.594. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 191/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Ganztagsschulen (169 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster ist Herr Abgeordneter Kovacevic zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


13.37.30

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Mi­nister! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die letzte Bundes­regierung unter SPÖ und ÖVP hat noch 2016 das Bildungsinvestitionsgesetz beschlos­sen, welches mit 1. September 2017 in Kraft getreten ist. Darin wurden bekanntlich Zweckmittel für die Schulerhalter, also für die Gemeinden, beschlossen, und zwar in der Höhe von 750 Millionen Euro für die Jahre 2017 bis 2025.

Im Rahmen der Budgetverhandlungen für 2018/19 wurde nun der Zeitraum für den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen massiv verlängert, und zwar von 2025 auf 2032,


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er wurde also auf sieben weitere Jahre erstreckt; die Höhe der Förderung allerdings wurde nicht verändert. Was bedeutet das nun? – Ganz einfach: Die Mittel pro Jahr sind viel weniger geworden, denn die knapp 800 Millionen Euro werden nicht in den nächs­ten sieben Jahren ausgeschüttet, sondern für die nächsten 14 Jahre verwendet.

Nun zeigt sich auch das wahre Gesicht dieser Bundesregierung, denn ich erinnere daran, dass bei der Budgetdebatte im April bei ziemlich jeder Gelegenheit das Nulldefi­zit hochgelobt wurde und es immer wieder geheißen hat: „Sparen im System, nicht bei den Menschen.“ – Dabei wurden einfach nur wichtige Maßnahmen gestrichen bezie­hungsweise extrem verringert.

Ja, da frage ich Sie: Ist es denn dann nicht Sparen bei den Menschen – bei den Fa­milien, bei den Kindern und Jugendlichen –, wenn Sie die Mittel für die Ganztagsschu­len halbieren? (Zwischenruf der Abg. Winzig.) – Ganztägige Betreuung bedeutet nicht nur eine Verbesserung der Lernerfolge, sondern auch mehr Chancengerechtigkeit und vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, wir sollten da nicht noch mehr Zeit verlieren, denn eines ist klar: Wir müssen ein qualitätsvolles schulisches Ganztagsangebot zur Verfügung stellen, dann wird es auch entsprechend angenommen werden. Nur so kann man dann auch von echter Wahlfreiheit sprechen, wie sie auch immer wieder erwähnt wird, wenn nämlich das nötige Angebot für die Familien tatsächlich besteht.

Gerade jetzt, in Zeiten des Wirtschaftswachstums und einer starken Konjunktur, sollte man die Gelegenheit ergreifen und vermehrt in diesen Bereich investieren, wie übri­gens auch die letzte aktuelle OECD-Studie belegt und uns empfohlen hat.

Ich erinnere noch ganz kurz daran: Auch bei den Deutschförderklassen hat der Herr Bundesminister mehrfach gemeint, wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren. Bei den Ganztagsschulen wird jetzt wieder der gegenteilige Weg beschritten: Man verlängert und schiebt das Projekt sozusagen auf die lange Bank. (Abg. Hauser: Das stimmt ja nicht!) – Natürlich stimmt das, denn wenn man bei gleichen Mitteln von 2025 bis 2032 verlängert, dann ist es nichts anderes. (Abg. Hauser: Das ist unrichtig!) Das ist eine Verringerung der Mittel, eine Halbierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Bevor jetzt noch von den Regierungsparteien das Argument kommt, dass die Gelder bisher nicht abgeholt wurden, möchte ich dazu anmerken, dass das maximal die 15a-Vereinbarungen betreffen kann, weil diese ja jeweils jährlich zugesagt wurden, es aber die Gelder aus dem Bildungsinvestitionsgesetz erst seit dem letzten Jahr gibt, seit dem September 2017. Hier haben die Gemeinden wesentlich mehr Planungszeit und kön­nen diese dann auch ordentlich abrufen.

Generell denke ich, dass wir die Gemeinden nicht mit der weiteren Finanzierung und der Erhaltung der bestehenden Gruppen und Klassen alleine lassen dürfen, sondern wir sie hier noch viel besser unterstützen müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: So stelle ich mir eine Rede vor!)

13.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hofinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.41.13

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kovacevic, ich möchte Ihnen einige Dinge entgegnen. Grundsätzlich sind wir auch für einen maßvollen Ausbau dieser Ganztags­schulen, weil wir natürlich auch die Notwendigkeit der Verbindung zwischen Beruf und Familie sehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Da geht es um Pädagogik!) Aber worum geht


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es eigentlich? – Es ist eine Anschubfinanzierung, die wir 2016 für 2017 bis 2025 be­schlossen haben, und wir verlängern diesen Zeitraum von 2025 auf 2031/32, aber wir vermindern diese Mittel nicht. (Abg. Heinisch-Hosek: Sicher!)

Bitte sich eines immer vor Augen zu halten: Es ist eine Anschubfinanzierung, und eine weitere Finanzierung muss auch seitens der Gemeinden oder Städte kommen. Oft ist es den Gemeinden einfach nicht möglich, diese finanziellen Mittel aufzubringen. Daher ist es umso besser, den Gemeinden die Möglichkeiten zu geben, dann die Investition für diese Ganztagsschule zu tätigen, wenn sie das Geld dazu haben.

Ich möchte Ihnen weiters schon noch eines entgegnen: Auch die Finanzierung der Folgekosten, sprich, der Lehrer, des Personals, ist bei manchen in späterer Folge nicht gegeben. Daher halten wir es für sehr sinnvoll, dass wir diese Geldmittel strecken, die ja nicht gerade gering sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir helfen diesen Gemeinden mehr oder weniger, auch nach 2025 die Ganztagsschule umsetzen zu können. Frau frühere Bundesminister Hammerschmid, ich möchte Sie jetzt in der Regierungsverantwortung sehen. Ich glaube, Sie wären auch für diese Ge­meinden, auch für die SPÖ-geführten Gemeinden, die ja das Geld auch nach 2025 brauchen. (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.)

Ich glaube, das ist schon auch eine ganz wesentliche positive Entwicklung. In der Pra­xis gibt es ja Gemeinden, die diese Ganztagsschule nicht brauchen, weil einfach der Bedarf vonseiten der Eltern nicht gegeben ist. Es gibt Gemeinden, in denen die Ganz­tagsschule umgesetzt ist, wo das sehr gut funktioniert, das muss man wirklich sagen, wo ein guter Zulauf da ist. Es gibt aber auch Gemeinden, in denen diese Ganztags­schule eingeführt worden ist und nicht gut angenommen wird, und nur fünf, sechs Schüler drinnen sitzen. Genau das ist hier der Punkt, wo wir sagen: Es muss den Fa­milien, es muss den Gemeinden freigestellt sein, ob sie das selber einführen oder nicht. Die Wahlfreiheit ist für uns also etwas ganz Entscheidendes. (Abg. Kuntzl: Da muss es aber die Wahlmöglichkeit geben!) In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass wir oft ideologisch bedingt ein neues System in der Bildung über alle Schulen wie einen Deckmantel drüberziehen, ohne dass man die Eltern und die Lehrer einbindet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wichtig für die Schulen ist, dass sie alle wissen, dass die Gelder für den ganztägigen Schulausbau auch in Zukunft gesichert sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

13.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Strolz. – Bitte.


13.45.00

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Wie im Ausschuss schon klargelegt, ist NEOS entschlossen dagegen, diese Mittel zu ver­dünnen. Das war damals ein ganz klarer Deal mit den Banken, eine Bankenmilliarde, die in dem Fall für den Ausbau vor allem auch der Ganztagsschulen gewidmet wurde.

Sie versuchen einfach, im Budget Geld zu finden. Da sind wir immer ein guter Partner; wir machen auch ganz viele Vorschläge, wo man Geld finden kann. Da gibt es ganz viele Dinge, die man in Österreich kürzen kann. Fangen wir bei der Parteienförderung an! Es ist die höchste in Europa, dort könnte man kürzen. Die Anträge wurden leider immer abgelehnt. Gehen wir weiter zu einer echten Verwaltungsreform! Sie wissen, im Föderalismus liegt vieles im Argen. Sie sind noch immer nicht willens und fähig, die Landeshauptleute in die Transparenz zu zwingen, die füttern mit ihren Förderungen et cetera immer noch im Dunkeln an.


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Weil Sie all diese Dinge nicht machen, weil Ihnen dazu der Mut fehlt, nehmen Sie be­reits gewidmete Gelder, die noch dazu von dritter Hand bezahlt wurden, nämlich da­mals von den Banken, und verdünnen sie auf mehrere Jahre. Das heißt aber, dass in jedem Jahr weniger bleibt als geplant. Das heißt, dass das damals für so wichtig emp­fundene Anliegen Ihnen dann doch nicht so wichtig sein kann. Das Anliegen lautet Ausbau von Ganztagsschulen, dass wir, wie wir einmal gesagt haben, möglichst rasch Wahlfreiheit im Umfeld von 20 Kilometern herstellen. All diese Ziele rücken damit na­türlich Schritt für Schritt in größere zeitliche Ferne, und ich halte das für falsch.

Eine Fußnote noch: Sie sind nicht willens, auch den freien Schulen Mittel für Ganztags­schulformen zu geben. Diese sind zudem auch noch falsch informiert worden: Sie sind bisher davon ausgegangen, dass auch sie diese Mittel lukrieren können. Ich habe Ver­treter freier Schulen getroffen, die das berichten. Ich erinnere mich auch an Ausspra­chen noch mit Ministerin Heinisch-Hosek damals, die gesagt hat: Ja, ich gebe zu, dass die Mittel für freie Schulen tendenziell im Fallen sind. Anmerkung: Die nichtkonfes­sionellen bekommen circa 10 bis 15 Prozent der Kosten erstattet, den Rest müssen die Eltern zahlen. Die konfessionellen bekommen circa 80 Prozent erstattet. Diese Mittel sind tendenziell im Sinken, damals hieß es aber, dass sie sich durch die Ganztags­schule zusätzliche Mittel holen können.

Das war ein Versprechen an die Schulen. Die haben begonnen, ihre Gebäude zu er­weitern, Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, und jetzt kommt ein: Njet!, und zwar von jener Partei, die da immer groß sagt: Eigenverantwortung!; von jener Regierung, die in ihrem Regierungsprogramm ganz fett drinnen stehen hat: Wir bauen auf die Eigenver­antwortung der Menschen und wollen die Initiative der Menschen auch unterstützen.

Diesen Menschen, die hier sehr engagiert mit teils schlechterer Bezahlung als im öf­fentlichen Schulsystem private, innovative Schulprojekte vorantreiben, auch im Sinne des gemeinsamen Ganzen für die öffentliche Hand Dienstleistungen erbringen, denen sagen Sie: Zahlt euch das selbst! Das hat ein bisschen etwas mit der Haltung zu tun, dass das Schulsystem parteipolitisch durchwirkt und kontrolliert werden soll. Wenn da zu viel Eigenverantwortung ist, dann taugt Ihnen das nicht, egal, ob sie sich auf die christliche katholische Soziallehre berufen oder auf den Namen Freiheitliche Partei. (Abg. Mölzer: Die starke freiheitliche Lehrerschaft! Ja, ja!) Den Namen haben Sie nicht ernst genommen, in keiner Sekunde! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster: Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.


13.48.40

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Fußnote Strolz, Privatschulen: Irgendwie habe ich immer das Gefühl – das war schon bei der Zahl der Deutschförderklassen so, jetzt wiederholt sich das –, dass Sie ein bisschen mit einem selektiven Gehör gesegnet sind. Wir haben Ihnen nämlich schon im Ausschuss erklärt, dass das Thema ganztägige Privatschulen beziehungsweise Schulen mit Öffentlichkeitsrecht nicht von uns aus der Geschichte jetzt im Frühling kommt, sondern dass Sie das selber im Bildungsinvestitionsgesetz im Herbst 2016 mit­beschlossen haben, und wir dabei sind, den Versuch zu unternehmen, das zu reparie­ren.

Ich gebe Ihnen diesbezüglich nämlich schon recht, dass die Privatschulen eine faire und ordentliche Förderung brauchen. Das ist auch ein altes freiheitliches Anliegen, deswegen ist es natürlich eine Unterstellung, zu behaupten, dass wir darauf drängen würden. Das stimmt einfach nicht. Im Gegenteil! Wir schauen, dass wir das reparieren (Abg. Strolz: Reparieren können wir es in jeder Sekunde!), was Sie – wahrscheinlich


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ist es Ihnen ohne böse Absicht im Jahr 2016 durchgerutscht –, damals mitbeschlossen haben. (Abg. Strolz: Man muss schon einem Ministerium auch vertrauen können!) – Na ja, ich weiß schon, es ist aus der Opposition heraus schwierig, aber da muss man dann so ehrlich sein, dass man es auch mitbeschlossen hat. Dazu muss man zumin­dest stehen.

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema, nämlich zum Ausbau der Ganztagsschu­len! Kollege Hofinger hat es schon ausgeführt und auch für uns ist klar: Wir bekennen uns nicht nur wegen des Regierungsprogramms natürlich zu einem qualitativen Aus­bau der qualitätsvollen schulischen Ganztags- und Nachmittagsbetreuung – das ist wichtig und wesentlich –, sprich: auch der Ganztagsschule, aber – und das ist aus frei­heitlicher Sicht nichts Neues – unter der Prämisse der Wahlfreiheit – ja kein Zwang! – und der Freiwilligkeit. Dann kann man das gerne ausbauen, dann muss es das Ange­bot geben.

Wir wissen natürlich, dass es von Vorarlberg bis Wien, von Klagenfurt bis Linz, im länd­lichen, im städtischen Bereich große Unterschiede gibt, was den Wunsch der betroffe­nen Kinder und deren Eltern nach Ausbau oder Nichtausbau oder eben Flexibilität im System betrifft, und darauf muss man Rücksicht nehmen. – Das ist das eine.

Das andere – ich glaube, das ist ausreichend von Kollegen Hofinger erörtert worden – ist, dass wir das Geld nicht kürzen, sondern strecken. Deswegen ist auch die Unterstel­lung von Ihnen, Kollege Strolz, nicht richtig, dass wir das Geld anders verwenden. Es wird eins zu eins genau so verwendet, nur halt aus verschiedenen Gründen über einen längeren Zeitraum. Ich glaube, das Wichtige ist einfach, darauf zu achten, was die Menschen, die Eltern für ihre Kinder haben wollen, und sich das dann anzuschauen. Wir wissen, dass es viele Regionen gibt, in denen das eben nicht so gefragt ist. Da sind wir beim zentralen Punkt: Den verschränkten Unterricht, der natürlich sozialistisch gedacht ist, wollen wir einfach nicht haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich noch etwas anderes zu dem konkreten Antrag sagen, was vielleicht in dem Fall für die Opposition nicht so erfreulich ist! Gestern und auch heute schon bei den ersten zwei Tagesordnungspunkten hat man gesehen, dass wir durchaus in der Lage sind, konstruktiv zu arbeiten. Ich freue mich, dass wir es geschafft haben, von diesen totalen Vertagungsorgien der vergangenen Gesetzgebungsperiode Abschied zu nehmen und auch in der Lage sind, einmal zu einem Antrag, wie es jetzt oder dann auch bei weiteren bei den nächsten Punkten der Fall ist, Nein zu sagen, damit wir hier über Bildung und Bildungspolitik entsprechend diskutieren können. Ich hoffe, dass wir das so fortsetzen können. In dem Fall ist es vielleicht für die Opposition nicht so er­freulich, aber ich glaube, es gehört zu einem guten demokratischen Diskurs dazu, dass man sich mit den Dingen auch hier im Plenum auseinandersetzt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hauser. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.52.07

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diese bil­dungspolitische Debatte ist gut, auch, dass wir sie heute führen. Wie Kollege Mölzer schon ausgeführt hat, sind wir auch gerne bereit, Initiativen im Ausschuss abzulehnen, damit man sie hier diskutieren kann.

Ich glaube, auch die Schul- und generell die Bildungspolitik muss man eingebettet in der Philosophie der neuen erfolgreichen Regierung sehen, die jetzt im Widerspruch zur


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Aussage von Kollegen Strolz innerhalb eines halben Jahres schon einiges auf die Rei­se gebracht hat.

Ich darf nur noch einmal wiederholen: Abkehr von der Schuldenpolitik nach 54 Jahren, das ist entscheidend, wichtig und wesentlich; die Zusammenlegung der Sozialversiche­rungen, ein Projekt, das über 30 Jahre niemand angegangen ist, sondern das nur ver­sprochen wurde – diese Regierung macht es, wir sparen also auch hier im System (Zwischenruf bei der SPÖ) –; die Reduktion der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, was auch Geringverdienern maßgeblich entgegenkommt; der Familienbonus Plus, ein riesiges familienpolitisches Projekt, 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zu allen bisher beste­henden familienpolitischen Leistungen (Rufe bei der SPÖ: Ganztagsschulen! Es geht um Ganztagsschulen!) – auch das wird kritisiert, nicht nur in Tirol zum Beispiel von AK-Präsident Zangerl, sondern auch hier im Hohen Haus; zusätzlich 1,5 Milliarden Euro neben allen familienpolitischen Leistungen! (Beifall bei der FPÖ) –; der Kampf gegen den politischen Islam; ein Standortpaket; ein Sicherheitspaket, wie es Österreich noch nicht gesehen hat; und zum Beispiel eine Reduktion der Mehrwertsteuer für Beherber­gungsbetriebe, für 35 000 Betriebe, von 13 auf 10 Prozent – das hat diese Regierung innerhalb eines halben Jahres geschafft. (Abg. Strolz: Das ist das falsche Thema!) Und dann gehst du, lieber Kollege Strolz, her und sagst: Es passiert nichts, wir machen nichts. Das ist ein bisschen zu wenig! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Nun zu den schulischen Problemen: Auch da müssen wir anpacken. Ich habe schon mehrmals gesagt, dass nach den desaströsen Ergebnissen beim Pisa-Test et cetera vieles zu tun ist. Auch wenn die SPÖ hier lachen mag, ist vieles zu tun, und der erste wichtige Schritt war einmal die Einführung der Deutschförderklassen. (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.) Man kann nicht Schüler unterrichten, die einen nicht verste­hen. Und dieses Projekt kostet Geld, das ist zu finanzieren; das wird finanziert, aber das war dringend notwendig.

Und nun kritisieren Sie, dass wir das Budget von 750 Millionen Euro zum Ausbau der Ganztagsschulen erstrecken. (Abg. Strolz: Ja!) Das ist notwendig, weil wir vorher auch andere wichtige Sachen, unter anderem Deutschförderklassen, zu finanzieren haben. Alles geht nicht! Wir können nicht alle Baustellen der alten Regierungen von heute auf morgen innerhalb eines halben Jahres wegräumen. Das schaffen nicht einmal wir, ob­wohl wir unglaublich engagiert sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ganztagsschulen – Kollege Mölzer hat das angesprochen: Wir wollen auch keinen ver­schränkten Unterricht. (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.) Wir wollen die Wahl­freiheit haben, die ist für uns wichtig, das heißt, am Vormittag der Unterricht und am Nachmittag dann die wahlweise Betreuung. Wir werden auch zukünftig nicht in der Lö­welstraße nachfragen, ob wir Eltern unsere Kinder am Nachmittag selber betreuen dürfen oder nicht. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das soll jeder Elternteil wahlweise für sich selber entscheiden. Das ist der Anspruch, und so wollen wir das ha­ben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir diese Wahlfreiheit umsetzen und die Ganztagsschulen mit dem Budget von 750 Millionen Euro einführen, dann wird man auch die Vereine und Institutionen in die wahlweise Ganztagsbetreuung miteinbinden müssen, damit die Schülerinnen und Schü­ler auch am Abend wirklich noch Zeit haben, eine gewisse Zeit mit ihren Eltern zu ver­bringen.

Noch ein Wort zu den Gemeinden – das kommt hier immer zu kurz –: 45 Prozent der österreichischen Gemeinden sind nicht in der Lage, ausgeglichene Budgets herzustel­len. (Abg. Plessl: Und warum?) – Warum? Ja, die Frage stellt ihr? (Abg. Plessl: Weil Sie immer mehr Druck machen!) Genau das ist die richtige Frage, SPÖ! Ihr habt über zehn Jahre den Bundeskanzler gestellt, ihr habt den Finanzausgleich verhandelt. (Zwi-


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schenruf des Abg. Rossmann.) Dieser Finanzausgleich, der nach wie vor auf dem ab­gestuften Bevölkerungsschlüssel fußt und kleine Gemeinden benachteiligt, wurde trotz unserer Kritik fortgesetzt, und jetzt fehlt Gemeinden vielfach das Geld, sofort die Ganz­tagsbetreuung umzusetzen. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.) Es muss schon wehtun. Ich merke immer, dass die Wahrheit un­glaublich wehtut.

Hier herzugehen, Sachen zu fordern und im Vorfeld die Voraussetzungen nicht zu schaffen!? – Schaut einmal bitte: Wieso habt ihr denn beim Finanzausgleich nicht da­rauf geschaut, dass die Gemeinden auch das Geld haben, um die Ganztagsbetreuung umzusetzen? (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ, FPÖ und Liste Pilz.) Es ist billig, sehr billig, herzugehen und alles zu kritisieren, nachdem man bis vor einem halben Jahr den Bundeskanzler gestellt hat und genau für diese Dinge zuständig und verant­wortlich war. Das ist zu schwach, das ist billige Polemik, die auch draußen in der Be­völkerung überhaupt nicht ankommt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wissen, dass wir die Ganztagsschulen brauchen, wir wissen, dass die Gemeinden vielfach das Geld nicht haben, auch da ist die Regierung gefordert. (Abg. Plessl: Was machen Sie? – Abg. Wittmann: Das ist Ihr Minister!) Ihr habt das nicht zustande ge­bracht, da nutzt auch das Dazwischenschreien überhaupt nichts. Wir werden hier die finanziellen Voraussetzungen auch für die Gemeinden verbessern müssen, so, wie das der Gemeindeverbandspräsident sagt. Eine Anschubfinanzierung wird nicht reichen, man wird auch darüber nachdenken müssen, wie die zusätzlichen Kosten für die Ge­meinden zu tragen sind, weil, und das sollten Sie wissen, die Gemeinden auch für das Personal im Grundschulbereich zuständig sind. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wittmann: Richten Sie das Ihrem Minister aus, das wäre eine Idee! – Ruf bei der FPÖ: Wiener Neustadt war schon fast bankrott! – An­haltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

13.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Schandor. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.59.06

Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Meine Damen und Her­ren auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ich möchte an meine Vorred­ner anschließen: Uns geht es um den bedarfsgerechten Ausbau der ganztägigen Schul- und Betreuungsformen vor allem im Pflichtschulbereich unter Berücksichtigung der Wahlfreiheit und der schulpartnerschaftlichen Mitbestimmung. Dafür stehen 750 Mil­lionen Euro zur Verfügung, wir haben das heute schon gehört. An dieser Summe hat sich auch nichts geändert, es werden also keine Mittel gekürzt oder gestrichen, son­dern der Zeitraum wird gestreckt. (Abg. Zanger: Bravo!)

Damit erreichen wir, dass die Mittel für den Ausbau der ganztägigen Schulformen über einen längeren Zeitraum, es sind sieben Jahre, bereitstehen, und so auch von den Ge­meinden als Schulerhaltern genau dann in Anspruch genommen werden können, wenn auch die notwendigen Mittel in den Gemeindekassen vorhanden sind. Somit kann ein Ausbau des Angebots an ganztägigen Schulformen effizient und effektiv erfolgen. Es ist nämlich nicht nur die Infrastruktur, es betrifft die Verpflegungsbereitstellung, es be­trifft die Betreuung. Da gibt es also Folgekosten, die die Gemeinde zu tragen hat. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Die bisherigen Budgetmittel für neue Ganztagsplätze wurden von den zuständigen Ländern nicht zur Gänze abgerufen. Ich habe dazu recherchiert. Es sind seit 2011, und


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das ist eine beachtliche Summe, an die 550 Millionen Euro für Ganztagsplätze aufge­wendet worden. Wir gehen davon aus, dass die Streckung der Mittel zunächst keine negativen Auswirkungen hat, weil eben für 2018 aus der Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern noch Geld für den Ausbau zur Verfügung steht.

Unser Ziel ist nach wie vor die Erhöhung der Anzahl der Betreuungsplätze – wir stre­ben die 40 Prozent auch nach wie vor an –, wir wollen aber keine verpflichtende Ganz­tagsschule (Abg. Plessl: Sehr schade!), sondern wir wollen ein bundesweites Angebot an Ganztagsschulen, und zwar – das ist heute schon gekommen – auch in verschränk­ter und getrennter Form.

Ich möchte das noch einmal erklären, weil viele das gar nicht verstehen. Die ver­schränkte Form erstreckt sich auf den Unterricht, es gibt inkludierte Lern- und Freizeit über den ganzen Tag. Hier werden die Schüler nicht getrennt, sondern sie bleiben in der Klasse, im Klassenverband gemeinsam. Bei der getrennten Form wird hingegen die Tagesbetreuung an den Regelunterricht angehängt, das ist also die Nachmittags­betreuung oder Nachmi, wobei die Schüler hier in Gruppen zusammengefasst werden und der Klassenverband aufgelöst wird. Der Unterschied liegt somit in der Struktur des Tagesablaufs.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, müssen wir aber an der Qualität der Be­treuung arbeiten, denn eines dürfen wir nicht vergessen: Was zählt, sind die Kinder. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Reifen­berger zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.02.38

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehr­te Damen und Herren auf der Besuchergalerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Nachdem ich gestern frisch angelobt wurde, freut es mich besonders, dass ich jetzt die Gelegenheit habe, meine ersten Worte hier im Hohen Haus sprechen zu dürfen. Bevor ich aber auf das eigentliche Thema eingehe, möchte ich ganz kurz noch auf die gest­rige Angelobung zurückblicken.

Mir wurde nämlich zugetragen, dass zwei Kollegen der Sozialdemokratie gestern bei meiner Angelobung aus Protest den Saal verlassen haben, weil ich Mitglied in schla­genden Studentenverbindungen bin. (Abg. Kuntzl: Danke für die Information!) Ich kann Ihnen versichern, dass Sie es nicht geschafft haben, mir diesen schönen Moment der ersten Angelobung zu vermiesen. Mir ist es nämlich gar nicht aufgefallen, dass jemand den Saal verlassen hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Das mag daran liegen, dass mir die Säule die Sicht versperrt, aber auch meiner Familie, die gestern auf der Galerie war, ist es nicht aufgefallen.

Herr Kollege Bacher, Sie wurden mir namentlich genannt. Ich nehme Ihnen Ihr Verhal­ten überhaupt nicht übel. Ich bin es gewohnt, mit Vorurteilen konfrontiert zu werden. (Abg. Kuntzl: Können Sie ein bisschen zur Sache reden?) Sie kennen mich gar nicht persönlich, aber wir sind beide aus dem gleichen Bundesland, aus dem wunderschö­nen Salzburg. Daher würde es mich freuen, wenn Sie mich einmal persönlich kennen­lernen. Ich reiche Ihnen diesbezüglich meine Hand und stehe jederzeit für ein persön­liches Kennenlernen zur Verfügung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In Salzburg leben wir einen sehr wertschätzenden Umgang, auch zwischen den Frak­tionen, und es würde mich freuen, wenn wir das auch hier in Wien so beibehalten könnten. Ich bin der Meinung, dass man über die Parteigrenzen hinweg einen wert-


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schätzenden Umgang pflegen sollte. In diesem Sinne darf ich mich bei jenen Kolle­ginnen und Kollegen ganz besonders bedanken, die mir gestern auch aus anderen Parteien Glückwünsche zu meiner Angelobung überbracht haben.

Nun aber zum eigentlichen Thema: Die Erziehung und Betreuung von Kindern stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Dieses Thema ist einfach zu wichtig und zu sensibel, um zum Schlachtfeld für ideologisch aufgeladene Motive oder für Feldversuche der Oppositionsparteien zu werden. Ich verteidige unseren Plan, die Umsetzung bis zum Jahr 2032 zu erstrecken (Ruf bei der SPÖ: 2032!), und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens brauchen wir eine funktionierende Infrastruktur, die nicht von heute auf morgen gebaut werden kann. Denken Sie zum Beispiel an Küchen, Speisesäle, Spiel- und Sportstätten. Von der Planungsphase bis zur Umsetzung brauchen wir einfach mehr Zeit, als die Opposition vorsieht.

Das zweite große Problem ist aber jenes, dass wir auch bei der quantitativen Bereit­stellung von Betreuungs- und Lehrpersonal ein Problem haben. Wir sind konfrontiert mit einer Überalterung der Lehrerschaft, es steht eine Pensionierungswelle an und die Lücken im Lehrkörper werden jetzt schon immer wieder von Lehramtsstudenten gefüllt.

Zum Dritten möchte ich beim Thema Ganztagsschule noch eines erwähnen: Ganz wichtig ist, dass die Eltern die Wahlfreiheit haben, nämlich zwischen der Nachmittags­betreuung durch die Lehrerschaft, durch das Lehrpersonal auf der einen Seite oder durch die Eltern selbst auf der anderen Seite. Da dürfen keine Vorschriften zum Tragen kommen. Daher sprechen wir uns ganz klar gegen das von der SPÖ immer wieder propagierte System der verschränkten Ganztagsschule aus. Summa summarum sagen wir zu dem vorliegendem Antrag der Sozialdemokratie Nein. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Der das Rednerpult verlassende Abg. Reifenberger und Abg. Ba­cher schütteln einander die Hände und unterhalten sich kurz.)

14.06

14.06.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

So gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 169 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

14.06.555. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 192/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisie­rung im Bildungsbereich (170 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bacher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.07.24

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Lieber Kollege Reifenberger, wir haben uns ja jetzt noch ganz kurz aus­gesprochen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Höbart: Sehr schön!) Ich weiß


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nicht, wo das herkommt, dass ich Burschenschafter kritisiert hätte oder gestern den Saal verlassen hätte, weil Sie Burschenschafter sind. Das habe ich weder irgendwo behauptet noch irgendwo geschrieben noch sonst etwas. (Abg. Noll: Na so tolerant!)

Tatsache ist aber, dass verschiedene Burschenschaften öffentlich in der Kritik sind. Deshalb muss man es manchmal mit seinem Gewissen vereinbaren, bevor man ge­klärt hat, wie die Sachlage ist, wie man damit letztendlich umgeht. Ich nehme Ihr Ange­bot gerne an. Wir können uns über die Burschenschaften einmal unterhalten. – So weit zu unserem gemeinsamen Bundesland.

Liebe FPÖ! Gerade Kollege Hauser hat ja da vorhin so richtig vom Leder gezogen. Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie das, was Sie geleistet haben – und Sie behaupten ja von sich selber, Sie seien die beste Regierung aller Zeiten (Abg. Höbart: Richtig!) –, immer so betonen müssen. Taten sprechen ja für sich. (Abg. Höbart: Viele, viele Ta­ten!) Wenn es so ist, wird sich das zeigen. Sie müssen das nicht immer lauthals rausposaunen. Es kommt mir ja gerade so vor, als müssten Sie sich selber Mut zu­sprechen, dass es so ist, damit Sie es letztendlich auch glauben können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Heute ist etwas für mich sehr Bemerkenswertes passiert. Ich bin nämlich sehr oft als Sachverständiger bei Arbeitsrechtsprozessen in Sachen Arbeitszeit geladen. Heute Früh bei der Fragestunde hat die Frau Familien- und Jugendministerin Bogner-Strauß auf die diversen Fragen bezüglich Arbeitszeitflexibilisierung, Normalarbeitszeit und Höchstarbeitszeit einiges vermischt, aber sie hat eine bemerkenswerte Aussage ge­macht: Es kommt zwar zu Flexibilisierung, denn das braucht die Wirtschaft, aber es wird auch die Zuschläge geben.

Liebe Kollegen von der ÖVP und von der FPÖ, eines passt nicht zusammen: Zu­schläge und gleichzeitig Flexibilisierung, das gibt es nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.) Wenn es so ist, dann treten Sie den Beweis an und zeigen Sie uns, wie wir flexibilisieren, wie wir die Zeiten aufteilen und trotzdem den Leuten die entsprechenden Zuschläge zahlen – es wird nicht gelingen! (Abg. Belako­witsch: Na wenn Sie das jetzt schon wissen, dann ist das sehr sachliche Kritik!)

Zum Thema Strategie 4.0, über das wir gerade reden: Zu den vier Säulen der Strategie Schule 4.0 gehört erstens die digitale Grundbildung an der Volksschule. Wir brauchen dazu die digital kompetenten PädagogInnen, die Infrastruktur, die IT-Ausstattung und die digitalen Lerntools. Wir haben das schon öfter erörtert, gerade auch im Rahmen der Budgetdebatten hier, und ich denke, Herr Bundesminister, wir waren uns im Laufe der Debatten dann einig, dass wir diese Digitalisierung entsprechend brauchen. Nur verstehe ich dann nicht, warum wir damit nicht gleich starten. (Abg. Vogl: Ja, genau!) Wir brauchen diese Maßnahmen sofort, jetzt! (Beifall bei der SPÖ.)

Den Entschließungsantrag von ÖVP und FPÖ, der folgen wird, können wir nicht unter­stützen, denn damit wird alles wieder nur hinausgezögert.

Herr Bundesminister, ich habe Sie im Ausschuss gefragt: Wenn die Evaluierung bis 31.12.2018 stattfinden soll, wann können wir dann mit einer entsprechenden Umset­zung rechnen? Sie sagten zwar, Sie werden sich darum bemühen, meinten aber, das könne man jetzt noch nicht festsetzen. Sie konnten weder einen Zeitpunkt noch sonst irgendeinen vagen Zeitraum nennen. Ich sage Ihnen: Die Zeit läuft davon, den Start von Schule 4.0 brauchen wir jetzt! (Beifall bei der SPÖ.)

14.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


14.11.17

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Hie und da frage ich mich, was


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meine Kinder wohl einmal werden. Werden sie Tischler, werden sie Ärzte, Unterneh­mer? Oder werden sie einen Beruf ergreifen, den es heute noch gar nicht gibt? Es ist jedenfalls klar, dass sie rechnen, schreiben und lesen können müssen. Sie werden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Englisch können müssen, und sie werden auch die di­gitalen Grundkompetenzen beherrschen müssen.

Ich bin relativ viel in Unternehmen, und dort höre ich immer, dass ihnen die Fachkräfte fehlen, vor allem im IT-Bereich, und dass das der größte Limitator unseres Wirtschafts­wachstums ist. Das gibt mir schon zu denken und zeigt mir, dass wir unsere Schule ins 21. Jahrhundert heben müssen.

Letzte Woche durfte ich einen Schulbesuch machen und war begeistert. Es war beein­druckend, wie die Schule in der Koppstraße digitale Materien in den Unterricht inte­griert. Ich habe dort gesehen, wie die Schüler dort die Mathematikaufgabe auf Tablets bekommen, die Aufgabe dann im Heft lösen und am Tablet die Antwort eingeben. In Sekundenschnelle haben sie dann ein Feedback, ob die Antwort richtig oder falsch ist, und dieses unmittelbare Feedback erhöht natürlich die Motivation. Der Lehrer hat sich dann nicht mehr mit der Korrektur zu beschäftigen, sondern kann zum Tutor werden. Er unterrichtet nicht mehr Standardwissen, sondern eigentlich Schüler. Er kann indivi­duell auf Stärken und Schwächen der einzelnen Schüler eingehen, und das ist beein­druckend.

Was habe ich dort noch gesehen? – Die Schüler mussten aus Plastilin eine mathema­tische Formel legen und ein Video darüber drehen. Natürlich konnten sie am Ende die Formel aus dem Effeff. Wenn ich sie um halb zwei in der Nacht geweckt hätte, hätten sie sie auch gekonnt. Diese Art des Unterrichts erfordert sehr viel Eigeninitiative der Lehrenden, und an dieser Stelle möchte ich diesen einen großen Dank aussprechen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Vogl.)

Abgesehen von der Verwendung von digitalen Werkzeugen im Unterricht müssen wir aber natürlich auch über die Vermittlung von digitalen Grundkompetenzen sprechen. Mit der Einführung des Faches Digitale Grundbildung ab der Sekundarstufe I wurde ja seitens des Bildungsministeriums schon der erste Schritt gesetzt. Es ist sehr gut, dass das Bildungsministerium nun die Kompetenz vom Kindergarten bis zur Universität hat, denn natürlich müssen wir mit der Vermittlung von digitalen Grundkompetenzen schon viel früher beginnen – und das natürlich spielerisch. Um jedem Vorurteil gleich vorzu­greifen: Das bedeutet nicht ein stundenlanges Spiel auf dem Handy. Das ist ein Vorur­teil, das so nicht stimmt. Es gibt andere tolle Spiele, die dazu beitragen, dass Schüler logisch denken lernen, durch die ihnen gemeinsam das Coden beigebracht wird.

Meine Damen und Herren, in unserem Parlamentsklub bin ich für das Thema Digitali­sierung zuständig, aber auch als Mutter und Unternehmerin werde ich nicht müde, die Notwendigkeit eines Updates unseres Bildungssystems im Bereich Digitalisierung zu betonen. Was wir jetzt dafür brauchen, ist ein Plan, wie wir weiter vorgehen. Dieser soll auf dem Projekt Schule 4.0 aufbauen, aber auch die Stärken und Schwächen der letz­ten eineinhalb Jahre berücksichtigen. Dazu brauchen wir eine aktuelle IKT-Erhebung, denn die letzten Zahlen sind aus dem Jahr 2015, und das ist im IT-Bereich Steinzeit.

Wir brauchen auch eine transparente Kosten-Nutzen-Analyse des Einsatzes digitaler Medien. Wir brauchen auch eine bessere Ausbildung im digitalen Bereich, um die Pä­dagogInnen zu unterstützen und ihnen vor allem den Respekt vor dem Thema zu neh­men. Wir dürfen von ihnen aber auch verlangen, dass sie diese Angebote der Weiter­bildung im digitalen Bereich nutzen. Natürlich brauchen wir auch eine Analyse, welche Standardlerninhalte eventuell verringert werden können, damit Platz für Neues wie für digitale Inhalte ist. Wir werden auch Geld brauchen. Das ist eine Investition in die Zu­kunft. Hier werden wir mehr budgetäre Mittel brauchen, die übrigens in der Vergangen­heit für die Schule 4.0 nie budgetiert waren.


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Ich freue mich sehr, dass unser Bildungsminister bis Ende des Jahres einen Bericht zu seinen Vorhaben im Bereich Digitalisierung in der Bildung vorlegen wird. Herr Bundes­minister, wir haben es in der Hand, unser Bildungssystem in das 21. Jahrhundert zu führen, und ich wünsche uns allen dabei eine gute Reise. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Gamon zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.15.45

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns hier im Haus alle darüber einig, dass die Digitalisierung alle Lebensbereiche umfasst und daher eine große Herausforderung darstellt. Auch sind wir uns darüber einig, dass es eine Querschnittsmaterie ist, sodass dies so einfach nicht zu lösen ist. Es kommen dann aber relativ oft solche Sätze wie: Das System muss fit für den digitalen Wandel gemacht werden!, und so weiter.

Wir werden diesem Antrag zustimmen, aber ich möchte betonen, dass die Messlatte hier schon so niedrig gelegt ist, dass es meiner Meinung nach fast schon peinlich ist. Wir müssten nämlich zu dieser Zeit eigentlich schon wesentlich weiter vorne sein, was die Entwicklung betrifft.

Die Abgeordnete Griss hat gestern in einer Rede sehr schön herausgearbeitet, worum es eigentlich geht. Es geht nicht darum, quasi die elektrifizierte Bildung zu haben, also dass Dinge, die vorher in Büchern gestanden sind, danach in einem Tablet abrufbar sind, sondern es geht um Digitalisierung. Dabei geht es darum, wie man in einer digi­talen Welt auch anders lernt. Es geht auch um die Inhalte, die dazugehören, die man braucht, um selbstbewusst und selbstbestimmt in einer digitalen Welt leben zu können, dort Medien zu konsumieren, kritisch denken und handeln zu können. Das ist ein an­derer Ansatz als dieser hier, bei dem es oft lediglich darum geht, Instrumente dafür zur Verfügung zu stellen.

Die Kommissarin für Digitale Wirtschaft, die gestern hier im Parlament war, hat er­wähnt, dass es in ganz Europa um die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung sehr schlecht steht. Zum Beispiel haben nur 56 Prozent der EuropäerInnen die digitalen Kompetenzen, die die Europäische Kommission als notwendig erachtet. In Österreich stehen wir mit 66 Prozent noch relativ gut da, aber das ist ja auch etwas, das verloren geht, wenn man nicht ständig weiter daran arbeitet, diese Systeme auch weiterzuent­wickeln und die Pädagogik auch auf den neuesten Stand zu bringen.

Dänemark und die Niederlande liegen, wie man sich vorstellen kann, vor uns. Dort sind es jeweils 78 und 77 Prozent, da haben wir noch ein großes Stück aufzuholen. In den Niederlanden zeigen die Schulen natürlich auch, wie das geht. Da gibt es zum Beispiel eine Schule, die Synergieschule heißt. Dort sind neue Technologien relativ selbstver­ständlich auch in den Unterricht integriert und werden dort auch mitgelebt. Die Schü­lerInnen lernen dort sehr verantwortungsvoll mit Technik umzugehen, lernen relativ spielerisch, wie man programmiert, und der Umgang damit ist dort ganz natürlich. Das ist wie die Luft, die man zum Atmen braucht. Wenn man in diese Schule geht, gehört das dort eben dazu.

Ich finde, es fällt vielleicht in die Kategorie Akzeptanz, dass wir das akzeptieren müs­sen, auch politisch akzeptieren müssen, dass das die neue Welt ist, in der wir uns längst befinden. Das ist kein Wandel, der auf uns zukommt, wir sind längst da und ha­ben einen enormen Aufholbedarf. Ich denke, wenn wir diesen Schritt einmal gesetzt haben, zu dem Thema Akzeptanz zu kommen, werden wir auch bereit sein, wirklich


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progressive Maßnahmen zu setzen, um das Thema Digitalisierung in der Schule auch entsprechend angehen zu können. (Beifall bei den NEOS.)

14.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hauser zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.19.13

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Minister! Hohes Haus! Ich stimme bei diesem Thema der Kollegin Gamon zu, die richtige Schritte aufgezeigt hat. Kollege Bacher, wenn Sie uns auffordern, jetzt in der Schule mit der Digitalisierung zu starten, dann haben wir wohl die letzten zehn Jah­re verschlafen, und das ist das eigentliche Desaster. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.)

Es wurde Gott sei Dank nicht zur Gänze verschlafen und es ist in unseren Schulen Gott sei Dank wesentlich mehr passiert, aber wenn Sie heute wieder hergehen und sa­gen: Und jetzt starten wir!, dann haben Sie das Thema verfehlt. Wir müssten schon viel weiter sein. Deswegen gebe ich auch Kollegin Gamon inhaltlich vollkommen recht.

Die Digitalisierung hat ja (Abg. Wittmann: Kein Budget! – Zwischenrufe bei der FPÖ) nicht nur die Schule erreicht, sie umfasst alle Lebensbereiche. Bei Tagesordnungs­punkt 1, der Präsentation des EU-Programmes unserer Regierung, wurde mit der Digi­talisierung heute auch richtigerweise ein Schwerpunkt angesprochen. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Sie ist ein Kernthema unserer Regierung. Ich weiß, dass wir mit unserem Unterrichtsminister da auf einem guten Weg sind (Abg. Wittmann: Sie müssen dem Unterrichtsminister auch folgen! Machen Sie etwas!) und dass er nach einer Bestands­aufnahme die richtigen Schritte setzen wird. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Wir müssen die Schule wirklich neu denken. Man kann nicht in alten Rastern denken und sagen: Jetzt machen wir einen Lehrplan, und diesen Lehrplan setzen wir um! Da­für sind die Umbrüche durch die Digitalisierung zu rasch, da kommen wir gar nicht mehr nach. Wir brauchen dynamische Lehrpläne, wir brauchen offene Lehrpläne (Abg. Wittmann: Dann lassen Sie’s gleich bleiben, oder wie?), im Zuge derer wir die Neue­rungen (Abg. Wittmann: Das geht Ihnen zu rasch ...!) der Digitalisierung auch jederzeit in das System hereinnehmen können. Dafür müssen wir gewappnet sein. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Zu glauben, dass Digitalisierung stattfindet, wenn wir unseren Schülern einen Computer oder ein Tablet in die Hand drücken, ist viel zu kurz gegriffen. (Abg. Wittmann: Wo ist das Budget?!) Wir müssen in Wahrheit Lehr­pläne entrümpeln, dynamische Lehrpläne erstellen und der Digitalisierung tatsächlich permanent, stündlich die Chance geben, unseren Unterricht zu erreichen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dafür arbeiten wir und das ist unser Ziel. (Abg. Wittmann: Da muss sogar der Minister lachen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Der lacht immer!)

Die erste Säule lautet: Digitale Grundbildung ab der Volksschule. – Jawohl, es muss bereits in der Volksschule beginnen.

Die zweite Säule: Wir brauchen digital kompetente Pädagoginnen und Pädagogen, die diesen Anspruch zukünftig erfüllen können und müssen. Es kann kein Pädagoge eine pädagogische Hochschule verlassen, ohne selbst mit diesen Instrumenten umgehen zu können. Das ist ja die Grundvoraussetzung!

Wir brauchen außerdem – dritte Säule – an den Schulen eine entsprechende Infra­struktur und IT-Ausstattung. Daran wird gearbeitet, aber da müssen wir auch einiges


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nachholen. WLAN in jeder Klasse ist und bleibt die Grundvoraussetzung – auch das werden wir schaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vierte Säule: Wir brauchen digitale Lerntools. Unterricht wird künftig auch so stattfin­den, dass man ihn mittels Tools oder auch durch das Herbeiholen von Inhalten, mittels Botschaften, Videos und so weiter unmittelbar über Experten in den Schulen stattfin­den lässt, damit unsere Schüler jene Ausbildung bekommen, die sie brauchen, damit wir uns in der digitalen Welt als fortschrittliche Republik präsentieren können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Cox. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.23.25

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Ein neuerliches Hallo an den Herrn Minister! Hallo auch meinen Kolleginnen und Kollegen und den Damen und Herren auf der Galerie! Heute haben wir einige Themen abzuarbeiten, und wir sind bei einem meiner Lieblingsthemen angekommen, das wir schon im Ausschuss des Öfteren diskutiert haben.

Ich habe schon im Zuge meiner Angelobung und in vielen Ausschüssen, in vielen Ge­sprächen über die Digitalisierung im Bildungsbereich gesprochen. Ich merke immer wieder: Man spricht oft von Äpfeln und Birnen. In der Diskussion habe ich häufig be­merkt, dass Menschen das Gefühl hatten, wenn ich Digitalisierung im Bildungsbereich anspreche, spreche ich zum Beispiel davon, Kinder in der Klasse sitzen zu haben, die in die Smartphones hineinstarren – nein, das ist es nicht, wovon ich spreche! –, oder davon, dass wir Lehrer durch Computer ersetzen wollen – das ist es auch nicht, wovon ich spreche.

Es sind Elemente dabei, denn es geht auch um Smartphones und Computer, aber es ist nicht das, was gemeint ist, sondern es geht um die Frage, wie digitale Werkzeuge im Unterricht eingesetzt werden können, um Wissen zu vermitteln, und darum, wie man Kinder und Jugendliche auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorbereiten kann. Mit der Digitalisierung kommen auch Möglichkeiten, die in der analogen Welt nicht gegeben sind und die – auf der anderen Seite – dort nur mit sehr viel Aufwand oder gar nicht realisiert werden können.

Gerade in der digitalen Welt sind individualisiertes Lernen und mehr Gleichheit im Bil­dungsbereich möglich. Da individualisiertes Lernen möglich ist, spielt die Herkunft der Menschen, der Kinder und Jugendlichen, nicht mehr so eine große Rolle, weil man auch auf das Individuum eingehen kann.

Es geht nicht darum, den Wissenserwerb effizienter zu machen – das ist auch etwas, das man oft hört –, es geht nicht darum, alles schneller, größer und noch effizienter zu machen, sondern darum, das Individuum zu fördern, technologische Werkzeuge zu verwenden, mit denen man die Fähigkeiten der Kinder noch mehr herausheben und fördern kann. Digitale Werkzeuge können das.

Dann wird es auch so sein, dass Menschen, die einen bestimmten familiären Hinter­grund haben und eine gewisse Bildung nicht genießen können, auch einen Vorteil ha­ben können.

Ein Beispiel dafür ist Studi.se, eine schwedische Plattform, bei der es darum geht, dass Kinder und Jugendliche, die nicht mit Schwedisch als Muttersprache aufgewachsen sind, sondern eine andere Muttersprache haben, durch Videos und andere Werkzeuge zuerst den Inhalt in ihrer Sprache hören. Das heißt, sie bereiten sich beispielsweise zu


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Hause vor, kommen in die Klasse und haben dann mit der Lehrerin die Konversation in Schwedisch, haben sich aber in ihrer Sprache bereits vorbereitet. Sprachwissenschaft­lerInnen geben uns hier recht. Sie sagen, wenn man in der eigenen Sprache sattelfest ist, wenn man die Muttersprache beherrscht, tut man sich leichter, eine zweite Sprache zu erlernen. Plattformen wie Studi.se werden mittlerweile auch in anderen Ländern wie Deutschland für Menschen mit Migrationshintergrund angewendet. So etwas könnten wir in Österreich auch brauchen.

Das ist nur ein Beispiel, wie man dabei helfen kann, solche Werkzeuge im Unterricht einzusetzen, und den Unterricht individualisiert gestalten kann. Da geht es um die Indi­vidualisierung. Es braucht viel mehr Möglichkeiten, wie man vom Frontalunterricht weg­gehen und auch die LehrerInnen entlasten kann. Das ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, der im Zusammenhang mit den digitalen Werkzeugen unterschätzt wird. Soft Skills sind aber trotzdem wichtig und richtig, es muss der Kontakt im Klassenraum trotzdem ge­geben sein.

Darüber hinaus gilt es, einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu haben. Wenn man es sich anschaut: Jeder dritte Internetnutzer auf der Welt ist ein Kind. Das heißt, es ist wichtig, auch Kindern Medienkompetenz beizubringen.

Um die Digitalisierung im Bildungsbereich aber sinnvoll einsetzen zu können, gibt es zwei Grundvoraussetzungen: gut ausgebildete Lehrer und Infrastruktur. Die Infrastruk­tur wurde schon erwähnt. Wir wissen seit dem Jahr 2016, dass im Pflichtschulbereich 50 Prozent der Klassen kein WLAN in der Klasse haben. Das kann im Jahr 2018 nicht sein. Da müssen wir investieren. Wenn man zum Beispiel über die Grenze schaut: In Deutschland hat man im Koalitionsvertrag beschlossen, 5 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren zu investieren, um den Ausbau der IT-Infrastruktur an Schulen zu fördern. Ich würde mir von unserer Regierung ein Commitment, ein entschlossenes Vorgehen wünschen, wenn es um IT-Infrastruktur geht, und fordere es an dieser Stelle.

Zu den gut ausgebildeten Lehrern: Wir diskutieren hier die Digitalisierungsstrategie Schule 4.0, das heißt, in dem Papier kommen die Infrastruktur, aber auch die gut aus­gebildeten Lehrer vor. Ich glaube, da müssen wir einen Zahn zulegen – wir haben das schon öfter diskutiert und sind dabei. Da muss ich Kollegen Hauser widersprechen: Nur weil man zehn Jahre geschlafen hat, heißt das nicht, dass man die nächsten zehn Jahre auch noch schlafen muss. (Beifall bei der Liste Pilz. – Ruf bei der FPÖ: Das hat er ja gar nicht gesagt! Bitte sinnerfassend zuhören!)

Es geht darum: Wenn wir etwas verschlafen haben – und meiner Meinung nach sollten wir schon viel, viel weiter sein –, ist das keine Ausrede dafür, dass man Dinge jetzt noch weiter hinauszögert.

Wir werden auf jeden Fall zustimmen. Je früher, desto besser – ich hoffe, Sie schaffen die Evaluierung vielleicht noch vor Ende des Jahres, und ich wäre auch sehr interes­siert, zu sehen, was genau dabei herauskommt und welche Schritte dann gesetzt wer­den, denn Evaluierung heißt noch immer nicht Umsetzung. – Nummer eins.

Nummer zwei: Ich würde mir eine Präzisierung wünschen, denn diese Infrastruktur und diese Lehrkräfte, die ich gerade erwähnt habe, sind wichtig, diese Punkte müssen prä­zisiert werden, wenn es um die Umsetzung geht.

Wir müssen einen Zahn zulegen. Ich möchte, dass wir in diesem Bereich Vorreiter sind, und nicht, dass wir nachziehen müssen und in zehn Jahren vielleicht darüber dis­kutieren: Haben wir es verschlafen oder nicht? Ich glaube, es gibt eine Möglichkeit, aber wir müssen echt einen Zahn zulegen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

14.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte schön.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 108

14.30.09

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lernen mit allen Sinnen: Die Pädagogik von Maria Montessori ist aktuell wie nie zuvor. Mit al­len Sinnen bedeutet: Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken. Diese Art der Pädagogik gibt unseren Kindern die Möglichkeit, nach ihren individuellen Bedürfnissen zu lernen und das Gelernte nachhaltig abzuspeichern. Als ehemalige Volksschullehre­rin weiß ich, dass diese Art des Lernens natürlich nicht für alle Schulstufen geeignet ist, aber gerade im Grundschulbereich brauchen unsere Schülerinnen und Schüler diese breite Palette.

Warum komme ich darauf zu sprechen? – Die Digitalisierung schreitet in einem gewal­tigen Tempo voran. Wir haben dabei die Aufgabe, darauf zu achten, alle Menschen hinsichtlich dieser Thematik aufzufangen und mitzunehmen. In der letzten Legislatur­periode wurde die Digitalisierungsstrategie Schule 4.0 ausgearbeitet. Man könnte sich natürlich auch fragen, ob es nicht auch schon ein bisschen zu spät dafür war.

Sprechen wir aber über Schule 4.0: Diese Strategie ist auf vier Säulen aufgebaut. Die erste Säule ist die digitale Grundbildung ab der Volksschule. – Meine Damen und Her­ren, digitale Grundbildung kann schon im Kindergarten beginnen, aber verfallen wir nicht auf den Glauben, es wird alles besser, wenn wir den Kindern ein Smartphone oder einen Laptop in die Hand drücken. Das ist nicht mein Verständnis von digitaler Grundbildung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zanger.)

Es muss einen ganz klaren Auftrag geben, welche Inhalte transportiert werden sollen, denn der bloße Einsatz von technischen Hilfsmitteln ersetzt niemals die wichtigen Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Bildungspolitik darf nicht in Headlines stattfinden. Wir hatten ja die Headline: Jedem Kind ein Tablet! Unser Zugang ist sachlich, und ich werde Ihnen auch gerne die weiteren Inhalte dazu darle­gen.

Die zweite Säule der Schule 4.0 sind digital kompetente Pädagoginnen und Pädago­gen. Digital kompetente Pädagoginnen und Pädagogen fallen allerdings nicht vom Him­mel, sie müssen ausgebildet werden. In der Lehrerausbildung Neu, die seit 2016/2017 in Kraft ist, ist die digitale Bildung sehr gut verankert. Leider ist in den Jahren davor zu wenig in diesem Bereich passiert, und ich bin sehr froh, dass vonseiten des Bildungs­ministeriums, des Bildungsministers ein entsprechender Schwerpunkt in der Fortbil­dung unserer Pädagoginnen und Pädagogen angestrebt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die dritte Säule ist Infrastruktur und IT-Ausstattung. Da sind wir auf einem guten Weg zum flächendeckenden Glasfaserausbau, den wir auch weitergehen werden, denn das ist die Grundlage für jegliche Digitalisierung.

Die vierte Säule, meine Damen und Herren, sind digitale Lerntools. Meiner Meinung nach brauchen wir auch mehr Freiheit bei der Schulbuchbestellung. Die derzeitige Re­gelung sieht vor, dass man als Schulleiter mit seinem Kollegium nur 15 Prozent des Gesamtbudgets für Unterrichtsmittel eigener Wahl ausgeben kann. Da brauchen wir im Zuge der Autonomie einen größeren Handlungsspielraum.

Diese digitale Strategie, die ich nun kurz erläutert habe, startete im Schuljahr 2017/18, das ist das laufende Schuljahr.

So wie ich Herrn Bundesminister Faßmann kennengelernt habe, wird er sich dann sehr gut anschauen, wie das Schuljahr verlaufen ist, es analysieren und einen Bericht vorle­gen, wie seine Vorstellungen im Hinblick auf Schule 4.0 ausschauen. So funktioniert eine besonnene Bildungspolitik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.34

14.34.49



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 109

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 170 der Beilagen hinsichtlich des Antrages 192/A(E) zur Kenntnis zu neh­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 170 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Digitalisierung im Bildungsbereich“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 22)

14.35.276. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 161/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung ei­nes Chancen- und Innovationspakets für die österreichischen Schulen (171 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hammerschmid. – Bitte.


14.35.55

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Es geht jetzt um einen Antrag, den die NEOS eingebracht haben, Chancen- und Innovationspaket genannt. Wir haben immer Chancenindex dazu gesagt und diesem Antrag der NEOS im Unterrichtsausschuss auch zugestimmt, denn es war uns im sozialdemokratischen Klub immer wichtig, dass wir Schulen nach ihren Bedürf­nissen finanzieren und ihnen jene Mittel zukommen lassen, die sie brauchen, um Unterricht ansprechend und vor allem so gestalten zu können, wie es die Schülerinnen und Schüler der jeweiligen Schulen brauchen.

Dieser Chancenindex, wie wir ihn genannt haben, ist ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, um Schule gelingen zu lassen, und auch, um der Bildungsvererbung, die wir in Österreich ganz manifest ausgeprägt haben, ein Stück weit entgegenzuwirken und Chancen für benachteiligte Kinder zu eröffnen.

Was wir in der letzten Regierungsperiode ebenfalls gemacht haben, ist, diesen Chan­cenindex im Zuge des Bildungsreformpaketes 2017 auch entsprechend zu verankern. Wir haben ihn entlang von sechs Kriterien definiert, denn bis dato war Schule im We­sentlichen über die SchülerInnenzahl und über einen zu kurz gegriffenen sonderpäda­gogischen Förderbedarf definiert.

Wie also haben wir diesen Chancenindex definiert? – Kriterien sind die Zahl der Schü­lerinnen und Schüler – das ist klar –, das Bildungsangebot – sprich die Schwerpunkte der Schulen –, der sozioökonomische Hintergrund der Eltern, der Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler, deren Alltagssprache und die regionalen Bedürfnisse. Das sind die Themen, denn wir wissen alle, dass Schulen in ländlichen Regionen anders sind als Schulen in urbanen Regionen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 110

Was es jetzt noch dazu braucht, Herr Bundesminister, ist – und ich weiß, dass Sie im­mer wieder auch in den Medien betont haben, dass Sie sich das durchaus vorstellen können –, dass ein chancen- und bedarfsgerechterer Finanzierungsvorgang angestrebt wird. Eine Verordnung, die wir in der letzten Legislaturperiode trotz aller Bemühungen nicht mehr geschafft haben, soll diesen sozioökonomischen Hintergrund auch entspre­chend definieren; ich bitte Sie wirklich, dies umzusetzen.

Falls es noch Überzeugungsarbeit braucht: Ich habe Ihnen zwei Beispiele mitgebracht, Beispiele aus England, die sehr schön veranschaulichen, wie es gehen kann. Pupil Premium – ich weiß nicht, ob Sie es kennen – wurde 2013 von David Cameron einge­führt und damit von einer konservativen Regierung, die, wie ich meine, ein Vorbild für Sie sein könnte. Ganztägige Schulen sind in England seit langer, langer Zeit gang und gäbe, und somit gibt es auch Schulessen. Was man gemacht hat, ist, dieses Schul­essen an Kinder aus Familien, die bildungsferner und sozioökonomisch schwach auf­gestellt sind, gratis und kostenfrei auszugeben.

Deshalb wissen die Behörden, wie die Zusammensetzung an welchen Schulen ist, wo es ganz besonders viele Kinder gibt, die aus bildungsferneren oder sozioökonomisch schwachen Familien kommen. Aufgrund der Erkenntnis aus diesen Zahlen und Daten haben sie veranlasst, dass jene Schulen einfach wesentlich mehr Mittel bekommen: Bis zu 62 Prozent mehr Ressourcen werden jenen Schulen bereitgestellt, die besonde­re Herausforderungen haben, 62 Prozent mehr Ressourcen, die die Direktorinnen und Direktoren selbst vergeben können. Sie können entscheiden, was ihre Schule braucht – mehr Sozialarbeiter, mehr PädagogInnen oder mehr PsychologInnen – und welche Maß­nahmen sie setzen wollen.

Das zweite Beispiel ist die London Challenge, ein auf diesen Ballungsraum fokussier­tes Maßnahmenpaket. Sie wurde 2003 ins Leben gerufen, und der Ausgangspunkt war, dass Sekundarschulen in London bei den Bildungskennzahlen extrem schlecht abgeschnitten haben. Dazu kamen dann noch Probleme mit Drogen, Gewalt und Mob­bing. In Österreich würde man Brennpunktschulen dazu sagen, obwohl ich diesen Ter­minus wirklich nicht gerne verwende.

Was wurde gemacht? – Es wurden Kriterien definiert, auf deren Basis Schulen ent­sprechend unterstützt wurden. Es wurden Lern- und Schulentwicklungsbegleiter und -be­gleiterinnen für diese Schulen bereitgestellt. Die Pädagoginnen und Pädagogen wur­den nachqualifiziert und besonders für die spezifische Situation ausgebildet, und es gab auch Anreizsysteme für Pädagoginnen und Pädagogen, genau an diesen Schulen zu unterrichten. Zusätzlich kamen Teach-First-Lehrerinnen und -Lehrer dazu, was bei uns Teach For Austria entspricht, und es wurde auch ein Peer-Learning-System instal­liert, nach dem diese Schulen mit stark abschneidenden Schulen verbunden, vernetzt wurden und von deren Erfahrungen lernen konnten.

Das Ergebnis war überwältigend. Diese London Challenge konnte bereits 2011 wieder eingestellt werden, weil die Ergebnisse so gut waren. Die vormals schlechtesten Schu­len waren plötzlich die besten Schulen in London, und das zeigt, Herr Minister, dass Mitteleinsatz, Ressourceneinsatz in die Autonomie der Schulen zu überführen sind. Das lohnt sich wahrlich, denn es geht da wirklich um Chancen für unsere Kinder und jungen Menschen. Nehmen Sie Geld in die Hand und finanzieren Sie die Schulen so, wie sie es wirklich brauchen, mit mehr Mitteln, nicht nur mit den 8,8 Milliarden Euro – diesen Betrag kennen wir beide gut –, sondern mit wesentlich mehr Mitteln, damit ge­nau jene Schulen die Ressourcen bekommen, die sie wirklich brauchen! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

14.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Rosenberger. – Herr Abgeordneter, bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 111

14.42.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Liebe Kollegin Hammerschmid! Der Kern des Antrags der NEOS, den ich dann vielleicht präzisieren darf, sind mehr finanzielle Ressourcen. Die Bildungsressourcen, die in Österreich verteilt werden, hängen zum Teil vom Bundesbudget ab, insgesamt aber auch von den Ländern und von den Gemeinden. Es funktioniert nicht so einfach, als dass man aus Einzelbeispielen, die irgendwo in Europa zu finden sind, eine Lösung für unsere Bildungsprobleme ableiten könnte, nämlich ganz einfach mehr Ressourcen. Der Vorschlag im Antrag der NEOS, die Verteilung der Mittel an den Bildungshinter­grund der Eltern zu binden, hat noch einen zweiten Aspekt, der erwähnt wurde, dass nämlich die AHS, die Gymnasien in die Pflicht genommen werden sollen; ich habe das auch immer wieder den Pressemeldungen entnommen. Das ist ein Widerspruch: Die Schulautonomie, die ansonsten von den NEOS als große Lösung propagiert wird, widerspricht dem Ansatz, die Schulen in die Pflicht zu nehmen. Das ist nicht wirklich glaubwürdig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die weitere Begründung ist, dass man damit Schülerströme lenken will. Das funktio­niert, so denke ich, auch nicht. Es ist eine Reaktion auf bestehende Schwierigkeiten. Dass man Schulen, die sich in schwierigen Situationen befinden, mehr finanzielle Mittel geben kann, dem kann ich etwas abgewinnen. Das hat uns auch Bundesminister Faß­mann immer wieder wissen lassen. Die soziale Durchmischung hängt jedoch nicht nur von den Schulen ab, sondern auch von den städtebaulichen Gegebenheiten, von der Siedlungsstruktur. Dass sich Schülerströme allein deswegen ergeben, weil Schulen mehr Ressourcen haben, ist zu bezweifeln.

Sozioökonomische Faktoren oder der Bildungshintergrund sind nur sehr schwierig zu erfassende Parameter, um, ich sage es jetzt einmal ganz einfach, eine Formel zu finden, nach der man Gelder an die Schulen verteilt. Da ist die Treffsicherheit infrage zu stellen. Wenn man eine solche Verordnung erlässt, damit einen Verteilungsmodus fixiert und dann merkt, dass er nicht treffsicher ist, wird es sehr schwierig, diesen wie­der zu revidieren. Da wird man einiges an Unsicherheit in die Schulen tragen.

Wenn es um Chancengerechtigkeit geht, möchte ich noch festhalten: Wir haben in Ös­terreich eine Situation, in der es keinen Bildungsweg gibt, der in die Sackgasse führt. Wir haben die Berufsreifeprüfung, wir haben die Studienberechtigungsprüfung, wir ha­ben Überbrückungskurse, wir haben Externistenprüfungen. Man muss also auch die Chancen ergreifen, die es gibt, und das liegt auch am Engagement des Einzelnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Bildungsbudget wurde beschlossen. Der Ruf nach zusätzlichen Mitteln ist da et­was zu einfach, weil letzten Endes die Gefahr besteht, dass in der Untergliederung Bil­dung eine Umschichtung stattfindet, und wenn da im Hintergrund mitschwingt, Mittel von den Gymnasien abzuziehen, dann ist das wirklich abzulehnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auch aus der Innovationsstiftung für Bildung können einzelne Projekte gefördert und fi­nanziert werden; da können also Gelder abgeholt werden.

Zusammenfassend ist der Grund für die Ablehnung dieses Antrags seitens der Regie­rungsfraktionen, dass die Treffsicherheit nicht gegeben und dass die budgetäre De­ckung derzeit auch nicht vorhanden ist. Daher wurde der Antrag von uns abgelehnt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Strolz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 112

14.46.17

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Na ja, einige Dinge, Herr Rosenberger, kann ich aufklären – also danke der Nachfrage! Ob es viel Sinn macht, weiß ich nicht, denn ich habe es im Ausschuss auch schon versucht, aber gerne noch einmal.

Erstens: Ist es ein Widerspruch, in bildungspolitische Maßnahmen Anreizdynamiken für das Schulsystem einzubauen und gleichzeitig die Autonomie hochzuhalten? – Nein, ist es nicht! Aufgabe der Politik ist es natürlich, eine Idee zu entwickeln, wohin man ein System, ein Schulsystem bewegen und entwickeln will, und dazu wird man natürlich Lenkungsmaßnahmen brauchen.

Wo Sie recht haben, ist, dass NEOS immer vorsichtig ist und Zwang nie das Mittel der ersten Wahl ist. Wenn ich daher sage, AHS in die Pflicht nehmen, meine ich in erster Linie die moralische Pflicht und würde natürlich mit Anreizen arbeiten – und ein Anreiz wäre, Herr Minister, natürlich dieses Innovationspaket von 500 Millionen Euro, das wir hier vorschlagen, weil wir glauben, dass wir die Schulen in ihrer Autonomie stärken sollten.

Alle fünf Fraktionen sagen immer, ja, die Schulen sollen autonomer werden et cetera, aber sobald es darum geht, dass sie auch nur einen einzigen Euro selbst ausgeben dürfen, dann liegen die Nerven blank, dann kommt quasi wieder die große Steue­rungsillusion der Bildungspolitiker aus dem 20. Jahrhundert hoch, kombiniert mit Par­teipolitik, und Sie sagen: Nein, das ist ein bisschen zu viel Freiheit! Da kommen die Freiheitlichen dann auch: Zu viel Freiheit ist nicht gut für die Schulen! Die ÖVP sagt: Boah, was tun wir dann? Da bröckelt ja unsere parteipolitische Durchwirkung der Schu­len, wenn wir denen Freiheit geben, die fangen womöglich an, selbst nachzudenken! Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn die Schulen beginnen, selbst nachzudenken! Das ist brandgefährlich! Das müssen wir denen verbieten. (Abg. Sobotka: Das tun sie schon! Sie waren schon lange nicht mehr draußen!)

Nachdenken dürfen sie schon, aber dann heißt es: Redet es in ein Sackl und stellt es ins Eck, denn Euro bekommt ihr keinen, um eure eigenen Ideen umzusetzen! Keinen Cent bekommt ihr von uns! Wir wissen es besser! (Beifall bei den NEOS.)

An den Tischen des fern gelegenen Ministeriums wird in einer militaristisch angehauch­ten Steuerungsillusion festgelegt, was 120 000 Lehrer in diesem Land zu tun haben. Das ist nicht 21. Jahrhundert, das ist gegen jede Evidenz in der Wissenschaft. (Abg. Sobotka: Welche Wissenschaft?) Wir müssen irgendwann beginnen, Handlungsräume für Autonomie zu eröffnen, und das hier ist ein solcher Vorschlag. (Zwischenruf der Abg. Schwarz.)

Und noch zum Sozialindex: Wir sind dafür – Herr Minister, liebe ÖVP, weil ihr sagt, es sei nicht treffsicher –, dass wir uns anschauen, wie es in anderen Ländern funktioniert. Die Niederlande machen es seit Jahren, seit Jahrzehnten, und sie haben eine ganz einfache, leicht zu merkende Formel, nämlich den Bildungshintergrund der Eltern, und ich denke, das ist sehr treffsicher. Ich glaube, wir bekommen damit 90 Prozent aller Phänomene, auf die wir den Fokus legen wollen – nämlich bildungsferne Schichten, sozioökonomischen Hintergrund und Integration –, in die Ziehung.

Wir müssen es nicht kompliziert machen! Ich würde das Kriterium Sprache weglassen, denn dann ist man nämlich gleich dort, dass zum Beispiel die American School eine tolle Sozialindexzuteilung erhält, weil die Eltern alle Englisch sprechen, was auch eine ausländische Sprache ist. Machen wir es also einfach so, wie es in anderen Ländern funktioniert, aber fangen wir endlich an! Sie haben es in der Hand, Herr Minister! Die


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gesetzliche Grundlage ist geschaffen; Sie müssen nur noch eine Verordnung erlassen. Wenn Sie schon nicht das Paket umsetzen, fangen Sie zumindest mit dem Chancenin­dex an – unser Applaus wäre Ihnen sicher! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

14.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Mölzer. – Bitte.


14.50.17

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen! Ja, das ist ein wesentliches und wichtiges Thema, Kollege Strolz, keine Frage! Da Sie jetzt vor allem von Autonomie gesprochen haben: Die ist uns auch ein großes Anliegen, überhaupt keine Frage. Da muss man etwas tun, da muss etwas geschehen, weil – und da bin ich dann bei verschiedensten Punkten, die Sie angeführt haben – die Autonomie es erst ermöglicht, auf die verschie­densten Gegebenheiten in unserem doch sehr vielgestaltigen Land Rücksicht zu neh­men.

Ich habe das vorhin schon zum Thema Ganztagsschule gesagt, ich muss es nunmehr wiederholen: Wir haben einfach verschiedenartigste Voraussetzungen, und deswegen ist zum Beispiel eine Indexierung angepasst an den Bildungshintergrund der Eltern auch nicht ganz richtig, denn eines ist ganz klar – ich bin am Land aufgewachsen –: Im ländlichen Bereich macht es keinen Unterschied, ob ein Kind, Tochter oder Sohn einer Billakassiererin oder eines Hilfsarbeiters ist. Wenn es in einer Landvolksschule ist, dann hat es dort die gleichen Chancen wie alle anderen. Da braucht man diesen Chan­cenindex nicht, da braucht das Kind nicht mehr Mittel, und die Schulen funktionieren besser. Also das stimmt nur eingeschränkt. Im städtischen Bereich mag das so sein, aber im ländlichen Bereich stimmt das so einfach nicht, wie man an diesem Beispiel sieht. (Zwischenruf des Abg. Strolz.– Na ja, man kann natürlich aus den empirischen Erfahrungen sehr wohl auch seine Schlüsse ziehen, wenn man viele Leute kennt und sich das anschaut. So ist das nicht, da braucht man nicht immer nur Studien, sondern da kann man auch aus der Praxis lernen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was es in dem Zusammenhang festzuhalten gilt - - (Abg. Strolz: Ich bin ein Bergbau­ernkind! Habe ich das schon einmal erzählt?) Nein, jetzt darf ich einmal reden. (Abg. Strolz: Okay!) Es ist wichtig festzuhalten – und da sind wir uns hier doch hoffentlich alle einig –: Es muss uns jeder Schüler, jede Schülerin, jedes Kind gleich viel wert sein, und es kann und darf nicht passieren – das ist keine Frage! –, dass wir da Ungleichheit schaffen.

Wir haben mit dem gegenständlichen Antrag das Problem, dass dafür eine halbe Mil­liarde Euro mehr nötig ist – aus dem Nichts, denn die Budgetverhandlungen waren be­kanntlich vor zwei Monaten; einen solchen Betrag können wir nicht einfach so vom Himmel fallen lassen. Wir würden uns alle wünschen, dass wir mehr Geld hätten, aber die halbe Milliarde Euro wird jetzt nicht vom Himmel fallen. Was würde passieren – das haben wir im letzten Ausschuss ohnehin kurz andiskutiert und auch in der letzten Ge­setzgebungsperiode –, wenn man jetzt den Chancenindex einführte, so wie das die So­zialdemokratie geplant hat? – Das würde wahrscheinlich dazu führen, dass die Schu­len, die gut funktionieren, Geld abgeben müssten, Mittel abgeben müssten, und das wäre natürlich auch nicht in Ordnung, dass jene Schulen, die funktionieren, bestraft werden. Also brauchen wir mehr Geld. Das werden wir irgendwie aufstellen müssen, das ist schon klar, aber man muss natürlich auch ein bissel in die Problemanalyse ge­hen und schauen, woher die Probleme kommen.

Da halte ich es schon ein bisschen für eine Chuzpe, wenn die VertreterInnen der So­zialdemokratie sich hierherstellen, uns die Welt erklären und uns sagen, wie das zu


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funktionieren hat, wo es doch in Wahrheit die jahrzehntelange Zuwanderungspolitik ist, die diese Probleme erst im großen Stil verursacht hat; das finde ich also doch ein bis­sel frech. Wir wissen außerdem – und da sind wir dann bei einem Maßnahmenpaket, das wir gerade beschlossen haben –, dass die Tatsache, dass es all diese Brennpunkt­schulen gibt, leider Gottes weitgehend der mangelnden Integration von Zuwanderern geschuldet ist. Diesbezüglich haben wir schon eine wesentliche Maßnahme getroffen – ich weiß, das ist nur ein Teil, das ist mir schon bewusst –, nämlich die Deutschförder­klassen, mit denen wir gezielt auf Fördermaßnahmen setzen werden, was hoffentlich auch den Integrationsdruck aus den Schulen herausnimmt und wodurch wir hoffentlich weniger sogenannte Brennpunktschulen haben werden.

Grundsätzlich: Ja, keine Frage, wir werden uns anschauen müssen – darauf haben wir uns auch im Regierungsprogramm geeinigt –, wie die Mittelverteilung funktionieren soll – gerecht und effizient –, damit Probleme eben ausgemerzt werden können, und das aber, ohne dass mehr Geld eingesetzt wird oder dass von einem Gießkannenprinzip zum anderen übergegangen wird, wodurch nämlich automatisch gute Schulen, starke Schulen leiden würden, die AHS beispielsweise; die sind ohnehin schon so unter Druck, die kann ich jetzt nicht zusätzlich in die Ziehung nehmen, weil einfach zu viele Kinder ob des Versagens im Bereich der NMS dorthin gehen. Das muss ich mir also genauer anschauen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir werden daran arbeiten, hier eine Lösung zu finden. Der Herr Minister, davon bin ich überzeugt, wird das gut machen, und wir werden uns gemeinsam weiterhin dieser Debatte stellen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Cox. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.54.16

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Kol­legin Hammerschmid hat gerade das Beispiel erwähnt, das ich hier gerne noch einmal hervorheben möchte, weil ich finde, dass es ein Beispiel ist, das man sich wirklich ein­mal im Detail anschauen sollte, nämlich die London Challenge: Die haben es innerhalb von fünf Jahren erreicht, dass eine Problematik gelöst, eine Herausforderung bewältigt ist, vor der viele Länder, viele Städte stehen. Viele Kinder in diesen Inner-City Schools in London hatten nach Ende der Schulpflicht keine Grundkompetenzen, konnten weder lesen noch rechnen. Im Moment kommt ja oft das Argument, dass diese Grundkompe­tenzen gegeben sein müssen. Das war in London zum Beispiel nicht der Fall, und die konservative Regierung hat im Jahr 2003 beschlossen, dass sie da gegensteuern – und gegensteuern heißt einfach oft, dass man radikale Reformpläne machen muss. In London war das der Fall mit der London Challenge, und es wurde dieser radikale Schritt gesetzt, denn es gab auch Disziplin- und Gewaltprobleme. Von solchen liest man in den Zeitungen in Österreich auch immer wieder.

Der Reformplan, der in London aufgesetzt wurde, bestand aus drei Elementen: Die umfassende Schulautonomie, wie sie von meinem Kollegen Strolz bereits erwähnt wur­de, wurde umgesetzt, und man sieht, das kann Erfolg haben, wenn man es einfach probiert; es sind sicherlich radikale Schritte, zu denen muss man einfach auch den Mut haben. Zweitens erfolgte intensive Elternarbeit, denn es ist ganz wichtig, die Eltern mitzunehmen; die Eltern sind sehr wichtige Personen für die Kinder und Jugendlichen. Der letztlich entscheidende Faktor in diesem Beispiel der Inner-City Schools war dieser Schülerbonus, das Pupil Premium: Für jedes Kind, das aus benachteiligten Verhältnis­sen kommt, gibt es einen Budgetbonus für die Schule. Es ist sehr wichtig, dass es die­sen Budgetbonus gibt – in Österreich spricht man vom Chancen- und Sozialindex –,


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und manche Inner-City Schools in London haben um 60 Prozent mehr Budget als der britische Durchschnitt. Und das ist wichtig: Man muss in solche Schulen investieren. Dort wird den LehrerInnen auch deutlich mehr gezahlt; dabei geht es um die Entloh­nung, aber auch um die Wertschätzung.

Es braucht genau solche Investitionen, die dazu geführt haben, dass die Disziplin- und Gewaltprobleme schon nach fünf Jahren zum Verschwinden gebracht worden sind. Ein Großteil der Probleme, die diese Schulen hatten, konnte so gelöst werden. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Das funktioniert mit Wertschätzung, Inves­titionen in die Lehrkräfte, mit der Einbeziehung der Eltern und mehr Autonomie. Davon können wir unglaublich viel lernen. Bemerkenswert ist, dass man bereits nach fünf Jahren erhebliche Fortschritte in den Schlüsselbezirken Londons gesehen hat. Vielen dieser Schulen ging es dann einfach besser, sie waren keine Problemschulen mehr wie zuvor und wurden in dieser Rolle durch andere Schulen abgelöst.

Ich bin überzeugt, dass das auch in Österreich geht. Wir müssen da mit mehr Mut ran, wir müssen investieren. Sogenannte Brennpunktschulen in Österreich brauchen extra Ressourcen. Vor allem an Unterstützungspersonal mangelt es vielfach.

Es ist an der Zeit, grundlegende Reformen anzugehen und durchzuführen, Chancen­gerechtigkeit im Bildungssystem zu ermöglichen und langfristig Chancen für alle Men­schen, unabhängig vor allem von ihrer Herkunft, zu eröffnen. Reformen, vergleichbar mit jenen in diesem Beispiel, sehe ich hier im Moment aber leider nicht. Ich bin ge­spannt, was noch kommen wird. Deshalb möchte ich den Antrag von Kollegen Strolz unterstützen, auch weil ich glaube, dass wir mehr Geld, mehr Mut und mehr Zusam­menarbeit mit Eltern und LehrerInnen brauchen. (Beifall bei Liste Pilz und NEOS.)

14.58

14.58.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

So gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, sei­nen Bericht 171 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich unterbreche nun die Sitzung bis zum Aufruf der Kurzdebatte über die Anfragebe­antwortung des Bundesministers für Finanzen um 15 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

15.00.53Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 382/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich darf die unterbr­ochene Sitzung wieder aufnehmen.

Wir gelangen zur Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 382/AB.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 116

Die erwähnte Anfragebeantwortung wurde bereits verteilt, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zusteht; auch die Reden der Mitglieder der Bundesregierung sollten 10 Minuten nicht überschreiten.

Ich darf Frau Abgeordnete Gamon als Antragstellerin und Unterzeichnerin des Verlan­gens ersuchen, die Debatte zu eröffnen. – Bitte sehr.


15.01.39

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Auf Blockchain basierte Innovationen haben das Poten­zial, die Welt zu verändern. Es gäbe die Möglichkeit, ein Internet ohne Zensur durch autoritäre Regime und Diktaturen zu schaffen, durch nicht zensierbare Webseiten und Browser. Nutzer würden für ihre Interaktion bezahlt werden, anstatt selbst das Produkt zu sein. Das würde die Demokratisierung des Finanzwesens und kurzum mehr Freiheit für alle Beteiligten bedeuten. Das ist das, was möglich wäre. Was sicher ist, ist aber Folgendes: Nach Österreich kommt das wahrscheinlich 20 Jahre später, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Der Umgang mit Blockchaintechnologie und Kryptowährungen ist meiner Meinung nach symptomatisch für das Freilichtmuseum Österreich. Es gibt einige sehr engagier­te Early Adopter, aber wenn man so schaut, wie die Entscheidungsträger – Unterneh­mer, große Unternehmen, deren Geschäftsmodelle vielleicht gefährdet wären, Beam­te – im politischen Mikrokosmos reagieren, dann sieht man, es gibt zwei Möglichkeiten. Die einen sagen: Ach, wird schon nicht so bahnbrechend sein, warum sollen wir etwas tun? Die anderen sagen: Herrje, da könnte ja jeder kommen, wir müssen uns möglichst schnell davon abschirmen!

Das wiederum führt zu zwei Problemen. Erstens einmal läuft man Gefahr, eine Chance zu verpassen. Zweitens – weil die Welt eben vernetzt bleibt und jeden Tag ein Stück tiefer und tiefer vernetzt wird und wir nicht Nordkorea sind, weil wir das auch nicht wol­len –, werden wir nicht darum herumkommen, zu akzeptieren, dass die Menschen das ausprobieren. Sie werden Kryptowährungen kaufen, Unternehmen werden probieren, ICOs zu machen. Da kommen wir nicht darum herum. Diese UnternehmerInnen und InvestorInnen, die daran glauben, gehen ein großes Risiko damit ein. Das ist aus Kon­sumentenschutzsicht natürlich auch eine große Herausforderung. Das heißt, wenn man nichts tut, obwohl sich die Erde weiterdreht, ist das eigentlich eine Lose-lose-Si­tuation.

Kommen wir zur Anfragebeantwortung, nämlich dazu, was denn die Regierung macht: Die Lösung des Problems der Rechtsunsicherheit in diesem Bereich hat für uns NEOS Priorität, weshalb wir zwei weitreichende Anfragen dazu gestellt haben. Die Anfragebe­antwortung des Finanzministeriums war die aufschlussreichste. Wir wollen in jedem Fall vermeiden, dass in diesem Bereich – auch aus gewohnter österreichischer Tra­dition heraus – überreguliert wird. Das würde natürlich zu einem regulatory shopping führen, weil es gerade in diesem Bereich relativ einfach ist, ins nächste Land zu wech­seln, wenn dort die Regulierung noch geringer ist. Was es aber braucht, ist eine Klar­stellung, basierend auch auf der derzeit gültigen Rechtslage. Es kann nicht sein, dass man zu fünf unterschiedlichen Anwälten geht und fünf unterschiedliche Antworten be­kommt oder dass ein Steuerberater auch einmal neun Monate darauf wartet, vom zu­ständigen Finanzamt ans Finanzministerium weitergeleitet zu werden, um dort dann ei­ne Antwort zu bekommen, wenn es um konkrete Anwendungsfälle geht.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 117

Zur Erinnerung: Die erste Anfrage von NEOS zum Thema Cryptocurrencies wurde 2014 gestellt, das ist also schon ein Zeiterl her. Damals wurde klar, das Ministerium be­schäftigt sich relativ wenig damit. Mittlerweile gibt es den Fintech-Beirat, was wir sehr, sehr positiv finden. Letztendlich wird es aber darum gehen, was wirklich konkret he­rauskommt.

Ich komme jetzt noch einmal auf die Anfragebeantwortung zurück, ich möchte da ein paar Dinge hervorheben. Auf die Frage, ob man beabsichtigt, regulatorische Klarheit zu schaffen, wurde geantwortet: „Nach geltender Rechtslage sind Kryptowährungen nicht als Finanzinstrumente einzustufen. Daher ist die Frage, welches Ressort sich der Frage nach der regulatorischen Klarheit zu widmen hat, noch nicht geklärt.“ – Das ist enttäuschend, würde ich sagen.

Ein praktischer Fall, der sehr viele private KleininvestorInnen betrifft, ist, zuerst Bitcoin oder Ethereum zu kaufen, um danach einen alternativen Coin zu kaufen. Gemäß der Logik der Spekulationsfrist von einem Jahr bei An- und Verkauf müsste das Ganze dann natürlich auch unter die Einkommensteuer fallen. Das ist nicht besonders prak­tikabel – man kann es aber so machen, wenn man will. Deshalb haben wir ganz be­wusst die Frage gestellt, ob das Ministerium plant, mit Plattformen zusammenzuarbei­ten, zum Beispiel um so etwas zu überprüfen oder um überhaupt zu zeigen, wie man das überprüft, oder auch um jenen, die investieren, zu zeigen, dass das Gesetz schon gilt und dass wir auch hinschauen können. Da wurde gesagt: Nein, mit Plattformen wird nicht kooperiert, dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. „Plattformen werden wie jedes andere Unternehmen steuerlich erfasst und [...] geprüft.“ – Aber da geht es na­türlich auch um Plattformen, die nicht in Österreich angesiedelt sind.

Auf die Frage, welche Verkehrswerte angenommen werden, um die Einkommensteuer zu berechnen, gibt das Ministerium in einem kleinen Nebensatz einen Einblick in die Anzahl der Fälle, die wohl schon bearbeitet wurden. Dort steht: „Eine praxistaugliche Lösung in diesem Bereich soll nach Vorliegen von praktischen Erfahrungen erarbeitet werden.“ – Aha, gut.

Diverse Coins werden im Moment in der öffentlichen Debatte gerne mit Bitcoin in einen Topf geworfen, ganz besonders auch, was den massiven Energieverbrauch betrifft, der beim Mining leider entsteht. Das kommt daher, dass Bitcoin mit einem Proof-of-Work-Algorithmus arbeitet. Es ist aber mittlerweile auch schon der Proof-of-Stake-Algorith­mus entwickelt worden, der sehr viel energieschonender ist.

Deshalb haben wir gefragt, wie denn damit umgegangen wird. Die Antwort war: „Diese Fragen können nicht abstrakt beantwortet werden. Die ertragsteuerliche Behandlung richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung der ‚Systeme‘ sowie nach dem betroffe­nen Steuersubjekt.“ – Das ist nicht besonders konkret und klingt eher so, als würde man der Frage ausweichen.

Was heißt das Ganze jetzt beziehungsweise was bedeutet das auch für die Block­chaincommunity in Österreich? – Ich möchte nicht sagen, dass man hier mit wahnsin­nig erschreckender Untätigkeit vonseiten des Ministeriums konfrontiert ist, aber es ent­steht doch ein wenig der Eindruck. Wie gesagt, den Fintech-Beirat halte ich für einen ganz wichtigen Schritt, aber ich glaube, es ist gut, wenn wir die Gelegenheit heute nutzen, um darüber zu sprechen, was denn konkret diskutiert wird und in welche Rich­tung das Ganze gehen sollte. Ich bitte Sie, Herr Minister, hier nicht auf diese paar Punkte im Regierungsprogramm zu verweisen, denn: The proof of the pudding is in the eating. Ich glaube, es ist langsam an der Zeit – wie gesagt, erste Anfrage 2014 –, den Pudding zu servieren, damit wir einmal schauen können, wie vorgegangen wird. (Bei­fall bei den NEOS)

Ziel muss es sein, eine ausreichende rechtliche Klarstellung zu erreichen, ohne sofort in Richtung Überregulierung zu kippen. Den Vorschlag betreffend Prospektpflicht, der


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im Frühjahr gekommen ist, habe ich zum Beispiel nicht für besonders brauchbar ge­halten, denn dies hat keinen erkenntlichen zusätzlichen Nutzen für die InvestorInnen, bedeutet aber auf der anderen Seite für die betroffenen Start-ups einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Start-ups funktionieren auch ganz anders, da würde sich alle drei Wochen alles, was in so einem Prospekt drinnen gestanden ist, wieder ändern.

Was fordert NEOS? – Für uns ist in diesem Bereich klar: Wer wartet, verliert. (Abg. Strolz: Ja!) Das ist leider so. Es geht darum, radikal nach vorne zu denken und radikal vorne zu sein, natürlich auch in regulatorischen Angelegenheiten. Das kann auch schlanke Regulierung bedeuten. Das heißt, man muss forschen, fördern, sinnlose Re­gulierungen abbauen und Rechtssicherheit für diejenigen schaffen, die das Risiko ein­gehen und etwas Neues wagen und diesen Schritt nach vorne gehen. Der ehemalige Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Mahrer hat da ja schon einiges vorgelegt. Jetzt hat er leider zur dunklen Seite der Macht des Galactic Empire gewechselt. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) Das ist sehr schade, aber wenn die Wirtschaftskammer jetzt Bahn­brechendes im Bereich Blockchain und Cryptocurrencies machen wird, dann werde ich das natürlich auch wertschätzen. (Abg. Loacker: Einen Gewerbeschein!) – Ja, genau, ein Gewerbeschein, stimmt, das ist das, was naheliegend ist!

Man könnte zum Beispiel Rechtssicherheit schaffen, indem man dieser spekulativen Einordnung von Kryptowährungen ein Ende setzt. Stattdessen könnte man eine ganz klare Klassifizierung und klare steuerliche Handhabe von unterschiedlichen Tokens schaffen, indem man auch definiert, dass für einen Token, der diese oder jene Eigen­schaften hat, dieses oder jenes anzuwenden ist. Für Unternehmen müssten wir die Potenziale heben, indem wir endlich regulatorische Sandboxes schaffen.

Es gibt ganz viele Länder, die uns in dieser Frage schon um einiges voraus sind. Das ist innerhalb kürzester Zeit passiert. Die Welt entwickelt sich in diesem Bereich einfach so schnell weiter, dass wir mit der traditionellen Handhabe der Gesetzwerdung in Ös­terreich einfach nicht mehr nachkommen werden. – Schauen wir einmal, dann schauen wir weiter, geht zu langsam.

Wir sind sehr wohl bereit, hier auch konstruktiv mitzuarbeiten, wenn es konkrete Vor­schläge gibt. Deshalb bin ich jetzt sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, Herr Minister, insbesondere was konkrete Fristen betrifft, wann wir mit Vorschlägen rechnen können und wann wir diese diskutieren können. Bis dahin gilt weiter: brodeln. (Beifall bei den NEOS.)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Ich darf ihm das Wort erteilen.


15.10.35

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Galerie! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Frau Abgeordnete Gamon, Sie haben mich so persönlich angesprochen; um auch persönlich anzufangen, möchte ich Ihnen sagen, dass ich leider erst am 1. März 2018 die Chance gehabt habe, die erste Anfrage zu diesem Thema zu erhalten und zu beantworten. Wir haben am 27. April eine durchaus ausführliche Beantwortung sicher­gestellt, die, wie ich höre, für Sie nicht hundertprozentig befriedigend ist, die aber, glau­be ich, durchaus auf alle Themen eingegangen ist.

Ich erlaube mir, für die Debatte die wesentlichen Punkte daraus vorweg zusammenzu­fassen. Wir haben zwei große Themenfelder, die in dieser Anfrage angesprochen wur­den. Das eine große Thema steht in Verbindung mit der Fragestellung der Aufsicht: Wie gehen wir mit diesen Themen – auf der einen Seite die Kryptowährungsthematik


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und auf der anderen Seite letztendlich die Gesamtheit der Blockchaintechnologie – in diesem Rahmen um?

Sie haben zwar den Fintech-Beirat genannt, aber noch wichtiger ist, dass wir auch jetzt schon eine Situation geschaffen haben, in der die bestehende Finanzmarktaufsicht in Österreich eine entsprechende Kontaktstelle eingerichtet hat. Auch jetzt, da – das ge­stehe ich ein – in diesem Bereich noch nicht alles zu 100 Prozent geklärt ist, dient diese Kontaktstelle Unternehmen und Start-ups, die sich im Bereich Fintech entwickeln wollen, als Anlaufstelle für Fragen zur Konzessionspflicht, zur Compliance, zu Geldwä­schevorschriften und sonstige Fragen. Auch zur Prospektpflicht bekommen sie dort – soweit notwendig – eine eindeutige Auskunft basierend auf den bestehenden Grundla­gen. Das wird auch sehr rege in Anspruch genommen und ist jetzt schon eine gut funk­tionierende Serviceeinrichtung, die in enger Abstimmung mit dem Finanzministerium funktioniert. So gesehen haben wir diesbezüglich in Österreich schon eine ganz gute Basis, die aber sicher noch nicht ausreichend ist. Wir werden diesbezüglich auch ent­sprechend nacharbeiten.

Ergänzend dazu haben wir – ich glaube, das haben Sie zumindest hinsichtlich der ers­ten erkennbaren Schritte schon anerkannt – die Initiative ergriffen, auch aus dem Fi­nanzministerium heraus, diesen Fintech-Beirat einzurichten. Wir warten da also nicht auf weitere sonstige Schläferstündchen, sondern wir haben klargelegt, dass wir in die­ser neuen Regierung von Beginn an bereit sind, auch ein bisschen out of the box – um den Begriff zu verwenden – zu gehen.

Wir haben den Fintech-Beirat eingerichtet und in der Zusammensetzung nicht nur der regulatorischen Komponente Rechnung getragen. Ich sage das sehr direkt und auch frei heraus, hoffentlich ohne Beleidigungen auszusprechen: Wir wollen damit sicher­stellen, dass es keinen Regulierungsfetischismus gibt, der in diesem Bereich greifen kann. Deshalb haben wir in diesem Beirat Vertreter der Aufsichtsbehörden des Ministe­riums, aber in erster Linie auch Jungunternehmer, die bereits in diesen Fintech-Bereich investiert haben, eigene Unternehmen entwickelt haben, miteingebunden. Wir haben zusätzlich Personen aus der Praxis aus dem Bereich der Privatunternehmen, von Ban­ken und Versicherungen, die dort für diese neue Technologie Verantwortung tragen, miteingebunden. Wir haben auch die Chance gehabt – das vorweggenommen –, einen Vertreter der Finanzaufsicht Großbritanniens in dieser Fintech-Beiratsgruppe zu haben, der uns direkt von den positiven Erfahrungen in der Umsetzung in UK berichten kann.

Der Fokus dieses Beirats liegt auf dem Thema Datenschutz und Konsumentenschutz. Er will aber auch genau das sicherstellen, was Sie angesprochen haben, nämlich Rah­menbedingungen zu schaffen, die auch eine Möglichkeit für Investitionen, für Neuun­ternehmen und für neue Geschäftsmodelllogiken in diesem Bereich bieten. Die Regula­torik soll einen Rahmen bilden, der ein vernünftiges Agieren in diesem Bereich sicher­stellen kann.

Bei dieser Gelegenheit sei mir eine Anmerkung gestattet: Ich glaube, dass wir uns im Zusammenhang mit diesem Thema – wie bei vielen anderen Themen auch – als Öster­reich gern ein bisschen schwächer darstellen. So empfinde ich das zumindest persön­lich. Es gibt aktuell eine Studie eines Schweizer Instituts, das gerade zum Thema Fin­tech-Entwicklung weltweit Städte bewertet und ein Ranking erstellt hat, inwieweit diese Städte im Bereich Fintech-Entwicklung erfolgreich sind. Siehe da, Wien wird in dieser Studie in diesem Bereich auf internationaler Ebene auf einem durchaus sehr guten 15. Platz gelistet.

Wenn ich die Ergebnisse der Studie kurz zusammenfassen darf: An erster Stelle liegt Singapur, London liegt noch vor uns auf Platz 4, aber Tel Aviv in Israel liegt beispiels­weise auf Platz 20, Tokio liegt hinter Wien, Dublin liegt hinter Wien, Paris liegt hinter Wien. So gesehen haben wir auch im internationalen Bereich offensichtlich jetzt schon


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eine Kraft, die uns wahrscheinlich gar nicht so bewusst ist. Ich glaube, das müssen wir auch einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich glaube, gerade deswegen ist es gut, dass auch Sie dieses Thema aktuell halten, auch durch die Anfrage. Ich kann nur bestätigen, dass wir das sehr ernst nehmen. Ich habe die Vorgabe gegeben, dass wir bis Jahresende aus dem Fintech-Beirat heraus konkrete Maßnahmen definieren und konkrete Ergebnisse in diesem Bereich vorlegen werden.

Ich möchte auch etwas zur Konkretisierung sagen: Der Fintech-Beirat hat bereits zwei Sitzungen gehabt, es findet Ende Juni bereits die dritte Sitzung statt. Da wird also wirk­lich bereits aktiv und intensiv gearbeitet. Wir haben drei Workstreams, also drei Schwerpunkte, die wir uns in diesem Bereich anschauen. Der erste ist die auch von Ihnen angefragte Regulatory Sandbox. Das heißt, es sollen sozusagen in einem Ver­suchsrahmen einer Regulatorik – nennen wir es so – die Möglichkeit und damit positive Voraussetzungen geschaffen werden, damit sich neue Geschäftsmodelle, neue For­men – nicht nur auf Basis der Kryptowährungen, sondern auch Fintechs oder Insur­techs – entsprechend entwickeln.

Ich möchte noch ein wichtiges Ergebnis dazu ansprechen: Dieser Safe Space – ich verwende bewusst diesen Anglizismus – wird für konzessionspflichtige Unternehmen zur Verfügung stehen, weil es uns wichtig ist, den rechtlichen Rahmen sicherzustellen, gleichzeitig aber auch entsprechende Innovationen in Österreich voranzutreiben. Die Idee dahinter, in dieser Sandbox, ist der Schwerpunkt: Beraten statt bestrafen. Das heißt, die Regulatorik in dieser Sandbox soll von Beginn an von der Aufsichtsregula­torik begleitet werden und es soll nicht im Nachhinein bestraft werden.

Der zweite Schwerpunkt betrifft die Cryptoassets und Initial Coin Offerings – auch das wurde von Ihnen angesprochen. Ich darf Ihnen hier zusagen, dass es bis Ende dieses Jahres ein Rundschreiben der FMA geben wird, in dem bereits die Erkenntnisse des Fintech-Beirats in einem dann auch gültigen gesetzlichen Anpassungsbereich fixiert werden können. Wir werden diese Ebene sehr konsequent und schnell fixieren können.

Das dritte Thema: know your customer, KYC abgekürzt. Da geht es darum, sicherzu­stellen, dass die Integrität dieses Finanzmarktbereichs gesichert wird. Gleichzeitig braucht es auch eine Sicherstellung dahin gehend, dass wir in diesem Bereich für die Identifizierung der Beteiligten eine klare, transparente und effiziente Grundlage haben. Ich denke, der Skandal im Bereich Bitcoin, der im Februar auch in Österreich aufge­poppt ist, hat leider mit dazu beigetragen, eine zusätzliche Dynamik zu erzeugen. Ich sage aber auch dazu: Wir sollten nicht einen Betrugsfall – egal in welcher Form er pas­siert – zum Anlass nehmen, um diesen Bereich zu überregulieren. Es wird leider Got­tes wahrscheinlich immer betrügerische Kräfte geben, egal wie wir die Regulatorik und Legislative definieren.

Der zweite große Bereich, der in der Anfrage angesprochen wurde, ist die steuerliche Thematik. Es geht darum, in welchem Rahmen für die Kryptowährungen eine umsatz­steuerliche Belastung gegeben ist – beispielhaft sei die beim Umtausch stattfindende Thematik genannt. Da nur zur Klarstellung: Es hat ja im Frühjahr eine große mediale Diskussion bezüglich der Einkommensteuerunterlegung gegeben. Es gibt diesbezüg­lich eine Grundlage im Wartungserlass 2018, in dem klargestellt ist, dass die Einkom­mensteuerrichtlinie bestätigt ist, auch die bisherige Rechtsansicht unverändert bleibt und in diesem Bereich Kryptowährungen nur dann steuerlich als Kapitalvermögen be­wertet werden, wenn eine zinstragende Veranlagung stattfindet. Das heißt, das ist die Voraussetzung für die steuerliche Grundlage. Ist es keine zinstragende Veranlagung, dann liegt auch gemäß § 31 Einkommensteuergesetz nur dann eine Steuerrelevanz vor, wenn innerhalb eines Jahres eine entsprechende Wiederverwertung in diesem Be­reich stattfinden sollte.


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Das heißt zusammengefasst: Die Besteuerung von Kryptowährungen wird uns auch weiterhin beschäftigen, sowohl auf österreichischer als auch auf internationaler Ebene. Es gibt, durch unsere Triebfeder verstärkt, jetzt schon eine Arbeitsgruppe auf EU-Ebene, die sich intensiv damit beschäftigt, in der auch Vertreter unseres Ministeriums auf technischer Ebene mitarbeiten. Wir werden im Rahmen der Steuerentlastungsre­form 2020 diese Thematik dort entsprechend vertiefend mitberücksichtigen.

Ich hoffe, dass meine zusammenfassenden Ausführungen ergänzend zur Beantwor­tung der Anfrage sind, die ja in Summe doch 44 Fragen umfasst hat. Wir haben ver­sucht, auf knapp zehn Seiten entsprechende Antworten zu geben. Ich hoffe, dass wir damit eine gute Grundlage für die Debatte haben, und schließe in dem Sinne, dass, wie ich glaube, das Hohe Haus erkennen kann, dass diese Regierung und auch ich persönlich dieses Thema nicht nur sehr ernst nehmen, sondern sehr aktiv daran arbei­ten, rasch und schnell das, was sich in Österreich und in Wien auf guter Basis schon entwickelt hat, weiterhin zu unterstützen, damit wir auch in diesem technologischen Be­reich vorne dabei bleiben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.


15.22.27

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gamon, es ist schon spannend, welche The­men auf einen altgedienten Abgeordneten wie mich, der jetzt Finanzausschussobmann ist, durch technologische Revolutionen auf einmal zukommen, aber ich beschäftige mich gerne damit, glauben Sie mir das!

Zuerst einmal ist zu erkennen, dass Blockchain eine IT-Technologie ist, die ungeahnte Möglichkeiten bietet – Sie haben es vorhin selber schon erwähnt –, auch eine Demo­kratisierung des Internets oder einer dem Internet ähnlich funktionierenden Technolo­gie darstellen kann, und darauf aufbauend entstehen jetzt auf einmal Möglichkeiten wie zum Beispiel jene, virtuelle Währungen zu etablieren, und das auf Basis einer Techno­logie, die völlig transparent, für alle einsehbar und damit auch kontrollierbar ist. Sie kann damit auch auf Managementsysteme verzichten, die letzten Endes sehr manipu­lationsanfällig oder missbrauchsanfällig sind; wir wissen ja inzwischen, was alles mit unseren Daten bei anderen Anwendungen geschieht. Das heißt für mich, Blockchain ist für Bitcoin ja so etwas wie für alle Traditionalisten das Internet für das E-Mail.

Der Herr Minister hat es schon ausgeführt: Die Tatsache, dass diese Anwendung zum Beispiel für virtuelle Währungen auf Transparenz, auf Einsehbarkeit basiert, heißt ja noch lange nicht, dass es deswegen keine regulatorischen Rahmenbedingungen braucht. Es heißt aber auf der anderen Seite natürlich auch nicht, dass es dieselben braucht oder zwingend dieselben braucht, denn dann – da bin ich ganz bei Ihnen – würden wir sozusagen diese Revolution, diese revolutionäre Entwicklung in einen Rah­men oder in einen Käfig sperren, in dem sie sich sicherlich nicht entwickeln könnte.

Ich bin dem Herrn Minister sehr dankbar für die Einrichtung des Fintech-Beirats – das war, glaube ich, eine wirklich wichtige Einrichtung – und auch für die Art der Besetzung dieses Beirats: hochprofessionell; es sind auch schon erste Ergebnisse daraus ent­standen. Danke auch für die Initiative, mit UK zu kooperieren, weil man dort bei dem Thema natürlich schon ein Stück weiter ist. Danke auch für ein paar Klarstellungen, die in der Zwischenzeit schon getroffen worden sind: dass die geltende Rechtslage natür­lich bedeutet, dass es eben kein Finanzinstrument ist, weder E-Geld noch ein Zah­lungsmittel im Sinne des Bankwesengesetzes noch ein Zahlungsinstrument im Sinne des Zahlungsdienstegesetzes. Allein diese drei Ausschlüsse, die da jetzt getätigt wor-


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den sind, zeigen ja schon, dass es sich dabei um etwas neu zu Fassendes handelt, das eben einen eigenen Rahmen braucht.

Ich glaube, es war auch sehr, sehr wichtig – der Herr Finanzminister hat es schon er­wähnt –, dass die FMA eine Kontaktstelle eingerichtet hat, denn es ist für die Anwen­der oder für die Start-ups, für viele, die das im Moment verwenden, im Augenblick tat­sächlich ein Blindflug, steuerlich genauso wie regulatorisch. Wer, wenn nicht die FMA – derzeit natürlich auf Basis der geltenden Rechtslage, schwierig genug –, könnte dann diesen Anwendern treffende und verlässliche Interpretationen geben, damit sie nicht unnötigerweise Risken eingehen, die dann sogar existenzgefährdend werden könnten?

Der Fintech-Aktionsplan, der inzwischen aus den zwei Sitzungen des Beirats entstan­den ist, ist, glaube ich, durchaus herzeigbar, sowohl hinsichtlich der Unterstützung bei innovativen Geschäftsmodellen als auch hinsichtlich der Förderung von technologi­schen Innovationen im Finanzsektor ganz generell, aber auch das Thema Erhöhung der Sicherheit und Integrität im Finanzsektor betreffend.

Ganz essenziell, glaube ich, ist die Idee der regulatorischen Sandboxes. Das ist eine im Moment schwer in unseren Rechtsrahmen passende technologische Entwicklung, die aber sicher Zukunft hat, da es, glaube ich, so ein Versuchslabor geradezu braucht, um eben die verschiedenen Auswirkungen und Implikationen, die so etwas mit sich bringt, auch tatsächlich ausprobieren zu können. Dafür einen geschützten Entwick­lungsrahmen zu schaffen, der da risikolos beziehungsweise bei Einhaltung von ein paar – hoffentlich wenigen – Spielregeln möglichst risikolos experimentieren lässt, ist, finde ich, eine Superidee, die dringend weiterzuentwickeln wäre.

Es bleibt natürlich nicht zuletzt die heikle Frage der Besteuerung. Auch da bin ich froh über die Ankündigung, dass bis Jahresende ein paar Klarstellungen erfolgen werden, das aber natürlich in unser gesamtes Steuerregulativ eingebettet werden soll – dann eher in Richtung der umfassenden Steuerreform 2020, sage ich jetzt einmal; so weit ist das ja auch nicht mehr weg.

Das heißt, jawohl, es ist Tempo gefragt, dazu bekenne auch ich mich. Auf der anderen Seite sind aber schon sehr viele neue Dinge dabei, und wir müssen uns auch im Kla­ren darüber sein, dass es ein paar wenige Länder gibt, die da wirklich viel weiter sind. Alle arbeiten daran, viele arbeiten daran, die EU sollte das auch tun und tut es erst, seit wir Druck machen. Ich glaube, insgesamt kann man sagen: Bleiben wir alle drauf, denn das Ganze hat Zukunft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Marg­reiter. – Bitte.


15.28.49

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Wenn die Worte oder Adjektive „rasch“ und „schnell“ in Verbindung mit Kryptowährungen verwendet werden, dann kann ich das wirklich nicht so stehen lassen. Ich muss auch ganz klar sagen: Wir sprechen heute nicht über die Fintech, sondern eben über Kryptowährun­gen und leider auch über die Versäumnisse diesbezüglich.

Klar ist aber, dass Kryptowährungen und überhaupt die Blockchaintechnologie neue Wege und neue Chancen eröffnen, die wir nicht leugnen können und die auch genutzt werden sollten oder vielmehr genutzt werden müssen, wenn wir als modernes Öster­reich die Digitalisierung aktiv mitgestalten möchten und natürlich auch davon profitieren wollen. Was es aber braucht – und wir haben es schon gehört –, sind Rechtssicherheit und Rahmenbedingungen; Rahmenbedingungen, die klar definieren, ob Bitcoin, Ethe­reum, Dash und Co ein Handelsgegenstand und somit umsatzsteuerpflichtig oder ein


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Finanzinstrument und somit einer Währung gleichzusetzen sind – und vieles, vieles mehr.

Ich möchte aber auch, weil es mir wichtig ist und weil es auch schon angesprochen worden ist, ganz klar sagen: Wir müssen den Menschen natürlich ihre Eigenverantwor­tung lassen, aber es ist auch notwendig und Pflicht einer Bundesregierung, Schutz und die Schaffung eines Rahmens zu gewährleisten, in dem Kontrolle und Information möglich sind. Was wir jetzt aber sehen, ist, dass es außer ein paar wenigen Initiativen wirklich keinen Plan gibt.

Klar ist auch: Der Kryptoboom hat den Wert dieses digitalen Geldes, das eben eigent­lich keines ist, durch die Decke gehen lassen. Wir haben uns den Kurs von 14.12.2017 bis 1.1.2018 angeschaut. Am 14.12. gab es ein Tageshoch, bei dem ein Bitcoin 14 448 und ein paar Kommastellen an Euro wert war. Am 17.12., also drei Tage später, war mit 16 892 Euro die Spitze erreicht, am 1.1.2018 war dieser Wert auf 11 623 Euro ge­fallen und heute liegt er bei 5 500 Euro.

Die Zahl der Nutzer – es ist natürlich immer eine Mischung aus Nachfrage und Ange­bot – hat sich binnen kurzer Zeit vervielfacht. Trotz dieser Entwicklung ist wirklich nichts Nennenswertes passiert, und es ist das eingetreten, was sehr häufig passiert, wenn sich mit etwas ganz schnell sehr viel Geld verdienen lässt: Das Wachstum wurde näm­lich von den Nutzern unter anderem mit Krediten aus realem Geld finanziert. Finanz­produkte sind aus dem Boden geschossen und neue Handelsplätze wurden geschaf­fen.

Das alles passiert – und das ist wirklich traurig – losgelöst von staatlichen Aufsichtsor­ganen. So hat etwa am 8.12. letzten Jahres Nationalbankchef Ewald Nowotny schon gemeint, dass eine Regulierung wichtig ist und dass diese diskutiert werde; aber Re­den ist eben zu wenig. So hat zum Beispiel China eine Handelsplattform für Cyberde­visen verboten und Russland den Zugang zu Internetseiten, die Bitcoins anbieten, ein­geschränkt. Und was haben wir getan? – Nichts!

Vor allem haben Kriminelle diesen Graubereich und Gesetzeslücken genützt. Da ist von Geldwäsche, von Mafiafinanzierung, von Betrug – wie wir es im Februar gehört ha­ben – und natürlich vielem mehr die Rede. Diese Gesetzeslücken wurden bis dato von der schwarz-blauen Bundesregierung und von Ihnen, Herr Finanzminister, noch immer nicht geschlossen. Das ist wirklich unpackbar! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es ja auch in verschiedensten Aussprachen in Ausschüssen immer wieder diskutiert. Ich meine, dieses Thema der Kryptowährungen ist ja kein neues Thema, das gibt es nicht erst seit gestern – Frau Kollegin Gamon hat das auch angesprochen –, das gibt es schon sehr, sehr lange, schon Jahre. Es gibt keine nationale Lösung, Sie reden sich immer auf die EU-Ebene aus, und das kann es auf Dauer einfach nicht sein. Sie schieben, wie etwa auch in der Frage der Umsatzsteuer, den Ball ausschließlich der EU zu, aber wie gesagt, das war in verschiedensten Ausschüssen, in denen wir Sie diesbezüglich gefragt haben, auch der Fall.

In der Anfragebeantwortung sagen Sie zu den Punkten 1. und 3. bis 5. oder auch in der Beantwortung meiner Anfrage – ich habe ja am 31. Jänner auch eine Anfrage ge­stellt –, die EU sei zuständig, die Mehrwertsteuer zu harmonisieren beziehungsweise anzupassen, und glauben offenbar, das sei damit getan. Auf die Frage, wie sich das Finanzministerium derzeit aktiv der Blockchainthematik widmet und welche Projekte diesbezüglich in Ihrem Ministerium laufen, heißt es, dies falle nicht in die Zuständigkeit Ihres Ministeriums, mit Verweis auf die Zuständigkeit des Ministeriums für Digitalisie­rung. Und beim Thema ICOs und Kryptowährungen verweist genau dieses Ministerium wieder an Sie.


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Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass Sie einmal mit Frau Minister Schramböck sprechen und sich ausmachen, wer wirklich wofür zuständig ist. Diese Hin-und-her-Schieberei kann es auf Dauer auch nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie ernsthaft: Hat diese Regierung mit 1. Juli nun die EU-Ratspräsidentschaft sowie den Vorsitz im Ecofin inne oder nicht? Will diese Regierung besonders unter Ih­rem Vorsitz, Herr Minister Löger, Initiative übernehmen? – Was ich denke, ist, dass dieses Thema im nächsten halben Jahr maximal von der linken Seite auf die rechte Seite Ihres Schreibtisches wandern wird, dass nichts weitergeht und die Österreiche­rinnen und Österreicher in dieser Frage nach wie vor nicht geschützt sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lugar. – Bitte.


15.34.19

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir reden von Blockchain, wir reden von Kryptowährungen und von all diesen Dingen, und deshalb müssen wir einmal herausfinden: Worum geht es da überhaupt?

Blockchain ist etwas ganz Einfaches. Viele werden das gar nicht wissen, aber man kann sich das so vorstellen: Wenn zum Beispiel in einem Dorf irgendwelche Transak­tionen passieren, dann werden diese Transaktionen einfach auf einer Liste angeführt; das heißt, der Bauer Huber verkauft dem Müller sein Haus, und das wird auf eine Liste geschrieben. Der Unterschied ist der, dass diese Liste damals möglicherweise am Hauptplatz gehangen hat und heute jeder eine Kopie von dieser Liste zu Hause hat. – Das ist Blockchain, nichts anderes: Es wird etwas gemacht, eine Transaktion, oder es wird eine Information verarbeitet, und jeder hat eine Kopie davon, jeder, der in dieses Netzwerk mit eingeschlossen ist.

Das ist eine gute Sache, keine Frage. Das ist keine Revolution, es ist jetzt einfach auf Basis des Internets möglich, dass man keine staatliche Stelle braucht, wie zum Bei­spiel ein Grundbuch. Deshalb wird ja auch überlegt, diese Blockchaintechnologie im Grundbuchbereich einzusetzen, in Bolivien zum Beispiel, wo sich durch immer wieder stattfindende Militärputsche und sonstige Probleme in der Verwaltung und bei der Re­gierung Eigentumsverhältnisse immer wieder verändern, und das nicht rechtens.

Wenn man so eine Liste hat, die alle haben, dann kann man nicht sagen, der Huber-Bauer hat dem Müller sein Haus doch nicht verkauft, denn jeder sieht es auf seiner Liste. Das ist Blockchain, und das ist eine gute Sache. Das kann man auch einsetzen. IBM hat eine Idee entwickelt, mit der man Produkte mithilfe der Blockchaintechnologie so sicher machen kann, dass eine Fälschung praktisch nicht mehr möglich ist. Das ist vor allem bei heiklen Medikamenten und so weiter eine gute Sache.

So, und jetzt reden wir über die Schattenseiten: Blockchain ist etwas Positives, so wie die Mobilität, wie das Autofahren – das ist etwas sehr Positives, ich glaube, keiner wird sagen, dass Mobilität etwas Schlechtes ist –, aber Autofahren verursacht auch Abgase und ist deshalb natürlich auch kritisch zu sehen. So ist es auch bei der Blockchain­technologie.

Es gibt da Auswüchse, und die nennt man Kryptowährungen. Kryptowährungen sind in Wahrheit kein Segen, sondern eher ein Fluch, und zwar deshalb, weil man die Technik benutzt – die Blockchain, die ja Sicherheit gibt, die nachvollziehbar und transparent ist –, um eine Ersatzwährung zu kreieren, weil man dem überkommenen System ein­fach nicht mehr traut. Es ist kein Zufall, dass diese Währung 2009 erfunden wurde, während der Finanzkrise, denn damals haben sich einige überlegt: Wie schaffen wir


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eine Währung, die von niemandem manipuliert werden kann, die nicht einfach inflatio­niert werden kann, wenn die Regierung oder die Notenbank beschließt, wir drucken jetzt Geld auf Teufel komm raus, und die transparent ist?

Das wollte man, und das hat man mit der Kryptowährung geschafft. Das Problem ist nur, dass wir damit riesige Nachteile in Kauf nehmen. Das ist ungefähr so, als hätte ich ein Magengeschwür und ich erfinde ein besseres Medikament, das mir die Schmerzen noch mehr vom Leib hält, anstatt mich um dieses Magengeschwür zu kümmern.

Kryptowährungen lösen ein Problem, das wir gar nicht hätten, wenn wir in der Vergan­genheit nicht so sorglos mit unseren Währungen umgegangen wären (Beifall bei der FPÖ), wenn wir nicht zugelassen hätten, dass man durch Finanzspekulationen – Stich­wort Lehman-Pleite, bei der man auf Teufel komm raus Geld gescheffelt hat, man sich mit CDS, also sogenannten Kreditausfallversicherungen, gegenseitig versichert hat – das Finanzsystem kurz vor den Kollaps führt.

Hätten wir dieses Problem nicht gehabt, dann hätten wir nicht so etwas wie eine Kryp­towährung gebraucht, die uns scheinbar Sicherheit vermittelt. Das tut sie aber nicht, denn eine Kryptowährung hat auch riesige Nachteile. Eine Kryptowährung wie zum Beispiel Bitcoin ist ab einem gewissen Punkt nicht vermehrbar; das heißt, spätestens in einigen Jahren werden 21 Millionen Bitcoins existieren und kein einziger mehr. Das ist das Problem bei einer Währung. Wenn man in das Jahr 1929 zurückschaut, sieht man, dass genau das das Problem war. Durch die Goldbindung konnte man den Dollar nicht einfach so vermehren. Wir wissen, wo das hingeführt hat: in Not und Elend.

Wenn wir unser Währungssystem tatsächlich opfern, weil wir glauben, mit einem neu­en Heiligtum etwas besser machen zu können, dann werden wir in Gefahr kommen, dass man in der Politik und dort, wo man eingreifen könnte, letztlich nicht mehr eingrei­fen kann, wie wir das schon 1929 gesehen haben. Im Moment steuern wir mit diesen Kryptowährungen auf ein Riesenproblem zu. Wir sind schon fast bei 1 000 Milliarden an Gesamtkapitalisierung, und wenn wir so weitermachen, könnte uns ein Kollaps be­vorstehen. Deshalb müssen wir einschreiten.

Ich komme zum Schlusssatz: Blockchain ja, dort, wo es Sinn macht, aber Kryptowäh­rungen gehören genau beobachtet und dort eingeschränkt, wo sie eine Gefahr für uns alle darstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.


15.40.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Gefahr, die ich sehe, ist genau Politik vom Zuschnitt jener des Kollegen Lugar. Ich habe es da mehr mit Al Gore, der gesagt hat: „I think the fact that within the bitcoin universe an algorithm replaces the functions of the government is actually pretty cool.“

Egal, ob man die Blockchaintechnologie als die gleiche Revolution sieht wie das Inter­net oder ob man ihr weniger Nutzen zuschreibt, beinhaltet sie zumindest Chancen, und diese Chancen sollten wir nach Möglichkeit nützen. Das ist eine Technologie, die Fäl­schungen verhindert und Einzigartigkeit garantiert. Wir müssen einmal überlegen, wel­chen Nutzen wir daraus ziehen können und welchen Nutzen der Staat als Serviceor­ganisation für die Bürger aus dieser Technologie ziehen kann. Da könnte zum Beispiel auch der Politiker als Diener des Volkes in eine ganz andere Situation kommen. Zum Beispiel könnte man an die Wähler im eigenen Wahlkreis eine bestimmte Anzahl an Tokens vergeben, und sie können dann Rückmeldung zu verschiedenen Themen ge-


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ben. Man wäre näher am Bürger, die Bürger könnten unkompliziert ihre Meinung zum Ausdruck bringen.

Es ist löblich, dass der Herr Finanzminister das Thema als eines erkennt, das Aufmerk­samkeit verdient. Es war auch an der Vorgängerregierung löblich, dass Minister Mahrer damals das Thema als solches erkannt hat und zumindest einen Neun-Punkte-Plan erstellt hat, der im Internet unter Blockchain Austria abrufbar ist. Was wir dort lesen, ist noch ein bisschen vage in der Ausgestaltung, es ist ein matter Anfang in Bezug auf ei­ne Technologie, die allerdings jetzt so weit ist, dass sie eigentlich für die Massenadap­tion geeignet wäre.

Um das zu ermöglichen, sind die Unternehmen, die damit arbeiten, auf Rechtssicher­heit angewiesen. Karlheinz Kopf hat es gesagt und der Herr Minister hat es auch an­gedeutet: Es braucht diese Verbindlichkeit vonseiten der Finanzmarktaufsicht. Wenn Sie mit den Praktikern reden, dann werden sie Ihnen zurückmelden, dass sie das heu­te nicht haben. Sie bekommen entweder keine rechtsverbindlichen Auskünfte von der FMA und/oder vom BMF oder es dauert viele Monate, bis diese Auskünfte einlangen. So kann man in der heutigen Welt natürlich nicht arbeiten.

Wenn man daran geht, Regularien zu erarbeiten, dann hat der Österreicher – zu Recht, glaube ich – die Angst, dass jetzt ein Zwangskorsett geschaffen werden könnte, das dann alles wieder abwürgt. Wir müssen also gut aufpassen, dass uns dieser Feh­ler nicht passiert.

Liechtenstein arbeitet da mit dem sogenannten Regulierungslabor. Ein Fintech kann ein Produkt in dieses Regulierungslabor einwerfen und gemeinsam mit den Experten der Finanzmarktaufsicht erarbeiten, wie das Wechselspiel zwischen Produkt und Regu­larien funktionieren würde, was welche Auswirkungen auf den Markt, auf das Produkt hätte beziehungsweise welche Regularien zum Tragen kämen. Da sollten wir uns, glaube ich, ein Beispiel an den Ländern nehmen, die in diesem Bereich schon weiter sind als Österreich.

Auch schon weiter sind die Esten und die Niederländer. Die Esten sind ja bekannt für ihr intensives Arbeiten mit E-Government. Sehr viele E-Government-Anwendungen ba­sieren auf dem Blockchainprinzip, und das hat den Vorteil, dass unberechtigte Verviel­fältigung unterbunden werden kann. Ich schaue jetzt einmal in die Reihen und schaue alle an, die dann im BVT-Untersuchungsausschuss sitzen: Sie würden sich wünschen, dass unberechtigte Vervielfältigung unterbunden werden könnte. Insofern kann diese Technologie also auch für das öffentliche Gemeinwesen großen Nutzen stiften. (Beifall bei den NEOS.)

Die Frage ist also: Schafft Österreich die Rahmenbedingungen für eine gute Block­chainpolitik? Schaffen wir die Rahmenbedingungen, mit denen Unternehmen arbeiten können, die in dieser Branche tätig sind? Oder würgen wir es ab, wie es Kollege Lugar gerne hätte? Und: Können wir diese Technologien, die jetzt zur Verfügung stehen, op­timal für das Gemeinwesen nützen? (Beifall bei den NEOS.)

15.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Rossmann. – Bitte.


15.44.37

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Gamon, wenn Sie diese Anfrage selbst verfasst haben, dann muss ich sagen: Hut ab!, denn diese 44 detaillierten Fragen gehen in technische und regulatorische Tiefen, die sich meiner Sachkenntnis entziehen. (Abg. Scherak: Da schauen Sie! – Oh-Rufe bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.) Wenn Sie das


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nicht selbst geschrieben haben, dann Respekt vor jenen, die Sie dabei unterstützt ha­ben! – Das war der erste Punkt. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Loacker.)

Der zweite Punkt ist auch ein Kompliment, und zwar an das Bundesministerium für Fi­nanzen und den Finanzminister: Auch die Beantwortung dieser technisch detaillierten Fragen ist nicht an der Oberfläche geblieben, und die Anfrage wurde nicht wie viele andere nicht oder nur ausweichend beantwortet. (Beifall bei Abgeordneten der Liste Pilz.) Daher verstehe ich den Grund für die kurze Debatte nicht ganz, denn üblicher­weise macht man das dann, wenn die Antworten des Ministers, der Ministerin unzufrie­denstellend sind; ich jedenfalls tue das. (Abg. Rosenkranz – in Richtung Abg. Ga­mon –: Es ist schön, wenn man von Kollegen Rossmann so geadelt wird!)

Die Anfrage enthält aber – und da muss ich eine Einschränkung meines Kompliments machen – eine Floskel in Bezug auf die Blockchaintechnologie. Da heißt es: Block­chain ist eine interessante Technologie, aber die derzeitigen Anwendungsfälle stecken noch in den Kinderschuhen. – Na ja, das bringt wenig, das sagt eigentlich gar nichts aus, das ist no na.

Ich wollte ursprünglich zu drei Bereichen Stellung nehmen. Die Frage der Steuer kann ich auslassen, das haben Sie, Herr Finanzminister, denke ich, ausreichend beantwor­tet. Auf die beiden anderen Bereiche möchte ich in Bezug auf Kryptowährungen – die Blockchaintechnologie lasse ich außen vor – dennoch eingehen. Der eine Bereich ist die Rechtssicherheit für Finanzinstitute, also für Banken, und der andere Bereich ist der Anlegerschutz, der in dieser Anfrage mit Sicherheit zu kurz kommt. In beiden Berei­chen braucht es einen Rechtsrahmen.

Lassen Sie mich zunächst auf die Rechtssicherheit bei Bankinstituten eingehen! Schwierigkeiten gibt es dabei in dreifacher Hinsicht. Einen Bereich haben Sie ange­sprochen, Herr Finanzminister, nämlich das Know your customer, also kenne deinen Kunden. Der zweite Bereich ist die Geldwäscherei und der dritte Bereich ist die Ter­rorismusfinanzierung.

Gerade zu den letzten beiden Bereichen gibt es eigentlich keine gesetzlichen Regelun­gen, und das ist insofern ein Problem, als die Banken in diesen Bereichen auf sich al­leine gestellt sind, und das schafft sowohl für die Anleger als auch für die Banken Rechtsunsicherheit. Da brauchen wir also dringend Regelungen, um für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen.

Zum Bereich Anlegerschutz: Ja, auch da braucht es Regulierung, und zwar weil sich zeigt – ein Blick auf die Kursentwicklungen zeigt das sehr deutlich –, dass Kryptowäh­rungen enormen Schwankungen unterliegen. Gerade in Zeiten niedriger, ja niedrigster Zinsen lockt das natürlich viele Glücksritter an, die glauben, damit große Gewinne ma­chen zu können.

Die Notenbanken, auch die Oesterreichische Nationalbank, nehmen das System der Kryptowährungen nicht wirklich ernst, weil sie davon ausgehen, dass es sich bei Kryp­towährungen nicht um Währungen handelt. Herr Lugar, wenn Sie sagen, Kryptowäh­rungen seien Ersatzwährungen, liegen Sie leider total falsch. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Eine Währung muss nämlich zwei Eigenschaften haben: Sie muss Wertaufbe­wahrungsmittel und Zahlungsmittel sein. Eine Kryptowährung hat die erste Funktion nicht und die zweite Funktion nur sehr eingeschränkt. (Abg. Hauser: Aber die schwedi­sche Nationalbank prüft das! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lugar.) Beat Weber von der Oesterreichischen Nationalbank ist jüngst sogar so weit gegangen, zu sagen, Kryptowährungen eigneten sich nicht einmal als Spekulationsobjekt.

In diesem Sinne begrüße ich es, dass die Finanzmarktaufsicht erste Schritte zum Schutz der Anleger gesetzt hat. Das sind erste vorsichtige Schritte, es wird aufgrund der Tatsache, dass sich die Kursschwankungen sehr steil nach oben und sehr steil


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nach unten bewegen, mehrere Schritte brauchen. Regulierungen braucht es, weil na­türlich auch die Aktienmärkte reguliert sind.

Was die Anleger und den Anlegerschutz in Zusammenhang mit Kryptowährungen be­trifft, möchte ich eine Warnung an alle, die glauben, dass man da das große Geld machen kann, aussprechen: Für Anleger gilt eine alte Weisheit, die besagt, wer das Produkt nicht versteht, sollte die Finger davon lassen. Das meine ich durchaus ernst. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

15.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

15.50.09Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Durchführung einer weite­ren kurzen Debatte.

Die kurze Debatte betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Schieder, dem Aus­schuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zur Berichterstattung über den Antrag 274/A der Abgeordneten Mag. Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestellten­gesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden“, eine Frist bis zum 15. Juni 2018 zu setzen.

Im Anschluss an die Debatte findet die Abstimmung statt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Sie kennen die Praxis: 10 Minuten Redezeit für den Erstredner zur Begründung, alle anderen Redner haben eine Redezeit von 5 Minuten.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Schieder zu Wort. (Abg. Kuntzl: Herr Klubob­mann!) – Entschuldigung! Herr Klubobmann, bitte. (Abg. Schieder – auf dem Weg zum Rednerpult –: Danke, Herr Präsident!)


15.50.49

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident, als Zeichen meiner Wertschätzung habe ich jetzt ein Beispiel aus Niederösterreich mitgebracht. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch. – Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.) Ich bringe ein Beispiel aus Niederösterreich, mehrere Zahlen aus Niederösterreich: Das ist eine recht ernste Angelegenheit, ich spreche von den Vorfällen in Neunkirchen in den letzten Tagen, wo es durch die Unwetter in Österreich irrsinnige Überschwem­mungen gab, Notstandssituationen wurden ausgelöst. Wiederum haben sehr viele freiwillige Helfer der Feuerwehren und anderer Organisationen geholfen, damit aus der schlimmen Situation nicht noch eine schlimmere wird. Allein dieses Beispiel zeigt, dass wir uns, glaube ich, auch angesichts der veränderten Wetterlagen noch einmal intensiv mit der Frage beschäftigen müssen, wie wir die Zivilgesellschaft organisieren, die in solchen Situationen helfend einspringt.

Das sind die Zahlen aus Niederösterreich: 2017 waren rund 100 000 freiwillige Feuer­wehrleute alleine in Niederösterreich im Einsatz. Wenn man jetzt noch die anderen sieben Bundesländer, die hauptsächlich auf freiwillige Feuerwehren umgestellt haben, dazuzählt, dann sieht man die immense Zahl, wie viele Österreicher und Österrei­cherinnen sich da für die Gemeinschaft engagieren. Es waren 65 000 Einsätze allein in Niederösterreich, 7,9 Millionen Arbeitsstunden, die freiwillig für die Gemeinschaft ge-


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leistet worden sind – allein in einem zugegebenermaßen großen Bundesland unserer schönen Republik, aber das ist natürlich anderorts ebenso der Fall.

Was wir hier haben, ist ein Beispiel dafür, was Österreich so stark, schön und groß ge­macht hat, nämlich die Solidarität, diese Kraft, die unsere Gesellschaft so zusam­menhält, dass das Zusammenleben auch wert und schön ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher erstens einmal Danke den Damen und Herren, die ihr Leben, ihre Gesundheit, ihre Kraft einsetzen, die vom Arbeitsplatz weggehen, damit sie anderen helfen können, egal ob es Feuerwehrleute sind oder Mitglieder der Bergrettung oder der Rettungs­dienste oder anderer Hilfsorganisationen.

Vielleicht sollten wir aber über dieses Dankeschön hinaus auch überlegen, ob es nicht noch eine zusätzliche Dimension gibt. Wenn man sich freiwilligen Hilfsorganisationen anschließt und gerufen wird, dann geht das auf Kosten der Freizeit, und die Frage ist, ob man nicht zumindest fünf Tage dieser Arbeit, wenn man in der Hilfsorganisation zum Einsatz kommt, bezahlt bekommt. Die Frage ist, ob diese fünf Tage dann eben nicht von der Firma bezahlt werden sollen – wie das die Firmen, die Wirtschaft oft tun, dass sie diesen Einsatz unterstützen –, sondern ob der Katastrophenfonds das aus­gleicht.

Das ist unser Vorschlag, den wir vorgelegt haben. Ich halte es für richtig und notwen­dig, dass die Menschen, die ihr Leben riskieren, ihre Gesundheit riskieren, nicht auch noch ihre Freizeit verlieren, sondern fünf Tage, an denen sie diese Arbeit für unsere Gesellschaft leisten, bezahlt bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben schon in der letzten Gesetzgebungsperiode durchgesetzt, dass die Mitglie­der der freiwilligen Feuerwehren gratis gegen Hepatitis geimpft werden. Der Punkt ist: Es ist doch zynisch, wenn wir sagen, dass jemand, der seine Zeit, seine Kraft, seinen Einsatz für die Gemeinschaft aufbringt, dann auch noch das gesundheitliche Risiko selbst zu tragen hat. Nein, das ist zynisch, und deswegen ist es richtig, dass diese Menschen, die Feuerwehrleute, von der Gemeinschaft die Hepatitisimpfung, also ihren Gesundheitsschutz, bezahlt bekommen. Das Gleiche sollten wir jetzt bei der Zeit, die sie investieren, im Ausmaß von fünf Tagen machen.

Das andere, das wir tun sollten, ist, den Katastrophenfonds für die Opfer aufzustocken, da es immer mehr Fälle gibt. Wir haben in diesem jetzt 17 Millionen Euro, und unser Vorschlag ist, 10 Millionen zusätzlich hineinzulegen, damit man jenen Leuten, die ihr Heim verlieren, jenen Leuten, die den Schlamm im Keller haben, die auf einmal, von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts stehen, auch ordentlich helfen kann. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das ist ein Anliegen, das wir alle hier im Haus teilen. Das ist ein Anliegen, das Opposition und Regierung teilen. Ich habe viele Stimmen gehört – Landeshauptleute, Regierungsmitglieder, einzelne Abgeordnete, Bür­germeister vor Ort –, die gesagt haben: Ja, jetzt muss man den Helfern helfen, damit sie helfen können! Daher haben wir diesen Fristsetzungsantrag eingebracht, damit wir das jetzt durchziehen können, um diesen Menschen, die helfen, die in unserer Gesell­schaft Solidarität leben, die unser gesamtes Zusammenleben so schön und wertvoll machen, die notwendige Anerkennung nicht nur durch Applaus, sondern auch durch die Bezahlung von fünf Arbeitstagen und durch mehr Sicherheit zu geben.

In diesem Sinne hoffe ich, dass es stimmt, was ich in den letzten Tagen von jeder Par­tei gelesen habe, nämlich dass man die Helfer unterstützen will. Tun wir es heute! Ma­chen wir es, es ist recht einfach: aufstehen, zustimmen! Die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren, die Bergretter, die Sanitäter werden es uns allen danken, und sie wer­den weiter das tun, weswegen wir so stolz auf sie sind, nämlich für uns arbeiten. Tun Sie es! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

15.56



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ham­mer. – Bitte.


15.56.55

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf vorweg die Ge­legenheit wahrnehmen und in der Debatte zu diesem Antrag Folgendes sagen: Wir diskutieren das aktuell, und gerade in den letzten Tagen und Wochen gab es – Kollege Schieder hat das auch angesprochen – wieder einige Unwetterereignisse. Kollege Schieder, Sie haben es ja auch gesagt, und ich möchte das noch einmal betonen: Es sind ehrenamtliche Helfer in den Rettungs- und Feuerwehrorganisationen, die diese Arbeit leisten, und für diesen Einsatz darf ich mich im Namen meiner Fraktion auch sehr herzlich bedanken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben angesprochen, dass es nach solchen Ereignissen auch größere Schäden gibt und der Einsatz mehrere Stunden oder Tage dauert. Ich möchte es als ÖVP-Wehr­sprecher auch nicht verabsäumen, zu erwähnen, dass gerade bei großen Elementar­ereignissen oder Hochwasserereignissen das österreichische Bundesheer sehr oft nach einigen Tagen die Arbeiten in Form eines Assistenzeinsatzes, eines Katastro­pheneinsatzes übernimmt. Das sollte man nicht vergessen, weil es in Österreich sehr, sehr gut abgestimmt ist, dass die Feuerwehren, die Rettungen als Erste im Einsatz sind, Hilfe leisten, und wenn es ein längerfristiger Einsatz ist, kommt auch das öster­reichische Bundesheer zum Einsatz und bietet Schutz und Hilfe. Und auch dafür ge­bührt unser Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Zum Antrag selbst: Man muss immer differenzieren; wenn man versucht, gewisse Din­ge zentral zu regeln, trifft man in der Praxis meistens den Nagel nicht ganz auf den Kopf. Man muss sich einfach die Situation anschauen. In vielen Betrieben ist oft nicht die Entgeltfortzahlung das Problem, sondern das Problem ist: Wenn ich einen kleinen Betrieb mit nur ein, zwei Mitarbeitern habe, dann stellt sich die Frage, ob es möglich ist, längere Zeit weg zu sein, weil ja die Aufträge auch abgearbeitet werden müssen.

In vielen Bundesländern gibt es schon Regelungen. Bei uns in Oberösterreich ist es so, dass die Entgeltfortzahlung ab dem vierten Tag, an dem man im Einsatz ist, vom Land Oberösterreich übernommen wird. Das ist also Länderzuständigkeit und in einigen an­deren Bundesländern ist es auch geregelt.

Man muss auch aufpassen – wir hatten ja im Sozialausschuss auch wieder Anträge der SPÖ –, denn wenn es darum geht, einen Rechtsanspruch auf etwas zu gewährleis­ten, gibt es immer die Gefahr, dass man damit das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich erreichen wollte. Man muss aufpassen, dass man nicht jemanden dis­kriminiert, wenn es darum geht, in einem Betrieb aufgenommen zu werden, wenn man sagt, es ist rechtlich gesichert, dass er einige Tage nicht zur Arbeit kommt. (Beifall des Abg. Loacker.) Das kann also auch zum Nachteil des jeweiligen Betroffenen sein. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Eines möchte ich an dieser Stelle auch dazusagen: Regional ist es ja oft auch ein The­ma, ob die Einsatzfähigkeit am Tag sichergestellt werden kann. Ich komme aus dem Großraum Linz, wir haben eine sehr hohe Auspendelrate, die Arbeitskräfte sind oft gar nicht vor Ort. Auch das ist ein Problem, und das Wichtige ist, dass die Tageseinsatzbe­reitschaft entsprechend sichergestellt werden kann.

Sie haben die Aufstockung des Katastrophenfonds angesprochen: Es gibt relativ klare Regelungen über die Vergabe und darüber, wie der Katastrophenfonds eingesetzt wird. Sie sagen, man sollte 10 Millionen Euro zuschießen. – Bis jetzt war es immer so, dass die Mittel, die notwendig waren, um solche Dinge aus dem Katastrophenfonds ab-


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zuwickeln, immer zur Verfügung gestellt wurden. Ich glaube, so sollten wir es auch wei­terhin handhaben, denn wenn Sie sagen, 10 Millionen Euro mehr, dann deckeln wir wieder. (Abg. Schieder: ... 17 budgetiert!) Wenn es ein größeres Katastrophenereignis gibt, dann wird auch entsprechend zugeschossen. Der Katastrophenfonds hat diese Dinge in den Ländern immer entsprechend abgewickelt, das funktioniert sehr gut. Auch da braucht es keine Regelung. Ich glaube, in der Praxis funktionieren die Dinge sehr, sehr gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben von fünf Tagen bezahlter Arbeit gesprochen. – Da gehen Sie schon wieder einen Schritt weiter, nämlich indem man dann bei diesen Organisationen ehrenamtli­che Arbeit bezahlen würde, bei anderen wieder nicht. (Abg. Schieder: ... nicht ver­standen!) Ich möchte mir diese Diskussion, dass man für Ehrenämter etwas bezahlt, generell ersparen, weil es so, wie es ist, funktioniert und die Leute das aus Überzeu­gung ehrenamtlich machen. Ihnen gebührt unser Dank, und das funktioniert auch so. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Loacker. – Abg. Wittmann: Ein sehr kompli­ziertes Nein!)

16.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stö­ger. – Bitte.


16.01.03

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kol­lege Hammer, habe ich jetzt ein Nein gehört? Hast du tatsächlich Nein gesagt zu den vielen Helfern (Ah-Rufe bei ÖVP und FPÖ), die gerade den Menschen in einer schwie­rigen Situation helfen wollen? Wer – du weißt das ganz genau – in einer Region lebt, in der man mit Hochwasser zu rechnen hat (Zwischenruf des Abg. Hammer), und wer jemals erlebt hat, was das für Familien bedeutet, der wird auch draufkommen, dass es notwendig ist, etwas zu tun – das ist der Unterschied! –, nämlich etwas zu tun für die Helfer, die dort die Arbeit machen. (Abg. Belakowitsch: Warum haben Sie das nie ge­macht?)

Starkregen und Gewitter kann man sich nicht aussuchen, das passiert, und die Feuer­wehren und die Helfer leisten da tolle Arbeit. Ich möchte mich bei ihnen bedanken. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Abg. Zanger: Die Kata­strophe haben Sie nicht erlebt!)

Jetzt geht es darum, diese Einsatzbereitschaft auch rechtlich abzusichern. Ich gebe zu, es gibt – und ich bedanke mich bei ihnen – viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die gerade in den Orten sind, die betroffen sind, die ihre Mitarbeiter freistellen, und viele davon haben sie auch bezahlt. Ich sage es auch noch einmal dazu: Es sind eher die kleineren Unternehmen – danke dafür! Das sind die, die mit den Menschen in Ver­bindung stehen, aber es gibt auch andere, die nur aufs Geld schauen. Worum es uns geht, ist, dass der Arbeitnehmer, wenn er bei der Feuerwehr ist, einen Anspruch hat, fünf Tage freizubekommen, und der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch darauf hat, die­se Gelder aus dem Katastrophenfonds ersetzt zu bekommen.

Lieber Kollege Hammer, sei mir nicht böse, aber der Unterschied zwischen dem, dass ab dem vierten Tag gezahlt wird, und dem, dass ab dem ersten Tag gezahlt wird, ist entscheidend (Abg. Zanger: Warum haben Sie es nie gemacht?) und gerade auch für die Unternehmer wichtig. Daher, so denke ich, ist das wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Es heißt doch immer, wer schnell hilft, hilft doppelt – daher haben wir diesen Fristset­zungsantrag gestellt, denn da braucht es schnell Klarheit –; dann helfen wir doppelt. Es ist auch für alle Unternehmen wichtig, dass wir diese Leistung erbringen.

Ich denke, es wäre ein schönes Zeichen für die betroffenen Personen, es wäre ein schönes Zeichen für die vielen ehrenamtlichen Helfer, wenn wir hier im Parlament eine


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gemeinsame Entscheidung aller Fraktionen zustande bringen. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Sind Sie selbst bei der Feuerwehr?)

16.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte. (Oje-Ruf bei der SPÖ.)


16.04.08

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Schieder, werter Kollege Stöger! Das, was Sie heute hier einbringen, ist eine Forderung, die es ja schon lange gibt, das ist ja nichts Neues, und es ist nicht das erste Hochwasser und es ist nicht die erste Katastrophe und es ist nicht das erste Mal, dass es Freiwillige gibt, die helfen.

Ich verweise jetzt einmal darauf zurück, Kollege Stöger: Sie waren ja bis vor Kurzem Sozialminister, und ich frage mich, warum Sie das eigentlich nicht umgesetzt haben, wenn es Ihnen doch so eine Herzensangelegenheit ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Plessl. – Abg. Stöger: ... Finanzierung ...! – Abg. Plessl: Wer ist zuständig für den Katastrophenfonds? – Abg. Wittmann: Fallen Sie schon wieder um?)

Im Jahr 2013 gab es eine ganz, ganz große Hochwasserkatastrophe, weit schlimmer, als es die in Neunkirchen jetzt ist. Das ist kein Trost für die jetzt Betroffenen, aber das war wirklich arg. Damals gab es genau solche Forderungen – H.-C. Strache hat es ge­fordert, wir haben im Sozialausschuss ähnliche Anträge liegen gehabt –, sie wurden vom damaligen Sozialminister Hundstorfer weggewischt mit den Worten (Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen): Das ist alles nicht wichtig, denn ich persönlich habe mit jeder Blaulichtorganisation geredet, die wollen das gar nicht, und freiwillig muss freiwillig bleiben. – Das können Sie übrigens in der Parla­mentskorrespondenz vom 25.6.2013 nachlesen.

Nichtsdestotrotz ist es und war es uns immer ein Anliegen, Freiwilligen auch sozusa­gen Goodies zu geben. Das geht aber nicht so überhapps, wie Sie sich das jetzt vor­stellen, Herr Schieder! (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Sie kommen hierher, ma­chen hier irgendetwas (Abg. Schieder: Nicht irgendetwas! Lesen Sie es doch einmal!) und fordern alles, aber im Jahr 2013 – im Übrigen waren Sie doch im Jahr 2013 Finanzstaatssekretär, da hätten Sie das locker durchsetzen können – haben Sie es auch nicht gemacht. (Abg. Schieder: Machen wir es jetzt!) Sie alle waren Regierungs­mitglieder! Sie stellen sich hierher und fordern das ein, was Sie selbst nie gemacht haben. Sie dokumentieren hier Ihr Versagen! Genau das ist der Grund, warum Sie dort sitzen und nicht mehr da. Genau das ist der Grund! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und das heißt ja nicht, dass dieses Begehren nicht umgesetzt wird, nur – und das hat auch mein Vorredner gesagt – gibt es massive regionale Unterschiede. (Zwischenrufe des Abg. Wittmann.) Man kann nicht einfach so drüberfahren, man kann nicht heute sagen: Es ist ganz einfach, helfen Sie oder Sie sind böse! (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Das versuchen Sie hier rüberzubringen. Das funktioniert einfach nicht! (Abg. Wittmann: Sie fallen schon wieder um!) – Wir fallen überhaupt nicht um! Ich habe es Ihnen ja gerade gesagt, aber Sie sind nicht nur nicht in der Lage, Sie sind auch nicht willens, zuzuhören. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ein Gesetz kann nicht so überhapps gemacht werden. Hätten Sie dem Vorredner zu­gehört, würden Sie wissen, dass es in manchen Bundesländern ganz unterschiedliche Landesgesetze gibt. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Daher ist es notwendig, dass man sich die genau anschaut, dass man das alles miteinbezieht – und auch, dass man die Blaulichtorganisationen mit ins Boot holt und ihnen da nicht etwas überstülpt, was


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sie vielleicht gar nicht mögen oder was sie in dieser Art nicht mögen. (Zwischenruf des Abg. Keck.)

Es ist doch lächerlich, was Sie hier treiben! Sie versuchen wirklich, in einer populis­tischen Art und Weise Opposition zu spielen. Ich sage Ihnen, das geht schief, weil es unglaubwürdig ist, weil es nur dokumentiert, dass Sie in den letzten Jahren nichts gemacht haben (Abg. Plessl: Doch! – Abg. Schieder: Wer hat ... eingeführt? Nicht Sie!) und dass Sie versuchen, das jetzt anderen umzuhängen. Das wird nicht funktio­nieren, weil die Menschen auf der Straße das merken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Zanger: Wir werden Ihnen schon noch eine Lehrstunde geben!)

In den Umfragen hören Sie es auch: Die Bevölkerung ist zufrieden mit der Arbeit dieser Regierung. In den letzten sechs Monaten haben wir eine Schlagzahl gehabt, die brin­gen Sie in Ihrer gesamten Geschichte nicht zusammen. Und ja, das ist halt noch nicht auf der Agenda gewesen, es wird in den nächsten Jahren noch kommen. Es werden noch viele Dinge kommen! Es geht nicht alles auf einmal, denn Sie haben in den letz­ten Jahren so viel verabsäumt und so viel kaputt gemacht, dass man das alles nicht in so kurzer Zeit reparieren kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das war eine jämmerliche Rede! – Abg. Wittmann: Wieder umgefallen!)

16.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


16.08.06

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Kollege Wittmann, spa­ren Sie sich noch ein bisschen Ärger für mich auf, Sie werden ihn noch brauchen! In vielen Unternehmen arbeiten Menschen, die bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz, beim Arbeiter-Samariter-Bund, bei verschiedenen Hilfsorganisationen, bei der Bergret­tung oder wo immer freiwillig tätig sind, und diese Freiwilligen stimmen ihr Engagement partnerschaftlich mit dem Unternehmen ab, und sie stimmen es auch innerhalb des Unternehmens mit ihren Abteilungskollegen partnerschaftlich ab, weil man ja immer ein Interesse daran hat, dass es in der Firma, in der Abteilung auch weiterläuft, wenn man selbst nicht da ist.

In dieses verantwortungsvolle Sich-Abreden und in dieses verantwortungsvolle Sich-Dinge-Ausmachen-und-Aufteilen wollen Sie mit einem Gesetz hineinschneiden. Damit machen Sie mehr kaputt, als Sie sanieren. (Beifall des Abg. Hörl.)

Auf der einen Seite beklagen sich gerade die Linken immer, dass alles ökonomisiert werde, aber das, was Sie machen, ist, einen Vorschlag zu bringen, der Freiwilligenar­beit ökonomisiert (Abg. Schieder: Nein!), mit der Konsequenz, dass man dann bei­spielsweise in einem Einsatzfahrzeug Kräfte hat, deren Einsatz bezahlt wird (Abg. Schieder: Nein!), weil sie von der Arbeit weggegangen sind, und Kräfte, die den Ein­satz nicht bezahlt bekommen, weil sie nicht von der Arbeit weggehen mussten. (Abg. Schieder: Fünf Tage im Jahr?!) Dann haben Sie zwei Klassen von Freiwilligen, näm­lich echte Freiwillige und Halbfreiwillige.

Natürlich kann man das wollen, ich glaube aber, das wollen nicht einmal die Freiwil­ligenorganisationen selbst so haben, und daher halte ich den Vorschlag in dieser Form für nicht ausgereift. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hol­zinger-Vogtenhuber. – Bitte. (Oje-Ruf bei der ÖVP.)



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16.10.04

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! (Abg. Neubauer: Für welche Partei sprechen Sie?) Dem einen scheint die Sonne, dem anderen steht das Wasser bis zum Hals und bei einem Dritten klopft die Mure an die Haustüre. – All das haben wir in den letzten Wochen erleben dürfen beziehungsweise erleben müs­sen. Wir können es uns schlicht nicht aussuchen, ob, wann und wie es uns trifft. Es ist ein Glücksspiel mit ungewissem Ausgang, und selbst die schwarz-blaue Bundesregie­rung – auch wenn Sie gesagt haben, Sie werden sich dieses Thema vornehmen –, selbst die schwarz-blaue (Ruf: Türkis-blau!) oder türkis-blaue Bundesregierung hat bis­her noch keine Mittel finden können, um Unwetter wirksam von uns und von Österreich fernzuhalten. (Abg. Neubauer: Wir werden es zusammen finden! – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Es gibt zwar diverse Internet-Memes, in denen Vizekanzler Strache zitiert wird mit: „Des Unwetter ziagt vom Auslond eina!“, aber auch die Grenz- und die Reiterstaffel un­seres Herrn Innenministers werden diese Unwetter kaum zur Umkehr bewegen kön­nen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Aber Gott Pilz wird das lösen!)

Es ist also wie bei fast jeder Herausforderung, vor der wir stehen: Wir als Gemein­schaft brauchen am Ende engagierte Frauen und Männer, wir brauchen engagierte Menschen mit Einsatzwillen, Know-how und natürlich auch der entsprechenden Aus­rüstung.

In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass es nötig war, Keller auszupumpen, Brände zu löschen, Straßen zu räumen und natürlich auch Verletzte zu versorgen. (Abg. Rosenkranz: Das sehe ich nicht nur in den letzten Wochen, das sehe ich, seit­dem ich auf der Welt bin!) Ich brauche das nicht weiter auszuführen, denn Ihnen allen müsste dieses breite Einsatzspektrum unserer Feuerwehren, unserer Rettungs- und Katastrophenschutzeinheiten selbstverständlich bekannt sein.

Glauben Sie mir, es vergeht nicht eine Fahrzeugsegnung, an der ich teilnehme, nicht ein Feuerwehrfest, wo nicht ein Politiker jeder Couleur vom Rednerpult herab genau diese Leistungen hervorhebt und würdigt, aber ein einfaches Danke ist dann am Ende des Tages, wenn es brenzlig wird, vielleicht auch einmal zu wenig.

Worum geht es? – Ich nenne Ihnen einige Beispiele, nachzulesen in der Statistik des Bundesfeuerwehrverbandes: Allein im Jahr 2016 waren es 259 000 im Aktivstand be­findliche Feuerwehrleute, die rund 1 730 000 Einsatzstunden geleistet haben. Über 93 Pro­zent davon wurden von Menschen, die ehrenamtlich – wir haben es schon erwähnt – in rund 4 500 freiwilligen Feuerwehren bundesweit tätig sind, geleistet. Ehrenamtlich: Ja, aber wie gesagt, am Ende des Tages, wenn es dann brenzlig wird und eventuell sogar Probleme im Job auftreten, reicht ein einfaches Danke nicht aus.

Bei einem fiktiven Stundensatz von 30 Euro wäre das hochgerechnet eine Ersparnis von rund 51 Millionen Euro, hochgerechnet auf eine Legislaturperiode eine Ersparnis einer Viertelmilliarde Euro, also Geld, das wir nicht aufwenden müssen. Da, würde ich sagen, könnte man jenen Menschen, die sonst immer der Devise folgen: Gott zur Ehr’, dem nächsten zur Wehr!, ebenfalls einmal zur Seite stehen.

Es ist in meinen Augen das Mindeste, dass wir uns hier im Hohen Haus ernsthaft da­rüber Gedanken machen, wie wir die Rahmenbedingungen setzen können, um diesen Menschen auch entsprechend zu helfen, sie zu unterstützen und zu fördern. Eines kann ich dabei mit Gewissheit sagen: Die Angst, einen Teil des Gehalts oder womög­lich sogar den Job zu verlieren, weil man im Katastropheneinsatz für die Gemeinschaft


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tätig ist, ist mit Sicherheit nicht hilfreich, wenn es darum geht, einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen. (Ruf bei der SPÖ: Genau!)

Ich danke der SPÖ für diesen Antrag, der, wie ich glaube, auch eine sehr gute Lösung für die Arbeitgeberseite darstellt (Abg. Rosenkranz: Treten Sie jetzt wieder der SPÖ bei? Es geht ja!), und möchte auch vonseiten der Liste Pilz diesen Antrag sowie die Fristsetzung unterstützen, Herr Rosenkranz, weil es wichtig ist, dass man solche im­mens wichtigen Themen nicht schon wieder auf die lange Bank schiebt. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Nein, nein, das tun wir auch nicht!)

Abschließend möchte ich noch auf einen Antrag von mir verweisen (Abg. Rosenkranz: Aber eines wollte ich nur wissen: Ob Sie wieder bei der SPÖ eintreten! Sie wären ja jetzt wieder frei!), der im Ausschuss für Arbeit und Soziales liegt. In meinem Antrag wird unter anderem auch die Übungs- und Schulungsfreistellungsthematik behandelt. Viele ehrenamtliche Mitarbeiter nehmen sich Urlaub, um sich für die Gemeinschaft wei­terzubilden. Auch da stellt sich die Frage, wie man diese Personen unterstützen kann, weil ich es nicht für fair erachte, dass man auf den eigenen Urlaub verzichten muss, um etwas für die Gemeinschaft zu leisten, sondern da ebenfalls Unterstützungen mög­lich sein sollten.

Geschätzte Mitglieder der Regierungsfraktionen! Die Lösungen – Sie sehen es – liegen auf dem Tisch: auf der einen Seite heute mit einem Fristsetzungsantrag und auf der anderen Seite im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Kollegin Belakowitsch hat gesagt, Sie werden es nicht wegwischen: dann wischen Sie es nicht weg, sondern stimmen Sie dafür, unterstützen Sie die entsprechenden Anträge im Ausschuss! Mein Antrag wurde letztes Mal vertagt; ich hoffe, dass wir es mit ihm auf der nächsten Tagesordnung ge­meinsam schaffen können, Verbesserungen zu erreichen. – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

16.14

16.14.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Rednerliste ist erschöpft.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Schieder, Kollegin­nen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 274/A der Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastro­phenfondsgesetz 1996 geändert werden“, eine Frist bis 15. Juni, 24 Uhr, zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Martin Graf – auf den leeren Sitzplatz des Abg. Kern blickend –: Der Kern und der ... sind auch dagegen, gell?) – Das ist die Minderheit. Damit ist er abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Schieder. – Abg. Rosenkranz: Sind Sie eigentlich bei der Feuerwehr, Herr Schieder? Sind Sie bei der Feuerwehr? Ich schon, deshalb kenne ich mich aus! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Schie­der und Rosenkranz.)

16.15.357. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 201/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung ei­ner Integrationsstiftung (172 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir setzen in der Tagesordnung fort und kom­men zu den Verhandlungen über Punkt 7 der Tagesordnung.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte sehr.


16.16.07

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht in dieser Debatte um einen Antrag der NEOS, die vorschlagen, im Bereich der Inte­gration eine Stiftung nach dem Vorbild der Innovationsstiftung für Bildung zu schaffen – die ja leider zum Unverständnis aller, die in diesem Bereich arbeiten und Hoffnung in diesen Innovationsschub gesetzt haben, total zusammengekürzt wurde –, um diverse Projekte und Maßnahmen ans Tageslicht zu bringen und zu fördern, die entwickelt worden sind, um sich der Herausforderung der Integration zu stellen. Die Kollegin von den NEOS wird den Antrag in der Sache sicher noch näher erläutern.

Für diesen Vorschlag kann man sein oder nicht sein – aus unserer Sicht ist es ein gu­ter Vorschlag, dem man nähertreten sollte –, aber darüber entscheiden wir heute gar nicht, sondern heute geht es darum, dass dieser Antrag vom Unterrichtsausschuss in den Außenpolitischen Ausschuss verschoben werden soll. Gegen dieses Hin- und Her­schieben sprechen wir uns aus. Es wäre ein Leichtes gewesen, das im Unterrichts­ausschuss zu behandeln und abzustimmen und in der Folge heute hier darüber zu ent­scheiden. Wir hätten es beschließen können.

Es erweckt den Anschein, und das werfe ich jetzt gar nicht Ihnen persönlich vor, Herr Bundesminister Faßmann – Sie sind wieder da –, dass Sie an der Lösung des Pro­blems nicht wirklich interessiert sind. Wenn man sich anschaut, wie Sie mit Instru­menten umgehen, die vorhanden sind, dann liegt dieser Eindruck einfach nahe.

Der erste Punkt ist, dass der Integrationstopf, der ein ganz, ganz wichtiges Instrument gewesen ist, abgeschafft wurde. Es sind pro Jahr 80 Millionen Euro zur Verfügung ge­standen, um in den Schulen Leute zu bezahlen, die mit den Kindern intensiv arbeiten können, für die Sprachförderung in kleinen Gruppen arbeiten können, Sozialarbeiter zu bezahlen, die – was sehr, sehr wichtig war und ist – sozialarbeiterisch unterstützend tä­tig sein können. Das wurde abgeschafft und wird in den Schulen massiv fehlen.

Kinderbetreuung ist ganz, ganz wichtig, auch im Sinne der Integration; es wäre so wichtig gewesen, da beim Ausbau weiterzukommen. Wir würden auch im Sinne der Integration ganz dringend ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr brauchen. Da gibt es nur mehr einen Erinnerungsposten im Budget, die Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen sind de facto gestrichen worden.

Den Ausbau der Ganztagsschulen haben wir heute schon diskutiert. Da wird der Zeit­raum erstreckt; in diesem Sinne sind die Mittel pro Jahr dann natürlich auch geringer. Der Ausbau der Ganztagsschulen – gleichfalls ganz wichtig, damit die Kinder auch im Sinne der Integration voneinander lernen, und zwar nicht nur im Sachunterricht, son­dern auch bei anderen Aktivitäten – wird also leider zulasten der Kinder verzögert und verlangsamt.

Dafür werden jetzt Deutschklassen eingerichtet. Diesbezüglich sagen die Experten, die sich damit beschäftigt haben – sogar Ihre Experten! –, dass zu befürchten ist, dass das Scheinlösungen werden, wenn sie nicht sogar kontraproduktiv sind. Sogar diejenigen, bei denen es jetzt gar nicht darum geht, ob sie das gut oder schlecht finden, die das jetzt umsetzen sollen, sagen: Das ist im Moment nicht umzusetzen. Es fehlen die Res­sourcen, es fehlen die Mittel, die Vorgaben, die räumlichen Voraussetzungen. Das ist in dieser Form nicht umzusetzen. Offenbar ist es bei Ihnen sogar intern durchaus um­stritten, denn wie wir heute lesen konnten, hat in Floridsdorf die ÖVP im Bezirkspar­lament für einen Antrag gegen diese Deutschklassen gestimmt.


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Also: Wichtig wäre, sich den Herausforderungen wirklich zu stellen, Maßnahmen fort­zuführen, die sich bewährt haben, die dringend notwendig sind, eventuell entsprechen­de neue Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern. Das Hin- und Herschieben bringt nichts, weshalb wir heute auch der Weiterleitung an den Außenpolitischen Ausschuss selbstverständlich nicht zustimmen werden. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dön­mez. – Bitte.


16.20.44

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Kuntzl, Sie haben vollkommen richtig gesagt: Ein Problem gehört gelöst und nicht hin- und hergeschoben. – Wenn man ein Problem lösen möchte, dann muss man das Problem aber auch jener Stelle zuführen, die verantwortlich ist. Wir haben die Thematik Integration nicht beim Bildungsministerium angesiedelt, sondern bei der geschätzten Frau Außenministerin Karin Kneissl, und daher ist es logisch, dass man diese The­matik nicht in die Hände des geschätzten Herrn Bildungsministers legt (Abg. Kuntzl: Für die Schulen wäre das aber dringend notwendig!), obwohl der genauso gut ist und die nötige Expertise hat. Sie wissen, dass er einer der Topberater auch in diesen Fra­gen war und nach wie vor ist.

Möchte man ein Problem lösen, so muss man das dort machen, wo die Zuständigkeit gegeben ist, und die Integrationsthematik obliegt eben der Zuständigkeit des Außenmi­nisteriums. Das haben wir im Nationalen Aktionsplan hier in diesem Haus beschlossen, und das ist die Entscheidungsgrundlage für den Fahrplan der Integrationsmaßnahmen, die wir setzen. Es herrscht Einigkeit darüber, dass diese Thematik eben beim Außen­ministerium, bei der geschätzten Frau Bundesministerin Kneissl, angesiedelt ist. – Das ist der eine Punkt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der andere Punkt ist Ihr wiederholtes Vorführen der immer gleichen Kritikpunkte be­züglich der Deutschklassen. Als ich in die Schule gegangen bin, war ich das einzige Kind, das nicht Deutsch gesprochen hat, und ich kann sagen, es macht einen Unter­schied, ob in einer Schulklasse ein, zwei, drei Kinder, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vom Klassenverband mitgetragen werden oder ob – wie die Situation mittlerweile ist, dass in den Schulen beziehungsweise Schulklassen ein hoher Migran­tInnenanteil gegeben ist, was aber noch nicht heißt, dass die nicht Deutsch können, ich glaube, darin sind wir uns einig – mehr als die Hälfte der Schüler und Schülerinnen der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

Wie sollen die Kinder, die in Österreich geboren worden sind und noch nicht einmal beim Schuleintritt der deutschen Sprache mächtig sind, dieses Defizit aufholen? – Es ist doch klar, dass man diese Kinder unterstützt, ihnen eine Förderung ermöglicht. Das heißt ja nicht, dass sie dauerhaft vom Klassenverband ausgeschlossen werden, wie das fälschlicherweise immer behauptet wird, nein, sondern so lange wie notwendig. Es gibt eine Maximalfrist, und wenn sie innerhalb dieser, zum Beispiel nach einem halben Jahr, der Unterrichtssprache folgen können, dann können sie wieder in ihrer Regel­klasse an den entsprechenden Unterrichtsfächern teilnehmen. In den anderen Fächern wie Sport, Werken und so weiter sind sie ja sowieso im Klassenverband. (Abg. Kuntzl: Warum sind dann Ihre eigenen Experten dagegen?)

Meiner Meinung nach – auch aus der Praxis heraus, ich habe auch in der Flüchtlings­arbeit mit Jugendlichen zu tun gehabt – ist es ganz logisch, dass dieser Schritt gesetzt wird, dass man Kindern und Jugendlichen erst Deutsch beibringt, damit sie dann dem Regelunterricht folgen können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.24



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 138

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Kris­per. – Bitte.


16.24.20

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuschauerInnen auf der Galerie und zu Hause! Kommen wir wie­der einmal zur Sache, nämlich zu unserem Vorschlag für eine Integrationsstiftung nach dem Vorbild der Innovationsstiftung für Bildung. Wir sind uns darin einig, dass Inte­gration eine der Schicksalsfragen unserer Gesellschaft heute ist. Die Debatte darüber ist aber leider, freundlich gesagt, von Regierungsseite bis jetzt sehr fantasielos und deswegen auch sehr desinteressiert geführt worden.

Desinteresse ist noch ein geringer Vorhalt, ich halte der Regierung sogar vor, dass diese Untätigkeit eine Intention ist, um die Probleme groß zu halten, groß zu machen, um Feindbilder zu bestätigen, mit denen Sie Ihre Arbeit und Ihre Existenzgrundlage füt­tern können. Alles, was der Regierung bisher zum Thema Integration eingefallen ist, sind schnellere Sanktionsmaßnahmen, verpflichtende Deutschklassen und die Strei­chung des Integrationstopfes 2019. Was heißt das aber im konkreten Leben für die Betroffenen? – Ein Beispiel aus den Medien:

„Juni 2011: Nur zwei Monate nach seiner Ernennung zum Staatssekretär für Integra­tion gibt der damals 24-jährige Sebastian Kurz 200.000 Euro an Starthilfe für die ersten Lerncafés frei.“

Bei einem natürlich perfekt inszenierten Fototermin fällt auch der berühmte Slogan „In­tegration durch Leistung“.

„Heute ist Kurz Kanzler und der Caritas das Lächeln vergangen. Generalsekretär Bernd Wachter beklagt bei den Nachhilfestätten Einschnitte von rund 15 Prozent durch die Kurz-Regierung“ – obwohl es gerade die Lerncafés sind, die Integration ermöglichen –, „[...] und auf der Warteliste stehen weitere 800 Kinder und Jugendliche.“

Im Rahmen der Diskussion rund um die Deutschförderklassen wurde immer wieder be­hauptet, das sei ein Element einer großen Strategie. – Ich habe jetzt im Hinblick auf die bisherigen Maßnahmen eher Sorge, was diese Ankündigung heißen soll.

Insgesamt bemerkenswert ist, dass überall dort, wo wir für Innovation und Investition im Bildungs- und Integrationsbereich sorgen müssten, die Bundesregierung den Spar­stift ansetzt. So hat diese Bundesregierung die Intention, auch die Innovationsstiftung Bildung auszuhungern. Das ist ein weiteres Zeichen für mich und uns NEOS für die rückwärtsgewandte Politik dieser Regierung: Innovation – wozu brauchen wir das? – So vernichten Sie aber mit großer Treffsicherheit auch Engagement und frustrieren vie­le Beteiligte mit integrem Wunsch, da Verbesserungen zu erreichen.

Wir NEOS haben die Idee der Innovationsstiftung für Bildung sehr begrüßt und unter­stützt. Unserer Meinung nach wäre das eine gute Basis, ein Vorbild für eine Integra­tionsstiftung. Was ist das Ziel dieser Stiftung? – Unter anderem die Identifizierung, Bündelung und Unterstützung der konstruktiven Kräfte und Ansätze, die es im Bereich Integration in Österreich gibt. So könnten wir Problemlösungen von unten angehen, gute Maßnahmen und Projekte skalieren und so in die Breite gehen und konstruktiv an diesem wichtigen Thema arbeiten.

Eine weitere zentrale Aufgabe wäre da auch die Vernetzung der Einrichtungen im Be­reich Integration und Bildung, Unternehmen und NGOs, um positive Synergien zu nut­zen. Eine Integrationsstiftung wäre damit ein kraftvolles und innovatives Projekt, um nachhaltig Projekte im Bereich Integration zu fördern. Ich bitte daher um Ihre Unterstüt­zung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.27



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 139

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ames­bauer. – Bitte.


16.28.10

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wenn man Frau Kollegin Krisper jetzt zugehört hat, dann weiß man, sie bezeichnet die Bundesregierung als fantasielos, sie meint, die Bundesregierung sei unwillig im Bereich der Integration, sie sei untätig und kürze. – Nichts davon, geschätzte Frau Kollegin, ist wahr.

Was ich an Ihrem Antrag aber nicht verstehe – abgesehen davon, dass Sie ihn im fal­schen Ausschuss eingebracht haben –, was ich inhaltlich nicht verstehe, ist, dass Sie jetzt eine Integrationsstiftung neu schaffen wollen, in der ein Stiftungsrat über die För­derschwerpunkte und die Vergabeentscheidungen von Projekten befinden soll. Das verstehe ich wirklich nicht. Gerade in Zeiten, in denen wir über den Abbau von Büro­kratie und Doppel- und Mehrgleisigkeiten in der Verwaltung diskutieren, wollen Sie eine neue Institution einführen?

Abgesehen davon – weil Sie gesagt haben, es werde gekürzt und die Bundesregierung sei untätig –, Frau Kollegin Krisper: Ich weiß nicht, ob Sie sich auf der Homepage des zuständigen Ministeriums, und das ist nun einmal das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, die Datenbank für Integrationsprojekte in Österreich angese­hen haben. Ich habe aktuell 17 Seiten ausgedruckt (ein Bündel an Ausdrucken in die Höhe haltend) und kann Ihnen sagen, aktuell sind 703 Integrationsmaßnahmen und In­tegrationsprojekte aufgelistet. Es sind viele dabei, die sinnvoll sind, es sind auch einige dabei, über die man wird diskutieren müssen, aber Fakt ist, es wird etwas getan, sehr geehrte Frau Kollegin Krisper! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Im Bereich des zuständigen Integrationsministeriums werden die Schlüsselelemente für Integration, also eben die Basissprach-, Werte- und Orientierungskurse, zur Verfü­gung gestellt.

Sie haben auch gesagt, es werde gekürzt. – Das ist auch eine totale Falschaussage, die Sie hier tätigen! Der mit der Abwicklung dieser Kurse betraute Österreichische Inte­grationsfonds hat im Budget um fast ein Drittel mehr zugeteilt bekommen als im Vor­jahr. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal dort waren, aber ich habe mir das angesehen und kann sagen, der ÖIF leistet wirklich hervorragende Arbeit, und die Bundesregie­rung stellt sicher, dass der ÖIF diese wichtige Arbeit auch in Zukunft leisten kann, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Man muss aber auch Folgendes feststellen – und das fehlt mir in der ganzen Debatte –: Wenn von Integration gesprochen wird, dann wird das von der linken Seite immer so dargestellt, als ob Integration eine rein staatliche Aufgabe wäre. Das ist aber nicht so! Integration ist auch nicht die alleinige Aufgabe der österreichischen Gesellschaft, des österreichischen Staates, sondern meiner Meinung ist Integration in erster Linie eine Bringschuld der Zuwanderer (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), die in unser Land kommen, die in unserem Land aufgenommen werden, die in unserem Land auch Sozialleistungen kassieren und auch Bildungseinrichtungen in Anspruch nehmen können, sehr geehrte Frau Kollegin! Integration ist eine Bringschuld der Men­schen, die zu uns kommen, und ich bin auch froh, dass das klipp und klar im Regie­rungsprogramm dieser türkis-schwarzen Bundesregierung festgehalten ist. (Abg. Zan­ger: Türkis-blau! – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Der türkis-blauen Bun­desregierung natürlich. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, das ist alles sehr witzig, aber hören Sie zu, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Im Regierungsprogramm der türkis-blauen oder von mir aus auch blau-türkisen Bun­desregierung steht klipp und klar: „Von jenen Personen, die rechtmäßig und dauerhaft


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 140

in unserem Land leben, wird eingefordert, dass sie sich aktiv um ihre Integration in die Gesellschaft und ihr Fortkommen bemühen sowie unsere verfassungsmäßig veranker­ten Werte hochhalten.“ (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Man darf in einer Integrationsdebatte auch die Probleme im Bereich der Integration nicht verschweigen, auch nicht aus falsch vorhandener Toleranz, die die Linken an den Tag legen. Man muss sich auch dazu bekennen, der Bildung von Parallel- und Gegen­gesellschaften entgegenzuwirken. Man muss sich zum Kampf gegen den politischen Islam bekennen – und das macht diese Bundesregierung!

Es führt zu Problemen, wenn es in Schulen einen Kampf der Kulturen gibt. Das ist jetzt keine Aussage eines FPÖlers, sondern das ist eine Aussage – Sie kennen die Zei­tungsmeldungen – einer Wiener Lehrerin, einer SPÖ-nahen Lehrerin, die von den Missständen in den Schulen gesprochen hat und dafür dann von der eigenen roten Personalvertretung geprügelt wurde. So schaut es aus in Ihrem roten Wien, meine Da­men und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum Thema Integration passen auch ganz aktuelle Fehlentwicklungen und Problem­stellungen gerade jetzt im Ramadan. Wir kennen die Zeitungsmeldungen, dass es zu Gesundheitsgefährdungen bei Schulkindern kommt, die fasten müssen. Ich bin dem Generalsekretär der ÖVP, dem türkis/schwarzen Karl Nehammer, sehr, sehr dankbar dafür, dass er das Thema aufgegriffen und gesagt hat, dass auch da etwas geschehen muss, denn es kann auch unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit nicht sein, dass unsere Kinder, dass die Kinder der Zuwanderer, dass schulpflichtige Kinder gesund­heitlichen Schaden nehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend: Zu den Deutschförderklassen will ich inhaltlich nicht sehr viel sagen, denn Kollege Dönmez hat sehr präzise skizziert, wie das geplant ist und warum das Sinn hat. Wir wissen aus einer aktuellen Umfrage, dass 83 Prozent der Österreicher diese Deutschförderklassen befürworten. Nur die NEOS wissen es wieder besser als die 83 Prozent der Österreicher (Zwischenruf des Abg. Scherak), das ist schon klar bei Ihrer Denkweise, sehr geehrter Herr Kollege Scherak! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Ja, ja, passt schon.

Das macht Sinn, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie meinen, wir sind fanta­sielos, aber das sind wir nicht; vielleicht in manchen Bereichen. Ich bin froh, dass wir Realisten sind, ich bin froh, dass wir mit Bildungsminister Faßmann einen Realisten haben, der sich auch nicht beirren lässt, sodass wir als Bundesregierung, als türkis-blaue Bundesregierung, an diesem Weg festhalten können.

Sehr geehrte Damen und Herren von den NEOS! Machen Sie sich keine Sorgen, wir brauchen keine neue Stiftung, keine neue Infrastruktur, um die Problembereiche im In­tegrationsbereich zu lösen. Die Grundlage für eine gelungene Integration, die Grund­lage für ein ordentliches Zusammenleben der Kulturen auch in Österreich bildet das Regierungsprogramm dieser Bundesregierung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.35

16.35.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 172 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich weise den Antrag 201/A(E) dem Außenpolitischen Ausschuss zu.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 141

16.35.548. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 232/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung des Unterrichtsfachs „Ethik und Religionen“ (173 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Feichtinger. Ich darf es ihr erteilen. – Bitte.


16.36.16

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Lassen Sie mich eines vorausschicken: Als ausgebildete Religionspädagogin stehe ich dem konfessionellen Religionsunterricht positiv gegenüber und erachte ihn für äußerst wichtig.

Wollen wir die Fragen des Ethik- und Religionsunterrichts diskutieren, müssen wir uns ansehen, wie sich unsere Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt hat. Wir leben heute in einem Land mit einer Vielfalt an religiösen Gemeinschaften und Kir­chen. Es gibt allein 16 gesetzlich anerkannte religiöse Gemeinschaften und Kirchen und ein halbes Dutzend Bekenntnisgemeinschaften, und es gibt immer mehr Men­schen, die sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen. Es ist wichtig, dass un­sere Schulen auf diesen Wandel reagieren können und unsere Kinder auf das Leben in einer pluralistischen Gesellschaft mit vielen Religionen und Weltanschauungen vorbe­reiten.

In einer parlamentarischen Enquete im Jahr 2011 hat der bekannte Theologe Universi­tätsprofessor DDr. Zulehner die Herausforderung wie folgt definiert: Ziel muss es sein, dass Schüler in Freiheit ihre eigene weltanschauliche und ethische Position überprüfen und klären können. Schließlich trägt eine umfassende Bildung, die das hohe Maß an weltanschaulicher und religiöser Pluralität abbildet, auch zur Sicherung des Friedens bei, wo dem anderen im Dialog und in Toleranz begegnet wird.

Zulehner bezog sich in seinem damaligen Statement ausdrücklich auch auf die Ergeb­nisse der österreichischen Jugendwertestudie von 2006, laut der eine Mehrheit von 57 Prozent der Befragten mehr ethische Bildung in ihrem Religionsunterricht bezie­hungsweise in den Schulen forderte und 66 Prozent angaben, es sei wichtig, dass Kin­der in Österreich Religionsunterricht erhalten.

Welche Optionen gibt es also? – Bei der Enquete im Jahr 2011 wurden drei mögliche Modelle vorgeschlagen: Ethik als eigenständiger zusätzlicher Pflichtgegenstand, Ethik als alternativer Pflichtgegenstand zum Religionsunterricht oder Ethik als Lehrplanbe­standteil eines Pflichtgegenstandes.

Es ist übrigens interessant, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften da oft schon wesentlich weiter und flexibler sind. So gibt es bereits Versuche und Modelle über Vereinbarungen der Kirchen, zur Vertiefung der Ökumene einen gemeinsamen kooperativen beziehungsweise dialogischen Religionsunterricht unter Wahrung der Konfessionalität zu führen. Auch Sie von den Koalitionsparteien haben sich für eine Weiterführung dieser Modelle in Ihrem Regierungsprogramm ausgesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben wir den Mut, all diese Wünsche und Forde­rungen gemeinsam zu diskutieren und konstruktiv zu beraten, und zwar intensiv im Dialog mit den Vertretern der Schülerinnen und Schüler, den Lehrern, den Eltern und


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den Kirchen und Religionsgemeinschaften, etwa in Form eines runden Tisches, denn so können wir eine Lösung im Interesse aller finden! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

Abschließend möchte ich als Lehrerin noch einmal betonen, dass, egal auf welches Modell wir uns einigen sollten, die entsprechende Aus- und Weiterbildung der Lehren­den natürlich ein zentraler Punkt sein muss. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

16.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Tasch­ner. – Bitte.


16.39.41

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Feichtinger! Ich kann Ihrer Argumentation fol­gen, trotz alledem trete ich dafür ein, dass der Religionsunterricht nicht parallel geführt wird mit einem Unterrichtsfach Ethik und Religionen, und zwar aus zwei Gründen: Der eine Grund ist ein praktischer: Es gibt laizistische Staaten, in denen der Religionsun­terricht in den Schulen nicht stattfindet, in denen stattdessen ein allgemeiner Weltan­schauungsunterricht eingeführt ist. In diesen laizistischen Staaten geht es mit den Leu­ten, die dann einen Religionsunterricht in irgendwelchen Hinterhöfen erfahren, nicht gut zu. (Abg. Gamon: Was?) – Das gibt es, und Sie können mir glauben, dieser Reli­gionsunterricht ist relativ gefährlich und wir können ihn nicht kontrollieren. Mir kommt es darauf an, dass in diesem Land vom Staat kontrolliert werden kann, wie der Reli­gionsunterricht geführt wird. Das ist wichtig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn Sie sagen, der Religionsunterricht kann ja weiterhin bestehen und daneben be­steht auch noch das Fach Ethik und Religionen, so ahnen Sie nicht, wie scharf das Skalpell des Ockham’schen Messers ist und wie schnell der Religionsunterricht weg ist.

Der zweite Grund ist ein, wenn Sie so wollen, prinzipieller: Meine sehr verehrten Da­men und Herren, jeder Mensch ist irgendwie gläubig. (Abg. Gamon: Nein!) Jeder Mensch ist irgendwie gläubig. Selbst ein ehemaliger Bürgermeister der Stadt Wien glaubt an den Gott Dionysos und manche glauben an die Vierte Internationale oder manche glauben nur an sich selbst, aber jeder Mensch ist irgendwie gläubig. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es gibt gewisse Religionsgemeinschaften, die der Staat aus gutem Grund anerkennt, bei denen man sagt, da werden bestimmte Glaubensweisen in einer Gemeinschaft geführt. Andere Glaubensweisen führt man privat, das ist eine ganz andere Angelegen­heit, aber diese Religionsgemeinschaften sind ganz wesentlich und diese sollte man unbedingt kennenlernen.

Jetzt können Sie sagen, ja, das kann man ja in einem Fach machen, das Religionen heißt, aber das Fach Religion besteht darin, dass ich von jemandem unterrichtet wer­de, der diesen Glauben selbst authentisch besitzt, ansonsten ist das eine willkürliche Angelegenheit. (Abg. Drozda: Gilt das für die Philosophie auch, was Sie da sagen?) – Philosophie ist etwas anderes. Wissen Sie, bei der Philosophie gerät man ganz schnell in die Beliebigkeit hinein. Es gibt einen Philosophen, den ich besonders schätze, und wenn man ihn fragt: Woran halten Sie sich persönlich fest?, dann sagt er immer nur: Hegel sagt das, Kierkegaard sagt das und Marx sagt das. – Das sagt dann einfach nichts mehr. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)


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Es ist wichtig und entscheidend, dass ein Religionsunterricht von jemandem geführt wird, der von sich selbst in seiner existenziellen Weise weiß, was Religion bedeutet. Das ist nicht ein Fach wie Mathematik oder Chemie, das ist ein Fach eigener Art.

Ich möchte haben, dass ein solcher Unterricht geführt wird. Es war eine gute Entschei­dung des Staates Österreich, das immer so zu machen, wobei immer verlangt wird, und das ist das Entscheidende, dass dieser Religionsunterricht nicht missionierend ge­führt wird, sondern im Sinne der Aufklärung als aufklärender Unterricht. Das wollen wir immer haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die jungen Leute können dann auch entscheiden – ab 14 Jahren kann man das ma­chen –, keinen Religionsunterricht mehr zu bekommen, dann gibt es selbstverständlich ein Kompensationsfach. Das ist auch im Regierungsprogramm so vorgesehen, nämlich als Kompensation dafür, dass man diesen Religionsunterricht nicht besucht.

Ich weiß, dass Religionsunterricht in dieser Weise exzellent geführt werden kann und dass die Religionslehrer, die ihn führen, im Allgemeinen von der Aufklärung beseelt sind und wissen, dass sie die Persönlichkeit jedes der Kinder, der Schülerinnen und Schüler, die sie vor sich haben, auch in ihrer Selbständigkeit ernst nehmen müssen.

Ich glaube, das ist ein gutes Modell, und ich bin nicht überzeugt davon, dass es durch ein besseres ersetzt werden könnte. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubob­mann Strolz. – Bitte.


16.44.34

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Taschner, meine Glaubensanfechtungen haben oft mit Ihren Redebeiträgen zu tun, aber nicht heute. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heute möchte ich durchaus auf Ihre Argumente eingehen. Diese sind wertig, das ist in Ordnung. Ich glaube, wir haben ebenso wertige, sogar wertigere Argumente, und diese möchte ich vortragen.

Es ist doch so, und das hat uns alle überrascht, dass die Religion in unserer Gesell­schaft in diesen Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das ist allerhand! Vor fünf Jahren, vor zehn Jahren hätte ich jedenfalls nicht darauf gewettet, aber es ist so.

Was ist die Aufgabe der Schule? – Man könnte jetzt eine breite Bildungsdebatte ent­fesseln, jedenfalls aber sind wir uns darüber einig, dass es Aufgabe der Schule ist, die jungen Menschen auf das echte Leben vorzubereiten. Schule ist auch echt, aber wenn wir sagen, das echte Leben, dann meinen wir damit landläufig das, was eben im Alltag relevant ist. Wenn wir sagen, dass Religion relevant ist, dann müssen wir sagen, Reli­gion ist in Österreich aber nicht eindimensional, sondern es gibt 16 anerkannte Reli­gionsgemeinschaften.

Ich wünsche mir für unsere Kinder, dass sie sich mit diesen relevanten Dingen be­schäftigen. Ich wünsche, dass sie sich einander in der Klasse diese Fragen zumuten und sagen: Was ist dir wichtig? Was leitet dein Handeln? Woran glaubst du? Es gibt doch nichts Spannenderes, als vom Sitznachbarn drei Sessel weiter zu erfahren, dass dieser möglicherweise an etwas ganz anderes glaubt als man selbst – wonach wir dann danach ringen müssen, was uns trotzdem verbindet, denn: Wir leben in einem Gemeinwesen, es braucht eine gemeinsame Basis, ein Fundament, auf das wir als Ge­meinwesen aufbauen.

Da sind wir bei den Fragen von Ethik und Religionen, Plural. Diesen Diskurs müssen wir führen, denn wenn wir ihn nicht führen, bereiten wir die jungen Menschen nicht or-


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dentlich auf das vor, was auch und unter anderem in der Welt, in der sie leben, rele­vant sein wird. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Das ist keine Kampfansage gegen konfessionellen Religionsunterricht. Ich habe auch das Gefühl, dass Kirchenvertreterinnen und -vertreter – meistens -vertreter – in Vierau­gengesprächen oft sehr viel weiter sind, als es möglicherweise die Debatte in konser­vativen Parteien ist. Diese wissen, dass sie mit anderen Religionsgemeinschaften eine Schicksalsgemeinschaft bilden.

Was ich erwarte, ist, dass wir uns dieser Diskussion stellen, sie läuft in mehreren euro­päischen Ländern, und dass wir die österreichischen Schulen auch für den konfessio­nellen Unterricht offen halten. Ich glaube allerdings nicht, dass es die Aufgabe des Bil­dungsministeriums ist, diesen zu organisieren. Ich kann dem aber schon etwas abge­winnen, dass man diesen nicht in die Hinterhöfe verdrängen sollte, sondern dass man sagt: Ja, in Anerkennung der gesellschaftlichen Akteure, die Religionsgemeinschaften auch sind, halten wir die Institutionen der Republik offen dafür, dass sie diese nutzen können.

Ich verstehe also Ihre Gesichtspunkte, ich bin keiner, der da blind eifert, aber ich glau­be, dass wir in den kommenden Jahren zu anderen Antworten kommen werden als in den letzten Jahrzehnten. Ich bin nur nicht zuversichtlich, dass dies unter dieser Re­gierung gelingt (Heiterkeit des Abg. Drozda), so weit bin ich Realist – gläubiger Realist. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

16.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ames­bauer. – Bitte.


16.48.38

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Strolz, wenn man Ihnen so zu­hört, auch wenn Sie es nicht klar sagen, und wenn man Ihren Antrag liest, dann er­kennt man schon, dass es Ihnen in Wahrheit am Ende des Tages um eines geht, näm­lich um die Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts. Das haben Sie auch gesagt, ich habe ein Zitat von Ihnen mit, in dem Sie sagen: „Wir brauchen keinen Reli­gionsunterricht – sondern einen ,Religionen-Unterricht‘.“ Das haben Sie hier auch dar­gelegt. (Zwischenruf des Abg. Strolz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Position des Religionsunterrichts ist in Österreich eindeutig geklärt. Kollege Taschner hat es gesagt und auch ich fühle mich wohler dabei, wenn der Staat die Kontrolle darüber hat. Somit ist es gut, dass der Reli­gionsunterricht durch österreichische Gesetze geregelt ist, die teilweise auch im Ver­fassungsrang stehen, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Im Staatskirchenvertrag mit dem Heiligen Stuhl, dem Konkordat, ist ebenfalls mit allen Rechten und Pflichten ganz genau geregelt, wie das abzulaufen hat. Sie wissen ganz genau, dass im Religionsunterrichtsgesetz festgehalten ist, dass für Schüler gesetzlich anerkannter Kirchen oder Religionsgemeinschaften der Religionsunterricht ein Pflicht­fach ist, wobei sich jeder und jede ab dem 14. Lebensjahr davon selbst abmelden kann. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Regierungsprogramm ist vorgesehen – das wird auch so gemacht –, dass der Ethikunterricht für alle, die keinen Religionsun­terricht besuchen, verpflichtend wird. Das ist eine Neuerung. Bisher war es ein Schul­versuch, der jetzt seit 21 Jahren läuft – wenn ich es richtig im Kopf habe, läuft dieser Schulversuch seit dem Jahr 1997 –, und ich glaube, kann man jetzt ausreichend beur­teilen, wie sich das auswirkt.


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Österreich ist das Land der Schulversuche. Schulversuche sind im Bildungssystem wichtig, aber wir haben da in den letzten Jahren einen Wildwuchs erlebt. Es gibt sinn­volle Schulversuche und es gibt Schulversuche, bei denen meines Erachtens über­schnell gehandelt wurde, wie man etwa am Beispiel der Neuen Mittelschule sieht, die ohne Evaluierung von einem Schulversuch in das Regelschulwesen überführt wurde und in Wahrheit der guten alten Hauptschule, wie ich sie nenne, die super funktioniert hat, den Todesstoß versetzt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ideologische Bildungspolitik, das sind Schulversuche und Zugänge vor allem der Sozialisten, deren Bildungsideologie die Gleichmacherei und die Nivellierung des Niveaus nach unten sind. Das ist nicht mein Zugang, das ist nicht der Zugang dieser Bundesregierung, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Loacker: Neugebauer hat eine helle Freude mit Ihnen!)

Es ist ja so, dass Bildungseinrichtungen verstärkt als Orte der Wertevermittlung wahr­genommen werden, und darum ist im Regierungsprogramm ganz klar festgehalten, dass auch verfassungsmäßig verankerte Werte unterrichtet werden. Der konfessionelle Religionsunterricht bleibt bestehen, und das ist gut so, er ist auch identitätsstiftend.

Herr Strolz, ich persönlich bin vor vielen Jahren aus der katholischen Kirche ausgetre­ten, das heißt aber nicht, dass ich nicht gläubig bin, ganz im Gegenteil; ich würde mich als Kulturchrist bezeichnen.

Ich tue mir ein bisschen schwer, Herr Strolz, Sie haben in Ihrer Rede am Vormittag zur EU etwas gesagt, das ich recht witzig gefunden habe, und zwar haben Sie den Zugang des US-Präsidenten Trump zur Außenpolitik unter dem Hashtag: Ich hab den Länge­ren!, subsumiert. Man kann auch bei Ihnen Hashtag: Ich umarme Bäume!, sagen – das meine ich jetzt aber nicht despektierlich, das mache ich jetzt nicht lächerlich, auch für mich ist der Wald eine Kraftquelle (Zwischenruf des Abg. Strolz), aber bleiben wir bei der Wahrheit: Der Religionsunterricht ist ein Bestandteil unserer Kultur, er gehört zur Identität, er gehört zur Kultur. Das Kreuz in der Klasse gehört auch dazu, da braucht sich niemand beleidigt zu fühlen, das brauchen wir nicht abzuschieben.

Die ganze Debatte über den Religionsunterricht und die Religionsfreiheit verläuft zu ei­nem gewissen Grad sehr, sehr heuchlerisch, denn die Religionsfreiheit ist immer nur dann wichtig, wenn es um andere Religionen geht. Geht es um unsere christliche Re­ligion, um die katholische, die evangelische, die altkatholische, wie auch immer, dann ist die Religionsfreiheit für Sie nicht wirklich wichtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich sehe da absolut keinen Handlungsbedarf. Lassen wir die Kirche im Dorf! Lassen wir die Kirche im Klassenzimmer! Lassen wir das Kreuz im Klassenzimmer und vertrauen wir auf die weitsichtige Politik dieser Bundesregierung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


16.53.45

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Ehrlich gestanden ist es mir ein Rät­sel, es ist mir schleierhaft, dass hier immer noch die Diskussion darüber, einen flä­chendeckenden aufklärenden Unterricht zu Ethik und Religionen in Österreich verpflich­tend einzurichten, stattfindet.

Seit einem Vierteljahrhundert gibt es diese Diskussion und, mein Vorredner hat es ge­sagt, vor 21 Jahren wurden diesbezüglich das erste Mal Schulversuche eingerichtet.


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Ich habe jetzt wirklich ein Déjà-vu-Murmeltier-Erlebnis der sonderbaren Art. Seit 21 Jah­ren gibt es Schulversuche, die man eine Zeitlang macht, und dann sieht man irgendwo ein Ergebnis. Vor 13 Jahren hat es schon die Ergebnisse gegeben, dass diese Schul­versuche positiv sind, dass in den Schulen sehr wohl der Rassismus reduziert wird, dass die Toleranz steigt und dass dieser Unterricht von den Schülerinnen und Schülern angenommen wird.

Praktisch alle Theologen sagen, das ist sehr gut, was da passieren könnte, und 80 Pro­zent der Lehrer und Lehrerinnen – Kollege Taschner, Sie haben es gesagt – praktizie­ren das sowieso im Religionsunterricht. Das heißt, sie machen im Wesentlichen aufge­klärten Unterricht. Der konfessionelle Unterricht ist genau das Gegenteil dazu. Überlegt man es also genau, so ist das nicht aufgeklärt, und Österreich hat da 300 Jahre nach Beginn der Aufklärung einen Nachholbedarf. Wir sind immer noch voraufgeklärt.

Was heißt das, aufgeklärt zu sein im Zusammenhang mit den Religionen? Das heißt, dass man sich eben von ganz bestimmten – meinetwegen, wenn Sie das so wollen – kulturellen Denkmustern befreit und über die Informationen zu unterschiedlichen Zu­gängen seine Entscheidung dann vernünftig treffen kann. Genau das soll dieser Unter­richt machen.

Wir haben ein super Beispiel dafür, nämlich die ORF-Sendereihe „Kreuz und quer“. Dort werden der Zugang zu unterschiedlichen Religionsgeschichten und der Zugang der Religionen zu ethischen Themen wie Tierschutz oder der Mensch mit seinem Frei­heitsbegriff in der Gesellschaft oder die Stellung der Frauen in den Religionen und so weiter von unterschiedlicher Seite beleuchtet. Die Zuseherinnen und Zuseher, die das regelmäßig konsumieren – ich schaue mir das sehr gern an, das ist eine meiner Lieb­lingssendungen –, können sich ein Bild machen, können nach bestem Wissen und Ge­wissen und optimal informiert frei entscheiden.

Ich frage mich wirklich, warum es so schwer ist, so etwas in Österreich einzuführen.

Herr Kollege Taschner, mit Laizismus hat das gar nichts zu tun, sondern ganz im Ge­genteil. Es ist ganz klar, wenn man den Religionsunterricht verbannt, über Religionen überhaupt nicht redet, dann findet dieser in den Hinterhöfen statt, das wissen wir von den Banlieues in Paris. Es ist ganz klar, dass wir das nicht wollen, aber wir müssen uns entscheiden können, jedes einzelne Kind, jeder Schüler, jede Schülerin, jeder Mensch soll sich aufgrund der Informationslage entscheiden können. Diese aber fehlt, und damit fehlt auch die Basis für ein friedliches Zusammenleben der Kulturen und der unterschiedlichen Religionen in Österreich.

Reißt euch zusammen, schaut euch das einmal aufgeklärt an und entscheidet euch ir­gendwann einmal in den nächsten hundert Jahren für etwas, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist! – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schan­dor. – Bitte.


16.57.18

Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine Damen und Herren! Die Einführung eines Pflichtfachs namens Ethik und Religion kann kein Ersatz für den konfessionellen Religionsunterricht sein, ich glaube, da sind wir d’accord. Wir haben heute gehört, seit 1997 läuft dieser Schulversuch, er läuft an 214 Schulen. Ich arbeite an so einer Schule der Sekundarstufe II, in der Ethik als Ersatzpflichtgegenstand für jene Schüler geführt wird, die an keinem konfessionel­len Religionsunterricht teilnehmen können oder wollen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 147

Wir haben in Österreich 16 anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften. Der Re­ligionsunterricht – das ist auch schon von einem Vorredner angesprochen worden – ist darüber hinaus mit einem Konkordat abgesichert.

Ich habe etwas gestöbert, um auch mit Zahlen zu hinterlegen, was es bedeuten würde, einen Pflichtgegenstand Ethik und Religion einzuführen. Sprechen wir dabei von ein oder zwei Wochenstunden, so liegen wir dann bei 53 bis 106 Millionen Euro. Führen wir Ethik für alle, die eben nicht in den Religionsunterricht gehen, verpflichtend ein, so liegen wir bei 44 Millionen Euro. Macht man das integriert in ein anderes Fach wie Phi­losophie, dann ist es etwas günstiger mit 33 Millionen Euro. Man müsste also das Bil­dungsinvestitionsgesetz aufschnüren und sich Gedanken darüber machen, wie man den budgetären Ansatz auflöst.

Beide Regierungsparteien bekennen sich zum bestehenden konfessionellen Religions­unterricht unter Beibehaltung der differenzierten Religionsausrichtungen und zu einem verpflichtenden Ethikunterricht eben für jene, die diesen Religionsunterricht nicht besu­chen, mit dem Ziel, den bisherigen Schulversuch in das Regelschulwesen überzufüh­ren. Da bin ich bei Ihnen, nach über 20 Jahren wäre es höchst an der Zeit.

Dazu ist es aber auch notwendig, dass man in diesen Schulen die Lehrpläne anpasst. Macht man sich beim Ethikunterricht die Mühe und vergleicht den Lehrplan mit jenem des Religionsunterrichts, dann wird man feststellen, dass sehr viele Inhalte ähnlich, ich würde sogar sagen ident sind.

Wir wollen aber auch die Möglichkeit, sich für Religion als Freigegenstand zu entschei­den, für alle Kinder ohne religiöse Bekenntnisse sowie Angehörige eingetragener Be­kenntnisgemeinschaften aufrechterhalten. Auch dazu ein statistischer Exkurs: 1949 waren noch circa 90 Prozent der Bevölkerung katholisch; 2016 waren es nur noch 59 Prozent, 17 Prozent waren ohne Bekenntnis, 8 Prozent waren Muslime, und der Rest teilt sich eben auf die anderen Religionen und Bekenntnisgemeinschaften auf. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Für junge Menschen ist es wichtig, sich mit Werten auseinanderzusetzen, und der Reli­gionsunterricht beziehungsweise eben der Ersatzunterricht Ethik behandelt auch diese Werte. Es ist ganz wichtig, dass sich Schülerinnen und Schüler kritisch mit diesen Wer­ten auseinandersetzen, mit den Werten, die unsere Gesellschaft, die unsere Republik, aber auch Europa auszeichnen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

17.00

17.00.59


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschus­ses, seinen Bericht 173 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

17.01.249. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundes­ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2018 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-98/160 d.B.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 148

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 214/A der Ab­geordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (161 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 226/A der Ab­geordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird (162 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 213/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzie­rung der Ausbildungsgarantie bis 25 auch 2019 (163 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 12 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Ab­geordneter. (Abg. Belakowitsch – in Richtung Abg. Muchitsch, der sich mit einer Tafel zum Rednerpult begibt –: Ui, ein Taferl! – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Schimanek.)


17.03.09

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der „Ja zur EU-Arbeitsbehörde in Österreich“ zu lesen ist.) Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns im Ausschuss einstimmig darauf verständigt haben, dass wir den Bericht zur Jahresvor­schau 2018 im Plenum diskutieren wollen. Ich bin ganz einfach deshalb sehr froh da­rüber, weil das die Gelegenheit gibt, aktuell zu gewissen Praktiken der österreichischen Bundesregierung in Bezug auf die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping Stellung zu nehmen. Ich vermisse hier jegliche Initiative, wenn es um die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, die Bekämpfung von Steuerbetrug auf europäischer Ebene wie auch auf nationaler Ebene geht.

Ich beginne mit der europäischen Ebene. (Die Abgeordneten der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen ebenfalls „Ja zur EU-Arbeitsbehörde in Österreich“ zu lesen ist.) Die Europäische Kommission hat sich bereits im Vorjahr darauf verständigt, dass sie eine Arbeitsbehörde, eine Europäische Arbeitsbehörde, ins Leben rufen will. Zu dieser Europäischen Arbeitsbehörde wird es bereits am 10. Juli, Frau Bundesministerin, einen Zwischenbericht mit Änderungsanträgen aller Mitgliedstaaten geben. Und gestern habe ich vom zuständigen Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes gehört, dass Österreich sich da bis dato nicht eingebracht hat; ich höre von Spitzenbeamten der Europäischen Kommission, dass sie es äußerst bedauerlich finden, dass Öster­reich sich nicht einbringt, wenn es darum geht ...


Präsidentin Doris Bures: Entschuldigung, Herr Abgeordneter!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 149

Meine Damen und Herren! Wir haben die Botschaft verstanden (Abg. Haubner: Ist das jetzt jeden Tag?), ich ersuche, dass wir uns jetzt wieder voll und ganz dem Redner wid­men. (Die Abgeordneten der SPÖ senken die Tafeln wieder.) – Danke vielmals.


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Wir wissen, dass diese Europäische Arbeitsbehörde notwendig ist, Kollege Haubner, um mehr Fairness auf dem europäi­schen Arbeitsmarkt zu erreichen, und zwar genau für jene Betriebe, die in Österreich darunter leiden und schnaufen, nämlich die Klein- und Mittelunternehmen, aufgrund von Entsendeunternehmen, daher verstehen wir nicht, warum wir diese Chance nicht nützen, warum die österreichische Bundesregierung da so passiv agiert.

Ich habe den Regierungsmitgliedern angeboten, diesbezüglich in einen Dialog einzu­treten. Frau Bundesministerin, ich habe angeboten, sämtliche Kontakte und auch Er­gebnisse bisheriger Initiativen dazu zur Verfügung zu stellen. Wir wissen, Frankreich unterstützt diese Arbeitsbehörde, wir wissen, Schweden unterstützt diese Arbeitsbe­hörde, wir wissen, Deutschland unterstützt diese Arbeitsbehörde, noch dazu – auch im Interesse Österreichs – mit einem Sitz in Österreich. Und diesen aufgelegten Elfer, den nimmt diese Bundesregierung nicht an. Das ist einfach fahrlässig gegenüber den Klein- und Mittelunternehmen Österreichs (Beifall bei der SPÖ), und das ist fahrlässig ge­genüber den Arbeitnehmern insgesamt in ganz Europa.

Wenn ihr diesen Elfmeter vergeigt, der hier für uns aufliegt, dann machen wir euch da­für verantwortlich, wenn der Sitz dieser Arbeitsbehörde nicht in Österreich sein wird. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Dieses Desinteresse spielt sich ja nicht nur auf europäischer Ebene ab, sondern auch auf nationaler Ebene. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich erinnere, Budgetver­handlungen, Budgetbegleitgesetz: Ihr habt eingebracht, dass es eine Sozialbetrugs­pauschale bei Meldeverstößen zur Sozialversicherung geben soll (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), maximal 855 Euro. Wir haben das aufgezeigt, ihr seid unmittelbar da­nach zurückgerudert, am 19. April 2018 habt ihr gesagt: Nein, diesen Deckel auf So­zialbetrug wird es nicht geben, dieses Budgetbegleitgesetz wird repariert! – Wir haben den 14. Juni, und zwei Monate lang ist nichts passiert! (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Warum reparieren Sie dieses Gesetz nicht? Es kann nicht sein, dass ein Un­ternehmen, das 1 000 Leute falsch anmeldet, bei dem 300 Personen zu wenig gemäß Kollektivvertrag gemeldet werden, mit einer Pauschale von 855 Euro Strafe billig da­vonkommt. (Ruf bei der SPÖ: ... Geschenke für Unternehmen!) Das ist Förderung von Sozialbetrug! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb geben wir Ihnen heute die Chance, unseren Entschließungsantrag zu unter­stützen, zuzustimmen, wenn es darum geht, die von Ihnen angekündigte Reparatur des Budgetbegleitgesetzes zu beschließen, damit dieses Kapitel auch wirklich abge­hakt werden kann.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „angekündig­te Reparatur des Budgetbegleitgesetzes im Bereich Strafen gegen Meldevergehen“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses 160 der Beilagen be­treffend EU-Jahresvorschau 2018

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für den Standort Österreich


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als Sitz für die EU-Arbeitsbehörde einzusetzen und auf nationaler Ebene dem National­rat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der der Deckel bei der Verhän­gung von Strafen für Meldeverstöße [...] noch vor seinem Inkrafttreten am 1.1.2019 aufgehoben wird.“

*****

Abschließend: Frau Bundesministerin, Sie dürfen hier nicht die Schutzherrin für all je­ne, die in diesem Land Lohn- und Sozialdumping betreiben (Zwischenruf bei der ÖVP), spielen. Sie dürfen auch nicht das Heft aus der Hand geben, wenn es darum geht, Arbeitnehmer zu schützen, wenn es darum geht, Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Ich fordere Sie auf, Ihre Verantwortung als Sozialministerin wahrzunehmen und die Men­schen in diesem Land, die schwer arbeiten, auch wirklich zu schützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend angekündigte Reparatur des Budgetbegleitgesetzes im Bereich Strafen ge­gen Meldevergehen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses 160 dB betreffend EU-Jahresvorschau 2018

Sozialbetrug ist auf allen Ebenen zu bekämpfen. Auf EU-Ebene genauso wie auch auf nationaler Ebene.

Diese Bundesregierung setzt sich aber weder auf der europäischen Ebene entspre­chend für die Bekämpfung von Sozialbetrug ein, indem sie sich zum Beispiel verstärkt für den Standort Österreich als Sitz für die EU-Arbeitsbehörde einsetzt, noch handelt sie auf nationaler Ebene entsprechend. Im Gegenteil:

ÖVP und FPÖ haben im Budgetbegleitgesetz 2018 die Strafen für falsche Anmeldun­gen bei der Sozialversicherung praktisch gestrichen. Auch wenn ein Unternehmen für hunderte Arbeitnehmer verspätete oder falsche Daten an die Sozialversicherung mel­det – es wird immer nur die neue „Sozialbetrugspauschale“ von 855 Euro kosten.

Der Hintergrund: Ab 1.1.2019 gibt es die neue Meldepflicht für Unternehmen, wodurch sie bis 15. des Monats für jeden Arbeitnehmer die tatsächliche Beitragsgrundlage an die Sozialversicherung melden müssen. Für jede falsche Meldung waren pro Mitarbei­ter Strafen zwischen 5 und 50 Euro vorgesehen. Ein Großbetrieb mit 1.000 Mitarbei­tern konnte bei zweiwöchiger Verspätung auf Strafen bis zu 50.000 Euro kommen, wie die Regierungsparteien selbst in den Erläuterungen zum BBG geschrieben haben.

Brisant ist aber, dass diese De-facto-Straffreiheit nicht nur für die monatliche Beitrags­meldung gilt, sondern auch für die falsche, das heißt verspätete oder fehlerhafte Mel­dung zur Sozialversicherung. Egal, wie viele Arbeitnehmer falsch angemeldet werden, die Strafe dafür beträgt nie mehr als 855 Euro. Wenn beispielsweise eine Baufirma dreihundert Arbeiter auf einer Baustelle falsch anmeldet, um ihre Mitarbeiter um Bei­träge zu betrügen – sie zahlt dafür maximal die 855 Euro „Säumniszuschlag“.

Das heißt auch: Je mehr Fälle von Sozialbetrug es in einem Unternehmen gibt, umso billiger wird es für das Unternehmen. Dazu kommt noch, dass auch kombinierte Verge-


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hen nicht mehr als 855 Euro kosten. Wer sowohl die Beitragsgrundlagen nicht meldet als auch fehlerhafte/verspätete Meldungen bei der SV macht – die 855 Euro gelten als gemeinsame Obergrenze.

Nachdem der Sozialausschussvorsitzende Abg. Muchitsch die fatalen Auswirkungen dieser Regelung öffentlich gemacht hatte, wurde von den Regierungsparteien folgende Aussage getroffen: „Mit uns wird es keinen Deckel geben. Wenn es hinsichtlich der Säumniszuschläge bei Anmeldeverstößen noch einer gesetzlichen Klarstellung bedarf, dass für unterlassene Anmeldungen zur Sozialversicherung auch die Säumniszuschlä­ge so wie die Strafen nicht gedeckelt sind, sehen ÖVP-Sozialsprecher August Wögin­ger und FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch kein Problem, diese jederzeit zu treffen. Diese Klarstellung kann bei nächster Gelegenheit gemacht werden, das Gesetz tritt ohnehin erst mit 1. Jänner in Kraft“, teilten die Parlamentsklubs von ÖVP und FPÖ in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme mit.“ (APA 0389 2018-04-19/15:08)

Am 27. Juni findet der letzte Sozialausschuss vor der Sommerpause des Nationalrates statt und damit die letzte Möglichkeit eine Reparatur noch vor dem Sommer vorzuneh­men. Die Regierungsparteien müssten demnach heute, also in der Sitzung des Natio­nalrates am 14.6. einen entsprechenden Initiativantrag zur Reparatur einbringen. Das ist bis jetzt nicht geschehen. Wieder einmal halten diese Regierungsparteien nicht das, was sie vollmundig versprechen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für den Standort Österreich als Sitz für die EU-Arbeitsbehörde einzusetzen und auf nationaler Ebene dem Na­tionalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der der Deckel bei der Ver­hängung von Strafen für Meldeverstöße – § 114 Abs. 6a ASVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL I Nr. 30/2018 – noch vor seinem Inkrafttreten am 1.1.2019 auf­gehoben wird.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag bezieht sich auf die Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 30/2018, ist somit ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


17.09.47

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Lieber Beppo Muchitsch, wenn Sie sagen, wenn die EU-Arbeitsbehörde nicht nach Österreich kommt, sei das fahrlässig, muss ich schon entgegenhalten: Fahrlässig war etwas an­deres. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Fahrlässig war beispielsweise, als wir 2011 einen Sozialminister hatten, der sich geweigert hat, auf EU-Ebene überhaupt noch einmal da­rüber zu verhandeln, ob man die Übergangsbestimmungen verlängern kann, und sich damals im Ausschuss hingestellt und gesagt hat (Zwischenruf bei der SPÖ): Maximal 4 000 aus Rumänien und Bulgarien kommen! – Das war fahrlässig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Bacher.)

Und wie wir beschimpft worden sind, als Hetzer, als Panikmacher und so weiter. Dann ist man hergegangen und hat, um die Menschen ein bisschen zu beruhigen, irgendein


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Gesetz betreffend Lohn- und Sozialdumping zusammengeschustert (Zwischenruf des Abg. Krainer), das überhaupt keinen Schutz geboten hat. In der Zwischenzeit haben Sie es fünfmal reparieren müssen, weil es eben nicht gewirkt hat. (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)

Bis zum heutigen Tag sind ja die Probleme nach wie vor evident. (Zwischenruf des Abg. Bacher.) Das Problem ist nämlich: Sie werden schon allein deswegen nicht kon­kurrenzfähig arbeiten können, weil jene, die beispielsweise entsendet sind, hier bei uns ja gar keine Sozialabgaben zahlen; die zahlen sie im Heimatland oder eben auch nicht (Abg. Muchitsch: Was machen Sie gegen Lohn- und Sozialdumping?) – oder eben auch nicht, genau das ist das Problem.

Ich erinnere mich noch daran, dass im Jänner 2017 der damalige Messias Kern gesagt hat: Ich fahre jetzt zur EU und Herrn Sozialminister Stöger nehme ich mit, und wir wer­den über die Entsenderichtlinie verhandeln! – Nichts ist passiert, überhaupt nichts. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Herr Minister Stöger hat uns dann im Ausschuss ge­sagt: Ich habe es eh probiert, aber es wollte keiner mit mir darüber reden! – Das ist natürlich eine Politik, die für Österreich weniger gut war. (Abg. Muchitsch – die vorhin von ihm am Rednerpult gezeigte Tafel mit der Aufschrift „Ja zur EU-Arbeitsbehörde in Österreich“ in die Höhe haltend –: Nutzen Sie die Chance!) – Das ist keine Chance.

Das klingt ja alles recht nett (Zwischenruf bei der SPÖ), EU-Arbeitsbehörde, aber eine EU-Arbeitsbehörde hat nicht nur Vorteile. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Was bedeutet denn ein Ja zu einer EU-Arbeitsbehörde? – Das würde beispielsweise ein europäi­sches Arbeitslosengeld bedeuten. (Abg. Muchitsch: Ein Blödsinn! Ein Blödsinn, ...!) Das wollen wir nicht! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hörl.) Ich glaube, das sollte auf nationaler Ebene bleiben, wir brauchen nicht das Arbeitslosengeld in ganz Europa zu zahlen. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Das sind ja genau die Probleme. Also nicht alles, was im ersten Moment nett und gut ausschaut, ist es auch auf den zweiten Blick.

Da Sie jetzt sagen und reinschreien, das sei ein Blödsinn: Genau so haben Sie damals auch geschrien. Als wir gesagt haben: Wenn ihr jetzt den Arbeitsmarkt aufmacht, dann werden wir überrollt werden!, habt ihr geschrien: Blödsinn, Hetzer! – Es ist immer das Gleiche. Man muss den Tatsachen einmal ins Auge sehen. (Beifall bei der FPÖ.) Das plant die EU, und das möchte sie – und das möchten wir eben nicht. (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Das ist ja genau die Problematik.

Jetzt noch ganz kurz, weil meine Redezeit langsam dem Ende zugeht, zu jenen Anträ­gen und Punkten fernab der EU-Arbeitsbehörde, die hier noch auf der Tagesordnung stehen: Da ist einerseits dieser Bericht, in dem es übrigens auch um die Entsende­richtlinie geht. Das ist ja eines der ganz großen Probleme. Es ist ja nicht so, dass jene, die da kommen, so böse sind, sondern allein unsere geografische Lage holt sie alle zu uns her.

Natürlich sind wir in Österreich über Gebühr belastet, und es hat ja auch Sozialdemo­kraten gegeben, die das erkannt haben, und zwar schon vor Jahren, wie beispielswei­se im Burgenland. Dort hat man nämlich längst das sogenannte burgenländische Mo­dell eingeführt; die SPÖ hat sich auf Bundesebene immer dagegengestemmt und im­mer dagegen gewehrt. Das wäre ein Schutz gewesen, zumindest ein bisschen mehr Schutz, vor dem Zuzug aus dem Osten. (Beifall bei der FPÖ.) Da wart ihr immer dage­gen; hätte man machen können. Das wird jetzt endlich in Angriff genommen.

Eure Versäumnisse jetzt hier vorzutragen und zu sagen: Es ist alles ganz furchtbar, machen wir eine neue Behörde!, und mit dieser Behörde (Abg. Muchitsch – die vorhin von ihm am Rednerpult gezeigte Tafel mit der Aufschrift „Ja zur EU-Arbeitsbehörde in Österreich“ neuerlich in die Höhe haltend –: Jetzt hättet ihr die Chance dazu!) neue Probleme zu schaffen, das kann nicht die Lösung sein. (Zwischenrufe bei Abgeordne­ten der SPÖ.)


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Ein Wort noch zur Reparatur des Budgetbegleitgesetzes: Ja, da ist ein Fehler passiert, das haben wir damals bereits gesagt, und ja, dieser Fehler wird repariert, er wird in der nächsten Sozialausschusssitzung repariert. Dieser Antrag, den Sie jetzt gestellt haben, Kollege Muchitsch, ist daher null und nichtig. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Wir repa­rieren das in der nächsten Sozialausschusssitzung, das haben wir gesagt, daran halten wir uns, und das werden wir tun. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne ist dieser Antrag von Ihnen, glaube ich, völlig unnötig. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

17.14


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. – Bitte.


17.14.16

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe heute früh schon kurz Bezug genommen auf den Vorha­bensbericht zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission, und dieser ist es tatsächlich wert, hier eingehend diskutiert zu werden, weil da Dinge drin­stehen, die von Relevanz sind.

Das Pan-European Pension Product, das anscheinend das Sozialministerium gar nichts angeht, ist ein bürokratisches Viech, das da gerade geboren wird und das man jetzt noch abdrehen könnte – man könnte es aber auch in eine sinnvolle Richtung re­formieren. Das Sozialministerium weiß aber darüber nicht Bescheid und sagt: Fragt einmal das Finanzministerium! Das ist der Zugang, den ich schon von Stöger und Hundstorfer kenne, dass der Sozialminister sagt: Die Pensionen sind sicher, mir ist al­les wurscht!

Das spielen wir nicht mit. Es geht nämlich darum, das österreichische System der Al­tersvorsorge, das im Moment zu 92 Prozent auf der ersten Säule, auf der Umlagesäule lastet, zu einem gesunden Drei-Säulen-Modell umzubauen; und wenn man das tun wollte, dann würde man sich mit Systemen in der zweiten Säule und in der dritten Säule auseinandersetzen. Und wenn man europäisch denken würde, was diese Re­gierung von sich ja behauptet, was ich aber in Abrede stelle, dann würde man sich auch überlegen, wie betriebliche Altersvorsorge in einem gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt funktioniert. Wie kann betriebliche Altersvorsorge funktionieren, wenn ein Arbeitnehmer, eine Arbeitnehmerin das Land wechselt und nicht in jedem europäi­schen Land eine eigene Kasse besparen will? – Damit setzt man sich aber offensicht­lich nicht auseinander.

Ich habe im Ausschuss weiters gefragt, ob der im Entwurf für dieses Pan-European Pension Product verwendete Begriff Kapitalschutz dem österreichischen Verständnis von Kapitalgarantie entspricht oder ob das etwas anderes heiße. Auch darauf war die Antwort: Bitte beim Finanzministerium nachfragen! Na gut, jetzt ist aber dieses Minis­terium auch für den Konsumentenschutz zuständig, und dann ist die Frage, ob Kapital­schutz dasselbe wie Kapitalgarantie ist oder nicht, durchaus auch für dieses Ministe­rium relevant. Aber, wie gesagt: So macht man Europapolitik in dieser Regierung: schöne Worte und inhaltlich leider ganz, ganz, ganz wenig Substanz.

Wir diskutieren in dieser Debatte auch eine ganze Reihe von SPÖ-Anträgen, unter an­derem ist einer aus der Reihe Geld statt Arbeit dabei, und zwar hätte die SPÖ gerne einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit – kostet ja alles nichts, kostet im Moment nur 400 Millionen Euro im Jahr! Wenn das alles mit einem Rechtsanspruch versehen wird, muss man damit rechnen, dass noch viel mehr Leute in Altersteilzeit gehen; dann wüsste ich aber auch gerne, wie wir das finanzieren.


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Wir haben auch das Thema, dass wir im Moment bei der geblockten Altersteilzeit jedes Jahr ungefähr 100 Millionen Euro hineinschmeißen, und damit werden nur Frühpensio­nierungsmodelle für Unternehmen finanziert. Das ist nichts, was mit altersgerechtem Arbeiten zu tun hätte, da geht es nur darum, dass der Mitarbeiter schneller weg ist. Für ein Unternehmen zahlt sich dieses Modell nur aus, wenn die Stelle wegrationalisiert wird. Mit 100 Millionen Euro im Jahr subventionieren wir solche Jobabbauprogram­me. – Darauf geht die SPÖ nicht ein, einen Rechtsanspruch auf solch einen Unfug hät­te sie gerne.

Ja, und dann haben wir noch das Thema Europäische Arbeitsbehörde. In jeder Sonn­tagsrede hören wir vom Thema Entbürokratisierung, davon, dass wir zu viele Beamte und zu viel Bürokratie haben – und jetzt hätten wir gerne eine neue Behörde? Aha! Ich wüsste dann aber gerne, welche Behörde in Österreich wegfällt, wenn eine europäi­sche Behörde Arbeit übernimmt. Was machen also die österreichischen öffentlich Be­diensteten dann nicht mehr, wenn es die europäischen machen? (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Dann ergibt das Sinn, wenn man aber einfach auf die ganze Arbeits­bürokratie noch eine Behörde draufpfropft, dann ist das das Gegenteil von dem, was die meisten hier herinnen in Sonntagsreden erzählen. Ich hätte gerne eine Überein­stimmung von Taten und Worten. (Beifall bei den NEOS.)

Ich halte es auch für mehr als mutig, wenn von sozialdemokratischer Seite gemotzt wird, man möge eine Behörde nach Wien holen; da muss man sich nämlich schon fra­gen, unter welcher Führung das Gesundheitsministerium es vergeigt hat, die EMA nach Wien zu holen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Bitte.


17.19.01

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben in der letzten Sozialausschusssitzung eine Reihe von Themen auch grundlegender Art disku­tiert. Herr Kollege Muchitsch, Sie haben heute im Zusammenhang mit der EU-Arbeits­behörde schon von einem Elfmeter auf das leere Tor gesprochen. Ich glaube, man muss in dieser Frage – meine Kollegin Belakowitsch hat das auch ganz klar gesagt – zum einen die Aufgabe der Behörde und zum anderen die Standortfrage trennen, und so ist auch die Vorgangsweise der Bundesregierung. Wir wollen keine aufgeblähte Be­hörde (Zwischenruf des Abg. Muchitsch), die – und das hat Kollege Loacker gesagt – zusätzlich Bürokratie bringt, sondern eine Behörde, die zielgerichtet ist. Die Stand­ortfrage ist eine sekundäre. Und in diese Richtung arbeitet auch die Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Herr Kollege Muchitsch, da du dieses Bild mit dem Elfmeter gebracht hast und heute auch die Fußball-WM beginnt, bleibe ich gleich bei dieser Sprache: Das Problem ist nicht nur, wenn man Elfer auf das leere Tor nicht verwertet, sondern wenn man sich in der Sozialpolitik das eine oder andere Eigentor schießt, so wie es die SPÖ laufend macht.

Die Regierung macht da einige ganz konkrete Dinge, die neue soziale Gerechtigkeit bringen können. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Als es in der Vergangenheit um die Sen­kung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge gegangen ist, wer war damals nicht dabei, obwohl das sehr, sehr vielen Familien und Arbeitnehmern zugutekommt? – Die SPÖ. Ein klassisches Eigentor! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)

Die Bundesregierung stellt sich aber an sich, Herr Kollege Muchitsch, viel mehr He­rausforderungen, als nur Elfmeter auf das leere Tor zu schießen. Wir nehmen auch


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schwierigere Situationen an: Freistöße und andere Standardsituationen, wo Sie mit Ihrer Gewerkschaft – Sie haben sich ja gerade wieder zusammengerottet – die Mauer machen und mehrere Tormänner und einen Riesenabwehrriegel hineingeben. Ich nen­ne zum Beispiel die Reform der Sozialversicherungen – wir haben im Ausschuss da­rüber gesprochen –, die größte Reform, die in diesem Bereich je gemacht wurde, bei der die Reduktion von 21 auf fünf Sozialversicherungsträger geplant ist, bei der man wirklich im System, in der Verwaltung – und nicht bei den Menschen, nicht bei den Leistungen – entsprechend einspart und bei der man darauf achtet, dass für gleiche Beiträge auch gleiche Leistungen erbracht werden. Es handelt sich also wirklich um ei­nen Weg der neuen Gerechtigkeit – und auch hier macht die SPÖ die Mauer und blo­ckiert hier diese wichtige Reform.

Ein zweiter Punkt – es gab dazu auch im Ausschuss einige Anträge, und ich bin über­zeugt, es werden auch Nachredner von mir noch dazu Stellung nehmen – ist das The­ma Arbeitszeitflexibilisierung. Ich habe im Ausschuss schon gesagt, man braucht da nicht Hysterie zu verbreiten, Panik zu verbreiten und mit unwahren Argumenten tätig zu werden, weil am Ende die Bundesregierung ein Modell vorlegen wird, das eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer schafft. Und mit dem Initiativantrag, der heute eingebracht wurde, ist das ganz klar sichergestellt.

Ich glaube, Sie sollten endlich aufhören, draußen in der Öffentlichkeit – Sie haben ja gerade diese Aktionswoche – vom generellen 12-Stunden-Tag und von der 60-Stun­den-Arbeitswoche zu sprechen. Es ist belegt – lesen Sie sich unseren Initiativantrag durch! –, dass das in unserem Antrag nicht enthalten ist. (Abg. Vogl: Das ist schon so drinnen!) Die Normarbeitszeit bleibt bei den täglichen 8 Stunden, die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei 48 Stunden. Was es jedoch gibt, ist einfach mehr Flexibilität. Diese wollen sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber, und in diese Richtung geht auch unser Antrag. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sehen die Dinge immer gleich negativ. Was spricht dagegen, sich im Unternehmen darauf zu verständigen, flexibel länger zu arbeiten? Es ist auch enthalten, dass die
11. und 12. Stunde vom Arbeitnehmer abgelehnt werden kann, damit er Kinderbetreu­ungs- oder Freizeitpflichten nachkommen kann. Die Zuschläge werden entsprechend gesichert bleiben. Die generelle 4-Tage-Woche kann ein Thema sein. (Abg. Vogl: Die kann jetzt schon ein Thema sein! Das gibt’s jetzt schon!) Das bringt zusätzliche Flexibi­lität, auch Freizeit. Wir haben viele Pendler – vergessen Sie das nicht! –, gerade auch bei uns in Oberösterreich, und da ist es halt möglicherweise sinnvoller, vier Tage zu ar­beiten und sich die Arbeitszeit besser aufzuteilen.

All die Argumente, die Sie anführen, gehen also ins Leere, sind reine Hysterie, Panik­mache. Unser Vorschlag schafft eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitneh­mer. Ich glaube, Sie sollten sich da konstruktiv einbringen, denn all das fußt – und das ist uns auch wichtig – auf der ursprünglichen Sozialpartnereinigung aus einer Zeit, als Sie als ÖGB noch mitverhandelt haben. Das war die Grundlage. Sie können hier also nicht sagen, dass da Dinge gemacht werden, die abzulehnen sind, da Sie diese ur­sprünglich ja mitverhandelt haben – dann aber sind Sie abgesprungen, um hier zu kampagnisieren.

Ein Satz noch zu einem konkreten Antrag, zum Rechtsanspruch auf Altersteilzeit – das zieht sich ja bei der SPÖ durch, immer dieser Rechtsanspruch –: Die Kostensituation wurde schon entsprechend dargestellt. Wir haben uns der neuen sozialen Gerechtig­keit verschrieben, und man sollte sich immer überlegen: Aus welchen Gründen hat man die Altersteilzeit überhaupt eingeführt? – Es waren beschäftigungspolitische Moti­ve: weil dadurch Leute in Beschäftigung kommen sollten. Diese Effekte treten aber nicht ein, deshalb ist dieser Rechtsanspruch auch abzulehnen. Das System der Ver-


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einbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, so wie wir es derzeit haben, funk­tioniert, und dabei sollte es auch bleiben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


17.24.20

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Dass die Kol­leginnen und Kollegen von der Volkspartei das Recht und den Schutz der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer nicht als ihre oberste Priorität sehen (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!), das ist auch jetzt in den Reden, wie in jener des Kollegen Hammer, wieder deutlich geworden und ist auch für mich nicht ganz neu. (Abg. Winzig: Haben Sie schon einen Arbeitsplatz geschaffen?)

Anders gelagert ist die Situation aber bei der FPÖ, denn diese hat sich eigentlich als die – selbst ernannte – soziale Heimatpartei tituliert, und nun muss ich sehen, dass das, was da kommt, offen gesagt auf der ganzen Linie enttäuschend ist. Gestern sa­hen wir es bei Ceta: Vorher wurde monatelang, jahrelang kampagnisiert, eine Volks­abstimmung gefordert, Inhalte wurden abgelehnt, alles wurde verteufelt und in Grund und Boden kritisiert – und dann gestern: ohne Gegenwehr einfach umgefallen.

Heute wiederum diskutieren wir über vier Tagesordnungspunkte, wovon drei – einer ist ein Bericht – ebenfalls mit Stimmen der FPÖ abgelehnt worden sind. Diese drei Tages­ordnungspunkte hätten allesamt Möglichkeiten dargestellt, um für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Verbesserungen zu erreichen: was ihre Jobsituation betrifft, was Transparenz bezüglich Einkommen betrifft und natürlich was Unterstützung für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt betrifft. Diese drei Tagesordnungspunkte möchte ich mit Ihnen jetzt durchgehen, weil es wichtig ist, dass auch die ZuseherInnen hier und zu Hause vor den Bildschirmen sehen, was in diesen Ausschüssen gemacht wird, weil es ja – was ein zusätzlicher Punkt ist, auf den ich hinweisen möchte – noch immer keine Transparenz in diesen Ausschüssen gibt.

Erster Punkt: keine soziale Gerechtigkeit im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping – ganz simpel. Es wird gegen eine Europäische Arbeitsbehörde gewettert und gearbeitet, obwohl diese eigentlich unumgänglich ist. Wir stehen vor der Situation, dass wir aktuell im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping Sanktionen verhängen müssen, weil Unter­nehmen sich nicht an die Spielregeln halten. Nur: Diese Sanktionen enden an unserer Staatsgrenze. Und genau deshalb ist es dringend notwendig, dass man eine gemein­same Behörde auf europäischer Ebene schafft, um diese Sanktionen auch durchset­zen zu können.

Da geht es mir nicht um Doppelgleisigkeiten oder was auch immer – die gehören selbstverständlich abgebaut. Kollege Loacker hat es erwähnt, ebenso Kollege Ham­mer, selbstverständlich müssen diese Doppelgleisigkeiten abgeschafft werden. Aber hier die Kostenfrage oder was auch immer anzuführen, ist eine simple Ausrede. Wenn ich mir anschaue, wie viele Sanktionen nicht durchgesetzt, wie viele Strafzahlungen nicht eingehoben werden können, weil die Möglichkeit dafür an der Grenze endet, dann ist unser Beitrag, der zu dieser europäischen Behörde geleistet werden müsste, wirklich nur ein kleiner Anteil dessen.

Ein weiterer Antrag, der ebenfalls abgelehnt wurde, betrifft soziale Gerechtigkeit für äl­tere Erwerbstätige. Es wurde nun so dargestellt, also wäre Altersteilzeit etwas nicht so ganz Unterstützenswertes. Im Ausschuss hat es noch geheißen, dass die Altersteilzeit ein Erfolgsmodell ist. Ja, sie war ein Erfolgsmodell, bis wir im Rahmen der Verhand-


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lungen über das Budgetbegleitgesetz von der Bundesregierung erfahren mussten, dass das Alter hinaufgesetzt worden ist, mit dem man überhaupt die Altersteilzeit an­treten kann.

Das heißt, es wird verunmöglicht, obwohl man vielleicht gesundheitliche Beeinträch­tigungen hat, zu einem gewissen Zeitpunkt in seinem Leben in Altersteilzeit zu gehen. Es wird hinausgeschoben bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter, und es wird kaum mehr möglich sein, sein Arbeitsausmaß zu reduzieren, sondern man muss gleich in die frühzeitige Pension und in die Altersarmut gehen.

Keine soziale Gerechtigkeit für Frauen: Es ist ein Antrag vorgelegen, der auf hundert­prozentige Einkommenstransparenz gelautet hätte. Das wäre eine Möglichkeit, um Ge­haltsgerechtigkeit zu schaffen, weil es nur durch Transparenz möglich wird, da eine Vergleichbarkeit herzustellen.

Und ein weiterer wichtiger Punkt – der vierte Antrag befasst sich damit –: keine soziale Gerechtigkeit für die Jugend. Ich stelle mir wirklich die Frage: Wir haben aktuell mit­erleben müssen, dass auf der einen Seite AMS-Mittel für Personen, die über 50 Jahre alt sind, für Langzeitarbeitslose gekürzt werden, und nun wird auch bei Personen an­gesetzt, die unter 25 sind und eine Ausbildungsgarantie brauchen würden. Die Frau Ministerin hat im Ausschuss die Zahlen bekannt gegeben, wonach rund 6 700 Perso­nen aktuell in diesem Programm sind und ausgebildet werden und dabei unterstützt werden, einen Job zu finden. 6 700 Personen im Jahr 2017 – und für 2019 sind keine Mittel mehr budgetiert!

Wie können Sie sich das erklären? Diese Frage ist an die Regierungsfraktionen ge­richtet: 6 700 Personen, die aktuell noch ausgebildet werden und von dieser Jobgaran­tie oder Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre profitieren – und 2019 brauchen wir das alles nicht mehr?! Wir haben aktuell Arbeitslosenzahlen, die zwar im Vergleich gesunken sind, angesichts derer wir aber eigentlich erschrecken und die Augen weit aufreißen müssten, weil sie immens hoch sind. Und auch davon sind Jugendliche betroffen. Eine Streichung dieser Mittel ist daher völlig abzulehnen. Deshalb stelle ich folgenden An­trag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Fortführung der Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 25 Jahre, als Mittel akti­ver Arbeitsmarktpolitik“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jungen Menschen das Versprechen zu geben, dass in Österreich niemand unverschuldet, durch Mangel an entsprechenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, am Arbeitsmarkt chancenlos bleibt. Zu diesem Zwecke soll die Ausbildungsgarantie bis zum 25. Lebensjahr als unbefristetes Mittel aktiver Ar­beitsmarktpolitik fortgeführt werden.“

*****

Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung dieses Antrags. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

17.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen, be­treffend die Fortführung der Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 25 Jahre, als Mit­tel aktiver Arbeitsmarktpolitik,

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 12 (Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 213/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Finanzierung der Ausbildungsgarantie bis 25 auch 2019 (163 d.B.))

Begründung

In der Budgetanfragebeantwortung 10/SABBA vom 17.04.2018 zu „480/JBA-657/JBA und mündliche Anfragen“, nimmt Sozialministerin Hartinger-Klein auf die Frage bzgl. der Kompensation fehlender Mittel im Bereich der Ausbildungsgarantie wie folgt Stel­lung:

„Vor dem Hintergrund der günstigen Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung ist es Aufgabe des AMS, die entsprechenden Veranlassungen bedarfsgerecht zu treffen. (…) Für 2019 sehen die Kuchenstücke keine Extramittel für diese Zielgruppe im Bundesfi­nanzgesetz vor. Das AMS wird bedarfsgerechte Maßnahmen für die einzelnen Ziel­gruppen anbieten.“

Weiters soll, wie aus der oben angeführten Anfragebeantwortung hervorgeht, das bis­lang nur kryptisch umrissene „JOB AKTIV“-Programm sowohl die Förderung von Ju­gendlichen bis 18 Jahre im Rahmen der Ausbildungspflicht und beschränkt auf das Jahr 2018 auch von Jugendlichen bis 25 Jahre im Rahmen der Ausbildungsgarantie sicherstellen.

Im Jahr 2019 ist die restlose Streichung der Mittel für die Ausbildungsgarantie bis 25 vorgesehen. Die Verantwortung für zu erwartende negative Auswirkungen auf Jugend­liche in prekären Situationen wird indes prophylaktisch dem Arbeitsmarktservice unter­geschoben.

Ein in Summe unverantwortliches Vorgehen des Sozialministeriums, welches dringend überdacht werden sollte.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jungen Menschen das Versprechen zu geben, dass in Österreich niemand unverschuldet, durch Mangel an entsprechenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, am Arbeitsmarkt chancenlos bleibt. Zu diesem Zwecke soll die Ausbildungsgarantie bis zum 25. Lebensjahr als unbefristetes Mittel aktiver Ar­beitsmarktpolitik fortgeführt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Beate Hartinger-Klein zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Ministerin.



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17.29.43

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag Beate Hartinger-Klein: Frau Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Lieber Kollege Muchitsch, während der Debatte hier im Parlament zu telefonieren ist nicht okay. Vielleicht würdest du mir zuhören, wenn ich meine Ausführungen mache. – Er hat schon aufgehört, super.

Lieber Kollege Muchitsch! Mir ist das Thema Lohn- und Sozialdumping wirklich ein per­sönliches Anliegen, und ich habe mich mit der Frage der Arbeitsbehörde sehr, sehr eingehend auseinandergesetzt. Ich habe mit der Kommissarin gesprochen, ich habe mit dem Generaldirektor gesprochen, und gestern – das weißt du – war EGB-Präsident Visentini bei mir. Es ist einfach noch nicht klar, was die Aufgaben dieser Arbeitsbe­hörde sind, man ist sich ja selbst über den Titel noch nicht im Klaren. Ist es eine Me­diationsstelle oder ist es eine Behörde? Was sind die Aufgaben?

Solange ich die Aufgaben noch nicht einmal klar kenne, kann ich nicht sagen, ob es ein richtiges Ziel ist, solch eine Behörde einzurichten. – Punkt eins.

Punkt zwei, was den Standort betrifft – und, Herr Kollege Muchitsch, das weißt du –: Es ist geplant, dass sich eine solche Behörde wenn, dann in Bratislava befinden wird und nicht in Wien. (Abg. Muchitsch: Weil Sie es verschlafen haben!) Dieser Zug ist bereits abgefahren (Abg. Muchitsch: Weil Sie es verschlafen haben!) – wenn es eine solche Behörde gibt. Also bitte bleiben wir da bei der Wahrheit.

Und noch einmal: Solange nicht geklärt ist, was die Aufgaben dieser Behörde sind – geht es in Richtung Mediation oder geht es in Richtung Bestrafung?, was auch immer –, kann ich das nicht mittragen, sorry. Wir müssen zuerst eindeutig klären: Was sind die Aufgaben, was ist der Nutzen einer solchen Behörde  oder wie immer sie heißt –, und dann können wir fragen: Was sind die Kosten?, und: Ist es uns in Österreich diese Kosten wert, dass es eine solche Arbeitsbehörde, wo auch immer, gibt? – Das ist die Frage. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


17.31.42

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zuseher! Wir hatten heute Vormittag eine sehr interessante Diskussion zum Themenbereich des EU-Vorsitzes, der demnächst für Österreich beginnt. Ich möchte heute vielleicht auch im Rahmen der Diskussion ganz kurz über den Konsumentenschutz sprechen und da­rüber, was auf EU-Ebene im Bereich Konsumentenschutz geplant ist oder welche The­men gerade diskutiert werden.

Zunächst ein Begriff, der in der EU seit einigen Monaten sehr heiß diskutiert wird: New Deal for Consumers. Unter diesen Begriff New Deal for Consumers fallen einige sehr, sehr interessante Punkte, die ich heute hier einmal erwähnen möchte.

Es geht darum, dass man auf EU-Ebene im Bereich der Lebensmittel Verbesserungen für Staaten schaffen will, die zum Beispiel gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht auf ihren Märkten haben wollen. Genauso ist ein Thema, zu regeln, was mit geklontem Fleisch passiert, wie man das in Zukunft deklarieren muss. Im Prinzip werden geklonte Lebensmittel oder Fleisch von geklonten Tieren auch in Europa immer mehr Thema, und auch da muss im Sinne des Konsumentenschutzes eine europaweite Regelung gefunden werden.


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Ein weiterer wichtiger Bereich: Es wird europaweit neue Regeln im Bereich der unlau­teren Geschäftspraktiken geben. Ein Thema, das im Onlinebereich ganz, ganz wichtig ist und noch wichtiger werden wird, sind die Online-Marktplätze. In diesem Bereich wird es ganz strenge Transparenzregeln geben.

Ein weiteres Thema, eines, über das in Österreich seit Jahrzehnten diskutiert wird – Kollege Vogl wartet schon darauf –: Es wird im Rahmen der Europäischen Union na­türlich auch über Verbandsklagen diskutiert. Ich bin gespannt, wie die Frau Ministerin hier im Sinne der Konsumenten die Entwicklung entsprechend weiterbringen wird. (Abg. Vogl: Das ist eigentlich der Konsumentenschutzausschuss, nicht der Sozialaus­schuss! – Abg. Belakowitsch: Das ist übergreifend!) Es ist dies ein Thema, dessen Umsetzung für Konsumenten auch hier in Österreich – ich verweise nur auf den VW-Abgasskandal – Verbesserungen bringen würde.

Eine Geschichte, die natürlich in der Bevölkerung auch sehr oft Thema ist, sind jene Fälle, in denen die Waschmaschine einen Monat nach dem Ablauf der Gewährleis­tungspflicht kaputt wird. Dieses Thema ist kein österreichisches, sondern ein europa­weites, und da plant die Europäische Union auch, Regeln zu schaffen. Diese könnten, sage ich jetzt mit ein bisschen Fantasie, vielleicht so etwas wie ein Mindesthaltbar­keitsdatum für Waschmaschinen, Geschirrspüler und Ähnliches sein. Auch hier hat man erkannt, dass es Ressourcenverschwendung und auch nicht im Sinne der Konsu­menten ist, wenn solche Güter quasi nach einigen Jahren einfach geplant das Ende ih­res Lebenszyklus erreichen.

Ein anderer Themenbereich, der heute Vormittag auch schon von Minister Hofer ange­sprochen wurde: Es tut sich im Bereich des selbstfahrenden Autos sehr, sehr viel. Da taucht die Frage auf – und die ist auch zu klären –: Wem gehören die Daten, die bei einem Smartcar entstehen, das heißt bei einem Auto, bei dem sehr, sehr viele Daten entstehen und immer mehr Daten gesammelt werden? Wem gehören diese Daten? Gehören sie der Autofirma? Gehören sie dem Autofahrer? Was passiert mit diesen Da­ten, und wer passt auf diese Daten entsprechend auf?

Ein weiteres Thema, das vielleicht für viele in Österreich von Interesse sein wird: Man hat auch auf EU-Ebene erkannt, dass im Bereich der Smartmeter, also der neuen Stromzähler, europaweit datentechnisch doch einige Pannen passiert sind, und man denkt auf EU-Ebene darüber nach, da Nachschärfungen vorzunehmen, damit auch was Smartmeter-Stromzähler betrifft absolute Datensicherheit gewährleistet ist.

Summa summarum: Unsere Position hinsichtlich Konsumentenschutz, was Europa be­trifft, ist eine unveränderte. Wir haben gesagt, es ist wichtig, in Europa Regeln zu ha­ben. Ich sage aber auch, dass in der Vergangenheit viel zu oft unter dem Titel Konsu­mentenschutz Regeln aus Brüssel gekommen sind, die in letzter Konsequenz nicht zum Nutzen der Konsumenten waren. Da werden wir uns gemeinsam mit der Frau Minister einbringen, damit die Regeln oder die Verordnungen aus Brüssel auch wirklich im Sinne der Konsumenten sind.

Ein Thema, das wir heute vielleicht schon noch diskutieren sollten, ist eine ganz ande­re Geschichte, und sie betrifft den Arbeitsmarkt. Frau Holzinger hat es ja erwähnt: Seit einigen Monaten entwickelt er sich Gott sei Dank positiv, die Arbeitslosigkeit in Öster­reich sinkt und soll auch weiterhin sinken. Ich nehme an, auch die neue Bundesregie­rung hat einen erklecklichen Anteil dazu beigetragen, diesen Zustand positiv zu be­einflussen. Ich möchte aber schon sagen – ich habe es letztes Mal schon erwähnt –, ich bekomme leider Gottes immer öfter Reklamationen von Kunden des AMS, dass die Behandlung durch die AMS-Mitarbeiter oder die Aussagen vor Ort eigentlich nicht mehr akzeptabel sind.

Ich habe hier Unterlagen zu einem Fall – ich werde sie dann auch der Frau Minister übergeben –, in denen mir eine 53-jährige Frau bestätigt, dass sie im April zweimal,


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und zwar am 4. April und am 16. April, von zwei AMS-Mitarbeitern, und zwar vom Be­rater und vom Vorgesetzten, folgende Aussagen zu hören bekommen hat – Sie wollte eine Schulung, eine Umschulungsmaßnahme erhalten, und die Aussage war, wortident so bestätigt –: Es gibt kein Budget, wir bezahlen das nicht; man möge sich bitte bei der neuen blau-schwarzen Regierung bedanken. Die Auskunft lautete: Seit die neue Re­gierung im Amt ist, sind die Töpfe leer. – Das wird beim AMS den Leuten, die eine Um­schulung oder eine Weiterbildung wollen, mitgeteilt. Das ist meiner Meinung nach ein Skandal ersten Ranges! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage das ganz deutlich, und ich hoffe und bin überzeugt davon, die Frau Minister wird dem Einhalt gebieten. Was man dazusagen sollte, ist Folgendes – die Frau Minis­ter kann es vielleicht erklären –: dass im April 2018 noch nicht einmal eine budgetäre Änderung stattgefunden hat, weil die genaue Budgetaufteilung für 2018 erst jetzt ab dem Sommer erfolgen wird. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Das heißt, diese Aussagen sind reine Propaganda von AMS-Mitarbeitern, um die Bundesregierung und in dem Sinn auch die Frau Minister schlechtzumachen und die Leute zu verunsichern. Da er­bitte ich mir eindeutig einen Schritt dahin gehend, dass das AMS das unterlassen muss (Abg. Vogl: Ihr Generalverdacht ist ...! – Abg. Belakowitsch: Es wird ja wohl kaum ein Blauer gewesen sein!) und vor allem für Österreicher die erforderlichen Maßnahmen zu setzen hat, damit die Leute wieder in einen Job kommen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Abschluss noch ein Thema, weil uns das natürlich auch in Zukunft beschäftigen wird: die Mindestsicherung. Ich habe es gesagt, ich bin völlig überrascht: Seit vielen Jahren thematisieren wir auch die Mindestsicherung, und erstmals hat sich im Gebiet Wien, wo die Zahlen am höchsten sind und in den letzten Jahren immer explodiert sind, bei der Anzahl der Mindestsicherungsbezieher im ersten Halbjahr 2018 ein Rück­gang gezeigt, und zwar ein Rückgang um 8 Prozent gegenüber dem Frühjahr 2017. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut – der Bericht liegt vor, den kann sich jeder anschauen –, dann erkennt man einen Anstieg der Mindestsicherungsbezieher bei den Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten um 12 Prozent und einen Rück­gang bei österreichischen Mindestsicherungsbeziehern um 15 Prozent.

Die Erklärung, ich sage es noch einmal, ist für mich eine recht simple – man kann mich gerne vom Gegenteil überzeugen –: Österreichische Bezieher der Mindestsicherung nützen derzeit die Möglichkeiten am Arbeitsmarkt, verlassen die Mindestsicherung und sind wieder im Arbeitsprozess – das war auch immer die Grundidee der Mindestsiche­rung.

Leider Gottes haben wir aber nicht österreichische Bürger in diesem Land, die viel lie­ber in der Mindestsicherung verbleiben. Auch da werden und müssen wir Maßnahmen setzen, um diese Entwicklung zu beenden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

17.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


17.40.29

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man sich anhört, was man in einer Diskussion über Sozialpolitik so hört – da wird von neuer Gerechtigkeit gesprochen –, dann stellt sich die Frage: Was heißt denn das? Was ist denn neue Gerechtigkeit? Ist die alte Gerechtigkeit nicht mehr gerecht? (Rufe bei der FPÖ: Ja! – Abg. Belakowitsch: Welche Gerechtigkeit?) Nimmt es sich da jemand he­raus, Gerechtigkeit neu zu definieren? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Faymann!)


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Ist es jetzt gerecht, dass man das erfüllt, was Unternehmer wollen, die vorher viel zah­len? Ist das die neue Gerechtigkeit? Schämt euch! Schämt euch, wenn so ein Begriff von neuer Gerechtigkeit eingeführt wird! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Fay­mann!)

Und dann sagt jemand hier: immer dieser Rechtsanspruch. – Das sagt einer, der Be­amter der Oberösterreichischen Landesregierung ist, wo alles ein Rechtsanspruch ist? (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Aber wie geht es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in einem kleinen Betrieb, die sagen wollen: Ich möchte die Altersteilzeit auch für mich haben!? Übrigens: Altersteil­zeit ist ein Erfolgsmodell. Ein Erfolgsmodell – und was macht ihr? Was macht ihr? (Abg. Belakowitsch: ...! Nur die Wähler haben es nicht so gesehen!) Ihr habt jenen Personengruppen, die 1961 geboren sind, den Weg in die Altersteilzeit versperrt. (Abg. Deimek: Wer hat es bezahlt?)

Liebe FPÖ-WählerInnen, liebe ÖVP-Wählerinnen und -Wähler! Nicht alles, was die FPÖ- und-ÖVP-Regierung macht, hat sie vorher gesagt. Sie haben es nicht wissen können. Ihr könnt aber nicht erwarten, dass alle Probleme, die die FPÖ- und-ÖVP-Re­gierung jetzt bereitet, von der Sozialdemokratie beseitigt werden können. Das wird nicht möglich sein – so wie es nicht möglich war, viele Dinge von Schwarz-Blau im Pensionsrecht zurückzudrehen. Das wird auch in Zukunft nicht so sein, daher ist Al­tersteilzeit ein ganz wichtiges Element. (Abg. Belakowitsch: Das ist ganz schwer ...!) Der größte Raub an der Bevölkerung (Abg. Belakowitsch: Sind die Sozialdemokra­ten!) ist die schwarz-blaue Pensionsreform 2003 gewesen, und jetzt wollt ihr sie fort­führen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Geh!)

Altersteilzeit war das Instrument, den arbeitenden Menschen die Möglichkeit zu geben, früher in Pension, in den Ruhestand zu gehen, wenn sie nicht mehr gesund waren. (Abg. Belakowitsch: Sie haben als Minister ...! Waren Sie Sozialminister?)

Wir wollen eine gerechte Form der Altersteilzeit. Jetzt habt ihr die Chance, entspre­chend mitzutun. Es kann nicht sein, dass man eine knallharte Umverteilungspolitik für die ganz Reichen in der Gesellschaft zulasten der Arbeitnehmer macht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe FPÖ, wo ist der Preis für die Macht? Ihr fallt ja immer um. (Abg. Belakowitsch: Bitte kein Klassenkampf! Das ist nicht gewerkschaftstauglich!) Ihr fallt immer um, wenn es darum geht, die Interessen arbeitender Menschen zu berücksichtigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Lausch: Sie haben nichts zusammenge­bracht! – Abg. Rosenkranz – in Richtung ÖVP –: Mit so einem Mitglied in der Koali­tionsregierung habe ich ein bisschen Mitleid mit euch!)

17.43

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte.


17.44.03

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vor einigen Tagen wurde der Globale Friedens­index veröffentlicht; bei diesem Globalen Friedensindex wird Österreich an sehr guter dritter Stelle ausgewiesen, und zwar hinter Island und Neuseeland, noch vor Portugal und vor vielen anderen Ländern. Der Globale Friedensindex sollte für uns ja auch ein Beweis dafür sein, dass es uns gemeinsam, ganz besonders auch der Sozialdemokra­tie in Regierungsfunktion, gelungen ist, einen ganz hohen sozialen Standard aufzu­bauen. Ich kann und will einfach nicht verstehen, dass in jeder Sitzung des Sozialaus­schusses, bei jeder Debatte hier in diesem Haus so getan wird, als wäre der Sozial-


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staat radikal abrasiert. Das ist doch nicht so! Wir sind ein hoch entwickelter Sozialstaat, und das wird so bleiben. Das wird so bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Natürlich muss man immer wieder nachbessern, natürlich muss man Regelungen hin­terfragen, wenn sie vielleicht nicht mehr zeitgemäß sind. Ich möchte in den wenigen Minuten, die ich hier reden darf, auch auf diese Jahresvorschau der EU-Kommission eingehen. Da sind derzeit einige Richtlinien und Verordnungen im Sozialbereich in Ar­beit, die gerade für uns im nächsten halben Jahr durchaus von Bedeutung sind, weil wir ja den Ratsvorsitz führen, zum Beispiel die Verordnung der EU zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und im Übrigen auch die Richtlinie über die Ent­sendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, also ganz wichtige Thematiken. Da wird mir auch Beppo Muchitsch – er ist jetzt zwar nicht da – sicher zustimmen.

Natürlich muss bei der Entsenderichtlinie darauf geachtet werden, dass es einen fairen Wettbewerb auch hier bei uns gibt, das heißt, wenn Arbeitnehmer aus anderen Län­dern kommen, dass sie auch zu den gleichen Bedingungen hier arbeiten müssen, denn sonst würden sie unsere Betriebe und unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unfair konkurrenzieren. Das ist eine ganz wichtige Verhandlung, da wünsche ich Ihnen alles Gute, Frau Minister.

Ganz interessant und ganz wichtig ist auch die Verordnung zur Koordinierung der Sys­teme der sozialen Sicherheit; das muss ich herunterlesen, weil das ein recht sperriger Titel ist. Dabei geht es um Folgendes – und darauf bestehen wir, und Bundeskanzler Sebastian Kurz hat es heute hier auch ausgeführt –: Natürlich müssen, soweit es mög­lich ist, die Grundfreiheiten auf EU-Ebene gelten, nämlich im gesamten EU-Gebiet, aber deswegen müssen wir auch gute Regelungen treffen: Was ist, wenn es grenz­überschreitende Sachverhalte gibt? Was ist zum Beispiel mit den Grenzgängern, die drüben wohnen und hier in Österreich arbeiten? Was ist mit diesen sozialen Ansprü­chen?

In dieser Verordnung geht es grundsätzlich um vier große Änderungsbereiche. Es geht zunächst einmal um Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. Es geht um den Anspruch von Familienangehörigen von Menschen, die bei uns in Österreich arbeiten. Welche An­sprüche haben dann die Familienangehörigen, die im Heimatland des Arbeitnehmers zurückgeblieben sind, die dort wohnen und leben? Welche Ansprüche sollen sie ha­ben, wie werden diese verrechnet?

Dann geht es auch um Leistungen in der Arbeitslosigkeit. Natürlich – und das meine ich mit neuer Gerechtigkeit, Herr Abgeordneter Stöger –: Die neue Gerechtigkeit ist ei­ne Gerechtigkeit mit Hausverstand. Es ist zum Beispiel kein Hausverstand hinter fol­gender derzeit geltender Regelung: Wenn ein Arbeitnehmer aus einem anderen Land nach Österreich kommt – diese Regelung gilt für die gesamte EU gleich –, einen Tag hier arbeitet, ganz theoretisch gesagt, und arbeitslos wird, hat er sofort, unter Zusam­menrechnung aller Arbeitszeiten auch in anderen Ländern, auch in seinem Heimatland, hier bei uns Anspruch auf Arbeitslosengeld und kann dieses hier voll beziehen.

Diese Dinge sollen wir, müssen wir und werden wir neu regeln. Das ist eine Aufgabe auch für den EU-Vorsitz im nächsten halben Jahr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weiters geht es auch um Familienleistungen. Ich glaube, Bundeskanzler Kurz hat es heute ganz toll ausgedrückt (Abg. Duzdar: Superlativ!)  man kennt ja auch das Mot­to –: „In Vielfalt geeint“. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Diese Europäische Union wird weiterhin aus Mitgliedstaaten bestehen, in diesen Mitgliedstaaten werden wir weiterhin eigene geregelte soziale Systeme vorfinden. Und das wollen wir so. Was wir sicher nicht wollen, ist eine Sozialunion (Abg. Stöger: Noch einmal! Was?), sondern


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wir wollen, dass die Mitgliedstaaten ihre sozialen Systeme selbst regeln können. (Abg. Vogl: Alle Rechte den Konzernen!) – Ja, ja.

Daher ist es auch ganz wichtig und in Ordnung; auf dieser Verordnung Nr. 883/2004 wollen wir und werden wir auch aufsetzen, wenn Familienleistungen indexiert werden, wie es bereits unsere Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, denn auch das ge­hört zu einer neuen Gerechtigkeit mit Hausverstand. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Derzeit zahlen wir für 132 000 Kinder in der EU Familienbeihilfe aus, das wird über­haupt nicht infrage gestellt; das kostet in Summe übrigens 273 Millionen Euro. Wir sa­gen, es gehört auch zur sozialen Gerechtigkeit und damit zur Akzeptanz und zum so­zialen Frieden in unserem Land, wenn wir da die Wertanpassung, die Indexierung vornehmen, denn diese Familienleistung ist dazu gedacht, den Unterhalt im jeweiligen Land zu stützen. In Kroatien macht zum Beispiel die Familienbeihilfe nur 40 Euro aus; wir werden viel mehr an kroatische Kinder zahlen, aber immer im Verhältnis zu dem, was bei uns für die österreichischen Kinder ausgezahlt wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in einem vereinten Europa muss und wird es möglich sein, ein eigenes Sozialsystem aufzubauen. Wir müssen es schaffen, die grenzübergreifenden Angelegenheiten gut zu regeln, und das wird auch eine ganz wichtige Aufgabe, gerade während des kommenden EU-Vorsitzes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.50


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.50.28

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Das gute Ranking sehen wir als gefährdet an. Wenn Sie sich vor Augen halten, Kolleginnen und Kollegen von der Bundesregierung: Sie gefährden wahr­lich den Sozialstaat Österreich! (Abg. Zarits: Bitte! Das ist ein Wahnsinn!)

Wenn wir an die Mindestsicherung denken und einmal nur die Gruppe der alleinerzie­henden Frauen und Männer mit mehreren Kindern betrachten, so wissen wir, dass genau diese Familien nicht in Wohnungen leben, die groß, hell und gut ausgestattet sind, sondern eher in kleinen, teuren, oft feuchten Wohnungen. Wenn Sie jetzt bei den MindestsicherungsbezieherInnen Verschlechterungen herbeiführen werden – und das ist Tatsache –, dann werden vor allem Kinder noch mehr in die Armut gedrängt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Sie gefährden weiters den Sozialstaat, wenn Sie zulassen, dass bei einer durchaus guten Maßnahme, die Sie sich viel kosten lassen, wieder alleinerzie­hende Frauen oder Männer mit ihren Kindern gar nichts von diesem Familienbonus haben werden, wenn sie arbeitslos oder MindestsicherungsbezieherInnen sind. 1,5 Mil­liarden Euro für den Familienbonus ist nicht so wenig Geld, wirklich nicht! Da könnte man ganz viel tun damit, etwas, von dem alle etwas hätten (Abg. Belakowitsch: Wir tun alles! Wir bringen Steuergerechtigkeit!) – aber es gibt 150 000 Kinder, die nichts davon haben werden.

Wenn Sie jetzt auch noch die 60-Stunden-Woche einführen wollen (Abg. Winzig: So ein Blödsinn!), dann wird es vor allem für die Frauen schwierig sein, sich das mit ihren Arbeitgebern so auszumachen, dass sie diese 60 Stunden auch leisten können. (Abg. Rosenkranz: Nein!) Die werden entweder aufhören müssen zu arbeiten oder noch mehr Teilzeit arbeiten müssen, und sie werden keine Möglichkeiten an Betreuungsein­richtungen für ihre Kinder finden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Es bleibt bei der 40-Stunden-Woche! – Abg. Rosenkranz: Alles falsch!)


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Genau deswegen wäre es so wichtig, dass Sie sich zumindest an das halten, was Sie im Regierungsprogramm festgelegt haben, nämlich gleicher Lohn für gleichwertige Ar­beit – auch davon verabschieden Sie sich! (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Das haben wir auch noch nie gehabt: Immer, wenn Sie sich nicht sicher waren, ob Oppositionsan­träge nicht vielleicht doch ein bisschen weiter behandelt werden, wie zum Beispiel die Einkommenstransparenz, haben Sie sie nicht abgelehnt – das haben Sie bisher noch nie gemacht, das ist das erste Mal heute, das ist eine Premiere! Wir werden den An­trag wieder einbringen, immer wieder und immer wieder, das ist keine Frage. (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Mölzer.)

Damit verabschieden Sie sich aber wirklich auch von Inhalten aus dem Regierungspro­gramm, in dem Sie sagen: Eigentlich wollen wir alle dafür sorgen, dass Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit auch dasselbe verdienen. (Abg. Winzig: Kollektivverträge!) Davon haben Sie sich verabschiedet, indem Sie unseren Antrag ab­gelehnt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist mehr als bedauerlich – aber wie ein Flummi wird der Antrag wiederkommen, immer wieder, und Sie werden immer wieder hier im Plenum damit konfrontiert sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: Aber die Frau Minister hat eigentlich verspro­chen, dass es so nicht kommen wird! – Abg. Leichtfried: „Eigentlich“!)

17.53


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Andrea Michaela Schartel. – Bitte.


17.53.59

Abgeordnete Andrea Michaela Schartel (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr ge­ehrten Kollegen! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt wieder einmal typisch, das muss ich wirklich sagen: Sie stellen sich da einfach hin und behaupten, dass wir uns von gewissen Dingen verabschiedet hätten. Ich bin schon sehr lange in der Politik, Frau Heinisch-Hosek (Abg. Heinisch-Hosek: Ich auch!), und eine unserer wesentli­chen Forderungen war immer die Gleichbehandlung von Frauen, und vor allem der gleiche Lohn für gleiche Arbeit! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dazu möchte ich Ihnen jetzt etwas sagen, liebe gnädige Frau! Ich finde es sehr span­nend, dass bei uns in der Steiermark, im Steiermärkischen Landtag, gerade Ihre Kolle­gen einen Antrag von mir, zu diesem Thema eine Enquete abzuhalten, abgelehnt ha­ben. Man muss mit allen Beteiligten reden – es hilft nicht, immer nur Berichte, ideo­logische Dinge zu fordern (Abg. Heinisch-Hosek: Das sind keine ideologischen Dinge! Das ist Gesetz!), man muss mit den Betroffenen und Beteiligten reden! Dazu gehört die Wirtschaft, das sind die Arbeitnehmervertreter, und vor allem auch die kontrollierenden Behörden. Es gibt nämlich sehr viele Gesetze, die gut sind, aber wenn sich niemand daran hält und diese kontrolliert, dann helfen keine Berichte, keine Studien, keine Quo­tenregelungen; das hilft Ihnen alles nichts. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt muss ich Ihnen eines ehrlich sagen: Ich bin zwar erst seit Kurzem in diesem Haus, aber ich kann diese Falschheiten (Abg. Heinisch-Hosek: Was?) und Diskussio­nen Ihrerseits über die Geschichte mit dem 12-Stunden-Tag schon nicht mehr hören! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben in Ihren Reihen sehr viele Gewerkschaftsfunktionäre, und ich bin davon überzeugt, dass Beppo Muchitsch das Arbeitszeitgesetz sehr wohl kennt, aber an­scheinend dürfte er es Ihnen nicht weitergegeben haben!

Es gibt einen Paragrafen im Arbeitszeitgesetz, den § 3 Abs. 1, der bestimmt, dass es in Österreich einen 8-Stunden-Tag gibt, dass die Normalarbeitszeit acht Stunden pro Tag


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und 40 Stunden pro Woche beträgt. (Abg. Schimanek: Erste Rede!) Im selben derzei­tigen Gesetz finden Sie dann mehr als sieben Paragrafen mit x Absätzen, unter wel­chen Voraussetzungen bereits jetzt zehn Stunden gearbeitet werden können, zwölf Stunden gearbeitet werden können (Abg. Heinisch-Hosek: Warum ändern Sie es dann?) – es gibt sogar eine Ausnahme mit 13 Stunden, und bereits jetzt darf in be­stimmten Bereichen die Arbeitswoche auf 60 Stunden ausgedehnt werden! (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Jetzt erklären Sie mir einmal, warum ein vom Betriebsrat genehmigter 12-Stunden-Tag für eine alleinerziehende Mutter kein Problem bei der Kinderbetreuung ist! Macht der zum Beispiel nicht krank? Warum ist das besser als ein ganz normaler 12-Stunden-Tag, den man einfach im Gesetz verankern möchte? Erklären Sie mir das einmal! (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Bravorufe bei der FPÖ.)

17.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Schimanek: Jetzt möchten wir es erklärt haben!)


17.56.46

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Nach der ersatzlosen Streichung der Aktion 20 000, die ja wirklich nur ältere ArbeitnehmerIn­nen getroffen hat - - (Ja-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) – Sagen Sie nur Ja, Sie werden es jetzt schon noch hören! Nach dieser Streichung, die also nur ältere ArbeitnehmerInnen, ältere Menschen getroffen hat, wird von der Regierung jetzt noch die Altersteilzeit ins Visier genommen.

Mit einer Erhöhung des Antrittsalters um zwei Jahre werden neue Hürden für ältere Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen, meine Damen und Herren, und viele dieser älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trifft dieser Einschnitt sehr hart, denn sie haben ihre Lebensplanung darauf abgestimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Einzelschicksale sind Ihnen als Abgeordnete der Regierungsparteien aber an­scheinend völlig egal. Ihnen ist egal, was mit diesen Menschen passiert, wie es diesen Menschen gesundheitlich geht und was diese Menschen tun können! Ich habe für Sie ein paar Beispiele, meine Damen und Herren, die an mich herangetragen wurden. Es waren nachweisbar Hunderte, die da an mich herangetreten sind und gesagt haben: Du bist ein Hackler, du bist ein Arbeiter, du verstehst uns, aber die – gemeint sind die Regierungsparteien – verstehen uns nicht mehr.

Ich nenne Ihnen jetzt ein paar Beispiele: Da gibt es einen Wolfgang, ein 57-jähriger Maler aus Oberösterreich. Er feiert am 4. Jänner 2019 seinen Geburtstag – ich darf das sagen, das hat er mir erlaubt –, und bis vor ein paar Wochen hat er sich auf diesen Geburtstag immens gefreut, denn an diesem Tag wollte er seine Altersteilzeit unter­schreiben, meine Damen und Herren. Aufgrund seiner schweren Arbeit, die er als Maler verrichtet, bei der er immer wieder Wind und Wetter ausgesetzt ist, schwere Kü­bel tragen muss, sich mit hohen Leitern bewegen muss – und wer einmal mit solchen Leitern gegangen ist, weiß, wie schwierig das ist! –, war es für ihn ein logischer Schritt, in diese Altersteilzeit zu gehen. Er wollte die Stunden reduzieren und langsam in die Pension gleiten, und das erschien auch seinem Unternehmen die beste Lösung. Für ihn hat sich das jetzt aber erledigt, es geht nicht mehr! Er kann das nicht mehr tun, und auch das Unternehmen weiß nicht mehr, wie es da weitergehen soll. – Das ist aber kein Einzelfall, ich habe noch weitere Beispiele.

Da gibt es zum Beispiel den Alfred, einen 57-jährigen Tischler: Den plagen schon seit Längerem schwere körperliche Beschwerden, denn das Schleppen der schweren Mö-


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bel, das Montieren der komplizierten Teile wirken sich unweigerlich auf seine Gesund­heit aus und er hatte immer wieder längere Krankenstände. Die Altersteilzeitlösung, die er nächstes Jahr in Anspruch nehmen wollte und auch mit seiner Firma schon abge­sprochen hat, wäre für beide die beste Lösung gewesen – für das Unternehmen und für diesen Mitarbeiter. Es ist ein schwerer Schlag für ihn und für diese Tischlerei, dass er das nicht machen kann, das Unternehmen weiß nämlich nicht, wie es mit diesem Mitarbeiter weitergehen soll. (Ruf: Reg dich nicht auf!)

Ich habe schon gesagt, ich habe Hunderte Beispiele solcher Menschen, die sich nicht an den Kollegen Hammer wenden, denn der ist ein pragmatisierter Beamter und der versteht das nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Diese Menschen wenden sich an uns – und genau diesen Menschen, meine Damen und Herren, gebt ihr keine Chance mehr, gleitend in Pension gehen zu können. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Tanja Graf zu Wort ge­meldet. – Bitte. (Abg. Jarolim: Ich bin auf die FPÖ gespannt in den nächsten Jahren!)


18.00.08

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Selbständig entscheiden, Ei­genverantwortung wahrnehmen, Freiheit für Ideen – das sind nur einige Gründe, warum man sich heute selbständig macht. Ich stelle mir Ihren Antrag betreffend schon die Frage, wie viel Selbständigkeit ein Unternehmer heute noch hat (Abg. Vogl: Sehr wenig!), wenn Sie von der SPÖ mit Anträgen und Ansinnen wie diesem massiv in die Eigenverantwortung der Selbständigen eingreifen wollen.

Der uns hier vorliegende SPÖ-Antrag mit der Forderung nach einer umfassenden in­nerbetrieblichen Gehaltstransparenz wird uns als ideales Mittel angepriesen, um die angeblich, nach SPÖ-Angaben, bestehende Einkommensdifferenz zwischen Frauen und Männern auszugleichen. Tatsache ist jedoch, es gibt keinen einzigen Kollektivver­trag, der in der Gehaltseinstufung zwischen Männern und Frauen unterscheidet. Das heißt, jeder Kollektivvertrag enthält den gleichen Lohn und das gleiche Gehalt für Män­ner und Frauen. Es gibt daher auch keinen 20-prozentigen Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, den Sie immer vorbringen, denn dieser ist ein Mythos. Und wie Sie sicher wissen, gibt es bereits anonymisierte Einkommensberichte. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie wissen ganz genau, dass die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen ganz andere Gründe haben. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, aber es gibt mehr erklärliche als unerklärliche Gründe!) Das liegt zum Beispiel da­ran, dass Frauen karenzbedingt Unterbrechungen machen, oft Teilzeit arbeiten – aber das wollen sie auch – und auch ein früheres Pensionsantrittsalter als Männer haben. Frauen entscheiden sich leider auch viel zu oft für Berufe mit geringerer Entlohnung. Diese wichtigen und entscheidenden Faktoren zu verschweigen, ist von Ihnen nicht ehrlich, Frau Kollegin, das ist nicht ehrlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich halte hier also fest: Nicht nur Ihre Argumente entsprechen nicht den Tatsachen, sondern auch Ihr Lösungsansatz. Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer zu be­vormunden und zusätzliche bürokratische Belastungen zu erfinden, ist nicht der Weg, den wir gehen wollen. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber ein Gesetz haben wir gemeinsam geschaffen!) Wir haben schon genügend Vorschriften und Schikanen, die uns das Wirt­schaften erschweren, und Ihre Vorschläge sind wieder so eine Schikane. (Beifall bei der ÖVP.)


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Unternehmer zu zwingen, persönliche Daten wie Namen, Geburtsdatum, Ausbildung, Sonderzahlungen, Bonitäten und Zulagen penibel aufzuzeichnen und diese betriebsin­tern offenzulegen, zur Einsicht aller, auch der Interessenvertreter, ohne die Frage zu klären, wie es eigentlich mit dem Datenschutz ausschaut (Zwischenruf des Abg. Vogl) oder ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des jeweiligen Betriebes das überhaupt wünschen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek – Abg. Vogl: In welcher Welt leben wir?), bringt uns der Lösung keinen Schritt näher. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sagen Nein zu mehr Bürokratie und unnötigem Aufwand, und wir lehnen Ihren An­trag daher ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Dies tun wir auch ganz klar deshalb, weil Ihr Antrag nicht nur in die Entscheidung der Unternehmerinnen und Unternehmer eingreift, sondern auch in die der Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nur für Transparenz zu sorgen und Neid zu schüren, das bringt uns keinen Fortschritt. (Heiterkeit der Abg. Greiner.) Wir haben da einen ganz anderen Zugang. Sinnvoller ist es, Frauen speziell zu fördern. Sie sollen schon in frühester Jugend für technische und besser bezahlte Jobs begeistert werden. Das ist jedenfalls der Weg, den wir gehen möchten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bürokratie und zusätzliche Vorschriften bringen uns da keinen Schritt weiter. Sie er­schweren es nur den Unternehmen, ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen, näm­lich Jobs zu schaffen, für Frauen und Männer (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), und ich hoffe, dass wir das in Zukunft auch noch selbständig machen dürfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Birgit Silvia Sandler. – Bitte.


18.04.53

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Frau Ministerin! Es sei mir eine Bemerkung zu meiner Vorrednerin gestattet: Vielleicht haben Sie übersehen, dass das Pensionsalter für Frauen bereits angehoben wurde und es eine Einschleifregelung gibt, obwohl - - (Abg. Loacker: Ist bei Ihnen schon 2033?) – Nein, es ist 2024, Herr Kollege! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Mit 1. Jänner 2024 wird es um ein halbes Jahr angehoben, und dann sukzessive, das sollten Sie wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Um aber jetzt wieder zu meinem eigentlichen Thema zurückzukommen: In der „Jahres­vorschau 2018“, wie sie ja heißt, findet man Themen wie „Vorschlag für eine Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen“, einen Vor­schlag für eine Änderung der Verordnung „zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“, für eine „Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige“ und einen „Vorschlag für eine Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“.

Neben den Themen, die meine VorrednerInnen schon angesprochen haben, ist die Er­arbeitung dieser Vorschläge und Richtlinien meiner Ansicht nach absolut notwendig. Wenn man dann aber auf den Homepages und in diversen Medien nachschaut, welche Ziele und Schwerpunkte es für die österreichische Ratspräsidentschaft gibt, findet man Folgendes: Österreich wird den Ratsvorsitz unter das Motto „ein Europa, das schützt“ stellen, mit den drei Schwerpunkten Sicherheit und Kampf gegen illegale Migration, Si­cherung des Wohlstandes und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung sowie Stabilität in der Nachbarschaft – kein Wort über transparente Arbeitsbedingungen, kein


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Wort über Barrierefreiheit, kein Wort über soziale Sicherheit, kein Wort über Vereinbar­keit von Familie und Beruf und schon gar kein Wort über Gleichbehandlung.

Warum nicht? Ist Ihnen das nicht wichtig genug? – Uns ist es wichtig, das Thema ist wichtig für Menschen, die davon betroffen sind. Leider ist es im 21. Jahrhundert immer noch notwendig, über soziale Sicherheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, über Barrierefreiheit, Gleichbehandlung und Diskriminierung zu reden und Richtlinien vorzu­geben. Ein Blick in die sozialen Medien zeigt uns das fast täglich: Menschen werden diskriminiert, belästigt und diffamiert, manchmal auf die übelste Weise. Wir können die Diskriminierung und die Vorurteile in den Köpfen der Menschen nicht ändern, aber es ist unsere Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Diskriminierung in puncto so­zialer Sicherheit, Gesundheitswesen, in der Bildung und Ähnlichem zu bekämpfen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Es ist auch gerade für uns als Abgeordnete unsere Pflicht, mit unseren Worten und mit unseren Taten Diskriminierung in jeder Hinsicht zu verhindern und dagegen aufzuste­hen. Menschen sind Menschen, egal wo sie leben, wie sie leben, wen sie lieben und woran sie glauben. Menschen sind Menschen, ob sie alt oder jung sind, ob sie krank oder gesund sind, ob sie pflegebedürftig oder behindert sind.

Daher fordere ich Sie auf, während der Ratspräsidentschaft Ihren Slogan zu erweitern: ein Europa, das die Menschen schützt, die sich selber nicht schützen können, und ein Europa, das die Menschen schützt, die Diskriminierung ausgesetzt sind. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

18.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Wagner. – Bitte.


18.08.36

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Hohen Haus! Ja, es sind uns auch andere Themen wichtig, und daher rede ich jetzt über ein wichtiges Thema, und zwar über die Barrierefreiheit.

Als soziale Heimatpartei ist es uns ein großes Anliegen, dass Menschen mit Beein­trächtigung barrierefrei am täglichen Leben teilnehmen können. Dazu braucht es zum Beispiel behindertengerechten Zugang bei Geldautomaten oder spezielle Anpassun­gen an die besonderen Bedürfnisse dieser Personengruppe bei Telefon- und Verkehrs­diensten, Computern oder Bankdienstleistungen. Die derzeitigen nationalen Anforde­rungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen unterscheiden sich von Mitglied­staat zu Mitgliedstaat und oft sogar innerhalb eines Mitgliedstaates. Das führt zu einer Fragmentierung, also zu einer Zergliederung des Binnenmarkts. Dadurch ist es für vie­le Unternehmen sehr aufwendig, den Verbrauchern barrierefreie Produkte und Dienst­leistungen zur Verfügung zu stellen.

Schaffen wir es, die bestehenden Unterschiede in den nationalen Rechtsvorschriften zu beseitigen und diese zu vereinheitlichen, werden auch volkswirtschaftliche Kosten vermieden. Damit ermöglicht man, wieder in neue, innovative barrierefreie Produkte und Dienstleistungen zu investieren. Es betrifft immerhin rund 80 Millionen Menschen mit Beeinträchtigung in Europa, die von diesen neuen Richtlinien profitieren.

Wenn wir die rechtlichen Standards harmonisieren, fördern wir die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen mit Beeinträchtigung innerhalb der Europäischen Union, und dadurch wird die Wirtschaft wesentlich gefördert. Eine Umsetzung des vorliegenden Entwurfs bringt klare Strukturen und Rechtssicherheit in diesem Bereich. Unsere For­derungen und Vorstellungen sind im Textvorschlag des Rates vom Dezember 2017


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verankert und stehen im Einklang mit anderen europäischen und internationalen Rechtsdokumenten. Damit sich die Situation für Menschen mit Beeinträchtigung ver­bessert, wird die österreichische Bundesregierung den Vorschlag der Richtlinie zur Barrierefreiheit unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


18.11.24

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Die SPÖ schreibt in der Begründung zu ihrem An­trag 214/A: „Das Modell der Altersteilzeit ist ein Erfolgsmodell.“ – Ja, das stimmt auch so. Die Altersteilzeit ist tatsächlich ein Erfolgsmodell. Das sieht man auch an den Kos­ten dieses Modells, die seit dem Jahr 2016 von 320 Millionen Euro auf 430 Millionen Euro im Jahr 2017 angestiegen sind. Es ist also absolut akzeptiert und ein beliebtes Modell. Das ist auch nicht verwunderlich, denn fairerweise müssen wir auch dazusa­gen, dass dieses Modell im Durchschnitt mit 13 000 Euro pro Jahr und Fall aus dem Steuertopf subventioniert wird. Das ist eine Summe, die durchaus bemerkenswert ist. (Zwischenruf des Abg. Stöger.)

Was versuchen Sie also mit Ihrem Antrag? Warum wollen Sie etwas reparieren, das so gut funktioniert, fragt man sich. Sie versuchen, das akzeptierte Einvernehmensmodell außer Kraft zu setzen und es durch einen Rechtsanspruch zu ersetzen. Wir lehnen das aus verschiedenen Gründen der betrieblichen Planbarkeit ab, und wir lehnen es vor al­lem auch deswegen ab, weil wir das Miteinander von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sehr schätzen.

Sie versuchen auch, das Budgetbegleitgesetz 2018 rückgängig zu machen. In diesem Budgetbegleitgesetz passen wir das Antrittsalter für die Altersteilzeit schrittweise an, bei Frauen von 53 auf 55 Jahre (Abg. Kucher: Auf 60 Jahre!) und bei Männern von 58 auf 60 Jahre. (Abg. Kucher: Auf 60 Jahre die Frauen!) Warum tun wir das? – Die Al­tersteilzeit ist auf fünf Jahre begrenzt. Wenn nun also der besagte Kollege von Herrn Keck mit 58 in die Altersteilzeit einsteigt, dann wird er mit 63 Jahren in die Frühpension gehen müssen, und das mit allen Abschlägen. Das wollen wir den Arbeitnehmern nicht zumuten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir schließen also dieses Gap von zwei Jahren, damit die Altersteilzeit mit der Dauer von fünf Jahren schlussendlich direkt in die Alterspension führt. (Abg. Kucher: Mit 60 bei den Frauen!)

Meine lieben Kollegen von der SPÖ, ich würde Ihnen eines raten: Legen Sie die ideologischen Scheuklappen bitte ab! Behalten wir den Kopf zwischen den Ohren und schalten wir den Hausverstand ein! – Wir tun das und lehnen diesen Antrag deswegen auch ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Beate Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.14.27

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie! Soziale Gerechtigkeit: Ich glaube, ihr habt das in der Vergangen­heit nicht gelebt, denn wie kann es bitte passieren, dass im Sozialversicherungsbereich §-2-Kassen-Versicherte bei gleichen Beiträgen unterschiedliche Leistungen gehabt


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haben? Jahrzehntelang ist das keinem von euch aufgefallen? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und ihr unterstellt jetzt uns, dass wir keine soziale Gerechtigkeit leben?! – Wir sind die­jenigen, die für soziale Gerechtigkeit kämpfen! Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.15


Präsidentin Doris Bures: Jetzt ist Herr Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.15.00

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrt­er Herr Minister! Hohes Präsidium! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Ja, ja, gewiss, aber selber wehleidig sein!) Lassen Sie mich ganz kurz auf den Antrag bezüglich Ausbildungsgarantie eingehen, den Frau Kollegin Holzinger, die jetzt nicht anwesend ist, noch einmal erneuert hat.

Alles, was wir versuchen, ist, in diesem Bereich eines AMS-Budgets ein bisschen Fle­xibilität zu schaffen. Wir haben dieses Programm im Rahmen der alten Regierung für zwei Jahre beschlossen, die neue hat es um ein Jahr verlängert. Es stellt sich aller­dings die Situation nun so dar, dass in Anbetracht der guten Arbeitsmarktzahlen dieses Modell vom AMS wenig nachgefragt wird. Warum sollen wir daher Mittel in dieser Höhe binden? – Es ist vollkommen richtig, wenn das ausläuft. Wir werden diesen Antrag da­her ablehnen.

Lassen Sie mich am Ende der Debatte – man spürt es ja auch aufgrund des Ge­räuschpegels im Saal, dass die Debatte zu Ende geht – ein paar Anmerkungen zu den Kollegen Stöger, Heinisch-Hosek und Keck machen: Wir müssen gemeinsam in die­sem Haus etwas für die Leute tun, und es nützt nichts, wenn Sie sich zu propagan­distischen Zwecken mit moralinsaurer Miene hinstellen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Untergang des Abendlandes und des Sozialstaates heraufbeschwö­ren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie informieren hier vom Rednerpult aus bewusst die Menschen falsch über die Intentionen dieser Regierung – ist auch ein Teil der Pro­paganda –, oder Sie wissen es nicht besser. Wenn Sie es nicht besser wissen, sollten Sie sich in diesem Bereich fortbilden. (Abg. Rosenkranz: Lifelong Learning!) Herr Kol­lege Keck, wenn die ganze Lebensplanung eines Malers nur mehr die ist, rechtzeitig in Alters- oder Frühpension zu gehen, dann läuft irgendetwas falsch; und ich glaube Ih­nen die Zahl mit den Hunderten nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Keck.)

Ich glaube Ihnen die Zahl mit den Hunderten nicht, weil ich immer noch weiß, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ihrer Tätigkeit gerne nachgeht und die Leute gerne arbeiten und nicht sagen: Um Gottes willen, wann kann ich möglichst früh in Pension ausgleiten? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Keck.)

Und wenn ich Frau Kollegin Heinisch-Hosek hier von feuchten kleinen Wohnungen reden höre, dann habe ich den Eindruck, dass wir zeitgeschichtlich bei der industriellen Revolution so Ende 19. Jahrhundert angesiedelt sind (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), als die blutsaugerischen Unternehmer die entrechteten Arbeitermassen ohne Entlohnung 14 Stunden lang geknechtet haben. Nur: Da sind wir raus, dort sind wir nicht mehr, meine Damen und Herren! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Wir sind in einer modernen Arbeitswelt, wo die Arbeitnehmer geschützt sind, wo sie gut bezahlt werden, und das werden wir auch nicht ändern, sondern fortentwickeln. (Ruf


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bei der SPÖ: Sie sind überheblich!) – Ich danke für den Einwurf; Herr Kollege Witt­mann ist der Meinung, dass ich überheblich bin. Ich bin der Meinung, ich bewege mich nur in der Normalität des Lebens und auf Basis der Fakten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Herr Kollege Stöger, Sie haben hier gesagt, Sie wissen, was Gerechtigkeit ist. – Das, was Sie unter Gerechtigkeit verstehen, ist ein hohes Einkommen möglichst ohne Ar­beit. Ja, die Menschheit träumt immer schon vom Einkommen ohne Arbeit, nur gibt es das leider nicht. Das, wovon Sie träumen, ist Sozialismus; aber Sozialismus hat noch nie zu einem Stück Gerechtigkeit auf dieser Welt geführt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.19

*****


Präsidentin Doris Bures: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Mag. Andreas Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.


18.19.23

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung)|: Sehr ge­ehrte - - (Abg. Belakowitsch: Kommt jetzt wieder die Herbeischaffung des Bundes­kanzlers? Das ist eigentlich sehr inflationär!) – Ja, das liegt an Vorgehensweisen, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist vor Kurzem ein Antrag der Abgeordneten Haubner und Klinger vorgelegt und gleichzeitig auch ein Rund­lauf gestartet worden, der heute noch im Anschluss an die Sitzung eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses vorsieht.

Es ist geplant, diesen Antrag, der das Arbeitszeitgesetz betrifft, vulgo 12-Stunden-Tag, 60-Stunden-Woche (Widerspruch bei ÖVP und FPÖ) – na ja, so heißt das! –, diesen Gesetzentwurf, der also schwerwiegende Änderungen im Arbeitszeitgesetz umfasst, dem Wirtschaftsausschuss zuzuweisen. (Abg. Belakowitsch: Was hat das jetzt mit der Geschäftsordnung zu tun?) – In der Geschäftsordnung, Frau Kollegin – schauen Sie, nehmen Sie sie zur Hand! –, besagt § 8 (Abg. Rosenkranz: Kennen wir!), dass die Zu­weisungen an die Ausschüsse sowie die dafür vorliegenden Vorschläge in der Präsi­dialkonferenz zu beraten sind.

Der Usus hier im Haus ist, dass es eine fachliche Zuständigkeitsliste gibt und entspre­chend dieser zugewiesen wird. Materien des Arbeitszeitgesetzes wurden bis jetzt im­mer dem Sozialausschuss zugewiesen, daher ist der Zuweisungsvorschlag, der hier vorliegt, falsch. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Mein Ersuchen ist daher, entsprechend den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung die Vorlage erstens dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuzuweisen, aber zweitens auch eine kurze Stehpräsidiale einzuberufen, um diese Frage zu besprechen und zu klären. Die Präsidiale ist nämlich bei falschen Zuweisungsvorschlägen jenes Organ, das über die richtige Zuweisung entscheiden kann, darum würde ich bitten, dass wir in diesem Fall entsprechend vorgehen. Ich bitte also um die Abhaltung einer Präsidiale. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Rosenkranz: Wunderbar!)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Möchte noch jemand zur Geschäftsbehandlung spre­chen? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 173

Ich unterbreche nun die Nationalratssitzung und ersuche die Mitglieder der Präsidial­konferenz, kurz zu mir zu kommen. (Abg. Wöginger: Können wir Zeit sparen, machen wir!)

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 18.21 Uhr unterbrochen und um 18.50 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und teile Ihnen mit, dass im Zuge der Debatte in der Präsidialkonferenz und der Diskussion im Zusammenhang mit der Zu­weisung des Antrages kein Konsens erzielt werden konnte. Daher gilt, was in der Ge­schäftsordnung in § 13 betreffend die allgemeinen Aufgaben des Präsidenten festge­halten ist: dass der Präsident für die Zuweisungen der Anträge und Verhandlungsge­genstände an die Ausschüsse zuständig ist.

Der Präsident hat entschieden, dass es so bleibt, wie das eingebracht wurde, und die­ser Antrag dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Skandal erster Güte! – So geht das! So etwas hat es noch nie ge­geben! ... Führung des Hauses! Weitere Zwischenrufe.)

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir gehen nun in der Debatte weiter. (Wi­derspruch bei der SPÖ.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte. (Anhaltende Zwischen­rufe bei der SPÖ.)


18.52.17

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Ich glaube, die heutige Diskussion hat ge­zeigt, dass gerade im Bereich Arbeit und Soziales tiefe ideologische Gräben in diesem Haus bestehen. Diese tiefen ideologischen Gräben führen dazu, dass die Regierung sogar zu Mitteln greift, wie bewusst mit falschen Zahlen in der Öffentlichkeit zu operie­ren. Dabei werden aus nicht einmal 800 Funktionärinnen und Funktionären in der Selbstverwaltung in einem Papier, das die Presse übermittelt bekommt, plötzlich 2 000 Funktionärinnen und Funktionäre in einem aufgeblähten Apparat. Zeitgleich findet auf Schloss Grafenegg der Österreichische Raiffeisentag statt. Ich zitiere: „Bun­deskanzler Kurz hob im Gespräch mit den [...] Moderatoren [...] die Idee und das Ge­dankengut hinter Raiffeisen hervor. Diese sollte nicht nur Raiffeisen prägen, sondern ‚ausstrahlen‘ in Wirtschaft und Gesellschaft.“

Das ist das, was ihr macht: Da Tausende gute Raiffeisenfunktionäre und – ich darf jetzt die Frau Ministerin zitieren  auf der anderen Seite unqualifizierte Arbeiter- und Ange­stelltenbetriebsräte und PersonalvertreterInnen. Das ist das Bild, das in der Öffent­lichkeit von der Selbstverwaltung in diesem Land von Ihnen vermittelt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Klubobmann August Wöginger, wenn du dich hier ans Rednerpult stellst und „Glück auf“ sagst, dann weiß ich nicht, ob deine Kollegen nicht ein bisschen erzürnt


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 174

über deinen Gruß sind. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ich kann dir nur eines sa­gen: Die Betriebsrätinnen und Betriebsräte der FCG, der christlichen Gewerkschaft in der GPA-DJP haben sich einhellig gegen diese Maßnahmen, die hier auf dem Tisch liegen, die von euch und von dir im Ausschuss verteidigt worden sind, ausgesprochen.

Was die freiheitlichen Arbeitnehmer sagen, kann ich leider nicht sagen, bei uns im Vorstand gibt es keine, aber ich glaube, es wäre auch egal gewesen, wenn man sieht, wie ihr drüberfahrt. Ihr gebt die Dinge einfach auf. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Für ein paar zusätzliche Posten seid ihr bereit, das Arbeitnehmerschutzgesetz zu opfern. Dass du als ehemaliger Betriebsrat dabei mitmachst, August, ist für mich eine Riesenenttäu­schung.

Vielleicht auch noch zu den Zahlen, die da in der Öffentlichkeit kolportiert werden, da­mit man einmal eine Vorstellung davon hat: Die Selbstverwaltung der Wiener Gebiets­krankenkasse kostet annähernd gleich viel wie die Aufsichtsgebühr, die an Ihr Minis­terium zu entrichten ist; nur damit wir einmal die Dimensionen der Kosten der Selbst­verwaltung sehen.

Wie ihr mit Themen umgeht, merkt man bei der Ausbildungsgarantie bis 25. Wir alle miteinander beziehungsweise zumindest wir glauben daran, dass junge Erwachsene und Jugendliche Unterstützung brauchen, und zwar deshalb, weil nicht alle die glei­chen Startvoraussetzungen im Leben hatten. Was aber ist die Politik, die von euch be­trieben wird? Wer hat, dem wird gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Zugang ist: Was braucht es, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen? 2017 waren 70 000 junge Menschen im Alter zwischen 19 und 24 in AMS-Schulungen, 39 000 von ihnen hatten nur einen Pflichtschulabschluss. 50 000 junge Menschen in dieser Altersgruppe haben immer noch keinen Arbeitsplatz, 14 000 von ihnen sind länger als ein Jahr ohne Arbeit. Was macht die neue Regierung? – Frau Ministerin, Sie haben im heurigen Jahr noch 37 Millionen Euro für Maßnahmen für diese Beschäfti­gungsgruppe; 2019: 0 Euro. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Sie lassen diese jungen Menschen komplett alleine.

Wir wissen, dass das diejenigen sind, die auf dem Arbeitsmarkt null Chancen haben. Die finden kurz einmal einen Job, werden sofort wieder arbeitslos, und die einzige Maßnahme, die helfen würde, wäre Qualifikation, sie bei der Hand zu nehmen. Für diese Maßnahmen stehen 0 Euro zur Verfügung. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Was macht ihr dann damit, lieber Kollege? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mölzer.) – Ihr verschärft dann die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch, indem ihr nämlich diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt am unteren Ende stehen, mit der Rot-Weiß-Rot-Card und der Regionalisierung der Mangelbedarfsliste zusätzlich unter Konkurrenzdruck bringt. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die es sich in dieser Republik am wenigsten richten können, werden von euch im Stich gelassen. Das ist Sparen auf dem Rücken der Men­schen. (Abg. Mölzer: Wer hat’s denn versemmelt in den Jahren ...? – Das seid ihr ge­wesen!)

Zu eurem Gesetz betreffend Arbeitszeit darf ich euch eines sagen: Wenn ihr stolz da­rauf seid, dass man sich bei Überstunden in der elften und zwölften Stunde entschla­gen kann, dann sagt doch ehrlicherweise auch dazu, dass das in der neunten und zehnten nicht mehr geht. Bis jetzt konnte man sich nämlich in der neunten und zehnten Stunde entschlagen. Das ist ein Schutz, wir haben ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Ar­beitszeitgesetze sind Schutzgesetze.

Ihr lasst diese Menschen draußen in den Betrieben ohne Schutz zurück, ihr opfert den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Altar des Profits. Das ist eure Politik! (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

18.57



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 175

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der FPÖ: Der nächste Panikmacher, oder? – Abg. Jarolim: Das ist eine austrofaschistische ...! Abg. Rosenkranz: Frau Präsidentin! Frau Präsidentin! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf: Ordnungs­ruf!) – Es gibt die Möglichkeit. Ich habe den Ausdruck jetzt nicht genau verstanden, ich werde mir das Stenographische Protokoll bringen lassen. (Abg. Jarolim: Das war eine austrofaschistische Anwandlung des Präsidenten, habe ich gesagt! Weitere Zwi­schenrufe. Ruf: Ein Wahnsinn!)

18.58.21*****

Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen nicht nur einen Ordnungsruf dafür. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Es ist laut Geschäftsordnung auch mit einem Ordnungsruf zu ver­sehen, wenn absichtlich ein Ordnungsruf provoziert wird. Ich ersuche Sie, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

*****

Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter. Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mu­chitsch. – Bitte.


18.59.00

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Damen und Herren! Keine Gräuelpropaganda (Zwischenruf des Abg. Noll), sondern wir haben uns jetzt wirklich ganz kurz und ganz schnell einige Punkte angeschaut. Wenn diese Änderung im Ar­beitszeitgesetz wirklich eure Absicht ist, dann schützt ihr nicht mehr die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer in dieser Republik. Das ist ein Verrat an 3,7 Millionen Menschen, die tagtäglich ihre Arbeit leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, ob ihr alle wisst, was da drinnen steht (Zwischenruf bei der SPÖ), näm­lich dass Zeitguthaben mehrmalig übertragen werden können; das heißt: Arbeiten, schöpfen dürfen wir, aber verbrauchen dürfen wir nicht. Dass Sie die Arbeitszeit mit Wegzeiten für 14 Stunden aufmachen – ein Bauarbeiter ist im Sommer bei 34 Grad 12 Stunden auf der Baustelle und 2 Stunden im Auto (Abg. Winzig: Stimmt ja nicht!) –: Wollen Sie das alles verantworten? (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Und dann gibt es noch andere Beispiele: Die neunte und die zehnte Stunde waren bei Normalarbeitszeit bisher zu vereinbaren, das gilt jetzt erst ab der elften. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Wenn das alles eure Absichten sind, dann ist das ein Verrat an den 3,7 Millionen Be­schäftigten in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

Wenn dann noch dazu ein derartig wichtiges Gesetz am zuständigen Ausschuss, dem Sozialausschuss, vorbeigeschwindelt und dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wer­den soll (Zwischenruf bei der SPÖ), bei einer kurzen Begutachtungsfrist, was nicht den entsprechenden Usancen entspricht (Beifall des Abg. Loacker), dann ist das letztend­lich eine Schweinerei an allen Menschen, die in diesem Land arbeiten. (Lebhafter Bei­fall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei NEOS und Liste Pilz. – Abg. Zanger: Ordnungsruf!)

19.00.47*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, für den Ausdruck „Schwei­nerei“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Oder wollen Sie ihn zurücknehmen?

*****

19.01.10



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 176

Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich bin seit 2006 in diesem Haus; seit 2006 habe ich keinen einzigen Ordnungsruf erhalten, nur diesen nehme ich sehr gerne an! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei der Liste Pilz.)

19.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Wöginger. (Zwischenruf des Abg. Keck. – Abg. Krainer: ... dieses Hauses nicht würdig! Nicht würdig!)


19.01.40

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Hohes Haus! Was da nun beim linken Flügel ausbricht (Zwischenrufe der Abgeordneten Krainer und Scherak), habe ich in den letzten 15 Jahren nicht er­lebt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der ÖGB-Kongress, meine Damen und Herren, hat im Austria Center stattgefunden, das hat hier nichts verloren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweite Anmerkung (Ruf bei der SPÖ: Die Arroganz des Präsidenten spaltet das Parla­ment!), da uns vorgeworfen wird, dass wir nicht begutachten würden (Abg. Krainer: Das ist keine normale Begutachtung!): Wir haben in der Stehpräsidiale – und das möchte ich hier erwähnen und betonen – angeboten, dass wir, egal, ob es im Wirt­schaftsausschuss oder im Sozialausschuss ist, heute nach der Sitzung entweder den einen oder den anderen Ausschuss einberufen (Zwischenruf des Abg. Scherak), uns auf eine zweieinhalbwöchige Ausschussbegutachtung einigen, und dann können wir im Juli-Plenum diese Gesetzesmaterie, die ein paar Seiten beinhaltet, beschließen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Muchitsch, du warst anscheinend jetzt schon in der Lage, ohne dein Büro im Catamaran, die wesentlichsten Inhalte hier wiederzugeben – natürlich mit deinen Bemerkungen und aus deiner Sicht. Es ist jedenfalls möglich, dieses Gesetz in einer zweieinhalbwöchigen Ausschussbegutachtung ordentlich zu begutachten (Abg. Krai­ner: Wer hat das geschrieben? ...!), damit wir es im Juli-Plenum beschließen können, weil wir letzten Endes den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern mit unserer Gesetzes­initiative Rechtssicherheit geben wollen, was die Arbeitszeitflexibilisierung anbelangt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Das, was uns erwartet, wird sich nicht ändern, denn das haben die letzten Reden bereits gezeigt.

Herr Kollege Muchitsch, wenn du von Bauarbeitern redest – was du dir mit deinem Vi­savis sozialpartnerschaftlich alles aushandelst, bis in die letzten Details hinein; was ja gut ist, denn du bist ja ein ordentlicher, guter Sozialpartnervertreter –: Ich kenne bei mir zu Hause Bauarbeiter, die nach Wien fahren, vier Tage arbeiten, am Donnerstag in der Nacht nach Hause kommen und am Freitag frei haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Genau das bilden wir damit zusätzlich ab. (Abg. Rosen­kranz: Kollege Krainer, er spricht von arbeiten ...!)

Wir bleiben beim 8-Stunden-Tag mit der Normalarbeitszeit. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der 4-Tage-Woche (Zwischenruf bei der SPÖ), damit wir letzten En­des auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Freizeiträume geben können. Darum geht es uns. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Krist: Dass du noch in den Spiegel schauen kannst!)

Ich meine, wir waren mit euch in der Regierung, wir kennen natürlich schon auch noch den Stand, der kurz vor Mitte 2017, als dann die Zusammenarbeit beendet wurde, auf dem Tisch gelegen ist. Ich erwähne nur die Gleitzeit, die ja schon vereinbart war, die ja schon fertig war und nun in diesem Initiativantrag von Parlamentariern wieder abge­bildet wird – also bitte! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich ersuche wirklich darum, das Angebot anzunehmen, das Herr Kollege Rosenkranz und ich getätigt haben, und zwar noch heute nach dieser Sitzung – wir sind nicht so spät dran, es ist nicht mehr viel an Tagesordnungspunkten abzuarbeiten – eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses oder des Sozialausschusses – da sind wir völlig flexibel – zu machen (Zwischenruf des Abg. Scherak), dieses Gesetz letzten Endes in einer zweieinhalbwöchigen Ausschussbegutachtung begutachten zu lassen (Zwischenruf des Abg. Plessl) und von mir aus dann am 2. oder sogar am 3. Juli noch einmal eine Sozialausschusssitzung zu machen. Dann können wir dieses Gesetz noch vor der Sommerpause beschließen (Zwischenruf des Abg. Keck), damit wir den Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmern und auch den Dienstgeberinnen und Dienstgebern Rechtssicherheit geben können. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das ist das, was wir von den Koalitionsparteien wollen. Es ist ein gutes Gesetz, es ist kein schlechtes Gesetz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.06.20

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Man weiß ja, dass ich und meine Fraktion Befürworter einer Ar­beitszeitflexibilisierung sind. Es kommt aber schon drauf an, wie man es macht, nicht? (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das Gesetz soll am 1.1.2019 in Kraft treten. Da fragt man sich, warum diese Hudelei nötig ist. Warum muss das partout heute im Anschluss an diese Sitzung in einen Aus­schuss? Warum kann man das nicht normal als Regierungsvorlage, die es ja de facto ist – das hat ja nicht Kollege Haubner privat geschrieben (Abg. Rosenkranz: Nein, nein!) –, in Begutachtung geben, der Öffentlichkeit sechs Wochen zur Verfügung stel­len, damit sich die Bürger, die betroffenen Organisationen und damit durchaus auch die Gewerkschaft zu Wort melden und sagen können, was sie daran finden?

Da kommen nämlich neue, unbestimmte Gesetzesbegriffe vor, die wir bis heute so nicht kennen: „leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnisse übertragen ist und deren gesamte Arbeitszeit auf Grund der besonderen Merkmale der Tätigkeit a) nicht gemessen bzw. im Voraus festgelegt wird“. – Das kennen wir bis jetzt nicht. So, wie es da steht, wird das neue Rechtsstreitigkeiten produzieren, daher rechtfertigt das durch­aus eine fundierte Begutachtung. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Und dann muss man ein Arbeitszeitgesetz ja wohl logischerweise dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuweisen und nicht dem Wirtschaftsausschuss. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.) Ich hätte mir da schon erwartet, dass sich die Mehrheitsfraktionen nicht zur billigen Durchwinkmaschine der Regierung machen und dass der Präsident im Sinne des Hauses den Üblichkeiten entsprechend vorgeht. Ich bin bitter enttäuscht vom mangelnden Selbstbewusstsein der Parlamentarier, das ich da in diesen Reihen feststelle. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

19.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Rosenkranz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.08.28

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Kollege Loacker, Ihre Vorhalte, das sei eine Regierungsvorlage, sind falsch! Ich muss mich da absolut vor die Abgeordneten


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der Regierungsfraktionen stellen, die in den letzten Tagen ganz massiven Zeiteinsatz und Hirnschmalz gezeigt haben – ob das Kollege Haubner ist, ob das Kollege Kasseg­ger ist (Zwischenruf bei der SPÖ), ob das Kollege Klinger, Kollegin Belakowitsch oder Kollege Wöginger ist.

Diese haben – und das ist es eben, das fehlt Ihnen noch ein bisschen in Ihrer Denke – selbstbewussten Parlamentarismus gemacht. Sie haben gesagt: Diesen Initiativantrag nehmen wir aus dem Parlament! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und ob Sie es glauben oder nicht, ich werde keine Sekunde länger schlafen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Loacker.) – Was ist los? Ja, sehen Sie, das ist halt so mit den Glau­bensfragen. Sie sind ja auch gegen den Religionsunterricht, da können Sie jetzt glau­ben, was Sie wollen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales: Wir haben angeboten, diese Materie in diesem Ausschuss zu verhandeln. Es gibt eine Ausschusssitzung, die sogar bereits vereinbart worden ist. Nur eines – was wir wollten –: Wir wollten der Opposition und allen anderen die Möglichkeit geben, ein Begutachtungsverfahren zu machen. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Ein Punkt war für uns ganz klar, nämlich dass wir dieses Gesetz in der Juli-Sitzung des Hauses beschlossen haben wollen, und davor - - (Abg. Wittmann: Diese Arroganz ist unerträglich!) – Ja, was unerträglich ist, Kollege Wittmann - - (Zwi­schenruf des Abg. Krainer.) – Kollege Krainer, Kollege Muchitsch hat vorhin von Bau­arbeitern und so weiter gesprochen (Zwischenruf bei der SPÖ): Die wissen wenigs­tens, was arbeiten ist. Denken Sie einmal darüber nach, was bei Ihnen überhaupt Ar­beiten ist, davon haben Sie nämlich keine Ahnung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Was Sie mit Ihrer Blockadepolitik, mit Ihrer absoluten Blockade zusammengebracht ha­ben (Zwischenruf des Abg. Krainer: ... was anderes kann die FPÖ nicht, keine Manie­ren!), ist, dass es wahrscheinlich, wie es aussieht, gar keine Begutachtung geben wird. Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und eines zur Frage der Begutachtung in zweieinhalb Wochen: Wenn der ÖGB we­nigstens mit seinem Sich-selbst-Abfeiern aufhören würde (Abg. Krainer: Immer nur un­terhalb der Gürtellinie!), sondern sich dieser Arbeit widmen könnte (Abg. Krainer: Wenn Ihnen die Argumente ausgehen, können Sie nur unter der Gürtellinie agieren!), dann hätten Sie sehr bald eine Begutachtung beieinander. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Kollege Jarolim, der Rechtsanwalt ist, schafft es nicht, einen Paragrafen durch­zuschauen – Pfiat di Gott Sozialdemokratie! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. –Zwischenrufe bei der SPÖ.)

19.10


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Sehr geehrte Abgeordnete! (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Bei allem Verständnis für Emotionalität bei diesem Thema bitte ich doch, Disziplin walten zu lassen, den Redner ausreden zu lassen und die Zwischenrufe et­was einzuschränken. Wir haben gesagt, dass wir der Würde des Hauses entsprechend handeln wollen (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Krainer: Sagen Sie das dem Red­ner!); dann bitte ich Sie auch, meine sehr geehrten Abgeordneten (Abg. Krainer: Belei­digend!), dementsprechend - - (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Jarolim: Der Rosenkranz ist keine moralische Größe, nur damit ...!)

19.11.31*****

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Jarolim, ich schließe mich dem Ordnungsruf Ihrer eigenen Präsidentin an und erteile Ihnen ebenfalls einen Ordnungsruf (Rufe bei der SPÖ: Wofür?!) für Ihr ständiges Zwischenrufen (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Loacker), wegen der permanenten Störungen, die Sie


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hier machen. (Zwischenruf des Abg. Wittmann. – Abg. Krainer: Das ist keine Begrün­dung! – Ruf bei der SPÖ: Das ist ein parlamentarisches Mittel!)

*****

Sehr geehrte Damen und Herren (Zwischenrufe bei der SPÖ), ich unterbreche die Sit­zung und bitte die Herren Klubobleute zu einer Stehpräsidiale.

*****

(Die Sitzung wird um 19.12 Uhr unterbrochen und um 19.15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und bitte den nächsten Redner, Herrn Abgeordneten Schieder, ans Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz. – Ruf: Künstliche Empörung Teil drei!)


19.15.34

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Zuschauer, die sich nun vielleicht fragen (Abg. Belakowitsch: Warum die sich so aufregen!), warum es so eine Aufregung gibt – wie Sie merken, versuche ich nun, meine Rede der Situation entsprechend ein bisschen abkühlend anzulegen; vielleicht beteiligen Sie sich auch an diesem Projekt, zu versuchen, die Sache inhaltlich hart, aber nicht immer nur laut schreiend durchzuführen –: Worum es uns als Sozialdemo­kratie geht, ist, dass gerade bei einer Gesetzesmaterie, die von so weitreichender Be­deutung ist, dass sie in das Arbeitsleben nahezu aller Österreicherinnen und Österrei­cher eingreift und eingreifen kann, der normale Weg – wie es hier im Haus normaler­weise, wenn Initiativanträge gestellt werden oder Regierungsvorlagen kommen, üblich ist – eingeschlagen wird. Das heißt, dass erstens an den passenden Ausschuss zuge­wiesen wird – das wäre der Arbeits- und Sozialausschuss – und zweitens zum nächst­möglichen Termin; dass also nicht versucht wird, noch eine nächtliche Wirtschaftsaus­schusssitzung einzuberufen, um dann zynisch zu sagen, dass man die ja nur macht, damit man begutachten kann.

Wenn man begutachten will und wenn man es ernst meint, dass man möglichst lange begutachten will, wie es Klubobmann Wöginger gesagt hat, dann nimmt man die nächste Sitzung des Sozialausschusses, beschließt dort mit der Regierungsmehrheit eine Begutachtung über die normal üblichen sechs Wochen und kann dann im Herbst mit der Gesetzesvorlage in veränderter oder unveränderter Form fortsetzen. Das ist einmal der formale Punkt, um den es uns geht.

Der inhaltliche Punkt ist natürlich gerade der, dass wir schon die Vermutung haben, dass der Motor für diese Vorgehensweise, die ganz extrem unüblich gewählt worden ist – durchpeitschend und ein schnelles Verfahren suchend –, ein bisschen das schlechte Gewissen war. (Abg. Belakowitsch: Bei euch war das die übliche!) Man weiß, dass man diese Vorlage schnell durch das Haus bringen muss, weil sich sonst vielleicht bei einer längeren Begutachtung herausstellt, was drinnen versteckt ist und welche negativen Auswirkungen diese Gesetzesvorlage auf das Leben der Arbeitneh­mer in unserem Land haben kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.) Das ist exakt der Punkt.


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Und wir fragen uns auch: Warum denn gerade der Wirtschaftsausschuss bei einer Maßnahme, die das Arbeitszeitgesetz betrifft? Warum denn der Wirtschaftsausschuss? Ist es vielleicht sogar ein bisschen eine Freud’sche Fehlleistung gewesen, dass man klargemacht hat, man wolle damit in den Wirtschaftsausschuss, weil mit dieser Vorlage ausschließlich den Interessen der Wirtschaft und nicht den Interessen der Arbeitneh­mer in diesem Land Rechnung getragen wird? (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist das Faktum, das uns inhaltlich sehr, sehr verärgert, das uns erzürnt – was im Parlament möglich sein soll –, daher habe ich nun versucht, in ganz normaler Art und Weise zu erklären: Diese Gesetzesmaterie und diese Vorgehensweise finden wir von vorne bis hinten nicht richtig. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

19.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeord­neter Stöger. – Bitte.


19.19.03

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich! Ich möchte an das anschließen, was Klubobmann Schieder gesagt hat: Wie geht man denn damit um? Wie geht man mit wichtigen Materien, die jeden Arbeitnehmer jeden Tag betreffen, in diesem Haus um?

Es wäre wirklich gut, wenn man die Methoden eines Rechtsstaates, einer Demokratie einhält, nämlich: Die Regierung macht eine Regierungsvorlage, macht einen Ministe­rialentwurf. Diese Regierung befragt die betroffenen Einrichtungen, dann hat man ei­nen qualitativ guten Entwurf.

Ich habe jetzt vor, ein paar Dinge einfach vorzulesen – das ist der Vorschlag, der hier gemacht wird –, § 4 Abs. 7 des Arbeitszeitgesetzes soll lauten: „Der Kollektivvertrag kann bei einer Arbeitszeitverteilung gemäß Abs. 4 und 6 eine mehrmalige“ – noch ein­mal für die Arbeitnehmer: mehrmalige! – „Übertragung von Zeitguthaben und Zeitschul­den in die nächsten Durchrechnungszeiträume zulassen.“ Wir haben Durchrechnungs­zeiträume bis zu einem Jahr. Die mehrmalige Übertragung kann heißen, mehrere Jah­re Zeitschulden und Zeitguthaben zu übertragen. Meine Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, dann bekommen Sie die Zuschläge nie ausgezahlt! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

§ 7 Abs. 1 lautet: „Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes darf die durchschnittli­che Wochenarbeitszeit unbeschadet der Bestimmungen des § 8 über die nach den §§ 3 bis 5 zulässige Dauer innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten.“ – Das ist die europäische Regelung. „Wöchentlich sind jedoch nicht mehr als zwanzig“ – ich wiederhole: „nicht mehr als zwanzig“! – „Überstunden zulässig. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten. Die Regelungen des § 9 Abs. 4 bleiben unberührt. [...]

7. In § 7 Abs. 5 letzter Satz sowie § 8 Abs. 1 und 2 wird jeweils das Wort ‚zehn‘ durch das Wort ‚zwölf‘ ersetzt.“ Das heißt, die tägliche Höchstarbeitszeit wird von 10 auf 12 Stunden erhöht. (Abg. Wöginger: Das stimmt ja nicht!) – Es steht in Ihrem Antrag. Das ist Ihr Antrag, ich lese Ihn nur vor. Die Arbeitnehmer können das lesen. (Ruf bei der FPÖ: Plan A! Das war im Plan A!)

„§ 7 Abs. 6 und 6a werden durch folgenden Abs. 6 ersetzt:

‚(6) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können Überstunden nach den § 7 und § 8 Abs. 2 aus überwiegenden persönlichen Interessen ablehnen, wenn durch diese Über­stunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden“ – bisher waren es acht – „oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden übersteigt.“ (Ruf bei der SPÖ: Das schau ich mir an!)


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„In § 9 Abs. 1 wird die Zahl [...] ‚50‘ durch die Zahl ‚60‘ ersetzt.“

Ich könnte das noch weiter fortsetzen. (Abg. Belakowitsch: Bitte nicht!) Das heißt am Ende, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Österreichs eine entgrenzte Ar­beitszeit haben und sich nicht mehr auf den 8-Stunden-Tag verlassen können. (Abg. Klinger: Das ist ja nicht wahr!) Das ist das, was Sie tun, und davor wollen wir sie schützen. Bei der Maßnahme, die Sie setzen, haben Sie ein schlechtes Gewissen. Sie haben dieses schlechte Gewissen zu Recht, weil Sie so vorgehen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Winzig: Wir haben kein schlechtes Gewissen, weil die Arbeitneh­mer das auch wollen!)

19.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Haubner. – Bitte.


19.23.29

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kol­leginnen und Kollegen! Herr Kollege Stöger, ich weise auf das Entschiedenste zurück, dass wir die Rechtsstaatlichkeit nicht einhalten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Stö­ger: Das habe ich ja nicht gesagt!) Kollege Schieder hat ja gemeint, man sollte das jetzt sachlich behandeln. Ich ersuche Sie, dass Sie das zurücknehmen! Wir haben mehrere Varianten angeboten, wie wir zu einer Begutachtung kommen können.

Ich möchte schon auch noch in der Sache anmerken – lieber Beppo, du weißt es –: Die Basis für dieses Papier ist die Sozialpartnereinigung, die ihr dann auf einmal verlassen habt. Das ist die Tatsache! Wir hätten das ja alles schon machen können, wenn ihr nicht damals aufgestanden wäret und den Tisch verlassen hättet. Das möchte ich auch einmal ganz klar festhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. –Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Ihr sprecht immer nur davon, dass Wirtschaft der Unternehmer ist. Wirtschaft sind aber Unternehmer und Arbeitnehmer gemeinsam. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir wollen einfach klare Regeln schaffen, die es den Unternehmern und den Arbeit­nehmern ermöglichen, auf einer gesetzlichen Basis Leistungen zu erbringen, die wir einfach für beide im Sinne eines gemeinsamen Ganzen brauchen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Deshalb sage ich es noch einmal: Wirtschaft sind Unternehmer und Arbeitneh­mer gemeinsam, unteilbar miteinander verbunden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Heinisch-Hosek. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.25.00

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich würde wieder einmal gerne die Frauenfrage stellen. Wo bleiben die Frauen, wenn Sie möglich machen, dass 60 Stunden Wochenarbeitszeit Wirklichkeit werden können, wir aber genau wissen, dass es ganz wenige Kindergärten gibt, die 10 Stunden am Tag of­fen haben? Es gibt ganz, ganz wenige, die auch über Nacht offen haben, in Kranken­anstalten und so weiter. 2 Prozent haben 10 Stunden am Tag offen, alle anderen ha­ben kürzer offen.

Wenn sich jetzt auch die Flexibilisierung, wie Sie sie positiv nennen, auf Frauen aus­wirkt, dann müssen wir uns die Negativauswirkungen anschauen, denn Frauen können sich das dann nicht aussuchen. Die können nur reduzieren oder zu arbeiten aufhören,


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wenn sich ein Betrieb dazu entschließt. Das geht sich nicht aus. Das ist das eine. Es ist nämlich nicht nur der Arbeitsplatz der Menschen, der hier betroffen ist, ich gehe weiter, wie Herr Klubobmann Schieder auch gemeint hat, es ist auch das Privatleben massiv betroffen, das Privatleben von Familien, das Privatleben von Menschen, die alleine mit ihren Kindern leben, ob das Frauen oder Männer sind, ist ja jetzt völlig egal.

Viele Frauen sind zum Beispiel im Gastgewerbe. Nur ein Blick hinein in diesen Initiativ­antrag: Die Ruhezeit wurde auf 8 Stunden gesenkt. Es ist kein leichter Job, im Gastge­werbe zu arbeiten. Eine Ruhezeit von 8 Stunden ist auch keine sehr noble Maßnahme, die Sie den Arbeitnehmerinnen zumuten. (Abg. Klinger: Das sind ja geteilte Arbeits­zeiten!)

Ich habe wirklich den Verdacht – und ich glaube, Sie teilen diese Ansicht –, dass Sie die Gesellschaft und das Bild, das Frauen in dieser Gesellschaft darstellen, auf Ihre Art und Weise zurechtrücken wollen: Geht ein bisschen oder gar nicht arbeiten, bleibt lie­ber bei den Kindern daheim, habt keine Möglichkeit, dass ihr Karriere macht! Diese Flexibilisierung heißt in Wirklichkeit, 12 Stunden am Tag, 60 Stunden in der Woche, sechsmal in der Woche – auch an Samstagen ist das möglich – zu arbeiten. Das ist ein Anschlag auf die Frauen, auf die Alleinerziehenden, die dann nicht einmal etwas vom Familienbonus haben, um noch einmal das Thema zu bemühen, weil sie keine Arbeit mehr haben und daher keine Gutschriften mehr bekommen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

19.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schwarz. – Frau Abgeordnete, bitte.


19.27.44

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin! Aus einem Land der PendlerInnen kommend sehe ich das naturgemäß ein bisschen anders als Sie, denn ich sehe nicht nur die Risiken, sondern ich sehe auch die unheimlichen Chancen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wenn eine Frau aus dem Burgenland tagtäglich eine Anfahrt aus dem Bezirk Oberwart nach Wien in Kauf nimmt, glauben Sie mir, dann ist sie froh darüber, wenn Sie das nur vier Tage in der Woche machen muss. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Außerdem bietet es für Familien wesentlich mehr Chancen, sich die Kinderbetreuung zu teilen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sowohl die Männer als auch die Frauen können nämlich auf diese 4-Tage-Woche zurückgreifen. Es ist wesentlich besser, das Fami­lienleben darauf auszurichten.

75 Prozent der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer sprechen sich für eine Flexi­bilisierung der Arbeitszeiten aus. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. So­botka: Polizistinnen!) Das ist der springende Punkt, das ist die Chance. Ich rede von PolizistInnen, von ÄrztInnen, von Krankenschwestern, denen dieses Modell sehr wohl zugutekommt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie tun immer so, als gäbe es keine Alternative. Selbstverständlich besteht das Ableh­nungsrecht, das bleibt ja so, das ist ja vollkommen klar. Wenn die Kinderbetreuung es erfordert, kann jede Arbeitnehmerin, jeder Arbeitnehmer das ablehnen. (Abg. Kuntzl: Dann ist der Job halt weg!) Und selbstverständlich – das kommt nämlich bei Ihnen auch nicht vor – werden Überstunden bezahlt. Sie tun immer so, als würden wir den Menschen etwas wegnehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Wir geben ihnen die Chance, ihr Familienleben flexibler zu gestalten, auf die in-


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dividuellen Wünsche einzugehen. Wir sehen dieses Modell als Chance. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe der Abgeordneten Sobotka und Rosenkranz.)

19.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Rossmann. – Bitte. (Oje-Rufe bei ÖVP und FPÖ.)


19.29.53

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin, können Sie bitte die Abgeordneten der FPÖ und der ÖVP fragen, ob dieses Verhalten, das sie soeben an den Tag gelegt haben, als ich hier hergekommen bin, dem Respekt und der Würde die­ses Hauses entspricht? (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. –Bundesminister Hofer: Sagt der Hitler-Vergleicher!)

Herr Haubner, Sie haben behauptet, dass uns mehrere Varianten angeboten wurden. Ich wurde heute Nachmittag durch meinen Mitarbeiter über den ÖVP-Klub darüber in­formiert, dass am 2. Juli ein Wirtschaftsausschuss angesetzt werden soll, in dem diese Materie, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, behandelt werden soll. Das sei quasi ein Angebot, weil dadurch eine zweiwöchige Ausschussbegutachtung ermöglicht werden würde. Von mehreren Varianten ist da also überhaupt keine Rede, zumindest bei un­serer Fraktion ist das nicht angelangt. (Abg. Wöginger: Kollege Zinggl war dabei! Dann müsst ihr miteinander reden!) – Na ja, gut, dann hat der Präsident halt etwas an­deres entschieden. Herr Präsident Sobotka hat sich dann im Anschluss daran dafür entschieden, den Wünschen der Regierung entgegenzukommen, und hat damit eine seriöse parlamentarische Behandlung blockiert. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Haubner, ich sage Ihnen aber weiters: Wenn Sie hier sagen, die Wirtschaft, das sind die Arbeitnehmer und die Wirtschaft gemeinsam - - (Abg. Winzig: Die Unterneh­men! Das ist nicht das Gleiche!) – Die Unternehmen, na gut. Die Unternehmen und die Wirtschaft werden dann gerne unter einen Hut gebracht. Das mündet dann ganz gerne in den Spruch, den wir alle kennen: Geht’s der Wirtschaft gut – also in Ihrem Fall: geht’s den Unternehmen gut –, geht’s uns allen gut. Ich teile das nicht, ich teile das überhaupt nicht, denn das ist lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Be­dingung.

Ich möchte daran erinnern, dass es Zeiten gegeben hat, als in der Tat der Wirt­schaftsausschuss und der Ausschuss für Arbeit und Soziales zusammengelegt wur­den. Aus gutem Grunde gibt es das heute nicht mehr. Ich habe Verständnis dafür. (In Richtung Abg. Sobotka, der seine Augen geschlossen hat:) Herr Kollege Sobotka, viel­leicht sollten Sie mir auch ein bisschen zuhören! Aus gutem Grund sind diese beiden Ausschüsse getrennt. Ich weiß schon, dass es den Wunsch der Wirtschaftsbosse gibt und Sie diesem Wunsch hier nachkommen, damit die Arbeitszeitflexibilisierung rasch vorangetrieben werden kann.

Ich sage Ihnen aber, was wir haben wollen und was sinnvoll ist: Geben wir diese Sa­che in den Ausschuss, in den sie gehört! Ich habe kein Verständnis dafür, dass Sie diese Materie noch vor dem Sommer durch das Parlament peitschen wollen. Machen wir eine Regierungsvorlage, einen Ministerialentwurf mit einer Begutachtung von sechs Monaten! (Abg. Wöginger: Warum müssen wir jetzt eine Regierungsvorlage ma­chen?) – Das ist eine wichtige Materie, die mehrere Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande betrifft. Und danach treffen wir in diesem Haus eine Entscheidung, aber diese Ho-ruck-Aktion, die hier geplant ist, lehne ich ab. Das ist in Wirklichkeit ein Skandal auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

19.33



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 184

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kucher. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Jessas na!)


19.33.30

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin jetzt noch nicht unbedingt eine Ewigkeit im Parlament; es ist meine zweite Legislaturperiode, es sind jetzt fünf Jahre. (In Richtung des abgewandt sitzenden Abg. Sobotka:) Herr Prä­sident Sobotka, wenn Sie kurz - - (Abg. Sobotka – weiterhin abgewandt, auf sein Ohr deutend –: Ich habe das Ohr da!) – Ach so, weil Sie nach hinten schauen! Entschuldi­gung, ich habe mir gedacht, es geht um eine Vorbildwirkung. Man schaut sich gegen­seitig an, wenn man miteinander redet. Gut! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Präsident, ich kenne Sie wirklich nicht persönlich und ich weiß, dass die Debatten rund um Sie oft emotional sind. Ich persönlich war wirklich so naiv und wollte Ihnen irgendwie die Chance geben und habe gedacht: Irgendwann werden Sie in Ihre Rolle hineinfinden. Es gibt dann so Debatten, wie wir sie heute erlebt haben, wo alles sehr emotional ist, wo es irgendwie rundgeht. Das Schöne im Parlament war immer – und das sage ich eher noch als Neuling –, dass es dann Menschen gegeben hat, die sich zusammengestellt haben und gesagt haben: Finden wir gemeinsam eine Lösung!

Ich war wirklich so naiv und habe mir gedacht: Wenn man da jetzt klammheimlich ver­sucht, ein derartig schwerwiegendes Gesetz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchs Parlament zu peitschen, mit einer verkürzten Begutachtungsfrist, das dramatische Aus­wirkungen auf das Leben von Menschen hat, wobei niemand hier noch die Zeit gehabt hat, das Ganze zu studieren, werden Sie aufstehen und sagen: Jahrelang ist das im­mer hier im Parlament im Ausschuss für Arbeit und Soziales behandelt worden, wir machen das weiter so; so nicht, liebe Regierung! – Seien Sie selbstbewusst! Diesen Weg haben Sie leider nicht beschritten. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Sie sind jetzt hier gesessen – Sie dürfen Ihre Meinung haben – und haben in einer Art und Weise mit Begeisterung geklatscht, gerade dass Sie nicht gejohlt und gejubelt ha­ben. Herr Präsident, ich bin wirklich von Ihnen persönlich schwerstens enttäuscht, dass Sie nicht diese Ruhe hineingebracht haben.

All diese Debatten, dass alle Menschen sich aussuchen können, ob sie 12 Stunden ar­beiten wollen oder nicht: Ich habe fast dabei geweint, als ich das Video von dieser Ver­käuferin gesehen habe, die H.-C. Strache erzählt hat, wie sie nach einem harten Ar­beitstag nach Hause kommt und noch putzen, einkaufen gehen, sich um die Kinder kümmern muss. Strache sagt dann original zu ihr: Jeder Arbeitgeber der Welt wird Ver­ständnis dafür haben, dass Sie früher nach Hause müssen und nicht arbeiten wollen. Das ist weltfremd! Es gibt Schicksale von Menschen, die könnt ihr euch alle nicht vor­stellen. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, dann weiß man, was in Ös­terreich abgeht.

Die Gewerkschaften außen vor zu lassen, derart schwerwiegend in das Leben von Menschen einzugreifen und einen Präsidenten zu haben, der dazu sagt: Peitschen wir das Ganze in der Nacht durch! – es ist unglaublich, was hier heute im Parlament pas­siert ist. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Ich bin schwerstens enttäuscht von Ihnen, Herr Präsident, und vor allem von den vielen Kollegen aus der FPÖ. Ich weiß, dass ihr selber genau wisst, was heute abgeht. Das ist nicht eure Meinung, das ist leider die ÖVP-Politik. Mahrer jubelt heute schon mit Inseraten, die komischerweise vorbereitet sind. Es ist unglaublich, was heute passiert ist! (Neuerlicher Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

19.36

19.36.09



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 185

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen oder einer der Berichterstatter ein Schluss­wort? – Das ist nicht der Fall.

Daher kommen wir nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, den vorliegenden Bericht III-98 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „angekündigte Reparatur des Budgetbegleitgesetzes im Bereich Strafen gegen Meldevergehen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 161 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 162 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 163 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Fortführung der Aus­bildungsgarantie für Jugendliche bis 25 Jahre, als Mittel aktiver Arbeitsmarktpolitik“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit und somit nicht angenommen.

19.38.3613. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (146 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (29. StVO-Novelle) (174 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir gelangen zum 13. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 186

19.39.04

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht jetzt um ein ganz anderes Thema, es geht um die Pannenstreifenfreigabe, wie es die Re­gierung formuliert. Es ist eine Novelle, die den Bundesminister ermächtigen soll, eine Pannenstreifenfreigabe zu ermöglichen, nicht, wie ursprünglich gedacht, temporär auf der Ost Autobahn, sondern auf allen Autobahnen in ganz Österreich. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, was ich davon halte: Es ist eine populistische Maßnahme, die eigentlich nur von den wirklichen Themen ablenken soll, die wir in der Verkehrspolitik brauchen. Es geht hier um Aktionen.

Warum sage ich das? – Ich sage das deshalb, weil der Bundesminister schon jetzt die Möglichkeit hat – es gibt übrigens Pannenstreifen in Österreich, die befahren werden –, einen Fahrstreifen zum Pannenstreifen oder eben zur Fahrbahn zu erklären, das kann er tun. Auch die Definition, was eine Autobahn ist, fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers, insofern bräuchte man das nicht zu tun.

Zweitens: Der ÖAMTC, der ja keine sozialdemokratische Einrichtung ist, sagt, dass das nur sehr beschränkt möglich ist, dass nur 1 Prozent der Richtungsfahrbahnen technisch dazu geeignet sind, befahren zu werden.

Zum Dritten: Dieser Gesetzentwurf ist legistisch, sagen wir es freundlich, nicht sehr gut vorbereitet, weil er viel zu unbestimmt gehalten ist, weil nicht geregelt wird, mit welchen Geschwindigkeiten man dann fahren kann, und man nicht weiß, ob das einen Unter­schied macht oder nicht.

Ich würde bitten: Man könnte erstens zurück an den Start gehen und das qualifiziert machen, vielleicht auch den ÖAMTC einbeziehen, die haben da gute Erfahrungen. Ich hätte praktischerweise – was rechtlich möglich ist – das Instrument genutzt, einen Verkehrsversuch zu machen, um dort, wo es möglich ist, Erfahrungen zu sammeln und dann hier im Parlament dem Plenum eine geeignete Regelung vorzuschlagen. In die­sem Sinn werden wir keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hafen­ecker zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.41.41

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Kollege Stöger, man muss nicht alles immer auf einer ideologi­schen Ebene diskutieren. Das ist kein Populismus, sondern das ist schlicht und er­greifend eine Maßnahme, die den Pendlern das tägliche Leben vereinfachen soll (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), die einfach sicherstellen soll, dass Autobahnen zu Spitzen­zeiten leistungsfähiger sind, damit es eben genau nicht dazu kommt, dass es, wie wir es jetzt zum Beispiel auf der A 4 immer wieder erleben, Auffahrunfälle gibt, weil es Staus gibt, sondern dass dieser Verkehr schnell abfließen kann. Es ist nicht immer al­les Ideologie. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Stöger, analysieren wir die ganze Sache! Man kann damit CO2 sparen, man kann damit sicherstellen, dass der Verkehr flüssiger ist, und wir folgen auch Best-Practice-Beispielen. Es gibt diese Regelung bereits in Deutschland, England, in den Niederlanden und in der Schweiz. Es ist eine gute Sache, etwas, das wir im Regie­rungsprogramm festgelegt haben, etwas, worüber wir gesagt haben, das wollen wir rasch umsetzen.

Eines möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Kollege Stöger: Sie widersprechen sich! Wir haben gerade vorher das Stichwort selbstbewusstes Parlament gehört. Natürlich ist es


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gut, wenn wir über diese Sache hier im Parlament sprechen und der Herr Minister kei­nen Alleingang macht. Ich möchte mich in diesem Sinne auch beim Herrn Minister Hofer dafür bedanken, dass wir heute diese kurze Debatte dazu führen dürfen, und vor allem, dass wir im Sinne der Pendler eine rasche Umsetzung bekommen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hofer. – Bitte, Herr Bundesminister.


19.43.08

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Ich bin sehr froh darüber, dass wir nach einer sehr emotionalen Debatte, die sehr ideologisch war, auf ein Thema kommen, das, meine ich, sehr sachlich besprochen werden kann. Ich bin übrigens vorher fast Gefahr gelaufen, von der Frau Präsidentin einen Ordnungsruf zu bekommen, weil eben die Emotionen so hochgegangen sind.

Pannenstreifen – also die Frage ist einfach: Können wir es schaffen, dass wir an Hot­spots in Österreich, also dort, wo sehr oft Staus entstehen, in ganz bestimmten Situa­tionen den Pannenstreifen freigeben? Ich glaube, es würde Sinn machen.

Wir beginnen nun im Bereich der Ost Autobahn, dann, wenn sich ein Stau bildet, die­sen Pannenstreifen freizugeben. Wie funktioniert das? – Die Verkehrskamera stellt fest: Es droht sich ein Stau zu bilden. Dann prüfen wir: Ist der Pannenstreifen frei? Dann fährt der Traffic Manager noch einmal durch, und dann wird der Pannenstreifen als weitere Fahrspur freigegeben.

Die Bedenken, die der ÖAMTC hatte, dass wir aufgrund dieser Maßnahme Investi­tionen in die Straße nicht mehr freigeben würden, sind wirklich nicht gerechtfertigt. Ich habe auch im Gespräch mit dem ÖAMTC klargemacht, dass wir natürlich weiterhin in die Straße investieren. Wir investieren in den nächsten fünf Jahren 8 Milliarden Euro in den Straßenausbau, in Schnellstraßen und in Autobahnen, und wirklich nur dort, wo es Hotspots gibt, jetzt auf der A 4, werden wir den Pannenstreifen freigeben.

Es gibt Kritik, ich verstehe das vollkommen, aber bitte geben Sie uns die Chance, die­ses Modell zu testen, zu schauen, ob es funktioniert! Ich bin fest davon überzeugt, dass jene, die dann auf der A 4 nicht mehr im Stau stehen werden, davon profitieren werden.

Eines noch: Mir wurde vorgeschlagen, dass wir im Rahmen der Ratspräsidentschaft Österreichs danach trachten müssten, dass die Spitzen der Politik auf europäischer Ebene und in Österreich schnell zum Flughafen gelangen. Mir wurde gesagt, dass es klug wäre, einen Fahrstreifen für die Politik zu reservieren. Ich habe gemeint, dass das eine interessante Idee ist, die sicherstellt, dass ich nie mehr gewählt werde (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ), und dass es besser wäre, den anderen Weg zu gehen und im Fall eines Staus den Pannenstreifen freizugeben. Ich hoffe, das gelingt. Falls das nicht gelingt, werden wir das Modell wieder einstellen.

Aber ich sage noch einmal: In anderen Ländern ist das wirklich ein Modell, das sich sehr, sehr bewährt hat. Warum soll es in Österreich nicht funktionieren? Wir haben die­sen Streifen, er hat viel Geld gekostet, er ist meistens leer. Bedenken Sie: 70 Prozent aller Pannenstreifen in Österreich sind breiter als 2,5 Meter! Wir können das also in ganz gewissen Bereichen in Österreich umsetzen. Geben Sie uns bitte die Chance, das zu testen, und ich hoffe, dass es wirklich funktioniert. – Besten Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.46



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 188

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Herr Minister.

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Keck zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abge­ordneter.


19.46.56

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Du hast gesagt, 70 Prozent aller Pannenstreifen in Österreich sind breiter als 2,5 Meter. Ich fahre irrsinnig viel in Österreich herum und muss sagen, das stimmt nicht. Ich denke, du weißt das genauso gut wie ich. Vielmehr sind – und ich sage das, was Verkehrs­klubs und andere Institutionen sagen – vermutlich weniger als 1 Prozent ausreichend ausgebaut, um diese Pannenstreifenfreigabe machen zu können. Das ist keine Aussa­ge von mir, das sagen Arbö, ÖAMTC, alle miteinander. Das sind auch nicht meine Zah­len, sondern Zahlen von Institutionen, denen man vertrauen kann.

Die klassischen Staustrecken, die wir in den städtischen Bereichen haben, haben in der Regel sowieso keine Pannenstreifen oder so kleine, dass man dort gar nichts ma­chen kann, wenn ich nur an die A 7, die Linzer Autobahn, denke. Da ist es wirklich sehr, sehr eng, dort kann man das nicht machen. Und die Abfolgen der Anschluss­stellen liegen schon so eng beisammen, dass es extrem viele Verzögerungsstreifen und so weiter geben muss.

Ich gebe dir recht, man kann etwas versuchen, aber im Ausschuss hast du gesagt, wir haben drei Strecken – das ist die Flughafenautobahn beziehungsweise die Ost Auto­bahn, das ist Wallersee und das ist Innsbruck bis Zirl –, drei Strecken, wo man es machen könnte. Wenn man es bei diesen drei Strecken macht, braucht man kein Ge­setz dazu. Man kann ja dort eine Testphase initiieren und sich das Ganze über Test­phasen anschauen. Da braucht man keine Gesetzesänderung, weil es laut den Bestim­mungen des § 34 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung geradezu prototypisch ist, die­ses Vorhaben dort umzusetzen.

Ich weiß nicht, wieso wir für nur eine Testphase, wie du es jetzt gesagt hast, Herr Minister, auf der Ost Autobahn dieses Gesetz beschließen sollen. Machen wir das doch im Rahmen einer Testphase, schauen wir uns das auf der Flughafenautobahn mit einer Testphase an! Wenn es dort funktioniert, kann man eine zweite und eine dritte, wie es im Ausschuss von dir gekommen ist, einführen, und wenn das erfolgreich ist, dann kann man es ja per Gesetz festlegen.

Alles in dieser jetzigen Vorlage ist etwas schwammig gehalten, zum Beispiel sind die ermächtigten Organe des Straßenerhalters viel zu unbestimmt gehalten. Wer legt denn fest, wie hoch die Geschwindigkeit am Pannenstreifen ist? Wer legt denn fest, wie hoch die Geschwindigkeit auf den anderen Fahrstreifen ist? All das ist da nicht drinnen, und ich denke, es wird zu vielen Problemen kommen. Die Prüfung der Freigabe der Pannenstreifen durch ein Organ des Straßenerhalters, sprich der Asfinag, erfolgt ohne jeglichen gesetzlichen Orientierungsmaßstab. Das heißt, da ist sehr viel offen!

Ich habe daher folgende Bitte: Machen wir dieses Gesetz jetzt nicht, sondern beginnen wir mit Testphasen, wie du es gesagt hast! Starten wir mit Testphasen auf der Ost Au­tobahn, auf der Flughafenautobahn, und nehmen wir dann, wenn es dort erfolgreich läuft, die anderen zwei Strecken dazu! Wenn es dann wirklich funktioniert, kann man sagen: Okay, wir können ein Gesetz verabschieden, in dem alle Punkte enthalten sind, wo alles eindeutig geklärt ist, sodass das Ganze dann wirklich für ganz Österreich funktionieren könnte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Keck reicht – das Rednerpult verlas­send – Bundesminister Hofer die Hand.)

19.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Ottenschläger zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 189

19.50.03

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest – ich hoffe, ich interpretiere das richtig –, die SPÖ ist grundsätzlich eh dafür, aber sie findet den Weg, so wie wir ihn jetzt beschreiten, nicht richtig. Ich sage Ihnen, am Ende des Tages ist das Entscheidende, dass etwas weitergeht und dass es für die Pendlerinnen und Pendler, die tagtäglich zu ihren Arbeitsplätzen fahren, für die Unternehmer, die mit dem Auto unterwegs sind, für die Familien, die auf Urlaub fahren, eine spürbare Verbesse­rung gibt. Ob man das als Testphase macht oder so, wie wir jetzt diesen Weg be­schreiten, mit einer Ermächtigung, ist, finde ich, für die Bürgerinnen und Bürger nicht von großer Relevanz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Worum geht es da noch ganz allgemein gesagt? – Es geht auch darum, dass wir vor allem schon bestehende Infrastrukturen bestmöglich nutzen. Wie es der Herr Bundes­minister beschrieben hat, gibt es Streckenabschnitte, wo dies möglich sein wird, wo wir breite Pannenstreifen haben, wo diese Streckenerweiterung sozusagen durchaus Sinn machen kann. Wir werden relativ bald sehen, ob das funktioniert.

Einen Satz möchte ich noch hinzufügen, weil die fehlenden Angaben oder Rahmenbe­dingungen zur Geschwindigkeit kritisiert werden. Ich glaube, es gibt kaum bessere Pro­fis als den sogenannten Straßenerhalter, nämlich die Asfinag. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Wenn sich ein Stau bildet, wissen die Leute von der Asfinag dank technischer Tools genau, welche Geschwindigkeit die ideale wäre, einerseits was den Durchfluss auf der Autobahn betrifft, auf der anderen Seite auch was die Verkehrssicherheit be­trifft. Also ich glaube, das ist in guten Händen, und wir werden sehen, dass das funk­tioniert.

Meine Damen und Herren, weil wir bei den Themen Straße und Verkehr sind, sei mir gestattet, aus Anlass der Diskussionen der letzten Wochen auch ein paar Worte zur Verkehrspolitik hier in Wien beziehungsweise in der gesamten Ostregion zu sagen: Ich hoffe sehr auf Ihren Einsatz, Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, dass wir es endlich schaffen, das wichtige Infrastrukturprojekt Lobautunnel über die Bühne zu bringen. Das betrifft nicht nur Wien, sondern das betrifft wirklich die gesamte Ost­region. Das ist ein wesentlicher Punkt, den wir jetzt endlich angehen müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stöger.)

Zum Abschluss möchte auch ich mich beim Herrn Bundesminister bedanken. Ich glau­be, wir machen viele gute, positive Schritte in der Verkehrspolitik. Einen kleinen, aber wichtigen Schritt machen wir jetzt, und ich bin zuversichtlich, dass wir auch im Aus­schuss in den kommenden Monaten weitere positive Schritte für die Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger machen werden. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Androsch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.53.18

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist wichtig und richtig, sich damit zu beschäftigen, welche Hotspots es im Verkehr gibt. Wenn Sie die Radiomeldungen tagaus, tagein hören, wissen Sie, dass es eine Reihe von Stauschwerpunkten gibt, die natürlich den Pendlerinnen und Pendlern und den Verkehrsbenützern, den Straßenbenützern große Schwierigkeiten machen. Damit muss man sich auseinandersetzen – das ist kein Thema –, aber dabei gibt es mehrere Aspekte zu betrachten.


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So muss man sich auf der einen Seite bauliche Maßnahmen überlegen. Diese sind sehr, sehr wichtig, um mit zusätzlichen Fahrspuren und Fahrstreifen dauerhaft die Möglichkeit der Entlastung zu schaffen. Auf der anderen Seite muss man sich auch im öffentlichen Verkehr Gedanken darüber machen, welches Verkehrsnetz angeboten werden soll, welches Verkehrsnetz es in Zukunft geben soll, zu welchen Preisbedin­gungen, etwa mit günstigen Jahrestickets, wie sie jetzt im Zusammenhang mit der Ost­region diskutiert werden. Das kann und soll Motivation bringen, vom Individualverkehr wegzukommen, vom Auto, das letzten Endes den Stau verursacht, hin zum öffentli­chen Verkehr. Das wären gute und wichtige Ansätze in der Verkehrspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich gestehe Ihnen zu, Sie haben sich darüber Ge­danken gemacht, das sehe ich auch so. Wenn ich jetzt höre, dass das aus Ihrer Sicht theoretisch auf 70 Prozent der Pannenstreifen in Österreich möglich wäre – das haben Sie selbst gesagt –, dann widerspricht das doch etwas den Informationen, die wir im Verkehrsausschuss bekommen haben, denn dort haben wir von wesentlich weniger Strecken gesprochen, und das bereitet mir etwas Sorge. Ich bin deswegen besorgt, weil ich glaube, dass es nicht notwendig oder nicht machbar ist, das auf 70 Prozent auszudehnen, aber das werden wir mit der Zeit sehen.

Sie haben davon gesprochen, dass es einen Verkehrsversuch geben soll, und genau diese Möglichkeit, Herr Bundesminister, bietet Ihnen die Straßenverkehrsordnung schon in der jetzt geltenden Fassung. Diese Möglichkeit haben Sie, die hätten Sie auch schon in den vergangenen Monaten nutzen können, die können Sie aber auch in Zu­kunft nutzen. Sie müssen sich ja nicht auf nur eine Teststrecke beschränken, es schreibt ja die Straßenverkehrsordnung nicht vor, dass Sie nur eine einrichten dürfen, sondern Sie können ja im Zuge eines Versuchs mehrere einrichten. Nach einer Eva­luierung sehen wir dann, was die Notwendigkeiten sind, und können hier ein ordent­liches Gesetz vorbereiten.

Mir geht es vor allem um die Verkehrssicherheit, nicht nur um die Leichtigkeit und Flüs­sigkeit des Verkehrs, sondern vor allem um die Verkehrssicherheit aller Teilnehmer. Sie wissen ja, dass der Pannenstreifen eine ganz wesentliche Rolle spielt, und das ist mir besonders wichtig. Daher würde ich Sie ersuchen, den § 34 der Straßenverkehrs­ordnung in Anspruch zu nehmen und einen entsprechenden Verkehrsversuch oder zwei oder drei einzurichten, diese zu evaluieren und sich die Ergebnisse anzusehen.

Herr Kollege Ottenschläger, zum Thema Lobautunnel möchte ich nur sagen, da gibt es schon Vorarbeiten vonseiten der Sozialdemokratie und des damaligen Bundesminis­ters Alois Stöger. Wir stehen nicht im Wege, wenn es darum geht, diese Dinge zu tun. Ich glaube, dass diesbezüglich in Zukunft viele Maßnahmen gesetzt werden können. Wir brauchen dieses Gesetz in dieser Form zurzeit nicht; vielleicht in Zukunft – das weiß ich nicht, das will ich nicht abstreiten –, aber jetzt im Moment sehe ich hier eher einen populistischen als einen notwendigen Ansatz. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Pewny zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.56.25

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Worum geht es bei der temporären Pannenstreifenfreigabe eigentlich? Es handelt sich um ein international bewährtes Mittel, um die Leistungsfähigkeit von hochbelasteten Autobahnabschnitten wesentlich zu verbessern.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 191

So wird die temporäre Pannenstreifenfreigabe auch in Deutschland, England, den Nie­derlanden und in der Schweiz bereits erfolgreich genutzt. Der Vorteil der temporären Pannenstreifenfreigabe liegt darin, dass die Erhöhung der Anzahl der Fahrstreifen ohne eine aufwendige und teure Verbreiterung der Fahrbahn ermöglicht wird und da­durch die Leistungsfähigkeit wesentlich erhöht werden kann. Dadurch werden die Leichtigkeit, die Flüssigkeit und die Sicherheit des Verkehrs wesentlich erhöht, da es zu einer Reduzierung von Staubildungen und infolgedessen zu einer Reduktion von Auffahrunfällen kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da ich mit meiner Familie sehr oft nach Re­gensburg fahre, um meine Schwiegereltern zu besuchen (Zwischenruf des Abg. Vogl), habe ich mir bereits ein Bild von den positiven Auswirkungen der temporären Pannen­streifenfreigabe im Großraum München machen können. Dort wird die temporäre Pannenstreifenfreigabe auf der A 99 sowie auf der A 9 erfolgreich umgesetzt. Früher gab es extrem lange Staus – und Sie wissen, wie Kinder auf der Rücksitzbank reagie­ren, wenn man im Stau steht – und viele Verkehrsunfälle auf dieser Strecke, doch seit der Umstellung habe ich dort keinen einzigen Stau mehr erlebt. Der Verkehr ist flüssig und es passieren wesentlich weniger Unfälle. Jedes Mal, wenn ich dort vorbeigekom­men bin, habe ich mir gedacht: Warum kann man das nicht endlich auch in Österreich umsetzen?

Nun ist es so weit, es wird in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen. Auch als Fahrschulinhaber bin ich sehr froh darüber, denn dann kann ich es meinen Fahrschü­lern leichter beibringen. Das ist der Sinn und Zweck der Novelle, und ich halte sie absolut nicht für populistisch. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Singer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.58.58

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Eines der wichtigsten Ziele der Verkehrspolitik ist es, den Verkehr möglichst flüssig zu gestalten. Daher ist jede Maßnahme, die der Flüssigkeit des Verkehrs dient, eine sinnvolle. Themen wie Umweltschutz, Sicherheit oder auch Zeitressourcen spielen bei dieser Frage eine wichtige Rolle. Mit der temporären Frei­gabe des Pannenstreifens schaffen wir die Möglichkeit, bestimmte Autobahnabschnitte während der Stoßzeiten zu entlasten. Dadurch leisten wir einen Beitrag zur Vermei­dung von Staus.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon angesprochen wurde, ist das keine öster­reichische Erfindung, die Pannenstreifenfreigabe wird beispielsweise in Deutschland, in der Schweiz und in den Niederlanden bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert.

Ein erster Schritt zur Umsetzung einer möglichen punktuellen Pannenstreifenfreigabe war die Einführung der Rettungsgasse. Damit wurde sozusagen ein neuer Weg für Ein­satzfahrzeuge zum Unfallort geschaffen. Wenn man so will, realisieren wir nun also die Möglichkeit, die wir aus der Einführung der Rettungsgasse generiert haben. Dabei geht es primär um eine effiziente und nachhaltige Nutzung unserer bestehenden Ressour­cen. Auch das ist bereits angesprochen worden. Die Pannenstreifen sind nämlich schon vorhanden. Gleichzeitig zeigen Erfahrungswerte aus dem Ausland, dass auch die Verkehrssicherheit entsprechend gestärkt wird. Ich denke da an die Verminderung von Auffahrunfällen.

Was ist das Ziel? – Wir wollen keine Staus produzieren, sondern den Straßennutze­rinnen und -nutzern effiziente Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen. Ich darf Sie


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 192

daher alle einladen, dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben. Er hilft, punktuell Staus zu vermeiden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Hofer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


20.01.22

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es wurde dankenswerter­weise jetzt auch in dieser Diskussion der Lobautunnel angesprochen. Ich möchte eines klarlegen: Diese Investition soll Wien entlasten und nicht belasten. Mir ist aber ein klares Bekenntnis der Stadt Wien, dass man diesen Tunnel auch wirklich haben will, wichtig. Es sind Milliarden, die wir investieren. Wenn die verantwortliche Verkehrs­stadträtin und Vizebürgermeisterin sagt, sie will diesen Tunnel nicht, dann muss ich mir als Minister überlegen, ob ich diese Milliarden in anderen Bundesländern investieren kann.

Minister Stöger, Minister Leichtfried, Sie wissen, wie es ist: Es kommen jede Woche Landesräte, Landeshauptleute, die uns sagen, was alles in den Bundesländern passie­ren soll, welche Straßen wir bauen sollen, und das meiste davon ist gerechtfertigt. Ich versuche und Sie haben versucht, den Interessen der Bundesländer gerecht zu wer­den, aber eines mache ich sicher nicht: gegen den Willen eines Bundeslandes Milliar­den zu investieren. Wenn sich also Wien gegen den Lobautunnel entscheidet, nehme ich das zur Kenntnis und investiere diese Milliarden in einem anderen Bundesland. Das war es, was ich klar gesagt habe. Ich bin der Meinung, dass Wien diesen Tunnel braucht, aber wenn sich Wien entscheidet, diese Koalition mit den Grünen weiter auf­rechtzuerhalten, die dazu führt, dass es eine Vizebürgermeisterin gibt, die diesen Tun­nel nicht haben will: Tausend Rosen! Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Nie­derösterreich (Ruf: Steiermark!), Steiermark, sie alle wollen und brauchen diese finan­ziellen Mittel für die Straßen in ihren Bundesländern! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eines ist mir auch wichtig: Wir investieren richtigerweise jedes Jahr in Wien 78 Millio­nen Euro in den U-Bahn-Ausbau. Wien braucht diese U-Bahn. Auch wir, die wir aus den Bundesländern stammen und Wien besuchen, fahren mit der U-Bahn und brau­chen diese U-Bahn. Die Zeiten haben sich aber verändert. Heute haben Graz, Linz, Salzburg ähnliche Probleme. Da gibt es nicht nur zu den Tagesrandzeiten, sondern den ganzen Tag über Probleme mit dem Stau. Das heißt, als Bund müssen wir versu­chen, auch diesen Städten zu helfen. Deswegen habe ich den Vorschlag eingebracht, einen Budgettopf sicherzustellen – 60, 70 Millionen Euro –, der für diese Ballungsräu­me reserviert ist, und uns vorzunehmen, jedes Jahr in Graz – ich weiß nicht – 10 Mil­lionen, in Linz 12 Millionen und so weiter und so fort in den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel zu investieren, wenn gewisse Voraussetzungen eingehalten werden. Das heißt zum Beispiel, es muss dekarbonisiert sein. Es müssen diese öffentlichen Verkehrsmittel auch das Umland miteinbinden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dieser Leistung als Bund wesentlich dazu beitragen können, die Verkehrsprobleme in den Ballungsräumen in ganz Österreich zu lösen.

Das heißt, noch einmal: Die Mittel, die wir in Wien finanzieren, sind gut investiert, aber wir müssen künftig als Bund auch in den anderen Ballungsräumen investieren, weil wir diese Ballungsräume nicht alleine lassen können. Das ist mein großes Ziel. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.05

20.05.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Herr Minister.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 193

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 174 der Beilagen, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Ge­setzentwurf zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das geschieht mit Mehr­heit und ist somit angenommen.

20.06.2514. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (72 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novel­le 2018) (175 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 14. Tagesordnungspunkt.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bacher. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.06.49

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden Novelle des Gefahrgutbe­förderungsgesetzes werden wir heute die Anpassung des österreichischen Rechts an aktuelle völker- und unionsrechtliche Vorgaben beschließen.

Es werden Lücken bei der Luftfahrtschulung, bei Aufgaben der Austro Control ge­schlossen, und das Bundesministerium für Landesverteidigung wird ermächtigt, auch eigenes Personal auszubilden. Darüber hinaus werden die Strafbestimmungen für pri­vate Gefahrgutempfänger entschärft.

Wir stimmen dieser Novelle zu, weil die Veränderungen notwendig und wichtig sind. Diese Novelle ist ja bereits vor einiger Zeit noch unter dem vormaligen Bundesminister Stöger in Begutachtung geschickt worden, und der Gesetzestext hat sich inhaltlich nur marginal verändert.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, im Ausschuss haben wir noch einmal über die so­genannte Diskrepanz der Aussagen gesprochen. Es gibt 2 Milliarden Euro Einsparun­gen gegenüber dem Rahmenplan Ihres Vorgängers, Minister Leichtfried, andererseits bestehen die höchsten Ausgaben im Ressort seit jeher, wie Sie es betitelt haben. Fakt ist jedoch, dass insgesamt 2 Milliarden eingespart werden, davon ein Teil auch in Salz­burg.

Sie haben mir bei der Budgetdebatte auch aufgezählt, in was alles in Salzburg trotz­dem investiert wird, aber es ist nach wie vor weniger als im vorhergehenden Rahmen­plan. 2 Milliarden, denke ich mir, sind keine Kleinigkeit, und diese Einsparungen treffen gerade uns in Salzburg, speziell in meinem Wahlkreis – wir nennen ihn Innergebirg –, wo wir vom öffentlichen Verkehr ziemlich abgeschnitten sind. Ich finde es mehr als be­dauerlich, dass diese Einschnitte trotzdem stattfinden.

Einen Satz möchte ich noch zu den Vorkommnissen von vorhin sagen. Ich denke, jede Gesetzgebungsperiode hat so ihren Charakter. Bei dieser, scheint es mir, ist es der Charakter der Gesetzwerdung ohne Begutachtung, und das tut mir leid. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 194

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.09.16

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wenn es darum geht, Geld nach Salzburg zu bringen, dann können wir, Herr Kollege Bacher, natürlich die gleiche Meinung vertreten und durchaus schauen, dass wir An­sätze, die der Herr Bundesminister heute vielleicht sogar im vorherigen Punkt eröffnet hat, nutzen, um zu sagen: Wir haben in Salzburg natürlich auch Bedarf, dass etwas ge­macht wird.

Wenn wir das Gefahrgutbeförderungsgesetz diskutieren, dann wäre es vielleicht inter­essant, dass man einmal ganz kurz in Erinnerung ruft, was Gefahrgut ist. Das sind also „im Zusammenhang mit dem Transport im öffentlichen Raum Stoffe, Zubereitungen“ – das sind „Gemische, Gemenge und Lösungen“ – „und Gegenstände, welche Stoffe enthalten, von denen aufgrund ihrer Natur, ihrer physikalischen oder chemischen Ei­genschaften oder ihres Zustandes beim Transport bestimmte Gefahren [...] ausgehen können und die aufgrund von Rechtsvorschriften als gefährliche Güter einzustufen sind“.

Wenn ich ein paar Beispiele bringen darf: Es ist, glaube ich, niemand überrascht, wenn ich sage, Chemikalien, Flüssiggas, Feuerwerkskörper, Benzin, Heizöl: All dies sind Ge­fahrgüter. Wenn es allerdings weitergeht und man sagt, nicht eingebaute Airbags sind Gefahrgüter, weil Explosionsgefahr besteht, dann ist der eine oder andere doch über­rascht. Aber auch Stoffe, die in kleinen Mengen keine Gefahr darstellen, zählen in gro­ßen Mengen unter Umständen zum Gefahrgut – ein Feuerzeug, zum Beispiel, oder Sprühdosen. Wenn ein Lkw voll mit Feuerzeugen oder mit Sprühdosen beladen ist, dann ist das ein Gefahrguttransport, weil eben Gefahr gegeben ist.

Es gibt europäische Regelungen, internationale Regelungen, mehrere europäische Über­einkommen, die bestimmen, unter welchen Umständen und Bedingungen Gefahrgut transportiert werden kann, und natürlich gibt es nationale Regelungen. Damit sind wir beim Gefahrgutbeförderungsgesetz, das den innerstaatlichen Rahmen für diese Rege­lungen bildet. Diese Vorschriften müssen regelmäßig an die technische Entwicklung angepasst werden. Die vorliegende Novelle berücksichtigt diese Änderungen sowie unionsrechtliche Vorgaben.

Sie enthält Begriffsbestimmungen, die Pflichten und Beteiligten, die Ausnahmen bei der Sicherung gegen unbefugten Zugriff sowie den Bericht über die Straßenkontrollen an die EU-Kommission; über diese Dinge sagt diese Gesetzesänderung etwas aus.

Ergänzende inhaltliche Änderungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes beruhen wei­testgehend auf Erfahrungen mit dessen Anwendung seitens betroffener Wirtschafts­kreise und Behörden. Sie umfassen zum Beispiel Klarstellungen zur Definition von Fahrzeugen. Es werden damit auch, wie der Kollege vorhin erwähnt hat, die Strafbe­stimmungen für private Empfänger gefährlicher Güter eingeschränkt. Das sind also sinnvolle Änderungen, stimmen wir diesem Gesetz zu! (Beifall bei der ÖVP.)

20.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kirchbaumer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.12.42

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Bundesminister, auch Tirol freut sich über Zuschüsse. Wir bräuchten den Fernpass-Scheiteltunnel, den Tschirganttunnel – also wir hätten mit Sicherheit Verwendung für das Geld.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 195

Stellen Sie sich vor, vor Ihrem Zuhause läuft Schwefelsäure aus! Diese wird unter an­derem für die Waschmittelherstellung verwendet. Was heißt das für die Umwelt und für den Menschen? – Die Vorkehrungen für die Sicherheit von Gefahrgut wurden schlecht getroffen. Ganz besonders betroffen sind Unternehmen, die große Menge an Gefahr­gut transportieren. Die vorliegende Novelle beinhaltet im Wesentlichen die Übernahme der aktuellen unionsrechtlichen Begriffsbestimmungen und die Pflichten der Beteiligten, weiters die Ausnahmen bei der Sicherung gegen unbefugten Zugriff und den Bericht über Straßenkontrollen an die Kommission. (Beifall bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Was heißt das im Konkreten? – Das bedeutet Klarstellung von missverstandenen Pflich­ten und Qualitätsvorgaben zur Definition von Fahrzeugen, die Wiederaufnahme einer Frist für Jahresberichte von Gefahrgutbeauftragten sowie die Ermächtigung des Bun­desministeriums für Landesverteidigung zur Ausbildung seiner eigenen Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter für den Seeversand und die Luftfahrt. In der Vergangenheit wurden die internationalen Schulungen zwar durch qualifizierte Fachleute durchgeführt, diese waren aber oft nicht mit dem Betrieb vertraut. Dies wird in der vorliegenden Novelle geändert. Künftig werden die Schulungen von denjenigen durchgeführt, die den Betrieb auch kennen.

Insgesamt nimmt der Warenverkehr in Österreich immer mehr zu. So liegt laut Statistik Austria der eingehende Warenverkehr in der Luftfahrt in den Jahren 2013 bis 2017 bei rund 9 Prozent und der ausgehende Warenverkehr sogar bei 23 Prozent. Zum Ver­gleich: Auf der Straße gab es 2017 ein Transportaufkommen von 386 Millionen Ton­nen. Hier möchte ich ausdrücklich die Verbesserung im Bereich Schadstoffbelastung ansprechen. „Mit Euro VI werden die Grenzwerte für Lkw bei Partikeln um etwa 67 Pro­zent und bei Stickstoffoxiden sogar um 80 Prozent gegenüber Euro V gesenkt. Auch ein Grenzwert für die Partikelanzahl wurde mit Euro VI eingeführt.“

Was bedeutet das? – Der Euro VI ist umweltschonender auf unseren Straßen. Trotz­dem ist es in Tirol so, dass die Obergrenze für den Transitverkehr erreicht ist. Ein Mehr an Lkws geht einfach nicht mehr. Dass unsere deutschen Nachbarn das noch immer nicht verstanden haben, ist für Tirol, für die Tiroler Bevölkerung und für mich persönlich unverständlich. Ich kann nur an Deutschland den Appell richten, dass man erkennt, wie wichtig es ist, den Schwerverkehr auf die Schiene zu verlagern. Für Tirol gibt es keine Alternative. (Beifall bei der ÖVP.)

Tiroler Unternehmer und Pendler haben durch den erhöhten Transitverkehr immer län­gere An- und Abfahrtszeiten von und zur Arbeit, was massive wirtschaftliche Beein­trächtigungen nach sich zieht. Als Tiroler Abgeordnete werde ich mich dafür einsetzen, dass diese unzumutbare Situation bald ein Ende hat. Ich danke Ihnen, dass Sie uns so unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.16

20.16.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 72 der Beilagen.

Ich ersuche nun jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Einstimmigkeit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Ein­stimmigkeit. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 196

20.17.2915. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 207/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG geändert wird (176 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist Herr Abgeordneter Hafenecker gemeldet. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


20.17.58

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Worum geht es bei diesem Tagesordnungspunkt? – Es ist im Wesentlichen ein Antrag des Kollegen Loacker, in welchem es um die digitale Vignette, die wir seit Be­ginn des Jahres entsprechend erwerben können, geht, für deren Einführung ich mich noch bei Kollegen Leichtfried bedanken möchte.

Bei dieser digitalen Vignette gibt es ein Problem mit dem Gültigkeitsbeginn. Sie wissen, wenn man sich die digitale Vignette im Internet bestellt, dauert es 18 Tage, bis sie gültig ist. Das ist ein Zustand, der nicht ganz optimal ist. Deswegen versucht Herr Kol­lege Loacker mit seiner Initiative, eine Verbesserung zu erreichen.

Wo liegt das Problem? – Das Problem ist, dass es dabei auch um dieses Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz geht. Da berühren wir EU-Materie. Deswegen hat auch Bundesminister Hofer sofort einen Brief an den Justizminister verfasst, der sich auf EU-Ebene darum kümmern möchte. Im Verkehrsausschuss haben auch wir den Ent­schluss gefasst, dass wir diese Materie in den sachlich richtigen Ausschuss, sprich in den Justizausschuss, verlegen.

Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg, und ich bin der Auffassung, dass objektiv nichts dagegen spricht, eine Verbesserung für die Konsumenten beim Gebrauch der digitalen Vignette herbeizuführen. Zugleich möchte ich mich bei Herrn Bundesminister Hofer dafür bedanken, dass wir versucht haben, schon einige Sofortmaßnahmen zu setzen. Es geht da zum Beispiel um die Vignettenautomaten, die in diesen Tagen an den wichtigsten Grenzübergängen installiert werden. Darüber hinaus wird bereits jetzt schon die Möglichkeit geprüft – beziehungsweise ist es in Umsetzung begriffen –, die digitale Vignette auch in Trafiken erwerben zu können, das ist also wieder eine Erleich­terung für den Konsumenten. – Herzlichen Dank dafür, Herr Bundesminister! (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

20.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schrott. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.20.02

Abgeordneter Dominik Schrott (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es hat einmal den Spruch des Vignettenmannes gegeben: Nur Kleben bringt Segen! – Seit heuer gibt es aber endlich auch ein Leben ohne Kleben. Immerhin ist seit diesem Jahr die digitale Vignette als Ergänzung zur klassischen Klebevariante erhältlich. Im Zeitalter der Digitalisierung ist es angebracht, das Mautsystem digital anzupassen, und darum bringt die digitale Vig­nette auch ganz praktische Vorteile mit sich, die ich nochmals ganz kurz in Erinnerung rufen darf:

Sie ist rund um die Uhr überall online erhältlich, was vor allem für Touristen einen gro­ßen Vorteil mit sich bringt. Sie hat insbesondere für Wechselkennzeichenbesitzer, ich


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 197

denke hier an Landärzte und die vielen Urlauber mit Wohnmobilen, Erleichterungen gebracht. Die brauchen jetzt nur noch eine Vignette für all ihre Fahrzeuge. Sie redu­ziert auch den Mehraufwand, zum Beispiel braucht man, wenn die Windschutzscheibe zu Bruch geht, nicht mehr in den Laden zu gehen und eine neue Vignette zu holen. Man erspart sich aber auch das mühselige Abkratzen und Aufkleben. Es war also eine wichtige und richtige Entscheidung, die digitale Vignette einzuführen.

Dem Beschluss, der vor gut einem Jahr hier im Haus gefasst wurde, ging eine heftige Debatte voraus. Die Asfinag selbst bezeichnet sie als Schönheitsfehler. Warum? – Weil sie online gleich bezahlt werden muss, aber erst nach einer Wartezeit, das ist schon erwähnt worden, von 18 Tagen ihre Gültigkeit erlangt. Wie zu erwarten hat das bei der Einführung zu sehr großen Verwirrungen und vielen Komplikationen geführt. Ich bin mir aber sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, alle hier im Hohen Haus haben sich schon bei der Beschlussfassung eine einfachere und praktikablere Lösung gewünscht. Manchmal gehen solche Wünsche aber nicht gleich in Erfüllung.

Ich darf das Problem kurz umreißen: Gemäß der EU-Verbraucherrichtlinie können Kun­den bei Onlinegeschäften innerhalb von 14 Tagen nach dem Kauf zurücktreten, zudem werden vier Tage Postweg eingerechnet. – Mit dieser Frist wird verhindert, dass ein Autofahrer die Vignette online erwirbt, sie auf der Autobahn benutzt und dann das Geld wieder zurückholt. Sowohl Rechtsexperten der Asfinag wie auch Mitarbeiter des zu­ständigen Ministeriums haben intensiv nach Möglichkeiten gesucht, diesen Schönheits­fehler zu beseitigen. Statt eine einfache Lösung zu finden sind sie allerdings zu dem Schluss gekommen, dass in dieser Sache der Konsumentenschutz nicht einfach aus­gehebelt werden kann. Möglich wäre nur, zu erwirken, dass die Mautvignette in einen Ausnahmekatalog der europäischen Regelung aufgenommen wird.

Ich bin leider kein Rechtsexperte, und so kann ich auch nicht beurteilen, ob dieser An­trag der NEOS das System wirklich verbessert. Es wäre auf jeden Fall wünschenswert und begrüßenswert. Um sicherzugehen, sollten wir deshalb diesen Antrag dem Justiz­ausschuss zuweisen, bevor wir uns hier im Plenum noch einmal mit ihm beschäftigen, und diskutieren, ob dieser Vorschlag eine praktikable und gute Lösung für die Vignette ist und uns einen weiteren Schritt nach vorne bringt. Dabei könnte man zudem auch überlegen, wie das Problem mit möglichen Kennzeichenwechseln gelöst wird. Da näm­lich die digitale Vignette an das Kennzeichen gebunden ist, verliert sie etwa bei der Ummeldung des Autos im Familienkreis oder wenn man sich ein Wunschkennzeichen bestellt, ihre Gültigkeit – ein Umstand, der ebenso mitbedacht werden sollte.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, im Zusammenhang mit der Vignette noch kurz auf zwei weitere Themen einzugehen. Erstens, wenn ich heute über das Bundesstraßen-Mautgesetz sprechen darf, möchte ich die Gelegenheit nicht unge­nützt lassen, auch einmal die Anliegen jener Menschen vorzubringen, die ganz beson­ders unter der Verkehrsbelastung durch Mautflüchtlinge leiden, wie etwa meine Lands­leute in Kufstein oder die Bevölkerung in Salzburg. Die digitale Vignette etwa in Form einer Ein-Tages-Vignette könnte Erleichterung bringen.

Zweitens möchte ich nochmals hervorheben, wie wichtig die Mauteinnahmen unseres Straßennetzes sind. Die Vignette wird von fünf Millionen Menschen genutzt, wenn wir die Gäste herausrechnen , sind es vier Millionen. Wir erzielen somit Einnahmen von 450 Millionen Euro – viel Geld, das für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung steht.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Viele Projekte wie etwa der Tschirganttunnel in meinem Wahlkreis wurden leider mehrmals versprochen, aber bis heute noch nicht umgesetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.24



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 198

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Minister.


20.24.39

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Loacker hat mit seinem Antrag inhaltlich natürlich vollkommen recht. Es ist wirklich schade, dass wir in diesem Bereich nicht sofort das darstellen können, was wir gerne umsetzen würden. Wir haben Probleme rechtlicher Natur. Ich habe den Minister für Justiz gebeten, auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass es da zu einer Änderung kommt.

Was können wir hier in Österreich tun? – Die digitale Vignette wird bei Vertriebsstellen von Autofahrerklubs und Asfinag-Mautstellen erhältlich sein, und es gibt in diesen Fäl­len kein Rücktrittsrecht. Und das Zweite: Wir sind in Verhandlung mit den Trafiken in Österreich, damit man auch dort die digitale Vignette zur Verfügung stellen kann.

Wie gesagt, Sie haben vollkommen recht, und ich tue mein Bestes, um dieses Manko irgendwie egalisieren zu können und so rasch wie möglich diese Vignette auch in an­deren Bereichen zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nun gelangt Herr Abgeordneter Loacker zu Wort. – Bitte.


20.25.44

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Danke für die Bereitschaft der Mehrheitsfraktionen, sich diesem Anliegen zu nähern. Es ist mehr als schräg, wenn man eine 10-Tages-Vignette als digitale Vignette kauft und 18 Tage warten muss, bis sie gilt. Ungefähr 18 Tage braucht ein Radfahrer, um die Tour de France zu fahren. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Daran sieht man auch, dass der Konsumentenschutz, wenn er überzogen ist, ein Schuss ins Knie sein kann. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Computer, kaufen eine digitale Vignette – dann brauchen Sie natürlich ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass Sie draufkommen, dass Sie gar kein Auto haben! Also das kann nicht die einzige Erklärung sein für diese Art von Konsumentenschutz, und bei etwas gutem Willen wird sich eine Ausnahmemöglichkeit dafür finden.

Es gibt auch für andere Fern- und Auswärtsgeschäfte Ausnahmen, da müsste man eine solche für den konkreten Fall auch machen können, weil es ja so gut wie nicht denkbar ist, dass sich jemand dann beschwert und tatsächlich sagt, er habe eine Vignette für ein Auto oder für ein Motorrad, das er nicht hat, gekauft. Wenn Sie auf den Kalender schauen: Wenn Sie am 27. Mai eine Vignette gekauft haben, dann dürften sie ab heute damit herumfahren.

Ich hoffe doch, dass der Justizausschuss dem mehrheitsfarbigen Herzen einen Stoß gibt und das Ganze einem guten Ende im Sinne der Autofahrerinnen und Autofahrer in Österreich zugeführt wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.27

20.27.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, sei­nen Bericht 176 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 199

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Einstimmigkeit.

Ich weise den Antrag 207/A dem Justizausschuss zu.

20.27.5716. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 268/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entrüm­pelung radverkehrsfeindlicher gesetzlicher Regelungen (177 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nunmehr zum 16. Tagesordnungs­punkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile Frau Abgeordneter Bißmann, die schon am Rednerpult steht, das Wort. – Bitte.


20.28.24

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! Schönen gu­ten Abend, Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Besuchergalerie! Immer noch da? Wie steht es mit dem Energiehaushalt? Geht es noch einmal? – Letzter Tagesordnungspunkt, bald haben wir es geschafft!

Radfahren ist gesund, günstig und gut für die Umwelt, da sind wir uns hoffentlich – also ich gehe davon aus – parteiübergreifend einig. Das Radfahren wird auch immer belieb­ter. Radfahren gesetzlich zu fördern und sinnlose und diskriminierende Regelungen abzuschaffen macht also tatsächlich Sinn und entspricht auch unserer Verantwortung.

Was geschieht da? Was hat die Regierung aktuell zum Thema Radfahren vor? – Schauen wir einmal in die Klima- und Energiestrategie rein; da steht: „Öffentlich zu­gängliche Verkehrsangebote sowie die aktive Mobilität (Radfahren, Fußverkehr) bilden das Rückgrat nachhaltiger Personenmobilität.“ – Schöne Vision! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es kommt aber viel Arbeit auf die Regierung zu, wenn sie das ernst meint, denn derzeit ist leider immer noch für das Gros der österreichi­schen Bevölkerung das Auto das Maß aller Dinge – und dies schon auch deswegen, weil der Umstieg auf das Fahrradfahren immer noch nicht ganz so leicht gemacht wird.

Zweites Zitat aus der Klimastrategie: „Ziel ist daher die Umsetzung und Weiterentwick­lung des Masterplans Radfahren [...], um eine Erhöhung des Radanteils in Österreich von 7 % auf 13 % bis 2025 zu erreichen.“

Sie haben also erfreulicherweise die Verdoppelung des Radverkehrs bis 2025 aus dem Masterplan Radfahren vom Mai 2015 von Ex-Bundesminister Rupprechter aufgegriffen. Die Strategie muss jetzt aber auch noch Zähne bekommen, damit sie den erforderli­chen Biss entwickeln kann. Dazu braucht es Maßnahmen wie den raschen Ausbau der Radfahrinfrastruktur, sichere Radverbindungen zwischen Siedlungen auf Überlandrou­ten, Fahrrad und Öffis, also Bike-and-Ride auszubauen und so weiter und so fort. Sie haben einiges davon auch schon in den Ausschüssen vorgestellt oder erzählt, dass Sie es vorhaben. Ich hoffe, dass wir davon in den nächsten Jahren noch einiges sehen werden.

Es geht um die Unterstützung von 5 Millionen Österreicherinnen und Österreichern, die das Fahrrad laut VCÖ zumindest als Sekundärverkehrsmittel nutzen. Die Menschen wollen den Radverkehr in dem Land, das ist wirklich Trend. Bringen wir endlich Bewe­gung ins Thema Radfahren und machen wir das Fahrrad zum Primärverkehrsmittel, wie das in skandinavischen Ländern und in Holland schon jahrelang der Fall ist! Die sind klimatisch gesehen sogar weniger begünstigt als Österreich.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 200

Einen ersten kleinen, gemeinschaftlichen Erfolg haben wir hier im Hohen Haus schon erreicht: Liebe Oppositionsfraktionen, liebe Regierungsfraktionen! Der vorliegende An­trag der Liste Pilz „Entrümpelung radverkehrsfeindlicher gesetzlicher Regelungen“ wur­de nämlich im letzten Verkehrsausschuss abgestimmt und, man mag es kaum glau­ben, nicht vertagt – ja welche Freude! –, und er kann deshalb heute hier im Plenum diskutiert werden. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Die leidige Praxis der Oppositionsantragsvertagungsorgien habe ich seit meiner Ange­lobung in allen Ausschüssen erlebt. Ich habe erfahren, dass in den letzten und vorletz­ten Gesetzgebungsperioden mehr als tausend Oppositionsanträge mundtot gemacht wurden, indem sie von den Regierungsfraktionen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag ver­tagt wurden. Nachdem ich diese Praxis in den Ausschüssen aber wiederholt kritisiert habe – auch Kollegen und Kolleginnen von SPÖ und NEOS taten dies –, hat sich da etwas bewegt. Das ist wirklich schön, ein schönes, positives Zeichen der Reform des Parlamentarismus, ein kleiner, aber wichtiger Schritt.

So, zum vorliegenden Antrag: § 68 Abs. 3a der Straßenverkehrsordnung besagt, dass sich Fahrradfahrer nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 Kilometern pro Stunde ungeregelten Kreuzungen nähern dürfen. Warum ist das eine handfeste Diskriminie­rung? – Weil das für andere Verkehrsteilnehmer nicht gilt, nicht für Autos, nicht für Mo­peds, nicht für Kutschen, was auch immer. Das müssen wir daher sachlich hinterfra­gen. Ich möchte zu dieser 10-km/h-Regel einen Vergleich anstellen: Das ist so, als würde man auf einer Autobahnauffahrt eine 30er-Geschwindigkeitsbeschränkung für Autos einführen, während die Lkws in vollem Tempo weiterrasen dürfen.

Diesen 10-km/h-Paragraphen für Radfahrer haben wir seit der Novelle 1989 in der StVO stehen. Seither ist das totes Recht. Niemand hat das kontrolliert, ob die Radfah­rer sich mit 10 km/h der Kreuzung genähert haben oder nicht. Erst seit wir Blau-Schwarz in der Regierung haben, wird diese Sinnlosregelung exekutiert, und zwar nicht einmal gesetzeskonform. Ich war in Kontakt mit der Polizei. In der letzten Zeit wurden mehrfach Radler und Radlerinnen von der Polizei in Wien mit dem Radar ge­messen und abgestraft, und zwar auch bei geregelten Kreuzungen. Da gilt diese Rege­lung aber gar nicht, denn das Gesetz bezieht sich nur auf ungeregelte Kreuzungen.

Was ist da los, Herrschaftszeiten? – Verwirrte Polizei, arme Bürgerinnen und Bürger. Sowieso scheint in Wien gerade die große Jagd auf Radfahrer ausgebrochen zu sein. Am 12.6.2018 wurden bei einem Planquadrat in Wien 360 Radfahrer angezeigt. Lieber Herr Minister Hofer! (Bundesminister Hofer spricht mit einem Mitarbeiter.) Herr Bun­desminister Hofer! Einen ganz kurzen Moment der Aufmerksamkeit noch, ich bin gleich durch! Könnten Sie bitte Ihren Kollegen, Herrn Innenminister Kickl, fragen, ob er viel­leicht vorhat, die zusätzlichen Polizeistellen dafür zu schaffen, die umweltfreundlichen Radfahrer zu schikanieren? Bitte schaffen wir doch hier im Hohen Haus eine Umge­bung, in der sich der richtige und gesunde Trend des Radfahrens ungebremst entfalten und fortsetzen kann. Herr Hofer, Sie haben da eine gute Gelegenheit, ein Gesetz zu entrümpeln, aufzuräumen und den Radfahrern zu helfen.

An alle Fahrradfans hier im Haus: Ich sehe einige von Ihnen vor allem jetzt, seit es warm geworden ist, mit dem Fahrrad ins Parlament radeln. Ich freue mich über jeden von Ihnen, den ich radeln sehe. Es gibt eine sehr lebendige Facebook-Gruppe mit 12 000 Mitgliedern, die Radfahrer in Wien heißt. Nutzen Sie die Gelegenheit, sich dort mit Gleichgesinnten zu vernetzen! Das Fahrradfahren verbindet und schafft die Par­teigrenzen ab. – Danke schön. (Beifall bei der Liste Pilz.)

20.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hofer. – Bitte, Herr Minister.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 201

20.35.25

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst, Frau Abgeordnete, darf ich Ihnen meinen Respekt ausdrücken, und zwar nicht deswegen, weil ich mich in die Belange anderer Fraktionen einmischen will, sondern weil mir auffällt, dass Sie eine sehr, sehr engagierte und mutige Frau sind, und weil auch das Thema, das Sie ansprechen, ei­nes ist, das uns allen sehr am Herzen liegen muss.

Ich darf ganz offen sprechen: Der Verfassungsschutz hat mir vorgestern mitgeteilt, dass es eine gute Idee wäre, wenn ich meine Wohnung wegen einer verschärften Si­cherheitslage nicht verlasse. Nun sind wir Burgenländer so, dass wir das Gegenteil von dem sagen, was uns Wiener übermitteln, und ich habe gestern am Abend beschlos­sen, eine große, große Tour mit meinem Streetstepper zu machen, so ungefähr 90 Mi­nuten durch Wien. Es war herrlich, aber mir ist Folgendes aufgefallen: Auf den Rad­wegen, die ich befahren und gesehen habe, war das Problem nicht, dass ich Schwie­rigkeiten mit Autofahrern gehabt hätte, sondern dass es unter den Radfahrern aufgrund der großen Geschwindigkeitsdifferenzen große Probleme gibt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Also ich fahre ungefähr mit 20 km/h, und andere sind ganz anders unterwegs. Ich mei­ne, dass da gegenseitige Rücksichtnahme von entscheidender Bedeutung ist und dass wir darauf achten müssen, dass die Schwächsten im Straßenverkehr eine Chance ha­ben. Und das sind nicht wir – ich sage jetzt wir, und ich fahre im Jahr geschätzt 3 000 Kilometer mit dem Rad, weil ich nicht mehr laufen kann, aber Rad fahren kann ich –, also das sind nicht wir Radfahrer, sondern das sind die Fußgänger, und auf die müssen wir im gesamten Kontext besonders achten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Seien Sie versichert, das, was Sie hier vorgetragen haben, findet meinen größten Res­pekt, und ich achte auch darauf, dass es da wirklich besser wird, aber am Ende ist es immer der Fußgänger, die Fußgängerin, auf die wir besonders achten müssen. Das heißt, es ist vor allem im urbanen Bereich nicht ganz einfach, diese Dinge zu berück­sichtigen. Wie gesagt, ich habe gestern selbst erfahren, wie schwierig das ist. Ich möchte Sie wirklich gerne einladen, wenn Sie Zeit haben, dass wir vielleicht einmal gemeinsam eine Tour durch Wien machen – wenn Sie so langsam fahren wollen wie ich – und uns einmal gemeinsam ansehen, wie schwierig es sein kann, wenn wir einen tollen sportlichen Radfahrer haben, der 40 fährt, und einen Menschen wie mich, der halt nur 20 fährt, und einen Fußgänger, der eben zu Fuß unterwegs ist, wo da die gro­ßen Differenzen bestehen.

Da gibt es für uns gemeinsam ganz, ganz viel zu tun. Auch ich bin der Meinung, Rad­fahren ist extrem wichtig, auch im ländlichen Bereich. Wir wissen aus Studien in Deutschland, dass Strecken bis 5 Kilometer für den Fahrradverkehr interessant sind, dass aber in vielen ländlichen Bereichen genau diese Strecken durch eine Bundes­straße oder eine Landesstraße oft so ausgebaut sind, dass dort Fahrradfahrer nicht gerne unterwegs sind.

Das heißt, wir müssen uns auf zwei Bereiche konzentrieren: auf den urbanen Bereich, wo wir mehr machen können, wo aber auch schon unglaublich viel geschehen ist, aber auch auf den ländlichen Raum, damit auch dort Menschen, die gerne mit dem Rad fah­ren, mehr Chancen haben, sicherer unterwegs zu sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass die wichtigste Maßnahme zur Dekarbonisierung jene ist, dass wir Strecken bis 5 Kilometer mit dem Rad zurücklegen, und daran arbeiten wir gemeinsam. Deswegen auch herzlichen Dank für Ihr Engagement und für Ihre Initiative. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.39



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll31. Sitzung, 14. Juni 2018 / Seite 202

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Hafenecker zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.39.26

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Frau Kollegin Bißmann, Sie haben uns jetzt alle ein bisschen erheitert mit Ihren Ausführungen. Das war ja grundsätzlich alles positiv gemeint, denke ich einmal, und selbstverständlich will niemand die Radfahrer schika­nieren oder noch irgendwie besonderen Kontrollen aussetzen. Nein, es geht einfach nur darum, wie sich der Radverkehr in letzter Zeit entwickelt hat. Bei jeder Verkehrs­form, die mehr genutzt wird und deren Anteil zunimmt, muss man irgendwann einmal Regelungen finden, wie die verschiedenen Verkehre miteinander umgehen bezie­hungsweise wie man die so miteinander vernetzen kann, dass nichts passiert, und das ist auch beim Radfahren so.

Wenn Sie selbst sagen, dass es jetzt eine prosperierende Facebook-Gruppe mit 12 000 Radfahrern gibt, dann sehen wir, dass in den letzten Jahren der Radverkehr einfach auch in Wien zugenommen hat und es Regelungen braucht.

Frau Kollegin Bißmann, seien Sie versichert: Niemand hat einen Paragraphen ausge­mottet, um jetzt bewusst Radfahrer zu sekkieren, sondern es ist einfach so, wie es auch der Herr Bundesminister gesagt hat: Man merkt als Fußgänger, dass es einfach sehr, sehr viele rücksichtslose Radfahrer gibt. (Abg. Zinggl: Es gibt aber auch rück­sichtslose Autofahrer!) Deswegen hat man sich offenbar dazu entschieden, in diesem Bereich einmal Schwerpunktkontrollen zu machen. Das ist ja nichts Diskriminierendes. Herr Kollege Zinggl, wenn heute um 10 Uhr auf der Triester Straße ein Planquadrat für Pkw gemacht wird, dann käme ich auch nicht auf die Idee, zu sagen, dass da Pkw-Fahrer diskriminiert werden, sondern es werden schlicht und ergreifend Gesetze auf ihre Einhaltung kontrolliert. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Ich glaube, da muss man die Kirche im Dorf lassen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man braucht sich nur anzuschauen, wie schnell 10 km/h sind. (Abg. Bißmann: ... 20 km/h!) Wenn man zum Beispiel auf der Landesgerichtsstraße beim Justizpalast zum Parlament abbiegt – ich mache das fast täglich – und sich da anschaut, wie schnell die Radfahrer daherkommen, dann weiß man: Die kann man nicht sehen, weil es dort nicht gut einsehbar ist. Es ist einfach eine Gefahr. Ich glaube, das ist keine Diskriminierung, sondern das ist einfach nur ein Schutz aller Verkehrsteilnehmer und eine Regelung dazu, wie man miteinander umgeht. Ich glaube, da braucht man nichts hineinzuge­heimnissen und nicht zu behaupten, Herr Innenminister Kickl würde einen Rachefeld­zug gegen Radfahrer führen oder sonst irgendetwas. Wir versuchen einfach, die Ein­haltung von Gesetzen zu gewährleisten.

Einen wichtigen Punkt möchte ich auch noch ansprechen, Frau Kollegin Bißmann: Es gibt ja schon die Diskussion über Nummernschilder bei den Fahrrädern. Ich möchte sie nicht führen. Ich möchte einfach nur schauen, dass sich die verschiedenen Verkehrs­teilnehmer untereinander verstehen, dass wir Sicherheit gewährleisten – dann, glaube ich, werden wir kein Problem haben. Es gibt keine Rache an den Radfahrern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Laimer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.41.56

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Zuseher! Meine Damen und Herren! Das tägliche Radfahren ist immer mehr Menschen zu einer


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Lebenseinstellung geworden und ist unter anderem mit einem größtmöglichen Verzicht auf das Auto verbunden. Das ist gut so. Diese Mentalität ist selbstverständlich zu be­grüßen und trägt auch zu einem individuellen Umweltbewusstsein innerhalb der Ver­kehrspolitik bei.

Radwege sind auszubauen. Das ist sicher ein Gebot der Stunde und zeitgemäß. Insbe­sondere im urbanen Bereich mit einem hohen Verkehrsaufkommen und unterschiedli­chen Verkehrsmitteln sorgt dieser Mobilitätsmix allerdings auch definitiv für neue, zu­sätzliche Herausforderungen. Über allen Überlegungen hat natürlich die Sicherheit für alle VerkehrsteilnehmerInnen zu stehen, und zwar inklusive der Fußgängerinnen und Fußgänger. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als Gesetzgeber sind dazu verpflichtet, bestmögliche und für alle verträgliche Lö­sungen zu erarbeiten. Es gilt nicht das Gesetz des Stärkeren, sondern vielmehr die Gleichberechtigung aller VerkehrsteilnehmerInnen, insbesondere auch der Fußgänger und Fußgängerinnen. Sie sind neben den Radfahrerinnen und Radfahrern besonders zu berücksichtigen.

Die aktuellen Schwerpunktkontrollen, meine Damen und Herren, gerade der Radfah­rerInnen in Wien, sind eigentlich schon zu befürworten, zumal auch Fahrräder zahlrei­che Kriterien der Straßenverkehrsordnung zu erfüllen haben, genauso wie dies für die Kraftfahrzeuge der Fall ist.

Die 10-km/h-Beschränkung für RadfahrerInnen an nicht durch Lichtzeichen geregelten Kreuzungen und dass Radfahrende nicht unmittelbar vor einem herankommenden Kfz sozusagen überraschend in die Kreuzung einfahren dürfen, dient ausschließlich dem Schutz des Fahrradfahrers und ist nicht als Einschränkung seiner persönlichen Freiheit zu verstehen. Bei einem allfälligen Zusammenstoß – nämlich zwischen Radfahrer und Kfz-Lenker – kann es durchaus zu verheerenden Konsequenzen kommen. Daher ist diese Schutzbestimmung auch gerechtfertigt. Viele, sehr viele Radunfälle, vor allem in letzter Zeit, mahnen. Bei 18 km/h mit dem Fahrrad beträgt der Bremsweg durchschnitt­lich 7 Meter. Das ist gerade im Kreuzungsbereich besonders gefährlich.

Die beste StVO kann jedoch nicht alles regeln. Besonders wichtig ist die Kultur des Verständnisses aller Verkehrsteilnehmer füreinander und nicht gegeneinander. Im Üb­rigen ist eine Fahrradpolizei wesentlich effizienter und wendiger im Stadtleben als die berittene Exekutive, die zwar Autorität und eine vermeintliche Stärke ausstrahlt, aber sicherlich nicht alltagstauglich ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

20.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.45.26

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zeigt eigentlich ein Missverständnis, das wahrscheinlich vorliegt. Frau Abgeordnete Bißmann, die Welt ist nicht so, wie es oft in der grünen Ideologie scheint – schwarz und weiß. Da geht es nicht nur darum, für den Fahrradverkehr oder dagegen zu sein. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir das fördern wollen, natürlich auch im Sinne der Umwelt.

Wenn es aber um die Sicherheit geht, dann müssen wir schon auch andere Parameter ansetzen. Es gibt eben im Straßenverkehr gewisse psychologische Tangenten. So wie im öffentlichen Verkehr viele Leute nicht miteinander sprechen, so wie viele Fahrer von sogenannten SUVs glauben, sie sitzen in einem Panzer, so gibt es oft auch die Mög­lichkeit, dass man sich denkt, dass man vielleicht da oder dort moralisch erhöht ist, wenn man ein besonders umweltfreundliches Verkehrsmittel gewählt hat.


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Es gibt aber auch eine physikalische Tangente. Da kommen dann Geschwindigkeit und Masse ins Spiel. Im vorliegenden Antrag geht es darum, dass man sich ungeregelten Kreuzungen mit einer Geschwindigkeit von über 10 km/h nähern soll. Das ist absolut falsch. Deswegen werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen, darum haben wir ihn auch abgelehnt – denn es ist wichtig, bei Kreuzungen entsprechend Rücksicht auf alle Verkehrsteilnehmer zu nehmen. Wir haben die Fußgänger, wir haben die Autofah­rer, wir haben die Radfahrer. Vor allem gilt es auch, die Sicherheit der Radfahrer selbst zu gewährleisten.

Der Herr Bundesminister hat es vorher auch ausgeführt. Letztendlich haben wir Kinder, die am Rad unterwegs sind. Wir haben mittlerweile Roller, alle möglichen Verkehrsfor­men. Da müssen wir Sicherheit geben, da müssen wir auch in Zukunft vor allem ord­nungspolitisch stärker eingreifen, um diese alternativen Verkehrsformen noch besser zu forcieren und nicht mit solchen Anträgen diese Entwicklungen nach hinten zu trei­ben.

Herr Bundesminister, ich möchte aber auch zu den Ausführungen zum Lobautunnel kurz Stellung nehmen. Das Thema zeigt nämlich eine ganz gravierende Schwierigkeit auf. Wenn Verkehrspolitik an der Stadt- und Landesgrenze haltmacht, dann sind grö­ßere Regionen betroffen. Gerade der Lobautunnel sowie – wir kennen ja die unsägli­che Diskussion – eine Citymaut in Wien würden massiv das Wiener Umland, Niederös­terreich treffen. (Abg. Plessl: Schon erledigt!) Wenn wir es schaffen wollen, eine Re­gion im Herzen Europas, Zentraleuropa, zu entwickeln, dann müssen wir über die Grenzen hinausschauen, dann dürfen wir uns nicht in die Geiselhaft einer Verkehrs­stadträtin aus Wien begeben, die nur auf die nächsten Wahlen schielt. Hier müssen wir ausbauen, und zwar neutral gegenüber allen Verkehrsmitteln – auch das Auto muss seinen Platz haben. Wir haben viele Pendlerinnen und Pendler in Wien, nach Wien und von Wien hinaus. Diesen Verkehr muss man auch bereitstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, das ist eine ganz, ganz wichtige Sache. Diese standespolitischen Dinge gehören in die Mottenkiste, denn eine Politik, die nur jene privilegiert, die sich das dann auch leisten können, lehnen wir ab. Da haben wir wahrscheinlich ein größeres soziales Gewissen als eine rot-grüne Regierung in Wien. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Plessl: Welches Gewissen?)

20.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pewny. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.49.02

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kollegin Bißmann, ich bin zwar kein großer Radfahrer, das muss ich leider geste­hen – vielleicht würde es mir auch nicht schaden –, aber ein bisschen verwundert mich der Antrag doch. Demnach sollten da ja radverkehrsfeindliche, diskriminierende ge­setzliche Regelungen entrümpelt werden.

Ich als Fahrschulinhaber und Fahrlehrer habe mich da aber schon gefragt, wo denn jetzt diese diskriminierenden gesetzlichen Regelungen für Radfahrer in der StVO ste­hen. (Abg. Bißmann: Weil Autos schneller ...!) Da haben Sie jetzt zum Beispiel den § 68 Abs. 3a StVO angeführt, der besagt: „Radfahrer dürfen sich Radfahrerüberfahr­ten, wo der Verkehr nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wird, nur mit einer Ge­schwindigkeit von höchstens 10 km/h nähern und diese nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug und für dessen Lenker überraschend befahren.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube schon, dass sich der Gesetzgeber etwas gedacht hat, als er damals festgelegt hat, dass sich Radfahrer nur mit einer Geschwin-


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digkeit von höchstens 10 km/h Radfahrerüberfahrten nähern dürfen. Viel zu oft kommt es in solchen Situationen zu Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern. Ich möchte beileibe nicht die Autofahrer in Schutz nehmen, meistens ist es aber so, dass der Rad­fahrer mit schwersten Verletzungen zurückbleibt, weil er keine Knautschzone besitzt.

Umso kritischer sehe ich es aber, dass Sie den Umstand, dass ein Radfahrer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung Strafe bezahlen musste, als Anlass dafür neh­men, dieses Gesetz ändern zu wollen. Ich persönlich bin sogar der Meinung, dass in manchen Situationen 10 km/h zu schnell sind. Es ist mir daher völlig unverständlich, wie man in einer derart wichtigen Regelung zum Schutz des Radfahrers und nicht zu­letzt auch der Allgemeinheit eine Ungerechtigkeit sehen kann.

Liebe Frau Kollegin Bißmann, ich lade dich sehr gerne in meinen Betrieb ein. Ich lade dich ein, dass du bei mir mit einem Schüler in einer Fahrstunde mitfährst und dir dann selbst ein Bild davon machst, wie schwierig es für Autofahrer unter Umständen auch ist, mit Radfahrerüberfahrten umzugehen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.51

20.51.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 177 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.52.13Einlauf


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 298/A(E) bis 305/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 20.53 Uhr – das ist gleich im Anschluss an die­se Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.52.55Schluss der Sitzung: 20.52 Uhr

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