Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

43. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 24. Oktober 2018

 


Stenographisches Protokoll

43. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode            Mittwoch, 24. Oktober 2018

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 24. Oktober 2018: 9.04 – 23.15 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 345/A(E) der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend bis zu 24 Monate Anrech­nung von Karenzzeiten in allen Kollektivverträgen

2. Punkt: Bericht über den Antrag 380/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vog­tenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Anerkennung von Karenzzeiten als Vordienstzeiten

3. Punkt: Bericht über den Antrag 382/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vog­tenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die vollwertige Anrechnung von Ka­renzzeiten für Gehaltsvorrückungen

4. Punkt: Bericht über den Antrag 340/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Mag. Ge­rald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge – Integration vor Zuzug

5. Punkt: Bericht über den Antrag 6/A der Abgeordneten Mag. Christian Kern, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Fi­nanzierungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 215/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kol­leginnen und Kollegen betreffend die Weiterführung der Beschäftigungsaktion 20.000

7. Punkt: Bericht über den Antrag 387/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2017/2402 zur Festlegung ei­nes allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung (STS-Verbrie­fungsvollzugsgesetz – STS-VVG) erlassen wird und mit dem das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investment­fonds Manager-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Aktiengesetz, das Immobilieninvestmentfondsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden, und den


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Antrag 143/A(E) der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Finanzierung von Klein- und Mittelunternehmen durch Umdenken in der Kapital­marktpolitik

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung samt Protokoll

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Ein­kommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden

11. Punkt: Bericht über den Antrag 363/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Bessere Kontrollsysteme bei der Familienbeihilfe

12. Punkt: Bericht über den Antrag 386/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

13. Punkt: Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016, und Proto­koll über eine Änderung des Artikels 56 des Abkommens über die Internationale Zivil­luftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016

14. Punkt: Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Europäischen Satellitennavigationsprogramme

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das Funkan­lagen-Marktüberwachungs-Gesetz, das Funker-Zeugnisgesetz 1998, das Postmarktge­setz, das Gebäude- und Wohnungsregister-Gesetz und das KommAustria-Gesetz ge­ändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz und das Seeschifffahrtsge­setz geändert werden (Schifffahrtsrechtsnovelle 2018)

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkäufe von Wohnungen durch gemeinnützige Bauvereinigungen – Reihe BUND 2017/61

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Bezüge der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von gemeinnützigen Bauvereinigungen – Reihe BUND 2017/62

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend GESIBA Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft – Reihe BUND 2017/63

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Internes Kontrollsystem bei Direkt­vergaben; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/41

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Entwicklung ausgewählter For­schungsprogramme des Bundes – Reihe BUND 2018/1


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23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichische Studentenförde­rungsstiftung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/22

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Neuaufnahmen, Vergabe und Lö­schung von Steuernummern und Umsatzsteueridentifikations-Nummern; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/23

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Uni.PR – Verein zur Förderung der Öffentlichkeitsarbeit der österreichischen Universitäten – Reihe BUND 2018/25

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Auswirkungen des Kollektivvertrags für ArbeitnehmerInnen der Universitäten; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/29

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Gartenbauzentrum Schönbrunn; Gewinnung von Orthofotos auf Ebene des Bundes – Reihe BUND 2018/39

28. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend FWF – Internes Kontrollsystem; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/40

29. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Bürgerinitiativen Nr. 20, 25, 45 und 46

30. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird (373/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 18

Ordnungsruf ................................................................................................................. 173

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    41

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................... 70

Unterbrechung der Sitzung .................................................................................  71, 118

Aktuelle Stunde (11.)

Thema: „Sozialversicherung Neu als Grundlage einer Gesundheitsreform“         18

RednerInnen:

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................ 18

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 21

August Wöginger ......................................................................................................... 24

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 26

Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 28

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 29

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ......................................................................... 31

Gabriela Schwarz ......................................................................................................... 33

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 34

Dr. Brigitte Povysil ....................................................................................................... 36


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Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 38

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 39

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 18

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  40, 265

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz betreffend „die Zerstörung unseres gut funktionierenden Gesundheits­systems durch die Kassenzentralisierung“ (2069/J) ................................ 118

Begründung: Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .......................................................... 129

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 132

Debatte:

Rainer Wimmer ........................................................................................................... 140

August Wöginger ..............................................................................................  142, 145

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 145

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 146

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 147

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 149

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 152

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 153

Dr. Brigitte Povysil ..................................................................................................... 154

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 155

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 157

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 159

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 162

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................... 162

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 163

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 165

Philip Kucher .............................................................................................................. 167

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 168

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 168

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 170

Dr. Peter Wittmann ..................................................................................................... 171

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 173

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „echte Reform angehen“ – Abstimmung ...........................................  161, 174

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 345/A(E) der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Walter Rosenkranz, Kol­leginnen und Kollegen betreffend bis zu 24 Monate Anrechnung von Karenzzei­ten in allen Kollektivverträgen (284 d.B.) ................................................ 4


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2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 380/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend die Anerkennung von Karenzzeiten als Vordienst­zeiten (285 d.B.) ......................................................................................... 42

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 382/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend die vollwertige Anrechnung von Karenzzeiten für Gehaltsvorrückungen (286 d.B.) ........................................................ 42

RednerInnen:

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 42

Petra Wagner ................................................................................................................ 44

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 45

August Wöginger ......................................................................................................... 47

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ......................................................................... 49

Carmen Schimanek ...................................................................................................... 50

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 50

Tanja Graf ...................................................................................................................... 53

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 54

Mag. Michael Hammer .................................................................................................. 55

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 55

Birgit Silvia Sandler ..................................................................................................... 56

Angela Lueger .............................................................................................................. 57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „individueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil“ – Ablehnung .....................  46, 57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „volle Anrechnung der Karenzzeiten durch Gesetz“ – Ableh­nung ....................................  52, 57

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 284 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „bis zu 24 Monate Anrechnung von Karenzzeiten in allen Kollektivverträgen“ (E 29) .............. 57

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 285 und 286 d.B. ................................. 57

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 340/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge – In­tegration vor Zuzug (287 d.B.) .................................................................. 57

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 58

Peter Wurm ................................................................................................................... 58

Josef Schellhorn ...................................................................................................  60, 67

Mag. Michael Hammer .................................................................................................. 61

Franz Hörl (tatsächliche Berichtigung) ......................................................................... 62

Peter Wurm (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 62

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................... 63

Werner Neubauer, BA .................................................................................................. 64

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 65

Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 66

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 67

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 68


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Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 69

Dr. Stephanie Krisper (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 70

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 287 d.B. (namentliche Abstimmung) ........... 70

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ....................................... 71

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 6/A der Abgeordneten Mag. Christian Kern, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (288 d.B.) ............................................................... 72

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 215/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Weiterführung der Beschäftigungsaktion 20.000 (289 d.B.) ........................................................................................................................ 73

RednerInnen:

Ing. Markus Vogl ........................................................................................................... 73

Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 74

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ......................................................................... 75

Tanja Graf ...................................................................................................................... 76

Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 77

Andrea Michaela Schartel ........................................................................................... 78

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 78

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................... 79

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 288 und 289 d.B. ................................. 79

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 387/A der Abgeord­neten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Ver­ordnung (EU) 2017/2402 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Ver­briefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, trans­parente und standardisierte Verbriefung (STS-Verbriefungsvollzugsgesetz – STS-VVG) erlassen wird und mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Aktiengesetz, das Immobilieninvest­mentfondsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden, und den

Antrag 143/A(E) der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung von Klein- und Mittelunternehmen durch Umdenken in der Kapitalmarktpolitik (323 d.B.)                     80

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 80

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 81

Doris Margreiter ........................................................................................................... 82

Hermann Brückl ........................................................................................................... 83

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 84

Bundesminister Hartwig Löger .................................................................................. 85

Peter Haubner ............................................................................................................... 86

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 86

Annahme des Gesetzentwurfes in 323 d.B. ................................................................... 87

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (206 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird (324 d.B.) ........................................................... 88


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RednerInnen:

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 88

Dr. Angelika Winzig ..................................................................................................... 89

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 89

Hermann Brückl ........................................................................................................... 90

Mag. Bruno Rossmann (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 91

Mag. Karin Greiner ....................................................................................................... 92

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 92

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 95

Mag. Andreas Hanger .................................................................................................. 96

Maximilian Linder ......................................................................................................... 96

Wolfgang Knes ............................................................................................................. 97

Mag. Andreas Hanger (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 98

Annahme des Gesetzentwurfes in 324 d.B. ................................................................... 98

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (258 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo zur Be­seitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung samt Protokoll (325 d.B.) ........................................................................................................................ 99

RednerInnen:

Franz Leonhard Eßl ..................................................................................................... 99

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 100

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 101

Christoph Stark .......................................................................................................... 101

Bundesminister Hartwig Löger ................................................................................ 103

Genehmigung des Staatsvertrages samt Protokoll in 325 d.B. ................................... 103

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regie­rungsvorlage (111 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichs­gesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelferge­setz geändert werden (290 d.B.) ............................................... 104

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 363/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Bessere Kontrollsysteme bei der Familienbeihilfe (291 d.B.) ...................................................................................................................... 104

RednerInnen:

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 104

Norbert Sieber ............................................................................................................ 105

Michael Bernhard ....................................................................................................... 106

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 108

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 108

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ............................................... 110

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................... 112

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 114

Carmen Schimanek .................................................................................................... 115

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 116

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 117

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 117

Nikolaus Prinz ............................................................................................................ 174

Ricarda Berger ........................................................................................................... 175


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Annahme des Gesetzentwurfes in 290 d.B. ................................................................. 177

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 291 d.B. ...................................................... 177

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 386/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967 geändert wird (292 d.B.) .................................. 177

RednerInnen:

Birgit Silvia Sandler ................................................................................................... 177

Norbert Sieber ............................................................................................................ 178

Christian Kovacevic ................................................................................................... 180

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 181

Melanie Erasim, MSc .................................................................................................. 181

Michael Bernhard ....................................................................................................... 182

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 183

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ............................................... 184

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 186

Carmen Schimanek .................................................................................................... 187

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 188

Sandra Wassermann .................................................................................................. 188

Kira Grünberg ............................................................................................................. 189

Entschließungsantrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghu­ber, Birgit Silvia Sandler, Michael Bernhard, Daniela Holzinger-Vogtenhu­ber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung von Behinderten­organisationen in die Erarbeitung des Einführungserlasses und Evaluierung der Neuregelung“ – Annahme (E 30) ........................................................................  191, 192

Annahme des Gesetzentwurfes in 292 d.B. ................................................................. 191

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (255 d.B.): Protokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die In­ternationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016, und Pro­tokoll über eine Änderung des Artikels 56 des Abkommens über die Internatio­nale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016 (313 d.B.) .............. 192

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (276 d.B.): Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Europäischen Satellitennavigationsprogramme (314 d.B.)      ............................................................................................................................. 192

RednerInnen:

Walter Rauch .............................................................................................................. 192

Melanie Erasim, MSc .................................................................................................. 193

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 194

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 194

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 195

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 196

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 313 und 314 d.B. .................................... 197

Beschlussfassung im Sinne des Art. 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 313 d.B. ................ 197

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (257 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das Funkanlagen-


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Marktüberwachungs-Gesetz, das Funker-Zeugnisgesetz 1998, das Postmarktge­setz, das Gebäude- und Wohnungsregister-Gesetz und das KommAustria-Ge­setz geändert werden (315 d.B.) ...................................................... 197

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 198

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 199

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 200

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 201

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 202

Philip Kucher .............................................................................................................. 204

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 207

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 208

Johann Singer ............................................................................................................ 208

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................... 209

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 210

Mario Lindner .............................................................................................................. 212

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Alarm-SMS im Katastrophenfall zum Schutz der Österreiche­rinnen und Österreicher!“ – Ablehnung  206, 213

Annahme des Gesetzentwurfes in 315 d.B. ................................................................. 212

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (274 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird (316 d.B.) ...................................................... 213

RednerInnen:

Erwin Angerer ............................................................................................................ 213

Konrad Antoni ............................................................................................................ 214

Franz Hörl ................................................................................................................... 215

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 216

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 217

Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 218

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 219

Annahme des Gesetzentwurfes in 316 d.B. ................................................................. 219

17. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (273 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz und das Seeschifffahrtsgesetz geändert werden (Schifffahrtsrechtsnovelle 2018) (317 d.B.) ...................................................................................................................... 220

RednerInnen:

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 220

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ............................................................................. 220

Johann Rädler ............................................................................................................ 221

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 222

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 222

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 223

Annahme des Gesetzentwurfes in 317 d.B. ................................................................. 224

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Verkäufe von Wohnungen durch gemeinnützige Bauverei­nigungen – Reihe BUND 2017/61 (III-66/303 d.B.)   ............................................................................................................................. 224


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 10

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Bezüge der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von gemeinnützigen Bauvereinigungen – Reihe BUND 2017/62 (III-67/304 d.B.) ............................................................................................................. 224

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend GESIBA Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesell­schaft – Reihe BUND 2017/63 (III-68/302 d.B.)           ............................................................................................................................. 224

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Internes Kontrollsystem bei Direktvergaben; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/41 (III-173/305 d.B.) ............................................................................................................................. 224

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 225

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 225

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 226

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 227

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .......................................................................................... 228

Johann Singer ............................................................................................................ 229

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 230

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 231

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 232

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 233

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 234

Alois Kainz .................................................................................................................. 234

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 235

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 236

Peter Gerstner ............................................................................................................ 237

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 238

Doris Margreiter ......................................................................................................... 239

Andreas Kollross ....................................................................................................... 240

Wolfgang Zanger (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 241

Kenntnisnahme der vier Berichte III-66, III-67, III-68 und III-173 d.B. ......................... 241

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Entwicklung ausgewählter Forschungsprogramme des Bundes – Reihe BUND 2018/12 (III-95/306 d.B.)           ............................................................................................................................. 242

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Österreichische Studentenförderungsstiftung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/22 (III-127/307 d.B.) ................................................................................................................ 242

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Neuaufnahmen, Vergabe und Löschung von Steuernum­mern und Umsatzsteueridentifikations-Nummern; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/23 (III-128/308 d.B.) ............................. 242

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Uni.PR – Verein zur Förderung der Öffentlichkeitsarbeit der österreichischen Universitäten – Reihe BUND 2018/25 (III-135/309 d.B.) ................................................................................. 24


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 11

2

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Auswirkungen des Kollektivvertrags für Arbeitnehme­rInnen der Universitäten; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/29 (III-140/310 d.B.) ................................................................................. 242

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Gartenbauzentrum Schönbrunn; Gewinnung von Orthofo­tos auf Ebene des Bundes – Reihe BUND 2018/39 (III-170/311 d.B.) ........................................................................................................... 242

28. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend FWF – Internes Kontrollsystem; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/40 (III-172/312 d.B.)                        242

RednerInnen:

Maria Großbauer ........................................................................................................ 243

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 244

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 245

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 246

Erwin Preiner .............................................................................................................. 247

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 248

Kenntnisnahme der sieben Berichte III-95, III-127, III-128, III-135, III-140, III-170 und III-172 d.B.            ............................................................................................................................. 249

29. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Bürgerinitiativen Nr. 20, 25, 45 und 46 (299 d.B.) ................................................................................... 249

RednerInnen:

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 250

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 250

Wolfgang Knes ........................................................................................................... 251

Petra Wagner .............................................................................................................. 253

Michael Bernhard ....................................................................................................... 253

Hermann Gahr ............................................................................................................ 255

Konrad Antoni ............................................................................................................ 255

Sandra Wassermann .................................................................................................. 256

Melanie Erasim, MSc .................................................................................................. 257

Christian Lausch ........................................................................................................ 258

Erwin Preiner .............................................................................................................. 259

Renate Gruber ............................................................................................................ 260

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 260

Mag. Dr. Martin Graf ................................................................................................... 262

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 299 d.B. ...................................................... 263

30. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geschäfts­ordnung des Nationalrates geändert wird (373/A)               ............................................................................................................................. 263

RednerInnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .......................................................................................... 263

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................... 264

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 264

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 264

Zuweisung des Antrages 373/A an den Geschäftsordnungsausschuss ...................... 265

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 41

Petition betreffend „Petition für ein wolfsfreies Salzburg“ (Ordnungsnummer 11) (überreicht vom Abgeordneten Franz Leonhard Eßl)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 12

Petition betreffend „KEIN Ausverkauf des Wassers“ (Ordnungsnummer 12) (über­reicht vom Abgeordneten Erwin Preiner)

Berichte ......................................................................................................................... 41

III 206: Gender-Gesundheitsbericht mit Schwerpunkt Psychische Gesundheit am Beispiel Depression und Suizid; BM f. Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz

III 207: Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft 2016 und 2017; BM f. Frauen, Familien und Jugend

III 208: Bericht betreffend Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2017; BM f. Nachhaltigkeit und Tourismus

Anträge der Abgeordneten

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend verbindliche Vorga­ben für die Mitgliedsstaaten zur Verwendung von Fördermitteln für soziale Dienste so­wie Mobilität im ländlichen Raum sowie für einen eigenen Frauenförderschwerpunkt in der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2021 (409/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Das digitale Bau­projekt (410/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haus der Kulturen (411/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aus- und Fortbildung für Staatsanwälte im Zusammenhang mit Umweltstrafrecht (412/A)(E)

Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erar­beitung von Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornographie und Gewalt im Internet (413/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Medienförde­rung in Österreich (414/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Be­seitigung der Ungleichstellung von Frauen im österreichischen Film (415/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung von Daten zu Versammlungen (416/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitale Akteneinsicht (417/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend technische Ausstattung von Gerichten (418/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines einheit­lichen e-Akts (419/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ambulante ICD10-Dia­gnostizierung für häufige Krankheiten (420/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Information und Prä­vention vor sexualisierter Gewalt und Belästigung (421/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung der psychischen Gewalt im Strafrecht (422/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 13

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Integrierte Finanzierung für das Diabetes-Programm „Therapie aktiv“ (423/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung zu­kunftsfähiger Mobilitätstechnologien (424/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung § 26 WGG (425/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zulassung von Quads mit einer Leistung von mehr als 15 kW (426/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Medienstellen bei Gerichten (427/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend jährliche Pensions­kontomitteilungen zur Bewusstseinsschaffung für Frauen (428/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Entpolitisierung der Entscheidungsprozesse bei der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) (429/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Dr. Irmgard Griss, Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau des Schutzes insbesondere von Frauen vor sexuellen Belästigungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen im Netz (430/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Selbstbehalte für Selbständige! (431/A)(E)

Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder, Mag. Roman Haider, Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle poli­tische Situation in Venezuela (432/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Entwicklung der Beitrags­grundlagen (2043/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Arbeiterkammer-Leistungs­karte (2044/J)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend „Zukunft der Arbeit“ (2045/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend „Ankündi­gung von Bundeskanzler Sebastian Kurz zur Reform der Pflege“ (2046/J)

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Nebenbeschäftigungen von IT-Mitarbeitern des Bundesamts für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung sowie des Bundeskriminalamts und der Landes­kriminalämter (2047/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einsatz von Grundwehrdienern für parteipolitische Zwecke (2048/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Angriff auf die Demonstrationsfreiheit (2049/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 14

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Belvedere: Brandschutz und Klimaanlage (2050/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMF (2051/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMVIT (2052/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Stellenbesetzung im Kompe­tenzbereich des BMASGK (2053/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Fa­milien und Jugend betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich der Bundesmi­nisterin für Frauen, Familie und Jugend (2054/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMEKKM (2055/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMEIA (2056/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMBWF (2057/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Stellen­besetzung im Kompetenzbereich des BKA (2058/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbe­reich des BMVRDJ (2059/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMDW (2060/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMI (2061/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMÖDS (2062/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMNT (2063/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Stellenbesetzung im Kompetenzbereich des BMLV (2064/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Schadenshöhe des Steuerbetrugs durch Cum-Ex-Geschäfte (2065/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Monopolverwaltung (2066/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 15

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Überprüfung von Hausdurchsuchungen (2067/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Anpassungen des Wahlrechts an das Internet-Zeitalter (2068/J)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die Zerstörung un­seres gut funktionierenden Gesundheitssystems durch die Kassenzentralisierung (2069/J)

*****

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Natio­nalrates betreffend Verleihung Dinghofer-Preis 2018 (19/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1516/AB zu 1538/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1517/AB zu 1550/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leicht­fried, Kolleginnen und Kollegen (1518/AB zu 1554/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen (1519/AB zu 1532/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen (1520/AB zu 1535/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1521/AB zu 1541/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1522/AB zu 1527/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen (1523/AB zu 1528/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf
die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1524/AB zu 1548/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (1525/AB zu 1530/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen (1526/AB zu 1533/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1527/AB zu 1542/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1528/AB zu 1544/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 16

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1529/AB zu 1546/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen (1530/AB zu 1534/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ni­kolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1531/AB zu 1540/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1532/AB zu 1551/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1533/AB zu 1552/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1534/AB zu 1536/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1535/AB zu 1549/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage
der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1536/AB zu 1547/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1537/AB zu 1560/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen (1538/AB zu 1562/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1539/AB zu 1545/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1540/AB zu 1543/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holz­leitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (1541/AB zu 1556/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1542/AB zu 1539/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1543/AB zu 1537/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1544/AB zu 1558/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (1545/AB zu 1563/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (1546/AB zu 1553/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1547/AB zu 1557/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 17

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1548/AB zu 1559/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (1549/AB zu 1561/J)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 18

09.05.04Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Ab­geordnete! Werte Damen und Herren auf der Zuschauergalerie, vor allem auch werte Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Ich darf Sie herzlich zur 43. Sitzung des National­rates begrüßen und die Sitzung damit auch eröffnen.

Die Amtlichen Protokolle der 41. und der 42. Sitzung vom 18. und vom 19. Oktober 2018 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Mag. Martin Engelberg, Walter Bacher, Petra Bayr, MA MLS, Dietmar Keck, Mag. Christian Kern und Hans-Jörg Jene­wein, MA.

09.05.40Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Bundesregierungsmitgliedern folgende Mitteilung gemacht:

Bundeskanzler Sebastian Kurz wird vertreten durch Vizekanzler Heinz-Christian Stra­che.

Betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem an­deren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, darf ich bekannt geben, dass Frau Minister Elisabeth Köstinger durch Frau Minister Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß vertreten wird.

*****

Ich darf bekannt geben, dass ORF 2 diese Sitzung bis 13 Uhr live überträgt, ORF III bis 19.15 Uhr; was darüber hinausgeht, wird zeitversetzt gesendet.

Ich darf weiters mitteilen, dass ein Fotograf der Parlamentsdirektion zu Dokumenta­tionszwecken fotografieren wird.

09.06.28Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Sozialversicherung Neu als Grundlage einer Gesundheitsreform“

Zu Wort gemeldet ist der Begründer, Klubobmann Rosenkranz; ich darf ihn darauf auf­merksam machen, dass seine Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


9.06.46

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! „Sozialversicherung Neu als Grundlage einer Gesundheitsreform“: Als aufmerksamer


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 19

Beobachter habe ich durch Jahre hindurch erlebt, wie es manchmal nach Wahlen, bei denen der eine oder andere Funktionär einer Partei nicht so erfolgreich war, geheißen hat, der kriegt jetzt einen Posten in der Sozialversicherung, den es vorher gar nicht ge­geben hat, den man neu extra für ihn geschaffen hat. Ja, das ist vielleicht - - (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) – Ja, gerade aus Ihren Reihen, den Reihen der Sozialdemokra­tie, wäre ich da ruhig. Ich habe mir an sich erspart, die Beispiele zu nennen; Sie kön­nen das minutiös am Nachmittag bei Ihrer Dringlichen haben, wenn Sie nervös sein sollten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) – Das ist von mir aus die leichtere Übung.

Das Zweite: Es war für mich immer ein Wunder, dass es für die rund acht Millionen Einwohner in Österreich ärztliche Verträge hinsichtlich Honorarleistungen gibt, die über das ganze Bundesgebiet hinweg nicht einheitlich sind; in einem Bundesland wird zum Beispiel die Nahtversorgung, die Wundversorgung nicht angerechnet, im anderen schon. Das war mir eigentlich nie klar, warum das so sein soll. – Das ist die schwerere Übung.

Aber: Wenn ich dann in Zeitungen auf Ombudsmannseiten von Fällen lese oder im Rundfunk davon höre, dass es Kinder gibt, die an seltenen schweren, lebensbedro­henden Krankheiten leiden, denen der behandelnde Arzt ein neues Medikament ver­schreibt, das am Markt und zugegebenermaßen sehr teuer ist, und es sich dann da­nach entscheidet, ob jemand 10 Kilometer westlich oder östlich einer Landesgrenze wohnt, je nachdem, bei welcher Kassa man versichert ist beziehungsweise die Eltern versichert sind, oder bei welcher berufsständischen Versicherung man versichert ist, ob das Kind dieses Medikament bekommt, dann ist das eigentlich ein absolut unhalt­barer und untragbarer Zustand, und auch das gehört geändert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Seit 30 Jahren steht die Zusammenfassung, die Zusammenlegung, die Einsparung im System der Krankenkassen in der öffentlichen Diskussion. Diese Bundesregierung, al­len voran Frau Bundesminister Hartinger-Klein, hat es jetzt endlich auf den Weg ge­bracht, den Startschuss gegeben, dass diese Verschlankung stattfindet.

Was wurde kritisiert, auch vom Rechnungshof? – Kompliziertes System, doppelgleisig, nicht transparent. Es hat sehr viel Hirnschmalz gebraucht, sehr viel Arbeitszeit, sehr viele Überlegungen, um dieses - - (Abg. Meinl-Reisinger: ... merkt man nicht!) – Was merken Sie nicht? Kein Hirnschmalz, was da drinnen ist? – Seien Sie nicht so despek­tierlich zu den Beamten, die sich da etwas ausmachen, zu den Gutachtern! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.) Das passt ganz genau zu den Gefällig­keitsgutachten, die Sie so haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Scherak.)

Es ist ein System geschaffen worden, das verfassungskonform ist; es hat zahlreiche Gutachter gegeben, die das überprüft haben. Und das passt manchen nicht. Ich kann Ihnen auch sagen, wem das in erster Linie nicht passt: Von den 2 000 bisherigen Funk­tionären gibt es nur mehr 480; also wenn ich die Grundrechnungsarten richtig be­herrsche, kann ich mir schon vorstellen, dass es zumindest 1 520 Protestanten auf den Straßen geben wird. (Abg. Loacker: ... katholisch ...!) – Si tacuisses.

So, die „Sozialversicherung [...] als Grundlage einer Gesundheitsreform“: Wenn Sie meinen, dass es eine Gesundheitsreform sein soll, dann sage ich Ihnen: Das ist es eben nicht. Es gibt sogar Experten, die via Rundfunk gesagt haben: Das ist keine Ge­sundheitsreform, das ist unerhört! – Ja richtig, das ist auch keine Gesundheitsreform; das ist eine Reform des Trägers, der die finanziellen Mittel für eine kommende und auch notwendige Gesundheitsreform zur Verfügung stellen müssen wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Da wird natürlich trefflich mit dem Apfel-und-Birnen-Spiel gearbeitet. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Da wird zum Beispiel in der Diskussion um die AUVA von Betriebs-


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räten in der Voest plakativ gesagt: Ein Wahnsinn, es gab bei einem Betriebsunfall Brandopfer, die müssen jetzt nach München geflogen werden, um behandelt zu wer­den, weil die AUVA eingespart hat! – Dass diese Behandlungsschiene (Abg. Wögin­ger: Schon lange vorher!) bereits vor Jahren so vereinbart worden ist, um Spezialisten in München zu haben und nicht in Linz, das wird jetzt auf einmal der Regierung in die Schuhe geschoben. Es ist mehr als unredlich, der Begriff Fake News drängt sich förmlich auf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es brauchen sich auch die bei den Sozialversicherungsträgern Angestellten nicht davor zu fürchten, dass sie von einem Tag auf den anderen auf einmal vor die Tür gesetzt werden. Es ist ein Prozess, im Rahmen dessen einfach irgendwann nicht mehr nach­besetzt wird; aber der Startschuss ist eben gefallen, damit sich das dann entsprechend einpendelt und die diversen Einsparungen dadurch erzielt werden können. Nur eines – und das ist ein dokumentierter Fall –: Wenn es so ist wie in einer Gebietskranken­kassa, wenn ein Patient ein Privathonorar einreicht und nachfragt, wie lange es unge­fähr dauern werde, und die Person, die am anderen Ende der Leitung, bei der Ge­bietskrankenkassa sitzt, sagt, das dauere jetzt ein bisschen länger wegen der Gesund­heitsreform von Bundesminister Hartinger, dann, muss ich sagen, ist der Bogen bei Weitem überspannt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da findet von Teilen des politischen Spektrums keine Debatte über die Sozialversiche­rung, sondern reine Sozialverunsicherung statt – und dies ist nicht geboten, weil sie nicht stattfindet. (Abg. Jarolim: Wer sagt das?)

Eine Diskussion entspinnt sich darum, dass es die Wirkungsorientierte Folgenabschät­zung gebe und diese die Einsparung von 1 Milliarde Euro nicht ausweise beziehungs­weise sich das nicht nachrechnen lasse. (Abg. Vogl: ... Rechnungshof!)  Ja, das sagt auch der Rechnungshof; da muss man sich ein bissl etwas einfallen lassen, weil da manche Expertise noch nicht so am Puls der Zeit sein dürfte. (Abg. Meinl-Reisinger: Unerhört! – Zwischenrufe der Abgeordneten Scherak und Deimek.)

Diese Analyse, die im Gesetz gefordert ist, betrifft nämlich die Einsparungen (Ruf bei der SPÖ: Sehr schlechte Rede! – Abg. Jarolim: Ahnungslos! – neuerlicher Ruf bei der SPÖ: Sehr schlechte Rede! – Abg. Wöginger: Lasst ihn halt einmal ausreden!), die für Gebietskörperschaften zu erzielen sind; die Einsparungen, die im System selbst ge­macht werden – Hauptverband, „Statistisches Handbuch“ –: 200 Millionen Euro pro Jahr, aufgrund einer einheitlichen Gebühreneinhebung und Gebührenkontrolle. Das sind in fünf Jahren bereits 1 Milliarde Euro, aber sie bleiben im System der Versiche­rungsanstalten und nicht beim Bund. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Und das ist das Geld, das dann für die Versicherten zwischen Neusiedler See und Bodensee – leistungsge­recht – zur Verfügung steht.

Weitere Dinge, etwa die sogenannte Regionalisierung in den Landesstellen: Die Lan­desstellen haben aufgrund der gegebenen Unklarheiten, Unsicherheiten und Unattrak­tivitäten die Möglichkeit, für die ärztliche Versorgung der Versicherten entsprechende Anreize zu geben. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) – Nur damit Sie, Kollege Jarolim, vielleicht eine Spur verstehen, bitte ich Sie jetzt, auf eine intellektuelle Reise mitzuge­hen, so schwer es auch fallen mag. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Jarolim.) Es gibt im Bezirk Mödling zehn Orthopäden, aber vielleicht keinen in einem Vorarlberger Bezirk. Da muss – als konkretes Beispiel – die Vorarlberger Lan­desstelle die Möglichkeit haben, Anreize zu schaffen, auch vom Honorar her, damit Or­thopäden sich dort ansiedeln; nicht damit die Ärzte mehr verdienen, sondern damit für alle Österreicherinnen und Österreicher, egal wo sie wohnen, Versorgungssicherheit hergestellt wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was wird noch kritisiert? – Im Verwaltungsrat, in dem alle Träger mit ihrem Spitzen­funktionär vertreten sind – es sind sechs an der Zahl –, soll es eine Rotation beim Vor-


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sitz geben. Da sagen die Unkenrufer: Das geht doch nicht, da muss man sich doch ein­arbeiten können und für längere Zeit im Vorsitz sein! – Nein, das ist nicht so; oder glauben Sie, dass die Bundesratspräsidenten im System der Rotation das nicht kön­nen?! (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Ich sage Ihnen eines: Wenn der Obmann einer dieser Versicherungsanstalten nicht in der Lage ist, für ein halbes Jahr so ein Gremium zu führen (Zwischenruf bei der SPÖ), dann ist er als Obmann einer solchen Versiche­rungsanstalt absolut fehl am Platz, weil das jeder Topmanager ganz locker können muss. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: Den Regierungsparteien ist es wichtig, hier bereits heute, am Morgen nachdem die Reform den Ministerrat passiert hat und da jetzt der parlamen­tarische Prozess beginnt, eines ganz klar zu sagen: Alles, was an Kritikpunkten kommt, wird sich in Luft auflösen. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Diese Regierung arbeitet verantwortungsvoll für die Leistungserbringer in den Versicherungsanstalten, sie müs­sen für ihre Beiträge in ganz Österreich die gleiche Leistung bekommen (Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner) – und das wird garantiert, da können Sie lachen, was Sie wollen. Es wird Ihnen dieses Lachen im Hals stecken bleiben, spätestens bei den nächsten Wahlergebnissen (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), wenn die Menschen in die­sem Land merken, wer in diesem Land Verunsicherung betreibt und wo tatsächlich
die Umsetzungen für die Menschen passieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

9.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir freuen uns, dass wir Vertreter der Berufs­schule für Baugewerbe Donaustadt auf unserer Galerie begrüßen dürfen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS sowie der Abg. Zadić. – Abg. Schieder: Vielleicht kann man denen nachher eine Schokolade geben für die grausli­che Rede!)

Im Rahmen eines Workshops der Arbeiterkammer ist eine Delegation von Betriebs­räten aus ganz Österreich da. – Herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin, ich darf ihr das Wort erteilen; die Re­dezeit soll ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte. (Abg. Jarolim: Schlech­teste Reform der Zweiten Republik! – Abg. Deimek: Er kennt sie noch nicht einmal, aber ...! – Abg. Rosenkranz: Aus dem Mund des Kollegen Jarolim klingt das wie Lob! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.)


9.17.41

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Da­men und Herren auf der Zusehergalerie! Ja, es ist gelungen, nach langer und umfas­sender Vorbereitung den Entwurf eines Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes heu­te im Ministerrat zu beschließen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Damit wird ein zentrales Projekt dieser Bundesregierung, nämlich die Zusammenle­gung der Sozialversicherungsträger, umgesetzt – eine schlanke und nachhaltige, effi­ziente Struktur für unsere Versicherten, für den Beginn einer Gesundheitsreform. Ich glaube, der wesentliche Vorteil liegt auf der Hand: weniger Geld für Bürokratie, für die Funktionäre und mehr Geld für Patienten und Ärzte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Welche Schreckgespenster dominieren aber die Medien? – Die UKHs werden ge­schlossen, die Leistungen werden gekürzt, die Selbstverwaltung wird aufgelöst, alles ist verfassungswidrig, 500 Millionen Euro in der AUVA einzusparen ist nicht möglich, eine Einsparung von 1 Milliarde Euro im Gesundheitssystem ist nicht möglich, Men-


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schen werden ihren Job verlieren. – Meine Damen und Herren, die Wahrheit schaut anders aus (Beifall bei FPÖ und ÖVP – Abg. Leichtfried: Das ist noch ärger!): Einer der fünf zukünftigen Sozialversicherungsträger wird die AUVA sein, und auch die UKHs bleiben, die Leistungen bleiben völlig unberührt, und trotzdem hat die Selbstverwaltung der AUVA ein Konzept vorgelegt und beschlossen, das in den nächsten Jahren annä­hernd 500 Millionen Euro zusätzlich möglich macht.

Mit dieser Organisationsreform verläuft es sehr, sehr ähnlich: Da wird behauptet, das Geld, das bisher über den Ausgleichsfonds des Hauptverbandes an die Gebietskran­kenkassen geflossen ist, wird zukünftig in den Regionen fehlen, der Strukturausgleich zwischen den Regionen kann ohne den Ausgleichsfonds nicht mehr stattfinden, und überhaupt kritisieren einige, dass es angeblich zehn statt bisher neun Krankenkassen geben wird. – Alles falsch, alles falsch! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Richtig ist, dass die Österreichische Gesundheitskasse die neun Gebietskrankenkas­sen ersetzen wird, alle Einnahmen der Österreichischen Gesundheitskasse für die Ver­sicherten in allen Bundesländern zur Verfügung stehen werden und so ein Struktur­ausgleich zustande kommt. Die Mittel aus dem Ausgleichsfonds gehen nicht verloren, sondern stehen als neu geschaffener Innovations- und Zielsteuerungsfonds den Lan­desstellen für regionale Projekte zur Verfügung. Das ist also auch schon ein Schritt in Richtung einer Gesundheitsreform auf Landesebene.

Es geistern noch einige Mythen durch die Medien: Von dieser Bundesregierung wer­den die Leistungen gekürzt und die Selbstverwaltung in der Krankenversicherung wird aufgelöst. (Abg. Vogl: Stimmt!) Doch jetzt: Die Selbstverwaltung wird nicht aufgelöst. Haben Sie Angst um Ihre Funktionäre, Herr Kollege? (Abg. Rosenkranz: Ja, natürlich!) Ihnen geht es anscheinend nur um die Funktionäre und nicht um die Patienten und Versicherten. Sie verlieren Macht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Sie machen das System teurer und schlechter! – Abg. Vogl: ... Mitbestimmung!)

Können Sie mir eine einzige Leistung nennen, die durch diese Organisationsreform ge­kürzt wird? – Nein, das können Sie nicht, denn die Leistungen werden nach wie vor von der Selbstverwaltung definiert. Da wird lustig draufloskritisiert, aber die Kritiker wi­dersprechen sich interessanterweise gegenseitig. (Abg. Wittmann: Die Arbeitnehmer müssen das bezahlen, was Sie verbrochen haben!) Richtig ist, dass es für gleiche Bei­träge zukünftig auch gleiche Leistungen gibt. Das ist immer eine Forderung gewesen. Wenn da manche kritisieren, wir haben jetzt eine Dreiklassenmedizin: Nein, Sie haben eine Zehnklassenmedizin geschaffen – neun Bundesländer und eine Privatversiche­rung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Sie verteuern das System!)

Richtig ist, dass die Zahl der Funktionäre und der Gremien durch diese Strukturreform drastisch reduziert wird. Entscheidungen werden schneller und effizienter sein – ich glaube, ich habe es schon einmal im Hohen Haus gesagt –, bis dato hat man über alle Sozialversicherungsträger 54 Beschlüsse gebraucht, was ein halbes Jahr gedauert hat. Bitte, ist das effizient? (Abg. Rosenkranz: Nein!) – Das ist nicht effizient, richtig, Herr Klubobmann, und das wollen wir verändern, damit es klare, transparente Entschei­dungsstrukturen gibt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ja, und dann gibt es natürlich auch den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit. Dem trete ich mit aller Entschiedenheit entgegen. Ich habe ganz klare Anweisungen gegeben: keine Experimente. Mir haben drei verschiedene Verfassungsrechtler erklärt, dass die­se Organisationsreform nach menschlichem Ermessen verfassungskonform ist. (Abg. Stöger: Namen! Wer?) Verfassungsrechtliche Gutachten bestätigen dies eindrucksvoll. (Abg. Stöger: Wer war das?)

Was wir weiter umsetzen werden, ist die gemeinsame Prüfung, die gemeinsame Prü­fung der Unternehmen. Hinsichtlich Steuer wird von der Finanzverwaltung geprüft und


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hinsichtlich Sozialversicherungsbeiträgen ebenfalls – mit den Experten der Sozialversi­cherung. Das heißt, die Unternehmer werden künftig von beiden Teams gleichzeitig geprüft, und das spart natürlich den Unternehmen viel Aufwand und viel Unruhe. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Firmen jedoch, die einen etwas lockeren Umgang mit der Steuergesetzgebung haben, erwischt man zukünftig gleich auch noch im Zusammenhang mit der Sozialversicherung; das heißt, auch da gehen wir effizienter vor.

Etwas kurios mutet eine andere behauptete Verfassungswidrigkeit an. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Es wird behauptet, die paritätische Besetzung des Verwaltungsrates der neuen Gesundheitskasse wäre verfassungswidrig, weil die Dienstgeber gar nicht bei dieser Kasse versichert sind. Das mag zwar stimmen, aber die Dienstgeber sind auch bei den heutigen Gebietskrankenkassen nicht versichert und hatten bisher in der Kontrollversammlung, wie Sie wissen, die Mehrheit – und trotzdem hat die Gewerk­schaft dies nie kritisiert. Dass die heutigen Gremien deshalb verfassungswidrig sein sollen, ist mir und auch vielen Verfassungsjuristen unerklärlich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Dann lassen Sie es sich vom Verfassungsgerichtshof erklären!)

Ein dritter Punkt wird auch immer auf das Heftigste kritisiert: In diesem Gesetz wird das Aufsichtsrecht des Bundes moderat und nachhaltig gestärkt. In den Zeitungen liest sich das wie der Untergang des Abendlandes, aber ich werde Ihnen einige Beispiele brin­gen, warum das kein Untergang ist, sondern – im Gegenteil – die Effizienz gesteigert wird. Zum einen hat sich im letzten Jahr die Unsitte breitgemacht, statt auf dem Ver­handlungsweg die beste Lösung zu suchen, mittels Überraschungsmoment Fakten zu schaffen und immer wieder heikle Punkte im letzten Moment als Tischvorlage zur Abstimmung zu bringen. Da muss natürlich der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit ge­geben werden, die Unterlagen entsprechend zu prüfen, und deshalb ist es ein Ansin­nen, das – wenn das kurzfristig als Tischvorlage eingebracht wird – auf die nächste Ta­gesordnung zu bringen, das zu vertagen. – Das ist der Untergang des Abendlandes; ich sehe ihn nicht. Um solche Probleme in Zukunft hintanzuhalten, sieht die Organisa­tionsreform vor, dass die Aufsichtsbehörde verlangen kann, die Beschlussfassung über einen Tagesordnungspunkt zu vertagen, und das zwei Mal.

Im zweiten Beispiel geht es darum, dass die Aufsichtsbehörde im Rahmen der Bal­anced Scorecard – das ist eine Zielsteuerung – gemeinsam mit der Sozialversicherung Ziele vereinbaren kann, die dann den Handlungsspielraum der Selbstverwaltung ein­schränken. Das klingt sehr technisch, ich weiß, und deshalb bringe ich Ihnen einen Vergleich aus anderen Selbstverwaltungskörpern, den Gemeinden: Wenn sich die Ge­meinden gemeinsam mit der Aufsichtsbehörde auf eine Umfahrungsstraße geeinigt ha­ben, kann die Gemeinde dort nicht einen neuen Kinderspielplatz errichten. Wird die Gemeinde in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt? – Klares Ja. Ist das aber auch das Ende der Selbstverwaltung? – Wohl kaum.

Das Bundesministerium für Finanzen ist zukünftig in wichtigen Fragen der Zweckmä­ßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch die Aufsichtsbehörde der neuen Ös­terreichischen Gesundheitskasse. Da es diese Funktion bisher bereits bei der Pensi­onsversicherungsanstalt, der SVA, der SVB, der VAEB und der BVA innehatte, kann ich nicht nachvollziehen, warum das jetzt bei der Österreichischen Gesundheitskasse ein Problem sein sollte. (Abg. Leichtfried: Das ist ja das Problem, dass Sie das nicht nachvollziehen können!) Immerhin erhält die Krankenversicherung ja auch einige Mittel aus dem Bundesbudget.

Kommen wir abschließend noch zur Frage der finanziellen Auswirkung. Fakt ist, dass die Regierung den Unfallversicherungsbeitrag senkt und dadurch weniger Gelder ins System kommen. Das begründet sich einerseits mit den notwendigen Reformen in der


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AUVA und auch mit der zurückgehenden Zahl der Arbeitsunfälle. Anfangs hat auch dort niemand an eine Einsparung im Ausmaß von 500 Millionen Euro geglaubt, bis die Selbstverwaltung es in eingehenden Konzepten beschlossen hat.

Ach ja, und dann gibt es auch noch das Thema der einmaligen Zahlung der 14,7 Mil­lionen Euro an den Prikraf, das sei zu viel. – Na, wenn er es als Einzelner bekommt, vielleicht schon, aber im gesamten Budget ist das nicht sehr viel. Dazu noch zwei De­tails: Der Prikraf finanziert damit ausschließlich – und ich betone: ausschließlich – Leis­tungen, die jedermann, auch in der sozialen Krankenversicherung, in Anspruch neh­men kann. (Abg. Drozda: Schönheitsoperationen!) – Nein, die werden von der Sozial­versicherung nicht finanziert. Ich glaube, Herr Kollege, das wissen Sie. (Abg. Ro­senkranz: Woher wissen Sie das, Kollege Drozda? Haben Sie schon eine hinter sich?)

Private Krankenanstalten betreuen im Jahr circa 100 000 Personen. Alle anderen Zah­len, die Ihnen die Opposition vorzurechnen versucht, betreffen Gelder, die nur inner­halb der Sozialversicherung verschoben werden. (Abg. Rossmann: Verschiebebahn­hof!) Die kann man herrlich zu einer richtigen Horrorzahl addieren, mit der Realität hat das allerdings nichts zu tun.

Schauen Sie sich einmal die Unterlagen an! Das sind locker, glaube ich, 1 500 Seiten. Ich habe sie schon gelesen, ich weiß, was die Möglichkeit einer Zusammenlegung be­deutet, was Kosten- und Effizienzpotenziale betrifft. Lesen Sie diese Unterlagen ein­mal, dann können Sie mitdiskutieren! Mir ist wichtig, dass jeder Cent für die Ver­sicherten eingesetzt wird und nicht für ineffiziente Verwaltung und Funktionäre. – Dan­ke, Herr Präsident. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schieder: Was ist eigentlich mit dem Rechnungshof? – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

9.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Ge­schäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wöginger. – Bitte.


9.29.35

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist wichtig, der Bevölkerung einige Punkte mitzugeben und einige Klarstellungen vorzunehmen: Wir haben heute im Mi­nisterrat die größte Strukturreform im Bereich der Sozialversicherung, die es je in die­ser Republik gegeben hat, auf den Weg gebracht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt das 17. Mal!) Es ist eine Strukturreform und keine Ge­sundheitsreform. Wir setzen das um, was wir zugesagt haben. Das, was wir im Regie­rungsprogramm, versprochen haben, bilden wir im Ministerratsvortrag ab.

Wir reduzieren die Trägerlandschaft von 21 auf fünf. (Abg. Loacker: Im Regierungs­programm steht ein Pensionsversicherungsträger! – Abg. Rendi-Wagner: 15 KFAs ha­ben Sie vergessen!) Warum – das sollte man durchaus ansprechen – machen wir das, meine Damen und Herren? – Weil das derzeitige System seine Mängel hat. Wir haben überfüllte Ambulanzen, wir haben Wartezeiten.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Region, aus dem Innviertel: Glauben Sie wirk­lich, dass es lustig ist, wenn die Bevölkerung bei uns im Innviertel bis zu zehn Monate auf einen Augenarzttermin warten muss? (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Darüber sagen Sie, dass das das beste System ist, das es jemals gegeben hat?! – Das ist es nicht, meine Damen und Herren! Das ist es nicht, und deshalb müssen wir es refor­mieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Das wird jetzt schlechter! – Abg. Rendi-Wagner: Was verbessern Sie?) Wir haben zu wenige Fachärzte im ländlichen Raum. (Zwischenruf des Abg. Stöger.)


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Jetzt zum Gremiendesaster, das diskutiert wird – das ist an und für sich eine Hausver­standsrechnung –: Wenn wir die Gremien reduzieren, dann werden auch die Mitglieder in den jeweiligen Gremien weniger (Abg. Deimek: Der Wimmer sollte es eigentlich wis­sen!) – das versteht man an und für sich, wenn man die Pflichtschule erfolgreich ab­solviert hat (Zwischenruf des Abg. Rainer Wimmer) –, das heißt, wir haben drei Viertel weniger Mitglieder in den Gremien, in den Verwaltungsräten.

Wissen Sie, warum das notwendig ist? – Weil wir über 50 Beschlüsse gebraucht ha­ben, um ein Gesetz durch die Trägerkonferenz zu bringen. Wir haben hier herinnen Gesetze beschlossen – sogar gemeinsam –, und es hat über ein Jahr gedauert, bis die Umsetzung bei den Patientinnen und Patienten angekommen ist. So kann es nicht wei­tergehen, und deshalb müssen wir schneller werden, meine Damen und Herren. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir bilden diese Milliarde bis Ende 2023 ab. Wenn Kollege Stöger schon 2009 einen Ministerratsvortrag eingebracht hat, in dem er gesagt hat, wir können in den nächsten Jahren über 1 Milliarde Euro einsparen – was dann auch erfolgreich passiert ist (Abg. Stöger: Genau!) –, dann frage ich mich, warum das jetzt nicht der Fall sein soll. (Abg. Stöger: Weil wir es schon getan haben!) Und auch die sündteure Studie, die noch in Auftrag gegeben wurde, sagt ja aus, dass Einsparungen von 1 Milliarde Euro im Sys­tem locker zu erbringen sind. Der Rechnungshof weist uns darauf hin. (Abg. Leicht­fried: Wieso tun Sie es dann nicht?) Nur was der Rechnungshof nicht beachtet hat, ist, dass wir das Geld im System lassen, wir lassen es bei den Patientinnen und Patienten. (Abg. Rossmann: Das ist doch keine Einsparung!) Uns ist wichtig, dass die Struktur für die Versicherten besser wird. Meine Damen und Herren, das wollen wir! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir nehmen dieses Geld nicht heraus, wir belassen es im System, weil es notwendig ist, um die Wartezeiten wegzubringen, um der Tatsache der überfüllten Ambulanzen entgegenzutreten und um mehr Fachärzte in den ländlichen Raum zu bringen. Das ist unser Grundsatz für diese Strukturreform der Sozialversicherung. Die Menschen wer­den es uns danken, wenn nämlich genau das eintritt, was wir mit dieser Reform auch erreichen wollen, nämlich dass wir die Situation für sie allgemein verbessern können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Natürlich kann man einsparen: Wir haben zu viele Rechenkreise, wir haben zu wenig gemeinsames Management im gesamten Bereich der Standardisierung, der IT. Wir haben auch gesagt, es gibt eine Jobgarantie – ich kann Sie wirklich nur bitten und er­suchen, mit diesen Unwahrheiten aufzuhören –; wir haben den fast 29 000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern der Sozialversicherung eine Jobgarantie gegeben. Wir werden aber nicht jeden Posten nachbesetzen, wenn Mitarbeiter der Sozialversicherung durch natürliche Pensionsabgänge ausscheiden. Warum nicht? – Weil wir das nicht mehr brauchen, wenn wir die Strukturen zusammenführen. Das kapiert an und für sich auch jeder Mensch in der Republik (Abg. Rosenkranz: Nicht alle!), dass dann nicht mehr so viele Mitarbeiter benötigt werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Höbart: Die NEOS wollen verstaatlichen! Interessant!)

Abschließend ist es mir wichtig, zu betonen, dass wir dem Parlament einen aus unse­rer Sicht verfassungskonformen Gesetzentwurf zuweisen. Das hat heute auch Profes­sor Raschauer bestätigt, das bestätigt auch der Verfassungsdienst. Ich bedanke mich bei all jenen – Frau Sozialministerin, in erster Linie bei deinem Kabinett, aber auch bei den MitarbeiterInnen der Parlamentsklubs von FPÖ und ÖVP –, die in den letzten Ta­gen und Wochen sehr viel Arbeit geleistet haben. Da wurde hervorragende Arbeit ge­leistet.

Ich appelliere an alle, diese Strukturreform im Sinne der Versicherten dieses Landes mitzutragen und sie letzten Endes auch umzusetzen. Meine Damen und Herren (eine


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Tafel mit der Aufschrift: „Nur noch 3 Tage, bis wir niemanden mehr behandeln kön­nen!“, in die Höhe haltend), hören Sie auf, Unwahrheiten zu verbreiten, dass in drei Ta­gen ein Krankenhaus geschlossen wird! Wir schließen keine Spitäler, wir kürzen keine Leistungen. (Ruf bei der SPÖ: Ja, ja!) Diese Unwahrheiten, meine Damen und Herren von der SPÖ, werden genauso zusammenbrechen, wie derzeit Ihre Parteistruktur zu­sammenbricht. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

9.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.


9.35.22

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn wir hier über politische Entscheidungen und Maßnahmen diskutieren, dann ist sehr oft von Zahlen, Statistiken, technischen Notwendigkeiten und auch von strukturellen Anpas­sungen die Rede, und am Schluss kommt dann oft das klingende Wort Reform heraus.

Fragen wir uns bei diesen Überlegungen und Diskussionen, warum wir etwas verän­dern und reformieren sollten, und fragen wir uns vor allem auch, für wen wir hier etwas reformieren sollten! Wer heute zugehört hat, was Sie von den Regierungsparteien bereits gesagt haben, hat viele Namen für das Vorhaben, das heute diskutiert wird, gehört – von Organisationsreform über Sozialversicherungsreform, Gesundheitsreform bis zu Strukturreform. – Ich glaube, Sie wissen nicht ganz genau, warum und für wen Sie hier reformieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Wir wissen es eh, aber ihr habt es nicht ...! – Abg. Deimek: Wir wissen es!)

Wenn es heute um eine Reform im Gesundheitsbereich gehen soll – aus meiner Sicht, das können Sie wohl nicht absprechen –, dann sollten wir vor allem eine Gruppe im Auge und im Blick haben: Was verbessert Ihr Vorhaben, Ihr Vorschlag für die Patien­tinnen und Patienten in diesem Land? Im zweiten Schritt sollten wir auch daran den­ken, was sich für das Gesundheitspersonal in diesem Land, für die Krankenpfle­gerinnen und Krankenpfleger, für die Therapeutinnen und Therapeuten und für die Ärz­te und Ärztinnen, verbessert.

Wenn wir also an eine echte Reform, wie immer Sie diese jetzt hier benennen, denken, stellen sich eigentlich sehr einfache Fragen: Wird die Leistung im Bereich der Ge­sundheitsversorgung für alle Menschen in diesem Land besser? (Abg. Rosenkranz: Ja!) Verringern wir Probleme wie Wartezeiten auf Untersuchungen, Operationen und Arzttermine? (Abg. Rosenkranz: Ja! – Abg. Deimek: Ja! Vereinheitlicht nach oben!) Gibt es damit mehr Möglichkeiten im Sinne einer sinnvollen Prävention und Gesund­heitsförderung (Ruf bei der FPÖ: Ja!), dass Menschen gar nicht erst krank werden? Gibt es mit Ihrem Vorhaben für den Bauarbeiter in Bregenz die gleiche Leistung im Krankheitsfall oder wenn er zum Zahnarzt geht, wie für uns Politikerinnen und Politiker oder für Beamte in Bregenz? (Abg. Drozda: Nein!) Das sind die Fragen, die Sie sich stellen sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das hängt von der Privatver­sicherung vom Herrn Jarolim ab! – Abg. Belakowitsch: Das war aber eine Kritik am Stöger, oder?)

Wenn wir uns in der Politik an eine Reform machen, dann gibt es immer zwei, drei Benchmarks, die wir im Auge haben sollten und an denen wir uns ausrichten sollten: Das ist zum Beispiel die Kindergärtnerin in der Steiermark, die auf einen Magnetre­sonanztermin wartet (Abg. Haider: Nach zwölf Jahren SPÖ-Sozialminister! – Abg. Deimek: Wenn die Dame woanders wohnt, hat sie einen Termin in zwei Wochen! Das ist SPÖ!), das ist der Pensionist in Tirol, der mit Herzbeschwerden und Atemnot akut in das Spital eingeliefert wird und sich erwartet, rasch und gut versorgt zu werden, und es


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ist die Familie, die am Wochenende mit ihrem Kind einen Sonntagsausflug macht und einen Radunfall hat.

Die Frage an die Politik ist ganz einfach, sehr geehrte Damen und Herren: Machen wir die Situation all dieser Menschen mit ihren verschiedenen Problemen und Bedürfnis­sen besser, machen wir sie nicht besser, oder – vielleicht ganz das Gegenteil – ver­schlechtern wir die Situation der verschiedenen Menschen in diesem Land?

Wenn es besser wird, sehr geehrte Frau Bundesministerin, werden wir Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten alles mittragen, was dazu beiträgt; keine Frage. (Bun­desministerin Hartinger-Klein: Sehr schön! – Abg. Deimek: Dann könnt ihr schon zu­stimmen! – Abg. Rosenkranz: Ihr könnt zustimmen!) Wenn es für diese Menschen aber nicht besser wird, dann stellt sich für mich die Frage, warum wir da mitmachen sollten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wir alle kennen die große Kritik des Rechnungshofes an den Berechnungen, die Sie vorgelegt haben. Wir kennen auch die Bedenken der Verfassungsexperten in diesem Land, was die Verschiebungen im Bereich der Selbstverwaltung betrifft. Das ist meiner Meinung nach aber nur ein Teil der Kritik. Der große Vorwurf lautet: Das, was Sie hier vorlegen, verbessert die Situation der Menschen in diesem Land nicht (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Deimek), denn es ist nicht gerecht, wenn der burgenlän­dische Bauarbeiter, wenn er zum Zahnarzt geht, wenn er eine Physiotherapie bean­tragt oder einen Wahlarzt in Anspruch nimmt (Abg. Deimek: Sauber!), eine schlechtere Leistung bekommt als Sie, als wir PolitikerInnen hier, weil wir eine andere Versiche­rung haben, nämlich die BVA, die bald anders genannt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Warum ist das so? – Abg. Rosenkranz: Und warum ist das so? Ist das erst jetzt so oder ist das schon länger so?) Ich sage Ihnen: Die Zähne, die Psyche, der Bewegungsapparat des burgenländischen Bauarbeiters sind nicht weniger wert als Ihre Psyche, Ihr Bewegungsapparat und Ihre Gesundheit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: Wieso habt ihr das nicht abgeschafft?)

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie werden es hoffentlich verstehen und es wird Sie nicht überraschen, dass wir diesen Weg nicht mit Ihnen gehen werden. Für meine Partei und für mich gilt: Wir wollen, dass in Österreich alle Menschen die gleiche Chance haben, glücklich zu werden! (Zwischenrufe der Abgeordneten Neubauer und Haubner.) Dazu braucht es eine gute Bildung, es braucht eine gute Ausbildung, ein Einkommen, von dem man leben kann (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und es braucht medizinische Versorgung auf einem Topniveau (Abg. Hauser: Totalversagen!) – nicht nur heute, sondern auch in Zukunft –, dass man gesund bleibt und rasch gesund wird, wenn man erkrankt. (Zwischenruf des Abg. Haider.) Das sind ganz einfache Grundsätze, an denen wir in der Sozialdemokratie politische Vorschläge messen. (Abg. Lausch: Ihnen geht es nur um die Funktionäre!)

Wir verstehen Politik so, dass wir den Menschen in Österreich das Leben erleichtern und Hindernisse aus dem Weg räumen, zur freien Gestaltung ihres Glücks. Daher sind wir bei jeder Reform dabei, die genau das unterstützt. (Abg. Rosenkranz: Das haben wir gemerkt!) – Ihre Vorschläge hingegen tun das nicht. (Abg. Zanger: Wie lang darf die reden?! Abg. Haubner: Zeit!) Wir lehnen das ab, weil wir hier im Parlament für acht Millionen Österreicherinnen und Österreicher verantwortlich sind (Ruf bei der FPÖ: Na, für eure Funktionäre!); sie haben sich die beste Gesundheitsversorgung ver­dient, sehr geehrte Damen und Herren! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: So eine fade Rede! ... fehlt Emotion!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 28

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bela­kowitsch. Ich darf ihr das Wort erteilen.


9.41.50

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, das ist heute ein - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Warten Sie noch ein bisschen! Die Zeit läuft noch nicht.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Danke für Ihren Auftrittsap­plaus! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist heute ein guter Tag. Meine Vorrednerin hat ja gerade den Istzustand beschrieben, wie dieses System in Österreich funktioniert – ein Mehr­klassensystem, dank der jahrzehntelangen sozialistischen Gesundheits- und Sozialmi­nister. Genau das Problem haben wir. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Genau das, Frau Kollegin Rendi-Wagner, ist ja der Grund, warum es diese Reformen unbedingt auch braucht: weil wir ein Mehrklassensystem haben – und jeder Mensch, der mit offenen Augen durch die Straßen geht, sieht das ja auch, die Privatinstitute, die in den letzten Jahrzehnten wie die Schwammerln aus dem Boden geschossen sind. Wer es sich leisten konnte, hat alles bekommen, und alle anderen haben dann halt schauen müssen, wo sie bleiben – mit oft monatelangen Wartezeiten, mit völlig unter­schiedlichen Leistungen, je nachdem, wo sie versichert sind, in welchem Bundesland sie gewohnt haben. Und genau dem muss ein Ende gesetzt werden! (Abg. Meinl-Rei­singer: Das ändert sich nicht!) – Was wir heute hier haben, ist die Strukturreform, das ist der erste Schritt, Frau Kollegin. Das bedeutet ein Einläuten des Endes dieser macht- und parteipolitischen Strukturen, die wir in der Sozialversicherung haben. Ge­nau das ist so dringend notwendig! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich zurückerinnern – es ist ungefähr zwei Jahre her, da war es in allen Medien –: Man hat ewig lange Wartezeiten, um beispielsweise ein CT oder ein MR zu bekommen. Die Politik hat keinerlei Einfluss gehabt, weil die sogenannte Selbstverwaltung, die politisch besetzte Selbstverwaltung von Schwarz und Rot im Hauptverband, gesagt hat: Njet! Da hat sich der Gesundheitsausschuss auf den Kopf stellen können, es ist einfach nicht passiert. Und genau deshalb brauchen wir diese Reform, denn die Selbstverwaltung ist gut und richtig und wir greifen sie auch nicht an. Die Selbstverwaltung soll bleiben, allerdings muss die Selbstverwaltung so geführt werden, dass sie a) lenkbar ist und b) den Patienten im Auge hat, und dass die Strukturen schlank werden.

Natürlich hat man – und das sagt einem der Hausverstand –, wenn es statt neun Ge­bietskrankenkassen nur noch eine Österreichische Gesundheitskasse gibt, weniger Funktionäre, eine schlankere Struktur und ist damit natürlich auch wendiger und sehr viel schneller. Genau das muss es sein. Es darf nie wieder zu Situationen kommen, dass Menschen notwendige Untersuchungen nicht bekommen oder Wartezeiten von drei Monaten und länger haben. Es darf nicht mehr passieren, dass ein zwölfjähriges Kind vom Tode bedroht ist, weil der Hauptverband, weil die Krankenkasse sagt, das Medikament sei zu teuer. (Abg. Rosenkranz: Genau! So ist es!) Diese Situationen gehören mit dem heutigen Tag der Vergangenheit an. Darum geht es, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Genau deshalb ist diese Reform so notwendig, so wichtig und so richtig. Es geht nicht mehr um Machtspiele in der Sozialpartnerschaft, deren Vertreter meinen, der Haupt­verband ist der verlängerte Arm der Sozialpartnerschaft. – Nein, es geht um den Pa­tienten, es geht darum, in dieser Struktur auch einzusparen, das Geld aber im System zu lassen.


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Was heißt denn das? Wo sind denn die Probleme? Was sind denn die Sorgen der Ös­terreicherinnen und Österreicher? – Dass sie lange Wartezeiten haben, wenn sie zum Facharzt gehen müssen, dass sie überhaupt in eine Ambulanz kommen, dass sie abgewiesen werden, dass sie im Fall des Falles eben nicht ordentlich versorgt werden. (Zwischenruf des Abg. Zinggl.) Das sind die Sorgen der Menschen in diesem Land, und diese Sorgen nehmen wir ernst. Genau da müssen wir ansetzen! Es darf nicht sein, dass Menschen Angst haben, dass sie im Krankheitsfall nicht die passende Ver­sorgung bekommen. Da müssen wir ansetzen!

Wir wissen, dass wir ein Problem mit Fachärzten, mit Hausärzten haben – nicht nur im ländlichen Raum, auch in den Ballungszentren haben wir Probleme mit vielen Fachärz­ten. Es gibt zu wenige, die sich dazu entschließen, einen Kassenvertrag zu nehmen. Nicht jeder kann sich den Wahlarzt oder den Privatarzt leisten. Und genau das wollen wir: Wir wollen, dass es endlich wieder mehr Kassenstellen gibt, dass die Jungärzte, dass die Ärzte auch einen Kassenvertrag annehmen, um die Versorgung der Bevöl­kerung zu garantieren und sicherzustellen (Beifall bei FPÖ und ÖVP), dass jeder Mensch in diesem Land, wenn er es braucht, einen Termin beim Kassenarzt bekommt, dass es eben nicht davon abhängig ist, ob man es sich leisten kann, dass jeder die Versorgung bekommt, die er braucht.

Genau deshalb braucht es zunächst die Strukturreform, um die Strukturen zu schaffen, damit wir dann in einem weiteren, in einem nächsten Schritt eine Gesundheitsreform aufsetzen können. Die Gelder, die wir jetzt mit dieser Strukturreform einsparen, die sollen ja genau in diesem System bleiben, das heißt, nicht für Funktionäre, für macht­politische Spiele ausgegeben werden. – Nein, sie bleiben im System, für die Patienten und natürlich auch – weil Sie es angesprochen haben – für das Gesundheitspersonal (Zwischenruf des Abg. Krist), für alle, die in diesem System tätig sind. Dass die Ho­norare der Ärzte angepasst werden, damit wir Ärzte finden, die auch aufs Land gehen und dort eine Ordination aufmachen, damit die Menschen, die am Land leben, auch einen wohnortnahen Arzt haben, das ist doch das, was die Menschen wollen. Das kön­nen Sie doch nicht abstreiten, das wollen Sie doch letztlich auch!

Aber Sie wissen doch genau: In den letzten Jahren ist es anders gelaufen. Das ist ja genau das Problem, der Grund, warum wir einen Ärztemangel haben, warum wir lange Wartezeiten haben, warum wir Unzufriedenheit haben – und auch, warum schon der ehemalige Sozialminister eine Studie in Auftrag gegeben hat, die letztlich zu dem Schluss gekommen ist, dass eine Zusammenlegung der Krankenkassen sinnvoll ist, weil es eben zu Einsparungen führt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Stöger: Lesen hilft!) Sie haben es dann am Weg liegen lassen, und jetzt sind Sie beleidigt, weil wir den Ball aufgegriffen haben und jetzt genau das umsetzen, was Sie nicht zusammen­gebracht haben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger. – Bitte.


9.47.49

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich finde es eigentlich mutig von der FPÖ, von Herrn Klubobmann Rosenkranz, diese Ak­tuelle Stunde heute einzuläuten (Abg. Belakowitsch: Wir haben ja nichts zu verber­gen!), denn eigentlich haben alle Medien und auch der Rechnungshof – darauf werde ich dann auch eingehen, dass Sie die Kritik einfach vom Tisch wischen und durchaus auch die Rechnungshofpräsidentin diffamieren – konstatiert, dass das, was Sie am 14.9. präsentiert haben, nichts anderes als eine große Zaubershow war.


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Es gab also am 14. September eine Zaubershow, bei der sich Kanzler, Vizekanzler, die Bundesministerin und, ich glaube, Herr Klubobmann Wöginger (Abg. Belakowitsch – in Richtung Abg. Wöginger –: Hast du gezaubert?) vor die Medien hingestellt und groß etwas verkündet haben, so quasi den Einsparungshasen aus dem Hut gezaubert haben (Abg. Rosenkranz: Das waren jetzt vier super Politiker ...!), den weißen Hasen, der ein Label getragen hat, auf dem gestanden ist: 1 Milliarde. Alle haben gesagt: Ver­schlankung des Systems, aus der Funktionärsmilliarde machen wir jetzt eine Patien­tenmilliarde! (Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Belakowitsch.) – Das ist nichts anderes als Hokuspokus, und das wissen Sie! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wöginger: Vom Baum zum Hasen! – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Sie haben das natürlich so präsentiert, dass diese Tausenden Seiten nicht sofort von den Medien gelesen werden konnten und sozusagen die Verpackung und die Schleif­chen im Vordergrund gestanden sind. Ich finde es ein bisschen – verzeihen Sie! – bil­lig, zu sagen, niemand von uns hätte das gelesen, denn Kollege Loacker war einer der Ersten (Abg. Kitzmüller: Dem glauben wir es eh! – Abg. Wöginger: Dem glauben wir es!), der dann sofort, zwei Tage später, vorgerechnet hat, dass das Hokuspokus ist, dass von diesen Einsparungen, die Sie angeblich den Patientinnen und Patienten zu­rückgeben, nichts, aber auch wirklich nichts übrig bleibt.

Es gab dann auch im „Standard“ einen Faktencheck – können Sie beleidigt vom Tisch wischen –, wo Klubobmann Wöginger und Klubobmann Rosenkranz Kollegen Loacker auf seine Kritik hin vorgeworfen haben, dass er „‚ein Zeugnis fachlicher Inkompetenz‘“ abgebe, denn „jeder Parlamentarier müsse wissen, ‚dass in Begutachtungsentwürfen stets nur die finanziellen Auswirkungen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fest­gehalten werden‘“. – Das ist zwei Tage später Ihre Aussage, Herr Wöginger. (Ruf bei der FPÖ: Zum Thema!) Der „Standard“ sagt Ihnen klar: Das ist falsch! (Abg. Rosen­kranz: Der „Standard“?! Na bumsti! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Na gut, ja! Schauen Sie, das ist halt das Problem, wenn Sie sich hinstellen, sich mitt­lerweile von den Fakten weit entfernt haben und nur noch mit Zaubershows, Verpa­ckungen und Marketinggags agieren: Das ist eine unfassbare Überheblichkeit! (Zwi­schenruf des Abg. Nehammer.) Sie wissen, dass nach dem Haushaltsgesetz sehr wohl auch die Auswirkungen in den Sozialversicherungsträgern auszuweisen sind, und wenn da keine Auswirkungen nachvollziehbar sind, dann gibt es sie nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wöginger: Jetzt lesen Sie einmal den neuen Entwurf!) Das haben ja nicht nur der „Standard“ und Herr Kollege Loacker gesagt – das könnte man ja abtun und sagen, Sie sind so beleidigt, dass Sie irgend­jemand kritisiert! –, sondern das hat auch der Rechnungshof gesagt. (Abg. Neham­mer: Ah geh!) Er hat in seiner betont sachlichen Art gesagt: Wir können diese Ein­sparungen nicht nachvollziehen, selbst die 33 Millionen Euro sind für uns nicht nach­vollziehbar!

Was passiert dann? – Herr Kollege Rosenkranz, das ist wirklich symptomatisch für die Art und Weise, wie die FPÖ Politik macht: Sie diffamieren den Rechnungshof, Sie diffa­mieren die Rechnungshofpräsidentin (Abg. Belakowitsch: Sie diffamieren ...!), Sie ver­suchen in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“, sie zu delegitimieren. (Rufe bei der FPÖ: Geh bitte!) Das ist Ihr Angriff auf die Institutionen dieser Republik, und das lassen wir nicht durchgehen! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Sie haben der Rechnungshofpräsidentin – die sicherlich keine Linkslinke ist (Ruf bei der SPÖ: Die ist vom Lopatka, glaube ich!), wenn ich an ihren Bestellvorgang erin­nere – unterstellt, dass es reines parteipolitisches Kalkül gewesen wäre, aus dem sie gehandelt hat. Herr Kollege Rosenkranz, ich kann mich an eine sehr lebhafte Debatte


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in Wien erinnern (Abg. Belakowitsch: Da haben Sie auch nichts zusammengebracht! Da sind Sie genauso gescheitert!), da wurde vonseiten des Grünen Abgeordneten Mar­gulies dem damaligen Rechnungshofpräsidenten Moser parteipolitisches Handeln vor­geworfen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Es war damals die FPÖ, die gemeinsam mit uns und der ÖVP gesagt hat, es sei nicht anständig, dem Rechnungshof so etwas zu unterstellen. Bitte gehen Sie in sich und ziehen Sie so eine Kritik zurück! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt zu den angeblichen Leistungsvereinheitlichungen: Sie wissen, dass das nicht stimmt. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Sie lassen weiter ein System von Privilegierungen in der BVA – das betrifft uns ja auch alle, sehr, sehr angenehm –, den KFAs – 15 verschiedene KFAs nebeneinander – bestehen. (Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Loacker –: Loacker, wieso redest denn du nicht?!) Das heißt, Ihr Bei­spiel von dem Kind, das bisher unterschiedliche Leistungen bekommen hat, ist ein fal­sches Beispiel, es ist ein schlechtes Beispiel (Abg. Rosenkranz: Eben nicht!), es ist ein irreführendes Beispiel, weil genau dieses Problem weiter bestehen bleibt. (Abg. Ro­senkranz: Eben nicht!) Es gibt eben genau keine Verbesserungen für die Versicher­ten. (Abg. Wöginger: Wichtig ist, dass es für den Haselsteiner passt!)

Zum Schluss noch: Sie haben sich im Regierungsprogramm vorgenommen: „Weiters sollen Mehrfachversicherungen generell abgeschafft werden.“ – Sie wissen, dass das nicht der Fall ist. Das, was Sie hier vorgelegt haben, schafft keine Mehrfachversiche­rungen ab, schafft keine Leistungsvereinheitlichung zwischen den unterschiedlichen - - (Abg. Wöginger: Zwischen den Gebietskrankenkassen nicht?! Aha!) Zwischen den Gebietskrankenkassen – das wissen Sie, Herr Kollege – ist das schon weitestgehend erreicht, aber Sie können das natürlich vom Tisch wischen, was Ihr eigener Kollege Biach gemacht hat. (Abg. Deimek: Weitestgehend?! Ich glaube, Sie wissen nicht, wo­von Sie reden! – Abg. Wöginger: Weitestgehend?! Dann reden Sie nicht so daher!) In der BVA, in der KFA und anderen Versicherungen wird das aber nicht passieren.

Streuen Sie den Menschen keinen Sand in die Augen! (Abg. Wöginger: Dann stellen Sie es wenigstens so dar, wie es ist!) Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist einfach zu wenig. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neu­bauer: Das war ja eine peinliche Rede! – Abg. Wöginger: Da geht die Kurve runter um 1 Prozent!)

9.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber. – Bitte.


9.53.29

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Ministerin, Ihr Vorschlag zu einer Reform der Sozialversicherung ist nicht transparent. Es fehlen nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen, und er bietet keine Grundlage für eine seriöse Planung. Ihr Vorschlag verschleiert die Kosten für die Zusammenlegung der Krankenkassen, und er verhindert dabei die Kontrolle über die Verwendung der Beträge, die wir alle in Form von Sozialversicherungsbeiträgen in die Sozialversicherung einzahlen.

All das sage nicht nur ich, sagt nicht nur eine Rednerin der Opposition, deren Aufgabe es natürlich ist, Regierungsvorlagen kritisch zu analysieren, zu hinterfragen. Nein, all das sagt die Präsidentin des Rechnungshofes, sagt der Rechnungshof, den Sie, Frau Ministerin, hier kritisieren, der von den Regierungsfraktionen hier einfach ausgehebelt wird; dementsprechend werden die Argumente kleingeredet.

Das ist wahrlich nicht die einzige negative Stellungnahme, die des Rechnungshofes, die wir nachlesen können, nein, sie wiegt aber besonders schwer, weil sie von einer


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Institution kommt, die der Regierung im Prinzip ja eigentlich sehr nahesteht; es sitzt ja Kollege und damaliger Rechnungshofpräsident Moser mit Ihnen am Kabinettstisch. Da frage ich Sie, Frau Ministerin: Macht Sie das nicht nachdenklich? (Abg. Rosenkranz: Der ist aber jetzt nicht mehr Präsident, oder?!) – Ehemalig!

War es wirklich sinnig, bei der sogenannten Reform eine derartige Solonummer hinzu­legen? Ich möchte auch argumentieren, warum. Die Reform wurde derart im stillen Kämmerlein, alleine im Ministerium erarbeitet: Welche Gruppen wurden da einbezo­gen? Wer wurde in die Erarbeitung dieses Entwurfs miteinbezogen? Haben Sie die Vorschläge der Beschäftigten in den Krankenkassen miteinbezogen, die sich tagtäglich mit dieser Materie auseinandersetzen und wissen, wo im System es krankt? – Nein, das ist nicht passiert. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein. – Abg. Höbart: Das stimmt doch gar nicht! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Ach du meine Güte!)

Haben Sie einschlägige Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler zum Gesundheitssys­tem befragt (Abg. Leichtfried: Nein, haben sie nicht!), die sich seit Jahren mit dem Re­formbedarf auseinandersetzen, die diesen auch erkennen, entsprechende Vorschläge haben? Diese wenden sich nun an die Opposition und ersuchen uns, diesen Wahnsinn hier zu stoppen, da es einfach nicht Hand und nicht Fuß hat, was da aktuell passiert. Schließlich muss man kein großer Fan der Sozialpartnerschaft sein (Abg. Deimek: Die seit dem Zweiten Weltkrieg nichts zustande gebracht haben! ... Fass übergeht ...!), um zu erkennen, dass es politisch und sachlich klug gewesen wäre, alle Seiten und auch diese Seite in den Dialog miteinzubeziehen, statt eine Seite stetig vor den Kopf zu sto­ßen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Die großen politischen und sozialen Reformvorhaben in dieser Republik, die wir aus der Geschichte kennen, waren schlussendlich alle von einem breiten Konsens getra­gen, weil sie für sich gesprochen haben. Wenn es wirklich ein so großes Vorhaben ist, von dem Sie ja ständig fabulieren und das sie als die größte Reform – ich weiß nicht, die wievielte größte Reform – dieser Zweiten Republik anpreisen (Abg. Rosenkranz: Es ist die! Das ist festgelegt!), dann frage ich mich, warum wir heute hier nicht andere Reden hören, dann frage ich mich, warum ich diesbezüglich nicht täglich von anderen Stellungnahmen lese, von positiven und unterstützenden. – Nein, es sind kritische Stellungnahmen, es sind Stellungnahmen, die Ihren Begutachtungsentwurf, der heute im Ministerrat beschlossen wurde (Abg. Deimek: Ich frage mich immer, wenn Leute ... Entwurf nicht kennen!), zu 100 Prozent hinterfragen, ihm unterstellen und bekunden, dass die Verfassungsmäßigkeit nicht gewährleistet sei, er Punkte beinhalte, die unter anderem auch einer Gleichberechtigung, einer Selbstverwaltung widersprechen.

Statt auf jemanden zu hören, zuzuhören, nachzudenken, entmachten Sie genau diese VertreterInnen, nämlich die, die die Hauptlast der Beiträge zahlen, die Versicherten in diesem Land – und dafür haben Sie nicht einmal ein Argument parat. (Abg. Rosen­kranz: Das ist ja unfassbar! – Abg. Neubauer: Recht viele Argumente haben wir von Ihnen auch noch nicht gehört!) Sie tun das einfach, weil Sie die Mehrheit haben, Ihre Macht auszuweiten. Ich hinterfrage es wirklich stark, wie es sein kann, dass eine Selbstverwaltung im Verfassungsrang festgeschrieben ist und man die Macht, die Position der Versicherten, selbst über die eigenen Versicherungsbeiträge entscheiden zu können, derart aushebelt.

Ein Geheimnis möchte ich Ihnen allen hier heute verraten, es ist wirklich Zeit, damit rauszurücken (Abg. Neubauer: Dann ist es kein Geheimnis mehr!): Wenn die Arbeitge­ber, die Kabinette des Sozialministeriums, des Finanzministeriums hineinregieren kön­nen – oder leiten, wie es Kollegin Belakowitsch gesagt hat –, dann handelt es sich nicht mehr um eine Selbstverwaltung. (Abg. Rosenkranz: Welche Kabinette?!) Das ist


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Fassade, es wird politische Willkür. (Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Rosen­kranz: Jetzt stellt sich schon die Frage, ob wir irgendwelche Tests machen!)

Ich möchte am Schluss meiner Ausführungen noch einmal zur Stellungnahme des Rechnungshofes zurückkommen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (fortsetzend): Schlusssatz: Der Rechnungshof und die Präsidentin des Rechnungshofes sagen wörtlich: Die Kosten­darstellung „ist unvollständig, basiert auf nicht nachvollziehbaren Grundlagen. Damit ist sie nicht geeignet, dem Gesetzgeber eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage zu bieten.“

Der Gesetzgeber, Frau Ministerin, sind wir hier herinnen, die 183 Abgeordneten, und es gibt hier keine entsprechende Grundlage, keine aussagekräftige Entscheidungs­grundlage. Ich bitte Sie hier wirklich noch einmal: Zurück an den Start! Diskutieren wir gemeinsam mit jenen, die eine echte Grundlage für eine Gesundheitsreform schaffen wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

9.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Schwarz. – Bitte. (Abg. Wöginger: ... was Gescheites!)


9.59.16

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Werter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich war am vergangenen Samstag in meiner ehrenamtlichen Funktion beim Roten Kreuz bei der Landeskatastrophenübung im Burgenland und hatte dort Gelegenheit (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeord­neten von SPÖ und FPÖ), mit der Kollegenschaft zu reden, mit den Notärzten und na­türlich auch, im Unterschied zu vielen anderen in diesem Raum, mit burgenländischen Bauarbeitern.

Worum geht es den Menschen, für die wir hier Gesundheits- und Sozialpolitik ma­chen? – Es geht darum, dass wir Sicherheit schaffen; egal welches Alter, welches Ge­schlecht, welches Einkommen, welcher Gesundheitszustand, sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Gesundheitsvorsorge, die Gesundheitsversorgung Eins a, hochqualitativ und gesichert ist, und dafür sorgen wir mit dieser Reform der Strukturen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Fragen, die uns die Menschen draußen im Zusammenhang mit der Reform der So­zialversicherungsträger stellen, sind ganz einfach: Muss ich in Zukunft mehr zahlen? Muss ich in Zukunft Selbstbehalt zahlen? – Nein, sie müssen nicht mehr bezahlen und alle, die bis jetzt keinen Selbstbehalt zahlen müssen, müssen ihn auch in Zukunft nicht zahlen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nein, wir kündigen niemandem. Wir besetzen einfach nicht nach. Warum funktioniert das? – Ganz einfach: Wir legen das Rechnungswesen zusammen, wir legen die IT zu­sammen, wir schaffen effizientere Einkaufsmöglichkeiten. Das ist das (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „Geheimnis“ dahinter, so einfach ist es. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Was kostet die Zusammenlegung? – Abg. Rosenkranz – in Richtung Abg. Meinl-Reisinger –: Unternehmerisch denken ...! Viel­leicht fragen Sie einmal bei Herrn Haselsteiner nach! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Die Leistungsharmonisierung, von der heute schon oft die Rede war, wird so als Lap­palie abgetan, als hätte es die immer schon gegeben. – Nein, es hat sie nicht gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich spreche davon, dass jemand, der im Burgenland versichert war, für den Krankenhausaufenthalt, für den Rollstuhl seines Kindes nicht so


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viel bekommen hat wie ein Versicherter in Oberösterreich. Das war Fakt, das haben wir geändert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Was ist mit den Beam­ten?) – Die Beamten, wie Sie wissen, zahlen Selbstbehalt, das sind komplett andere Voraussetzungen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Zusätzlich zu den bereits angesprochenen Punkten wünschen wir uns – weil ja die Selbstverwaltung erhalten bleibt, in Zusammenarbeit mit den Bundesländern –, dass die Wartezeiten verkürzt werden, dass Möglichkeiten geschaffen werden und dadurch Geld frei wird, um den jungen niedergelassenen Ärzten eine Zukunft zu ermöglichen, denn wir brauchen Hausärzte, und wir brauchen sie vor allem im ländlichen Raum. (Abg. Rendi-Wagner: Wann wird das Geld frei? – Abg. Rosenkranz: Schon vor fünf Jahren, als wir noch rote Minister ...!) Daran ist uns wirklich gelegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir schaffen mit dieser Reform auch die Grundlage für viele andere Dinge. Wir schaf­fen die Möglichkeit, dass Ärzte Ärzte anstellen. Das Ärztegesetz ist genauso in Begut­achtung wie die Reform der Sozialversicherungsträger. Das heißt, es wird möglich sein, dass es längere Ordinationszeiten gibt, dass sich die Wartezeiten verkürzen und dass dadurch auch die Ambulanzen entlastet werden. Wir brauchen dringend Notärzte, das war eine eindringliche Bitte des Chefarztes des Roten Kreuzes an mich. Wir müs­sen dafür sorgen, dass dieser Engpass behoben wird. Auch das machen wir mit dem Ärztegesetz, und die Strukturreform der Sozialversicherungsträger liefert uns dafür die Grundlage. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Viele von Ihnen hier im Hohen Haus waren am Sonntag dabei, als Thomas Hofer in der Festrede bei der Festsitzung anlässlich 100 Jahre Republik von Mut und Angst ge­sprochen hat. Wir haben den Mut, Dinge zu ändern, die 30 Jahre lang nicht geändert wurden, weil die einen alles, die anderen gar nichts ändern wollten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben den Mut, es zu ändern. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Hören Sie damit auf, den Menschen völlig unbegründet Angst zu machen! Nein, das Gesundheitssystem wird nicht zusammenbrechen. – Ganz im Gegenteil: Wir stellen es auf stabile Füße; das ist unser Anliegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Haben Sie doch den Mut, einige wenige, die Machtverlust fürchten, zu ver­ärgern und Zigtausenden anderen in Österreich das Gefühl der Sicherheit – mit unse­rer Gesundheitspolitik – zu geben! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mu­chitsch. Ich darf ihm das Wort erteilen.


10.03.29

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mit dieser Vorlage, mit diesem heutigen Ministerratsbeschluss machen Sie keine Sozial­versicherungsreform im Interesse oder zum Wohle der Versicherten. (O-ja-Ruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Leichtfried: Nein! – Abg. Belakowitsch: Doch! – Abg. Leichtfried: Nein ...! – Abg. Belakowitsch: Doch! – Abg. Leichtfried: Sicher nicht, Sie ...!) Im Ge­genteil: Sie bauen das Sozialversicherungssystem um, Sie bauen es zulasten aller Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zulasten aller Versicherten um, vom Kleinkind be­ginnend bis zu Pensionistinnen und Pensionisten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: So eine billige Polemik!)

Herr Klubobmann Rosenkranz, ich werde Ihnen auch erläutern, warum. Das unter­scheidet uns vielleicht ein bisschen: Wir operieren nicht mit Überschriften und verspre­chen den Menschen etwas – wie zum Beispiel beim Arbeitszeitgesetz, bei dem Sie den Menschen eine Vier-Tage-Woche und mehr Freizeit versprochen haben, was bis dato nicht eingetreten ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Wo ist der heiße Herbst?)


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Ich möchte das jetzt auch begründen: Sie haben gegenüber den Menschen davon ge­sprochen, von einer Funktionärsmilliarde hin zu einer Patientenmilliarde zu kommen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung kos­tet für alle Träger 5,7 Millionen Euro im Jahr, das sind 40 Cent pro Versichertem. Was machen Sie? – Sie machen ein Funktionärsbashing sondergleichen, zum Schaden der Selbstverwaltung (Abg. Deimek: Das haben sie sich aber auch selbst erarbeitet!), zum Schaden der Sozialversicherung, und versprechen den Menschen 1 Milliarde Euro an Umschichtungen, was nicht stattfinden kann. Ich weiß nicht, über unser Schulsystem kann man auf und ab diskutieren, aber: Mathematisch hat mir noch niemand erklären können, wie wir aus Kosten von 5,7 Millionen Euro eine Einsparung von 1 Milliarde Eu­ro produzieren können. Ich kenne diesen Rechenvorgang eigentlich nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sie sprechen vom Senken der Verwaltungskosten. Wir haben, gemessen an vergleich­baren Ländern, die niedrigsten Verwaltungskosten in Europa. 40 Euro pro Versicher­tem, pro Kopf kostet unsere gesamte Verwaltung in der Sozialversicherung im Jahr. Sie gehen her, machen ein Bashing und sagen: Da ist so viel drinnen, da muss man etwas einsparen! – In Deutschland, egal welche Versicherung wir hernehmen, sind es 136 Euro, 146 Euro, 170 Euro. In Österreich macht es pro Kopf, pro Versichertem 40 Eu­ro aus. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie versprechen den Menschen gleiche Leistungen, in Wirklichkeit geht die Schere zwischen den drei neuen Trägern – zwischen Beamten, Selbstständigen und Unselb­stständigen – aber noch weiter auseinander. Sie, Frau Ministerin, sprechen von mehr Geld im System. Wie soll das funktionieren, wenn Sie dem Sozialversicherungssystem Geld entziehen und ihm auch kein Geld mehr zukommen lassen?

Ich nenne jetzt fünf Argumente, Herr Klubobmann Rosenkranz: Das Sozialversiche­rungssystem wird weniger Beiträge bekommen. Warum? – Weil Sie die Arbeitge­berbeiträge für die Unfallversicherung senken und ihnen im Gegenzug auch mehr Macht zukommen lassen. (Abg. Deimek: Was hat das mit der Krankenversicherung zu tun?)

Zweites Argument: Es wird weniger Geld im Sozialversicherungssystem geben. Wa­rum? – Weil Sie aus diesem System heraus auch die Fusionskosten kalkulieren müs­sen, die Sie nirgendwo eingerechnet haben. Diese Fusion wird uns Hunderte Millionen bis zu 1 Milliarde Euro, wenn nicht mehr, kosten. Wo kommt dieses Geld her? Diese Antwort hätten wir gerne. Natürlich finanzieren Sie es aus dem System! (Abg. Ro­senkranz: Wo kommt Ihre Zahl her?)

Drittes Argument: Das Finanzministerium zieht sich aus Kofinanzierungen im Sozial­versicherungssystem zurück, auch dadurch wird es weniger Geld im System geben.

Das vierte Argument: Sie schanzen den Privatkrankenanstalten, den Privatspitälern mehr Geld zu, das heißt, das geht uns auf der anderen Seite, in der Sozialversiche­rung, bei unseren eigenen 154 Einrichtungen ab. Einen Unterschied gibt es schon, Frau Ministerin: Die Privatspitäler entscheiden nämlich, welche Leistungen sie an die Versicherten tatsächlich abführen. Das machen die öffentlichen Spitäler nicht, denn dort ist es das große Plus, dass alles geleistet wird. (Abg. Deimek: Da kriegst eh gleich nichts! Da sagt der Chefarzt gleich, das Medikament kriegst nicht und die Behandlung kriegst auch nicht!)

Der letzte Kritikpunkt: Die Beitragsprüfung verlagern Sie in die Finanz. Die Beitrags­prüfung wird dadurch in der Effizienz verschlechtert, das bedeutet weniger Beitragsein­nahmen. Das heißt, noch mehr Menschen, die draußen arbeiten, kommen nicht mehr zu ihrem Geld, weil sie unterentlohnt und schlecht angemeldet sind (Abg. Leichtfried: Das ist ja unerhört! – Abg. Rosenkranz: Das ist wirklich unerhört! So viel Unsinn auf


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einem Haufen ist unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), und das ist un­erhört.

Sie reden hier von Einsparungen, aber Ihre Rechnung von mehr Geld für die Versi­cherten geht nicht auf, sie stimmt nicht. Hören Sie auf, den gleichen Fehler eines Husch-Pfusch-Gesetzes, wie Sie es beim Arbeitszeitgesetz gemacht haben, zu ma­chen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann. – Abg. Wöginger: Herr Prä­sident!)

Geschätzte Volksvertreter von FPÖ und ÖVP! Sie haben die Möglichkeit, dieses Ge­setz zu reparieren, Sie haben die Möglichkeit, Ihrem Titel als Volksvertreter gerecht zu werden. Sind Sie Volksvertreter im Interesse der acht Millionen Versicherten oder sind Sie Vertreter von Kapital und Großkonzernen? (Zwischenruf des Abg. Neubauer.  Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist Ihre Entscheidung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Wöginger: Das ist ja nicht der ÖGB-Kon­gress da herinnen! – Abg. Belakowitsch: Gott sei Dank!)

10.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Povy­sil. – Bitte.


10.09.15

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie, via Me­dien! Werte und geschätzte Kollegin Pamela Rendi-Wagner, der von Ihnen zitierte Bauarbeiter wird sich wundern! Der von Ihnen zitierte Bauarbeiter, der nun durch uns endlich Leistungsgerechtigkeit erfährt, wird sich wundern, wenn Sie fragen: Wozu eine Reform?

Sie haben diese Reform ja in Auftrag gegeben, Sie haben die London School of Eco­nomics beauftragt, eine Reform zu machen, nur haben Sie sie nicht durchgeführt. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Stöger: Ich war das! – Abg. Rendi-Wagner: Das ist eine Studie! – Ruf bei der SPÖ: Das war Stöger, Sie verwechseln wieder alles!) Aber auch schon der alte Johann Wolfgang, ein weiser und erfahrener Mann, hat gesagt: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“ – Und es sind viele Steine, die uns in den Weg gelegt werden, und es ist ein langer Weg.

Herr Abgeordneter Mihutsch (Ruf bei der SPÖ: Muchitsch heißt er! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ) – Muchitsch –, gerade Sie in Ihrer Funktion werden doch sicher wissen, woraus die Sozialversicherung eigentlich entstan­den ist. Sie kennen den Ursprung – auch als Gewerkschaftsvorsitzender der Bauarbei­ter, auch als Vorsitzender in einer Gebietskrankenkasse. Sie kennen den Ursprung! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Ursprung liegt bei den Bergleuten, bei den Bruder­laden der Bergleute, die dadurch damals ihre Krankenversicherung, ihr Sterbegeld, ih­re Vorsorge gerettet haben. (Abg. Wittmann: Das ist nicht der Tourismusausschuss!)

Damals war die Sozialversicherung eine einfache Schutzhütte für Schutzsuchende. (Zwischenruf des Abg. Krist.) Und wie hat sie sich entwickelt? – Sie wurde größer. Es wurde ein größeres Gebäude, es wurden Nebengebäude gebaut (Ruf bei der SPÖ: Sie haben ja wirklich keine Ahnung!), es wurden Türmchen gebaut, es wurden Balkone gebaut, es wurde ein kleiner Palast daraus; es wurden alle Ressourcen darauf verwen­det, diesen Palast zu erhalten, und es waren zu wenig Ressourcen für den ursprüngli­chen Gedanken, für die Schutzsuchenden da. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es bedarf viel Mutes und viel Kraft, die Steine aus dem Weg zu räumen und dieses Haus neu zu bauen, modern zu bauen, transparent zu bauen und für die Versicherten zu bauen. Der Umbau bedeutet, dass es statt 21 Sozialversicherungen fünf, statt 2 000 Funktionären nur mehr knapp 500, statt 90 Gremien 50 geben wird. Meine Da-


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men und Herren, es kann nicht sein, dass es 54 Teilbeschlüsse braucht, um zu einem Endbeschluss zu kommen, dass das ein halbes Jahr dauert. Nein, das ist nicht mo­derne Politik, das nicht moderne Gesundheitspolitik! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Moderne Gesundheitspolitik muss zeitnah und effizient durchgeführt werden. Wir brau­chen einen gemeinsamen Einkauf, eine gemeinsame IT, ein gemeinsames Rech­nungswesen, und dann wird das frei, was notwendig ist: Ressourcen, und zwar zweck­gebunden für unser Gesundheitswesen, das wird nur in dieses Gesundheitswesen in­vestiert und nirgendwo anders. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Was kostet die Fusion? 2 Milliarden? – Abg. Rosenkranz: Darf’s noch ein bissl mehr sein?)

Was bedeutet das für den Patienten? Wir vergessen bei der Sozialversicherung auf den Patienten. Sie vergessen darauf, Sie haben jahrelang darauf vergessen! (Ruf bei der FPÖ: Jahrzehntelang!) Für den Patienten bedeutet das nämlich Leistungsgerech­tigkeit, Leistungsharmonisierung, Leistungsmodernisierung. (Ruf bei der SPÖ: Aber für alle ...!)

Was heißt das? – Meine Damen und Herren, wenn Sie als Krebspatient eine Behand­lung brauchen, kann nicht in Salzburg etwas anderes gezahlt werden als in Oberöster­reich oder umgekehrt. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Meine Damen und Her­ren, wenn Sie einen Rollstuhl brauchen, kann dieser Rollstuhl nicht in einem Bundes­land etwas anderes kosten und der Zugang ein anderer sein als in einem anderen Bundesland. Dazu ist Österreich zu klein, das ist in Österreich nicht notwendig! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Stöger.)

Wenn Sie einen Arzt aufsuchen, dann möchten Sie einen Kassenarzt aufsuchen. Sie möchten nicht 20 Prozent Selbstbehalt bei einem Wahlarzt haben (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), jene 20 Prozent, die bis jetzt nur in die Sozialversicherungs­struktur gefallen und nicht beim Patienten angekommen sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Das bleibt auch so! Das ist unfassbar!)

Sie wollen in den Regionen versorgt werden, Sie wollen, dass es Gruppenpraxen gibt (Zwischenruf des Abg. Deimek), Sie wollen, dass es Versorgungszentren mit mehre­ren Fachärzten gibt, mit mehreren Allgemeinmedizinern, an die Sie sich wenden kön­nen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Sie wollen Qualität und nicht Quantität. Sie wollen mit einem Arzt sprechen können und nicht, dass dieser nur mehr 2 Minuten für Sie Zeit hat, weil das Wartezimmer voll ist. Dahin soll diese Reform gehen, und da­für stehen wir. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Hei­nisch-Hosek.)

Wir stehen auch für den Eintritt in das digitale Zeitalter: für die elektronische Kranken­akte, für den elektronischen Mutter-Kind-Pass, für den elektronischen Impfpass, für die elektronische Medikation, sodass Sie ein umfassendes Bild über Ihre gesamte medizi­nische Geschichte haben und diese dann dem Arzt zur Verfügung stellen können, der sie auch wirklich braucht.

Meine Damen und Herren, diese Strukturreform ist notwendig. Sie ist notwendig, um ein schlichtes, transparentes, tragfähiges Haus der Gesundheit zu bauen und den Weg für Patienten und Ärzte in eine moderne medizinische Zukunft frei zu machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf recht herzlich die Schülerinnen und Schüler der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe Feldbach auf unserer Gale­rie begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.



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10.15.35

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ja, es ist wirklich schwer nachvollziehbar, wieso die FPÖ auf den Gedanken gekommen ist, diese Aktuelle Stunde anzuzetteln, weil es of­fenbar auch innerhalb der Koalition nicht ganz klar ist, was die Message sein soll. Ich erinnere mich, dass Klubobmann Wöginger am 14.9. in der Pressekonferenz gesagt hat, dass die Versicherten von dieser Reform nichts merken werden. Frau Dr. Povysil hat gerade gesagt, Sie hätten die Versicherten vergessen. – Die haben Sie nämlich vergessen, die Versicherten merken von dieser Reform gar nichts! (Beifall bei den NEOS.)

Daher ist es ein so großes Rätsel, warum Sie da so laut hupen (Abg. Herbert: ... auch noch nicht verstanden, worum es da wirklich geht!) und behaupten, diese – unter An­führungszeichen – „Reform“, ja, dieses Projekt, werde jetzt die Grundlage für weitere Reformen. Dieses Projekt war von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Man muss sich einmal Folgendes vor Augen halten: Bis 2017 war die SPÖ noch für eine Abschaffung der AUVA. Die 180-Grad-Wendung, die die SPÖ vollzogen hat, ist dem hatscherten Vorgehen der Frau Ministerin und der FPÖ zu verdanken; so war ei­gentlich von Beginn an einer sinnvollen Reform der Boden entzogen, weil die Elefanten in Horden durch den Porzellanladen gezogen sind. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Wenn man diese Reform mit einem Schachspiel vergleichen würde, dann, Frau Minis­terin, müsste man sagen, Sie haben schon beim zweiten Zug die Dame verspielt. Das wird als die Hartinger-Klein-Eröffnung in die Schachgeschichte eingehen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS.) In Ihrem „ZIB-2“-Interview, als Sie gesagt haben: Ich muss das mit der Milliarde nicht nachrechnen, das haben schon so viele Leute ausge­rechnet, das passt schon!, haben Sie auch gleich den ersten Turm geopfert.

Und so ist es nahtlos weitergegangen: Aus der Funktionärsmilliarde wird eine Patien­tenmilliarde – es war jedem klar, dass das bestenfalls eine Fantastilliarde in den Köp­fen von Schwarz und Blau ist, dieses Geld gibt es nirgends. Die „ZIB 2“ hat dazu einen Faktencheck gemacht, der „Standard“ hat einen Faktencheck gemacht – da war der nächste Turm weg vom Feld.

Dann kommt der Verfassungsdienst Ihrer eigenen Regierung und sagt im Gleichklang mit vielen maßgeblichen Juristen, dass diese Reform über weite Strecken verfassungs­widrig ist. – Ja, da haben Sie gleich zwei Läufer mit einem Schlag verloren.

Dann kommt der Rechnungshof und spricht von einem „Spiel mit Zahlen“. Das ist eine Deutlichkeit seitens des Rechnungshofes, die wir sehr selten erleben. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Diese Fantastilliarde ist ein „Spiel mit Zahlen“, das ist auch für den Rechnungshof absolut nicht nachvollziehbar. – Und damit waren auch Ihre Springer vom Feld. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt steht der König der Frau Sozialministerin schon ziemlich alleine auf dem Schach­brett, ein paar kleine Bauern sind noch da. Dann kommt das Ministerium von Vizekanz­ler Strache und kritisiert die Reform, weil in den Unterlagen keine vernünftigen Kenn­zahlen zu finden sind. – Also mehr braucht es dann nicht mehr, jetzt fällt die letzte Fi­gur. Frau Ministerin, Sie stehen mit Ihrem König ganz alleine auf diesem Schachbrett. (Abg. Povysil: Wir sind aber in ..., nicht am Schachbrett!)

Dazu kommt, dass sich die FPÖ vor den schwarzen Karren hat spannen lassen. Die ÖVP näht sich die Macht in der Sozialversicherung voll ein. Die rote Eisenbahnerversi­cherung (sich mit dem Zeigefinger an die Nase fassend und ein Klickgeräusch ma­chend): Weg! Die roten Kassen bekommen hinsichtlich Vorsitz ein Rotationsprinzip, sodass immer wieder ein Schwarzer zum Zuge kommt. Die schwarzen Kassen bleiben


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unberührt. Es gibt eine Fit-&-proper-Prüfung für Funktionäre, aber die Wirtschaftskäm­merer sind außen vor, das müssen nur die Arbeiterkämmerer machen. Sie (in Richtung FPÖ) haben den Steigbügel gehalten, damit die Schwarzen mehr oder weniger die Al­leinherrschaft in der Sozialversicherung übernehmen, weil Sie, glaube ich, dieses Sys­tem auch nicht so wirklich durchblicken – aber dann hätte man es auch nicht anfassen sollen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Reform bringt nichts von dem, was angekündigt war. Es bleiben die 15 Kranken­fürsorgeanstalten, es bleiben vier von fünf Betriebskrankenkassen. Es bleiben die Leis­tungen so unterschiedlich wie sie seit jeher waren, wir BVA-Versicherten sind immer noch die Privilegierten. Es gibt keine gemeinsame Zahlstelle für die Lohnabgaben, es gibt kein Ende der Mehrfachversicherung.

Frau Ministerin, warum tun Sie sich das an (Abg. Rosenkranz: Lassen wir es so, wie es ist!), nach dem Desaster um die AUVA, nach der 150-Euro-Geschichte im Zusam­menhang mit der Mindestsicherung, nach dieser Reform, die eigentlich schon im An­kündigungsstadium steckenbleibt? Die Mindestsicherungsreform kommt nicht, die Ar­beitslosengeldversicherung kommt nicht. (Abg. Rosenkranz: Woher wissen Sie das? – Abg. Gudenus: Das ist ein Wunschdenken von Ihnen!) Wollen Sie sich nicht überle­gen, ob Sie etwas anderes machen wollen? Ich glaube, diese Geschichte ist einfach ei­ne Nummer zu groß. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Schachspielen wäre besser als Politikmachen! – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartin­ger-Klein.)

10.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rossmann. Ich darf ihm das Wort erteilen.


10.20.32

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! In einem Punkt, Herr Kollege Rosenkranz, gebe ich Ihnen recht, das ist keine Gesundheitsre­form – aber das ist auch keine Organisationsreform, Herr Kollege Rosenkranz. (Abg. Rosenkranz: Na, immerhin kommen Sie mir schon entgegen!) Reform geht anders!

Wenn ich diese sogenannte Reform charakterisieren wollte, dann kann ich das in drei Punkten tun. Es ist erstens eine Demontage der Selbstverwaltung mit einer Entmach­tung der Arbeitnehmer, denn: Was bedeutet Selbstverwaltung? – Selbstverwaltung be­deutet: Die Arbeitnehmer sind die Versicherten. Selbstverwaltung bedeutet aber auch: Die Versicherten bestimmen, was mit ihren Beiträgen passiert. (Beifall bei der Liste Pilz.) Und wer bestimmt in der Krankenkassa? – Bisher waren es die Arbeitnehmerver­treter und Arbeitgebervertreter im Verhältnis 4 : 1. In der Zeit des Austrofaschismus be­trug dieses Verhältnis 2 : 1; und nunmehr, durch Ihre sogenannte Reform, wird dieses Verhältnis abgeändert in 1 : 1. Das bedeutet also einen Gleichstand zwischen Vertre­tern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. (Abg. Herbert: Was ist schlecht daran? Parität!)

Da aber auch von schwarzer Seite – ÖAAB-Seite – Vertreter bei den Arbeitnehmerver­tretern sitzen, bedeutet das immer, dass die Arbeitgebervertreter die Mehrheit haben. Und wenn, Frau Kollegin Belakowitsch, Sie sich hier herausstellen und sagen, das sei das Ende der parteipolitischen Strukturen, dann sage ich: Mitnichten ist das das Ende der parteipolitischen Strukturen, denn das Spiel, das Sie hier betreiben, lautet schlicht und einfach: rot raus, schwarz und blau rein! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Ob Sie damit auch das Ende des Verfassungsbogens ein­läuten und diese Reform verfassungswidrig ist, wird noch genau zu prüfen sein. (Abg. Gudenus: Bei Rot rechts abbiegen!) Ich kenne ja die Regierungsvorlage noch nicht. Mit dieser Demontage der Selbstverwaltung und der Entmachtung der Arbeitnehmer-


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vertreter zeigen Sie, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, aber Ihr wahres Gesicht!

Der zweite Punkt: Sie sprechen davon, dass vieles für die Patienten verbessert werden wird. Ich vermag das leider nicht zu erkennen. Wir haben jetzt eine Mehrklassenmedi­zin, und wir werden in Hinkunft eine Mehrklassenmedizin haben. Für die rund 3,4 Mil­lionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird es weiterhin eine Krankenversiche­rung Light, eine Standardversicherung geben – auch für ihre Angehörigen. Für die Bauern und Selbstständigen wird es eine Komfortversicherung geben (Abg. Martin Graf: Ah geh!), und für die Beamten und auch die Politiker – wir sind ja auch bei der BVA versichert – wird es eine De-luxe-Versicherung geben. (Abg. Rosenkranz: Pflicht­versicherung! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Wo sind Sie dann?!)

Ich werde Ihnen jetzt ein Beispiel nennen: Wenn man eine Physiotherapie machen muss und das Glück hat, bei der BVA versichert zu sein, erhält man pro Behandlungs­einheit eine Refundierung von 40 Euro. Wenn man aber dem Standardsystem ange­hört, weil man Arbeitnehmer und bei der Gebietskrankenkassa versichert ist, erhält man für dieselbe Behandlungseinheit 17 Euro. So ist Ihr System, für die Versicherten verbessert sich gar nichts! (Beifall bei der Liste Pilz. – Widerspruch bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kassegger.)

Jetzt komme ich zu dem Punkt der Zahlentricksereien. Sie sagen, es werden 1 Milliar­de Euro eingespart. (Abg. Rädler: ... Ihr Sozialminister beschlossen!) Diese Milliarde ist aus den Zahlenwerken, die Sie vorlegen, schlicht und einfach nicht nachvollziehbar. Erstens einmal ist es keine Milliarde, sondern bis Ende 2023 sind es 500 Millionen Euro; es sind nur kumuliert 1 Milliarde Euro. Und wenn wir in den Beamtenentwurf hineinschauen, sehen wir, dass es 33 Millionen Euro sind.

Sie sagen und erklären uns jetzt: Das bleibt im System und die Einsparungen erfolgen im System! – Nun sieht aber das Bundeshaushaltsrecht vor, dass alle finanziellen Auswirkungen, auch jene, die die Sozialversicherungsträger betreffen, darzustellen sind. Sie agieren im Zusammenhang mit der Darstellung der Einsparungen nicht geset­zeskonform. Das ist schlicht und einfach der Punkt. Ich bin da ganz beim Rechnungs­hof, der ebenso große Schwierigkeiten hat wie ich, das nachzuvollziehen.

Herr Kollege Wöginger, wenn Sie behaupten der Rechnungshof habe die Ziele der Re­gierung im Zusammenhang mit den Berechnungen der Einsparungen nicht richtig ver­standen, dann kann ich Ihnen nur sagen (Zwischenruf des Abg. Scherak): Hören Sie damit auf, Institutionen dieser Republik derart durch den Kakao zu ziehen! – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

10.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

10.26.02Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die Mitteilung, die im Sitzungssaal verteilte wurde, verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2043/J bis 2069/J

Schriftliche Anfragen an den Präsidenten des Nationalrates: 19/JPR


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2. Anfragebeantwortungen: 1516/AB bis 1549/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs.4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 11 betreffend "Petition für ein wolfsfreies Salzburg", überreicht vom Abge­ordneten Franz Leonhard Eßl

Petition Nr. 12 betreffend "KEIN Ausverkauf des Wassers", überreicht vom Abgeord­neten Erwin Preiner

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):

Gleichbehandlungsausschuss:

Gender-Gesundheitsbericht mit Schwerpunkt Psychische Gesundheit am Beispiel De­pression und Suizid, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz (III-206 d.B.)

Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft 2016 und 2017, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-207 d.B.)

Tourismusausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2017 (III-208 d.B.)

*****

10.26.12Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der SPÖ hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 2069/J der Abgeordneten Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz betreffend „die Zerstörung unseres gut funktionierenden Gesundheitssystems durch die Kassenzentralisierung“ dringlich zu behandeln. (Abg. Leichtfried: Gute An­frage!)

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 5 und 6, 10 und 11, 13 und 14, 18 bis 21 sowie 22 bis 28 der Tages­ordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Wenn das nicht der Fall ist, dann wird so vorge­gangen.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurden die Redezeiten für die Debatten vereinbart. Demgemäß wurde eine Tages-


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blockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, und die Redezeiten ergeben sich daraus wie folgt: 148 Minuten für die ÖVP, je 132 Minuten für SPÖ und FPÖ, und für NEOS und Liste Pilz jeweils 44 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 22 Minuten, darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten pro Debatte beschränkt.

Wir kommen gleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich darf Sie um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.

10.27.571. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 345/A(E) der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend bis zu 24 Monate Anrechnung von Karenzzeiten in allen Kollek­tivverträgen (284 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 380/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Anerkennung von Karenzzeiten als Vordienstzeiten (285 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 382/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die vollwertige Anrechnung von Karenzzeiten für Gehaltsvorrückungen (286 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungs­punkten 1 bis 3, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Muchitsch, und ich darf ihm das Wort erteilen. – Herr Kollege Muchitsch, Sie haben das Wort.


10.29.02

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das derzeitige Gesetz sieht vor, nur zehn Monate der ersten Karenz im Arbeitsverhältnis anzurechnen. Das gilt auch für die Bemessung von Kündigungsfristen, Entgeltfortzahlung, im Krankheitsfall und beim Urlaubsausmaß. Aus diesem Grund haben wir als SPÖ in der Sitzung am 26. September einen Gesetzes­antrag eingebracht, der die volle Anrechnung mit sofortiger Wirkung gewährleisten soll, also eine volle Anrechnung der Karenzzeiten im Ausmaß von 24 Monaten.

Unser Antrag wurde in den Sozialausschuss verwiesen. Wir haben am 9. Oktober ver­sucht, einen Konsens zu erwirken, damit es vielleicht doch möglich wird, per Abstim­mung eine Einigung dahin gehend zu erzielen, wann das neue Gesetz in Kraft treten soll. Das wurde leider abgelehnt. Unser Antrag, der die volle Anrechnung der Karenz­zeiten betrifft, wurde leider abgelehnt.


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Heute debattieren wir hier im Plenum den Antrag der ÖVP, der vorsieht, den Sozial­partnern zu empfehlen, diesbezüglich bis Jahresende eine Einigung zustande zu brin­gen.

Das Problem ist, dass nicht alle Beschäftigten in diesem Land einem Kollektivvertrag unterliegen. Es sind zwar 97 Prozent und wir sind europaweit spitze, aber noch immer unterliegen 3 Prozent der Beschäftigten in diesem Land keinem Kollektivvertrag – und das sind immerhin 100 000 Menschen.

Das zweite Problem mit dem Antrag der ÖVP ist folgendes: Nicht alle Kollektivverträge werden heuer verhandelt, sondern einige Verhandlungen starten erst nächstes Jahr im Frühjahr. (Abg. Deimek: Unser Vorstand hat uns immer gesagt: Sagt uns nicht, wie es nicht geht, sagt uns, wie es geht! Machen!)

Das dritte Problem, das wir auch aufgezeigt haben, ist, dass wir zwar schon in vielen Kollektivverträgen eine teilweise und volle Anrechnung erreicht haben, aber in einigen noch nicht. Gerade in den Industriebranchen ist uns das als Sozialpartner gelungen. In genau jenen Branchen aber, in denen viele Frauen beschäftigt sind, im Handwerk, im Gewerbe, im Handel, im Gastgewerbe, ist es uns nicht gelungen. Ich nenne Ihnen jetzt ein Beispiel: Interessanterweise haben wir in der Bauindustrie und im Baugewerbe eine volle Anrechnung der Karenzzeiten. Jetzt dürfen Sie einmal raten, wie viele Frauen in der Bauindustrie, auf den Baustellen beschäftigt sind. (Abg. Wöginger: Wenige!) – Ja, wenige, richtig, Herr Klubobmann. Also dort, wo es leicht gegangen ist, haben wir es geschafft, Herr Klubobmann, dort, wo es schwer gegangen ist, haben wir es nicht geschafft. (Abg. Schimanek: Warum habt ihr es nicht geschafft?)

Deswegen – worauf wollen wir warten? (Zwischenruf des Abg. Wöginger) – ist unser Appell, das vor allem in jenen Branchen – im Handel, im Gastgewerbe – anzugehen, in denen viele Frauen arbeiten. Viele Frauen sind bereit, ihre Kinder selbst zu erziehen, zu betreuen, sie haben jetzt aber einen Nachteil, weil Karenzzeiten beim Einkommen, beim Urlaub, bei Kündigungsfristen, bei der Abfertigung nicht angerechnet werden. Ge­nau das wollen wir ändern. Ich glaube, das Ziel ist das gleiche, aber der Weg ist ein anderer.

Und diese Empfehlung an die Sozialpartner – Entschuldigung, Herr Klubobmann! –, die ist ein Schmarrn. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das ist der gleiche Schmarrn wie der Appell der Bundesregierung, bei den Kollektivvertragsver­handlungen im Herbst für hohe Löhne und Gehälter zu sorgen – ein derartiger Schmarrn, der sich jetzt nämlich bewahrheitet hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS.) Bewahrheitet hat sich nämlich, dass man nach vier Verhand­lungsrunden in der Metallindustrie ein läppisches Angebot von 2,02 Prozent auf den Tisch geknallt bekommen hat – nach vier Runden! (Abg. Deimek: Und welche Arbeit­geber sind verstaatlicht, Herr Kollege?!) So viel ist dieser Appell der Bundesregierung wert, er ist nämlich keinen Cent wert. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Abg. Wö­ginger.)

Deswegen ist auch dieser Antrag, Herr Klubobmann Wöginger, nichts anderes als ein Schmäh, dieser Antrag betreffend Anrechnung der Karenzzeiten. Ihr wollt es nur auf die lange Bank schieben. Wenn euch die Frauen wichtig sind, wenn euch auch die Männer (Zwischenruf des Abg. Deimek), die bereit sind, ihre Kinder zu betreuen, wichtig sind, dann regeln wir die volle Anrechnung der Karenzzeiten jetzt und schieben das nicht auf die lange Bank. Wir werden dazu heute einen Entschließungsantrag ein­bringen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bravoruf des Abg. Leichtfried.)

10.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Wagner. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 44

10.33.29

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Hohen Haus! Dieser Tagesordnungspunkt zeigt, dass mit dieser Regierung etwas weitergeht. (Heiterkeit bei SPÖ und NEOS.) Eine langjährige Forderung von uns wird nun endlich in Angriff genommen, und das macht mich sehr stolz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Ein Schritt vor, drei zurück, und das in die falsche Richtung!) Unsere Par­tei hat sich jahrelang für die Anrechnung der Karenzzeiten eingesetzt, und diese Re­gierung setzt Maßnahmen, damit die Anrechnung der Karenzzeiten umgesetzt werden kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es wird nicht nur etwas unternommen, um die Gehaltsschere zwischen Mann und Frau zu schließen (Abg. Heinisch-Hosek: Ein Beispiel!), sondern auch um Kinderwünsche (Abg. Leichtfried: Ein Beispiel, ein einziges! – Abg. Heinisch-Hosek: Ein Beispiel!) der vergleichsweise kinderarmen Mittelschicht zu unterstützen. Das derzeitige Mutter­schutzgesetz sieht nur für die erste Karenz eine Anrechnung von bis zu zehn Monaten vor; alles darüber hinaus muss individuell im Kollektivvertrag vereinbart werden. (Zwi­schenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Meine Damen und Herren, deshalb ist die An­rechnung der Karenzzeiten von bis zu 24 Monaten ein wichtiger Schritt für eine nach­haltige Familienpolitik und vor allem auch für die Gleichstellung von Mann und Frau. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Das soll in allen Berufen und Kollektivverträgen gewährleistet sein, das bedeutet, wenn sie oder er bis zu 24 Monate Karenz nimmt, soll es künftig entsprechende Urlaubsan­sprüche, Kündigungsfristen, Entgeltfortzahlungen und Krankenstandsansprüche ge­ben. Es soll keine Familie benachteiligt sein, und niemand soll sich zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen. (Abg. Heinisch-Hosek: Warum nicht jetzt gleich? Jetzt! Jetzt! Jetzt! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Den von der Opposition geforderten Maßnahmen, die Dauer der Elternkarenzen als Vordienstzeiten für die dienstzeitabhängigen Ansprüche anzurechnen, meine Damen und Herren, kann ich nichts abgewinnen, denn in diesem Fall würden alle Arbeitneh­mer, die keine Karenzen in Anspruch genommen haben, benachteiligt werden, weil sie ja keine solchen Anrechnungsregelungen hätten. Derzeit gibt es ja überhaupt nur in rund 30 Prozent der großen Kollektivverträge eine Regelung mit verschiedenen Arten der Anrechnung. Das sind aber nur etwa 145 von 859 unterschiedlichen Kollektivver­trägen.

Durch das Zusammenwirken von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite haben die So­zialpartner die Möglichkeit, besser auf wirtschaftliche Gegebenheiten der jeweiligen Branche einzugehen. (Zwischenruf der Abg. Lueger.) Daher sollten wir den Kollektiv­vertragsparteien die Möglichkeit geben, entsprechende Regelungen für ihre Branche zu schaffen, die sie ja schließlich kennen und die sie auch vertreten. (Abg. Heinisch-Hosek: ... wer behindert?) Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine Lösung auf Ebene der Kollektivverträge gefunden wird. Sollte dies nicht der Fall sein, dann kann immer noch eine gesetzliche Lösung erfolgen. (Abg. Heinisch-Hosek: Jetzt! – Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Meine Damen und Herren, das unterstreicht wieder einmal, dass wir unsere Verspre­chen halten und dass wir uns für das einsetzen, wofür wir gewählt wurden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt können die Sozialdemokraten auch beweisen, dass sie unter Politik mehr als nur leere gehässige Worte und grausige Postings gegen uns verstehen. (Heftiger Wider­spruch bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren, unterstützen Sie unseren Weg und stimmen Sie diesem Antrag zu! – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.36



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 45

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf auch die zweite Gruppe der Höheren Lernanstalt für wirtschaftliche Berufe in Feldbach, die jetzt mit 23 Personen da ist, sowie die Grazerinnen und Grazer, die Frau Abgeord­nete Kaufmann eingeladen hat – das ist auch eine große Gruppe mit über 40 Perso­nen –, herzlich willkommen heißen. – Herzlich willkommen im Hohen Haus. (Allgemei­ner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. Ich darf ihm das Wort erteilen.


10.37.25

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Ich schließe an und bedanke mich bei Kollegin Wagner für den kaba­rettistischen Beitrag (Widerspruch bei ÖVP und FPÖ): Diese Regierung bringt etwas weiter, indem sie einen Beschluss fasst, den Kollektivvertragspartnern etwas auszu­richten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir führen hier eine Debatte, die zumindest vom gemeinsamen Ziel geprägt ist, den Pay Gap zwischen Männern und Frauen zu schließen. Allerdings sind die Wege, die manche hier zum Ziel gehen wollen, ziemlich ungeeignet. (Zwischenruf des Abg. Räd­ler.) Der Antrag, den FPÖ und ÖVP hier vorgelegt haben, nämlich in der Herbstlohn­runde eine Karenzzeitenanrechnung zu beschließen, ist aus zwei Gründen krasser Un­fug. (Abg. Leichtfried: „Krasser“ ist gut!)

Erstens ist es nicht der Job des Parlaments, den Kollektivvertragspartnern etwas aus­zurichten. Wir müssen hier unseren Job gut machen, die KV-Partner machen an ihrer Stelle ihren Job gut, und wenn jeder seinen Job richtig hinkriegt, dann ist das Beste für das Land erreicht.

Und zweitens – und das hätte man eigentlich wissen können – gibt es keine generelle Herbstlohnrunde, das hat Kollege Muchitsch ausgeführt. Unter anderem verhandeln die Papier-, die Textil-, die Elektronikindustrie und die Banken sowie viele andere auch im Frühjahr. Daher ist der Begriff Herbstlohnrunde in so einem Antrag von vornherein verfehlt, was nur belegt, dass sich das Parlament um die eigenen Angelegenheiten und nicht um die KV-Angelegenheiten kümmern sollte. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Wöginger – erheitert –: Da klatschen die Roten! I werd hin!)

Auch inhaltlich wird jeder zugeben müssen: Wenn wir mit denselben Rollenmustern wie in der Vergangenheit auf das Problem zugehen, dann wird sich nichts ändern. Wenn wir davon ausgehen, dass im Wesentlichen immer die Frauen die Erziehungs­arbeit erledigen und dass das so bleibt und bleiben soll, dann werden sich die beste­henden Strukturen auch im Gehaltsgefüge verfestigen.

Da kommt dann auch etwas heraus, was eine ähnlich nachteilige Wirkung wie das Se­nioritätsprinzip haben könnte. Wenn ich mehr Bezahlung für eine Arbeitserfahrung, für einen zusätzlichen Nutzen, der dann nicht da ist, weil diese Arbeitserfahrung nicht zu­sammenstimmt, festlege, verordne, dann wird das vor allem in den Sektoren, wo be­sonders nahe am Kollektivvertrag bezahlt wird, also in den Niedriglohnsektoren, zum Nachteil für die Betroffenen sein.

Was den Unterschied zwischen der Bezahlung von Männern und Frauen am meisten reduzieren würde, das wäre eine gleichmäßigere Aufteilung der Kindererziehungszei­ten, denn jeder Fachmann und jede Fachfrau weiß, der Pay Gap ist im Wesentlichen ein Child Care Pay Gap, also kein Gender Pay Gap, sondern ein Child Care Pay Gap.

Das sieht man, wenn man die Bezahlung von Frauen mit jener von Frauen ohne Erzie­hungsarbeit vergleicht, und um das zu ändern, muss man schauen, dass die Karenz­zeit zwischen Frauen und Männern aufgeteilt wird. (Beifall bei den NEOS.)

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 46

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „indivi­dueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Geset­zesvorlage zuzuleiten, die individuelle Karenzansprüche für jeden Elternteil vorsieht, die zumindest zum Teil nicht übertragbar sind. Die Anrechnung dienstrechtlicher An­sprüche soll an eine möglichst gleiche Aufteilung der Karenz zwischen beiden Eltern­teilen geknüpft sein.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

10.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen be­treffend individueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil

eingebracht im Zuge der Debatte in der 43. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 345/A(E) der Abgeordneten August Wöginger, Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend bis zu
24 Monate Anrechnung von Karenzzeiten in allen Kollektivverträgen (284 d.B.) – TOP 1

Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern klafft in Österreich immer noch weit auseinander. Mit einem Gender Pay Gap von 20,1% (vgl. Eurostat 2016) liegt man deutlich über dem EU-Durchschnitt von 16,2%. Zwar werden die Unterschiede sukzes­sive kleiner, das Tempo reicht aber lange nicht aus. Seit Jahren weiß man, welche Faktoren das Lohnungleichgewicht zwischen Männern und Frauen beeinflussen. Zahl­reiche Studien zeigen eindrucksvoll, dass sich die Lohnschere vor allem mit Geburt des ersten Kindes signifikant vergrößert: Grund dafür ist, dass Familien- und Erzie­hungsarbeit immer noch mehrheitlich Frauensache ist. Gerade in diesem Bereich ist es die Aufgabe der Familienpolitik, tatsächliche gesellschaftliche Veränderungen zu er­möglichen.

Von einer gleichwertigen Aufteilung zwischen Vätern und Müttern sind wir in Österreich nämlich weit entfernt, vorherrschend ist nach wie vor das sogenannte 1,1/2 Modell, in dem Männer Vollzeit arbeiten und Frauen häufig zuerst eine Zeit lang zuhause bleiben und im Anschluss daran in Teilzeitbeschäftigung gehen. Zwar ist die Erwerbsbeteili­gung von Frauen in Österreich relativ hoch, die Teilzeitquote ist aber fast europa­meisterlich: Fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit. Es gibt keine ausreichenden Kinder­betreuungsmöglichkeiten, vor allem für unter 3-Jährige und Anreize für Väter, sich mehr Zeit für ihre Familie zu nehmen, fehlen. Der Anteil der Väter, die in Karenz gehen und Kinderbetreuungsgeld beziehen, ist nämlich immer noch sehr gering. Nur knapp 4,3% der Kinderbetreuungsgeldbezieher_innen im September 2018 (für Geburten ab dem 01.03.2018) waren Männer. Das Bundeskanzleramt selbst verweist in der monat­lichen Statistik darauf, dass "aufgrund der im Durchschnitt kürzeren Bezugsdauer der Väter diese deutlich weniger Bezugstage aufweisen als Mütter", und zeigt damit das Problem auf, dass zwar immer mehr Männer Kinderbetreuungsgeld beziehen, wenn, dann aber deutlich kürzer als Frauen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 47

Jede familienpolitische Maßnahme muss daher einen Anspruch auf gerechtere Vertei­lung der Betreuungsarbeit zwischen den Elternteilen beinhalten, ansonsten wird sich eine geschlechtergerechte Gesellschaft nicht verwirklichen lassen. Eine bessere Auf­teilung der Verantwortung und Arbeit in der Kinderbetreuung zwischen Elternteilen trägt dazu bei, den Gender Pay Gap zu schließen, wie die skandinavischen Staaten er­folgreich vorgelebt haben.

Will man die Lohnschere schließen, kommt man nicht umhin, endlich ein System zu schaffen, das es auch Vätern erleichtert, sich intensiver der Kinderbetreuung zu wid­men. Indem man stärkere Anreize für Väter setzt, Verantwortung in der Kindererzie­hung zu übernehmen, die über das Bild des "Brot-Verdieners" hinausgehen, kann man endlich eine über reine Symptombekämpfungsmaßnahmen hinausgehende Wirkung erzielen.

Skandinavische Staaten haben vorgezeigt, wie ein System der gleichberechtigten Sor­ge- und Erziehungsarbeit aussehen kann: In Schweden kann man die volle Karenz im Ausmaß von 480 Tagen nur beanspruchen, wenn jeder Elternteil mindestens 90 Tage davon in Anspruch nimmt. Damit schafft man einen Anreiz für Väter und Mütter, sich eher zu gleichen Teilen der Betreuungsarbeit zu widmen. Eine wünschenswerte Auftei­lung der Karenzzeit im Verhältnis 1:1 kann auch erreicht werden, indem die Anrech­nung der Karenzzeit auf die dienstrechtlichen Ansprüche an eine möglichst gleiche Aufteilung geknüpft wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Geset­zesvorlage zuzuleiten, die individuelle Karenzansprüche für jeden Elternteil vorsieht, die zumindest zum Teil nicht übertragbar sind. Die Anrechnung dienstrechtlicher An­sprüche soll an eine möglichst gleiche Aufteilung der Karenz zwischen beiden Eltern­teilen geknüpft sein.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.


10.40.54

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Die Anrechnung von Karenzzeiten bei Gehalts­vorrückungen ist eine langjährige Forderung auch der Volkspartei, insbesondere des ÖAAB. Wir haben bereits 2011 begonnen, die Kollektivvertragspartner – damals schrift­lich – aufzufordern, bei den Verhandlungen sozusagen auch Anrechnungszeiten mit hi­neinzuverhandeln.

Man muss sagen, es ist in den letzten Jahren einiges gelungen, das muss man auch anerkennen – unterschiedlich in den jeweiligen Kollektivverträgen, aber wir haben da­mit etwas in Bewegung gebracht. Aus unserer Sicht ist diese gesellschaftspolitische Maßnahme wirklich notwendig, vor allem auch im Sinne der Frauen, die nämlich zum Großteil die Elternkarenz in Anspruch nehmen, und diese Maßnahme wird dafür sor-


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gen, dass vor allem im Angestelltenbereich die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen geschlossen werden kann. Und das wollen wir, meine Damen und Herren! Wenn sich Frauen der Kindererziehung zu Hause widmen, dann wollen wir haben, dass diese Zeiten letzten Endes auch für die Gehaltsvorrückungen angerechnet wer­den. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Wir haben uns gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dafür entschieden, und ich halte das auch für den richtigen Weg, dass sich die Kollektivvertragspartner jetzt im Herbst noch einmal damit auseinandersetzen. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Ich ver­stehe auch nicht, warum die SPÖ gerade das jetzt ablehnt (Abg. Leichtfried: Ihr seid für die Regierung zuständig und nicht für die Sozialpartner!), denn der ÖGB und die AK nehmen ja an den Kollektivvertragsverhandlungen teil. Ansonsten wird die Sozialpart­nerschaft sehr hoch gelobt – und sie hatte ihre Errungenschaften, das ist überhaupt keine Frage –, also warum man gerade dieses Thema jetzt an den Kollektivvertrags­partnern vorbeischummeln (Abg. Heinisch-Hosek: Was war das?) und gleich im Par­lament beschließen will, das, muss ich ganz ehrlich sagen, verstehen wir nicht und das wollen wir auch nicht. Die Kollektivvertragspartner sollen sich damit auseinanderset­zen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich weise auch die Kritik zurück, dass man jetzt sagt, wir wären nicht fertig oder es seien nicht alle davon umfasst. Also gerade in der SPÖ, liebe Kolleginnen und Kolle­gen – und du, lieber Beppo Muchitsch, mein langjähriger Freund, weißt das am besten von allen –, weiß man, dass für die Anrechnung der Karenzzeiten in allen Kollektivver­trägen und somit auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Generalklausel verhandelt werden kann. Dann brauchen wir nicht zu warten, was für ein KV im Früh­jahr verhandelt wird, das könnt ihr jetzt festlegen. Diese Möglichkeit bieten wir euch mit unserem Antrag, nehmt sie wahr! Nehmt sie wahr und verhandelt in diese Richtung! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte hier auch anmerken, im Ausschuss hat man auf einmal angefangen, sozu­sagen die Nadel im Heuhaufen zu suchen, weil wir geschrieben haben: Anrechnung von bis zu 24 Monaten Karenzzeiten. – Das ist logisch, meine Damen und Herren! Wenn eine Mutter früher zurück in die Arbeitswelt geht, wenn sie sozusagen nach 18 Monaten wieder ihre Arbeit antritt, dann werden natürlich 18 Monate angerechnet. Wenn sie aber die vollen 24 Monate in Anspruch nimmt, dann werden natürlich volle 24 Monate angerechnet. So ist dieser Entschließungsantrag zu verstehen.

Es steht so im Regierungsprogramm, und dafür danke ich auch. Im Übrigen ist es schon im letzten gestanden, und diesbezüglich entschuldige ich mich für einen techni­schen Fehler. Es wird im Entschließungsantrag auf das letzte Regierungsprogramm Bezug genommen, auf Seite 46 – wie in dem Antrag steht –: „Anrechnung von Eltern­karenzzeiten“; im Regierungsprogramm für diese Legislaturperiode steht die Anrech­nung von Karenzzeiten und Vorrückungen auf Seite 105.

Eines möchte ich auch sagen: Das ist auch ein Zeichen für die Effizienz dieser Bun­desregierung und für die Ineffizienz der letzten Regierung. (Ruf: Waren Sie nicht da­bei?) Beim letzten Mal haben wir es in vier Jahren nicht zustande gebracht – jetzt ist ein Jahr seit der Wahl vergangen, und wir legen die Anträge bereits vor. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Regierung arbeitet im Sinne der Menschen, meine Damen und Herren, und ich appelliere als ÖAAB-Obmann und als Klubobmann an die Kollektivvertragspartner, ei­ne Generalklausel für die Anrechnung der Elternkarenzzeiten für die Gehaltsvorrü­ckungen festzulegen. Das hilft den Frauen, die sich der Kindererziehung widmen, das ist für uns als Volkspartei eine wichtige gesellschaftspolitische Maßnahme. Sollte das nicht funktionieren, aus welchen Gründen auch immer, werden wir, so wie wir verein­bart haben, bis Jahresende gemeinsam einen Gesetzesvorschlag dazu einbringen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 49

Herr Kollege Loacker! Diese Zwangsaufteilung der Karenzzeiten, die die NEOS da vor­schlagen, hat mit Wahlfreiheit nichts zu tun – und diese Bundesregierung steht eindeu­tig für Wahlfreiheit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravoruf des Abg. Rädler. – Abg. Ja­rolim: Ein wenig mehr Ehrlichkeit hätte ich mir schon erwartet, Herr Kollege!)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber. – Bitte.


10.45.37

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe MitbürgerInnen! Ich werde dem zustimmen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Mit der Kenntnisnahme des Ausschussbe­richtes wird der Weg zur vollwertigen Anrechnung und Anerkennung der Karenzzeiten endlich beschritten, und darum geht es mir. Ich möchte einen Teil dazu beitragen, denn kein Elternteil – und wenn wir ehrlich sind, dann reden wir da zum größten Teil von Frauen, die die Erziehungsarbeit leisten und die Kinderbetreuung übernehmen –, keine Frau soll mehr persönliche Nachteile durch eine Karenzzeit erleiden; Nachteile, die sich in der Vergangenheit meistens und bis heute auch durch Nichtanrechnung im Zu­sammenhang mit Vordienstzeiten, durch verspätete Gehaltsvorrückungen, durch verlo­ren gegangene Urlaubsansprüche, bei Kündigungsfristen, Entgeltfortzahlungen und Krankenstandsansprüchen negativ ausgewirkt haben.

Spätestens seit der schwarz-blauen Koalition 2003 ist durch weitere erhebliche Ein­schnitte, nämlich durch die Einführung der lebenslangen Durchrechnungszeit, wiede­rum eine frauen- und familienpolitische Diskriminierung erfolgt. Im Jahr 2016 waren es 20 Prozent der allein lebenden Frauen im Pensionsalter, die armutsgefährdet waren; im Vergleich dazu lag der Wert bei den Männern mit 11 Prozent bei gut der Hälfte. Das ist immer noch zu hoch. Es ist ganz klar: Niemand, der sein Leben lang gearbeitet hat, sollte im Alter gezwungen sein, diesen Lebensabschnitt in Armut fristen zu müssen. Das ist vollkommen klar.

Wir alle, die wir hier sitzen, sind gemeinsam gefordert, diese Ungerechtigkeiten abzu­stellen. Und auch wenn jetzt wiederum ein Umweg beschritten wird, nämlich über Kol­lektivvertragsverhandlungen, über die Sozialpartnerschaft, so hoffe ich doch, dass wir zum Schluss eine gesetzliche Grundlage festlegen können, damit sich nicht nur 97 Pro­zent aller Beschäftigten in diesem Land, sondern die gesamten 100 Prozent, alle Frau­en und alle Männer, diesbezüglich auf Untergrenzen, auf Mindeststandards berufen können. Wir haben eine riesengroße Aufgabe vor uns, wir haben eine lange To-do-Lis­te vor uns.

Wir müssen zu den Frauen in diesem Land stehen. Frauen tragen die Hauptlast der Kindererziehung und dementsprechend auch die Hauptlast des Großteils der Zukunfts­arbeit. Es geht darum, die nächste Generation so weit auf die Wege zu bringen, Fami­lien zu gründen – und das soll keinen Nachteil im beruflichen Werdegang oder bei den Pensionsansprüchen und keine Altersarmut mit sich bringen.

Es reicht völlig, wenn wir endlich damit beginnen, die strukturelle Diskriminierung der Frauen in diesem Land abzustellen. Wie gesagt, wir gehen leider diesen Umweg; mei­ne Anträge im Ausschuss hätten eine sofortige gesetzliche Regelung vorgesehen. Der Versuch, die Sozialpartner einzubinden, über die Kollektivverträge zu gehen, ist für mich ein Hinauszögern, bedeutet weitere drei Monate, die die Frauen in unserem Land hinsichtlich ihrer Ansprüche verlieren, trotz allem glaube ich, dass es möglich sein muss, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten, weil es mir darum geht, dass die Diskri­minierung von Frauen in der Erziehungsarbeit endlich aufhört. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz sowie der Abgeordneten Belakowitsch und Stefan.)

10.48



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schi­manek. Ich darf ihr das Wort erteilen.


10.49.00

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen! Meine Damen und Herren Zuschauer auf der Galerie – es sind auch junge Frauen dabei, die, wie ich glaube, dieses Thema ganz besonders interessieren wird! Auch ich begrüße es sehr, dass wir es jetzt geschafft haben, diesen Antrag ge­meinsam mit dem Koalitionspartner zu beschließen.

Die Anrechnung der Karenzzeiten ist mir schon seit Jahren ein großes, großes Anlie­gen, und ich glaube, wir gehen jetzt einen richtigen Schritt in die richtige Richtung, ei­nen großen Schritt, um Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern auszuglei­chen und auch die Pensionsschere zu schließen. Zukünftig sollen Frauen und auch die wenigen Männer, die bis zu 24 Monate zu Hause bleiben, diese Zeit auch für die Ge­haltsvorrückungen angerechnet bekommen; ebenso für Urlaubsansprüche, Kündi­gungsfristen, Entgeltfortzahlungen und Krankenstandsansprüche.

Hauptsächlich werden Frauen mit Kindern von der Anrechnung der Karenzzeiten profi­tieren. Wir wissen aufgrund der Einkommensberichte, dass bei Frauen ohne Kinder kaum große Unterschiede zu erkennen sind; zu bis zu 90 Prozent verdienen Frauen ohne Kinder gleich viel wie Männer. Die großen Gehaltsunterschiede zeigen sich erst dann, wenn Frauen zu Hause bleiben und ihre Kinder betreuen – nicht nur durch die Berufswahl. Mir ist das seit Jahren ein Anliegen, und es sind auch schon sehr viele Anträge diesbezüglich von mir gestellt worden, auch in den beiden letzten Perioden, in denen ich bei den damaligen Parteien leider kein Gehör gefunden habe.

Etwas irritierend fand ich heute auch die Aussagen des Kollegen Muchitsch. Irgendwie verfestigt sich dadurch in mir der Eindruck, dass alles, was vor dem 15. Oktober 2017 passiert ist, von Ihnen vergessen worden ist. Ich habe mir nämlich die Protokolle be­treffend meine Anträge angesehen, und damals, in der Sitzung vom 14.10.2015, mein­te die damalige Frauenministerin Heinisch-Hosek: „Ich meine, dass gesetzliche Rege­lungen zu den [...] Kollektivverträgen, die in Österreich verhandelt werden, nicht ein­fach umzusetzen sind.“ – Passt. Und weiter: „Ich lehne es auch persönlich ab, den So­zialpartnerverhandlungen in Gesetzen vorzugreifen.“ – Also ich muss sagen, es ist schon eigenartig, wenn man dann zwei, drei Jahre später etwas ganz anderes hört. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Auch Kollege Knes hat in den Ausschusssitzungen mehr­mals darauf hingewiesen, wie wichtig die Sozialpartner sind, und dass man das ja nicht mit Gesetzen machen soll.

Aber jetzt noch einmal inhaltlich zum Antrag des Kollegen Loacker: Auch da gehe ich mit dem Koalitionspartner d’accord. Diese Entscheidung sollen Familien selber treffen dürfen. Ich möchte die Wahlfreiheit für Familien, und ich möchte Familien nicht vor­schreiben, wer wie lange in Karenz gehen darf beziehungsweise muss.

Ich weiß, Sie waren auch inhaltlich immer gegen unsere Forderung nach Anrechnung der Karenzzeiten, weil Sie eben gemeint haben, es geht bei diesen Vorrückungen nur um Erfahrungszuwächse. Ich kann Ihnen sagen, das Gegenteil ist der Fall: Die Sozial­kompetenzen, die Frauen und Männer in der Karenzeit für sich erwerben, sind wertvoll und für den Arbeitsmarkt auch unverzichtbar. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hei­nisch-Hosek. – Bitte. (Abg. Belakowitsch: Jetzt erklären Sie das einmal!)


10.52.58

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! An die Frauen mit Kindern oder die Männer mit Kindern, die gerade in


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 51

Karenz sind und jetzt fernsehen und uns oder Sie gehört haben: Märchenstunde von Herrn Wöginger, kein Einsatz für Frauen von der Frau Frauensprecherin der FPÖ (Abg. Schimanek: Wie bitte? Was? – Abg. Belakowitsch: Darum seid ihr da, wo ihr seid: weil ihr nichts versteht!) – es tut mir wirklich leid, dass wir das hier so debattieren müssen, dass jetzt 30 Prozent der Frauen in Kollektivverträgen bedacht sind, aber 70 Prozent gar nichts davon haben. Daher wollen wir ein Gesetz, und wir wollen das jetzt und heute und nicht erst nächstes Jahr (Beifall bei der SPÖ), denn die Frauen in dem Land haben es sich verdient. (Abg. Schimanek: Vor drei Jahren waren Sie noch komplett ...!) – Es hört Sie niemand, wenn Sie dazwischenschreien, es hört Sie nie­mand vor den Fernsehgeräten. (Abg. Stefan: Sie wissen, dass wir recht haben!)

Ich glaube, dass es darum geht, dass Frauen, die um 20 Prozent weniger verdienen als Männer, ein ganzes Maßnahmenpaket brauchen, damit sich diese Lohnschere end­lich schließt (Abg. Belakowitsch: Waren Sie nicht einmal Frauenministerin?!), und ei­ne Möglichkeit wäre, dass auch die Karenzzeiten für Gehaltsvorrückungen, für den An­spruch auf die sechste Urlaubswoche, für Entgeltfortzahlungen angerechnet werden. Also an alle, die zusehen, auch wenn es Sie nicht betrifft: Wir würden sofort ein Gesetz machen – diese Bundesregierung aber hat kein Interesse daran, dass Frauen ihre Karenzeiten angerechnet bekommen! (Abg. Schimanek: Sie wollten es ja schon als Frauenministerin nicht! – Abg. Belakowitsch: Sie waren ja Frauenministerin!) – Es hört Sie niemand. Es hört Sie niemand! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Die Frau Ministerin hat das gesagt! Im Protokoll steht es auch! – Abg. Hauser: Wieso habt ihr das nicht alles schon gemacht? – Ruf bei der ÖVP: Jetzt fällt es Ihnen ein?! – Präsi­dent Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Frauen brauchen genau diese Möglichkeit, dass diese Anrechnung gesetzlich festge­schrieben wird, und zwar heute und jetzt und nicht erst später! (Ruf bei der ÖVP: Elf Jahre! Wer war Ministerin?) Es wäre wichtig, dass nicht nur die hunderttausend Frau­en – und auch Männer –, die gar keinen Kollektivvertrag haben, sondern dass auch die 1,3 Millionen Menschen, die jetzt nicht betroffen sind, schnell für dieses Gesetz stim­men würden, wie wir das jetzt vorbringen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können sich noch so aufregen, Sie verhindern, dass für Frauen in diesem Land etwas getan wird (Abg. Belakowitsch: Sie waren Frauenministerin!), wenn Sie den Sozialpartnern ausrichten, dass sie die Kollektivver­träge verhandeln sollen. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Keine Aufregung, das tut der Gesundheit nicht gut!

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „volle An­rechnung der Karenzzeiten durch Gesetz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur vollen Anrechnung der ge­setzlichen Karenzzeiten nach dem Mutterschutzgesetz auf alle Rechtsansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, so rechtzeitig zuzuleiten, dass ein Inkraft­treten der vollen Anrechnung mit 1.1.2019 erfolgen kann.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 52

Die Frauen in diesem Land haben sich das verdient. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: Das war eine hervorragende Rede! – Heiterkeit und Zwischen­rufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

10.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Gabriele Heinisch-Hosek und GenossInnen betreffend volle Anrechnung der Karenzzeiten durch Gesetz

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 345/A(E) der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Walter Ro­senkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend bis zu 24 Monate Anrechnung von Ka­renzzeiten in allen Kollektivverträgen (284 d.B.)

Schon seit langem wird von der SPÖ und vielen anderen, vor allem Frauenorganisa­tionen und Gewerkschaften, die volle gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten ge­fordert. Nur durch eine gesetzliche Regelung kann ein wesentlicher Beitrag zum Schließen der Einkommensschere gesetzt und für alle berufstätigen Elternteile eine Besserstellung erreicht werden. In vielen Kollektivverträgen wurden bereits bei der An­rechnung von Karenzzeiten wichtige Verbesserungen erreicht. Doch auf keinen Fall darf diese Regelung auf die KV-VerhandlerInnen abgewälzt werden, so wie es ÖVP-Klubobmann August Wöginger gefordert hat. Alle Eltern brauchen die gleichen Chan­cen auf Anrechnung, daher führt kein Weg an einer gesetzlichen Umsetzung vorbei.

Die volle Anrechnung der Karenzzeit nach dem Mutterschutzgesetz und Väter-Karenz­gesetz im Ausmaß von 24 Monaten hätte Auswirkungen auf die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche, auf die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf die Kündigungsfristen und vor allem auf Vorrückungsstichtage im Zusammenhang mit dem Einkommen. Rund 1,3 Mio. unselbständig Beschäftigte – fast alles Frauen – werden davon profitieren.

Durch ein Abschieben dieser Forderung auf die KollektivvertragsverhandlerInnen ist die volle Anrechnung für alle AN so schnell nicht zu erreichen und außerdem gibt es immer noch zirka 100.000 ArbeitnehmerInnen, die überhaupt keinem KV unterliegen.

Die Anrechnung per Gesetz JETZT und für ALLE ArbeitnehmerInnen ist unbedingt er­forderlich, da sie einen wesentlichen Beitrag zur Schließung der Lohnschere darstellt. Immer noch verdienen Frauen um zirka 20 % weniger und das führt zu rund 40 % geringeren Pensionen als Männer haben. Jede Verzögerung der Anrechnung bedeutet daher eine Fortschreibung der Unterschiede.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur vollen Anrechnung der ge­setzlichen Karenzzeiten nach dem Mutterschutzgesetz auf alle Rechtsansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, so rechtzeitig zuzuleiten, dass ein Inkraft­treten der vollen Anrechnung mit 1.1.2019 erfolgen kann.“

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ist auch ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte.


10.56.40

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Zuerst darf ich einmal erwähnen: Liebe Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Ihr Antrag geht sich leider nicht aus, mit der Begutachtungsphase. (Abg. Heinisch-Hosek: Was?) – Ihr Entschließungsantrag geht sich leider nicht aus. (Abg. Heinisch-Hosek: Im nächsten Sozialausschuss aber! Was reden Sie da?)

Also bei diesem Entschließungsantrag, den wir jetzt auf der Tagesordnung haben, geht es darum, dass, wie wir schon gesagt haben, bis zu 24 Monate Karenzzeit für die Ge­haltsvorrückung angerechnet werden sollen. So wie die Arbeitnehmervertretung spricht sich die Wirtschaft ganz entschieden gegen die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt aus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Deshalb hat die Wirtschaft auch schon mehrere Kollektivverträge vorgelegt und die Anrechnung von gesetzlichen Ansprüchen verankert. Im Handel und in der Metallindustrie etwa werden schon jetzt Karenzzeiten angerechnet, die auch branchenspezifisch ausverhandelt wurden; aber in anderen Kol­lektivverträgen sind die Punkte aufgrund von völlig überzogenen Forderungen, seitens der Gewerkschaft übrigens (Abg. Heinisch-Hosek: Na geh!), bis jetzt nicht umgesetzt worden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In diesem Zusammenhang darf ich an die Verhandlungen zum Thema Mindestlohn und Arbeitszeit erinnern. Es war die Gewerkschaft, die mit der zusätzlichen Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Die Wirtschaft dagegen hat ihren Teil der Verhandlungen eingehalten und den Mindestlohn von brutto 1 500 Euro eingeführt. (Rufe bei der SPÖ: Wo?) Wenn faire Gespräche stattfinden und keine über­zogenen Forderungen vonseiten der Gewerkschaft auf dem Tisch liegen, ist die Wirt­schaft natürlich bereit, ihren Beitrag auch zu leisten (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter und die Weiterentwicklung des Standortes Ös­terreich ist auch uns ein großes Anliegen. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir stehen für beste Rahmenbedingungen für Frauen und Männer, für Kinder und wer­dende Eltern. Dazu gehört es auch, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Beruf und Familie gut miteinander koordiniert werden können. Wir sind aber auch da­von überzeugt, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dieses Ziel bestmög­lich zu gestalten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Vernünftige Lösungen werden – das kann ich nur abermals betonen – sicherlich nicht an der Wirtschaft scheitern. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es vernünftige und auf Augenhöhe geführte Verhandlungen gibt und nicht überzogene Forderungen auf dem Tisch liegen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Dass eine Umsetzung zuerst durch die Sozialpartner erfolgt, ist nur logisch, denn Lohnpolitik ist, wie wir alle wissen, die Sache der Sozialpartner. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Kollektivvertrag ist daher der richtige Ort, um für die einzelnen Branchen, für die dort Beschäftigten maßgeschneiderte Lösungen zu erzielen. Ich verstehe nicht, wieso die SPÖ die Sozialpartnerschaft schon wieder außen vor lassen will (Abg. Heinisch-Hosek: Sie lassen sie doch außen vor!), so wie schon bei der Angleichung Arbei­ter/Angestellter. Das verstehe ich nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Man hat hier schon den Eindruck, dass die Sozialpartner nur dort eingesetzt werden sollen, wo es Herrn Muchitsch recht ist. (Abg. Heinisch-Hosek: Die Wirtschaftskam-


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mer sagt ...!) Für mich als Unternehmerin und auch KV-Verhandlerin ist eines unver­ständlich: dass sich die Gewerkschaft gegen dieses Vorhaben ausspricht.

Daher darf ich noch einmal zusammenfassen: Wir sind für keine Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt, sondern für optimale Lösungen auf der KV-Ebene und für faire Verhandlungen auf Augenhöhe. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

11.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ga­mon. – Bitte sehr.


11.00.42

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vergangenen Samstag haben wieder einmal die Sektkorken am jährli­chen Feiertag des Patriarchats, am Equal Pay Day geknallt (Beifall bei den NEOS), an dem man nämlich erklärt kriegt, dass alle arbeitenden Männer in Österreich immer noch 20 Prozent mehr als alle arbeitenden Frauen verdienen.

Wir haben aber von der ÖVP oft gehört: Wir sind gegen die Diskriminierung von Frau­en am Arbeitsmarkt. Und deshalb führen wir eine neue indirekte Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt ein. Dass sich hier natürlich Konservative und Sozialdemokra­ten wieder treffen, ist bei diesem Thema eigentlich nichts Neues.

Ich kann Ihnen auch gerne erklären, warum das so ist. Sie müssen auch nicht so tun, als hätten Sie nicht die intellektuellen Fähigkeiten, hier um zwei Ecken zu denken und diesen komplexen Sachverhalt auch zu verstehen. Es geht nämlich darum, dass wir annehmen können, dass vor allem Frauen in Karenz gehen. Ich glaube, das ist ja etwas, was auch die ÖVP nicht bestreiten würde; dazu gibt es genügend Zahlen, Da­ten und Fakten. Wir reden hier auch immer – wir eigentlich nicht –, vor allem die ÖVP redet hier auch immer wieder von Frauen, die diese Regelung betreffen würde. Des­halb können wir auch davon ausgehen, dass es diese Regelung für Frauen am Arbeits­markt in Zukunft wahrscheinlich nicht einfacher machen wird, wenn es eine Anrech­nung von Zeiten, in denen sie nicht gearbeitet haben, in denen sie keine zusätzliche Berufserfahrung gesammelt haben, auf den Kollektivvertrag gibt.

Was bedeutet das nämlich für einen Arbeitgeber? – Man muss wahrscheinlich für Frau­en – denn es betrifft vor allem Frauen – in Zukunft mehr zahlen, auch wenn diese in dieser Zeit nicht im Betrieb waren. Glauben Sie, dass das Frauen am Arbeitsmarkt hel­fen wird? – Ich denke nicht, aber ich glaube, das ist Ihnen wurscht, denn es schaut ganz nett aus.

Im Übrigen: Dass Sie natürlich sagen, Sie verstehen schon, dass man den Sozialpart­nern nichts ausrichten kann und wir das hier nicht bestimmen können, ist nachvoll­ziehbar, aber ich bin mir sicher, dass in Zukunft irgendwann irgendwo stehen wird: Die Regierung hat gemacht, nämlich Folgendes – obwohl wir alle wissen, dass das so nicht stimmt.

Was sind denn die Faktoren, die beeinflussen, wie es Frauen am Arbeitsmarkt geht? Frauen arbeiten öfter in kleineren Betrieben; diese zahlen im Schnitt schlechter. Frau­en arbeiten im Vergleich zu Männern öfter unterhalb ihres Qualifikationsniveaus, sie bekommen seltener Boni als Männer, und wenn sie diese kriegen, dann fallen sie auch niedriger aus. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Herr Loacker hat einen Vorschlag gemacht, was man denn wirklich tun könnte, um die­ses Problem ganz im Ernst in den Griff zu kriegen: individuelle Karenzansprüche näm­lich. Wenn Sie jetzt meinen, da geht es um irgendeinen Zwang, dann tun Sie wieder so, als hätten Sie nicht die Fähigkeit, zu verstehen, was damit gemeint ist und wie hier um zwei Ecken gedacht wird, weil es eben ein komplexer Sachverhalt ist.


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Der Gender Pay Gap ist nichts Einfaches. Er ist weder einfach zu erklären, noch ist er einfach zu lösen, aber wir könnten damit anfangen. Was wir nicht tun können, ist zu sagen: Wir können den Sozialpartnern nichts ausrichten. Es gibt Dutzende Punkte, die wir hier in diesem Haus lösen könnten, um es Frauen am Arbeitsmarkt wirklich leichter zu machen. Das Problem ist nämlich nicht die Karenz – Sie machen hier die Karenz zum Problem –, das Problem ist, dass Karenz immer noch fast ausschließlich von Frauen in Anspruch genommen wird. Wenn wir dazu kommen, dass auch viele Männer in diesem Land draufkommen, dass zum Kinderkriegen meistens zwei gehören und zum Kindererziehen auch zwei gehören sollten, dann würden wir den Gender Pay Gap auch endlich in den Griff kriegen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Zadić.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.04.09

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Gamon! Wir haben natürlich alle die intellektuellen Fähigkeiten, um zwei Ecken zu denken. Nur, was diese Bundesregierung und die Regierungsparteien auszeichnet, ist: Wir haben den Hausverstand und haben auch die Kraft, die Dinge auf den Weg zu bringen und umzusetzen und nicht nur, um zwei Ecken zu denken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es wurde schon angesprochen: Die Initiative, die Karenzzeiten voll anzurechnen, war immer ein Thema der ÖVP, auch des ÖAAB. Eine Initiative geht auf das Jahr 2011 zu­rück, und jetzt setzen wir den Schritt, auch in die Umsetzung zu kommen.

Frau Heinisch-Hosek, weil Sie Ihren Antrag heute so dringlich einbringen und so dring­lich argumentieren: Das ist ja wie eine Selbstanklage. Im letzten Regierungsprogramm ist das drinnen gestanden; weder die Regierung noch die Sozialpartner haben das um­gesetzt. Jetzt, weil wir diese Initiative setzen, kommen Sie schnell mit einem Antrag da­her. Dieser soll sofort beschlossen werden – unter Ausschaltung der Sozialpartner. Das ist ein Eingeständnis des Versagens. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Unser Ziel ist ganz klar: die Einkommensschere zu schließen, die Gleichstellung im Be­reich der Anrechnung der Karenzzeiten umzusetzen. Wir wählen bewusst den Weg, das über die Kollektivverträge abzuwickeln und die Sozialpartner einzubinden. Es wur­de schon angesprochen: In 30 Prozent der Kollektivverträge ist diese Anrechnung der Karenzzeiten schon realisiert.

Richtig ist auch, dass es gerade in Branchen, in denen viele Frauen berufstätig sind – Handel, Handwerk, Gewerbe –, noch nicht so ist. Mein Klubobmann hat es angespro­chen, das ist unsere Forderung: Wir wollen eine Generalklausel, dass das in den Kol­lektivverträgen umgesetzt wird, dass wir hier nicht eine gesetzliche Regelung entspre­chend adaptieren müssen. Wenn diese Regelung nicht kommt, dann haben wir auch den Mut und werden das hier auch gesetzlich regeln. Das ist aber das Szenario B, der Plan B, das soll über die Kollektivverträge abgewickelt werden.

In diesem Sinne: Setzen wir heute einen wichtigen Schritt! Beschließen wir heute die­sen Entschließungsantrag! – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.06


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Beate Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.06.23

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, Faktum ist, dass wir immer noch eine finanzielle Schlechterstellung von ka-


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renzerziehenden Elternteilen haben und daraus Einkommensunterschiede resultieren, die sich natürlich auch auf die Pensionshöhe auswirken. Uns geht es um Familien­politik. Es geht um erziehende Elternteile, egal, ob Mutter oder Vater, und ihr Kind.

Viele Kollektivverträge sind demnach sowohl frauen-, kinder- als auch familienfeindlich. Mit der Anrechnung von Karenzzeiten wollen wir die Situation von Erwerbstätigen und Leistungsträgern bei der Familiengründung verbessern.

Wir zielen ganz bewusst – ganz bewusst! – auf die vergleichsweise kinderarme Mittel­schicht ab. Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass sich erwerbstätige Frauen ihren Kinderwunsch möglichst ohne langfristige finanzielle Nachteile erfüllen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Muchitsch! Dir als einem der obersten Sozialpartner sei gesagt: Beweist es, habt den Mut, dass ihr etwas zusammenbringt! (Abg. Muchitsch: Arbeits...!) Wenn nicht, dann müssen wir leider wieder einspringen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Birgit Silvia Sandler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.07.53

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Wertes Hohes Haus! Eine Bemerkung sei mir gestattet: Ich glaube nicht, dass wir als Abgeordnete hier im Nationalrat bewerten können, ob die Forderungen der Gewerkschaft überzogen sind oder nicht und welche es sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lugar: Doch!) Es steht uns nicht zu, das den Betriebsräten und Betriebsrätinnen, die mit viel Engagement und Herzblut für unsere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verhandeln und das Beste wollen, auszurichten. – Punkt eins. (Abg. Leichtfried: Sehr guter Einwand! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Punkt zwei – ich zitiere aus Ihrem Regierungsprogramm, Seite 105 des Regierungs­programmes 2017 bis 2022 (Abg. Neubauer: Was glauben denn Sie?) –: „Gemeinsam mit den Sozialpartnern Diskriminierungen in allen Kollektivverträgen prüfen und besei­tigen.“ Dazu gehören zum Beispiel die „Aufhebung der Stereotype und Neubewertung der Arbeitsfelder (Anrechnung von Karenzzeiten und Vorrückungen)“.

Gemeinsam heißt nicht, den Sozialpartnern etwas auszurichten und dann mit einem Gesetz zu drohen, sondern gemeinsam heißt gemeinsam. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn Sie den Sozialpartnern ausrichten, dass sie das in den Kollektivverträgen regeln sollen, so lassen Sie Hunderttausende Menschen im Stich, nämlich jene, deren Branchen nicht in Kollektivverträgen geregelt sind. Das sind vor allem Branchen, in denen unver­hältnismäßig viele Frauen arbeiten. Diese sind ja davon besonders betroffen.

Von einer gesetzlichen Regelung würden rund 1,3 Millionen unselbstständig Beschäf­tigte, vor allem Frauen, profitieren und hätten Rechtssicherheit. Wer garantiert, dass diese Regelung in den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen nicht wieder gekippt und auf dem Altar des Profits geopfert wird? – Rechtssicherheit und Verlässlichkeit sind etwas, was die Menschen in diesem Land brauchen, um ihr Leben planen zu kön­nen. Sie müssen wissen, worauf sie sich verlassen können. Sie müssen wissen, ob sie eine Familie planen können, eine Wohnung mieten oder gar ein Haus bauen können. Sie brauchen Sicherheit und nicht eine Regelung, die jedes Jahr neu verhandelt wer­den muss.

Frauen, die Kinder bekommen, sind Ihnen in dieser Hinsicht weniger wert als Men­schen, die Präsenzdienst leisten. (Abg. Schimanek: Das ist nicht wahr!) Daher fordere ich Sie auf: Stellen Sie die Mütter und Väter durch die gesetzliche Anerkennung der Karenzzeit zumindest den Präsenzdienstleistenden gleich! – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.10



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 57

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun Frau Abgeordnete Angela Lueger gemel­det. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.10.51

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! So viel zur Wahrheit: Frau Kollegin Graf von der ÖVP steht für Lohngerechtigkeit für Frauen und Männer ein. Sie haben bei der Arbeitskräf­teüberlassung einen Kollektivvertrag ausverhandelt, wonach eine Frau drei Jahre dabei sein muss, dass Sie ihr für das erste Kind überhaupt eine Karenzzeit anrechnen wol­len. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) – Nur so viel zu dem. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Unerhört!)

11.11

11.11.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: die dem Ausschussbe­richt 284 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „bis zu 24 Monate Anrechnung von Karenzzeiten in allen Kollektivverträgen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 29.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „individueller Anspruch auf Karenz für jeden Elternteil“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit. Ab­gelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „volle Anrechnung der Karenzzeiten durch Gesetz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag ausspre­chen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 285 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 286 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

11.13.364. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 340/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogten­huber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlinge – Integration vor Zu­zug (287 d.B.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 58

Präsidentin Doris Bures: Wir kommen jetzt zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Einleiten wird diese Debatte Herr Abgeordneter Stöger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.14.17

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es geht um die Frage der Integration vor Zuzug. Es geht darum, dass diese Menschen in Österreich leben und dass Unternehmer in Österreich Fachkräfte suchen. Das ist gut so. (Abg. Belakowitsch: Das zeigt, dass Sie versagt haben! Das ist doch nicht gut!) Es gibt Mangelberufe in Österreich, für die wir ganz bewusst Menschen brauchen, die diese Berufe ausüben wollen. Daher ist es so wichtig, dass Menschen, die in Österreich le­ben, in diesen Berufen arbeiten. Dazu gehören auch 1 027 junge Asylwerberinnen und Asylwerber in einer Lehre, die einen Beitrag zur Volkswirtschaft in Österreich leisten wollen und ihn auch leisten. Es gibt viele Unternehmer, die das auch wollen und die sich um die Ausbildung dieser Menschen bemühen.

Was tut diese Bundesregierung? (Abg. Leichtfried: Das Falsche! – Abg. Belako­witsch: Missbrauch abstellen!) – Diese Bundesregierung will verhindern, dass Men­schen, die in Österreich leben, die einen Beitrag zur österreichischen Volkswirtschaft leisten wollen, auch einen Beitrag leisten dürfen. Das ist schlicht und einfach dumm, kontraproduktiv und schadet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Was ist das für eine Wortwahl?)

Ich wiederhole: Das ist kontraproduktiv, das versteht niemand in dieser Republik. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.) Diese jungen Menschen nehmen niemandem einen Ausbildungsplatz weg (Abg. Neubauer: Natürlich! – Abg. Belakowitsch: Sondern?), sondern das sind jene, die in einem Mangelberuf Tätigkeiten ausüben, die wir brau­chen. Wir wollen auch keine länderspezifische Mangelberufsliste, um dann neue Leute aus Drittländern hereinzuholen. (Abg. Rosenkranz: 70 000 sind schon da!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schildbürgerstreich ist da eine freundliche Bezeichnung. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Ich bedanke mich bei jedem Unternehmer und jeder Unternehmerin, die bereit sind, ei­nen Asylwerber, eine Asylwerberin in Ausbildung zu nehmen, und es ihnen ermögli­chen, in Österreich eine Ausbildung zu machen. (Abg. Neubauer: Das ist ja unglaub­lich! – Abg. Rosenkranz: Das hat der Hundstorfer-Erlass so vorgesehen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Maßnahme ist zulasten Österreichs (Abg. Belakowitsch: Falsch!), diese Maßnahme ist zulasten der Exportwirtschaft in Österreich. (Abg. Belakowitsch: Falsch!) Es waren immer jene Menschen, die in Ös­terreich an Universitäten, in Ausbildung waren, die uns später auch als Exportland im Ausland unterstützt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Integration vor Zuzug ist die Maßnahme, die angesagt ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Gudenus: Das haben wir gemerkt die letzten Jahre!)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.17.32

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Wer­te Zuseher zu Hause! Und täglich grüßt das Murmeltier: Wir hatten die Diskussion um Asylwerber, um Lehre und um Zuwanderung jetzt schon viele Male, aber wir können


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 59

das Thema hier gerne noch einmal abschließend diskutieren. Der unsägliche Hunds­torfer-Erlass ist seit September 2018 Geschichte, und das ist gut so.

Die Fragestellung ist natürlich eine ideologische: Wollen wir illegale Zuwanderung, wol­len wir Zuzug, wollen wir diese Willkommenskulturklatscher und so weiter unterstüt­zen? Oder wollen wir den Arbeitsmarkt und die Österreicher vor illegaler Zuwanderung schützen? – Die Position der Freiheitlichen ist da ganz klar: Wir wollen Ersteres nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um hier noch einmal ein paar Fakten klarzustellen, denn da wird sehr viel mit Fake News gearbeitet: Es sind zurzeit rund 32 000 Asylberechtigte beim AMS gemeldet, darunter rund 10 000 junge Männer unter 25, die jeden Job in Österreich annehmen könnten, wenn sie einen bekämen. (Abg. Rosenkranz: Richtig!)

Von den ominösen rund 1 000 Asylwerbern in der Lehre, um das auch einmal klarzu­stellen, gehört eine sehr große Gruppe einer Nation an, fast 80 Prozent davon sind nämlich Afghanen. Ebenso erwähnen sollte man, dass von diesen rund 1 000 circa 50 Prozent in der Gastronomie eine Lehre machen. Jetzt will ich das gar nicht abwer­ten, aber das wird den Fachkräftemangel in Österreich im Gesamten mit Sicherheit nicht beenden.

Was man auch erwähnen sollte: Von diesen 1 000 sind derzeit rund 100 im dritten Lehrjahr, das heißt, da können Sie sich ungefähr die Drop-out-Rate ausrechnen. Der entscheidende Punkt bei der Geschichte – das sind ganz aktuelle Zahlen, die ich re­cherchiert habe und die auch belegbar sind; das ist eigentlich der Grund dafür, dass wir den Missbrauch abstellen mussten – ist: 65 Prozent dieser rund 1 000, die eine Lehre angefangen haben, haben die Lehre begonnen, nachdem sie in der ersten Ins­tanz einen negativen Bescheid bekommen haben. (Abg. Rosenkranz: Richtig! – Abg. Gudenus: Genau!) 65 Prozent! Daran sehen Sie den Missbrauch, der vor allem auch von Ihnen über Jahre unterstützt wurde und bei dem alle NGOs mitspielen. Das heißt, es wird vor allem den Afghanen gesagt: Wenn du einen negativen Asylbescheid hast, dann fang eine Lehre an – wir suchen dir schon irgendwo einen Lehrplatz –, dadurch kannst du die Abschiebung umgehen! – Das kann so nicht mehr funktionieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Wir hatten ja ein ganz berühmtes Beispiel, wenn Sie sich erinnern: unser Herr Bun­despräsident Van der Bellen, der, mit Limousine und Entourage, diesen afghanischen Einzelhandelskaufmannlehrling besucht hat. Er sollte auch einmal österreichische Lehr­linge besuchen, das wäre gescheiter gewesen.

Ich möchte schon darauf hinweisen: Im Einzelhandel gibt es diesen Mangel an Lehr­stellensuchenden nicht! Falls es Sie interessieren sollte: Wir haben aktuell, im Sep­tember 2018 – gerade dem Kollegen Muchitsch sei dies gesagt; Beppo, bitte zuhö­ren! –, im Bereich Einzelhandelskaufmann/-kauffrau eine exakte Zahl von 1 074 Öster­reicherinnen und Österreichern, die eine Lehrstelle suchen. Jetzt erklären Sie mir bitte, warum der Herr Bundespräsident und alle, die in seinem Gefolge unterwegs waren, ausgerechnet einen Afghanen, der im Asylverfahren ist, unterstützen wollten! Diese 1 074 würden Unterstützung verdienen – und nicht Asylwerber! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist vollkommen klar: Es muss ein Ende der illegalen Zuwanderung geben. Das wol­len wir nicht. Das will weder die FPÖ noch die neue ÖVP – Teile der alten ÖVP leider Gottes schon. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Wer gehört denn da drüben zur alten ÖVP? Können Sie das einmal ...? – Abg. Rosenkranz: Mitterlehner sitzt nicht mehr dort drüben! Mitterlehner! – Abg. Wittmann: Manche erkennen schon die Gren­ze!) Es kann kein Asyl über die Hintertür geben, und um es noch einmal klarzustellen: Asyl ist Schutz auf Zeit, aber keine Zuwanderung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.22



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 60

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


11.22.30

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Ja, so ist es, wenn die Bürgerinnen und Bürger mit falschen Informationen vorgeführt werden. Ich möchte auf die Ausführungen des Herrn Wurm und auf seine Statistiken eingehen: Kollegin Krisper hat schon im Mai beim Innenminister angefragt, und das In­nenministerium hat geantwortet, entsprechende Statistiken werden nicht geführt. Wo­her Sie die Zahlen haben, mit welchen Zahlen Sie hier argumentieren, ist abenteuerlich (Abg. Belakowitsch: Das ist nicht abenteuerlich!), und es zeigt, wer hier mit falschen Informationen und mit Angstmache argumentiert. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Es ist sowieso absurd, dass ich mich mit Ihnen beschäftige, ich will mich ja lieber mit der ÖVP beschäftigen (Abg. Leichtfried: Ja, aber die alte ...!), die in dieser Frage so­zusagen selbst vorgeführt wird von zwei Vizekanzlern (Abg. Martin Graf: Hochmut kommt vor dem Fall!) aus alten Regierungen, vom geschätzten Vizekanzler und Wirt­schaftsminister Mitterlehner und vom geschätzten Vizekanzler Wilhelm Molterer, die sich gerade dafür einsetzen, gerade für jene einsetzen, die integrationswillig sind (Zwi­schenruf des Abg. Hörl) und die hier auch eine Lehre absolvieren wollen. – Dass Kollege Hörl jetzt hereinkrakeelt, ist besonders absurd, weil er auch aus dem Touris­mus kommt und gerade im Westen auch eine Situation besteht, in der wir diese inte­grationswilligen jungen Menschen integrieren möchten (Abg. Belakowitsch: Aber sie sind ja illegal im Land!), die jetzt aber nicht mehr die Möglichkeit haben, sich zu inte­grieren. (Abg. Belakowitsch: Sie brauchen sich nicht integrieren!)

Sie sind ja schon in diesem Land (Abg. Belakowitsch: Sie sind illegal im Land!), und es stimmt auch nicht, was Herr Wurm gesagt hat, dass das eine illegale Zuwanderung ist. (Abg. Belakowitsch: Natürlich! Natürlich ist das illegal! – Abg. Rosenkranz: Na was denn?) Diese Menschen, diese jungen Menschen sind hier, und für sie sollte die Möglichkeit geschaffen werden (Abg. Rosenkranz: Dass sie dann das humanitäre Bleiberecht kriegen!), dass mit dem von uns vorgeschlagenen Drei-Plus-Zwei-Modell ihre Situation neu bewertet werden kann. Das heißt, sie schließen eine dreijährige Leh­re ab und haben anschließend die Möglichkeit, zwei Jahre in dieser Sparte zu arbeiten, und dann wird – vielleicht aus christlich-sozialen Aspekten, vielleicht aus humanitären Aspekten – neu bewertet (Abg. Belakowitsch: Na sicher! Und das ist nicht illegal, nein!), ob sie integrationsfähig sind und auch ob der Fachkräftemangel weiter besteht.

Kollegin Heinisch-Hosek ist jetzt leider nicht im Saal, aber sie hat völlig recht: Ihr He­reinkrakeelen, das hört niemand, das geht auch niemanden etwas an. (Abg. Belako­witsch: Das geht niemanden etwas an?) – Nein! Lassen Sie mich meine Rede fort­führen! (Abg. Belakowitsch: Reden Sie!) Vielleicht versuchen Sie nachzudenken, was bei Ihnen relativ schwer sein wird. (Ruf bei der FPÖ: Also das, das kannst du dir spa­ren! – Abg. Belakowitsch: Das ist unglaublich!) – Nein, das Hereinschreien könnt ihr euch sparen, und ich glaube, das ist auch nicht notwendig. (Abg. Neubauer: Was glau­ben denn Sie? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich glaube, dass dieses Drei-Plus-Zwei-Modell auch dementsprechend wichtig ist und dass das Ansinnen des Herrn Rudi Anschober auch in dieser Hinsicht zu unterstützen ist, dass wir gerade für diese jungen Menschen, die integrationswillig sind, auch eine Möglichkeit schaffen. Und es ist kein „unsäglicher“ Hundstorfer-Erlass, der hat schon Sinn und Zweck gehabt! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Er hat ja gesagt, dass es nach dem Asylverfahren aus ist!)

Ich möchte auch noch einmal betonen, wenn es schon um Fachkräfte geht: Ja, das wird den Fachkräftemangel nicht beseitigen, es ist aber ein Mosaikstein dazu, dass wir diesen Fachkräftemangel bekämpfen. Vor allem ist es auch im Sinne unserer christlich-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 61

sozialen Ader, unseres Kulturgutes, das wir so hoch schätzen, nämlich jener Werte, um die es uns bei der Integration geht, dass wir diesen Menschen Hilfe bieten und Möglichkeiten bieten, sich auch in einem Land wie Österreich zu entfalten. (Abg. Ro­senkranz: Aber der Rechtsstaat hat schon noch eine Geltung bei uns, oder?)

Ich glaube, in Ihren hinteren Reihen sitzt ein Mann, der schon bei mehreren Parteien war, der hat einmal diesen Amerikaner oder Kanado-Österreicher oder Austro-Kana­dier hochgeschätzt, weil er vom Tellerwäscher zum Millionär geworden ist. – Damals war dieser Abgeordnete noch bei dieser Partei; ich weiß nicht, wo er jetzt gerade sitzt, aber er sitzt in einer Hinterbank. – Wir sind so stolz auf die Österreicher, die im Aus­land, zum Beispiel in Amerika, Karriere gemacht haben, wollen dies aber jenen jungen Menschen verwehren, die sich vielleicht bei uns integrieren wollen und bei uns Karriere machen wollen. Vergessen Sie das nicht! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Sie werden aber nicht glauben, dass der Frank Stro­nach ein illegaler Flüchtling oder Asylant war, weil es in Österreich so schlecht ist! – Ruf bei der FPÖ – in Richtung des auf seinen Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Schell­horn –: Ein Hinterbänkler bei den NEOS! – Abg. Martin Graf: Jetzt weiß ich, warum sie ihn in Salzburg nicht wollen!)

11.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Mag. Michael Ham­mer. – Bitte.


11.27.16

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Dieses Thema ist ja schon mehrmals, sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum, auf der Tagesord­nung gestanden. Für uns als gesamte ÖVP, Herr Kollege Wurm, ist ganz klar: Die il­legale Migration ist mit allen Möglichkeiten, die es gibt, zu stoppen, und es muss auch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden. (Abg. Wittmann: Bei der alten ÖVP oder bei der neuen?) Bei dieser Diskussion werden genau diese Dinge infrage gestellt (Abg. Wittmann: Ist das bei der alten ÖVP oder bei der neuen?), weil mit fal­schen Anreizen illegale Migration und das Schlepperwesen unterstützt werden und weil durch eine Vermischung von Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht und Asylrecht ge­nau dieses rechtsstaatliche Prinzip verletzt wird. Genau das muss man trennen, und es ist daher nicht zulässig, es hier zu vermischen und das dann auch noch mit dem ohne Zweifel wichtigen Thema des Fachkräftemangels zu unterfüttern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Kollege Wurm hat auch schon die Zahlen genannt, anhand deren sich zeigt, von wel­cher Größenordnung wir hier sprechen: Es sind im Wesentlichen rund 300 Personen, die derzeit eine Lehre machen und einen negativen Asylbescheid haben – um diese geht es nämlich – und die schlussendlich von einer Abschiebung betroffen sind. Ich glaube, mit einer Personenanzahl in dieser Größenordnung wird man den Fachkräf­temangel – bei aller Notwendigkeit – nicht lösen.

Ich möchte auch betreffend den Erlass sagen: Es war auch im Jahr 2016 nicht die ur­sprüngliche Intention dieses Erlasses, dass diese Lehrlinge, die Asylwerber sind und eine Lehre beginnen können, nach deren Abschluss im Land bleiben können. Das Pro­blem des Erlasses war nämlich, dass nach Beendigung der Lehrausbildung diese Fachkräfte nicht zur Verfügung stehen, weil sie dann außer Landes gehen müssen. Die Folge wäre, dass die Unternehmer dann sagen: Jetzt habe ich den ausgebildet, jetzt ist er ein guter Facharbeiter, und jetzt muss er erst das Land verlassen! – Das löst das Problem also keinesfalls.

Es ist auf jeden Fall notwendig, dass wir im Bereich der Fachkräfte etwas tun, aber nicht mit dieser Maßnahme. (Abg. Leichtfried: Sind Sie alt oder neu?) Wir sollten uns


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diesen Zahlen widmen: Wir haben, Herr Kollege Leichtfried, rund 60 000 Arbeitslose unter 25 Jahren, eine Zahl, die sehr hoch ist, und dahin gehend muss die Anstrengung unternommen werden, dass wir diese in Beschäftigung und auch in Lehrverhältnisse bringen. Unter diesen 60 000 finden sich auch 10 000 Asylberechtigte, und diese soll man durch Integration und durch Mobilitätsmaßnahmen in Beschäftigung, in die Lehre bringen – die Regierung hat das bei ihrem Jobgipfel auch zum Ausdruck gebracht –, denn dann können wir in einer entsprechenden Größenordnung etwas für unser Ziel erreichen, aber nicht mit diesen 300 Fällen, mit denen Sie durch die Lande ziehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ja, und es braucht darüber hinaus weitere Anstrengung. Das Asylrecht ist es nicht, die­se 300 Fälle sind es auch nicht, aber es braucht Verbesserungen im Bereich der Rot-Weiß-Rot-Karte, was den Aufenthaltstitel auch für Lehrlinge betrifft, aber vor allem die Integration derjenigen, die arbeitslos sind. Die müssen wir in den Arbeitsmarkt bringen, dann haben wir viel gemacht. Die Wirtschaft hat uns da auf ihrer Seite, wenn es um die Beseitigung des Fachkräftemangels geht.

Mit der von Ihnen geforderten Maßnahme, wo die Dinge vermischt werden und emotio­nalisiert wird, lösen wir das Problem nicht, und deswegen lehnen wir sie auch ab. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

11.30


Präsidentin Doris Bures: Mir liegen nun zwei Wortmeldungen zu tatsächlichen Be­richtigungen vor.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass nach der Geschäftsordnung eine tat­sächliche Berichtigung mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu be­ginnen hat und dieser Behauptung dann der berichtigte Sachverhalt gegenüberzustel­len ist.

Als Erster gelangt zu einer tatsächlichen Berichtigung nun Herr Abgeordneter Franz Hörl zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim: Aber die alte ÖVP hatte we­nigstens das Herz am richtigen Fleck! Das ist der Unterschied!)


11.31.08

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Hören Sie auf, hereinzurufen!

Abgeordneter Schellhorn hat behauptet, ich hätte hier „hereinkrakeelt“, nachdem er Herrn Vizekanzler Mitterlehner so hoch geschätzt hat.

Ich berichtige tatsächlich: Das ist falsch. Ich habe nur gefragt, seit wann er Vizekanzler Mitterlehner schätzt – denn das war in der letzten Periode nicht erkennbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Ich werde jetzt bei der zweiten tatsächlichen Berichtigung nicht noch einmal auf die Geschäftsordnung hinweisen – denn diese tatsächliche Be­richtigung hat sich nicht im Einklang mit der Geschäftsordnung befunden. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Herr Abgeordneter Wurm, ich bitte Sie, den zu berichtigenden Sachverhalt jetzt zu for­mulieren. Sie haben 2 Minuten Zeit.


11.32.00

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin, ich kenne die Regeln zu einer tat­sächlichen Berichtigung.

Abgeordneter Schellhorn von den NEOS hat behauptet, meine Zahlen seien aus der Luft gegriffen, die gäbe es nicht, die genannten Fakten würden nicht stimmen.


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Ich berichtige tatsächlich (jeweils ein Schriftstück in die Höhe haltend): Die Zahlen sind in Tabellen aus dem Sozialministerium einfach nachzulesen. Die Mangelberufsliste zur Rot-Weiß-Rot-Karte können Sie online abrufen. Dann gibt es auch noch eine Auswer­tung über die Lehrlingssituation – derzeit ganz aktuell: Nationalitäten betreffend Asyl­werber – aus dem Sozialministerium, und es gibt diese Zahlen aus dem Innenministe­rium.

Das wollte ich nur berichtigen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Martin Graf: Da muss man ja sinnerfassend lesen können! – Abg. Rosenkranz: Jetzt sollte sich der Herr Schellhorn entschuldigen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Alma Zadić zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.32.55

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ge­schätzte Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Anhaltende Zwischenrufe.) – Ich würde gerne mit meiner Rede starten.

Es gibt innerhalb Österreichs keine Branche und keinen Ort, die nicht vom Fach­kräftemangel bedroht sind. Der Fachkräftemangel, und ich zitiere eine Studie von Ernst & Young, ist momentan das größte Risiko für Österreichs Wirtschaft. Und was tun Sie dagegen, Frau Ministerin? – Sie reden immer nur davon, dass etwas gesche­hen muss, aber eigentlich tun Sie für die Klein- und Mittelbetriebe in diesem Zusam­menhang nichts.

Es gibt österreichweit 12 500 offene Lehrstellen und nur 10 000 Lehrstellensuchende. Was könnten Sie denn dagegen tun? – Sie könnten die Lehre wesentlich attraktiver gestalten. Sie könnten den Mindestlohn erhöhen. Sie könnten weitere soziale Maßnah­men umsetzen, um nicht nur die Lehre, sondern auch die Mangelberufe attraktiver für die Bevölkerung zu gestalten. Aber es passiert nichts! Unsere Klein- und Mittelbe­triebe brauchen jetzt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nicht erst irgendwann. (Bei­fall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun gibt es in Österreich eine Gruppe von Menschen, die arbeiten wollen, die arbeiten können und die arbeiten möchten. Es gibt Menschen in Österreich, die aus ihrer Hei­mat vertrieben wurden, die einen steinigen und gefährlichen Weg gegangen sind, um sich eine neue Existenz aufzubauen, um Schutz anzusuchen. Sie sind Terror und Ver­folgung entkommen und haben überlebt. Es ist eigentlich ein Glück, dass diese Men­schen hier sind, dass sie überlebt haben. Diese jungen Menschen haben hier einen Antrag auf Schutz gestellt, haben einen Antrag auf Asyl gestellt. Einige von ihnen ha­ben die Chance ergriffen, haben alles getan, was zu tun ist: Sie haben die Sprache gelernt, sie haben eine Ausbildung nachgeholt, die sie in Afghanistan nicht machen konnten – viele von ihnen haben in ihrem Leben nichts anderes gesehen als Krieg –, sie haben gelernt, sie haben gearbeitet, sie haben sich doppelt so viel angestrengt wie jeder andere, um hier am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein, um einen Job zu be­kommen. Sie haben Unfassbares geleistet.

Es sind nicht viele, die es geschafft haben. Es sind auch nicht viele, die einen Job be­kommen haben und die eine Lehrstelle bekommen haben. Es handelt sich um rund 1 000 Asylwerber, die hier Fuß fassen konnten und die sich hier derzeit in einer Lehre befinden. Das sind tüchtige, das sind strebsame Menschen, und die werden von unse­ren heimischen Betrieben gebraucht, aber auch geschätzt.

Diese Menschen wollen Sie jetzt abschieben, weil sie einen negativen Asylbescheid haben. Jetzt müsste man sich vor Augen führen: Ja, sie haben einen negativen Asylbe­scheid, aber gleichzeitig erfüllen diese Menschen fast alle Bedingungen, um hier legal


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arbeiten zu können. Sie erfüllen fast alle Bedingungen, um die Rot-Weiß-Rot-Karte be­antragen zu können. Und ich sage fast, weil diese Rot-Weiß-Rot-Karte, und da gibt mir Abgeordneter Hammer ja recht, reformiert werden muss. Die muss zugänglicher ge­macht werden, damit heimische Klein- und Mittelbetriebe wirklich die Möglichkeit ha­ben, sich Lehrlinge aussuchen zu können, die hier im Land sind. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Leichtfried.)

Ich möchte noch einmal auf diese Rechtsstaatlichkeitsdebatte eingehen, weil es mir einfach ein Dorn im Auge ist, dass immer auf die Rechtsstaatlichkeit verwiesen wird und es immer heißt, die Rechtsstaatlichkeit muss beachtet werden. Da gebe ich Ihnen ja recht – als Anwältin, als Juristin ist mir die Rechtsstaatlichkeit wichtig (Abg. Bela­kowitsch: Aber?) –, aber die Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist und dass für jeden das Gesetz auch gleich angewendet wird. (Abg. Bela­kowitsch: Eben!) Es ist unsere Pflicht, dort genau zu schauen, wo das nicht der Fall ist (Abg. Leichtfried: Ein sehr guter Einwand!), wo eben das Recht nicht für alle gleich ist.

Schauen wir uns doch einmal die Verwaltungsbehörde an, die Asylbescheide ausstellt, das BFA. Wir haben einen Anteil von aufgehobenen Bescheiden von 42 Prozent. 42 Prozent der erstinstanzlichen Bescheide werden aufgehoben! Das ist unerträglich, wenn man bedenkt, dass diese Zahl in keinem anderen Verwaltungsverfahren so hoch ist. Es ist umso unerträglicher, wenn man bedenkt, dass dieses Verwaltungsverfahren immens wichtig ist, weil das Leben der Menschen, die Schutz brauchen und diesen nicht bekommen und ungerechtfertigterweise diesen nicht bekommen, vom Tod bedroht ist. Deswegen hat diese erstinstanzliche Behörde eine immense Verantwor­tung.

Um Ihnen zu zeigen, dass sie dieser Verantwortung teilweise nicht gerecht zu werden scheint, möchte ich Ihnen ein paar Textstellen aus den erstinstanzlichen Bescheiden dieser Behörde vorlesen. Dann können Sie selbst entscheiden, ob wir nicht aufstehen müssen und hier wirklich aufschreien müssen, weil diese Bescheide nämlich nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipen ausgestellt werden.

Einer Person, die Asyl beantragt hat, weil sie homosexuell ist, wurde vorgeworfen: Wenn sie tatsächlich ein Interesse an Homosexualität hätte, dann müsste doch porno­grafisches Material auf ihrem Handy zu finden sein. (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal!)

Einer anderen Person wurde vorgeworfen: „Völlig an den Haaren herbeigezogen“ – ich zitiere, bitte, das BFA – „sind Ihre Behauptungen, dass Frauen im Islam keine Rechte hätten. Es ist bekannt, dass in Afghanistan Frauen in nahezu allen Berufen tätig sind. Sie studieren auf Universitäten, sind in den Medien aktiv, sind politisch Aktiv und sogar Provinzvorstände.“ (Abg. Leichtfried: Das ist ja unerhört!) Und dann kommt noch das Absurde: „Es gibt Yoga-, Schwimm- und Radfahrgruppen in Kabul, [..]“

Das sind die Begründungen, mit denen Personen abgeschoben werden, mit denen Personen in ein Land geschickt werden, in dem sie einfach nicht sicher sind! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Haben Sie jetzt den ganzen Bescheid vorgelesen? War das der ganze Bescheid? – Abg. Gudenus: Sie diskreditieren eine ganze Behörde!)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wer­ner Neubauer. – Bitte.


11.39.29

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der Debatte jetzt schon einiges an Pro- und Kontraargumenten gehört zur Frage, ob man diese jun-


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gen Menschen jetzt in die Lehrberufe eingliedern soll, um ihnen entsprechende Bedin­gungen in unserem schönen Land zu gewähren, oder nicht. Ich möchte aber schon da­rauf hinweisen, dass diese gesamte Debatte tatsächlich eine ist, die Sie von der So­zialdemokratie heraufbeschworen haben, um hier eine Scheindebatte zu führen, in der Hoffnung, diese Bundesregierung zu spalten, was Ihnen natürlich auch durch die heuti­ge Antragstellung nicht gelingen wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir müssen ja auch noch einige andere Aspekte in die Debatte einbringen, nicht nur die, die Sie jetzt bereits gebracht haben. Wenn man davon ausgeht, dass immer noch der Mensch im Mittelpunkt der Debatte stehen sollte, dann ist meiner Meinung nach wirklich bemerkenswert, dass gerade die Sozialdemokratie und die NEOS den Men­schen tatsächlich allen Kriterien des Manchesterliberalismus unterordnen und diesen allein als wirtschaftlichen Faktor darstellen. Das ist inhuman, meine sehr geehrten Da­men und Herren, und deshalb sind wir der Meinung, dass das auch inakzeptabel ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um noch einmal die Zahlen ins Gedächtnis zu rufen: Sie sagen, es geht um 1 000 Men­schen, die sich hier in einer Lehre befinden. 1 500 Personen fehlen in Mangelberufen, 31 000 Menschen unter 25 Jahren sind beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet, davon 3 000 Asylberechtigte – und es geht um 1 000 Plätze. Meine sehr geehrten Da­men und Herren, meines Erachtens gilt es, die legal im Land aufhältigen Menschen, das sind 3 000 – 1 000 werden für die Mangelberufe benötigt –, in den Arbeitsmarkt zu integrieren und nicht die Illegalen zu fördern. Das kann es ja wohl nicht sein! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unsere Frau Bundesminister Hartinger-Klein setzt sich mit all ihrer Kraft dafür ein, auf dem Arbeitsmarkt, den Sie uns in katastrophalem Zustand hinterlassen haben, wirklich bessere Zahlen zu erreichen (Zwischenruf des Abg. Plessl), sie setzt sich dafür ein, dass diese Arbeitslosen tatsächlich in den Arbeitsmarkt integriert werden, im Gegen­satz zum ehemaligen Bundesminister Stöger, der heute hier herausgegangen ist und zum Rechtsbruch aufgerufen hat. Das werden wir nicht tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Greiner.)

11.42


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


11.42.33

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Vielleicht können wir eines vorab einmal richtig- und klar­stellen: Wenn es sich um Asylwerber handelt, dann sind das keine Illegalen, sondern Menschen, die auf der Flucht sind und in unserem Land einen Asylantrag gestellt ha­ben. Das sind keine Illegalen! (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Abg. Rosen­kranz: Ab rechtskräftigem Urteil aber schon!)

In der Presseaussendung der Wirtschaftskammer vom 18. Oktober – jetzt in Richtung ÖVP gerichtet (Abg. Leichtfried: Das ist die alte ÖVP!) – sagen genau eure Funktionä­rinnen und Funktionäre: „Betriebe suchen immer öfter vergeblich nach Lehrlingen“. Wenn 82 Prozent der Befragten sagen, sie bekommen nicht jene jungen Menschen am österreichischen Arbeitsmarkt für Lehrstellen, die sie brauchen (Abg. Rosenkranz: Aufgrund des SPÖ-Bildungssystems!), wenn es dann 1 000 Unternehmer gibt, die be­reit sind, jungen Asylwerbern eine Ausbildung zu ermöglichen, jungen Menschen, die bereit sind, Deutsch zu lernen, die bereit sind, zu arbeiten (Zwischenruf der Abg. Be­lakowitsch), die bereit sind, von Leistungsempfängern zu Beitragszahlern zu werden, weil sie auf das Taschengeld verzichten, weil sie den Staat Österreich keinen Cent mehr kosten, weil sie in eine Ausbildung gehen, und Sie dann sagen, dass wir die nicht


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brauchen, dass wir die nicht wollen, dann ist das, was Sie an den Tag legen, reiner Populismus, aber nicht Vernunft. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisin­ger. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Jetzt haben wir junge Leute, die arbeiten, die in Jobs sind, die Unternehmer nehmen sie auf – nicht der Staat! –, österreichische Unternehmerinnen und Unternehmer bilden diese jungen Menschen aus auf Lehrstellen, wo es dem AMS nicht gelingt, Österrei­cherinnen und Österreicher in einen Job zu bringen, zu vermitteln – die tun niemandem weh –, die Unternehmer leisten einen wichtigen Beitrag, wenn es darum geht, junge Fachkräfte auszubilden, und Sie jammern dann wieder ständig über Fachkräftemangel (Abg. Hauser: Sie haben kein Asylrecht!) und sind jene, die sagen, wir brauchen eine billige Rot-Weiß-Rot-Karte, wir brauchen Zuzug aus Drittstaaten, wir machen Inserate für junge Russen, damit sie in Österreich eine Lehrstelle annehmen. – Solch einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört und kann ich nicht nachvollziehen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Letztes Beispiel: Wenn im Bezirk Liezen 20 offene Lehrstellen mit jungen Asylwerbern besetzt worden sind, es vorher nicht gelungen ist, Österreicherinnen oder Österreicher auf diese Lehrstellen zu bringen, und von diesen 20 Lehrstellen 19 in der Gastronomie sind – 19 sind in der Gastronomie, und es gelingt uns nicht, junge Menschen zu moti­vieren, dort eine Lehre zu machen –, dann ist das, muss ich sagen, menschenverach­tend und wirtschaftspolitisch eine Katastrophe, wenn es dann heißt: Stopp! Ende! Ab­schiebung! (Abg. Neubauer: Sind wir wieder beim Manchesterliberalismus! ... Gewerk­schafter!) Und aus diesem Grund verlangen wir heute eine namentliche Abstimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Wir wollen alle beim Namen nennen, die nicht bereit sind, hier Menschlichkeit zu zei­gen. Diejenigen, die heute bei dieser namentlichen Abstimmung unserem Dreiparteien­antrag nicht zustimmen (Abg. Gudenus: Genialer Antrag!), die sollen sich bitte nie wie­der hierherstellen und über Fachkräftemangel, über Menschlichkeit oder darüber re­den, dass junge Menschen in Ausbildung zu bringen sind. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Ames­bauer. – Bitte.


11.46.19

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man das jetzt ein bisschen Revue passieren lässt und vor allem auf die Aussagen der Opposition noch einmal ein­geht, dann erkennt man, geschätzte Damen und Herren der vereinigten Linksopposi­tion, dass Sie es einfach nicht schaffen (Ruf bei der SPÖ: Geh bitte!), zwischen Asyl und steuerbarer Arbeitsmigration zu trennen. Das geht in Ihre Köpfe nicht hinein. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Zentrales Element jedes Asylverfahrens ist die Prüfung der Schutzbedürftigkeit auf­grund der Genfer Flüchtlingskonvention beziehungsweise der einschlägigen Rechts­normen, meine Damen und Herren! Und, Herr Kollege Muchitsch, wenn ein Asylwerber hier ist, sich in einem Asylverfahren befindet (Abg. Muchitsch: Das drei Jahre dauert!) und dann letztinstanzlich beschieden wird, dass die Schutzbedürftigkeit und somit der Asyltitel nicht vorliegen, was ist er denn dann, wenn nicht ein illegal Aufhältiger? Das ist er spätestens ab diesem Zeitpunkt, wenn er nicht schon illegal eingereist ist! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Jetzt klatscht nur die neue ÖVP mit, die alte nicht!) – Herr Leichtfried, geh bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren, diese ganze Geschichte ist auch kein Mittel zur Inte­gration. Nein, ist sie nicht!


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Ich stelle grundsätzlich die Frage, ob wir unsere Integrationsbemühungen für Asylwer­ber, wo von Anfang an nicht klar ist, ob sie im Land bleiben dürfen, aufwenden sollen, oder ob wir nicht die Integrationsmaßnahmen, die wichtig sind, für Asylberechtigte und nicht Asylwerber anstellen sollten. Das ist auch das Ziel dieser Bundesregierung, mei­ne Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und weil vonseiten der NEOS immer der wirtschaftliche Aspekt kommt: Ich glaube schon, dass es fiskalpolitisch sinnvoller wäre, wenn wir Asylberechtigte, von denen Zigtausende am Arbeitsmarkt sind, arbeitslos sind, in der Mindestsicherung sind, in eine Lehre bringen würden, wodurch wir sie auch von der Mindestsicherung wegbrin­gen würden. (Abg. Loacker: Aber das sind ja die Lehrstellen, für die wir keine gefun­den haben!) Das würde fiskalpolitisch mehr bringen und auch dem Steuerzahler viel Geld ersparen, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Es geht ja auch um Fairness. Wir sollten auch immer die Fairness im Auge behalten. Und weil Ihnen von der vereinigten Linksopposition das Wohl des afghanischen Lehrlings anscheinend wichtiger ist als jenes des österreichischen Lehrlings (Zwischenruf bei der SPÖ) – ich nehme das zur Kenntnis, ist Ihr gutes Recht –, muss man aber auch sagen, dass man diesem Men­schen aus Afghanistan – egal, woher er kommt – auch mit Fairness gegenübertreten sollte. (Zwischenruf des Abg. Drozda.) – Warum schreien Sie so? Es besteht kein Grund zur Aufregung, es ist ja alles in Ordnung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Weil Ihre Argumente nicht stichhaltig sind, deswegen sind Sie so aufgeregt, und weil das auch niemand nachvollziehen kann. (Abg. Heinisch-Hosek: ... Schublade!)

Der Asylwerber hat auch das Recht, Rechtssicherheit zu haben. Wir dürfen ihm nichts vorgaukeln (Abg. Höbart: Richtig, um das geht es!), nämlich dass er, wenn er dann letztinstanzlich abgelehnt wird, seine Lehre macht, aber ohnehin abgeschoben wird. Anderes ist auch nicht fair, auch nicht fair gegenüber dem Unternehmer, der viel Zeit und Geld in die Ausbildung investiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, hören Sie auf mit Ihrer Panikmache! Tun Sie nicht so, als könne der Fachkräftemangel mit ein paar Asylwerbern behoben werden. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Das ist das falsche Instrument. Schauen Sie, dass Sie sich nicht zu sehr verrennen und dass Sie sich nicht so blamieren wie zum Beispiel beim Arbeitszeitgesetz, bei dem Sie auch völlig ins Leere gegriffen haben – das glaubt Ihnen kein Mensch. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

11.50


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemel­det. – Bitte, Frau Ministerin Hartinger-Klein.


11.50.21

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsident! Hohes Haus! Eines zur Klarstellung: Wir haben 31 000 Asylberechtigte, die arbeitslos sind, und unser Ziel, mein Ziel als Ministe­rin ist es, diesen Asylberechtigten mehr Beschäftigungs- und Integrationsmöglichkeiten zu bieten. Mehr Qualifizierung und mehr Integration für die Berechtigten. – Danke. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

11.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.51.00

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Minister! Kurz zu meinen Vorrednern Amesbauer und Wurm: Herr Amesbauer hat ohnehin gerade davon


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gesprochen, dass es sich nur um ein paar Lehrlinge handelt – also warum jetzt diese Aufregung? (Beifall bei NEOS und Liste Pilz. – Zwischenruf bei der FPÖ.) Ein paar, ha­ben Sie gerade gesagt.

Es ist also reine Symbolpolitik und nichts anderes. (Abg. Höbart: Es geht um das Signal!) Mit Duldung der ÖVP und der Christlich-Sozialen der Wirtschaftskammer ma­chen Sie Symbolpolitik. – Punkt eins.

Punkt zwei: falsche Zahlen. 65 Prozent – Kollege Wurm konnte mir die Statistik nicht zeigen. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Es gab eine Anfrage von Krisper und Kollegen an das Innenministerium (Abg. Mölzer: Ein angeblich Liberaler!), welche am 10. April folgendermaßen beantwortet wurde: Auf die Frage: „In welchen Mangelberufen absol­vieren Asylwerber_innen derzeit eine Lehre?“, heißt es:

„Zu Frage 1:

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht in die Vollzugsbereich des Bundesministe­riums [...].“ (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja auch!)

„Zu den Fragen 2 und 3“ – wo es um erstinstanzlich, zweitinstanzlich geht –:

„Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.“

So, wo sind Ihre Zahlen? Legen Sie sie auf den Tisch, dann können wir darüber reden! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Ihr Ziel ist es, mit falschen Zahlen zu arbeiten, sie nicht zu veröffentlichen, damit Sie weiter Angst schüren können. Das Schüren von Angst, Spaltung statt Haltung, das füh­ren Sie durch mit Duldung der Christlich-Sozialen! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Höbart: Was heißt „halten“? – Ruf: Ist ja noch nicht einmal der Rechts­staat ...! – Ruf bei der FPÖ: Was wäre das für ein fatales Signal?! – Abg. Martin Graf: Ihnen schaut ja der Hass aus den Augen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ef­gani Dönmez. – Bitte.


11.52.43

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause! Ich bin in meinem Grundberuf unter anderem Sozialarbeiter und ich habe in Oberösterreich die Jugendwohnhäuser für unbegleitete minderjährige Fremde mitauf­gebaut und geleitet. Diese Materie kenne ich also wirklich in- und auswendig. Ich habe mir die Argumente der Regierungsparteien sehr aufmerksam angehört und auch jene der Opposition, und alle Redner haben einiges vollkommen richtig gesagt.

Was setzt Integration voraus? – Integration setzt eines voraus: einen gesicherten und längerfristigen Aufenthalt, dass jemand weiß, ob er im nächsten Monat und im nächs­ten halben Jahr auch noch in Österreich ist oder nicht. Und wenn diese Frage nicht ge­klärt ist, kann man nicht von Integration sprechen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was man aber schon machen kann, ist, dass man die Zeit, in der sie in Österreich sind – wir wissen, dass die Asylverfahren jetzt doch beschleunigt worden sind, aber dennoch lange dauern –, sinnvoll nützt. Da kann man natürlich Arbeitsintegrations­projekte machen, damit die Leute die Zeit sinnvoll nützen, damit sie etwas erlernen, damit sie dann, wenn sie zurückkehren müssen, ein Instrument in der Hand haben, um ihren Beitrag zum Wiederaufbau zu leisten.

Eines sagen die Regierungsparteien aber vollkommen zu Recht: Wir dürfen nicht glau­ben, den Facharbeitskräftemangel mit Asylwerbern, die sich in einem laufenden Ver­fahren befinden, abdecken zu können. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!)


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Gegenwärtig haben wir – und das möchte ich explizit unterstreichen – 1 500 Men­schen, die in einem laufenden Asylverfahren sind und auch die Möglichkeit der Ab­solvierung einer Lehre haben. Es wäre niemandem ein Stein aus der Krone gefallen, wenn diese Leute in den Betrieben, in denen sie schon beschäftigt sind, in den Ge­meinden, in denen sie schon integriert sind, ihre Ausbildung fertig machen hätten kön­nen. Sie hätten wenigstens eine abgeschlossene Lehre gehabt. Sie hätten die Mög­lichkeit gehabt, eine Existenz aufzubauen, ob sie in Österreich bleiben dürfen oder zu­rückkehren müssen. Nein, man hat einen anderen Weg beschritten, und das ist das, was ich schon für bedenklich halte, denn 1 500 Leute könnten wir alle, glaube ich, ver­kraften. Aber wir dürfen nicht den Fehler begehen – und das ist das, was einer meiner Vorredner auch gesagt hat – und das Signal setzen, dass man genau über diese Schiene, durch diese Hintertür den Aufenthalt bekommt. Das darf nicht der Fall sein. Ich weiß genau, was passiert wäre, wenn die NGOs diesen Weg beschritten hätten, denn ich war selbst jahrelang für eine NGO tätig.

Zu den Diskussionen, die wir hier geführt haben: Aus diesem Sektor (in Richtung SPÖ, NEOS und Liste Pilz) ist sehr viel Richtiges gekommen, aus diesem Sektor (in Rich­tung ÖVP und FPÖ) ist sehr viel Richtiges gekommen (Abg. Rosenkranz – auf die FPÖ weisend –: Das Richtigste ist aus dem Sektor gekommen!), aber wenn man das Problem hätte lösen wollen, wenn der Wille vorhanden wäre, hätte man auch die rich­tigen Argumente gefunden, wenn er nicht vorhanden ist, findet man 100 000 Gründe, warum es nicht geht.

Es ist schade, dass es für jene, die jetzt gerade die Lehre machen, schwierig sein wird oder nicht mehr möglich sein wird, diese zu beenden, aber es ist ein richtiges und ein klares Signal, dass wir Zuwanderung, Asyl und Fachkräftemangel nicht vermischen dürfen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Dagmar Bela­kowitsch. – Bitte.


11.56.42

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schellhorn, das, was Sie hier als Anfragebeantwortung vor­gelesen haben, war recht interessant. Dazu Folgendes:

Erstens: Sagen Sie bitte Kollegin Krisper, dass Fragen nach dem Arbeitsmarkt an das Sozial- und Arbeitsministerium und nicht an das Innenministerium zu richten sind. – Insoweit eine richtige Antwort. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Krisper.)

Zweitens – und das ist das, worüber Sie sich ja wahrscheinlich noch viel mehr aufre­gen als darüber, dass Sie vom falschen Ministerium halt die Antwort nicht bekommen –: die Zahlen. Sie haben eine Anfragebeantwortung vom April gebracht, und jetzt sage ich Ihnen: Im April waren diese Zahlen noch nicht vorhanden, weil sie ja noch nicht er­hoben waren, weil man da jede einzelne Person händisch erheben muss. Wir haben das in Auftrag gegeben und daher haben wir die Zahlen jetzt – diese Zahlen sind na­gelneu –: Es sind 65 Prozent der jungen Asylwerber, die sich in einer Lehre befinden. Die beginnen die Lehre, nachdem sie den ersten abschlägigen Bescheid bekommen haben. Und wenn das kein Missbrauch ist, ja was ist dann Missbrauch, meine Damen und Herren? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Warum ist dieses Thema jetzt so groß aufgepoppt? – Genau deshalb, weil es sich da­hin entwickelt hat, missbraucht zu werden. Der Erlass von Hundstorfer ist aus dem Jahr 2012. Das war damals überhaupt kein Thema, das war völlig unbeliebt. Da gab es eine Handvoll junger Menschen, die hier eine Lehre begonnen haben. Plötzlich, in den


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letzten Jahren, in den letzten Monaten, ist diese Zahl explodiert. Es sind immer mehr junge Menschen, die sich plötzlich zu Lehrlingen entwickeln. Ich stelle mir im Zu­sammenhang mit dem Arbeitsmarkt langsam die Frage: Wir wissen, dass wir über 10 000 junge Asylberechtigte haben, also unter 25-Jährige, die eine Lehre anfangen könnten. Warum fangen die nicht eine Lehre an? Worin liegt das Problem?

Von den 25 000 unter 25 Jahren sind überhaupt nur 10 000 befähigt, weil sie die Sprachkenntnisse haben, aber interessanterweise hat jeder Asylwerber die passenden Sprachkenntnisse. Das ist auch einmal zu hinterfragen und es ist darüber nachzuden­ken, was da alles an Missbrauch betrieben wird.

Noch etwas: Es sind nämlich die NGOs, Diakonie, Caritas, die plötzlich auch noch Lehrherren sind und Lehrstellen für genau diese Gruppe anbieten. – Das ist der Miss­brauch! Und darum ist etwas, das vielleicht als Idee für junge Menschen gar nicht böse gemeint war, sondern gut gemeint war, schlicht und einfach nicht tragbar, weil es aus­genützt wird und weil versucht wird, den Rechtsstaat damit auszuhebeln. Das ist das Problem und der Grund dafür, dass diese Regelung, dieser Erlass aufgehoben werden muss, denn das Asylrecht in Österreich darf nicht über den Umweg der Lehre ausge­hebelt werden. Dazu stehen wir und dazu bekennen wir uns. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr.in Krisper. – Bitte.


11.59.36

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich habe sehr wohl parallel auch eine Anfrage an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Gesundheit gestellt. (Abg. Be­lakowitsch: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Das ist keine Berichtigung!)

Ich berichtige die Aussage der Kollegin, die vor mir gesprochen hat (Ruf bei der FPÖ: Wie heißt sie denn?), dass ich die Anfrage an den falschen Minister gerichtet hätte: ha­be ich nicht. Ich habe parallel auch die richtige Ministerin gefragt. (Abg. Belakowitsch: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Warum habe ich die Frage an den Herrn Minister gestellt? – Weil mich genau das in­teressiert hat: ob er Statistiken dazu hat (Ruf bei der FPÖ: Frau Präsidentin! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), was heute behauptet, in der Anfragebeantwortung aber verneint wurde. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Zadić.)

12.00

12.00.06


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt dazu nun keine Wortmeldung mehr vor. Ist dem so? – Dann ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 287 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung auch durchzuführen, und daher werde ich so vorgehen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich die amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales sind, seinen Bericht 287 der Beilagen zu Kenntnis zu nehmen, „Ja“-Stimm-


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zettel, jene, die dagegen sind, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Ich ersuche Sie, darauf zu achten, dass es sich nur um einen Stimmzettel handelt.

Ich bitte nun Herrn Abgeordneten Preiner, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Lueger wird ihn später dabei ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die SchriftführerInnen Preiner und Lueger werfen die Ab­geordneten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nun unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen. Zu diesem Zweck unterbreche ich die Sitzung für wenige Minuten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 12.06 Uhr unterbrochen und um 12.12 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis be­kannt.

Abgegebene Stimmen: 171; davon „Ja“-Stimmen: 107, „Nein“-Stimmen: 64.

Somit ist der Antrag angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Amon Werner, Angerer;

Baumgartner, Belakowitsch Dagmar, Berger, Berlakovich Nikolaus, Bösch, Brückl;

Deimek, Diesner-Wais;

Eßl;

Fichtinger Angela, Fürlinger, Fürst;

Gahr, Gerstl, Gerstner, Gödl, Graf Martin, Graf Tanja, Großbauer, Grünberg, Gudenus;

Hafenecker, Haider, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hauser, Herbert, Himmelbauer, Höbart, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Hörl;

Jachs, Jeitler-Cincelli;

Kainz, Kaniak, Kassegger, Kaufmann, Kirchbaumer, Kitzmüller, Klinger Wolfgang, Kopf, Krenn, Kugler Gudrun, Kühberger Andreas, Kumpitsch, Kuss-Bergner Angelika;

Lasar, Lausch, Lettenbichler, Linder Maximilian, Lindinger, Lintl, Lopatka, Lugar Robert;

Mahrer, Marchetti, Mölzer, Mühlberghuber;


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Nehammer, Neubauer, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pewny, Pfurtscheller, Plakolm, Povysil, Prinz;

Rädler, Rauch, Reifenberger, Riemer, Ries Christian, Rosenberger, Rosenkranz;

Salzmann, Schandor, Schartel, Schimanek, Schmiedlechner, Schmuckenschlager, Schwarz, Sieber Norbert, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Stark, Stefan, Steger Petra, Steinacker, Strasser;

Taschner, Tschank;

Wagner, Wassermann, Weidinger, Winzig, Wöginger, Wurm;

Zanger Wolfgang, Zarits Christoph.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Androsch, Antoni;

Becher Ruth, Bernhard, Bißmann, Bures;

Doppelbauer, Drozda Thomas, Duzdar Muna;

Ecker, Einwallner, Erasim;

Feichtinger Elisabeth, Feichtinger Klaus Uwe, Friedl;

Gamon Claudia, Greiner Karin, Griss Irmgard, Gruber;

Hammerschmid, Heinisch-Hosek, Hochstetter-Lackner, Holzinger-Vogtenhuber, Holz­leitner, Hoyos-Trauttmansdorff;

Jarolim;

Knes, Kollross, Kovacevic, Krainer Kai Jan, Krisper, Krist Hermann, Kucher Philip, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lindner Mario, Loacker, Lueger Angela;

Margreiter, Meinl-Reisinger, Muchitsch;

Noll, Nussbaum;

Pilz, Plessl, Preiner Erwin;

Rendi-Wagner, Rossmann;

Sandler, Schatz, Schellhorn, Schieder, Stöger Alois;

Troch;

Unterrainer;

Vogl;

Wimmer Petra, Wimmer Rainer, Wittmann;

Yildirim, Yilmaz;

Zadić Alma, Zinggl.

*****

12.12.495. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 6/A der Ab­geordneten Mag. Christian Kern, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (288 d.B.)


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6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 215/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Weiter­führung der Beschäftigungsaktion 20.000 (289 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


12.13.36

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Kollege Amesbauer, vielleicht ein kurzer Hinweis: Eine humanistische Grundeinstellung zu haben ist keine Frage von links und rechts. Ich würde einfach ersuchen, dass man einmal mit diesen Zuschreibungen aufhört; um links zu sein, braucht es mehr als nur eine humanistische Grundeinstellung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir diskutieren jetzt – damit es vielleicht auch verständlich ist – zwei Anträge der SPÖ. In dem einen fordern wir eine Weiterführung der Aktion 20 000 und im zweiten eine Fi­nanzierung für Menschen über 50, weil wir wissen, dass es diese am Arbeitsmarkt (Heiterkeit der Abgeordneten Gahr, Martin Graf, Hauser und Neubauer) – auch wenn manche bei der ÖVP jetzt lachen – nicht unbedingt einfach haben.

Wir wissen das, und allein in meinem Arbeitsmarktbezirk gibt es bei den über 60-Jäh­rigen inzwischen 160 Arbeitslose. In der Gruppe der über 50-Jährigen haben trotz Ak­tion 20 000 immer noch über 850 Menschen keine Arbeit. Jetzt kann man sagen, wir wollen diese Aktion 20 000 nicht, weil sie parteipolitisch sozusagen besetzt ist; aber dann fragen wir uns: Was passiert für diese Menschen, die älter sind, die Schwierigkei­ten am Arbeitsmarkt haben?

Sie, Frau Ministerin, werden jetzt wieder erwähnen, Sie haben ohnehin genug Geld – ja, aber wo ist es dann? Wenn es um die Ausbildung junger Menschen geht, finden wir es nicht. (Abg. Plessl: Genau so ist es!) Wenn es darum geht, Chancen am Arbeits­markt für Ältere zu schaffen: Was tun Sie?

Wir wissen, dass es heute Schwierigkeiten gibt. Wir wissen, dass wir mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz einen guten Ansatz geschaffen haben. Wir wissen aber auch, dass wir Schwierigkeiten mit der Exekutierung dieses Gesetzes ha­ben. Wo ist Ihre Initiative dazu, etwas zu unternehmen? – Sie lassen die Menschen, die Hilfe brauchen, alleine. Sie werden dann sagen: Es ist alles ganz anders, es läuft al­les ganz gut! Aber, Frau Ministerin: Wie steht es um Ihre Glaubwürdigkeit? Wie glaub­würdig sind Sie in den Aussagen, die Sie tätigen?

Ich habe eine Anfrage an Sie gerichtet, ob Sie planen – weil ja die Buchhaltungsagen­tur einen zweiten Geschäftsführer bekommen wird –, auch in der Ages einen zweiten Geschäftsführer zu installieren. Anfragebeantwortung vom 14. August des heurigen Jahres, vor knapp zwei Monaten: Es ist nichts geplant. – Jetzt lesen wir in der Zeitung, dass beschlossen worden ist, einen zweiten Geschäftsführer, eine zweite Geschäfts­führerin in der Ages zu installieren.

Ja, wie glaubwürdig sind Sie denn in den Aussagen, die Sie machen? (Beifall bei der SPÖ.) Wie glaubwürdig ist das, was Sie uns auf eine Anfrage – und da geht es um die Reputation und um das Hohe Haus – an das Ministerium vor zwei Monaten geant­wortet haben? – Entweder ist Ihre Politik so sprunghaft, dass Sie nicht wissen, was in zwei Monaten auf Sie zukommen wird, oder Sie haben uns da einfach belogen. Anders kann diese Aussage nicht erklärt werden.


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Wenn wir uns anschauen, was im AMS passieren wird, wenn wir hören, dass dort in Zukunft Computerprogramme entscheiden sollen, wie leicht oder schwer jemand ver­mittelbar ist, dann kann ich nur eines sagen: Dort, wo wir in der Politik Herz und Hirn gehabt haben, haben Sie einen Computer. (Beifall bei der SPÖ.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.16.48

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir vorweg, im Namen meines Kollegen Walter Rauch eine Delegation der FPÖ Südoststeiermark un­ter der Leitung des Landtagsabgeordneten Herbert Kober hier im Hohen Haus zu be­grüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den beiden Anträgen, die wir hier be­handeln, ist auch einer mit einem gewissen historischen Wert dabei, nämlich jener des Herrn Abgeordneten – noch ist er es ja – Christian Kern. Es wurde ja heute in den So­zialen Netzwerken und in den Zeitungen spekuliert: Kommt er? Kommt er nicht? Hält er eine Abschiedsrede? – Wir wissen es noch nicht; geheißen hat es, sie wäre zu diesem Punkt. (Abg. Höbart: Wo ist der Parteivorsitzende?)

Ich bin gespannt und ich wäre auch gespannt, was der Inhalt dieser Abschiedsrede des Herrn Kern wäre – gescheitert als Bundeskanzler, gescheitert als Parteivorsitzen­der (Zwischenruf der Abg. Duzdar), gescheitert als Europakandidat, gescheitert als Nationalratsabgeordneter. Im Übrigen: Herr Kern war bei den letzten drei bis vier Sit­zungen nicht anwesend (Abg. Höbart: Richtig! Wo ist der Herr Kern?), kassiert nach wie vor die Gage – das sollten die Zuseherinnen und Zuseher auch wissen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Letztlich – um das abzurunden – ist er mit seinem letzten Antrag zur Arbeitsmarktpolitik hier in diesem Haus auch noch gescheitert – eine traurige Bilanz, meine sehr geehrten Da­men und Herren.

Jetzt aber zum Thema und zur Aktion 20 000, die Kollege Vogl vorhin auch ange­sprochen hat: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will jetzt nicht sagen, dass das von der Vorgängerregierung schlecht gedacht und ein schlechter Hintergedanke war, aber gut gedacht ist nicht immer gut gemacht.

Sie stellen hier in den Raum, dass man die Menschen im Regen stehen lässt, dass man das abschafft und abwürgt. Erstens ist es überhaupt nicht abgeschafft, sondern dieses Modell ist sistiert und wird evaluiert (Heiterkeit des Abg. Plessl), und eine end­gültige Bewertung, ob dieses Modell erfolgreich ist oder nicht – Sie schreiben ja in dem Antrag, es wäre erfolgreich; ich weiß nicht, woher Sie das wissen (Abg. Greiner: Weil wir die Zahlen kennen!) –, kann man erst dann ziehen, wenn es ausgelaufen ist und man sich anschauen kann, wie sich das auf die Menschen, die tatsächlich in diesem Rahmen arbeiten, ausgewirkt hat. (Abg. Lausch: Seid nicht so ungeduldig!)

Meine Damen und Herren, das Hauptproblem, das ich mit diesem Modell 20 000 habe, ist aber, dass damit einfach ein künstlicher Arbeitsmarkt geschaffen wird, in dem Ar­beitsplätze erfunden werden, für die es nachweisbar keinen Bedarf gibt, und in dem die Menschen in vielen Fällen auch keiner wirklich sinnvollen Tätigkeit nachgehen.

Ich selbst kenne das aus der Kommunalpolitik. Da sind die Vertreter des AMS zu den Gemeinden gefahren und haben die Gemeinden regelrecht bedrängt: Ja, nehmt den, der kostet euch nichts! Auch in meiner Gemeinde hat es einen solchen Fall gegeben. Wir hätten den Arbeitsplatz nicht gebraucht. Wir haben uns dann aber mit dem Argu-


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ment: Das kostet euch ja nichts!, auch überzeugen lassen; das Geld hat ja kein Ma­scherl, zahlt halt der Bund – was auch Steuergeld ist.

Das Problem, das ich bei dieser Geschichte habe – das ist übrigens ein sehr, sehr tüchtiger Mann –, ist aber, dass man nach Ablauf dieser Zeit als Gemeinde höchst­wahrscheinlich hingehen und sagen muss: Lieber Freund, es war sehr nett, aber wir können dich nicht weiter beschäftigen, wir haben das nicht budgetiert, wir haben das nicht im Personalplan! (Zwischenruf des Abg. Vogl.) – Das ist gegen die Würde der Men­schen, dass man ihnen weitere zwei Jahre ihrer Lebenszeit stiehlt und sie weitere zwei Jahre in Unsicherheit lässt. Das ist gegen die Würde des Menschen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Eines muss man auch sagen: Grundsätzlich ist erfreulicherweise darauf hinzuweisen, dass bei der Arbeitslosigkeit derzeit deutliche Rückgänge zu verzeichnen sind. Vor al­lem auch bei den Langzeitbeschäftigungslosen in der Zielgruppe der Aktion 20 000 (Abg. Stöger: Weil wir 4 000 aufgenommen haben!), also bei den Langzeitbeschäfti­gungslosen 50 plus ist die Arbeitslosigkeit drastisch zurückgegangen. Diese Bundesre­gierung ruht sich aber auf den günstigen Zahlen nicht aus, sie hat den Jobgipfel ge­macht, und sie wird weitere Maßnahmen setzen.

Hören Sie auf mit Ihrer Panikmache, mit Ihrem Populismus! Diejenigen Älteren, die un­schuldig in Arbeitslosigkeit geraten sind, können sich darauf verlassen, dass sie diese Bundesregierung sicher nicht im Regen stehen lässt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


12.21.17

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Abstimmung fanden die gegenständlichen Anträge keine Mehrheit. – So steht es zumindest im Ausschussbericht. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass es im Ausschuss eine intensive inhaltliche Debatte gegeben hat, dass man sich wirklich Gedanken darüber gemacht hat, wie man der Per­sonengruppe 50 plus dementsprechend helfen könnte. (Abg. Wurm: Ein bisschen eine Debatte hat es schon gehabt, Daniela! – Abg. Belakowitsch: Eine Debatte hat es schon gegeben! Hast geschlafen, oder was?) Leider ist das nicht der Fall gewesen.

So hat auch der Redebeitrag des Kollegen Amesbauer zuvor gezeigt, dass dort wie­derum nicht darüber gesprochen wurde, wie man langzeitarbeitslosen Menschen, die in einem Alter von 50 plus sind, wirklich helfen kann. Nein, es wurde genauso wie hier polemisch debattiert und dann schlussendlich – wie soll es anders sein? – nach dem neuen, neuen Stil dieser neuen, neuen Regierung einfach vertagt, abgelehnt. Das ist genau der Befund, dem wir immer wieder gegenüberstehen.

Ich finde, das ist nicht in Ordnung, denn das Problem besteht. Wir sehen, dass wir ak­tuell, da wir eine Zeit des Wirtschaftsaufschwungs haben, da die Steuereinnahmen sprudeln, genau dieses Geld verwenden könnten, um jenen unter die Arme zu greifen, die nämlich nicht davon profitieren. Das sind unter anderen auch Menschen, die höhe­ren Alters sind, das ist die Gruppe 50 plus, das sind Menschen, die länger in Arbeitslo­sigkeit waren; und genau da passiert nichts.

Da frage ich mich schon: Warum? Ich möchte diese Frage auch an Sie, Frau Ministerin Hartinger, stellen: Wann passiert da endlich etwas, um gute Maßnahmen, wie es eben die Aktion 20 000, aber auch der Beschäftigungsbonus gewesen sind, entsprechend zu ersetzen, Nachfolgeregelungen zu erwirken, beziehungsweise wann passiert endlich etwas, um dieser Gruppe zu helfen? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


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Als wäre das nicht genug: Wie schaut es denn mit den Evaluierungen rund um die Aktion 20 000 aus? Warum werden da Studien unter Verschluss gehalten, obwohl sie mit Steuergeld finanziert worden sind? Warum erfährt das Parlament nicht, was bei den Evaluierungen herausgekommen ist? Das genau ist die zentrale Frage: Ist es vielleicht ein derartig gutes Ergebnis, dass es schon wieder ideologische Gründe hat, weshalb man das nicht veröffentlichen will?

Ich möchte bitte, dass auch dieses Plenum hier darüber informiert wird, wenn mit Steu­ergeldern Studien in Auftrag gegeben werden, und dass endlich Maßnahmen getroffen werden, um Menschen 50 plus unter die Arme zu greifen und sie zu qualifizieren, damit sie wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

12.23


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


12.23.52

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Wir reden heute bei diesem Tagesordnungspunkt über eine Aktion der alten Bundesregierung, die gemeinsam mit dem AMS versucht hat, ältere Personen, die längere Zeit arbeitslos waren, in Beschäftigung zu bringen. Diese Aktion 20 000, wie sie auch genannt wurde, war allerdings von Anfang an sehr umstritten und wurde deshalb mit 31. Dezember 2017 eingestellt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Vogl.) Diesen Schritt hat auch das AMS befürwortet und sich für eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik hin zu Qualifizie­rung und Nachhaltigkeit ausgesprochen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Umso mehr bin ich jetzt darüber verwundert, dass wir auf Wunsch der Opposition die­ses Thema zum x-ten Mal behandeln. (Abg. Vogl: Ihr seid schuld, ihr habt es abge­lehnt!) Verantwortungsvolle, verantwortungsbewusste Politik und unternehmerisches Handeln zeichnen sich dadurch aus, dass Entscheidungen faktenbasiert getroffen wer­den. Wenn sich die Umstände ändern, ist es nur logisch, dass man auch darauf re­agiert. Es wäre unverantwortlich und wenig effizient, ein kostenintensives Projekt, das keine nachhaltigen Arbeitsplätze schafft, stur weiterzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Aktion 20 000 war zweifellos gut gemeint, aber leider schlecht gemacht (Abg. Leicht­fried: Sagen Sie das der alten ÖVP!); schlecht gemacht, weil der damalige Minister Stöger, der leider nicht hier ist, die Aktion 20 000 im letzten Moment auf öffentliche Rechtsträger und Gemeinnützige eingeschränkt hat. Es war Ihr Minister, der die Wirtschaft und die Unternehmer und Unternehmerinnen im letzten Augenblick von der Aktion ausgeschlossen hat und somit aus einer Straße eine Sackgasse gemacht hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Haubner: Genau! So war’s!)

Tatsache ist, dass die Aktion 20 000 nur befristete Jobs im öffentlichen Bereich vorsah und die Nachhaltigkeit von Anfang an ausgeschlossen hat. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Als Unternehmerin staunt man schon, dass mit einer Aktion 20 000 keine echten Jobs geschaffen werden, man der Wirtschaft in der derzeitigen Hochkonjunktur im Prinzip durch einen Scheinarbeitsmarkt erfahrene Arbeitskräfte entziehen möchte und der öffentliche Bereich aufgrund der Befristung den Menschen keine wirklichen Perspektiven geben kann. Daher die Frage: Ist das wirklich sozial? – Meiner Meinung nach nicht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist die Wirtschaft, es sind unsere Unternehmer und Unternehmerinnen, die Arbeits­plätze schaffen (Beifall des Abg. Hörl – Abg. Leichtfried: Fürs Protokoll: Verhaltener Applaus bei der ÖVP!) und engagierten Arbeitnehmern die Chance geben, sich eine


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Zukunft zu schaffen. Das zeigen uns auch die aktuellen Zahlen, denn Fakt ist, von September 2017 bis September 2018 stieg die Zahl der Beschäftigten über 50 um 51 000 – an der Aktion 20 000 haben rund 4 000 Menschen teilgenommen. Im gleichen Zeitraum ist die Arbeitslosenquote für ältere Arbeitnehmer mit minus 1,3 Prozent stär­ker zurückgegangen als die allgemeine Arbeitslosenquote. Bei den Langzeitarbeitslo­sen gibt es sogar einen Rückgang von minus 16 Prozent. Die Zahlen sprechen also eindeutig für die Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aufgabe der Politik ist es, für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Dieser Auf­gabe kommen wir auch nach, indem wir mit dem Jobgipfel für einen nachhaltigen und stabilen Arbeitsmarkt sorgen und die öffentlichen Gelder effizient und sparsam einset­zen. Wir haben das Ziel, Ältere und Langzeitarbeitslose zu unterstützen, nicht aus den Augen verloren; ganz im Gegenteil, wir erweitern unser Vorhaben, indem wir in den nächsten Jahren Maßnahmen und Anreize schaffen, um bis zu 100 000 Menschen in Beschäftigung zu bringen. Das Ziel ist somit gleich geblieben, nur der Weg dorthin führt uns nicht mehr in Ihre Sackgasse. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Mag.a Selma Yildirim zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.28.19

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Arbeit gehört zum österreichi­schen Glücksfaktor. Wir arbeiten gerne und, soweit es möglich ist, auch lange. Die Re­alität ist aber hart, und Tatsache ist, dass jüngere Menschen, jüngere Arbeitnehme­rInnen am Arbeitsmarkt bevorzugt werden. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer werden trotz ihres Erfahrungsschatzes und großen Wissens aufs Abstellgleis ge­stellt, unsichtbar gemacht und isoliert. Dadurch werden sie oft krank, und die Abwärts­spirale in die Armut beginnt, zu laufen.

Menschen haben ein Recht auf Arbeit, und Sie alle bestätigen ja, die Konjunktur läuft gut. Statt für Steuererleichterungen für Konzerne bei gut laufender Konjunktur plädiere ich dafür, dass die Kürzung der Arbeitsmarktförderung um 700 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre wieder zurückgenommen wird. Diese 700 Millionen Euro brau­chen wir, um Menschen wieder aktiv bei der Arbeitssuche zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht ein Investitionspaket für den Arbeitsmarkt. Wer über 50 ist und arbeitslos wird, bleibt laut AMS mit hoher Wahrscheinlichkeit für mehr als ein Jahr arbeitslos. (Abg. Belakowitsch: Was reden Sie da? Woher haben Sie das?)

Die Aktion 20 000, die sich hervorragend bewährt hat, möchte ich anhand eines Bei­spiels der Stadt Innsbruck schildern. Die Stadt Innsbruck hat 33 Frauen und Männer über die Aktion 20 000 anstellen können. (Abg. Wurm: Genau das schlechte Bei­spiel! – Abg. Belakowitsch: Das ist ein schlechtes Beispiel!) 90 Prozent haben sich hervorragend bewährt, leisten hervorragende Arbeit – im Finanzbereich, im Gartenamt, im Wohnungsservice, überall dort, wo sie gebraucht werden, und nicht zufällig im öf­fentlichen Dienst. (Abg. Belakowitsch: Warum nicht?)

In den letzten 20 Jahren wurde auf Gemeindeebene, auf Landes- und Bundesebene massiv im öffentlichen Dienst eingespart. Diese Leute haben keine Scheinarbeitsplät­ze, diese Leute verrichten wertvolle Arbeit (Beifall bei der SPÖ), da es für die Kom­munalverwaltung kaum mehr möglich ist, ihre Dienstleistungen zu erbringen. Und es werden sogar Menschen übernommen; die Ersten sind in Innsbruck bereits übernom­men worden. Ich hoffe, dass es möglich ist, weitere Menschen zu beschäftigen. (Abg. Belakowitsch: Wer hat dort eingespart?)


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Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass gerade der Rückgang der Ar­beitslosigkeit bei über 50-jährigen Menschen auch auf diese Aktion 20 000 zurückzu­führen ist. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wir werden immer eine besondere Förderung für Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich schließe meine Rede mit einem Zitat von Johann Böhm: „Soziale Sicherheit ist die verlässlichste Grundlage der Demokratie“ – daher: ein Investitionspaket für den Arbeitsmarkt! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abge­ordneten Noll und Zadić– Abg. Wurm: Wer ist Johann Böhm, bitte?)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Andrea Michaela Schartel. – Bitte.


12.31.40

Abgeordnete Andrea Michaela Schartel (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Zum Thema Aktion 20 000 ist schon sehr viel und Wesentliches gesagt worden, und ich möchte nur noch einmal betonen: Sie wurde nicht abgeschafft, sie wurde nur momentan ausgesetzt (Abg. Plessl: Die ÖVP sagt, abgeschafft! Was stimmt jetzt?), um sie zu evaluieren und um festzustellen, ob mit dieser Aktion, wenn man Steuergeld in die Hand nimmt, der Effekt erreicht wird, dass man jenen Menschen behilflich sein kann, die es am Arbeitsmarkt wirklich schwer haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Hauptkritikpunkt ist zu Recht jener, dass diese Aktion nur für einen sehr einge­schränkten Kreis von Arbeitgebern Gültigkeit hatte (Abg. Wurm: Genau!) und nicht für den Hauptarbeitgeberkreis, nämlich die private Wirtschaft, die Klein- und Mittelbetriebe, die nach wie vor die meisten Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es stellt sich schon die Frage, wie man einem Menschen erklärt, dass es für ihn da­nach erst recht schwer sein wird, wenn er nach sehr langer Arbeitslosigkeit – die sehr bedauerlich ist und, da stimme ich Ihnen zu, auch gesundheitliche Schädigungen her­vorrufen kann – zwei Jahre lang Gelegenheit hat (Abg. Vogl: Wo kriegt’s denn ...? Wo gibt’s denn das? Was ist das für ein ...?), in einem gemeinnützigen Verein, in einer Kommune oder beim Land tätig zu sein, dass er danach wieder arbeitslos sein wird und womöglich sogar noch schwerer eine Arbeitsstelle bekommen wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

Ein ganz wichtiger Punkt ist – und ich bin stolz darauf, dass wir Teil dieser Regierung sein dürfen –: Für uns ist es wichtig, mit dem Steuergeld in erster Linie sorgsam und nachhaltig umzugehen; deswegen ist es so wichtig, dass man darauf achtet, dass mit dem Geld, das zur Verfügung steht, eine sinnvolle und nachhaltige Wirkung erzielt wird.

Eines sage ich Ihnen auch: Diese Regierung denkt, bevor sie lenkt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.33


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


12.33.54

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zur Aktion 20 000: Sie wissen, die Aktion dauert bis 30.6. nächsten Jahres, dann erfolgt eine Evaluierung. Ich darf Sie also beruhigen und um Geduld bitten; es dauert noch ein bisschen, bis es eine Evaluierung gibt. – Punkt eins.


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Eines ist jedenfalls sicher, nämlich dass die Nachhaltigkeit nicht gegeben ist. – Punkt zwei. (Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim und Klaus Uwe Feichtinger.)

Es ist auch sicher, dass die Langzeitarbeitslosen bereits Beschäftigung gefunden ha­ben. Wir haben sehr viele Maßnahmen im AMS getroffen, es gibt das Projekt Job Aktiv, wir haben einen Jobgipfel initiiert. Es wurden sehr viele Maßnahmen getroffen, damit Sie sicher sein können, dass Langzeitarbeitslose sehr wohl in Beschäftigung kom­men. – Wir brauchen nicht die Aktion 20 000. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.


12.34.51

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Mi­nister! Frau Yildirim, ich danke für die Ausführungen, insbesondere für den ersten Teil Ihrer Ausführungen. Ich werde die Rede über den Glücksfaktor Arbeit kopieren und der oberösterreichischen Arbeiterkammer senden, da diese jedes Jahr eine selbstverfasste Studie darüber lanciert, wie furchtbar Arbeit ist und dass Arbeit krank macht und etwas Schreckliches ist. Ich danke, dass Sie das hier richtigstellen, ich werde die Rede ent­sprechend würdigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass jeder hier im Plenum will, dass wir Vollbeschäftigung haben. Ich gehe davon aus, dass jeder will, dass es keine über 50-jährigen Arbeitslosen gibt. Das ist ein klares Bekenntnis, das wir natürlich haben; aber, meine Damen und Herren, wir haben halt unterschiedliche Zugänge. Einer be­steht dahin gehend, dass wir nicht glauben, dass der Staat Arbeitsplätze ad infinitum schaffen und finanzieren kann. Wenn der Staat heute jemanden anstellt, extra anstellt, zusätzlich anstellt, und dieser kostet 100, dann kommen über Steuern, Abgaben und vielleicht Wertschöpfung aus Konsum 50 wieder herein, aber 50 bleiben minus. Man muss nicht die hohen mathematischen Talente des Kollegen Taschner haben, um fest­zustellen, dass sich das irgendwann nicht mehr ausgeht. Tun wir es millionenfach, dann landen wir irgendwo zwischen Griechenland und Venezuela; dort wollen wir mit Sicherheit nicht hin.

Da wir nicht dorthin wollen, sollten wir uns gut überlegen, wie wir Arbeitsplätze schaf­fen. Schaffen tut sie nun einmal nicht der Staat, der sie nicht erhalten kann, sondern schaffen tun sie nach wie vor private Unternehmen. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Über 50-Jährige sind auch vor ungerechtfertigten Kündigungen geschützt, aber wir ha­ben ein System geschaffen, in dem Arbeitsplätze für über 50-Jährige mit entsprechen­den Faktoren verbunden sind, die es Unternehmen oftmals schwierig machen, sie zu halten. Daher ist mein Ansatz dazu, dass wir, bevor wir viel Geld in Aktionen hineinge­ben, aus denen nichts zurückkommt, Unternehmen entsprechende Anreize geben wer­den und geben müssen, damit sie auch ältere, routinierte Arbeitskräfte im Betrieb hal­ten. Das ist es, wo wir hinmüssen. Wir müssen keinesfalls hin zu einem verstaatlichten System. Die Planwirtschaft hat noch nie das gebracht, was sie wollte, sie hat stets versagt und hat in Armut für alle geendet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.37

12.37.25

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen werde.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 288 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 289 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

12.38.327. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 387/A der Abgeordneten Karl­heinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verord­nung (EU) 2017/2402 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefun­gen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung (STS-Verbriefungsvollzugsgesetz – STS-VVG) erlassen wird und mit dem das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Invest­mentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Aktiengesetz, das Immobilieninvest­mentfondsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden, und

den Antrag 143/A(E) der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Finanzierung von Klein- und Mittelunternehmen durch Umden­ken in der Kapitalmarktpolitik (323 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Löger in unserer Mitte und erteile als Erster Frau Abgeordneter Mag.a Selma Yildirim das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.39.44

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Hohes Haus! Die Intention dieser Geset­zesvorlage ist grundsätzlich begrüßenswert. Da geht es um die Umsetzung einer EU-Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für einfache, transparente und standardi­sierte Verbriefung.

Ich merke an, dass die Finanzmarktaufsicht im Begutachtungsverfahren durchaus eine kritische Stellungnahme hinsichtlich Konsumentenschutzbestimmungen, die nicht ein­gearbeitet wurden, abgegeben hat. Dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten dieses Paket trotzdem ablehnen werden, liegt daran, dass in diesem Zusam­menhang das Aktiengesetz geändert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die internationale finanzbehördliche Eingreif­truppe gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hat Österreich sehr lange kriti­siert. Die Vorgängerregierung hat im Jahre 2011 entsprechende Maßnahmen gesetzt, nämlich die Möglichkeiten betreffend Inhaberaktien verschärft bis verunmöglicht, und sie hat darauf bestanden, dass Aktien nicht anonymisiert sind, sondern dass die Iden­tität jener, die eben an der Börse mit Aktien handeln, sinnvollerweise tatsächlich nach­vollziehbar und erkennbar festgestellt werden kann.

Wir erleben etwas, was eben wieder zu einer Liberalisierung führt. Kaum hat sich die Finanzmarktsituation nach diesen zwei großen Finanzkrisen stabilisiert, wird in diesem Bereich wieder liberalisiert, und das ist ein Widerspruch. Das ist deswegen ein Wider­spruch, da der Herr Finanzminister sagt, wenn es um Geldwäsche und Terrorismusfi­nanzierung gehe, bestehe nicht mehr in diesem Ausmaß Handlungsbedarf, und der Herr Innenminister warnt die Bevölkerung vor Terror und Amoklauf. (Die Rednerin hält


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eine Tafel in die Höhe, auf der unter der Überschrift „Schutz der eigenen Sicherheit bei Amok und Terror“ folgender Text zu lesen ist: „Atmen Sie durch und bewahren Sie Ruhe. Machen Sie sich ein Bild von der Situation.“ Darunter sind drei eingerahmte Pik­togramme zu sehen, die mit den Begriffen „flüchten“ „verstecken“ „Notruf“ versehen sind; darunter befindet sich ein weiteres Piktogramm, das von den Worten: „Letzte Konsequenz“ und „verteidigen“ umrahmt wird.)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, was sage ich den alten RentnerInnen, die sich letzte Woche bei mir beschwert haben, weil sie in Angst und Schrecken versetzt wur­den? Was sage ich dem Herrn, der groß und gehbehindert ist, und der gefragt hat: Frau Yildirim, wo soll ich mich als Angestellter verstecken, ich bin zu groß, weglaufen kann ich nicht? (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Wir nehmen es aber auf der anderen Seite nicht ernst genug und sagen: Das Verhin­dern von Terrorismusfinanzierung oder Geldwäsche ist nicht mehr so dringend. Das ist der Hauptgrund dafür, warum wir von der sozialdemokratischen Fraktion unsere Zu­stimmung nicht erteilen werden, denn es ist wichtig, diese internationalen Schutzbe­stimmungen ernst zu nehmen, sie nicht herunterzunivellieren und nicht aufzuweichen, nur weil wir uns derzeit in einer sicheren Finanzmarktlage befinden. Die Devise lautet nach wie vor: Die nächste Krise kommt bestimmt. In diesem Sinne werden wir unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Das sind wir eh gewohnt!)

12.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.


12.42.57

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und auch vor den Fernsehgeräten! Es kann kein Zweifel darüber bestehen, ich denke, darüber sind wir uns auch einig, dass wir in Österreich, und nicht nur in Österreich, ei­gentlich in ganz Europa, im Bereich der Unternehmensfinanzierung viel zu bankenlas­tig sind und einen unterentwickelten Kapitalmarkt haben, der bei Weitem zu wenig Dy­namik aufweist. Das hat auch mit Regulatorien zu tun, wie wir sie bei uns im Lande kennen, und deswegen wollen wir sie ändern und werden wir sie ändern.

Dieses Gesetzespaket, das jetzt hier zur Debatte und zur Abstimmung steht, ist ein erster notwendiger Schritt zu einem dynamischeren Kapitalmarkt, ist ein wirtschafts­politischer Meilenstein; das sagen durchaus auch Kapitalmarktexperten und Experten in den Unternehmen selbst. Schaut man sich nämlich die Maßnahmen an, die wir jetzt hier beschließen, dann sieht man, es geht zum einen um eine Neubelebung der Ver­briefungsmärkte – Frau Kollegin Yildirim hat das vorhin schon angesprochen –, es geht zum anderen aber um eine Öffnung des Dritten Marktes, vor allem für Klein- und Mit­telbetriebe eine ganz wichtige Maßnahme, und es geht um die Zulassung von Inha­beraktien in einem multilateralen Handelssystem.

Wenn die SPÖ das kritisiert, dann verstehe ich das erstens nicht; und zweitens ist dazu zu sagen, dass wir uns da in guter Gesellschaft befinden, zum Beispiel mit Deutsch­land, wo diese Inhaberaktien auch zugelassen wurden.

Man muss ja eines sehen: Diese Zulassung von Inhaberaktien geschieht ja nicht im luftleeren und freien Raum, sondern dazu ist zu sagen, dass das vom Firmenbuchge­richt zu prüfen ist, dass es davon abhängt, ob die Gesellschaft börsennotiert bezie­hungsweise in ein multilaterales Handelssystem einbezogen ist, dass die Satzung eine solche Absicht auch tatsächlich beinhaltet, sodass das Ganze auch weiterhin gebun­den ist und einer ordentlichen Kontrolle unterliegt.

Da also den Teufel an die Wand zu malen, dass man durch diesen Liberalisierungs­schritt jetzt wieder Szenarien von 2008 heraufbeschwört und ermöglicht, das ist ja


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wirklich an den Haaren – und zwar zutiefst – herbeigezogen und eine Angstmache, die weder berechtigt noch angebracht ist. (Abg. Krainer: ... das hat ja keiner gesagt ...!) Im Gegenteil: Das ist eigentlich verwerflich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu den Ergebnissen: Am Ende schaffen wir hiermit eine erleichterte Kapitalbeschaf­fung für kleine und mittlere Aktiengesellschaften, insgesamt dient es einer Eigenkapi­talstärkung für die Betriebe. Das heißt als Resümee für mich: Es ist zwar ein techni­sches Gesetz, das natürlich ein gewisses Expertentum voraussetzt beziehungsweise für Experten ist, aber es hat – und das ist das Wichtigste dabei – sehr, sehr positive Auswirkungen auf Wachstum und auf Beschäftigung. Es ist also tatsächlich ein wich­tiger wirtschaftspolitischer Meilenstein.

Ich kann in diesem Zusammenhang nur an Sie alle appellieren, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben, diesen Weg mitzuunterstützen. Ich verstehe nicht, dass die So­zialdemokratische Partei dies – wie bereits angekündigt – nicht tun wird und nicht tun will. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Ich denke, wir leisten hier einen wichtigen Bei­trag für den Wirtschaftsstandort Österreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.47


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Doris Margreiter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.47.09

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Herr Kollege Kopf, Sie haben recht, es braucht einheitliche Regeln, Transparenz und Standards am Verbriefungsmarkt, das hat uns eben nicht zuletzt die endlich überwundene Finanzkrise gezeigt; wenn Anlegertäu­schung und fehlende Besicherung wesentlicher Auslöser für den Zusammenbruch der Finanz- und vieler anderer Marktplätze weltweit sind, dann ist das so.

Eine entsprechend EU-Richtlinie in diesem Bereich muss daher notwendigerweise auch ins österreichische Recht übernommen werden, das ist wichtig und richtig. Was Sie aber offenbar nicht verstehen wollen, ist, dass die nun vorliegenden Gesetzesände­rungsvorschläge von den dafür notwendigen Änderungen abweichen.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel bringen: Mit der Änderung des Aktiengesetzes werden nämlich nun – wir haben es schon gehört – Inhaberaktien am Dritten Markt zugelas­sen, und das, obwohl die in der OECD angesiedelte Arbeitsgruppe gegen Geldwäsche mehrfach feststellte, dass im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auch am ungeregelten Dritten Markt ausschließlich Namensaktien geführt werden sol­len. Dieser Empfehlung hat die damalige Bundesregierung auch entsprochen, wie mei­ne Kollegin Selma Yildirim ausgeführt hat.

Fakt ist auch, dass zahlreiche Experten – das ist auch aus Wifo-Papieren ersichtlich – nur sehr eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten für ein KMU-Segment an der Wie­ner Börse sehen. Das haben auch Sie, Herr Finanzminister, ehrlicherweise im Aus­schuss zugeben müssen. (Heiterkeit der Abg. Winzig.) Empfohlen wird dagegen eine sektorübergreifende Gesamtstrategie. Schaut man sich jetzt an, wo diese Bundesre­gierung bei KMUs und Start-ups bereits überall gespart hat, dann sieht man, dass der vorliegende Entwurf maximal ein Placebo für die Mittelstandsfinanzierung in Österreich ist – nicht mehr und nicht weniger.

Einmal mehr wird klar, wo Ihr Fokus liegt, und das sind nicht die KMUs, sondern das sind die Großkonzerne in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Abg. Winzig.)

Zusammengefasst heißt das: Es gibt erstens keine Strategie für die Finanzierungspro­bleme von KMUs (Zwischenruf des Abg. Hammer), zweitens wird der vorliegende Ent­wurf kaum spürbare Impulse setzen, und drittens wird der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung eingeschränkt.


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Die SPÖ wird daher – wie wir schon gehört haben – den vorliegenden Entwurf nicht unterstützen, denn wir setzen auf Wirtschaftsförderung, die bei den Menschen an­kommt. (Abg. Haubner: Das ist was Neues bei der SPÖ!) Dazu wurden in der letzten Legislaturperiode zahlreiche Maßnahmen verabschiedet, die nun wieder eingestampft wurden, durchwegs mit dem Argument der Hochkonjunktur, das haben wir ja heute auch schon betreffend die Aktion 20 000 gehört. Dieses Argument ist aus meiner Sicht genauso kurzsichtig wie der vorliegende Entwurf.

Gestehen Sie sich doch bitte einfach ein, dass Ihnen wirtschaftspolitisch jede Vision – aber absolut jede Vision! (Heiterkeit des Abg. Bösch) –, wie mit den Herausforderun­gen der Gegenwart umzugehen wäre, fehlt. Stattdessen kommen die gleichen alten Ideen immer wieder neu verpackt daher, und das werden wir so sicher nicht goutie­ren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.


12.50.29

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! (Abg. Leichtfried: Präsidentin!) Wir gestehen uns ein, liebe Abgeordnete von der SPÖ, dass wir hier ein gutes Gesetz beschließen werden. Der Initiativantrag zielt darauf ab, dass wir das Wirksamwerden der EU-Verordnung durch Bestimmungen in das österreichische Rechtsystem implementieren. Diese sogenannte EU-Verbriefungs­verordnung ist ja bereits in Kraft und gilt ab 1.1.2019.

Nur ganz kurz: Wir nutzen die Novelle dafür, dass wir betreffend jene Aktiengesell­schaften, die derzeit nicht am geregelten Markt, sondern über ein multilaterales Han­delssystem gehandelt werden, die Verwendung von Inhaberpapieren erlauben, auch wenn da die Namensaktie, das betone ich auch, der Standardfall bleiben wird. So ge­sehen ist die Öffnung des Dritten Marktes für heimische Klein- und Mittelunternehmen das erfolgreiche Ergebnis dieses Initiativantrages.

Der Dritte Markt soll und muss unseren heimischen Klein- und Mittelunternehmen neue Kapitalisierungsmöglichkeiten bieten. Das ist auch notwendig: Einerseits wünscht sich das unsere heimische Wirtschaft, andererseits hat Österreich mit seinem bankenorien­tierten System jedenfalls Aufholbedarf gegenüber anderen europäischen Ländern, ins­besondere auch gegenüber dem angloamerikanischen Markt, was die Unternehmensfi­nanzierung am freien Markt betrifft. Im Übrigen gehen wir dabei konform beziehungs­weise haben auch die NEOS einen ähnlichen Zugang, dass damit ein wichtiger Punkt, der auch im Regierungsprogramm zwischen Volkspartei und Freiheitlicher Partei ver­einbart ist, umgesetzt wird.

Zum Argument der Geldwäsche: Frau Abgeordnete Yildirim, ich schätze Sie grundsätz­lich aufgrund Ihrer Sachlichkeit, aber dass Sie sich hier mit einem Hinweisschild he­rausstellen, bei dem es darum geht, sozusagen Empfehlungen im Falle eines Amok­laufs zu geben, das ist schon ein sehr starkes Stück, das muss ich Ihnen sagen! Sie kriminalisieren hier mehr oder weniger unsere heimischen Klein- und Mittelunterneh­men, und das kann so nicht sein.

Im Übrigen – sage ich Ihnen – bin ich der sicheren Überzeugung, dass unsere KMUs, unsere österreichischen, unsere heimischen Betriebe nicht beginnen werden, an der Wiener Börse Drogen- oder Schwarzgelder zu waschen. – Das halte ich für absolut überzogen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gab ja auch ein Begutachtungsverfahren, und dieses fiel durchwegs positiv aus. Dieses Gesetz ist wichtig, es ist richtig, es ist gut und es ist notwendig, weil, wie gesagt, unsere heimischen Klein- und Mittelunternehmen die Möglichkeit haben, sich


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so außerhalb unseres gut funktionierenden Bankensystems und Bankenwesens zu ka­pitalisieren. Daher ersuchen wir, ersuche ich um Zustimmung zu dieser Initiative. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


12.53.44

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Die NEOS haben ja von Beginn an auf diese Problematik des Dritten Marktes hingewiesen. Wir sind froh, dass hier dieser Fehler wieder behoben wird, wir werden auch zustimmen und diese Regierungsvorlage natürlich unterstützen. Die Umstellung auf Namensak­tien, dieses Gesetz, dieser Fehler, der mit diesem Antrag behoben wird, dient ja in ers­ter Linie der Bekämpfung der Geldwäsche. In der Retrospektive darf man sagen, dass es als Idealbeispiel oder als Idealmodell für Gold Plating gesehen wird. Wie setzen wir Vorlagen von der Europäischen Union um? – Dieses alte Gesetz hat die Vorgaben so­zusagen zu 100 Prozent, wenn nicht sogar zu 200 Prozent erfüllt.

Deutschland zeigt uns, dass es auch anders geht. Dort wurde diese EU-Richtlinie auch umgesetzt, und man hatte keinerlei Bestrebungen, im Aktiengesetz auch Veränderun­gen durchzuführen. (Ruf bei der FPÖ: Trotzdem ...!) Also das haben wir getan.

Jetzt sage ich noch etwas dazu, wie Kollegin Margreiter oder wie die SPÖ das mit der Förderung der aktiven Wirtschaftspolitik verstanden hat: Nein, gerade das Gegenteil: Ihre Förderung bestand darin, möglichst regulativ am Markt zu sein und diese Thema­tiken auch mit möglichst viel Bürokratie zu besetzen. – Das entspricht nicht unserem Ansatz von Freiheit und freiem Unternehmertum. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Haubner.)

Wenn es diesen Liberalisierungsschritt geben muss – wie Kollege Kopf auch richtig an­gemerkt hat –, und das ist ein Liberalisierungsschritt, dann braucht es natürlich auch mehr Dynamik, und mehr Dynamik bedeutet, auch den nächsten Schritt zu gehen. Die Wiener Börse hat ja in den letzten Jahren darunter gelitten, aber wenn es um Unter­stützungen geht, um vor allem in einem Dritten Markt auch für Klein- und Mittelbetriebe zu arbeiten, brauchen wir auch andere Richtlinien, was Risikokapitalbereitstellung be­trifft.

Zur Risikokapitalbereitstellung betrachten wir Folgendes: Wenn die Rechnungen der Oesterreichischen Nationalbank stimmen, gibt es rund 650 Milliarden Euro Spargutha­ben in Österreich; wenn wir nur 1 Prozent nehmen und einen Fonds bereitstellen und diesen gewinnen, damit es auch einen steuerlichen Vorteil, einen Anreiz gibt, dann haben wir 8,9 Milliarden Euro an Risikokapitalbereitstellung. Das ist gerade für Klein- und Mittelbetriebe in Anbetracht der großen regulatorischen Schwierigkeiten, was die Kredit- oder Geldbeschaffungsrichtlinien für Klein- und Mittelbetriebe – Basel III und Basel IV – betrifft, wichtig. Da braucht es weitere Öffnungen im Markt, da braucht es vor allem für den Dritten Markt Liberalisierungsschritte, die wir gehen müssen.

Herr Finanzminister, unsere Unterstützung haben Sie, nämlich jene des Rückgrats die­ser Nation; im wirtschaftlichen Bereich sind das die Klein- und Mittelbetriebe, und das sind immerhin 99,9 Prozent. Diese brauchen eine Stärkung angesichts der regulatori­schen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Basel III und Basel IV. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Löger. – Bitte, Herr Minister.



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12.57.24

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Gäste auf der Galerie! Liebe Zuseherinnen, Zuseher zu Hause! Ich erlaube mir, einlei­tend den Hinweis zu geben, dass diese heute zur Diskussion stehende Gesetzgebung eine Grundlage liefert, um das, was wir auf europäischer Ebene anstreben, nämlich ei­ne Kapitalmarktunion, auch auf österreichischer Ebene zu realisieren.

Irritiert bin ich, offen gestanden, von den Redebeiträgen der Sozialdemokratischen Par­tei, wenn es darum geht, jetzt ein Gesetz zu verabschieden, das auf europäischer Ebe­ne Sicherheit gibt, das Vorsorge trifft, das genau das, was vor zehn Jahren auf interna­tionaler Ebene zugeschlagen hat, in Zukunft verhindern soll. Ich nehme hier etwas irri­tiert zur Kenntnis, dass die SPÖ diese Sicherheit den Österreicherinnen und Österrei­chern offensichtlich vorenthalten will, indem sie diesem Gesetz nicht zustimmt – ich glaube, das ist eine Wahrnehmung, die man am Beginn durchaus erwähnen kann. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Darüber hinausgehend, glaube ich, ist es wichtig, dass wir auch in Österreich zur Kenntnis nehmen, dass wir auf wirtschaftlicher Ebene gerade beim Rückgrat – so wie es Abgeordneter Schellhorn auch angesprochen hat –, bei den kleinen und mittleren Unternehmen, die Grundlage schaffen müssen, um zusätzliche Möglichkeiten in Rich­tung Kapitalfindung zu geben. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Warum brauchen wir das? – Wir haben erfreulicherweise nicht nur eine gute Konjunk­turgrundlage, sondern wir haben – in einem Ausmaß wie noch nie – eine positive Stim­mung der Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich. Ich bitte, auch Folgendes zur Kenntnis zu nehmen: Im Vergleich zu vor einem Jahr, in einer anderen Regierungs­konstellation, haben wir hinsichtlich der positiven Grundstimmung unserer Unterneh­merinnen, Unternehmer in Österreich teilweise eine Verdoppelung und Verdreifachung, und genau das nutzen wir jetzt, um mit zusätzlichen Kapitalmaßnahmen diese gute Stimmung zu unterlegen, um auch Investitionen in die Wirtschaft zu fördern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Lösungsansatz, wobei ich schon eingestehe, man kann jetzt im Bereich dieses Dritten Marktes auch weiterhin die Problemstellungen diskutieren, wie es vielleicht in der Vergangenheit üblich war, um Dinge mit Angst und Panik zu hinterlegen: Das, was wir hier tun, ist eine positive Fördermaßnahme für Investitionen im Bereich der Wirt­schaft, auch betreffend die Diskussion, die heute schon im Vorfeld in diesem Haus stattgefunden hat. Ich glaube, wir alle sollten realisieren: Investition in Wirtschaft, In­vestition in Wachstum sichert Arbeitsplätze, sichert sozialen Frieden. Das ist das, was diese Regierung tut. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Im Sinne der internationalen Sicherheit sei angesprochen: Ja, wir wissen, dass wir hier einen Lösungsansatz vorsehen, der auch die Möglichkeit bietet, über Inhaberaktien diesen Dritten Markt in dem Bereich zu dynamisieren. Wir haben da die OECD-Basis sehr wohl als Grundlage im Auge und haben in Anlehnung an die Lösungen, die in Deutschland und international umgesetzt wurden, jetzt für Österreich diese Möglichkeit geschaffen. Das tun wir deswegen, weil es viele Unternehmen in Österreich gibt, er­folgreichste, teilweise Weltmarktführer, die als Familienunternehmen in Österreich tätig sind, auf die wir Österreicherinnen und Österreicher stolz sein können. Gerade diese wollen wir nicht dazu zwingen, dass sie ihre Kapitalisierung in Deutschland suchen, sondern wir geben ihnen mit diesem Gesetz die Chance, in ihrer Heimat, in Österreich diese Arbeitsplätze durch Investitionen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu si­chern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank, Herr Minister.


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Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte schön, Herr Abge­ordneter.


13.01.26

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Ja, der österreichische Kapitalmarkt ist ein ganz wichtiger Motor für un­sere heimische Wirtschaft. Wie der Herr Minister schon ausgeführt hat, ist die heimi­sche Wirtschaft auf einem sehr guten Kurs. Unsere Unternehmer brauchen genau in diesen Wachstumsphasen Kapital für Investitionen, deshalb kommt diese Maßnahme zur genau richtigen Zeit.

Unternehmer kommen auf verschiedene Art und Weise zu neuem, frischem Kapital, entweder über die Ausgabe von Aktien oder Anleihen oder über die Aufnahme von Krediten bei Banken. Österreich gehört leider zu den Ländern mit einer nicht so hohen Börsenkraft. Die Marktkapitalisierung, also der Wert aller Aktien an der Wiener Börse, beträgt ungefähr 35 Prozent vom BIP. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 60 Pro­zent, in Schweden sind es gar 130 Prozent. Die überwiegende Mehrheit der österrei­chischen KMUs finanziert sich, wie man sieht, eben traditionell über Kreditaufnahmen.

Die KMUs – das haben wir heute schon gehört; Kollege Schellhorn hat es gesagt, der Herr Minister hat es gesagt – sind diejenigen, die zwei Drittel der Menschen in Öster­reich Arbeit geben. Mir kommt es bei der SPÖ schon so vor: Hauptsache, Sie sind da­gegen, wenn es darum geht, die KMUs tatkräftig zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daran haben Sie uns in der letzten Legislaturpe­riode schon gehindert, und auch jetzt setzen Sie diesen Weg nahtlos fort.

Durch immer strengere Regelungen in Bezug auf die Banken und die Kreditvergabe ist es aber sehr schwierig für Unternehmen, an Kredite zu kommen. Damit aber Unterneh­men auch in Zukunft Zugang zu frischem Kapital für Investitionen und vor allem für die notwendigen Innovationen haben, müssen wir dieser Entwicklung entgegentreten, und das tun wir heute.

Einerseits muss es den Banken ermöglicht werden, wieder Kredite für KMUs zu ver­geben, und gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass private Investoren sich über die Risken eines Investments im Klaren sind. Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen neben der Aufnahme von Krediten auch einen besseren Zugang zu anderen Finanzierungsquellen, und da bedeutet die Öffnung des Dritten Marktes für kleine und mittlere Gesellschaften eine Riesenchance.

Mit dem Beschluss des etwas sperrig klingenden STS-Verbriefungsvollzugsgesetzes setzen wir eine EU-Verordnung um. Ziel ist es, den stark fragmentierten Markt für Ver­briefungen durch das Schaffen eines Qualitätslabels für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen zu harmonisieren.

Meine Damen und Herren! Ich bin mir sicher, mit diesem Gesetz schaffen wir für Un­ternehmer und natürlich auch für den Kapitalmarkt wieder Sicherheit und vor allem un­terstützen wir damit unsere KMUs. Danke für diese Initiative, danke im Sinne der klein- und mittelständischen Wirtschaft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.04.52

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Abgeordnete und Zuhörer! Wir haben jetzt einiges über die neuen Finanzmarktgesetze, die heute beschlossen werden sollen, ge-


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hört, und für die meisten wird es vermutlich sehr technisch anmuten, was hier diskutiert worden ist. Wir haben gehört, dass wir einer EU-Verordnung folgen und einen spezifi­schen Rahmen für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen schaffen. Dabei werden die Fehler, die vor 2008 im Verbriefungsmarkt passiert sind, endlich kor­rigiert und ein sicherer Handel mit diesen verbrieften Verschreibungen wird möglich. Zusätzlich haben wir in Österreich die Finanzmarktaufsicht als zuständige Behörde zur Überwachung und Durchsetzung dieses Gesetzes definiert.

Das Ziel dieses Gesetzes ist, einfach formuliert, die bisher uneinheitlichen Regelungen zu harmonisieren und einen stärker risikobasierten Ansatz in der Überwachung und Aufsicht zu schaffen. Zudem werden wir zukünftig unterscheiden, ob es sich um kurz- oder langfristige Verbriefungen handelt, diese werden unterschiedlich behandelt. Um das Vertrauen in den Verbriefungsmarkt zusätzlich zu stärken, wird es eine erhöhte Sorgfaltspflicht sowie einen Risikoselbstbehalt und ein neues System zur Information über die Produkte geben.

Nun werden Sie sich fragen: Was bringt das alles? – Kurz gesagt soll es zukünftig leichter und gleichzeitig sicherer werden, verbriefte Forderungen zu handeln. Indirekt wird dadurch auch die Kreditvergabe durch unsere Banken erleichtert, denn über die Veräußerung von verbrieften Forderungen wird es den Banken ermöglicht, die Eigen­kapitalquote zu erhöhen, und somit entsteht mehr Spielraum für die Vergabe von Kre­diten an unsere Unternehmen.

Ein weiterer Punkt, der heute beschlossen werden soll, ist die Schaffung des soge­nannten Direct Markets, des Dritten Marktes an der Wiener Börse für klein- und mit­telständische Unternehmen, an dem zukünftig auch, wie schon mehrfach erwähnt, In­haberaktien gehandelt werden dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit werden die Fehler der Vergangenheit korrigiert. Das Kind wurde bei der Abschaffung der Möglichkeit des Handels mit Inha­beraktien mit dem Bade ausgeschüttet, und unsere Unternehmen hatten erhöhten Auf­wand beziehungsweise zu hohe Kosten, um dieses Marktsegment noch vernünftig zu bespielen. Die österreichischen Unternehmen waren durch diese Abschaffung in der Vergangenheit am Kapitalmarkt benachteiligt, denn in Deutschland und anderen EU-Staaten gibt es diese Möglichkeit bislang noch immer. Das ist auch mit die Ursache, warum in Deutschland die Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen 62 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt und in Österreich gerade einmal 36.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Maßnahme wird zu einer deutlichen Belebung der Wiener Börse führen und wird neue Finanzierungsmöglichkeiten für un­sere mittelständische Wirtschaft schaffen. Bereits mehr als zwölf Unternehmen haben sich nach meinem Kenntnisstand zur Listung an diesem neuen Markt gemeldet, und ich bin mir sicher, es werden noch viele weitere folgen.

Der Finanzausschuss unterstützt deshalb den vorliegenden Antrag. Bitte unterstützen auch Sie alle im Sinne unserer Klein- und Mittelbetriebe und der Hunderttausenden Be­schäftigten in diesem Bereich diese Anträge! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.08

13.08.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schlie­ße ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 323 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hier zustimmen, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist auch in dritter Lesung erfolgt und somit ange­nommen.

13.08.538. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (206 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird (324 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen jetzt zu Tagesordnungspunkt 8.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.09.21

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Bei der letzten Debatte war erschreckend, dass hier zwei Abgeordnete ein Argument vorgebracht haben, nämlich dass Österreich diese Maßnahme 2011 getroffen hat, weil das vom internationalen Gremium zur Be­kämpfung der Geldwäsche verlangt wurde. Wir haben im Ausschuss und im Plenum öfters gefragt: Gibt es jetzt eine Vereinbarung mit der für die Bekämpfung von Geldwä­sche zuständigen Stelle bei der OECD darüber, dass wir diese Maßnahme zurückneh­men können? – Wir haben bis heute keine Antwort bekommen.

Wir haben bis heute in der gesamten Debatte kein einziges Argument gehört, wieso das jetzt mit der Geldwäsche in Ordnung ist. Das ist traurig, dass auf Argumente, die hier vorgebracht werden, die im Ausschuss vorgebracht werden, inhaltlich null einge­gangen wird. Das Bild, das zeigt, wie Sie mit derartigen Fragen umgehen, zeigt sich aber der Öffentlichkeit eh.

Was wir jetzt vorliegen haben, ist auch eine Richtlinienumsetzung, und zwar geht es um Pensionskassen. Im Wesentlichen ist das in Ordnung, da sind auch positive Teile dabei, zum Beispiel mehr Information für Anleger, das heißt für jene, die später einmal eine Pension bekommen sollen. Das unterstützen wir.

Im Zuge dieser Richtlinienumsetzung wird aber wieder etwas gemacht, was nicht not­wendig ist, nämlich das Risiko für die Anleger erhöht. Bisher gab es Grenzen, die fest­legten, welches Risiko Pensionskassen eingehen durften. Zum Beispiel durften sie nicht mehr als 70 Prozent Aktien haben, sie durften nur einen sehr kleinen Anteil in Fremdwährungen haben. Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher wissen, Fremdwährungskredite, Fremdwährungsfinanzierungen, Fremdwährungsaktien und so weiter können auch ganz schön schiefgehen, können einen ganz schön viel Geld kos­ten. Das Risiko, das wir bisher begrenzt hatten, wird jetzt unbegrenzt aufgemacht: bis zu 100 Prozent Aktien, bis zu 100 Prozent Risiko – und das in einer Situation, in der das Risiko zu 100 Prozent von den Arbeitnehmern, von den Versicherten, zu tragen ist.

Es gibt auch ein paar allgemeine Probleme, die wir bei den Pensionskassen haben, die gar nicht angegangen werden. Die Situation heute ist: Der Arbeitgeber sucht die Pen­sionskasse aus. Die Pensionskasse entscheidet, wie viel Risiko bei der Veranlagung eingegangen wird, trägt selber null Risiko bei der Veranlagung, bekommt aber gesetz­lich determinierte, ganz fixe Sätze für die Verwaltungskosten. Ob das Risiko hoch ist, gering ist, ob sie gut veranlagt hat, ob sie gut gearbeitet hat oder schlecht, ist für sie egal, sie bekommt ihr Geld ganz sicher. 100 Prozent des Risikos tragen die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, ohne dass sie irgendeinen Einfluss darauf haben, ob risi­koreich veranlagt wird oder nicht. Dieses Problem wird gar nicht angegangen.


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Und noch ein letzter Satz: Wir diskutieren jetzt Materien aus dem Finanzausschuss, die eine betraf die vorige Debatte, die zweite ist jetzt die Frage der Pensionskassen, und die dritte wird ein Doppelbesteuerungsabkommen sein. Das, was wir hier im Plenum nicht diskutieren, ist die Frage von Steuergerechtigkeit, ist die Frage, ob internationale Konzerne ihre Steuern ordentlich bezahlen müssen oder nicht. Wieso? – Weil Schwarz und Blau diese Diskussion wieder einmal vertagt haben. Wir Sozialdemokraten werden nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass auch Konzerne ihre Steuern zu bezah­len haben, auch wenn ÖVP und FPÖ dieses Thema immer nur vertagen wollen. – Dan­ke schön.

13.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Angelika Winzig. – Bitte.


13.13.31

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Finanzminister! Kolleginnen und Kollegen! Neben der gesetzlichen Pensions­vorsorge ist die betriebliche Altersvorsorge ein wichtiges Standbein unserer Versor­gung, und wir haben auch im Regierungsprogramm Maßnahmen festgeschrieben, die den Ausbau fördern sollen.

Die aktuelle Novelle des Pensionskassengesetzes ist, wie Kollege Krainer schon an­geführt hat, eine Anpassung an eine EU-Richtlinie, sie regelt die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Im Wesentli­chen wird die grenzüberschreitende Tätigkeit unserer zehn Pensionskassen erleichtert, die Governance des Pensionsfonds gestärkt und die Information der Begünstigten ver­bessert; letzteres wurde ja bereits erwähnt.

Ja, wir haben im Ausschuss die quantitative Beschränkung für bestimmte Veranla­gungskategorien diskutiert. Fremdwährungen sind natürlich per se nicht böse, und die Erfahrungen der letzten Jahre haben auch gezeigt, dass es nicht notwendig ist, Be­schränkungen zu machen.

Die Pensionskassen sollen selber Leitlinien erstellen und gemäß der Struktur ihrer Ver­sicherungsrisikogemeinschaft die Rahmenbedingungen festlegen. Es wird ja von der FMA nicht nur die Einhaltung der qualitativen Veranlagungsvorschriften geprüft, son­dern auch die Einhaltung der erstellten Leitlinien überwacht. Es handelt sich bei dieser Umsetzung um eine Mindestharmonisierung, die sonstigen Verpflichtungen der Pen­sionskassen sind ja ausreichend im Pensionskassengesetz geregelt.

Wir haben im Ausschuss auch über den Vorwurf diskutiert, dass wir da angeblich Gold Plating machen. Auch das kann ich nicht nachvollziehen, denn es handelt sich hier um eine zeitgemäße Anpassung, die auf Praxiserfahrungen beruht. Die Einbindung von versicherungsmathematischen Erfordernissen im Zusammenhang mit dem Geschäfts­plan und den festgesetzten Zinssätzen beziehungsweise die Datenübermittlung im Zu­sammenhang mit dem Jahresabschluss hat nichts mit Gold Plating zu tun, sondern mit State of the Art beziehungsweise mit Hausverstand. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Über Letzteren und über die Fachexpertise verfügt unser Herr Finanzminister, Sie kön­nen diesem Entwurf also getrost zustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Rossmann. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.16.23

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir wer­den der Umsetzung dieser EU-Richtlinie mit Sicherheit nicht zustimmen. Ich werde gleich


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begründen, warum. Es steht ja auch einiges Positives drinnen, was die betriebliche Al­tersvorsorge betrifft – das will ich gar nicht von der Hand weisen –, aber es ist vor al­lem eines, das mir sagt: In diesem Fall kann und werde ich nicht zustimmen!, nämlich das Setzen eines weiteren Liberalisierungsschrittes.

Es ist ja nicht nur so, dass mit dem STS-Verbriefungsvollzugsgesetz, das wir unter dem vorigen Tagesordnungspunkt diskutiert haben, Liberalisierungen beschlossen wurden – Stichwort Dritter Markt –, nein, auch hier werden Liberalisierungsschritte der­art gesetzt, als die Veranlagungsvorschriften völlig aufgemacht werden. Bis jetzt gab es Grenzen: bei Aktienveranlagungen 70 Prozent, bei Veranlagungen in fremder Wäh­rung 30 Prozent. Das wird jetzt alles beliebig auf 100 Prozent erhöht, so, als gäbe es auf den Aktienmärkten und mit Währungen keinerlei Risiko.

Das Gegenteil ist natürlich wahr, wir haben es ja in der Geschichte oftmals erlebt: in der jüngeren Geschichte, Anfang der 2000er-Jahre, das Platzen der Dotcom-Blase mit der Folge, dass die Erträge von Aktien erbärmlich bis negativ gewesen sind. Noch schlimmer war es bei der Finanzkrise 2008. Dieses Risiko, das auf den Aktienmärkten vorhanden ist, wird nun auf die Versicherten beziehungsweise auf die potenziell An­spruchsberechtigten der Zukunft überwälzt. Dagegen wende ich mich natürlich sehr, denn es geht um Sicherheit für die potenziell Anspruchsberechtigten, für die künftig An­spruchsberechtigten, und da kann es nicht so sein, dass dieses Risiko gänzlich ein­seitig auf diese Personengruppe übertragen wird.

Ich bin ja generell kein Freund von betrieblicher Altersvorsorge und privater Zukunfts­vorsorge, weil ich ein Fan der ersten Säule der Pensionsversicherung, der staatlichen Pensionsversicherung, bin. Dabei soll es auch bleiben! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und wogegen ich im Besonderen bin, ist, dass diese zweite und diese dritte Säule auch mit steuerlichen Mitteln gefördert werden. Der Herr Finanzminister hat uns ja im Ausschuss zu verstehen gegeben, dass die zweite Säule – ist gleich betriebliche Altersvorsorge – ausgeweitet werden soll, ebenso die steuerliche Vorsorge dafür.

Eines verstehe ich ja im Zusammenhang mit dieser Umsetzung der EU-Richtlinie nicht: Die EU-Richtlinie sieht ja gar nicht vor, dass diese Schranken zur Gänze aufgehoben werden. Das ist ja nur eine Fleißaufgabe, eine Überanpassung, Frau Kollegin, die Sie mit dieser Vorlage vornehmen. Gold Plating nennt man das.

Im Übrigen: Immer dann, wenn es in anderen Bereichen zu Gold Plating kommen soll, kommt ein klares Nein von Ihnen. Jetzt haben wir aber auch den Finanzminister im Ausschuss erlebt, als er zu Gold Plating gemeint hat – ich habe ihn ja dazu befragt –: Na ja, wenn es richtig ist, dann machen wir Gold Plating. Dann habe ich – oder war es Kollege Krainer? – die Frage gestellt: Wer entscheidet darüber, was richtig ist?, und der Herr Finanzminister hat uns dann zur Antwort gegeben: Wir entscheiden, was rich­tig ist! Also (in Richtung Bundesminister Löger) Sie entscheiden, was richtig ist. (Ruf bei der FPÖ: Wir!)

Klarer, Herr Finanzminister, kann man Beliebigkeit nicht mehr zum Ausdruck bringen. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.) Nein danke zu diesem Gesetz! Wir werden mit Sicher­heit nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Haubner: Keine Überraschung!)

13.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Brückl zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.20.50

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Professor Rossmann, weil Sie jetzt so


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getan haben, als schafften wir die erste Säule unseres Pensionssystems ab: Also das tun wir definitiv nicht – nur damit das auch klargestellt ist –, wir stärken die zweite Säu­le! Darum geht es! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte auch nur ganz kurz auf dieses Argument, warum man dieses Gesetz, die Umsetzung dieser Richtlinie, hier ablehnt, eingehen. Es geht um den Wegfall der quan­titativen Grenzen: Auch schon bisher gab es, wie wir gehört haben, bei den Veranla­gungen eine Grenze von 70 Prozent für Aktien und Wertpapiere und maximal 30 Pro­zent bei Fremdwährungen. Neu ist eben, dass diese Grenzen fallen – und das tun sie aus guten Gründen! Die Entwicklung auf den Kapitalmärkten in den letzten Jahren hat gezeigt, dass diese Grenzen dem Ziel einer sicheren und Ertrag bringenden Veranla­gung ganz einfach entgegenstehen. (Abg. Krainer: Aber woher haben Sie das?)

Einerseits fallen unter diese 70-Prozent-Grenze Aktien und Unternehmensanleihen, die hier summiert werden, aber gerade diese sind es, die den Pensionskassen und damit auch den Arbeitnehmern die Erträge gebracht haben. Andererseits ist es so, dass Staatsanleihen von bester Bonität zwar sicher sind, aber keine Erträge abwerfen, eher noch belastend wirken. Gewinnbringende Anleihen, und das wissen wir alle, können durchaus wesentlich risikoreicher sein als gute Unternehmensanleihen. – Das ist hier berücksichtigt. Also so zu tun, als ob man das Pensionssystem völlig an den Abgrund fährt, ist überzogen und stimmt ganz einfach nicht. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Auch die Begrenzung der Fremdwährung hat sich als hinderlich herausgestellt, da dort, wo Gelder nicht in Euro veranlagt wurden und man sie sozusagen absichern musste, einfach auch Kurssicherungsgeschäfte wiederum zulasten der Erträge gegangen sind.

Schließlich waren die bisherigen Grenzen – das ist an sich das, was den Tatsachen, was der Realität am nächsten kommt – schlichtweg und ganz einfach nicht geeignet, Veranlagungsverluste wirksam zu verhindern. In Wirklichkeit dienten also diese Gren­zen tatsächlich nur der Beruhigung.

Jetzt wird zur Absicherung eine Selbstbindung eingeführt, und zwar durch die Imple­mentierung von schriftlichen Leitlinien – auch das sollte hier noch einmal erwähnt wer­den.

Zum Abschluss darf ich dann noch den römischen Philosophen Seneca zitieren, der gemeint hat, wir können zwar nicht den Wind bestimmen, aber wir können die Segel richtig setzen. (Abg. Noll: Wir wissen, wie er geendet hat!) – Das tun wir in diesem Fall, und deswegen bitten wir auch um Ihre Zustimmung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Rossmann zu Wort gemeldet. Ich nehme an oder, besser gesagt, ich setze voraus, dass Sie die Bestimmungen betreffend eine tatsächliche Berichtigung kennen. – Bitte.


13.23.55

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Ich kenne die Be­stimmungen.

Mein Vorredner, Herr Kollege Brückl, hat gemeint, ich hätte so getan, als würden Sie, nämlich die Oppositionsparteien, die erste Säule abschaffen wollen. – Ich habe das mitnichten gesagt!

Ich habe gesagt, ich bin ein Fan der ersten Säule, des staatlichen Pensionsversiche­rungssystems, und lehne die zweite und dritte Säule – insbesondere dann, wenn sie mit staatlichen Mitteln gefördert werden – ab. (Abg. Plessl: Das hat er gesagt!) Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Haubner: Das hat er aber nicht ...!)

13.24



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 92

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Greiner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.24.43

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Pensionskassengesetz ist ja einiges begrü­ßenswert (Ruf bei der ÖVP: Schau!), nämlich die ausgebaute Informationspflicht der Pensionskassen gegenüber den Leistungsberechtigten – das ist begrüßenswert. Äu­ßerst kritisch sehen wir als SPÖ-Fraktion hingegen die Liberalisierung der Veranla­gungsvorschriften.

Warum? – Das Budget ist sehr solide. Es wurde solide, mit Augenmaß und Weitblick von der SPÖ-geführten Vorgängerbundesregierung erstellt. Da war die Aufsicht effektiv und straff, die Veranlagungsvorschriften streng, und das hatte einen Effekt auf die Risi­koveranlagung großer Kapitalvolumina. Warum? – Weil sie weniger spekulativ veran­lagt wurden, wodurch das Risiko – sprich Verlustrisiko – sinkt.

Wir befinden uns auf einem Höchstniveau des Wirtschaftswachstums – wir alle wissen es –, die Experten behaupten aber durchgängig, bereits ab dem nächsten Jahr wird dieses hohe Niveau des Wirtschaftswachstums nicht gehalten werden können. Sehr geehrte Damen und Herren, genau jetzt, heuer, in der Zeit des höchsten Wirtschafts­wachstums – wir wissen, es wird sinken –, Veranlagungsvorschriften zu lockern, zeugt von wenig politischem Weitblick, um nicht zu sagen, es ist kurzsichtig. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Aktien ...!)

Veranlagte Kapitalvolumina bleiben nämlich nicht stabil, man will ja eine höhere Ren­dite. Das Risiko, Verlust zu schreiben, steigt. Ich stelle die Frage, vor allem an die Kol­legInnen (in Richtung ÖVP weisend) auf dieser Seite: Welche Lehren hat die schwarz-blaue Bundesregierung eigentlich aus der Finanzkrise gezogen? Welche Lehren hat sie gezogen? – Ich sehe keine.

Herr Finanzminister, Sie haben im Finanzausschuss gesagt – da ging es um die Öff­nung des Dritten Marktes, wo auch Inhaberaktien gehandelt werden können –, Sie er­warten sich keinen Boom, Sie erwarten sich ein Signal. Herr Finanzminister, was er­warten Sie sich von der Lockerung der Veranlagungsvorschriften: einen Boom, ein Si­gnal? – Wir erwarten uns ein höheres Risiko auf Verlust. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister Löger, mit der Lockerung dieser Veranlagungsvorschriften spielen Sie mit dem Kapital der Anleger. Da machen wir nicht mit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.27.36

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Also was da aus den roten Reihen zum Thema Pensionskassen kommt, das ist schon weit weg vom wirklichen Leben. Eine Pensionskasse hat nämlich das Interesse, ihren Kunden – ja, ihren Kunden – eine stabile, sichere Pension zu bie­ten, und hat sicher kein Interesse, das Geld irgendwie zu verjubeln – aber so stellen sie es dar. Es ist auch nicht so, wie Kollege Krainer es gesagt hat, nämlich dass der Arbeitgeber eine Pensionskasse aussucht und dass da Böses gemacht wird, sondern die Pensionskasse wird – fragen Sie einmal in Ihren Reihen, wo die Betriebsräte sit­zen, nach! – per Betriebsvereinbarung ausgesucht.

Nun, wir stehen der Gesetzesänderung grundsätzlich positiv gegenüber, es sind aber meiner Meinung nach zwei Fehler enthalten: ein Übersetzungsfehler und ein Denkfeh­ler. – Zum einen wurde der Begriff der Governance-Risiken unglücklich aus dem Eng-


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lischen mit Unternehmensführungsfaktoren übersetzt. Auch die Rechtsanwaltskammer hat bekrittelt, dass dieser Begriff einigermaßen unscharf ist.

Man muss sich sowieso fragen, inwiefern diese Begrifflichkeiten der ESG-Risiken ei­nen Zusatznutzen stiften, wenn man sich Folgendes überlegt: Wenn ein französischer Pensionsfonds umweltbewusst investieren will, dann ist für den ein Atomkraftwerk aus umweltpolitischer Sicht etwas Sinnvolles, für einen Österreicher oder für einen Deut­schen käme das nie infrage – aber so sind halt die Regeln. Jedenfalls ist Unterneh­mensführungsfaktoren für Governance kein guter Übersetzungsbegriff.

Dann geht es um die Kreditaufnahme durch Pensionskassen zur befristeten Liquidi­tätsstärkung. Da war ursprünglich vorgesehen, dass die einen Sechs-Monats-Puffer bekommen, jetzt ist aber ein Zwölf-Monats-Puffer drin, den hineinzunehmen die Wirt­schaftskammer gebeten hat – die FMA wollte aber den sechsmonatigen Puffer haben. Also wir sind da näher bei der FMA. Die Wirtschaftskammer kennt sich sicher mit di­cken Rücklagen aus, aber Liquidität ist vielleicht nicht ihre Expertise. – In diesem Sinne habe ich hiermit einen Abänderungsantrag eingebracht, der aufgrund seiner Länge nicht verlesen werden muss.

Wir tragen das Gesetz mit; betriebliche Altersvorsorge ist ein wesentliches Element der Altersvorsorge insgesamt. Und da Kollege Rossmann gesagt hat, er ist kein Freund der zweiten Säule, er ist kein Freund der betrieblichen Vorsorge, antworte ich ihm: Er nimmt aber schon, was er von der Arbeiterkammer kriegt! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf: Und das ist nicht so wenig!)

13.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (206 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird (324 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (206 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird (324 d.B.) angeschlos­sene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 2 (Änderung des Pensionskassengesetzes) Z. 24 wird § 14 Abs. 2 Z 1 wie folgt geändert:

„dürfen Kredite ausschließlich zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen der Veran­lagungs- und Risikogemeinschaft und auf vorsichtigem Niveau in der Veranlagungs- und Risikogemeinschaft für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten aufgenommen werden,"

In Artikel 2 (Änderung des Pensionskassengesetzes) Z. 42 wird § 21a Abs. 3 Z 9 wie folgt geändert:

§ 21a Abs. 3 Z 9 lautet: „ökologische, soziale und die Governance betreffende Risiken im Zusammenhang mit der Veranlagung des der Veranlagungs- und Risikogemein­schaft zugeordneten Vermögens."

In Artikel 2 (Änderung des Pensionskassengesetzes) Z. 43 wird § 22a Abs. 3 Z 8 wie folgt geändert:

§ 22a Abs. 3 Z 8 lautet: "soferne ökologische, soziale und die Governance betreffen-de Faktoren bei Veranlagungsentscheidungen berücksichtigt werden, eine Beurteilung


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von neu entstandenen oder zu erwartenden Risiken, unter anderem Risiken im Zusam­menhang mit dem Klimawandel, der Verwendung von Ressourcen und der Umwelt so­wie soziale Risiken und Risiken im Zusammenhang mit der durch eine geänderte Re­gulierung bedingten Wertminderung von Vermögenswerten."

In Artikel 2 (Änderung des Pensionskassengesetzes) Z. 47 wird § 25 Abs. 1 Z 9 wie folgt geändert:

§ 25 Abs. 1 Z 9 lautet: " im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht kann den möglichen langfristigen Auswirkungen der Veranlagung des einer Veranla­gungs- und Risikogemeinschaft zugeordneten Vermögens auf ökologische, soziale und die Governance betreffende Faktoren Rechnung getragen werden."

Begründung

Zu § 14 Abs. 2 Z 1:

Hier wird der Argumentation in der FMA-Stellungnahme gefolgt, in der die FMA bei der Kreditaufnahme durch Pensionskassen zur Vorsicht mahnt und folgende Formulierung vorschlägt.

Die FMA regt deswegen an, § 14 Abs. 2 Z 1 PKG wie folgt zu fassen: „1. dürfen Kredite ausschließlich zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen der Veranlagungs- und Ri­sikogemeinschaft und auf vorsichtigem Niveau in der Veranlagungs- und Risikoge­meinschaft für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten aufgenommen werden,“

Zu § 21a Abs. 3 Z 9, § 22a Abs. 3 Z 8 und § 25 Abs. 1 Z 9:

Die in der Regierungsvorlage (206 d.B.) gewählte Übersetzung von ESG (environmen­tal, social and governance) greift zu kurz. Wir teilen die Einschätzung der Österreichi­schen Rechtsanwälte*Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, dass der Begriff der "Unternehmensführungsfaktoren" lediglich einen Teilaspekt von „Governance-Fakto­ren“ abdecken.

Stellungnahmen der Österreichischen Rechtsanwälte*Österreichischer Rechtsanwalts­kammertag:

"Im Rahmen des Themenbereichs Risikomanagement wurde – der Richtlinie folgend –auf „ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Risiken“ Bezug genommen, dies in § 21a Abs. 3 Z 9, § 22a Abs. 3 Z 8, § 25 Abs. 1 Z 9.

In den Erläuternden Bemerkungen wird dazu darauf verwiesen, dass die dazu ange­führten Bereiche im Wesentlichen durch Artikel 25 der Richtlinie vorgegeben seien.

Dies wurde insofern richtig umgesetzt, als auch Artikel 25 Abs. 2 lit. b in der deutschen Übersetzung auf „ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Risi­ken“ Bezug nimmt.

Allerdings ist im Erwägungsgrund 58 ausgeführt: „Ökologische, soziale und Gover­nance-Faktoren nach Maßgabe der von den Vereinten Nationen unterstützten Grund­sätze für verantwortungsbewusstes Investment sind von großer Bedeutung für die An­lagepolitik und die Risikomanagementsysteme der EbAV“. Der Erwägungs-grund spricht in weiterer Folge zwar dann erneut von den „Unternehmensführungs-faktoren“, wobei „Unternehmensführungsfaktoren“ lediglich ein Teilaspekt von „Governance-Fak­toren“ sind, insbesondere dann, wenn ausdrücklich auf die entsprechenden Grundsät­ze der Vereinten Nationen (www.unpri.org) Bezug genommen wird.

Die PRI-Principles reflektieren hinsichtlich der Governance-Faktoren und den damit verbundenen Verpflichtungen zur Risikobeurteilung eine weitere Bandbreite von Ver­haltensmaßregeln. Insbesondere ist nach den PRI-Principles auch auf das Verhalten


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von beispielsweise Anleihe begebenden Verwaltungseinheiten, etwa Staaten, Länder oder Kommunen Bedacht zu nehmen. Bei den maßgeblichen PRI-Richtlinien wird aus­drücklich Wohlverhalten im Hinblick auf Korruption berücksichtigt, sodass bei Aus­schluss-Kriterienbasierten Risikomanagementsystemen die Veranlagung in Anleihen jener Staaten, die ein hohes Korruptionsniveau haben, nicht zulässig ist.

Es wird höflich angeregt, zu überlegen, hier anstelle des Begriffs „Unternehmensfüh­rungsfaktoren“ den weiteren und dem Verweis auf die Grundsätze der Vereinten Na­tionen näher kommenden Begriff „GovernanceFaktoren“ zu wählen, um auf diese Wei­se den ESG-Kriterien, die in diesem Zusammenhang des Risikomanagements als Standard anzusehen sind, in geeigneter Weise zu entsprechen."

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verteilte Antrag wurde in den Kern­punkten erläutert und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Einwallner zu Wort. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


13.30.26

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Finanzminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Grundlage für die Novelle des Pensi­onskassengesetzes ist eine EU-Richtlinie, und – meine VorrednerInnen haben es auch schon erwähnt – da gibt es durchaus positive Aspekte. Es kommt zu einer europäi­schen Mindestharmonisierung, und das ist gut und richtig, weil wir ja auch wissen, dass die Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigt, und damit braucht es auch möglichst gemeinsame Regeln.

Unser Kritikpunkt unterscheidet uns auch im Wesentlichen von den NEOS, denn im­mer, wenn Herr Loacker über Pensionen spricht, dann weiß man, was er vorhat: Er huldigt die Pensionsfonds und redet in der Öffentlichkeit eigentlich unser gutes staat­liches Pensionssystem eher schlecht. Ich glaube, das ist nicht sehr redlich, weil es na­türlich auch Ängste verbreitet, die nicht berechtigt sind.

Meine Damen und Herren! Dieses Lockern der Veranlagungsvorschriften ist, glaube ich, der Punkt, der wirklich zu kritisieren ist. Wir waren in den Neunzigerjahren, Herr Fi­nanzminister, bei einer Quote für Aktien, die die Pensionskassen haben veranlagen dürfen, von in etwa 30 Prozent, sind dann schrittweise auf 70 Prozent hinaufgegangen, und jetzt öffnen wir vollständig nach oben und man kann dann bis zu 100 Prozent in Aktien oder Fremdwährungen, was ich für noch viel, viel riskanter halte, veranlagen.

Genau das, was die Kollegin von der ÖVP gesagt hat, nämlich dass die FMA noch so viele Möglichkeiten hat, stimmt ja leider auch nicht. Bisher hatte sie nämlich auch die Möglichkeit, direkt einzugreifen und risikomindernd zu wirken; auch das fällt jetzt mit dieser Novelle weg. Was übrig bleibt, ist ein höheres Risiko für die Leistungsberech­tigten. Da wälzt die Bundesregierung alles auf die Leistungsberechtigten ab, und diese Richtlinie wird ein Risiko für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen, das wir nicht unterstützen werden.

Schwarz-Blau hat ganz eindeutig keine Lehren aus der Finanzkrise gezogen und nimmt dieses Risiko offenbar ganz bewusst in Kauf. Es ist wieder das gleiche Muster, wie wir es bei dieser Regierung in so vielen Fällen erleben: Das Risiko wird auf ganz viele verteilt, da müssen ganz viele mehr Risiko in Kauf nehmen, und ganz wenige werden davon profitieren. Diesen Weg unterstützen wir nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Was ist denn die andere Seite des Risikos?)

13.33



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Hanger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.33.11

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir debattieren das Pensionskassengesetz, und ich darf mich dem Großteil der Vorredner anschließen: Es ist ein gutes Gesetz. Es bringt bessere Regelungen bei der grenzüberschreitenden Übertragung von Pensionsrechten, es bringt verbesserte Informationspflichten, es bringt ein verbessertes Risikomanagement, es bringt mehr Ertragschancen, und am Ende des Tages bringt es auch mehr Kapital für unsere Wirtschaft. Das ist, glaube ich, das Allerwichtigste: Es schafft wieder Arbeitsplätze, und bei allen politischen Gestal­tungsaufgaben ist es immer wieder das Wichtigste, dafür Sorge zu tragen, dass Ar­beitsplätze geschaffen und erhalten werden.

Ich möchte aber auch insgesamt auf die Diskussion zum Pensionssystem eingehen. Klar ist auch, wir haben eine demografische Entwicklung, die so ist, wie sie ist, und wenn wir fünf, wenn wir zehn, wenn wir 20, wenn wir 30 Jahre nach vorne schauen, wird es so sein, dass die Anzahl der Pensionsbezieher tendenziell größer wird und die Anzahl der Beitragszahler tendenziell geringer. Das heißt, man wird auch darüber nachdenken, wie man ein Pensionssystem behutsam weiterentwickelt.

Ganz gar klar ist, und das möchte ich schon auch in aller Deutlichkeit sagen, in der ge­samtheitlichen Betrachtung der verschiedenen Säulen in unserem Pensionssystem wird die gesetzliche Pension immer die wichtigste Säule bleiben, gar keine Frage – sie ist über gesetzliche Beiträge finanziert, sie ist über das Steuersystem finanziert –, aber es macht auch durchaus Sinn, darüber nachzudenken, dass man die gesetzliche Pension mit der betrieblichen Pension, mit der sogenannten zweiten Säule, und mit der dritten Säule, mit der privaten Vorsorge, ergänzt. Das sagt einem doch ganz einfach der Hausverstand, und es ist auch im Regierungsprogramm vorgesehen, die zweite Säule zu stärken.

Angedacht ist, dass das neben der Betriebsausgabe für Unternehmen – Unternehmen können das ja jetzt schon machen, nämlich bis maximal 10 Prozent der Lohneinkünfte für eine freiwillige Sozialleistung verwenden und damit auch eine Betriebsausgabe gel­tend machen – auch für den Arbeitnehmer gelten soll. Das ist das große Ziel, weil, und darauf möchte ich explizit hinweisen, das ja eigentlich sogar nur eine Steuerverschie­bung und keine Steuervermeidung ist, denn wenn man in dieses System einzahlt und später eine höhere Pension bekommt, muss diese natürlich dann wieder besteuert werden, und das hilft dem Gesamtsystem in der Finanzierung insgesamt natürlich auch.

Einen Gedanken möchte ich auch noch loswerden, weil Kollege Krainer immer davon spricht, dass wir nicht dazu beitragen, Gewinnverschiebung zu vermeiden. – Ich halte hier ganz klar und dezidiert fest: Genau das Gegenteil ist der Fall! Unter der Feder­führung unseres Bundesfinanzministers werden im Ecofin-Rat – wir haben das ganz groß auf der Agenda der Ratspräsidentschaft – erste konkrete Maßnahmen eingeleitet. Österreich hat, ganz im Gegensatz zur Aussage des Abgeordneten Krainer, eine Füh­rungsrolle übernommen, und darauf bin ich durchaus ein bisschen stolz. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Linder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.36.11

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Die Änderung des Pen-


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sionskassengesetzes beinhaltet in erster Linie die Umsetzung einer EU-Richtlinie aus 2016. Wir haben heute schon einige wichtige Punkte gehört, wie Regelungen über die grenzüberschreitende Übertragung von bereits bestehenden Altersvorsorgezusagen oder die Benennung von Schlüsselfunktionen und Anforderungen an die Qualifikation von Vorständen und Personen, die diese Schlüsselfunktionen innehaben, oder die Ausweitung des Risikomanagements auch auf die Pensionskasse selbst samt einer ei­genen Risikobewertung oder die Anpassung der Informationspflichten der Pensions­kasse gegenüber den Leistungsberechtigten.

Meine geschätzten Kolleginnen, meine geschätzten Kollegen! Diese Punkte dienen in erster Linie der Sicherheit und der Transparenz gegenüber den Leistungsberechtigten.

Die andere Änderung, die heute mehrfach diskutiert wurde, ist der Wegfall der quanti­tativen Grenzen bei der Veranlagung. Es fällt die 70-Prozent-Begrenzung für Aktien und es fällt die 30-Prozent-Begrenzung für Fremdwährungen. Meine geschätzten Da­men und Herren! Es gibt diesbezüglich durchaus positive und negative Punkte. Wir wissen, in der Vergangenheit war aufgrund von unkontrollierten Veranlagungen die Ge­fahr sehr groß, dass Geld verloren geht, Werte vernichtet werden; wir wissen aber auch, dass die geplante Liberalisierung der Anlagebegrenzung den Menschen die Mög­lichkeit gibt, von der durchaus positiven Entwicklung der Finanzmärkte zu profitieren und an ihr teilzuhaben.

Geschätzte Damen und Herren! Nach wirklich verantwortungsbewusstem Abwägen der Punkte – auf der einen Seite mehr Kontrolle, mehr Transparenz, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit für die Begünstigten, an den Kapitalmärkten mitzuprofitie­ren – haben wir von den Regierungsparteien uns dazu entschlossen, dieser Neuord­nung zuzustimmen und sie auch umzusetzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Knes zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.38.57

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Man kommt sich fast vor, als hätte man ein Déjà-vu. 2003, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern, beschloss die damals ebenfalls schwarz-blaue Regierung hier in Österreich die sogenannte dritte Säule. Mit dieser drit­ten Säule wurde für die altersgerechte Pension unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer hier im Lande Österreich vorgesorgt. Kollege Loacker hat es angesprochen: Es wurden Betriebsvereinbarungen abgeschlossen.

Was ist dann passiert? – In der Zwischenzeit, von 2003 bis 2009, sind sage und schreibe, und das ist nachweisbar, genau 0,3 Prozent des Bruttogehaltes in diese so­genannte Pensionskasse geflossen, und dann ist natürlich in der sogenannten Finanz­krise alles in einer Seifenblase aufgegangen. – So.

Die EU hat das erkannt, aber auch Österreich hat das erkannt, und die Verschärfungen haben wir alle mitgetragen. Wir haben uns unisono dafür ausgesprochen, dass wir einen Deckel einziehen müssen, spekulativ maximal 30 Prozent zuzulassen. In den letzten Jahren ist es – dank der schwarzen Finanzminister – gelungen, das wieder suk­zessive auf 70 Prozent zu heben.

Jetzt kommt die EU und sagt: Bitte ratifiziert die Harmonisierung dieser Pensionskas­sen in euren Ländern. Wir sind mit einigen Details nicht zufrieden, aber überlassen es natürlich den Nationen, wie sie das gestalten. Da haben wir zwei Systeme: einmal das Schärfere – sprich A – oder B.

Nun stellt sich die gleiche Regierung wie damals wieder hier hin – nur 15 Jahre spä­ter – und erklärt uns die heile Welt und wie super das ist: Vorsorge für unsere Arbeit-


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nehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter, damit auch dementsprechend vorgesorgt wird. Was wird dann geschehen? (Zwischenruf des Abg. Zarits. Man macht die fi­nanzielle Blase wieder möglich – danke Herr Kollege – und man gibt jenen Speku­lanten wieder diesen Spielraum, den sie schon einmal hatten – nämlich das ganze Geld zu verspekulieren –, und dann spricht man von einer Pensionsvorsorge. (Abg. Za­rits: ... Bawag ... Gewerkschaften!) – Nicht die Gewerkschaft, nein!

Sie sprechen immer von Pensions- und Altersvorsorge. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie überhaupt, wie viel in diesem Topf drinnen liegt? – Pro Mitarbei­terin oder Mitarbeiter sind es derzeit zwischen 30 und 60 Euro. Erklären Sie mir, wie man mit dieser dritten Säule in der Pension überleben kann! Was ist damals von Karl-Heinz Grasser propagiert worden? – Er erklärte, in der dritten Säule dafür zu sorgen, dass zwei Drittel der Staat, ein Drittel der Arbeitnehmer beiträgt. Wo sind wir heute? – Ich möchte nur daran erinnern: ASVG-Bedienstete zahlen heute 90 Prozent ihrer Pen­sionen selbst, lediglich 10 Prozent Zuschuss kommen vom Staat. Dafür, Herr Finanz­minister, können wir uns jetzt bei Ihnen bedanken, damit Sie auch das letzte Tröpfchen unseres ersparten Geldes wieder den Finanzspekulanten zur Verfügung stellen. (Ruf bei der ÖVP: ... Bawag-Milliarden!) – Herzliche Gratulation dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

13.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Hanger hat sich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich nehme auch bei Ihnen an, dass Sie sich an die diesbezüglichen Bestimmungen halten werden.


13.42.08

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Kollege Knes, Sie haben gerade behauptet, dass das Geld, das in die Pensionskassen einbezahlt worden ist, den Bach hinuntergegangen ist. Ich habe es so verstanden.

Ich berichtige tatsächlich dahin gehend, dass die Pensionskassen österreichweit in den letzten zehn Jahren – es hat Jahre mit einer negativen Performance gegeben, das ist richtig (Abg. Knes: ... Finanzkrise!) – im Durchschnitt eine positive Performance von 5 Prozent gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Krainer: ... vollkommen falsche Zahlen! Ohne Inflation! – Abg. Wöginger: ... wie im Kommunismus!)

13.42

13.42.42


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 206 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich werde so vorgehen, dass ich zunächst über die vom erwähnten Abänderungsan­trag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen Teile des Gesetzentwurfes, die noch nicht abgestimmt wurden, abstimmen lasse.

Herr Abgeordneter Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 2 eingebracht. Wer hiefür stimmt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage, und ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hie­für sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenom­men.


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Schließlich komme ich zu Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage, und ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Geset­zentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

13.44.409. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (258 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung samt Protokoll (325 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Eßl das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.45.20

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Da­men und Herren! Herr Finanzminister! Wir diskutieren heute ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kosovo zur Beseitigung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung von Steu­erverkürzung und Steuerumgehung.

Warum machen wir das? – Weil es intensivere wirtschaftliche Beziehungen zwischen Österreich und dem Kosovo gibt und weil wir gewillt sind, diese wirtschaftlichen Bezie­hungen weiterzuentwickeln und die Zusammenarbeit in Steuersachen zu vertiefen. Die wirtschaftlichen Beziehungen – ich habe sie angesprochen – sind dergestalt, dass wir in den Kosovo Waren im Wert von 48,81 Millionen Euro exportieren. Bezogen auf das Jahr 2017 importieren wir auf der anderen Seite Waren im Wert von 10,99 Millionen Euro.

Die wichtigsten österreichischen Exportwaren waren 2017 Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge, aber auch Nahrungsmittel: Gemüse, Früchte, Getreide, Backwaren und Milcherzeugnisse. Österreichische Unternehmen zählen zu den bedeutendsten In­vestoren im Kosovo. Im Kosovo sind über 100 Unternehmen mit österreichischem Ka­pital registriert. Die wesentlichen Zahlungsflüsse sind einerseits Zinszahlungen im Zu­sammenhang mit Krediten österreichischer Banken an Unternehmen im Kosovo und andererseits Einlagen von im Kosovo ansässigen Personen bei österreichischen Ban­ken.

Ziel dieses Doppelbesteuerungsabkommens ist es also, den Ausbau der Wirtschafts­beziehungen zwischen Österreich und dem Kosovo sowie die Ausweitung der Amts­hilfe nach dem internationalen Standard in der steuerlichen Zusammenarbeit zu stär­ken. Der Abschluss kann als wesentliche Rechtsvoraussetzung zur Vertiefung der wirt­schaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und dem Kosovo angesehen werden und entspricht daher auch standortpolitischen Intentionen Österreichs.

Es hat zwei Verhandlungsrunden gegeben. Der Herr Finanzminister hat dieses Abkom­men am 8. Juni 2018 unterzeichnet und wir sollten hier im Parlament mit dem heutigen Beschluss dieses Abkommen auch entsprechend genehmigen.


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Wesentliche Inhalte dieses Abkommens betreffen den Informationsfluss. Derzeit kann man mangels einer entsprechenden Vereinbarung mit der Republik Kosovo keinen steuerlichen Informationsaustausch nach dem internationalen Standard durchführen. Durch die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in das Abkommen erfüllt Ös­terreich seine internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Standards und schafft darüber hinaus verlässliche Rahmenbedingungen für die Bürger in diesen bei­den Staaten, die wirtschaftliche Aktivitäten setzen, schafft steuerliche Transparenz und regelt gegenseitige Amtshilfe. Letztendlich ist es auch so, dass bei Nichtverwirklichung dieses Übereinkommens auch für die Wirtschaft negative Begleiterscheinungen vor­handen wären.

Zuletzt möchte ich noch auf die finanziellen Auswirkungen hinweisen: Wir rechnen mit steuerlichen Mindereinnahmen in der Höhe von 68 Millionen Euro pro Jahr, aber mit steuerlichen Mehreinnahmen in der Höhe von 232 Millionen Euro pro Jahr. Darum ist es auch aus diesem Grund ein gutes und ein wichtiges Abkommen. Ich ersuche um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Androsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.49.08

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Fi­nanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Doppelbesteuerungsabkommen wurde von meinem Vorredner, Abgeordnetem Eßl, sehr ausführlich dargestellt. Ich darf grundsätzlich anmerken, dass diese Doppelbesteuerungsabkommen wichtige Abkom­men sind, vor allem wenn es um den Informationsaustausch geht. Daher wird dieses Abkommen von uns befürwortet, vor allem auch deswegen, weil darin auch die An­rechnungsmethode verankert worden ist. Sie wissen, dass es der SPÖ vor allem um Steuerfairness, aber auch um Steuergerechtigkeit – nicht nur national, sondern auch international – geht, und daher glaube ich, dass es wesentlich ist, einen weiteren Schritt zu setzen. Das heißt, wir müssen uns intensiv mit dem Thema der digitalen Be­triebsstandorte auseinandersetzen. In der Europäischen Union gibt es diesbezüglich Überlegungen, die zu befürworten sind, die ein richtiger Schritt sind.

Wir haben derzeit die Ratspräsidentschaft inne, daher erwarte ich mir von Ihnen, Herr Finanzminister, und von dieser Bundesregierung, dass es in diesem Prozess auch Fortschritte auf internationaler Ebene gibt, dass es zu Verankerungen kommt, dass es zu Ergebnissen kommt. Ich wünsche mir, dass Sie uns im Dezember berichten kön­nen, welche Erfolge Österreich als vorsitzführendes Land in diesen Verhandlungen, diese zu verankern, erzielt hat, denn es ist auch wichtig, dass die digitalen Betriebs­standorte vor allem in diesen Doppelbesteuerungsabkommen verankert werden und auch dort verhandelt werden.

Kollege Hanger hat davon gesprochen, dass das Thema der Gewinnverschiebung auf der Agenda steht. Das ist schön zu hören, Herr Finanzminister. Es ist schön zu hören, dass das ein Thema ist. Sie haben heute von der Wahrnehmung gesprochen, was den Menschen in diesem Land vorenthalten wird. Meine Wahrnehmung ist, dass es gerade in diesem Bereich an der Schlagzahl fehlt. Hier fehlt das Tempo, so wie wir es bei die­sem Abkommen sehen. Manches geht sehr rasch, aber das Tempo in dem Bereich – wenn es um die Gewinnverschiebung geht, wenn es um die Bekämpfung dieser Ge­winnverschiebung geht – ist ein sehr, sehr langsames. Ich mache mir Sorgen, dass wir, wenn es nur auf der Agenda steht und es nur international verhandelt wird, den Blick auf das Nationale hintanstellen.

Die SPÖ hat im Ausschuss für Finanzen schon mehrmals einen Gesetzesvorschlag eingebracht, von dem man den Blick gerne abwendet und der immer wieder aufgrund


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der Stimmen von FPÖ und ÖVP vertagt worden ist. Daher fordere ich Sie heute auf, Herr Finanzminister: Schärfen Sie den Blick, wenn es darum geht, die Gewinnverschie­bungsbekämpfung in Angriff zu nehmen, dem Nationalrat im Parlament ein Gesetz vor­zuschlagen und diese Mehreinnahmen, die den Menschen in diesem Land auch zuste­hen, tatsächlich der Bevölkerung zukommen zu lassen! Da können wir ein starkes Zei­chen setzen. Stopfen wir diese Steuerschlupflöcher! Aktive Politik im Bereich der Ge­winnverschiebungsbekämpfung ist ein Gebot der Stunde und ein Gebot der Zeit, und daher würde ich mich freuen, wenn wir das Tempo erleben, das es in dieser Republik auch braucht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.52.26

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir werden diesem Doppelbesteuerungsabkommen zustimmen. Doppelbesteuerungsab­kommen bringen ja immer einen gewissen Fortschritt, sie orientieren sich an OECD-Musterabkommen, aber perfekt im Sinne einer Steuerbetrugsbekämpfung oder einer Vermeidungsbekämpfung sind sie natürlich keineswegs.

Etwas, das mich immer schon gestört hat – auch in der vergangenen Legislaturperio­de –, war, dass diese Abkommen immer bilateral abgeschlossen werden. Es vergeht kein Finanzausschuss, in dem nicht zumindest ein Doppelbesteuerungsabkommen auf der Tagesordnung steht. Das sind zeitintensive Verfahren für die Verhandler, das ist personalintensiv für alle Beteiligten, und ich sage daher das, was ich Ihrem Vorgänger, Herrn Finanzminister Schelling, auch immer gesagt habe: Setzen Sie sich bitte auf eu­ropäischer Ebene dafür ein, dass diese Abkommen multilateral und nicht bilateral ab­geschlossen werden! Ich weiß, dafür braucht es eine Ermächtigung, aber dafür können Sie sich im Zuge des Ratsvorsitzes einsetzen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Ebenso einsetzen können und müssen Sie sich im Zuge des Ratsvorsitzes für eine verstärkte Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung. Ich erwähne drei Bei­spiele: Beispiel 1, Schaffung von mehr Transparenz im Zusammenhang mit dem soge­nannten Country-by-Country Reporting, das heißt der Meldung von Daten. Diese Daten sollten auch der Öffentlichkeit und nicht nur den Finanzämtern zur Verfügung gestellt werden. Transparenz ist die stärkste Waffe in der Steuerbetrugsbekämpfung, das wis­sen wir. Da machen wir zu wenig Fortschritte. Ich fordere Sie daher auf: Setzen Sie sich dafür ein!

Beispiel 2: Machen Sie mehr Dampf bei der Digitalsteuer! Ich weiß ja nicht, was der letzte Stand ist, aber es scheint wohl so zu sein, dass sich das voraussichtlich bis Jah­resende nicht mehr ausgehen wird.

Machen Sie auch auf europäischer Ebene und im Zuge des Ratsvorsitzes mehr Druck bei der Umsetzung der gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, ein­schließlich Mindeststeuersätzen! Das könnte uns im Zuge der Steuerbetrugs- und Steuervermeidungsbekämpfung enorm nach vorne bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

13.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Stark. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.55.13

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe politikinteressierte Menschen hier auf


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der Galerie und zu Hause! Österreich ist ein exportorientiertes Land und mischt im glo­balen Handel, in der globalisierten Welt immer wieder sehr, sehr erfolgreich mit. Wir sind mit unseren Qualitätsprodukten wie Maschinen und Fahrzeugen, aber auch unse­rem Know-how gerade im Ausland enorm präsent. Unsere Exportwirtschaft ist so gese­hen ein echter Arbeitsplatzmotor.

Als Beispiel dafür möchte ich das viel umstrittene und auch sehr gefürchtete Abkom­men Ceta nennen, das erst vor Kurzem in Kraft getreten ist. Durch Ceta, meine Damen und Herren, sind die österreichischen Exporte im Vergleichszeitraum um sage und schreibe mehr als 15 Prozent gestiegen. Österreich hat daher deutlich stärker von Ceta profitiert als unser Partnerland Kanada. Das zeigt, wie wichtig die internationalen Märk­te für uns sind. Da werden echte und nachhaltige Jobs für die Menschen geschaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bösch.)

Aber auch die Oststaaten sind – wie wir heute schon gehört haben – für uns ein wich­tiger Partner (Abg. Rossmann: ... Doppelbesteuerungsabkommen, nicht ...!), in die­sem Fall der Kosovo, der hier zur Debatte steht. Mit dem Kosovo verbinden uns schon seit Jahren gute wirtschaftliche Beziehungen. Allein in den letzten zwei Jahren hat sich unsere Außenhandelsbilanz um 10 Millionen auf 49 Millionen Euro gesteigert. Das ist eine sehr, sehr erfreuliche Entwicklung.

Meine Damen und Herren, der gegenseitige Handel ist natürlich die beste Form der Entwicklungszusammenarbeit, denn er bringt dem Land und seiner Bevölkerung Wohl­stand. Gleichzeitig aber brauchen die Menschen und die Unternehmen, die in Öster­reich und auch in anderen Staaten tätig sind, Rechtssicherheit. Wir brauchen diese Rechtssicherheit, um die es bei diesem Gesetz, bei diesem Abkommen geht. Erwirt­schaftete Einkünfte sollen nicht einer steuerlichen Mehrfachbelastung in verschiedenen Staaten unterliegen. Ich möchte daher die Wichtigkeit dieses Doppelbesteuerungsab­kommens betonen und mich bei den verhandelnden Personen, die diese Abkommen erfolgreich zuwege gebracht haben, insbesondere beim Herrn Finanzminister, bedan­ken.

Es ist auch ein Stück Diplomatie, das uns – mit Einigkeit und Verständigung – etwas bringt; auch dieses Stück Diplomatie ist zu unterstreichen. Besonders erfreulich ist, meine Damen und Herren, dass es neben den üblichen Normen zur Festlegung der Besteuerungsrechte auch die Bestimmung des Principal Purpose Test enthält. Was ist dieser Test? – Mit diesem Test kann von den Finanzbehörden geprüft werden, ob bei bestimmten Gesellschaftskonstruktionen ein Abkommensmissbrauch vorliegt oder nicht, denn eines muss klar sein: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist auch gut, und bei Miss­brauch kann es keine Vorteile geben.

Abschließend möchte ich noch ein Thema ansprechen, das hier schon von anderen Rednern angesprochen wurde, das ist die Besteuerung der digitalen Wirtschaft. In­ternationale Konzerne wie Facebook, Google und andere müssen natürlich ebenso ei­nen Beitrag leisten wie unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mit der Umsetzung der Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt gesetzt.

Lieber Kollege Androsch und Herr Kollege Rossmann, wir sind auf einem guten Weg. Es braucht eine europäische Lösung, das ist unbestritten. An dieser Stelle möchte ich auch Finanzminister Löger danken, der im Rahmen der österreichischen Ratspräsi­dentschaft trotz schwieriger Verhandlungsprozesse mit den Mitgliedstaaten bereits ers­te wichtige Meilensteine für eine EU-weite Digitalsteuer erreicht hat. Weitere werden folgen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Angerer, Bösch und Kassegger.)

13.59



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Löger das Wort. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.59.16

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger: Frau Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal und zu Hause! Ich erlaube mir, auf die Aus­sagen, die jetzt im Zusammenhang mit wichtigen steuerlichen Themen getroffen wur­den, einzugehen. Wenn wir dieses Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Kosovo hoffentlich umsetzen, hat das aus meiner Sicht Signalwirkung für die konkrete Arbeit, die wir tätigen. Wir werden nach den Gesprächen, die ich in den letzten zwei Wochen auf internationaler Ebene führen konnte, in Bälde sehr bedeutsame Doppelbesteue­rungsabkommen auch mit China und dem arabischen Raum schließen können.

Dass ich noch einmal das Wort ergreife, hat damit zu tun, dass ich klarstellen möchte, dass es in den letzten Jahren – und ich glaube, da kann auch die SPÖ durchaus mit uns stolz sein – meinen Vorgängern in ihren Funktionen gelungen ist, Österreich auf europäischer Ebene zu einem Vorbild und Vorreiter hinsichtlich der Gesetzgebung zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Gewinnverschiebungsmaßnahmen zu machen. Ös­terreich hat in diesem Bereich eine führende Rolle in Europa. Das ist international an­erkannt. Ich hoffe, dass die Opposition dies auch bald zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir sind derzeit mitten in der Ratspräsidentschaft. Ich darf Ihnen berichten, dass es uns mit höchstem Engagement aller Beteiligten, auch unserer Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter auch auf Brüsseler Ebene, gelungen ist, beim letzten Ecofin-Rat unter unse­rem Vorsitz in einer einzigen Sitzung fünf wichtige Abschlüsse und Beschlüsse zu fas­sen, die über Jahre diskutiert wurden. Wir haben es mit unserem Beitrag, während un­serer Präsidentschaft, geschafft, innerhalb einer Sitzung fünf Beschlüsse für eine wei­tere Harmonisierung und Verbesserung der steuerlichen Grundlagen für Europa zu fas­sen. Das ist einmalig in der Geschichte der letzten Jahre. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Bereich der Digitalsteuer darf ich berichten: Wir haben beim informellen Ecofin in Wien ganz klar gezeigt, dass wir in der Lage sind, diese schwierige Diskussion zwi­schen Vertretern europäischer Länder mit unterschiedlichsten Meinungen in einen Aus­gleich zu bringen und beim Ecofin-Rat in Wien eine gemeinsame Verabschiedungsfor­mulierung zu treffen. Ja, auch ich kämpfe bilateral, nicht nur innerhalb Europas, son­dern auch auf OECD-Ebene, um eine Gesamtlösung für die Digitalsteuer zu schaffen. Wir haben das auch beim bevorstehenden Ecofin im November auf der Tagesordnung und sind in Diskussion zu einem unter unserer Präsidentschaft ausgearbeiteten tech­nischen Vorschlag. Ich baue darauf und auf ein persönliches Gespräch mit dem ameri­kanischen Finanzminister, dass wir die Möglichkeit haben, diese europäische Lösung auch im internationalen Rahmen global zu verankern. Das ist eine Erfolgsgeschichte, und ich gehe davon aus, sie wird gelingen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.02

14.02.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Ab­schluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 258 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wer dem die Genehmigung erteilt, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.


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14.02.5410. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungsvorla­ge (111 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden (290 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 363/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bessere Kontrollsysteme bei der Familienbeihilfe (291 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.03.42

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Die Indexierung der Familienbeihilfe ist ein Thema, das jetzt schon seit Längerem durch die politische Landschaft geistert – ob in Rechnungshofberichten, beispielsweise, oder bei der EU-Kommission. – Jetzt ist es so weit. In der letzten Sitzung des Familienausschusses hat die schwarz-blaue Mehr­heit die Indexierung der Familienbeihilfe, die ins Ausland geht, beschlossen; und was wir auch erfahren haben: Es wird die Indexierung des Familienbonus folgen.

An dieser Stelle möchte ich ein paar Dinge klarstellen, die ansonsten eher weniger nach außen getragen werden.

Erstens: Schwarz-Blau behauptet, dass durch die Indexierung 114 Millionen Euro ein­gespart werden, verschweigt aber, dass dies sowieso nicht mehr haltbar ist, weil es schon Sonderlösungen für Diplomatinnen und Diplomaten gibt und weitere Sonderfälle noch folgen werden. Das hat uns letzte Woche Bundesministerin Kneissl angekündigt. Schwarz-Blau erklärt, (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „Leistung“ müs­se sich wieder lohnen, indexiert aber genau bei jenen Menschen, die dadurch, dass sie arbeiten, ordnungsgemäß in unser Steuersystem einzahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Schwarz-Blau präsentiert bewusst nicht die aktuellsten Zahlen zur Familienbeihilfe, denn dann müsste man nämlich zugeben, dass sich die Auszahlungen von 2016 auf 2017 um 20 Millionen Euro verringert haben. Ich glaube, das ist schon ein wichtiger As­pekt, der durchaus auch betont werden muss. Außerdem verschweigt Schwarz-Blau, dass nicht einmal 30 000 Kinder die volle Familienbeihilfe beziehen und 96 000 Kinder nur Differenzzahlungen erhalten.

Der letzte Punkt ist, dass Schwarz-Blau behauptet, dass das Vorhaben EU-rechtskon­form ist, aber verschweigt, dass die Frage aufgrund des Brexits eigentlich obsolet ist, denn es hätte hierfür eine Verordnung geändert werden müssen. Aufgrund des Brexits ist das Ganze vom Tisch. Die EU-Kommission hat bereits mehrfach angemerkt, dass die Indexierung nicht haltbar ist und sie ein Verfahren gegen Österreich anstrengt. Das ist während der EU-Ratspräsidentschaft – (auf das Logo der österreichischen EU-Rats­präsidentschaft am Rednerpult weisend) da vorne klebt es im Übrigen drauf – eigent­lich ein Skandal und richtig, richtig arg. Es ist ausschließlich Stimmungsmache und kei­ne konstruktive Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Aspekt der Indexierung der Familienbeihilfe ist, dass es mehrheitlich um 24-Stunden-Pflegekräfte gehen wird, die ins Steuersystem einzahlen, weil sie arbeiten.


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Wir haben im Familienausschuss einhellig festgestellt, dass diese Arbeit physisch und psychisch wirklich anstrengend ist. Es wurde auch festgestellt, dass Familienbeihilfe kein Bestandteil eines Gehalts sein darf. In diesem Sinne freue ich mich so richtig auf den Support von Schwarz-Blau, wenn es um die Gehaltsverhandlungen im Sozialbe­reich geht. Da fordern wir wohl alle gemeinsam ein fettes Gehaltsplus in diesem Be­reich, und ich freue mich wirklich, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen und das gemeinsam unterstützen werden.

Zum Abschluss ist nur eines zu sagen: Schwarz-Blau behauptet, jedes Kind sei gleich viel wert, kürzt aber durch die Indexierung der Familienbeihilfe beinhart bei den Schwächsten in der Gesellschaft und verbaut dadurch Zukunftschancen und gesell­schaftliche Teilhabe. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.07.26

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Familienbeihilfe ist in Österreich ein wichtiges Instrument zur Entlastung von Familien mit Kindern. Es ist der Versuch und unser Wille als Gesetzgeber, Familien mit Kindern einen Teil der erhöhten Lebenshaltungskosten für ihre Kinder zu ersetzen. (Abg. Loacker: Das tun die anderen auch!)

Es gilt, dieses Instrument auch für die Zukunft abzusichern. Heute diskutieren wir nun die Indexierung dieser Familienbeihilfe für ausländische Arbeitnehmer in Österreich, deren Kinder aber nicht hier leben. Diese Diskussion hat ihren Ursprung nicht in Öster­reich; das war eine langjährige Forderung des Vereinigten Königreichs, also Großbri­tanniens. Die Europäische Kommission war es, die im Lichte der Brexit-Diskussion einen Vorschlag zu dieser Indexierung erarbeitet hat. Meine Damen und Herren, wenn ein Vorschlag von der Europäischen Kommission kommt, kann man doch davon aus­gehen, dass dieser europarechtskonform ist – was übrigens von verschiedenen Gut­achtern, auch von Herrn Professor Mazal, bestätigt wurde. (Abg. Gamon: Von anderen auch?!)

Dieser Vorschlag wurde dann den europäischen Staats- und Regierungschefs vorge­legt, die ihn einhellig gebilligt haben. Die damaligen österreichischen Verantwortungs­träger haben sich ebenfalls allesamt positiv zu diesem Vorschlag geäußert. Der da­malige Kanzler Faymann meinte, und ich zitiere, er sei offen dafür, über die Anpassung der Familienbeihilfe ins Ausland zu sprechen. Der damalige Sozialminister und heutige liebe Kollege Stöger hat gesagt, es sei bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit diesem Vorschlag auseinandersetzt. Unser ehemaliger Kanzler Kern hat den Vogel abgeschossen, indem er gemeint hat – ich zitiere ihn –: „Ich bin dafür, die Familien­beihilfe für Kinder, die nicht mit den Eltern nach Österreich gekommen sind, auf das lo­kale Niveau in Bulgarien, Rumänien und Ungarn zu reduzieren“.

Meine Damen und Herren, unser Vorschlag ist davon weit entfernt. Wir stehen für Fair­ness und Gerechtigkeit in diesem System. Wie wird unser Vorschlag funktionieren? – Anhand eines Eurostat-Index wird die Familienbeihilfe für ausländische Arbeitnehme­rInnen angepasst.

Nehmen wir zum Beispiel Rumänien: Derzeit ist es so, dass eine rumänische Arbeits­kraft, die hier in Österreich arbeitet, deren Kinder aber in Rumänien leben, mehr als das Sechsfache der rumänischen Familienbeihilfe ausbezahlt bekommt. Entsprechend unserem Vorschlag wird es in Zukunft immer noch mehr als das Dreifache der rumäni­schen Familienbeihilfe sein. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, das


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ist, wenn Sie wollen, immer noch das Dreifache dessen, was Ihr ehemaliger Kanzler Kern gefordert hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir stehen zur sozialen Verantwortung, aber wir stehen genauso für ein Mehr an Ge­rechtigkeit in diesem System.

Wenn derzeit über die Medien schon der Pflegenotstand ausgerufen wird, dann schau­en wir uns doch einmal an, wie es in Wirklichkeit funktioniert: Eine 24-Stunden-Pfle­gekraft mit entsprechender Ausbildung bekommt hier – und das variiert natürlich – et­was über 2 000 Euro ausbezahlt. Kost und Logis beziehungsweise Fahrtkosten sind in diesem Betrag nicht inkludiert. Kommen wir nun auf rumänische Verhältnisse zurück: Dort beträgt das Durchschnittseinkommen circa 700 Euro, das heißt, die PflegerInnen bekommen für ihre wertvolle Arbeit, die sie hier bei uns leisten, für rumänische Verhält­nisse ein absolutes Spitzengehalt. Keine der Pflegerinnen, mit denen ich gesprochen habe, meinte, dass sie aufgrund der Indexierung nicht mehr hier bei uns arbeiten wird. Den Pflegenotstand, der verkündet wird, meine Damen und Herren, kann ich beim bes­ten Willen nicht erkennen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Praktiken, die manche Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Familienbeihilfe an den Tag legen, sind – gelinde gesagt – auch abenteuerlich. Manche Mitgliedstaaten ziehen ganz bewusst oder unbewusst derart niedrige Einkommensgrenzen ein, dass eine Arbeitnehmerin, die hier in Österreich arbeitet, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Familienbeihilfe des jeweiligen Mitgliedstaates umfällt. Ehr­lich gesagt halte ich das für eine Zumutung.

Andere Mitgliedstaaten wiederum behandeln die Familienbeihilfe, die von uns bezahlt wird, als Lohnbestandteil, und folglich wird die Familienbeihilfe dann auch besteuert. Der jeweilige Staat schneidet an der von Österreich bezahlten Familienbeihilfe mit. – Das geht so nicht.

Wir erwarten uns von dieser Maßnahme, dass es rund 100 Millionen Euro jährlich sein werden, die wir in Zukunft für die heimischen Familien zur Verfügung haben. Dieses Geld wird im System bleiben. Wir unterstützen damit Familien mit Kindern. Nach dem großartigen Beschluss des Familienbonusses ist dieser Beschluss eine weitere wichti­ge familienpolitische Weichenstellung, die einmal mehr zeigt: Diese Koalition, diese Regierung, diese Familienministerin stehen an der Seite der österreichischen Familien. Auf uns ist Verlass. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Bernhard. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.12.40

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich folge dem Ar­gument meines Vorredners, Herrn Kollegen Siebers, für einen Moment und sage, dass diese Initiative tatsächlich eine Frage der Gerechtigkeit oder der Fairness ist, dass wir Kindern, deren Eltern in Österreich arbeiten, die aber im Ausland leben, eine geringere Familienbeihilfe zuteilwerden lassen als den Kindern, die in Österreich leben.

Dem müsste man dann aber weiter folgen und sagen: Es gibt einen Unterschied zwi­schen der Ostslowakei und dem Westen, denn im Großraum Bratislava sind die Le­benshaltungskosten deutlich höher als beispielsweise im Großraum Wien; in Wien ist es deutlich teurer als in Oberkärnten, und in Südwestfrankreich ist es deutlich teurer als im Elsass. All diese unterschiedlichen Regionen, diese unterschiedlichen Lebens­haltungskosten finden sich nicht wieder. Warum finden sie sich nicht wieder? – Weil wir gemeinsame europäische Richtlinien, gemeinsame europäische Spielregeln vereinbart


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 107

haben; weil wir eben genau diese Diskussion hintanstellen und eine gemeinsame Lö­sung voranstellen wollten.

Es gibt zwei ganz grundsätzliche Bereiche, weshalb die vorgelegte Fassung der In­dexierung der Familienbeihilfe schlicht nicht europarechtskonform ist.

Der erste Punkt ist die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Si­cherheit. Was steht da drinnen? Was betrifft die Familienbeihilfe? – Der erste Teil ist: Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat woh­nen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates – so weit ist ja alles gut –, „als ob“ die Familienangehörigen „in diesem Mitgliedstaat wohnen würden“. Das bedeutet ganz, ganz konkret: Wir müssen Kinder, die in Rumänien leben, genauso behandeln wie jene, die in Österreich leben. Das ha­ben Sie, die ÖVP – bei der FPÖ bin ich mir nicht so sicher –, jedenfalls bisher immer mitgetragen.

Der zweite Punkt, ebenfalls europarechtlich relevant – noch relevanter, will man sagen, nämlich Primärrecht betreffend –, ist die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit. Dort ist klar festgehalten, dass sämtliche offenen und versteckten Diskriminierungen von Arbeitneh­merInnen aus anderen Mitgliedstaaten verboten sind. Das heißt also, Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer müssen in Österreich genauso behandelt werden, als wären sie Österreicher, wenn sie Unionsbürger oder -bürgerinnen sind. All das berücksichtigen Sie nicht.

Was passiert dadurch? – Da Sie das nicht berücksichtigen, schicken Sie ein Gesetz auf den Weg, das judiziert, beeinsprucht werden wird; es wird eine europarechtliche Auseinandersetzung darüber geben, wer recht hat. Damit bringen Sie uns auch in die Gefahr – jetzt unabhängig vom Gedanken der Fairness –, dass wir als Republik Öster­reich sehr hohe Nachforderungen für Kinder vor allem aus südosteuropäischen Staa­ten haben werden. Es ist europarechtlich jedenfalls extrem schwach – das ist das Ein­zige, was mir, ohne einen Ordnungsruf zu riskieren, dazu einfällt.

Ein anderer zentraler Punkt, der sehr wichtig ist: Es ist auch aus ostösterreichischer Sicht wirklich eine schwierige Situation. Wir wissen, dass gerade im Bereich der häus­lichen Pflege, der häuslichen Betreuung, um konkret zu sein, der 24-Stunden-Betreu­ung, sehr viele Menschen aus Rumänien, aus Ungarn, aus der Slowakei, aus Kroatien kommen. Insgesamt arbeiten 45 234 Menschen in dieser häuslichen Betreuung. Von diesen mehr als 45 000 sind in Summe nur 100 österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Genau da wiederum setzen wir an. Der Großteil dieser Mitarbeite­rInnen sind Frauen, die genau jene Ansprüche haben.

Wir wissen nicht, wie sich das auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Wir wissen nicht, ob diese PflegerInnen, BetreuerInnen in Zukunft lieber in Deutschland als in Österreich oder in Italien statt in Österreich arbeiten, weil – und das ist jetzt vielleicht auch eine falsche Interpretation – die Familienbeihilfe als Teil des Gesamteinkommens der Fami­lie betrachtet wird. Wir haben die Familienministerin an mehreren Punkten aufgefor­dert, vorher eine Studie zu machen und herauszufinden, welche Auswirkungen das Ganze hat. Das haben Sie nicht gemacht. Das heißt, wir haben einerseits die Proble­matik, dass die Indexierung europarechtlich nicht halten wird, andererseits riskieren Sie, dass die Älteren in unserer Gesellschaft künftig schwieriger eine Betreuung be­kommen werden.

Ein weiterer Punkt – und das ist für mich der zentrale –, weshalb wir diese Indexierung ablehnen: Es ist ein Angriff auf die gemeinsamen europäischen Werte. Es ist ein An­griff auf Europa (Ruf bei der FPÖ: Ist es nicht!), wenn Sie in der Zeit, in der Sie die Ratspräsidentschaft innehaben, nicht einmal fähig sind, eine europäische Lösung anzustoßen. Das hätten wir von Ihnen erwartet. Wir sind strikt dagegen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.17



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 108

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mühlberghuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.17.44

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher auf der Besu­chergalerie! Ab 1.1.2019 soll die Familienbeihilfe künftig nach der Kaufkraft jenes Lan­des, in dem das Kind wohnt, indexiert werden. Das ist fair und auch gerecht, denn die österreichische Familienbeihilfe ist eine Sozialleistung und soll den Eltern Teile der Le­benshaltungskosten für ihre Kinder ersetzen. Diese Kosten variieren in jedem Mitglied­staat der EU, daher soll auch die Familienbeihilfe und auch der Familienbonus Plus an die Lebenshaltungskosten in diesen Ländern angepasst werden. Für Kinder, die in Ru­mänien leben, bedeutet dies eine deutliche Reduktion, und für Kinder, die in Dänemark oder in der Schweiz leben, gibt es um einiges mehr an Familienbeihilfe. Es ist eine An­passung nach oben und nach unten.

Diese Anpassung entspricht einer Gerechtigkeit für Kinder in Österreich. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Es ist eine neue Gerechtigkeit in Europa (Abg. Loacker: ... eine alte Gerechtigkeit, wenn das die neue ist!), denn alle Kinder werden gleich behandelt, unabhängig davon, woher sie kommen. Es kommt immer darauf an, wo die Kinder le­ben.

Der Kritik der Opposition, wonach der Gesetzentwurf dem EU-Recht widersprechen soll, kann ich wenig abgewinnen, denn es gibt zwei entsprechende Gutachten, aus de­nen ganz deutlich hervorgeht, dass der Indexierungsentwurf europarechtskonform ist; selbst die EU passt die Gehälter ihrer Beamten an das ortsübliche Niveau an, oder bei Auslandsdienstreisen werden die Diäten jeweils verschieden berechnet und vergütet. Auch da gibt es eine Anpassung an die jeweiligen Länder.

Wenn ich immer wieder das Argument höre, es tritt ein Pflegenotstand ein, weil die Pflegekräfte aus den östlichen EU-Staaten ausbleiben, so kann ich dem genauso we­nig abgewinnen. Zum einen verdienen die Pflegerinnen aus den östlichen EU-Mitglied­staaten ohne Familienbeihilfe in Österreich noch immer mehr als in ihrem Heimatland. (Abg. Bernhard: Zur Sache!) Zum Zweiten: Zwei Drittel der Pflegerinnen, die nach Ös­terreich kommen, sind über 50 und haben in ihrem Heimatland keine Kinder mehr zu versorgen.

Die Auszahlung der Familienbeihilfe darf zu keiner Verzerrung am Arbeitsmarkt führen, denn sie ist kein Gehaltsbestandteil, sondern eine Sozialleistung, die Lebenshaltungs­kosten zum Teil abgelten soll. Daher sind wir auch überzeugt, dass der Gesetzentwurf weder diskriminierend noch europarechtswidrig ist.

Diese Regierungsvorlage betreffend die Indexierung der Familienbeihilfe dient der Ge­rechtigkeit in Österreich und Europa. Die eingesparten über 100 Millionen Euro ver­wenden wir für Sozialleistungen für Kinder in Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.21.38

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, selbstverständ­lich steht die Familienbeihilfe allen Menschen, die in Österreich legal arbeiten und ihre Steuern zahlen, in gleichem Maße zu, und wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass das Preisniveau und damit natürlich auch die Kaufkraft in unterschiedlichen euro-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 109

päischen Ländern unterschiedlich ausgeprägt sind. Um sicherzustellen, dass die jewei­ligen Gruppen, Eltern, Familien den gleichen Grad an Unterstützung erhalten, ist es na­türlich nachvollziehbar, mittelfristig auf europäischer Ebene eine gemeinsame Lösung zu finden. Ihr Vorschlag bedeutet aber nicht, einen europäischen Weg zu gehen, son­dern alleine vorzupreschen und dementsprechend auch ein Vertragsverletzungsverfah­ren zu riskieren.

Der von Ihrer Regierung und von Ihnen als Regierungsfraktionen eingeschlagene Weg ist aus meiner Sicht aus zwei besonders groben Gründen äußerst problematisch und auch kurzsichtig: Sie wollen die Indexierung heute beschließen, Sie wollen heute eine Entscheidung treffen, die weitreichende Folgen hat. Und ja, es ist schon mehrmals erwähnt worden, wir reden da unter anderem auch von der 24-Stunden-Betreuung. Welche Gruppen treffen Sie denn mit dieser Maßnahme? – Sie treffen auf der einen Seite Menschen, die in der Pflege, in der 24-Stunden-Betreuung tätig sind, und natür­lich andererseits auch Menschen, die im Tourismus, in der Gastronomie tätig sind.

Wir haben gemeinsam mit der Organisation Altern in Würde eine Studie gemacht. Von Schwarz-Blau wird behauptet, dass es keine Auswirkungen haben werde, Kollegin Mühl­berghuber hat erwähnt, sie könne dem nichts abgewinnen, dass entsprechende Aus­wirkungen oder Befürchtungen in den Raum gestellt werden, PflegerInnen und Betreu­erInnen würden nicht mehr nach Österreich kommen. – Es geht nicht darum, ob Sie dem etwas abgewinnen können oder nicht. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das heißt, wir reden da über Zahlen und nicht darüber, ob man dem subjektiv etwas abge­winnen kann. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Bei dieser konkreten Befragung zusammen mit der Organisation Altern in Würde, die in Österreich tätig ist, wurden 1 400 PersonenbetreuerInnen kontaktiert und befragt, wie sie – konfrontiert mit den aktuellen Zahlen der Indexierung – ihre weitere berufliche Zukunft einschätzen. Würden sie weiterhin nach Österreich kommen? Würden sie in ein anderes europäisches Land gehen und dort ihre Betreuungstätigkeit anbieten? – 30 Prozent der Befragten haben gesagt, sie würden ihre Tätigkeit als Personenbetreu­erInnen in Österreich einstellen, wenn ihnen die Familienbeihilfe gekürzt wird. Wir re­den also sehr wohl über Fakten, wir reden über Zahlen, die wir eigentlich auf ein­fachste Art und Weise erheben könnten, auch durch das Ministerium, Frau Ministerin.

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Kollege Bernhard hat von 45 000 BetreuerInnen ge­sprochen. Nein, wir reden von 45 000 Betreuungsfällen. Seit 2010 hat sich die Anzahl an BetreuerInnen, die aus dem osteuropäischen Raum nach Österreich kommen, ver­doppelt, und das ist gut so, das ist positiv, weil dadurch ältere Menschen in Österreich, die genau auf diese BetreuerInnen angewiesen sind, eine entsprechende Unterstüt­zung erfahren.

Sie sagen, Sie wollen die Indexierung der Familienbeihilfe durchdrücken, komme was wolle, egal ob auf europäischer Ebene ein Vertragsverletzungsverfahren gegen uns eingeleitet werden wird oder nicht. Ich spreche von einem Gehaltsbestandteil, weil eine Entlohnung von ungefähr 2 Euro pro Stunde für eine 24-Stunden-Betreuerin in keinster Weise einer Bezahlung entspricht und Österreicher oder Österreicherinnen daher auch überhaupt nicht in dieser Berufssparte tätig sind. Wir müssen sehr wohl darüber reden und uns auch Gedanken darüber machen, wie die Bezahlung ausschaut. Die Fami­lienbeihilfe ist also eine Art Gehaltsbestandteil. Wenn Sie diese indexieren, ist es am Ende des Tages egal, ist es wurscht, ob Sie sagen, es ist ein Gehaltsbestandteil oder nicht. Wenn die BetreuerInnen nicht mehr kommen, den langen Weg nicht mehr auf sich nehmen, keine 24-Stunden-Schichten mehr bei uns schieben und dabei über Wo­chen getrennt von ihren Familien sind, dann frage ich mich, wer das am Ende zu ver­antworten hat. Das sind dann Ihre Fraktionen, die das zu verantworten haben!


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Sie könnten aber auch einen anderen Weg beschreiten. Sie könnten endlich für die dringend notwendige Aufwertung von Pflegetätigkeiten und Sozialberufen sorgen; dann gäbe es da keinen Unterschied mehr. (Beifall bei der Liste Pilz.) Für 800 Euro im Mo­nat ist es kaum möglich, auf dem österreichischen Markt Fachkräfte zu gewinnen, die sich einen Job in der 24-Stunden-Betreuung vorstellen können.

Wenn Sie diese Indexierung vornehmen wollen, dann machen Sie es bitte auf eine verantwortliche Art und Weise, und das heißt: europäischer gemeinsamer Weg, kein alleiniger Vorstoß, kein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Stellen Sie die Pflege und die Sicherung der Sozialberufe in Österreich endlich auf nachhaltige Beine! Es braucht eine Bezahlung, von der man leben kann. Ein Stundenlohn von 2 Euro ist das bei Wei­tem nicht. Da auch noch draufzuhauen und zu kürzen, auf Personen hinzuhauen, auf die wir angewiesen sind, ein Sozialsystem und die Pflege unserer älteren MitbürgerIn­nen auf dem Notstand, auf der Notsituation von ärmeren europäischen Ländern und deren Bevölkerung aufzubauen, finde ich wirklich schäbig. Das ist wirklich nicht nach­haltig, und so hoffe ich auch, dass es da von Ihrer Seite Schritte gibt, obwohl es nicht danach ausschaut. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

14.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesminis­ter. – Bitte, Frau Bundesminister.


14.27.09

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt
Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Frau Präsidentin! Liebe Österreicherinnen! Liebe Österreicher! Hohes Haus! Dieser Bundesregierung sind Familien besonders wichtig. (Abg. Lueger: Ha, ha!) Familien sind der erste Bezugspunkt für Kinder, Familien ver­mitteln Werte, Familien erziehen, und deshalb hat die Bundesregierung gleich einmal ganz am Anfang ihrer Amtszeit den Familienbonus beschlossen. Der Familienbonus gibt den Eltern und den Kindern bis zu 1 500 Euro pro Kind und Jahr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nehmen wir eine Familie mit zwei Kindern: Wenn ein Elternteil 2 300 Euro brutto ver­dient, so bleiben dieser Familie am Ende des Jahres 3 000 Euro mehr. (Zwischenruf der Abg. Lueger.) Das ist ein Gehalt, das ist mehr als ein Gehalt, das kann ein Urlaub sein, das kann eine dringend notwendige Waschmaschine sein. Sie sehen, wir tun wirk­lich etwas für Familien. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weiters ist dieser Bundesregierung vor allem Gerechtigkeit sehr wichtig, und damit komme ich zu all unseren Familienleistungen. Österreich nimmt 10 Prozent des Bud­gets für die Familienleistungen in die Hand, diese sind extrem treffsicher in Österreich. Darauf bin ich wirklich stolz. Einen großen Teil dieser Familienleistungen stellt die Fa­milienbeihilfe dar. Die Familienbeihilfe dient dazu, und darauf möchte ich hier Wert legen, einen Teil der Lebenshaltungskosten für die Kinder zu ersetzen. Genau darum geht es bei der Indexierung der Familienbeihilfe.

Die Lebenshaltungskosten sind in Europa – und ich glaube, da werden Sie mir alle zu­stimmen – extrem unterschiedlich. Wir leben in einem Land, in dem das Leben im Ver­gleich zu anderen Ländern in Europa relativ kostspielig ist, während die Lebenshal­tungskosten in anderen Ländern, die heute schon genannt wurden – Rumänien, Slo­wakei –, wesentlich geringer sind. Deshalb haben wir gesagt, wir indexieren die Fami­lienbeihilfe.

Ich darf Ihnen einige Beispiele nennen: Wir exportieren derzeit circa 250 Millionen Euro an Familienbeihilfe. Im Jahr 2002 haben wir für 1 500 Kinder Familienbeihilfe expor­tiert, inzwischen exportieren wir für 130 000 Kinder Familienbeihilfe. Und mit dieser In­dexierung würden wir sehr wohl 100 Millionen Euro einsparen, die wir dann für andere


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Familienleistungen in Österreich verwenden könnten, die ja von allen hier gefordert werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte auf einige Dinge eingehen, die von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen erwähnt wurden. Die Europäische Kommission hat den Briten die Indexierung der Fa­milienleistungen angeboten, und alle Mitgliedstaaten haben dem zugestimmt. Was für die Briten recht und gut ist, muss auch für Österreich recht sein. Das ist für mich ganz klar. Es geht auch darum, dass wir ein Gutachten von Professor Mazal haben – es wurde bereits erwähnt –, dieses Gutachten sagt ganz klar: Wir exportieren mit der Fa­milienbeihilfe einen Wert, und dieser entspricht keinem Gehaltsbestandteil.

Um auf die PflegerInnenthematik zurückzukommen, die hier erwähnt wurde, darf ich Ihnen hier ganz klare Zahlen nennen: Ganz viele PflegerInnen, um nicht 75 Prozent der PflegerInnen zu sagen, sind in einem Alter über 50 beziehungsweise liegt das Durchschnittsalter aller in Österreich arbeitenden PflegerInnen bei über 50 Jahren. Da können Sie sich jetzt wahrscheinlich schon selbst ausrechnen, wie viele dieser Pflege­rInnen überhaupt noch Kinder haben, die eine Familienbeihilfe beziehen würden. Da sprechen wir von weniger als 25 Prozent der in Österreich tätigen PflegerInnen, die aus dem Osten kommen. Das heißt, es trifft sehr wenige PflegerInnen. (Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Außerdem wurde auch schon erwähnt, dass diese PflegerInnen in ihren Herkunftslän­dern wesentlich weniger verdienen würden. Das heißt, mit dem, was sie hier verdie­nen, sind sie weit über dem Durchschnittslohn, den sie in ihren eigenen Ländern erhal­ten würden.

Als Beispiel für die Familienbeihilfe – weil Sie immer von Gerechtigkeit sprechen – darf ich einige Länder erwähnen: Rumänien wurde schon erwähnt. Ich darf Ungarn erwäh­nen; wir exportieren fast 50 Prozent unserer Familienbeihilfe nach Ungarn. Ungarn zahlt sage und schreibe 39 Euro Familienbeihilfe an die eigenen Familien. Wir zahlen 170 Euro, das heißt, wir exportieren fast das Fünffache. Was auch schon erwähnt wurde: Mit der Indexierung sind wir noch immer weit über dem Wert, der in Ungarn selbst bezahlt wird, denn wir werden in Zukunft nicht 39 Euro nach Ungarn exportieren, sondern wir werden circa 100 Euro nach Ungarn exportieren, also noch immer das
2,5-Fache von dem, was Ungarn selbst bezahlt.

Ich darf hier noch Lettland als zweites Beispiel nennen: Lettland zahlt 11 Euro Fami­lienbeihilfe. Wir exportieren derzeit das 15-Fache der Familienbeihilfe, die in Lettland ausbezahlt wird, und in Zukunft wird es mit Eurostat-Indexierung noch immer das Zehnfache sein. Bitte, was ist da unfair? (Zwischenruf der Abg. Lueger.) Die eigenen Länder zahlen viel, viel weniger.

Ich habe schon gesagt, es geht um den Export eines Werts. Es geht darum, dass das kein Lohbestandteil ist, und es geht uns dabei um Gerechtigkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir haben das Gutachten von Professor Mazal, weil dieser Bundesregierung Rechtskonformität extrem wichtig ist, und wir zählen darauf.

Ich darf zusammenfassen: Wir indexieren nach dem Eurostat-Index, das heißt wir ex­portieren noch immer viel, viel mehr, als diese Länder selbst an Familienbeihilfe aus­zahlen. Mit dieser Indexierung passen wir die Zahlungen an die Lebenshaltungskosten in diesen Ländern an, und mit dieser Indexierung behandeln wir auch alle Kinder gleich. Es kommt nur darauf an, wo sie wohnen, nicht darauf, woher sie kommen. Des­halb darf ich Sie um Zustimmung bitten, denn es geht um Fairness. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 112

14.35.26

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich war unlängst in der Slowakei auf einem Podium zum Thema Familienpolitik und habe erwartet, dass man sich dort wegen der Indexierung bei mir gehörig beschwert. Die Aufregung war groß, aber nicht negativ, sondern positiv, weil die Leute dort nicht gewusst haben, wie hoch die österreichische Familienbeihilfe für die Kinder ist, die in der Slowakei leben: dass sie derzeit siebenmal so hoch ist wie die Beihilfe, die die Slowakei zahlt, und dann, nach der Indexierung, im­mer noch fünfmal so hoch ist. Ich habe also eigentlich gute Nachrichten in die Slowakei gebracht.

Ich möchte gerne auf die Argumente antworten, die von Kollegin Holzleitner und von Kollegen Bernhard gebracht worden sind. Zur Frage, ob die Indexierung europarechts­widrig ist, darf ich Ihnen sagen: Die Kommission hat natürlich angekündigt, sich das anzusehen, aber sie hat nicht gesagt, dass es so nicht geht. Ich glaube, wir stehen sowohl vor der Kommission als auch vor dem EuGH mit guten Argumenten da, und ich skizziere nur, was ich damit meine: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit – viel beschworen – verlangt von uns nämlich Folgendes: Erstens, dass wir nicht nach Staatsangehörigkeit diskriminieren. Das tun wir aber auch nicht. Wir diskriminieren nicht nach Staatsange­hörigkeit, sondern wir richten uns nach dem Wohnort, egal welche Nationalität. Wenn österreichische Kinder in der Slowakei leben, wird sie die Indexierung so wie slowa­kische Kinder, die in der Slowakei leben, betreffen.

Zweitens: Nicht erlaubt ist gemäß Arbeitnehmerfreizügigkeit, dass bei gleichen geleis­teten Beiträgen unterschiedliche Leistungsansprüche bestehen. Auch das tun wir nicht, denn die Familienbeihilfe ist keine Leistung, die durch ein Ansparen oder ein Einzahlen erworben wird, sondern eine Sonderleistung. Wer zahlt für die Familienbeihilfe? – Das sind Arbeitgeberbeiträge, noch ein paar andere, aber das ist keine Leistung, für die der Arbeitnehmer selbst einbezahlt hat.

Die zitierte Verordnung betreffend die soziale Sicherheit, Artikel 67 – Kollege Bernhard hat ihn zitiert –, besagt, dass Familienleistungen so zu bezahlen sind, als ob das Kind im Mitgliedstaat leben würde. Ich glaube, die Lösung liegt gerade in den Worten „als ob“, denn die Kaufkraft spielt für „als ob“ eine ganz, ganz große Rolle. Es gibt keine Ju­dikatur dazu, die Frage ist offen. Ich glaube, dass wir für diese Regelung sehr gute Ar­gumente vor der Kommission und vor dem EuGH haben werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir müssen auch die Intention der Familienbeihilfe berücksichtigen, denn es geht um die Sicherstellung eines Teils des Regelbedarfs eines Kindes, und der Regelbedarf ist in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union selbstverständlich unter­schiedlich. Vor einer Prüfung durch die Kommission und den EuGH brauchen wir also keine Angst zu haben.

Die Indexierung ist nicht nur europarechtlich richtig, würde ich sagen, sondern sie ist auch europapolitisch wichtig, denn nur wenn wir den Verzerrungen vorbeugen, die jetzt bestehen, können wir sicherstellen, dass die Menschen in Österreich nicht EU-skep­tisch werden. Wir können die EU unterstützen, indem wir vernünftige Regelungen schaffen, die für die Menschen verständlich sind, und darum handelt es sich bei der In­dexierung auch; nicht um einen unnötigen Alleingang, sondern eigentlich um ein Vor­reiten Österreichs in Sachen Fairness und Gerechtigkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte jetzt noch einen Abänderungsantrag einbringen, und zwar zum Thema Rei­sekostenersatz für Kinder von Entwicklungshelfern, der derzeit an die Familienbeihilfe gekoppelt ist. Das wird sich durch die Indexierung ändern, darum mein Abänderungs­antrag, damit diese Kinder weiterhin Reisekostenersatz bekommen können.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 113

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen zu 111 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Artikel 3 (Änderung des Entwicklungshelfergesetzes) erhalten die Ziffern „1“ und „2“ die Ziffernbezeichnung „2“ und „3“, und die Z 1 lautet:

„1. § 8 Abs. 5 lautet:

„(5) Die Reisekosten und die Nebenkosten zu den Reisekosten für die Kinder sind nur dann zu ersetzen, wenn die Kinder mit der Fachkraft im gemeinsamen Haushalt leben und soweit die Kinder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Vom Erfordernis des gemeinsamen Haushaltes kann abgesehen werden, wenn dieser aus Gründen einer Ausbildung im Einsatzland nicht besteht.““

*****

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber

Kolleginnen und Kollegen

betreffend den Gesetzesantrag im Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über dieRegierungsvorlage (111 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfer­gesetz geändert werden (290 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Artikel 3 (Änderung des Entwicklungshelfergesetzes) erhalten die Ziffern „1“ und „2“ die Ziffernbezeichnung „2“ und „3“. und die Z 1 lautet:

„1. § 8 Abs. 5 lautet:

„(5) Die Reisekosten und die Nebenkosten zu den Reisekosten für die Kinder sind nur dann zu ersetzen, wenn die Kinder mit der Fachkraft im gemeinsamen Haushalt leben und soweit die Kinder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Vom Erfordernis des gemeinsamen Haushaltes kann abgesehen werden, wenn dieser aus Gründen ei­ner Ausbildung im Einsatzland nicht besteht.““

Begründung

§ 8 Abs.5 des Entwicklungshelfergesetzes stellt derzeit hinsichtlich des Reisekostener­satzes für Kinder unter anderem auf den Anspruch auf Familienbeihilfe ab. Nachdem in Zukunft vermehrt Fälle auftreten können, in welchen der Ausgleich der Unterhaltspflicht für Kinder nicht durch die Familienbeihilfe, sondern etwa vertragsrechtlich bedingt durch


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den Arbeitsgeber erfolgt, soll bei diesem Anspruch künftig nicht auf die Familienbeihil­fe, sondern auf das Alter der Kinder abgestellt werden.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.40.52

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Ministerin, ich würde mir wünschen, Sie würden so viel Mut fassen, sich herausstellen und nicht eine Familienbonusberechnung für den Fall aufstellen, dass Vater und Mutter gut verdienen oder ein Elternteil gut verdient, sondern sich hier­herstellen und uns ausrechnen und uns sagen, wie viel Familienbonus eine Alleinver­dienerin mit zwei Kindern bekommt. Ich kenne einen Fall, in dem sie 250 Euro im Jahr bekommt – und das ist eine Schande für Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Liste Pilz.)

Wer die heutige Debatte hier im Hohen Haus verfolgt hat, sieht ganz klar, wo diese Bundesregierung wirklich den Sparstift ansetzt. (Abg. Neubauer: Was hat die Sozial­demokratie gegen die 250 Euro getan? – Nichts!) – Nicht aufregen, ich weiß, Wahrheit tut weh! Um Milliarden für die Großkonzerne und deren Steuerzuckerl zu finanzieren, werden Gesetze auf den Weg gebracht und sogenannte Reformen auf den Weg ge­schickt, die höchstwahrscheinlich verfassungswidrig sind und die Österreich vor den Europäischen Gerichtshof zerren werden. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Diese Bundesregierung verfolgt lediglich ein Ziel: möglichst viel Kapital von der Be­völkerung zu lukrieren. Sozialabbau, Lohnraub und die Zerstörung unseres Gesund­heitssystems werden dafür in Kauf genommen. Die Indexierung der Familienbeihilfe ist genau so ein Beispiel. Schwarz-Blau raubt dabei Menschen, die bei uns arbeiten und Sozialabgaben leisten, Geldmittel, die sie dringend für die Versorgung ihrer Kinder be­nötigen.

Es wurde schon angesprochen, großteils betrifft das osteuropäische Staaten. Ich habe mir das anhand der europäischen Standards angesehen. Gerade bei Pflegemitteln oder Versorgungsmitteln, die für Kleinkinder benötigt werden, sind das oftmals die glei­chen Produkte wie bei uns in Österreich, die dort auch gleich viel kosten. Warenkorb ist also nicht gleich Warenkorb. Sehen Sie sich das noch einmal an! (Beifall bei der SPÖ.)

Die zusätzlichen Geldmittel der in Österreich arbeitenden Eltern werden in den jewei­ligen Ländern nicht beim Fenster hinausgeschmissen, diese wären für Bildung und Weiteres für diese Kinder dringend nötig. Ich möchte betonen, dass für uns Sozialde­mokraten jedes Kind gleich viel wert ist, egal woher es kommt und wer die Eltern sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Verschenken wir das Geld ins Ausland! Jawohl, das sind die Roten!)

Die Indexierung der Familienbeihilfe kann schwierige Situationen hervorrufen; das ha­ben wir heute schon gehört, und ich möchte jetzt nicht noch einmal den Pflegenotstand ansprechen, den ich sehr kritisch sehe, bis hin zu uneinschätzbarem Verwaltungs­aufwand. Was machen wir denn, wenn dieses Gesetz zu einer Klage vor dem Europäi­schen Gerichtshof führt und wir die Familienbeihilfen dann im Nachhinein zahlen müs­sen? Das ist ein überbordender Verwaltungsaufwand, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die EU-Kommission hat, wie gesagt, davor gewarnt, den Gleichheitsgrundsatz mögli­cherweise zu verletzen. Die Einsparungen von 114 Milliarden Euro (Abg. Haider: Mil­liarden wären schön!), die Sie hier erzielen wollen, halte ich genauso für ein Märchen wie die Milliarde bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 115

Wir Sozialdemokraten und viele, viele ExpertInnen sagen ganz klar, man soll den recht­mäßigen Bezug der Familienbeihilfe stärker beleuchten und kontrollieren, anstatt Men­schen, die einen Anspruch auf Sozialleistungen haben, ungerecht zu behandeln. Wir sagen auch, dass wir auf keinen Fall ein Verfahren vor dem EuGH riskieren sollten. Somit werden wir, wenn Sie so weitermachen, der Reputation Österreichs wieder ein­mal ein Stück mehr schaden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Gute Rede!)

14.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schimanek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.44.44

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kollegen! Hohes Haus! Bevor ich zur Indexierung der Familienbeihilfe komme, möchte ich noch auf Kollegin Ecker replizieren; ich habe hier nämlich ein Be­rechnungsbeispiel mit. Ich glaube, Sie verwechseln immer Alleinverdiener und Allein­erzieher, denn eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die jetzt 700 Euro hat, bekommt einen Kindermehrbetrag von 500 Euro plus eine zusätzliche Rückerstattung von der Sozialversicherung. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das ergibt einen jährlichen Steuervorteil von 1 596 Euro. Ich glaube, das ist mit dem, was Sie sagen, nicht kompa­tibel. Bitte streuen Sie also den Leuten nicht immer Sand in die Augen, wir schaffen auch für Alleinerzieherinnen Gerechtigkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Weiters sei an dieser Stelle noch einmal ganz klar gesagt: Dieser Bundesregierung ist jedes Kind gleich viel wert, allerdings ist nicht jeder Euro in jedem Land gleich viel wert. Da ist der Knackpunkt! (Abg. Holzleitner: Aber es gibt Sonderkürzungen!) Wenn wir die Familienbeihilfe – die Frau Minister hat es ja bereits angesprochen – nicht an die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern anpassen, so bedeutet das eine Schlechterstellung unserer eigenen Familien, und das wollen wir nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Diese Ungleichstellung werden wir jetzt mit der Indexierung beseitigen.

Ich möchte jetzt noch einmal die Zahlen wiederholen, die die Frau Minister angespro­chen hat, nur damit man einen Vergleich hat: Im Jahr 2002 bezahlten wir für 1 500 im Ausland lebende Kinder Familienbeihilfe. Im Jahr 2017 waren es 130 000 Kinder und ein Betrag von 253 Millionen Euro, und das ist sehr viel Geld.

Nun aber noch einmal zu der Kritik wegen der EU-Konformität: Herr Bernhard hat ja als Grund auch die EU-Verordnung Nummer 883/2004 genannt, die diese Als-ob-Bestim­mung enthält. Ich möchte sagen, es gab ja einen entsprechenden Fall in Frankreich, den Fall Pinna. Dabei hat der EuGH festgelegt, dass die Kinder so behandelt werden müssen, wie jene in dem Land, in dem sie leben. Frankreich hatte den Zugang ge­wählt, die Sozialleistungen an die Leistungen des anderen Landes anzupassen. Das machen wir ja nicht. Wir passen ja unsere Sozialleistungen an die Eurostat-Statistik an, wählen da also einen anderen Zugang.

Wir werden als Berechnungsgrundlage für die Anpassung der Familienbeihilfe das Preis­niveau des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern he­ranziehen. Das hat auch der EuGH im Fall Pinna vorgeschlagen. Wir werden uns da­nach richten und schaffen damit ein weiteres Stück Gerechtigkeit in Österreich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 116

14.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Gamon. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


14.48.22

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir doch gleich mit diesem Argument an: Den Briten ist es angeboten worden! Warum können wir es nicht auch einfach haben? – Vielleicht war das damals eine andere Diskussion. Die Briten haben angedroht, sie würden aus der Europäischen Union austreten, und die Kommission hat nicht gesagt: Das geht schon!, sondern es wurde angeboten: Eventuell könnten wir darüber reden, das Primärrecht zu ändern!

Was Sie hier tun, ist nicht, einen Weg zu finden oder einen Vorschlag zu machen, das europäische Primärrecht zu ändern, sondern es geht darum, dass Sie sagen, Sie wollen diese Regelung durchboxen, auch auf die Gefahr hin, dass wir danach auch diesbezüglich von der Europäischen Kommission wieder ein Verfahren bekommen. Das wird auch so passieren, wenn diese Regelung in Kraft tritt. Wir wissen das jetzt schon, weil ganz klar gesagt wurde, dass das so nicht geht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man schon wieder damit kommt: Ah, die Briten! Warum dürfen wir das nicht haben? – Haben wir auch vor, aus der Europäischen Union auszutreten? Wollen wir das auf der anderen Seite androhen? Wollen wir androhen, dass wir noch andere Er­rungenschaften zurückdrängen werden, weil es uns innenpolitisch opportun erscheint? Ich hoffe nicht! Ich finde es absolut ungeheuerlich, dass man hier zwischen EU-Aus­ländern und Inländern – nicht zwischen Inländern und Ausländern – unterscheidet. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich muss auch sagen, dass wir einmal generell darüber reden sollten, welche Rechte wir als Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union haben, wenn wir in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union leben, arbeiten, reisen, Kinder haben. Wir ha­ben dieselben Rechte, und das ist eine wesentliche Errungenschaft der Europäischen Union, die es uns ermöglicht, nicht nur unseren eigenen Mitgliedstaat als Heimat zu haben, sondern wir haben einen ganzen Kontinent zur Verfügung. Das ist etwas, was uns wirklich von vielen anderen Ländern dieser Welt unterscheidet: dass wir eine ge­meinsame Heimat haben und dass es keine EU-AusländerInnen gibt; es gibt nur Mit­bürgerInnen der Europäischen Union. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe dieselben Möglichkeiten, wenn ich in die Niederlande gehe, um dort zu stu­dieren. Ich muss dort nicht mehr zahlen als inländische Studierende. Wenn ich in Schweden ein Jobangebot annehme, kann ich dort dieselben Familienleistungen in An­spruch nehmen, wie es auch Schweden tun, weil ich dort auch Steuern zahle. (Abg. Neubauer: Sie wollen die Vereinigten Staaten von Europa! Die gibt es aber nicht!)

Ich möchte zum Schluss noch etwas anmerken: Heute ist schon gesagt worden, das mit den Pflegerinnen sei nicht so arg, die seien ja alle schon 50, da könne man ja gar keine Kinder mehr haben oder so irgendwie. Wir wissen alle, dass das nicht stimmt. Ich nehme an, dass Sie genügend Gespräche mit Betreuerinnen führen können, die Ihnen erklären werden, wie es ihren Kindern zu Hause geht. Es geht da um Menschen, die unsere Großeltern, unsere Eltern pflegen, die in den Küchen unserer großartigen Gast­häuser stehen und uns Tafelspitz zubereiten, die im Service arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit diesen fleißigen SteuerzahlerInnen persönliche Gespräche darüber führen, wie es ihnen dabei geht.

Wenn hier von Kollegen Sieber so zynisch gesagt wird, dass jemand, der 2 000 Euro verdient und Kost und Logis dazubekommt, im rumänischen Vergleich ja wahnsinnig viel verdient, ist das eine absolute Frechheit (Abg. Wöginger: He, he!) gegenüber die­sen fleißigen Frauen, die unsere Großeltern und Eltern pflegen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das ist wieder der Linksdrall!)

14.51



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 117

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kaufmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.51.51

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zuallererst möchte ich auf meine Vorrednerin eingehen, nicht auf das, was sie zuletzt gesagt hat, sondern auf das, was sie vorher unterstellt hat. Ich bin glühende Europäerin! (Abg. Meinl-Reisinger: Darum ist es ja so traurig!) Gerade uns als Volkspartei zu unterstellen, dass wir nicht glühende Europäe­rinnen und Europäer sind, ist eine Frechheit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der FPÖ. – Abg. Loacker: Grenzkontrollen sind auch für glühende Europäer! – Abg. Gudenus: Natürlich! – Weitere Zwischenrufe.)

Wir diskutieren hier heute die Indexierung der Familienbeihilfe, die Indexierung, die von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, die Indexierung, über die wir schon vor dem Wahlkampf gesprochen haben, die Indexierung, die eine Gleichbehand­lung aller Kinder, egal woher sie kommen, ermöglicht.

Zu dieser Indexierung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, würde ich Ihnen gerne ein Beispiel bringen – ich bin nämlich Vorsitzende der Parlamentarischen Gruppe Österreich-Slowenien –: Viele Slowenen arbeiten in Österreich, auch bei Mag­na Steyr bei uns in Graz. Ein Beispiel einer slowenischen Familie: Sie ist Staplerfah­rerin bei Magna Steyr, er ist im Reinigungsdienst tätig, sie kommen gemeinsam auf ein Familiennettoeinkommen von 2 400 Euro. Das bedeutet, dass sie mit der Indexierung auf eine Familienbeihilfe von 286 Euro kommen werden, 286 Euro, mit denen sie ge­messen an der Kaufkraft in Slowenien viel für die Kinder anschaffen können.

Die Kinder würden in Slowenien, wenn beide Elternteile bei einem slowenischen Unter­nehmen angestellt wären und ein Familiennettoeinkommen von 2 400 Euro hätten, nur 68 Euro bekommen. Sie bekommen also dadurch, dass beide Elternteile der Kinder in Österreich arbeiten, ein Vielfaches an Familienbeihilfe. Das ist eine Gleichstellung auf­grund der wirklich tollen Leistungen, die die Eltern hier erbracht haben, und überhaupt keine Benachteiligung innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Thema wurde von vielen KollegInnen der Opposition zuvor angesprochen: Hören Sie auf, Menschen, deren Eltern, deren Großeltern von großartigen Menschen zu Hau­se gepflegt werden, Angst zu machen! Es werden dadurch nicht weniger Pflegekräfte hier sein, es werden dadurch nicht weniger Menschen in Österreich betreut werden können. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Warum? – Ganz einfach, weil nämlich nach wie vor die Pflegekräfte, die aus dem Ausland zu uns kommen, hier weitaus mehr verdie­nen werden, als sie das in anderen Ländern tun würden. Machen Sie den vielen Men­schen, die darauf angewiesen sind, nicht Angst, sondern schauen Sie mit uns gemein­sam in ein faires Europa und gehen Sie mit uns gemeinsam in diese faire Zukunft der Europäischen Union! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Ich glaube, da haben Sie etwas missverstanden! – Ruf bei der FPÖ: Sie, Herr Jarolim! Sie haben seit 9 Uhr in der Früh nichts verstanden!)

14.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schmiedlechner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.55.44

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Mi­nister! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen! Mehr Gerechtigkeit für unsere Kinder, neue Gerechtigkeit für Österreich! Mit der Indexierung können wir bis zu 100 Millionen Euro einsparen, und dieses Geld benötigen wir für unsere Familien, für unsere in Österreich


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 118

lebenden Kinder. Die größten Bezieherländer sind durchwegs im Osten Europas zu finden: Nach Ungarn, Slowakei, Polen, Rumänien (Abg. Loacker: Die Deutschen nicht vergessen!), um nur die ersten vier zu nennen, gehen 75 Prozent der Familienleistun­gen im Ausland.

Die Einführung einer Indexierung für Kinder, die sich in einem anderen EU-, EWR-Staat beziehungsweise der Schweiz aufhalten, ist längst fällig und gerecht. Eine An­passung an die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern ist ein absolut ge­rechtfertigtes Verlangen. Es werden alle Kinder gleich behandelt, unabhängig davon, woher sie kommen. Alle Eltern bekommen prozentuell dieselbe Entlastung im Verhält­nis zu den realen Kosten in den jeweiligen Ländern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.) Es wird nicht nur zu weniger Kosten kommen, es kommt auch vor, wie zum Beispiel betreffend die Schweiz oder Dänemark, dass mehr ausgezahlt wird.

Zum Pflegenotstand, der von Ihnen herbeigeredet wird: Die Pflegerinnen aus der östli­chen EU verdienen in Österreich immer noch sehr viel mehr als im eigenen Heimat­land, und man muss schon unterscheiden: Die Familienbeihilfe ist kein Gehalt. Bitte bleiben Sie bei den Fakten! Unterstützen Sie uns bei der Umsetzung von mehr Ge­rechtigkeit für unsere Familien!

Zum Antrag der NEOS betreffend „Bessere Kontrollsysteme bei der Familienbeihilfe“ darf ich noch einen Punkt sagen: Die Auszahlung der Familienbeihilfe funktioniert in Österreich sehr gut, zudem ist ein neues IT-System in Umsetzung, daher lehnen wir diesen Antrag ab. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Prinz, Sie hätten noch knappe 2 Minuten für Ihren Redebeitrag. Wollen Sie beginnen? (Abg. Prinz: Später!)

Dann unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr, bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage.

*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

15.00.56Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend „die Zerstörung unseres gut funktionierenden Gesundheitssystems durch die Kassenzentralisierung“ (2069/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2069/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Das bisher einzige Vorhaben dieser Bundesregierung im Bereich der Gesundheitspoli­tik ist die Kassenzentralisierung und damit die Zerstörung eines gut funktionierenden Sozialversicherungssystems.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 119

Schwarz-Blau will 21 Krankenkassen auf 5 zusammenlegen und dadurch 200 Millionen Euro im Jahr „sparen“. Die Bundesregierung spricht davon, dass für „gleiche Beiträge gleiche Leistungen“ erbracht werden sollen.

Klingt schön – stimmt nur nicht:

1. Es gibt weiterhin mindestens 10 Träger und 15 Krankenfürsorgeeinrichtungen.

2. Gespart wird bei den Versicherten durch Leistungskürzungen, Selbstbehalten und Privatisierungen.

3. Es wird weiterhin unterschiedliche Leistungen geben: die großen Ungleichhei­ten z.B. zwischen Beamtenversicherung und ASVG-Versicherung werden nicht beseitigt.

4. Die schlechten Risiken bleiben ausschließlich bei der Österreichischen Ge­sundheitskasse (ÖGK), einen Risikoausgleich gibt es nicht mehr.

5. Dreiklassenmedizin wird festgeschrieben: ÖGK, Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS), BeamtInnen

6. Wo es zu einer Angleichung der Leistungen kommt, drohen schlechtere Leis­tungen, wenn es nach der WKO geht. UND:

7. Es geht nach der WKO, denn die ArbeitnehmerInnen werden in den Gremien der Sozialversicherung zugunsten der UnternehmerInnen entmachtet.

Was wurde nicht alles im Vorfeld strapaziert, um dieses Zentralisierungsvorhaben zu rechtfertigen:

·                  angeblich hohe Kosten der Selbstverwaltung, angeblich zu viele FunktionärIn­nen, die nur Geld kosten, angeblich unzählige Dienstautos – alles nicht wahr.

·                  Man werde dafür sorgen, dass alle gleiche Leistungen bei gleichen Beiträgen haben werden. Im Gegenteil, die Ungleichheit bei den Leistungen wird noch weiter verfestigt.

·                  Wir sparen nicht bei den Menschen, wir sparen im System. Alles Unfug: Man kann nicht am System sparen, ohne auch an den Menschen zu sparen, weil es damit Hand in Hand zu Verschlechterungen bei der Leistungserbringung betref­fend Verfahrensdauer und Verfahrensqualität kommen wird.

·                  Die Regierung hat gesagt, die Zentralisierung wird die Verwaltungskosten sen­ken. Das Gegenteil ist wahr: Ehrenamtliche FunktionärInnen werden durch teu­re ManagerInnen ersetzt. Der entstehende Moloch wird zu einem massiven Bü­rokratie-Aufbau führen.

·                  Die Regierung spricht von einer Verschlankung von 21 auf 5 Träger. Das ist ein Etikettenschwindel. In Wahrheit besteht die Trägerlandschaft aus fünf Sozial­versicherungsträgern plus vier Betriebskrankenkassen und die Versicherungs­anstalt des österreichischen Notariates. Die 15 Krankenfürsorgeeinrichtungen werden gar nicht angetastet.

·                  Bei der Verwaltung (-30 Prozent Beschäftigte) wird gespart, das Geld geht zu den PatientInnen: das ist eine klare Falschbehauptung, so das Kürzen über­haupt funktioniert, profitiert nur die Wirtschaft durch niedrigere Beiträge (siehe AUVA).

Dieses schlechtest vorbereitete Zentralisierungsvorhaben der Zweiten Republik bringt sorgfältig austarierte Balancen durcheinander: zwischen ArbeitgeberInnen und Arbeit­nehmerInnen, aber auch zwischen Staat und Selbstverwaltung.

Frei nach Qualtingers „Ich weiß zwar nicht wohin, aber dafür bin ich schneller dort“ be­schert die Regierung den über 8 Millionen Versicherten ein Gesetzeswerk, das so nicht halten kann und nicht halten wird. Verfassungsexperten wie Öhlinger, Pfeil, Berka und Müller haben bereits Bedenken an den Regierungsplänen angemeldet. Es besteht die Überzeugung, dass das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 120

Es gibt keine echte Leistungsharmonisierung

Gleiche Leistungen soll es nur innerhalb der neu geschaffenen Gesundheitskasse ge­ben, nicht aber zwischen den Kassen. Es wird also weiter verschiedene Kassen mit un­terschiedlichen Beiträgen und unterschiedlichen Leistungen geben. Die großen Un­gleichheiten zwischen Privatangestellten/ArbeiterInnen und Beschäftigten im öffentli­chen Dienst werden weiterbestehen. In Zukunft werden BeamtInnen weiterhin andere Leistungen genießen als BauarbeiterInnen oder Bankangestellte. Eine Drei-Klassen-Medizin wird einzementiert.

Sieben Millionen Menschen werden nur noch drittklassige Medizin erhalten

Die Regierung schafft eine Drei-Klassen-Medizin: Ganz oben die PolitikerInnen und BeamtInnen mit den besten Leistungen, dann die Selbständigen, und schließlich eine dritte, unterste Klasse für die große Mehrheit der 7 Millionen anderen.

Statt für einen gerechten Ausgleich zwischen den Kassen und für eine gute Versor­gung für alle zu sorgen, verfestigt die Regierung die Ungleichheit bei den Leistungen und sorgt nicht für einen Ausgleich der Risiken. Die Kosten für die Behandlung und medizinische Versorgung für die Arbeitslosen, die MindestsicherungsbezieherInnen und AsylwerberInnen müssen weiter die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schul­tern, während die PolitikerInnen und BeamtInnen Zuschüsse aus dem Steuertopf be­kommen (Krankengeld, stabile Beiträge).

Die Zentralisierung führt zu schlechterer regionaler Gesundheitsversorgung

Das geplante Gesetz schafft einen Moloch, der weit weg von den Menschen über ihre Gesundheitsversorgung entscheidet. Zusätzlich zu den neun Landesstellen wird eine Zentrale mit Budget- und Personalhoheit aufgebaut. Alle wichtigen Entscheidungen fal­len dann nicht mehr vor Ort, sondern in der Zentrale. UND: Es bestimmen Leute, die selbst nicht von den Konsequenzen ihrer Entscheidungen betroffen sind.

Die regionale Versorgung ist gefährdet. Es droht z.B. die Schließung von Außenstellen, eine schlechtere Versorgung entlegener Gebiete, weniger gut auf lokale Bedürfnisse zugeschnittene Öffnungszeiten und Sonntagsdienste.

Die Zentralisierung trocknet die regionale Wirtschaft aus. Bislang schließen die Ge­bietskrankenkassen ihre Verträge selbst ab, etwa mit dem Roten Kreuz, mit Bandagis­tInnen, orthopädischen SchuhmacherInnen oder OptikerInnen. Wird das alles in der Zentrale entschieden, können sie die regionale Wirtschaft nicht mehr stärken. Weil die Auftragssummen steigen, müsste sogar vieles EU-weit ausgeschrieben werden. Dann holen sich internationale Konzerne die Aufträge, die bisher Arbeitsplätze in der Region sicherten.

Die einzelnen Bundesländer verlieren Geldmittel. In den Verhandlungen hat die Bun­desregierung den Ländern zugesagt, ihr Geld bliebe in ihrem Bundesland. Wahr ist: Die Zentrale schafft an und hat die Budgethoheit.

Geld wird dem Gesundheitssystem entzogen und Großkonzernen oder Privatversicher­ten geschenkt

·                  150 Millionen Euro pro Jahr, weil die Kosten für die Behandlung von Arbeitsun­fällen den Kassen nicht mehr ersetzt werden. Damit werden Beitragssenkungen für Großkonzerne finanziert.

·                  15 Millionen Euro pro Jahr, die zusätzlich aus der Krankenkasse an die Privat­krankenhäuser fließen sollen. Dieses Geld fließt weg von den Versicherten der Gebietskrankenkassen hin zu den gutsituierten, privat Versicherten.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 121

·                  30 Millionen Euro pro Jahr gehen aus der gestrichenen Refundierung der Mehr­wertsteuer verloren.

·                  50 Millionen Euro pro Jahr gehen zusätzlich verloren, wenn der Familienlasten­ausgleichsfonds, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, der Krankenkasse nicht mehr die Untersuchungen im Mutter-Kind-Pass ersetzt.

·                  Und dann kommen noch die Fusionskosten, die in die hunderten Millionen ge­hen dürften. Die im Vergleich zu dieser Zentralisierung „kleine“ Fusionierung der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten hat laut Rechnungshof 200 Millionen gekostet. Hier reden wir von einer anderen Grö­ßenordnung.

Der Rechnungshof kritisiert in seiner Stellungnahme zum Entwurf insbesondere feh­lende Kostenberechnungen:

-            Die finanziellen Erläuterungen sind mangelhaft und bieten keine geeignete Grundlage für eine informierte Beschlussfassung.

-            Das im Rahmen der Präsentation gesetzte Reformziel der Einsparung von 1 Mil­liarde Euro ist im Entwurf nicht enthalten.

-            Mehrkosten sind nicht berücksichtigt.

-            Es wird keine geeignete Grundlage für ein professionelles Fusionsmanagement gelegt.

-            Die konkreten Fusions- und Finanzziele bleiben unklar, ein Regelwerk für die Fusionskosten fehlt. Es bestehen rechtliche und wirtschaftliche Risiken.

-            Wesentliche Fragen der vorgeschlagenen Reform, insbesondere die Leistungs­harmonisierung und die Verwendung der Mittel der ÖGK bleiben unbeantwortet.

-            Eine verwaltungseffiziente Beitragsprüfung unter Berücksichtigung der beson­deren Interessen der Sozialversicherung scheint nicht sichergestellt.

Was das für die Versicherten bedeutet, liegt auf der Hand: Es drohen Leistungsver­schlechterungen, es droht das Aus für eine medizinische Versorgung ohne Selbstbe­halte, und es bedeutet das Aus für die Mitbestimmung über IHRE Krankenversiche­rung.

ArbeitgeberInnen entscheiden über die Leistungen für die ArbeitnehmerInnen

Die WirtschaftsvertreterInnen sollen in der neuen Krankenkasse gleich viel Macht ha­ben wie die Versicherten. Im neuen Dachverband werden sie sogar die Mehrheit stel­len. So werden sie in der neuen Krankenkasse den Ton angeben, obwohl sie dort selbst nicht versichert sind. Die Krankenkassen-Versicherten sind die einzigen, die nicht selbst über ihre bezahlten Beiträge und Leistungen entscheiden dürfen. Das ist auch verfassungsrechtlich bedenklich.

Der Einfluss der ArbeitnehmerInnenvertreter wird massiv zurückgedrängt. Tatsächlich gibt es in Österreich rund 3,6 Millionen ArbeitnehmerInnen und 324.000 Unternehme­rInnen – das heißt auf eine/n Unternehmer/in kommen 11 ArbeitnehmerInnen. Der al­lergrößte Teil davon ist in den Gebietskrankenkassen versichert, dort stehen derzeit schon 4 ArbeitnehmerInnenvertreter einem UnternehmerInnenvertreter gegenüber.

Geht es nach dem Willen der Regierung werden künftig UnternehmerInnen entschei­den, was mit den Beiträgen der Beschäftigten im Gesundheitssystem passiert. Obwohl die DienstgeberInnen nicht mal ein Drittel der Beiträge für die Versicherten der neuen ÖGK leisten, sind sie künftig gleichberechtigt in den Kassen vertreten – die Beschäftig­ten verlieren ihre Mehrheit.

ArbeitgeberInnen werden künftig über Krankenstände, Arzneimittel, Kuraufenthalte, Rehabilitationsmaßnahmen usw. ihrer ArbeiterInnen und Angestellten entscheiden!

In Zukunft entscheiden also die ArbeitgeberInnen, die Wirtschaft, die Industrie über die Gesundheitsversorgung von ganz Österreich!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 122

Was die WirtschaftsvertreterInnen mit ihrer neuen Macht vorhaben, haben sie ausführ­lich dargelegt: Sie wollen

1. Selbstbehalte einführen,

2. Leistungen kürzen und

3. Gesundheitseinrichtungen privatisieren.

Die Wirtschaftskammer Österreich hat das Schweizer Beratungsunternehmen c-alm AG mit einer Studie über unser Sozialversicherungssystem beauftragt. Wenn man sich diese Studie ansieht, dann erkennt man 1:1 die Umsetzung in der Regierungsvorlage der Bundesregierung.

Selbstbehalte einführen

Die Studie spricht von einem „neuen Gesamtsystem von Selbstbeteiligungen“. Soll hei­ßen: Für alle Versicherten sollen Selbstbehalte eingeführt werden. Das würde die Arzt­besuche reduzieren. Die Gefahr, dass sich Menschen dann aus finanziellen Gründen zu spät behandeln lassen, nimmt dadurch zu. Das gesteht selbst die Wirtschaftskam­mer ein – von Selbstbehalten rücken sie trotzdem nicht ab.

Die Wirtschaftskammer fordert seit Jahren Selbstbehalte für alle Versicherten. Sie wird in Zukunft die Mehrheit im Dachverband haben, der darüber zu entscheiden hat. Zu­dem verpflichtet das Gesetz die neu geschaffene Krankenkasse, bei einem Minus Selbstbehalte einzuführen.

Leistungen kürzen

Wie die Bundesregierung, will auch die Wirtschaftskammer ein Angleichen der Leistun­gen. Doch das kann kein Angleichen nach oben sein, wie die Studie klarstellt: „Es liegt auf der Hand, dass sich, in Hinblick auf die Kosten des Gesundheitssystems, das Leis­tungsniveau eher an einem KV-Träger mit schmalem Leistungskatalog orientieren sollte.“

Wo es zu einer Angleichung der Leistungen kommt, drohen also schlechtere Leistun­gen. Das hat auch der Chef der Industriellen-Vereinigung (IV) Georg Kapsch betont: „Was nicht funktionieren wird ist, dass man die Leistungen nach oben harmonisiert.“

Generell erwarten sich die WirtschaftsvertreterInnen in den Krankenkassen vor allem eines: Weniger Beiträge, die sie leisten müssen. Das bringt den großen Konzernen mit vielen Beschäftigten viel Geld.

Gesundheitseinrichtungen privatisieren

Zunächst rät die Wirtschaftskammer, alle Einrichtungen zu privatisieren:

„Aus betriebswirtschaftlicher Sicht […] sollten keine eigenen Einrichtungen betrieben werden“, heißt es in der Studie deutlich. Die 154 Einrichtungen wie Kurheime, Reha-Zentren oder Ambulatorien stehen auf dem Spiel.

Das Drängen auf Privatisierung hat einen Grund: Der Gesundheitsbereich ist ein gro­ßer und schnell wachsender „Zukunftsmarkt“, wie Gesundheitsökonomen und Wirt­schaftskammer unermüdlich betonen. Privatversicherungen und Gesundheits-konzerne sehen riesige Renditen. Konzerne wie die VAMED drängen seit Jahren auf Privatisie­rungen.

Doch dann ändern sich auch die Leistungen für die Versicherten: Schon heute werden schwere medizinische Fälle eher in öffentlichen Einrichtungen behandelt – denn lange, aufwändige Behandlungen sind teuer. Die leichten Fälle wandern zu den privaten An­bietern, da sie lukrativer sind. Wo dann schwere Fälle versorgt werden, wenn Reha-Zentren und Kurheime dem Profitaspekt von Konzernen unterstehen, ist unklar.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 123

Aus der Patientenmilliarde wird eine Zentralisierungsmilliarde

Die Regierung verspricht mit dieser Zentralisierung eine Patientenmilliarde bis 2023, die durch Einsparungen bei der Fusion erzielt werden soll. Die Präsidentin des Rech­nungshofes Margit Kraker war schon bei der Präsentation des Vorhabens durch die Regierung „sehr skeptisch“ und bezeichnet im ORF-Interview die Kostenschätzungen der Regierung als „Wunschdenken“. In der Stellungnahme des Rechnungshofes wird nunmehr klargestellt: Der Nachweis zum Einsparungspotenzial der 1 Milliarde Euro fehlt.

Die Reduktion der Kassen soll, laut Schwarz-Blau pro Jahr 250 Millionen Euro bringen: Derzeit haben alle betroffenen Versicherungen gemeinsam einen Verwaltungsaufwand von 481 Millionen Euro (2016). Über 40 Prozent des derzeitigen Verwaltungsbudgets müssten jährlich eingespart werden, um ohne Leistungskürzungen auf die angekündig­te Milliarde Euro zu kommen.

Das Sparpotential in der Verwaltung ist jedoch äußert gering, denn das österreichische Sozialversicherungssystem ist im Vergleich sehr günstig:

·                 Während die österreichischen Krankenversicherungen 2,74 Prozent der Einnah­men für Verwaltung ausgeben, geben deutsche Krankenversicherungen im Durch­schnitt 4,90 Prozent und schweizer Versicherungen 4,96 Prozent aus.

·                 Pro Versichertem liegen die Verwaltungskosten in Österreich bei nur einem Drit­tel der deutschen oder schweizer Kosten: Hier kommen 53,24 Euro jährlich auf einen Versicherten, in der Schweiz und Deutschland sind es 142 Euro – und da­mit drei Mal mehr.

Laut Rechnungshof-Prüfung 2010 führte die überhastete Vorgangsweise bei der Zu­sammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten der ArbeiterInnen und Angestell­ten zu Planungs- und Durchführungsmängeln und kostete insgesamt über 200 Millio­nen Euro. Auch bei den Verwaltungskosten hätte sich die Pensionsversicherung zwi­schen 2003 und 2016 rund 1 Milliarde Euro erspart, wenn sie die Fusion nicht durch­geführt hätte, wie der Hauptverband errechnet hat.

Die übereilte Fusion der Kassen wird aller Wahrscheinlichkeit nach mehr kosten als sie bringt, wie Beispiele aus Österreich und Deutschland zeigen. Sie droht zum teuren Mil­liardengrab zu werden.

Beitragsprüfungen wandern zur Finanz

Gesundheitslandesrat Christian Stöckl aus Salzburg hat es auf den Punkt gebracht und die Hintergründe für die Verschiebung der Beitragsprüfung von den Gebietskranken­kassen zur Finanzverwaltung offengelegt. Im Morgenjournal am 17.10.2018 meinte er: „Wichtig ist für mich immer und da haben wir ja in Salzburg das eine oder andere Pro­blem, wenn bei den Prüfungen das Gesetz extrem genau ausgelegt wird und da muss man schauen, dass man das einfach mit Hausverstand und mit Fingerspitzengefühl macht.“

Was bedeutet das? Wenn man bedenkt, dass mehr als 90 Prozent der Anzeigen we­gen Unterentlohnung auf Wahrnehmungen der PrüferInnen der Gebietskrankenkassen und nicht einmal 10 Prozent auf jene der FinanzprüferInnen zurückzuführen sind, ver­deutlicht dieser Umstand, dass bei den FinanzprüferInnen die Kontrolle des An­spruchsprinzips in der Sozialversicherung und der damit verbundene Schutz der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohn- und Sozialdumping eine sehr unterge­ordnete Rolle einnimmt.

Es ist daher in Zukunft zu befürchten, dass dieses bisher sehr wirksame Instrumen­tarium zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping mit der Zeit seine Wirksamkeit verlieren wird und dies zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. der


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gesamten Versichertengemeinschaft gehen wird. Unterentlohnung bedeutet für die Ar­beitnehmerInnen weniger Einkommen, weniger eingezahlte Beiträge und dadurch we­niger Krankengeld, weniger Arbeitslosengeld und weniger Pension.

Die Selbstverwaltung wird in weiten Teilen ausgeschaltet

Derzeit leiten engagierte, regionale, gewählte Personen zum Wohle der Versicherten unserer Sozialversicherungen. Die Bundesregierung will diese Strukturen massiv zu­rückdrängen. Künftig könnten hoch bezahlte, nicht demokratisch legitimierte Manage­rInnen und WirtschaftsvertreterInnen entscheiden.

Selbstverwaltung bedeutet, dass die Sozialversicherung von VertreterInnen der Versi­cherten und BeitragszahlerInnen geführt wird. Sie werden demokratisch bestellt. In der Sozialversicherung werden täglich viele für die Menschen in Österreich wichtige Ent­scheidungen getroffen. Diese reichen von der Organisation der ärztlichen Versorgung oder dem Kauf von Medikamenten bis hin zum Betrieb von Gesundheitszentren, Zahn­ambulatorien, Rehabilitationszentren und Unfallspitälern. Derzeit sind es die Vertre­terInnen der Versicherten, die dafür verantwortlich sind.

Um die Zurückdrängung der VertreterInnen der Versicherten begründen zu können, wird nun behauptet, dass es in der Sozialversicherung über 1.000 bezahlte Funktio­närInnen gebe. Es steht die Unterstellung im Raum, dass es keine 1.000 gut bezahlten FunktionärInnen brauche und, dass diese die Reform nur ablehnen, weil sie ihre Privilegien verteidigen wollen. Die Regierung verwendet für die Umfärbung den Steh­satz, sie spare bei den FunktionärInnen und in der Verwaltung. Das ist eine gut kons­truierte Geschichte. Sie scheitert nicht an der Inszenierung, sondern an der Realität.

In der Selbstverwaltung sind in etwa 90 Prozent ehrenamtliche FunktionärInnen tätig, die keinerlei Funktionsgebühren erhalten. 90 Prozent der 1.000 Versichertenvertre­terInnen bekommen lediglich pro Sitzung ein Sitzungsgeld von 42 Euro. Die Selbst­verwaltung kostet den Versicherten gerade mal 40 Cent jährlich. Damit kann man se­riöser Weise keine ernsthaften Beträge einsparen, im Gegenteil.

Um die Beträge, die man derzeit in der Sozialversicherung für Funktionen erhält, be­kommt man jedenfalls keine ManagerInnen. Der Einfluss der gewählten VertreterInnen wird zurückgedrängt, damit die Regierung Personen ihres Vertrauens in gut bezahlte Positionen bringen kann.

Beim Umbau der Sozialversicherung geht es also nicht um Privilegienabbau. Es geht darum, die meist ehrenamtlichen VersicherternvertreterInnen zu entmachten. Wenn die Versicherten im eigenen Träger in den Gremien in der Minderheit sind, dann können der Verkauf und die Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen beschlossen werden.

Der Hauptverband wird zerschlagen und soll sieben unterschiedliche Vorsitzende in
5 Jahren haben

Von den 350 Bediensteten des Hauptverbandes werden per Gesetz 250 Bedienstete einer zukünftigen ÖKG übertragen. Von den vorerst verbleibenden 100 MitarbeiterIn­nen sollen weitere Bedienstete anderen Versicherungsträgern zugeordnet werden. An­geblich ist noch angedacht, die Statistik in die PVA zu verlagern, die IT-Agenden sollen an die SVS und die Aus- und Weiterbildungs-agenden an die Versicherungsanstalt öf­fentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) übertragen werden.

Offenbar soll eine wirksame Interessensvertretung der gesamten Sozialversicherung beseitigt werden. Der Dachverband soll nach außen kein Gesicht mehr haben und die Personalressourcen werden aufgeteilt.

Damit geht der kontinuierliche Ansprechpartner für Politik und Behörden, für Vertrags­partner wie Ärzteschaft, pharmazeutische Industrie und die große Gruppe der Gesund-


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heitsberufe sowie für die internationale Sozialversicherung verloren. Eine umfassende Leistungsharmonisierung wird es ohne starken Dachverband nicht geben.

Das Rotationsprinzip im neuen Dachverband macht eine gezielte, erfolgreiche Unter­nehmensentwicklung unmöglich. Kein Unternehmen würde den/die Vorsitzenden/Vor­sitzende so oft austauschen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht widerspricht das Rota­tionsprinzip dem Effizienzgebot.

Die Folgen dieser Zentralisierung:

·                 Die Zentralisierung wird hunderte Millionen verschlingen, die dadurch dem Ge­sundheitssystem entzogen werden.

·                 Für die 7 Millionen ÖGK-Versicherte werden daher weniger Leistungen, weniger ÄrztInnen-Stellen, weniger Therapieplätze zur Verfügung stehen. Dafür längere Wartezeiten und Selbstbehalte, wie sie die Industriellenvereinigung seit Jahren fordert. Für die Krankenkasse der Selbständigen, wo die Unternehmer versi­chert sind, ändert sich nichts.

·                 Durch die Durchführung der Beitragsprüfungen von der Finanzverwaltung, die einen weniger umfassenden Prüfauftrag haben und das erklärte Ziel dieser Re­gierung weniger streng und mit „Hausverstand“ zu prüfen, wird es erleichtert, die Beschäftigten nicht mehr korrekt anzumelden, einzustufen und zu bezahlen.

·                 Mit diesem Gesetz beginnt die Privatisierung des Gesundheitssystems. Start ist die Schwächung der öffentlichen Sozialversicherung. Immer mehr Leute werden aus Sorge um ihre Versorgung private Zusatzversicherungen abschließen. Die Privatversicherungen wittern bereits fette Geschäfte, wie an aktuellen Inserate-Kampagnen zu sehen ist. Außerdem könnten zukünftig immer mehr Leistungen von privaten, profitorientierten Unternehmen erbracht werden.

Diese „Reform“ hat 7 Millionen VerliererInnen, nämlich alle Versicherten der Gebiets­krankenkassen und ihre Angehörigen. Diese sind dann nur noch PatientInnen dritter Klasse, die als einzige nicht einmal selber darüber bestimmen dürfen, welche Leistun­gen sie für ihre eigenen Beiträge erhalten.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz folgende

Anfrage

1.    Bei der Vorstellung des Gesetzes wurde von einer Leistungsharmonisierung gesprochen. Wird eine solche Harmonisierung zwischen allen Krankenversiche­rungsträgern noch in dieser Legislaturperiode erfolgen?

2.    Die LSE-Studie und andere ExpertInnen fordern immer wieder einen echten Ri­sikostrukturausgleich. Im Entwurf ist ein solcher nicht vorgesehen. Wird ein sol­cher Ausgleich zwischen den Trägern innerhalb dieser Legislaturperiode erfol­gen?

3.    Wie genau setzt sich die versprochene "PatientInnenmilliarde" zusammen?

4.    Können Sie, als verantwortliche Bundesministerin ausschließen, dass es im Be­reich der künftig ÖGK-Versicherten zur Einführung von Selbstbehalten oder zu Leistungseinschränkungen kommen wird?

5.    Mit welchen Fusionskosten haben die 7 Millionen Versicherten bis 2023 zu rechnen?

6.    Wie werden diese Kosten aufgebracht?

7.    Die Bundesregierung plant – ohne fusionsbedingte Kündigungen – den Verwal­tungspersonalstand in der Sozialversicherung innerhalb von 3 Jahren um 10 Pro-


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zent, und innerhalb von 10 Jahren um 30 Prozent zu senken. Wie viele Jahre Aufnahmestopp in der Sozialversicherung sind erforderlich um den Personal­stand durch natürlichen Abgang um 30 Prozent zu senken?

8.    Sind Sie der Meinung, dass die technologischen Anforderungen an eine moder­ne Verwaltung – Stichwort Digitalisierung – durch einen so lange anhaltenden Aufnahmestopp sachgerecht umgesetzt werden können?

9.    Mehrere Bundesländer gehen davon aus, dass die Zentralisierung Mehrkosten für ihr Land mit sich bringen wird und haben daher Verhandlungen darüber ver­langt. Wie sieht der Zeitplan dafür aus?

10.  Sie haben den Ländern versprochen, dass das Beitragsgeld ihrer Versicherten im Land bleiben wird. Die Regierungsvorlage sieht dies allerdings nicht so vor, da die Budgethoheit bei der Zentrale liegt. Wie wollen Sie ihr Versprechen den Ländern gegenüber einlösen?

11.  Der Verfassungsdienst äußerte Bedenken bei der Zusammenlegung der Bau­ern- mit der gewerblichen Sozialversicherung bzw. der Eisenbahn/Bergbau-Ver­sicherung mit jener für den öffentlichen Dienst. Weil dies ohne Änderung des Beitrags- und Leistungsrechts erfolgen soll, könnte es hier Probleme mit Art. 120a der Bundesverfassung geben. Wann werden Sie in diesen Trägern eine Harmo­nisierung des Beitrags- und Leistungsrechts vornehmen?

12.  Warum gibt es in den Verwaltungskörpern der ÖGK und der PVA eine Parität zwischen DienstnehmerInnen und DienstgeberInnen, nicht jedoch bei der BVAEB, schließlich sind in allen diesen Trägern nur ArbeitnehmerInnen versi­chert?

13.  Die ArbeitgeberInnen können jede Entscheidung blockieren, weil sie 50 Prozent der Mandate im Verwaltungsrat (entscheidendes Gremium) erhalten, obwohl sie in der ÖGK gar nicht versichert sind. Damit drohen viele Patt-Situationen, wo wichtige Investitionen für die Versicherten nicht mehr beschlossen werden können. Wie können Sie auch für ÖGK-Versicherte die beste Gesundheitsver­sorgung weiterhin garantieren?

14.  Sehen Sie ein Problem darin, dass sich durch die Abschaffung der Kontroll­versammlung das geschäftsführende Organ (der Verwaltungsrat) selbst kontrol­liert?

15.  Was kann der Inhalt des Kontrollvermerks der WirtschaftsprüferInnen sein?

16.  Für den Vorsitzenden/die Vorsitzende der Hauptversammlung der ÖGK und PVA enthält § 430 Abs. 3b Unvereinbarkeitsregeln; die Vorsitzenden dürfen we­der dem Verwaltungsrat noch einem Landesstellenausschuss angehören. Da­rüber hinaus dürfen sie nicht derselben wahlwerbenden Gruppe angehören, der der Obmann/die Obfrau des Verwaltungsrates bzw. der StellvertreterIn zuzu­rechnen sind.

a. Auf DienstnehmerInnenseite gibt es auf Basis der AK-Wahlen 2014 im Verwaltungsrat und in der Hauptversammlung lediglich VertreterInnen zweier wahlwerbender Gruppen; die FSG und die FCG

b. Auf DienstgeberInnenseite gibt es auf Basis der WKO-Wahlen 2014 im Verwaltungsrat und in der Hauptversammlung nur VertreterInnen des Wirtschaftsbundes

Haben Sie die Wahl des Vorsitzenden der Hauptversammlung bewusst so kons­truiert, dass sie nicht vollziehbar ist?

17.  Welche Logik steckt hinter der gesetzlichen Anordnung, dass in der ÖGK in den ersten 15 Monaten ein/e Arbeitgeber/in Obmann/Obfrau ist?

18.  Sehen Sie ein Problem darin, dass der ÖVP-nahe Wirtschaftsbund auf Grund des Wahlergebnisses der WKO im Verwaltungsrat und in der Hauptversamm­lung der ÖGK, der PVA und der AUVA alle Mandate auf DienstgeberInnenseite, die von der WKO zu entsenden sind, erhält?


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19.  Sehen Sie ein Problem darin, dass in der ÖGK, der PVA und AUVA, in denen
7 Millionen ArbeitnehmerInnen und ihre Angehörigen versichert sind, ohne Ein­verständnis des Wirtschaftsbundes kein einziger Beschluss gefasst werden kann?

20.  Warum müssen die Obleute der ÖGK und PVA halbjährlich rotieren, während dies bei den anderen Trägern (BVAEB, AUVA) nicht der Fall ist?

21.  Halten Sie es aus der Managementperspektive für vorteilhaft, dass im Dach­verband innerhalb von 5 Jahren 7 verschiedene Vorsitzende diese Funktion ausüben?

22.  Würden Sie so ein Modell generell auch für private Konzerne und andere we­sentliche öffentliche Bereiche vorschlagen?

23.  Auf welchen Beurteilungen beruhen die Bestimmungen, dass der Dachverband Entscheidungen treffen soll, für deren Vorbereitung er keine Zuständigkeit hat und mangels eines Weisungszusammenhangs auch nicht lenkend eingreifen kann?

24.  Welche Aufgaben werden Sie dem Dachverband zuordnen, um die Leistungs­unterschiede zwischen den zukünftig drei Krankenversicherungs-systemen zu harmonisieren?

25.  Derzeit sind in den Gremien der PVA, der AUVA und der 9 GKK 302 FSG-,
104 FCG-, 33 Freiheitliche AN- und 13 Grüne AN-Mandate vergeben. Die FSG verliert künftig 240 (79 Prozent), die FCG 23 (22 Prozent) die Freiheitlichen AN 24 (73 Prozent) und die Grünen 13 (100 Prozent) der Mandate. Ist Ihnen be­wusst, dass durch die Verkleinerung der Gremien die demokratische Breite der Arbeiterkammerwahlen verloren geht.?

26.  Entspricht es den Tatsachen, dass ehrenamtliche VersichertenvertreterInnen mit max. 42 Euro Sitzungsgeld durch einen zweiten Generaldirektor in der ÖGK – vermutlich in Zukunft besetzt durch eine der FPÖ zuzuordnenden Person – mit einer monatlichen Gage von rund 11.000 Euro ersetzt werden?

27.  Finden Sie es zweckmäßig, dass der gesamtvertragliche Ärztestellenplan und die Änderung von Wochenendbereitschaftsdiensten für alle Regionen Öster­reichs zukünftig durch die Zentralstelle in Wien entschieden wird?

28.  Werden alle bestehenden regionalen Verträge von der ÖGK auch weiterhin durch­gehend regionsspezifisch verhandelt und vereinbart?

29.  Sind Sie sicher, dass europaweite Ausschreibungen von Gesundheitsprodukten und Dienstleistungen für 7 Millionen Versicherte in der Regel ein besseres Preis-Leistungsverhältnis erzielen als regionale Verträge?

30.  Wie hoch schätzen Sie das Einsparungspotenzial?

31.  Wie hoch beziffern Sie den Wertschöpfungsabfluss aus Österreich?

32.  Wie bewerten Sie die Studie von Prof. Schneider, der einen Wertschöpfungsab­fluss in der Höhe von 191 Millionen Euro pro Jahr für Oberösterreich errechnet hat?

33.  Welche Ableitungen treffen Sie bei einer Hochrechnung der Studienergebnisse auf das gesamte Bundesgebiet in der Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro?

34.  Können Sie ausschließen, dass viele externe Beratungsfirmen an den geplan­ten Megafusionen unkoordiniert mitarbeiten und damit Beitragsgelder verschwen­det werden?

35.  Wird auch die Firma Deloitte, bei der Sie selbst in der Vergangenheit be­schäftigt waren, Aufträge in Bezug auf die Fusionsberatung oder zur Wirt­schaftsprüfung erhalten?

36.  Wird im Zusammenhang mit der Fusion der SVA und SVB der ehemalige Dienstgeber des derzeitigen Leitenden Angestellten der SVA, die Firma Accen­ture, Aufträge erhalten?


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37.  Informationen zu Folge sollen Bedienstete einiger SV-Träger am Zustandekom­men des Gesetzestextes mitgewirkt haben. Um welche Träger und um welche Bedienstete handelt es sich dabei?

38.  Können Sie bestätigen, dass auch Bedienstete der Industriellenvereinigung an dem Zustandekommen des Gesetzestextes beteiligt waren?

a. Um welche Personen handelt es sich dabei?

39.  Das Prüfpersonal der SV wird dem BMF "zugewiesen". Die Dienstordnung der SV kennt diesen Begriff nicht – kann also davon ausgegangen werden, dass für diese Personen das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz gilt?

40.  Das BMF übernimmt die Beitragsprüfungen nur von der ÖGK; wieso bleibt die Beitragsprüfung bei der BVAEB und der SVS bei diesen Trägern und wird nicht von der Finanz übernommen?

a. Wie wird dies systemisch gerechtfertigt?

b. Entspricht dies dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Gleichheits­gebot?

41.  Der Rechnungshof hat in seinen Prüfungen festgestellt, dass die Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) effizient und effektiv ist. Wieso wird die GPLA in Hinkunft nur mehr durch die Finanz durchgeführt?

a. Ist dies unter Beachtung der Selbstverwaltung verfassungsrechtlich zu­lässig?

b. Wie wird dies im Einzelnen begründet?

42.  Wie wird sichergestellt, dass bei der Finanz das Anspruchslohnprinzip in der Prüfung zur Anwendung kommt und die Versicherten weiterhin die Sicherheit haben, dass ihre Beitragsgrundlagen entsprechend korrigiert werden?

43.  Wie haben sich die Ergebnisse der SV-Prüferlnnen und der Finanz-Prüferlnnen insgesamt gemessen an den durch den GPLA-Beirat festgesetzten Zielwerten in den Jahren 2010 bis 2017 entwickelt?

44.  Stimmt es, dass die SV-Prüferlnnen in den Jahren 2010 bis 2017 gesamt ein besseres Mehrergebnis bringen, als die Finanz-PrüferInnen erbringen und um wie viel besser ist das Mehrergebnis der SV-PrüferInnen?

45.  Stimmt es, dass die SV-Prüferlnnen in den Jahren 2010 bis 2017 ein besseres pro Kopf Mehrergebnis bringen als die Finanz-PrüferInnen und um wie viel bes­ser ist das pro Kopf Mehrergebnis der SV-PrüferInnen?

46.  Wäre es aufgrund der finanziellen Mehrergebnisse naheliegender den neuen Prüfdienst in die SV zu integrieren?

47.  Die ÖGK hat dem neuen Prüfdienst für die geleisteten Prüfungen ein Entgelt zu leisten; wieso ist eine derartige Entgeltleistung für die Kommunen nicht vorge­sehen?

48.  Wie viele GPLA-Prüferlnnen (in Vollzeitbeschäftigungsäquivalenten) sollten laut GPLA-Beirat pro Organisation (Finanz und Sozialversicherung) tätig werden?

49.  Wie viele GPLA-Prüferlnnen der Finanz und wie viele GPLA-Prüferlnnen der Krankenversicherungsträger (GKK und VAEB) waren 2016 tätig (in Vollzeitbe­schäftigungsäquivalenten)?

50.  Ist es richtig, dass ein/e Arbeitnehmer/in der über einen Zeitraum von fünf Jah­ren monatlich um 100 Euro unterentlohnt wird, mit einer um jährlich 140 Euro niedrigeren Pension zu rechnen hat?

51.  Die Finanz erzielt regelmäßig deutlich schlechtere Ergebnisse bei der GPLA. Wie erklären Sie den österreichischen Arbeitnehmerlnnen, dass ihr Anspruchs­lohn zukünftig nicht in der bisherigen Qualität kontrolliert werden wird und sie weniger Pension erhalten werden?

52.  Ist es zutreffend, dass die ÖGK in Hinkunft keine Feststellungen im Rahmen von Erhebungen zum Lohn- und Sozialdumpingverstoß durchführen kann und wie wird dies begründet?


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53.  Wer wird zukünftig eine Anzeige wegen Unterentlohnung nach dem zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) vornehmen, wenn ein/e Ar­beitnehmer/in eine zu geringe Entlohnung und eine zu geringe Beitragsgrund­lage bei der ÖGK reklamiert und keine Prüfung durch die Abgabenbehörde statt­findet?

54.  Wem kommen die (Amts-)Parteirechte im Verwaltungsstrafverfahren zu?

55.  Die Mehrzahl der österreichischen ArbeitgeberInnen entlohnen ihre Arbeitneh­merInnen rechtskonform und führen auch die Beiträge zur Sozialversicherung ordnungsgemäß ab. Wie erklären Sie diesen redlichen ArbeitgeberInnen den Kontrollverlust bei den „schwarzen Schafen" und die damit einhergehende Wett­bewerbsverzerrung?

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Klubobfrau Rendi-Wagner als erster Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsord­nung eine Redezeit von 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Frau Abge­ordnete, bitte.


15.01.33

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerinnen! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Sozialdemokratie gibt es in der Politik eine sehr einfache Richt­schnur, nämlich die Frage: Machen wir das Leben für die Menschen leichter oder eben nicht? Machen wir das Leben der Menschen gerechter oder nicht? – Man muss es nicht gleich so heftig wie Willy Brandt ausdrücken, der einmal gesagt hat: „Die ganze Politik soll sich zum Teufel scheren, wenn sie nicht dabei hilft, das Leben der Men­schen etwas einfacher zu machen.“ (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Im Grunde geht es aber genau darum: Den Menschen Möglichkeiten und Chancen zu bieten und ihr Leben besser und gerechter zu gestalten – zur Ausschöpfung der eige­nen persönlichen Potenziale. Das ist unsere Aufgabe. Dazu gehört auch, sehr geehrte Damen und Herren, dass Menschen gesund sind, dass sie gesund bleiben und schnell gesund werden, wenn sie krank sind. Wir haben die Verantwortung und die Aufgabe, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um das zu ermöglichen. Denn: Wenn ein Mensch krank ist, ist es egal, ob er Angestellter, Arbeiter, Beamter, Politiker, Bauer oder Selbstständiger ist; alle diese Menschen sind gleich krank und müssen die gleichen Chancen darauf haben, sehr geehrte Damen und Herren, wieder gesund zu werden. Genau das ist unsere Aufgabe, vor allem Ihre Aufgabe, Frau Bundesministerin für Gesundheit! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Als Politikerinnen und Politiker ist es also unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, die Chan­cen auf Gesundheit für alle gleich zu gestalten. Das bedeutet auch, sich darum zu kümmern, die beste und modernste Gesundheitsversorgung für alle zur Verfügung zu stellen. Wir wissen genau, dass das gar nicht mehr so einfach ist, vor allem auf dem Land. In den ländlichen Regionen ist es nicht mehr so einfach, in allen Gemeinden Hausärzte zu finden. Es ist nicht mehr so einfach, Fachärzte wohnortnah zu finden – in manchen Regionen ist das keine Selbstverständlichkeit mehr.

Genau deshalb bin ich auch als ehemalige Gesundheitsministerin davon überzeugt: Ja, wir müssen in unserem Gesundheitssystem laufend Veränderungen vorantreiben, lau­fend Weiterentwicklungen vornehmen. Wir müssen auf die Herausforderungen der Zeit reagieren, weil es unsere Pflicht den acht Millionen Österreicherinnen und Österrei­chern gegenüber ist. Das ist die Aufgabe der Politik. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die acht Millionen Menschen dieses Landes und ihre Leistungen sind nicht zuletzt auch die Grundlage des Erfolgs dieses Landes – des wirtschaftlichen Erfolgs, des so­zialen Zusammenhalts, des Miteinanders. Wenn aber dieser Erfolg gemeinsam erar­beitet ist, dann haben auch alle das Recht, von diesem Erfolg zu profitieren, und zwar durch ordentliche Löhne, durch gute Ausbildung, Schulbildung und nicht zuletzt durch die beste Gesundheitsversorgung. (Abg. Belakowitsch: Das liegt alles im Argen, nach jahrzehntelanger sozialistischer Politik!)

Damit ist für mich auch klar, wie ich mir eine Gesundheitsversorgung nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft vorstelle, nämlich modernste Behandlungsmethoden und Therapien für alle Menschen dieses Landes, kürzere Wartezeiten auf Operationen, Un­tersuchungen und Behandlungen, mehr Prävention und Gesundheitsförderung vor al­lem im Kinder- und Jugendbereich, eine optimale Versorgungssituation auch und ge­rade im ländlichen Bereich, nämlich wohnortnah, dort, wo die Menschen leben und ar­beiten und es brauchen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – und das, sehr geehrte Damen und Herren, für alle Menschen dieses Landes, und zwar unabhängig davon, wie dick ihre Brieftasche ist oder bei welcher Krankenkasse sie versichert sind. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Das sind unter anderem die Leitlinien, an denen wir jeden politischen Vorschlag mes­sen, unsere eigenen Vorschläge, aber natürlich umso mehr Ihre seitens der Regierung. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, dann werden wir jedem Vorschlag zustimmen, dann werden wir bei jedem Vorschlag, den Sie machen, dabei sein. Es ist also am Ende eine Entscheidung der Regierung, ob wir ein Gesetz mittragen oder eben nicht. Wir haben aber eine Bedingung dabei: Es muss im Interesse der Menschen dieses Landes sein, und jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, sein Leben dahin gehend zu verbes­sern. – Das ist unsere Bedingung, die wir für unsere Zustimmung hier stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Allerdings, sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung, wenn wir genau diese Leitli­nien, diese Richtschnur an Ihr Gesetz, an Ihre Vorschläge, die Sie heute auf den Tisch gelegt haben, anlegen, dann müssen wir eines ganz klar und leider auch sehr schnell feststellen: Es wird nichts besser in diesem Land – ganz im Gegenteil. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Es gibt wohl ein paar Profiteure dieser Reform – welchen Namen sie auch immer am Ende trägt –, aber die Profiteure sind keine Patientinnen und Patien­ten. Die Profiteure sind keine Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, auch keine Ärztinnen und Ärzte. (Abg. Belakowitsch: Und schon gar nicht die Funktionäre!)

An die größte Ungerechtigkeit in unserem System haben Sie wohl auch nicht gedacht, nämlich an die ungleichen Leistungen in der Gesundheitsversorgung, die die Men­schen erhalten, je nachdem, bei welcher Krankenkasse sie versichert sind. Sie wissen so gut wie ich: Die Leistungsharmonisierung, von der Sie sprechen, ist eine reine Leis­tungsharmonisierung innerhalb der Gebietskrankenkassen. Und Sie wissen auch so gut wie ich, dass diese Harmonisierung bereits weit vor Ihrer Zeit als Ministerin (Zwi­schenruf des Abg. Deimek), nämlich in der Zeit, als ich Gesundheitsministerin war, be­gonnen hat und so gut wie abgeschlossen war. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.)

Die größte Ungerechtigkeit aber sind die Ungleichheiten zwischen den Gesundheits­leistungen der Versicherten der Gebietskrankenkassen und jenen der Beamtenkran­kenkassen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Genau diese größte Ungerechtig­keit greifen Sie mit dieser Reform nicht an! (Ruf bei der FPÖ: Der Stöger hat das nicht gemacht! – Abg. Leichtfried: Unerhört!)

Geht es nach Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin Hartinger-Klein, dann wird der bereits erwähnte Bauarbeiter im Burgenland niemals die gleiche Gesundheitsleis­tung erhalten wie ein Beamter in Wien, in Oberösterreich (Abg. Deimek: Fragen Sie


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doch den Herrn Stöger!) oder in Vorarlberg oder wie Sie als Politikerinnen und Politi­ker. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Das ist aus unserer Sicht keine Gerechtigkeit, wie ich sie mir vorstelle. Ich sage Ihnen noch etwas (Abg. Belakowitsch: Sie haben aber auch nicht für Gerechtigkeit ge­sorgt!): Diese Ungerechtigkeit wird durch Ihr Gesetz in Stein gemeißelt! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und genau dafür werden wir uns nicht aussprechen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir Vorschläge in der Politik erarbeiten, dann ist doch immer die Frage: Für wen und wozu? Wer soll am Ende davon profitieren? Und ich frage mich, an welche Men­schen Sie bei der Erarbeitung dieses Gesetzesvorschlags gedacht haben. (Abg. Gu­denus: An die Funktionäre!) An welche Menschen in den Wartezimmern haben Sie ge­dacht, an welche Krankenpfleger in den Krankenhäusern dieses Landes (Abg. Gude­nus: Reden Sie vom roten Wien!), an welche Patienten, die mit Schmerzen ins Spital oder zu ihrem Hausarzt fahren und oft wochenlang auf Termine warten? (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Haben Sie an die sieben Millionen Versicherten der Gebietskran­kenkassen gedacht (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, die aus meiner und unserer Sicht die größten Verlierer dieser Reform sind? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Leichtfried.)

Es wäre nur fair und ehrlich von Ihnen, heute hier zu sagen: An diese Menschen habe ich nicht gedacht, als ich das Gesetz geschrieben habe. (Rufe bei der FPÖ: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sehen Sie, das ist genau der Unterschied zwi­schen dieser Bundesregierung und uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten (Abg. Gudenus: Die haben immer nur an Funktionäre gedacht!), nämlich das Men­schenbild, sehr geehrte Damen und Herren! Wir glauben an die Menschen dieses Lan­des! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Zwischenrufe der Abgeordneten Be­lakowitsch und Gudenus.)

Wir glauben an die Menschen. Wir glauben an ihre Fähigkeiten, wir glauben an die Möglichkeiten und wir glauben an die Chancen. (Abg. Gudenus: Hauptsache, das Par­teibuch ist da!) Wir sind die, die dafür verantwortlich sind, diese Chancen so groß wie möglich zu machen, und dazu gehört es auch, gesund zu sein und gesund zu bleiben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Ihre Vorschläge aber liefern heute keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit, keine Antworten auf den Ärztemangel am Land (Zwischenruf des Abg. Gudenus), keine Antworten zur Reduktion der Wartezeiten (Zwischenrufe bei der FPÖ), die sich verschärfen, keine Antworten auf den Leistungsausbau, der in vielen Bereichen not­wendig wäre, keine Antworten auf - - (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wollen Sie hierherkommen und weiterreden? (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sie können gerne herauskommen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Abg. Haider: Jahrzehntelanges SPÖ-Versagen! – Abg. Gudenus: ... bis vor zehn Monaten rote Minister! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich darf bitten, die emotionalen Äußerungen etwas zurückzunehmen! Die Frau Klubobfrau ist am Wort. (Abg. Neubauer: Die Rednerin auch! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)


Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Vielen Dank, Herr Präsi­dent! Ihre Vorschläge liefern keine Antwort auf die demografische Entwicklung dieses Landes und die damit verbundene Zunahme chronischer Erkrankungen, die Zunahme der Pflegebedürftigkeit – das war vorhin auch gerade ein großes Thema. Ja, Sie blei­ben die Antworten schuldig. Es ist Ihr gutes Recht, diese Politik zu machen, Frau Bun­desministerin, aber es ist auch unsere Verpflichtung, zu sagen, dass wir diese Politik


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sicher nicht unterstützen werden. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Bravorufe bei der SPÖ.)

Es ist auch Ihr gutes Recht, Frau Bundesministerin, Politik für einige, ganz wenige gro­ße Unternehmen dieses Landes zu machen, aber es ist auch unsere Verpflichtung, darauf hinzuweisen, dass die Erfolge dieser Unternehmen und der Wirtschaft – die Er­folge unseres Landes – substanziell von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Unternehmen mit geschaffen werden. Dazu gehört es auch, gesund zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Interesse und quasi im Auftrag von acht Millionen Österreicherinnen und Österreichern lehnen wir dieses Gesetz aus Überzeugung ab. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek. – Abg. Haider: So viele haben wir ja gar nicht!)

Unser Gesundheitssystem ist gut, aber es muss laufend verbessert und weiterentwi­ckelt werden, und es muss laufend gerechter werden. Genau das erwarte ich mir von Ihnen, Frau Gesundheitsministerin dieser Republik! Ich bin mir sicher, das erwarte nicht nur ich, sondern das erwarten auch die Menschen, die im Gesundheitssystem ar­beiten. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das sind die Pflegerinnen und Pfleger, die Therapeuten, die medizinisch-technischen Assistenten bis hin zur Sprechstundenhilfe (Zwischenruf des Abg. Neubauer), also jene, die 24 Stunden sieben Tage die Woche 52 Wochen im Jahr alles tun, um Patientinnen und Patienten gut zu versorgen. (Abg. Deimek: Ja, weil die haben nicht mal ordentliche KVs! ... Katzian!)

Auch in ihrem Namen – im Namen der Menschen, die in diesem Gesundheitssystem arbeiten – lehnen wir Ihre Vorschläge ab, weil auch für diese Menschen Ihre Vorschlä­ge nichts verbessern werden, an ihrer Arbeit werden sie nichts leichter machen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe am Beginn der Rede Willy Brandt zitiert, dass Politik „das Leben der Menschen [...] einfacher zu machen“ hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie machen es den Menschen schwerer, und genau deswegen lehnen wir diesen Vorschlag ab. – Danke schön. (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Zadić.)

15.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die SchülerInnen des BRG aus dem 23. Bezirk recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste ist Frau Bundesministerin Hartinger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.16.12

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Zuschauer auf der Galerie und vor den Fernsehern! Sehr geehrte Frau Klub­obfrau – sehr geehrte ehemalige Gesundheitsministerin! Das Wort Zerstörung ist ver­antwortungslos, verantwortungslos gegenüber der österreichischen Bevölkerung. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.) Es schürt Ängste, wo keine Angst ist. (Zwischenruf des Abg. Jarolim. – Abg. Leichtfried: Wer ist verantwortungslos, der, der das anspricht, oder der, der das Problem macht?) Ich möchte schon fragen: Welches Gesundheitssystem haben Sie mir überlassen? – Anscheinend sind wir jetzt wieder per Sie. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte nur eine Zahl herausstreichen (Zwischenruf des Abg. Jarolim): Als Ge­sundheitspolitikerin weiß man (Zwischenruf des Abg. Höbart), dass es ein Ziel ist, dass die Bevölkerung gesund alt wird. Ja, da ist Österreich im europäischen Schnitt weit unten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Was haben Sie getan? Was haben


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Sie getan, dass ein Tiroler gesund älter wird als ein Burgenländer? (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.– Ja, anscheinend nichts, denn sonst hätten wir nicht diese Zah­len!

Wir können der Bevölkerung Positives berichten und können nun - - (Unruhe und Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte Sie, ge­nauso wie zuerst die Rednerin jetzt auch die Frau Ministerin zur Beantwortung der Fra­gen ausreden zu lassen! (Abg. Wittmann: Man kann doch so einen Blödsinn nicht un­kommentiert lassen! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)


Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Wir können der Bevölkerung Positives be­richten und können nun, wo wir das Ruder übernommen haben, mit Zuversicht in das österreichische Gesundheitssystem schauen, welches nachhaltig gesichert und ver­bessert wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben Mut zur Veränderung. Wir haben Elga aus dem Tiefschlaf erweckt (Zwi­schenruf bei der SPÖ), den E-Impfpass entschieden, der zwölf Jahre unter Rot nur dis­kutiert wurde. Die E-Medikation, die jahrelang in der Luft hing, haben wir bereits im Jänner bodenfest gemacht, und die Umsetzung geht zügig voran. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Vor Kurzem ging das Ärztepaket in Begutachtung, die Ärzteanstellung ist nun möglich, die Palliativpatienten können nun wirklich schmerzfrei versorgt werden, ohne dass Ärzte Angst haben müssen, für ihre Menschlichkeit ins Gefängnis zu wandern. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Die Notarztversorgung stellen wir sicher, die Pa­tientenverfügung ist praktisch fertig, Kliniksuche.at ist fertig – endlich können die Ös­terreicher in Qualitätsmerkmale der Krankenhäuser Einsicht nehmen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Telemedizin wird unter meiner Führung Realität, da können Sie sich noch überraschen lassen.

Nun zu Ihren unhaltbaren Vorwürfen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), zu den Vor­würfen, deren Haltlosigkeit gerade Sie als Gesundheitsexpertin wirklich kennen sollten (Zwischenruf des Abg. Deimek) – das ist eigentlich sehr enttäuschend für mich (Beifall bei FPÖ und ÖVP) –: Es gibt einen Unterschied zwischen Krankenhausversorgung und dem niedergelassenen Bereich. Jede Gesundheitseinrichtung bleibt in vollem Leis­tungsumfang bestehen.

Wie kommen Sie auf die absurde Idee, dass eine Strukturbereinigung die Qualität der Leistungen beeinträchtigen soll? Im Gegenteil, ganz im Gegenteil: Verwaltungshürden, unnötige Redundanzen des Systems können endlich transparenter gemacht werden. Dies kommt dem österreichischen Steuerzahler zugute und natürlich jedem Patienten und jeder Patientin. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir sind für weniger Funktionäre, deren Tätigkeit ohnehin für die Bevölkerung zum Teil nicht nachvollziehbar war (Zwischenruf des Abg. Höbart), dafür sind wir für mehr Leis­tungen für den Patienten. (Abg. Leichtfried: Sie könnten das aber auch schon än­dern!)

Aber nun zum Gesundheitssystem, das die SPÖ uns überlassen hat: Meine Damen und Herren, die Gesundheitsausgaben in Österreich sind höher als in den meisten an­deren EU-Ländern. Im Jahr 2015 gab Österreich 3 808 Euro pro Kopf für die Gesund­heitsversorgung aus, ungefähr 1 000 Euro mehr als im Durchschnitt im gesamten EU-Bereich. Ungefähr drei Viertel der Gesundheitsausgaben werden aus den öffentlichen Mitteln finanziert. Aber – und jetzt kommt es –: Der Anteil der Zahlung der privaten Haushalte ist mit 18 Prozent höher als in den anderen EU-Ländern mit hohen Einkom­men, wie zum Beispiel in Dänemark, Deutschland oder den Niederlanden. Also wer hat denn da eine Privatisierung und eine Zweiklassenmedizin gefördert? – Sie haben das gemacht! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Die Europäische Kommission hat eine Studie herausgegeben, wo deutlich Defizite des österreichischen Gesundheitssystems sichtbar sind. Auch da wird darauf hingewiesen: Die „starke Fragmentierung der organisatorischen und finanziellen Struktur des öster­reichischen Gesundheitssystems“ ist ein „charakteristisches Merkmal“, das es gilt zu lösen, gesundheitspolitisch zu lösen. (Abg. Rendi-Wagner: Ja, aber richtig!) Sie haben das nicht gemacht! „Insbesondere die anhaltende Trennung von Verwaltungs- und Fi­nanzierungsverantwortlichkeiten weist darauf hin, dass es weiteren Spielraum zur Stärkung der Steuerung und der Lenkungsfähigkeit des Systems gibt [...]. Wir setzen das alles um, damit das gewährleistet wird.

Der Studie Euro Health Consumer Index zufolge waren wir 2009 auf Platz vier. Und 2017? Frau Gesundheitsminister a. D., Sie wissen, wo wir sind: auf Platz 11, also wir sind weit heruntergerutscht. Das war Ihre Politik! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Angst ist ein Hilfeschrei – und offenbar fällt Ihnen außer Angstmache nichts mehr ein. (Abg. Leichtfried: Das ist eine äußerst schwache Rede! Wer die geschrieben hat?!)

Dass wir jetzt mit der Ärzteverteilung in Österreich ein Problem haben, ist der Ignoranz der SPÖ gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen zu verdanken. Jahrelang hat man diese Entwicklung am Horizont gesehen, gehandelt wurde nicht. Wir haben heute 2 588 Allgemeinmediziner und 3 718 Wahlärzte, das sind um 40 Prozent mehr Wahl­ärzte als Kassenärzte. Wer hat das zugelassen? Warum haben Sie das gemacht? Sie haben die Zweiklassenmedizin gefördert! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf: So ist es! – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Sie wundern sich nun, dass es keine Allgemeinmediziner mehr im Land gibt. Ich glau­be, Sie haben die Zeichen der Zeit einfach verschlafen. Der Patient wurde von der SPÖ herumgereicht, er wurde von der SPÖ zum Drehtürpatienten gemacht, er wurde degradiert. Wir wollen hier die nötige Führung geben, das heißt, wir wollen, dass er ge­zielt dort behandelt wird, wo es für ihn am besten ist.

Der nächste Vorwurf: schlechte Vorbereitung. (Abg. Vogl: Können Sie nicht einfach die Fragen beantworten?! – Abg. Neubauer: Das ist schon wichtig, das Versagen aufzu­zeigen!) Bekanntlich hat der Ministerrat am 23. Mai 2018 die Grundsätze der vorliegen­den Strukturreform beschlossen. Unmittelbar danach habe ich in meinem Ministerium eine Arbeitsgruppe eingesetzt (Abg. Schieder: Fragen beantworten!), deren Aufgabe es war, den Gesetzentwurf und die dazugehörigen Fragen detailliert auszuarbeiten. Mein Ressort war somit fünf Monate intensiv mit der Erarbeitung - - (Abg. Schieder: Können wir zu den Fragen kommen, bitte?!) – Das kommt schon noch! – Mein Ressort war fünf Monate intensiv mit der Strukturreform befasst. Mit diesen Arbeiten waren na­türlich auch externe Experten befasst. (Abg. Schieder: Das ist eine Anfrage! – Abg. Leichtfried: Aber nicht herunterratschen wie der Kickl!)

Zum Vorwurf der Kassenzentralisierung: Ich darf daran erinnern, dass wir derzeit be­reits vier bundesweite zentral organisierte Träger haben, nämlich die Pensionsver­sicherung, die SVA und die SVB. Diese Organisationsform hat sich sehr, sehr gut be­währt. Nur in der Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten haben wir einen Fleckerlteppich, was zur Folge hat, dass in jedem Bundesland unterschiedliche Leis­tungen erbracht werden, obwohl für alle das gleiche Beitragsrecht gilt. (Abg. Schieder: Die Fragen, bitte!) Diese Ungleichbehandlung wollen wir nun für Arbeiter und Ange­stellte beseitigen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum Vorwurf des Etikettenschwindels und der drittklassigen Medizin (Abg. Schieder: Es ist eine Anfrage!): Die Klassenmedizin haben Sie eingeführt, indem Sie die Verän­derung, nämlich von den Kassenärzten hin zu Wahlärzten, unterstützt haben. Unser Ziel im Rahmen der österreichischen Gesundheitskasse ist es, einheitliche medizini-


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sche Leistungskataloge auf dem letzten Stand der Wissenschaft zu erstellen. (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.) Es soll genau geregelt sein, was im stationären Be­reich und was im semistationären und was im niedergelassenen Bereich gemacht wird. Weiters sind auch die Honorarkataloge so zu erstellen, dass es Anreize für die Ärzte gibt, Kassenarzt zu werden, und entsprechend mehr Zeit für den Patienten zur Verfü­gung steht. Das ist eines unserer Hauptziele: dass der Patient wirklich nicht mehr war­ten muss und dass er optimal versorgt wird. (Abg. Schieder: Zu den Fragen jetzt, bit­te! – Abg. Leichtfried: Die 20 Minuten wären um! – Abg. Wöginger: Das ist eine Soll­zeit!) – Danke, Herr Klubobmann! (Abg. Schieder: Zur Beantwortung der Fragen! – Abg. Wöginger: Die wird sie schon machen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf zur Kenntnis bringen: Das ist eine Soll­zeit, und die Beantwortung der Fragen kann auch schriftlich erfolgen. (Abg. Schieder: Die Frau Ministerin ist hier zur Beantwortung der Fragen!)

Die Beantwortung der Fragen kann nach der Geschäftsordnung schriftlich erfolgen. (Abg. Schieder: Dann muss man aufhören, Parlament zu ...!) – Nein, dann muss man die Geschäftsordnung ändern. (Abg. Schieder: Dann muss man einmal lernen ...! Das ist ja eine Dringliche Anfrage, bitte! Da gibt es normalerweise Antworten ...! Die Regie­rung hat Antworten zu geben! – Abg. Povysil: Die Frau Ministerin ist am Wort! – Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)


Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Zu den finanziellen Erläuterungen - - (Abg. Schieder: Dann soll sie gleich alles schriftlich abgeben! – Abg. Wöginger: Wenn du bei deinen Ministern auch so kritisch gewesen wärst! – Präsident Sobotka gibt das Glo­ckenzeichen. – Ruf: Ich wünsche mir den Karlheinz Kopf zurück! – Weitere Zwischen­rufe. – Abg. Haider: Die eigenen Verfehlungen hört man nicht so gern, gell? Das gefällt euch nicht!) – Herr Präsident, bitte!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf ersuchen, wieder etwas Nüchternheit einkehren zu lassen. Die Frau Minister ist am Wort.


Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Zu den finanziel­len Erläuterungen: Wir haben uns die Kritik des Rechnungshofes natürlich zu Herzen genommen und die finanziellen Erläuterungen umgearbeitet.

Zur Strukturreform: Das vieldiskutierte Einsparungspotenzial von 1 Milliarde Euro kann durch die Reduktion beim Personal- und Sachaufwand von insgesamt 30 Prozent bis 2023 lukriert werden. Durch das Zielsteuerungssystem wird sichergestellt, dass durch die Effizienzsteigerung frei werdende Mittel für die Leistungen zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden durch geringere Kosten im IT-Bereich sowie die Zusam­menlegung der Rechenzentren und Druckstraßen Einsparungen ermöglicht.

Zum Vorwurf, Geld wird dem Gesundheitssystem entzogen und Großkonzernen und Privatversicherungen geschenkt: Das ist nicht wahr, dass die Kosten für die Behand­lungen von Arbeitsunfällen den Kassen nicht mehr ersetzt werden. Lesen Sie bitte die Regierungsvorlage! Die Pauschalzahlung wird auf Einzelabrechnung umgestellt. Das bedeutet, dass die AUVA die tatsächlich im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen ent­standenen Kosten der ÖGK ersetzt.

Zu den Fusionskosten: Mich wundert, dass die Opposition die Fusionskosten bereits jetzt kennt. Außer der Opposition weiß zu diesem Zeitpunkt niemand, wie hoch diese Kosten tatsächlich sind, weil das die Entscheidung der Selbstverwaltung ist. (Abg. Drozda: Die hat der Rechnungshof ...!)

Zu den kolportierten Leistungsverschlechterungen: Die Opposition soll mir zeigen, wo im Sozialversicherungs-Organisationsgesetz ins Leistungsrecht der Krankenversiche-


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rung eingegriffen wird. (Abg. Knes: Rechnungshof!) Ich kann solch eine Bestimmung nicht finden, denn von der Leistung kann in dieser Organisationsreform nicht die Rede sein. Diese werden weiterhin von der Selbstverwaltung definiert.

Zum Vorwurf, Arbeitgeber entscheiden über die Leistungen der Arbeitnehmer: Ich glau­be, es ist im Sinne der Sozialpartnerschaft, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln und diesen Grundsatz auch in der Selbstverwaltung widerzuspiegeln. Bisher hatten die Dienstnehmer im Vorstand die Mehrheit und die Dienstgeber in der Kontrollversamm­lung. Im neuen Verwaltungsrat haben Dienstnehmer und Dienstgeber das gleiche Ge­wicht.

Zum Vorwurf, es werden Selbstbehalte eingeführt: Am System der Selbstbehalte än­dert sich nichts. Es werden keine neuen Selbstbehalte für Arbeiter und Angestellte ein­geführt.

Leistungen kürzen: Wie schon vorher gesagt, findet sich im ganzen Gesetz keine Be­stimmung für eine Leistungskürzung.

Was das Privatisieren von Gesundheitseinrichtungen betrifft: Ich werde keine Gesund­heitseinrichtung privatisieren. Dies ist sogar ausdrücklich im Gesetz normiert.

Aus der Patientenmilliarde wird eine Zentralisierungsmilliarde.

Der Verwaltungsaufwand, wie ihn die Opposition darstellt, ist unvollständig. (Abg. Knes: Rechnungshof!) In Wahrheit ist der Verwaltungsaufwand in der österreichischen So­zialversicherung wesentlich höher. Derzeit werden bestimmte Aufwendungen, zum Bei­spiel für die Kosten der chefärztlichen Dienste, den Leistungen der Krankenversiche­rung zugerechnet und nicht den Verwaltungsaufwendungen.

Die Beitragsprüfer wandern zur Finanz: Es gibt derzeit schon eine gemeinsame Prü­fung von Gebietskrankenkassen und Finanz. In Hinkunft prüft nur mehr die Finanz. Die Letztentscheidung trifft aber immer die Österreichische Gesundheitskasse.

Zur Behauptung, die Selbstverwaltung werde in weiteren Teilen ausgeschaltet: Die Selbstverwaltung wird keinesfalls ausgeschaltet, sie wird nur verkleinert. Durch die Re­duktion der Träger wird auch die Selbstverwaltung logischerweise verkleinert.

Weiters gibt es den Vorwurf, der Hauptverband werde zerschlagen und solle sieben unterschiedliche Vorsitzende in fünf Jahren haben: Der Hauptverband wird nicht zer­schlagen, sondern schlanker gemacht in einem Dachverband, und das angesprochene Rotationsprinzip hat sich auch in anderen Bereichen bewährt, siehe auch in der EU, im österreichischen Bundesrat und in deutschen Sozialversicherungen. (Abg. Vogl: Trai­nerbank! – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Wie in jedem anderen Konzern!)

Meine Damen und Herren! Wir als Regierung garantieren, dass jede Österreicherin und jeder Österreicher die Gesundheitsversorgung bekommt, die sie oder er braucht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und nun komme ich zur Beantwortung Ihrer Fragen. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... sechs Monate!)

Zur Frage 1:

Eine Leistungsharmonisierung innerhalb der Österreichischen Gesundheitskasse ist im Rahmen dieser Legislaturperiode vorgesehen.

Zur Frage 2:

Im Entwurf ist ein solcher sehr wohl vorgesehen, und zwar innerhalb der Österreichi­schen Gesundheitskasse.


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Zur Frage 3:

Die Patientenmilliarde setzt sich kumuliert über vier Jahre bis 2023 aus der Umsetzung von Effizienzmaßnahmen zusammen, etwa bei der Nichtnachbesetzung von Stellen von pensionierten Sozialversicherungsmitarbeitern oder bei geringeren Sachaufwen­dungen.

Zur Frage 4:

Ich werde jedenfalls keine zusätzlichen Belastungen billigen, zudem sind für diesen Bereich die Gremien der Sozialversicherung und damit die Dienstnehmer- und Dienst­gebervertreter zuständig.

Zur Frage 5:

Die endgültige Größenordnung der Fusionskosten werden von der Selbstverwaltung bestimmt, da sie über den Umfang der Ausgaben selbst bestimmen.

Zur Frage 6:

Den Fusionskosten stehen kurz-, mittel- und langfristig Effizienzsteigerungen gegen­über.

Zur Frage 7:

Durch das relativ hohe Durchschnittsalter der Bediensteten der Sozialversicherung ist in den nächsten Jahren mit vermehrten Pensionierungen zu rechnen, circa 30 Prozent in den nächsten fünf Jahren. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass es per Gesetz zu keinen fusionsbedingten Kündigungen kommen wird.

Zur Frage 8:

Eine moderne Verwaltung wird auch durch Effizienzsteigerungen erreicht, die durch die Strukturreform ermöglicht werden.

Zur Frage 9:

Es haben bereits Gespräche mit den Ländern stattgefunden. Mit den drei SPÖ-geführ­ten Bundesländern Wien, Kärnten und Burgenland, die den sogenannten Konsulta­tionsmechanismus ausgelöst haben, wurde ebenfalls schon ein Gespräch geführt. Die dabei vorgebrachten Bedenken wurden zerstreut und aufgelöst. Zu weiteren Gesprä­chen mit allen Gesundheitsreferenten wurde für November eingeladen.

Zur Frage 10:

Die in den Ländern anfallenden Kosten für die Krankenversicherung werden auf jeden Fall ersetzt, auch wenn es nur noch eine Österreichische Gesundheitskasse gibt. Die Leistungsverpflichtung bleibt uneingeschränkt aufrecht, da die bestehenden Verträge hinsichtlich medizinischer Leistung weiter gelten.

Zur Frage 11:

Es ist gesetzlich vorgesehen, das Beitrags- und Leistungsrecht innerhalb der beiden neuen Versicherungsanstalten zu vereinheitlichen. Beginnend ab 30. Juni 2020 wird mir halbjährlich über den Fortgang dieser Vereinheitlichung berichtet.

Zur Frage 12:

Die Österreichische Gesundheitskasse und PVA lassen sich mit der BVAEB nicht ver­gleichen. Die Dienstgeberstruktur der BVAEB ist eine andere als bei PVA und ÖGK. Außerdem ist der Dienstnehmeranteil an den Beiträgen in der BVAEB höher als der Dienstgeberanteil.


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Zur Frage 13:

Bisher konnten die Dienstgeber in der Kontrollversammlung blockieren. Auch da sind öfter Pattsituationen entstanden. An der Gesundheitsversorgung wird sich nichts än­dern, da Dienstnehmervertreter und Dienstgebervertreter sich ihrer wichtigen Aufgabe bewusst sind.

Zur Frage 14:

Nein. In Hinkunft wird ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer den Rechnungsabschluss der Träger prüfen.

Zur Frage 15:

Das Ergebnis einer Prüfung über den Rechnungsabschluss.

Zur Frage 16:

Ihre Berechnungen entsprechen nicht dem Wahlergebnis der entsprechenden Haupt­wahlkommissionen. Es sind jene Ergebnisse heranzuziehen, die offiziell verlautbart wur­den.

Zur Frage 17:

Irgendjemand muss anfangen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Zur Frage 18:

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Beantwortung der Frage 16. Zudem respektiere ich die demokratischen Wahlergebnisse der Kammern, egal wie sie aus­fallen.

Zur Frage 19:

Bisher war auch in vielen wesentlichen Angelegenheiten die Zustimmung der Arbeitge­bervertreter in der Kontrollversammlung notwendig.

Zur Frage 20:

Die Vorsitzrotation ist ein bewährtes Instrument, um den Interessenausgleich herzu­stellen. Das beweist dieses Hohe Haus mit dem Bundesrat immer wieder aufs Neue. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... rotiert die Ministerin alle halben Jahre!)

Zur Frage 21:

Ergänzend zu den vorhergehenden Beantwortungen darf ich hinzufügen, dass die deutsche Sozialversicherung sehr gute Erfahrungen damit hat.

Zur Frage 22:

Die Beantwortung dieser Frage liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich.

Zur Frage 23:

Die Vorbereitungen sollen dort getroffen werden, wo das meiste Know-how vorhanden ist.

Zur Frage 24:

Der Dachverband hat nach wie vor eine koordinierende Funktion und kann selbst über seine Aufgaben entscheiden.

Zur Frage 25:

Diese Schlussfolgerung ist nicht zutreffend. Wir halten am System d’Hondt fest. Dass sich die Zahl der Funktionäre verkleinert, ist Ziel der Strukturreform und ist in der Re­duzierung der Zahl der Versicherungsträger begründet.


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Zur Frage 26:

Die Stellen der künftigen leitenden Angestellten der Sozialversicherungsträger werden öffentlich ausgeschrieben, so wie das Gesetz es vorsieht.

Zur Frage 27:

Die Österreichische Gesundheitskasse wird natürlich die regionalen Bedürfnisse in Ab­sprache mit den Landesstellen berücksichtigen.

Zur Frage 28:

Die regionalen Besonderheiten werden auch in Zukunft ihre Berücksichtigung finden. Zudem darf ich wiederholt betonen, dass die Österreichische Gesundheitskasse Rechts­nachfolger der Gebietskrankenkassen ist.

Zu den Fragen 29, 30 und 31:

Das sind schon wieder Fragen, die zur Verunsicherung der Bevölkerung beitragen sollen. Dass die Beschaffung der Gesundheitsprodukte und Dienstleistungen in Zukunft europaweit ausgeschrieben werden muss, ist nicht korrekt. (Zwischenruf des Abg. Noll.)

Zu den Fragen 32 und 33:

Diese Studie wurde mir von Professor Schneider nicht zur Verfügung gestellt, daher kann ich sie nicht bewerten. Laut Mediendarstellung beruht sie allerdings rein auf mög­lichen Annahmen.

Zur Frage 34:

Ja, das kann ich ausschließen. Wenn das wirklich passiert, werde ich es in Ausübung des Aufsichtsrechts verhindern.

Das gilt auch für die Fragen 35 und 36. Ich vergebe derartige Aufträge nicht.

Zu den Fragen 37, 38 und 38a:

Verschiedene Experten haben ihr Wissen im Rahmen der Strukturreform eingebracht. An dieser Stelle auch mein persönlicher Dank an die Mitarbeiter meines Hauses.

Zur Frage 39:

Nein.

Zu den Fragen 40, 40a und 40b:

Von BVA, SVA und SVB werden derzeit keine Lohnsteuerprüfungen im Rahmen der GPLA durchgeführt. An diesem Grundsatz wird festgehalten.

Zu den Fragen 41, 41a und 41b:

Schon derzeit erfolgt eine gemeinsame Prüfung, und die Bündelung bei der Finanz soll die Effizienz weiter steigern.

Zur Frage 42:

Ich gehe davon aus, dass die geltende Rechtslage eingehalten wird. Die Sozialversi­cherung hat ein Recht, Prüfungen anzuregen.

Zu den Fragen 43, 44, 45 und 46:

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfragen NR 852/J, NR 306/J, NR 1473/J.

Zur Frage 47:

Diese Frage ist an das Finanzministerium zu stellen.


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Zur Frage 48:

250 Vollzeitäquivalente pro Organisation, also insgesamt 500 bundesweit.

Zur Frage 49:

2016 waren bei den Gebietskrankenkassen und der VAEB 52,89 Vollzeitäquivalente als GPLA-Prüfer tätig. Die Frage nach der Anzahl der GPLA-Prüfer der Finanz ist an das Finanzministerium zu stellen.

Zur Frage 50:

Die beschriebenen Umstände kann ich nicht bestätigen.

Zur Frage 51:

Es wird zu keinem Qualitätsverlust kommen.

Zu den Fragen 52, 53 und 54:

Im Sinne des Bundesgesetzes über die Überprüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge, das auch heute im Ministerrat beschlossen wurde, erfolgt die Sozialversiche­rungsprüfung für die ÖGK durch den Prüfdienst der Finanz.

Zur Frage 53:

Soweit es Arbeitnehmer betrifft, die nicht dem ASVG unterliegen, erfolgt die Anzeige wie bisher durch das Kompetenzzentrum LSD-BG bei der ÖGK. Für die Arbeitnehmer im Sinne des ASVG erfolgt die Anzeigelegung durch den Prüfdienst der Finanz.

Zur Frage 54:

Der Prüfdienst stellt die Unterentlohnung fest und legt auch die Anzeige.

Zur Frage 55:

Es wird weder zu einem Kontrollverlust noch zu einer Wettbewerbsverzerrung kom­men. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf hinweisen, dass ab Debatten­eingang kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Ge­samtredezeit von 25 Minuten zusteht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rainer Wimmer. – Herr Abgeordneter, bitte.


15.39.35

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es freut mich, dass ich wieder hier sein darf, es ist eine große Ehre für mich. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ganze Geschichte hat für mich nur einen kleinen Wermutstropfen: Als ich das letzte Mal hier gestanden bin – das war am 12. Oktober im vergangenen Jahr –, haben wir die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten beschlossen. Vielleicht könnt ihr euch noch daran erinnern (Ruf bei der FPÖ: 15. Oktober, Abwahl der SPÖ! – weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ), ihr wart nämlich damals dabei. Das war ein Meilenstein, meine sehr geschätzten Damen und Herren, für unsere arbeitenden Menschen, ein Meilen­stein! (Abg. Belakowitsch: Und jetzt haben wir den nächsten Meilenstein!) – Und heu­te sprechen wir über die Zerstörung der Sozialversicherung.

Geschätzte Frau Bundesminister, ich habe Ihnen jetzt sehr aufmerksam zugehört, und ich muss sagen: All das, was Sie uns jetzt gesagt haben, glauben Sie doch selbst nicht! Frau Bundesminister, das können Sie selbst nicht glauben, seien Sie mir bitte nicht bös! (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist heute ein schwarzer Tag, es beginnt, jetzt mit diesem Ministerratsvortrag richtig schwarz zu werden. (Abg. Gudenus: Nein, türkis!) Damit wurde jetzt sozusagen fest­gestellt, was ihr als Koalition aus ÖVP und FPÖ wirklich mit den Sozialversicherungen vorhabt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesminister! Sie haben von einer Jahrhun­dertreform (Abg. Neubauer: Richtig!) gesprochen. Wir brauchen nichts schönzureden, wir brauchen hier nichts zu schönen: Die Gebietskrankenkassen und die Versiche­rungsanstalt des österreichischen Bergbaus werden dem Erdboden gleichgemacht. Ich sage das auch, weil es schon auch innerhalb der ÖVP ein bisschen Diskussionen gibt. AK-Präsident Erwin Zangerl spricht von Enteignung in „unglaublichem Ausmaß“. – Da habt ihr also noch ein bisschen Diskussionsbedarf, liebe Freunde aus Tirol. (Abg. Schi­manek: Der Zangerl ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und die Vorarlberger wollen zum Verfassungsgerichtshof gehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der neuen ÖGK werden die Arbeitgeber die Macht übernehmen. Sie haben von einer gemeinsamen Mehrheit gesprochen, Sie haben das ein bisschen anders formuliert. Aber das erste Mal werden Arbeitgeber Leistungen der Arbeitnehmer festlegen; die Arbeitgeber sind dort nämlich überhaupt nicht versichert. Und das nennen Sie Selbstverwaltung, Frau Bundesminister?! Das ist Ihre Selbstver­waltung?! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Sie haben heute ganz viel über Selbst­behalte geredet, davon, dass die ja nicht kommen. Wir wissen ja genau, Kolleginnen und Kollegen, dass die ÖGK die einzige Krankenkasse ohne Selbstbehalt sein wird. Und wenn dort die Arbeitgeber die Mehrheit haben, dann wissen wir – und ich lasse mich da (auf seinen Hals zeigend) hineinstechen (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ) –, es dauert kein halbes Jahr, und es wird dort Selbstbehalte geben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Schwarz. – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Wir werden genau aufpassen, was die eigenen Einrichtungen anlangt, denn da gibt es natürlich Begehrlichkeiten, das ist ja nichts Neues. Es wäre ja abwegig, wenn euch das nicht einfallen würde, Kolleginnen und Kollegen. Wir werden aber mit Argusaugen hin­schauen, wir werden genau schauen, was mit den eigenen Einrichtungen passiert. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Natürlich warten schon einige wie Aasgeier darauf, da Geld zu machen, aber da werden wir genau hinschauen, und das werden wir zu verhindern wissen, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Harmonisierung: Harmonisierung ist das Zauberwort, deswegen brauchen wir jetzt diese Reform. Frau Bundesminister, genau das Gegenteil ist der Fall! Ich wer­de Ihnen das jetzt erklären: Lehrer, Beamte, Selbstständige werden nach wie vor bes­sere Leistungen haben. Ich will da keine Neiddiskussion haben, nein, ich will, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeiter und die Angestellten dieselben Leistungen wie die Beamten haben. Das ist unser Ziel, dorthin sollen wir kommen. (Abg. Haider: Das ist ja auch wieder ...! – Abg. Rädler: Wer war denn Sozialminister?)

Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall – lieber Klubobmann August Wöginger, du wirst ja dann etwas dazu sagen –, dass alle, die jetzt hier herinnen sitzen, nicht bei der Öster­reichischen Gesundheitskasse versichert sein werden (Abg. Schartel: Nein, das ist falsch!), sondern bei der Beamtenversicherung. (Abg. Schartel: Das stimmt nicht! Nein, das ist falsch! – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Und jetzt ein Beispiel zur Harmonisierung: Lieber Klubobmann, wenn du ein Zahnim­plantat brauchst, wirst du von der BVA 380 Euro bekommen – pro Implantat (Zwi­schenruf des Abg. Hammer); du wirst wahrscheinlich irgendwann einmal ein paar mehr brauchen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) So, und wer bei der Österreichi-


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schen Gesundheitskasse versichert ist, bekommt 0 Euro. Kolleginnen und Kollegen, das ist ungerecht, und daher müssen wir darauf schauen, dass wir die Leistungen wirk­lich harmonisieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist Wasser predigen und Wein trinken. – Ich sage euch etwas, Kolleginnen und Kollegen: Das wird die Krankenkasse der Armen sein! Das wird die Krankenkasse der Armen werden (Oh-Rufe bei der ÖVP – Abg. Rädler: Wer war Sozialminister?), weil sie jetzt schon kein Geld hat. Sie hat ständig Geldnot, weil ihr das Geld vorenthalten wird. Darum werden Sie dafür die Verantwortung übernehmen müssen.

Noch ein Wort, weil meine Redezeit noch nicht aus ist, das Licht da (auf die Lampe am Rednerpult deutend) noch nicht leuchtet: Sie von der FPÖ, ich frage Sie, warum Sie in dieser Angelegenheit den Steigbügelhalter für die ÖVP machen. Ich sage euch etwas: Ihr bekommt nicht einmal das Schwarze unter den Nägeln! (Zwischenruf des Abg. Räd­ler.) Ihr bekommt vielleicht ein paar Direktorenposten, darauf werden sie schon schauen. Aber sind Ihnen die das wert, die Arbeitnehmer dieses Landes zu verraten? (Abg. Haider: Sie verraten die Arbeitnehmer schon seit 50 Jahren!) Ist es das wert? Ist es das wert, dass Sie die Arbeitnehmer verraten? (Abg. Haider: Seit 50 Jahren verra­ten Sie die Arbeitnehmer! – Ruf bei der FPÖ: Das glaubt Ihnen keiner mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Darum sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie werden im Dezember höchst­wahrscheinlich mit Ihrer Mehrheit drüberfahren, davon gehen wir aus. Es wird ein Pyr­rhussieg sein. Sie treten die Selbstverwaltung mit Füßen, und die Menschen werden Ihnen die Rechnung präsentieren! (Beifall bei der SPÖ.)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gruppe der Bezirksgeschäftsführer aus Oberösterreich herzlich bei uns willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall. – Ruf bei der ÖVP: Die ÖVP-Geschäftsführer!)

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Wöginger. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Vogl.  Abg. Jarolim: Sogar der Präsident hat zustimmend genickt!)


15.45.58

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Das sind die Geschäftsführer der Volkspartei aus Oberösterreich. Herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich bin dankbar dafür, dass Kollege Wimmer jetzt geredet hat, denn jetzt ist das wahre Gesicht der Sozialdemokratie ans Tageslicht getreten, meine Da­men und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Jawohl, richtig!)

Es ist die Beleidigtheit, dass man nicht mehr am Verhandlungstisch sitzt. (Zwischenruf des Abg. Wurm. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der 15. Oktober des vorigen Jahres ist nicht verdaut worden. Nehmen Sie Ihren Bürgermeister Luger aus Linz etwas ernster, meine Damen und Herren, denn er hat die Realität schon erkannt. (Abg. Leichtfried: Wenn Sie so weitermachen, dann ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat schon gesagt: Nur dagegen zu sein bringt uns nicht weiter. – Das, glaube ich, sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben, meine Damen und Herren von der SPÖ, denn Sie sind in den letzten Jahren über Ihre eigene Struktur gestolpert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie haben absolut nichts mehr zustande gebracht. (Zwischenruf des Abg. Krist.) Kol­lege Wimmer hat das jetzt eindrucksvoll bestätigt: Es geht um Klassenkampf, es geht um Posten, es geht um Funktionen. (Ruf bei der FPÖ: Pfründe! – Abg. Haider: Jawohl, so ist es!) Das muss einmal alles passen und das muss man innerhalb der Gewerk­schaft alles aufteilen, denn sonst kommt es zum Streit im ÖGB.


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Sie sind in den letzten Jahren über Ihre eigene Struktur gestolpert, weil Sie in Ihrer ei­genen Partei nichts zustande gebracht haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Abgesackt und ...!)

Das andere war ja irgendwie eine, ich weiß nicht, demoralisierende Rede der Frau Klubobfrau Rendi-Wagner. Eines kann man schon sagen: Unser System ist weltweit eines der besten, aber in der Struktur (Zwischenrufe bei der SPÖ) – ja, hört halt bitte einmal zu! – müssen wir doch etwas tun, wenn wir 21 Sozialversicherungsträger ha­ben! (Abg. Heinisch-Hosek: Jetzt haben wir 25! – Zwischenruf des Abg. Vogl.) Das ist ein Dschungel, bei dem sich kein Mensch mehr auskennt. Und ihr redet da von der Dreiklassenmedizin – na dann haben Sie uns in den vergangenen Jahren eine 19-Klas­sen-Medizin hinterlassen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dann geht man her und spielt gegeneinander aus: Da haben wir die Beamtenschaft, dort haben wir die Arbeiter und Angestellten. (Abg. Heinisch-Hosek: 25!) Wissen Sie, was schon ein Meilenstein ist? – Wenn wir einmal einem Arbeiter und einem Angestell­ten erklären können, dass sie, wurscht, ob sie im Burgenland oder in Vorarlberg da­heim sind, wo die gleichen Beiträge von Dienstnehmer und Dienstgeber bezahlt wer­den, die gleichen Leistungen haben. Das bilden wir mit diesem Gesetz ab, denn diese Unterschiede zwischen den Bundesländern kann man nicht erklären. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sagen Sie halt auch dazu, dass von anderen Gruppen höhere Beiträge geleistet wer­den, dass es für andere Gruppen auch Selbstbehalte gibt! (Abg. Lausch: Genau, das vergesst ihr immer!) Davon hören wir nichts, das wird verschwiegen, das wird unter den Teppich gekehrt, es wird nur das kommuniziert, was sozusagen ins Kalkül passt. Die Menschen sind aber gescheiter als Ihre Kommunikatoren, meine Damen und Her­ren, sie wissen, dass wir diese Reform unbedingt brauchen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Und Sie waren mal beim ÖAAB!)

Eines ist schon mutig für eine ehemalige Gesundheitsministerin, nämlich sich hierher­zustellen und einige Punkte aufzuzeigen, was alles nicht passt und wo es hapert – War­tezeiten, überfüllte Ambulanzen, Fachärztemangel. (Zwischenruf des Abg. Vogl. – Abg. Leichtfried: Als ehemaliger Arbeitnehmervertreter ... ist auch mutig!)

Ich habe es heute Vormittag schon gesagt, aber ich wiederhole es gern – da oben (auf die Galerie weisend) stehen auch Innviertler –: Wir haben einen Fachärztemangel im Innviertel; ich habe das Beispiel vom Augenarzt gebracht, es gibt zehn Monate Warte­zeit bei mir im Bezirk Schärding. (Abg. Leichtfried: Na, sie nehmen dich nicht!) Wissen Sie, wer es nicht zustande gebracht hat? – Die jetzige Struktur hat es nicht zustande gebracht! Wir sind im Dreieck herumgerannt, wir haben zwar Millionen an Rücklagen bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, aber ich habe keinen Augenarzt für meine Leute bekommen. Das ist die Realität in dem System, das wir derzeit haben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es muss eigentlich jedem Menschen einleuchten, dass ich nicht ein System aufbauen kann, in dem wir über 50 Beschlüsse brauchen, damit wir Maßnahmen umsetzen kön­nen. (Abg. Leichtfried: Das haben wir schon am Vormittag gehört!) Da pilgert die ganze Republik nach Wien zur Trägerkonferenz, und dann müssen sie es daheim auch noch beschließen – über 50 Beschlüsse! Wir haben hier Maßnahmen beschlossen, bei denen es eineinhalb Jahre gedauert hat, bis das Gesetz, das Nationalrat und Bundes­rat verabschiedet haben, letzten Endes bei den Patientinnen und Patienten draußen angekommen ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und dann will mir noch jemand erklären, dass das das beste System, die beste Struktur ist? (Abg. Leichtfried: Das ist unglaub­lich!) Nein, meine Damen und Herren, das ist es nicht! Diese Regierung handelt, und es ist höchst notwendig, dass wir diese Strukturreform auch umsetzen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Die Selbstverwaltung bleibt erhalten. Das wissen Sie, das steht im Gesetz. (Abg. Jaro­lim: Geh bitte! – Rufe bei der SPÖ: Ja, genau! Wer sitzt dort? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, jetzt sind wir wieder dort, jetzt geht es wieder nur darum, wie mög­lichst viele Posten befüllt werden können. Wir vertrauen auch weniger Mitgliedern in der Selbstverwaltung, meine Damen und Herren, weil wir davon ausgehen, dass sie sich mit der Materie auch auseinandersetzen. Wir brauchen nicht 2 000 Leute in über 90 Gremien, sondern das kann man auch schlanker und effizienter gestalten, und das führen wir durch, aber es bleibt bei der Selbstverwaltung. Das möchte ich schon auch betonen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir werden diese Milliarde abbilden, rund 1 Milliarde Euro (Abg. Vogl: Kosten! – Zwi­schenruf der Abg. Duzdar) wird bis Ende 2023 zustande kommen – nicht gleich, am Anfang ist eine Fusion natürlich auch durchzuführen. Da wird man einmal ein Jahr oder zwei Jahre brauchen, das weiß jeder, der in diesem Bereich schon einmal etwas zu­sammengeführt hat. Später aber, wenn die Trägerstruktur funktioniert, ist das Einspa­rungsvolumen natürlich auch erzielbar (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar): durch besser abgestimmte Leistungen; dadurch, dass natürliche Pensionsabgänge nicht mehr vollzählig nachbesetzt werden; im Bereich der Digitalisierung – wir haben mehrere Rechenkreise –, im IT-Bereich. Es kann doch nicht sein, dass es 21 Träger gibt, und jeder hat seinen eigenen IT-Bereich!

Man hat sich in den letzten Jahren bemüht – ich weiß es, ich kenne mich auch in der Sozialversicherung ein bisschen aus, das könnt ihr mir glauben –, aber letzten Endes hat man es durch diese 54 Beschlüsse, die notwendig sind, nie zustande gebracht, dass man auch weiterkommt. Es dauert immer alles ewig, und es muss einfach schnel­ler gehen, damit wir im Sinne der Patientinnen und Patienten den Hebel ansetzen können, ohne dass wir neues Steuergeld in das System pumpen müssen. Wir lassen das Geld im System. Das sei auch an den Rechnungshof gerichtet: Wir lassen das Geld im System und wollen die Wartezeiten verkürzen und letzten Endes auch dem Fachärztemangel entgegenwirken, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Deshalb brauchen wir diese Reform, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Abschließend: Ich verstehe ja durchaus, dass man da unterschiedlicher Meinung ist – es ist ein riesiges Gesetzesprojekt, und niemand hat die Weisheit mit dem goldenen Löffel eingenommen (Ruf bei der SPÖ: ... Ministerin schon!) –, aber eines verstehe ich wirklich nicht, und da appelliere ich auch an alle politischen Verantwortungsträger, egal ob sie in der Opposition oder in der Regierung sind: Hören Sie auf mit diesen Unwahr­heiten! (Abg. Meinl-Reisinger: Na, Entschuldigung! Wer hat denn die Milliarde ...? – Zwischenruf des Abg. Loacker.) Reden Sie auch mit Ihren Betriebsrätinnen und Betriebsräten! Es kann einfach nicht sein, dass solche Plakate (ein Flugblatt in die Hö­he haltend) veröffentlicht werden! Das legt man den Patientinnen und Patienten auf das Nachtkastl im UKH Linz, und da steht, dass in drei Tagen die Behandlung einge­stellt wird, dass zugesperrt wird. (Abg. Höbart: Die gehören zur Verantwortung gezo­gen! Das ist eine Frechheit!)

Wir haben jetzt eine wochenlange Diskussion mit der Gebietskrankenkassenstelle in Freistadt gehabt. (Abg. Leichtfried: Also du willst Plakate verbieten? ... deine Vorstel­lung von Meinungsfreiheit?) Und die Frau Ministerin hat bei all diesen Einrichtungen ihr Wort gehalten. Wir haben nie gesagt, dass Projekte, die im Laufen sind, nicht mehr gebaut werden können. Aber dass sie dann willkürlich, wie in Niederösterreich, von der Mehrheit im Vorstand von der Tagesordnung genommen werden, damit die Ministerin nicht einmal sagen kann, sie beeinsprucht dieses Projekt nicht – das ist auch die So­zialdemokratie, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Jawohl!) So wird da vorgegangen, nur damit man am Ende des Tages sagen kann: Das hat die Regierung verhindert.


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Das geht mittlerweile so weit, dass, wenn Patientinnen und Patienten bei einer Be­zirksstelle einer Gebietskrankenkasse anrufen, dort gesagt wird: Das können wir nicht mehr garantieren, weil wir am 1. Jänner zugesperrt werden. – Das muss auch Konse­quenzen haben, meine Damen und Herren! (Abg. Höbart: Für diejenigen, die so etwas anordnen, muss es Konsequenzen geben!) Parteipolitik auf einem solchen Niveau zu betreiben ist unverantwortlich gegenüber den Menschen in diesem Lande!

Wir arbeiten für die Menschen in diesem Lande, auch mit einer notwendigen Struktur­reform im Sozialversicherungsbereich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Menschen können sich auf diese Regierung verlassen. Wir setzen das um, was im Sinne der Be­völkerung in Österreich höchst notwendig ist. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. (Ruf bei der ÖVP: Selbstanklage! – Abg. Rädler: Einer, der verantwortlich war! – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobot­ka gibt das Glockenzeichen.) – Ich würde Sie bitten, sich in der Wortwahl zu mäßigen! (Ruf bei der FPÖ: Kommt der zur Entschuldigung?)


15.55.41

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Klub­obmann Wöginger hat hier vor ein paar Minuten behauptet: „Wir lassen das Geld im System.“

Ich lese vor, auf Seite 3 eures Vorschlags steht im Vorblatt (Zwischenruf des Abg. Ha­fenecker) Folgendes drinnen: „Die Änderung der Mittelbereitstellung für den PRIKRAF führt im Zeitraum 2019 bis 2023 zu einem Mehraufwand für die Krankenversicherung in Höhe von EUR 76 Mio.“ – Ich habe noch nicht alles gelesen, ich habe nur das gelesen.

Zweitens: „Die GSBG-Beihilfe für die Krankenversicherung entlastet den Bund (UG 16) im Zeitraum 2020 bis 2023 mit EUR 61 Mio. und belastet die Krankenversicherung in gleicher Höhe.“

Herr Abgeordneter Wöginger hat nicht die Wahrheit gesagt. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

15.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.57.08

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Meine Damen und Herren! Das ist die Be­richtigung der Berichtigung. (Abg. Wittmann: Eine tatsächliche Berichtigung kann man nicht tatsächlich berichtigen! – Abg. Meinl-Reisinger: Das gibt es nicht! – Ruf bei der SPÖ: ... gibt es keine tatsächliche Berichtigung! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Kollege Stöger hat behauptet, dass ich die Unwahrheit gesagt hätte, dass das Geld nicht im System bleiben würde. – Es bleibt im System! Sowohl beim Prikraf als auch bei den GSBG-Mitteln bleibt das Geld im Gesundheitssystem in Österreich. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das wird als Wortmeldung gewertet und wird in die Zeit eingerechnet, die der Fraktion zur Verfügung steht. (Abg. Wittmann: Wieso wurde diese Wortmeldung vorgezogen? – Abg. Jarolim: Man sollte auch bei Berichti­gungen bei der Wahrheit bleiben!)


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Ich darf recht herzlich die Gruppe der Grundausbildung für Justizwachebeamte der Straf­vollzugsakademie in Wien begrüßen. Herzlich willkommen hier im Hohen Haus bei ei­ner turbulenten Diskussion! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


15.58.13

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir debattieren heute zum zweiten Mal das Thema Strukturreform der Sozialversicherungen. Die SPÖ hat eine Dringliche Anfrage unter dem Titel „Zerstörung unseres gut funktionierenden Gesund­heitssystems durch die Kassenzentralisierung“ gestellt.

Zunächst einmal muss ich sagen: Klubobfrau Rendi-Wagner stellt sich hier heraus und erklärt, dass alles so schlecht sei in unserem System, wir hätten ein Zweiklassensys­tem und schuld sei die Bundesregierung. Überhaupt seien keine Reformen gemacht worden und alles sei ganz furchtbar. – Sie meinen, das Gesundheitssystem würde durch diese Reform zerstört werden – was ich jetzt einmal in Abrede stellen möchte, aber Sie meinen das –, aber die Reform ist noch nicht in Kraft getreten. Das heißt, das, was Sie kritisiert haben, ist in Wahrheit so etwas wie eine Selbstanklage beziehungs­weise eine Anklage von und ein sehr schlechtes Zeugnis für Kollegen Stöger, der nämlich jahrelang Sozialminister war und genau gar nichts gemacht hat in dem Be­reich; er hat es laufen lassen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn man Ihre Dringliche Anfrage liest – abgesehen davon, dass es auch inhaltliche Fehler gibt, aber darauf will ich jetzt gar nicht eingehen, Fehler können passieren –, sieht man, dass es in Ihren Fragen immer nur um die Funktionäre geht, darum, wo wel­che Fraktion wann wie viele Jobs bekommt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Sie entblöden sich ja nicht einmal, dass Sie die Zahl hineinschreiben, wie viele Funk­tionäre die FSG jetzt verliert. Ihnen geht es wirklich nur um die Funktionäre.

Sie haben noch immer Phantomschmerzen, weil Sie weg von der Macht sind und mei­nen, dass der verlängerte Arm Ihrer vermeintlichen Sozialpartnerschaftsspielwiese jetzt damit ein bisschen beschnitten wird. Und das ist auch gut so, dass das beschnitten wird (Beifall bei FPÖ und ÖVP), denn die Österreicherinnen und Österreicher brauchen ein Gesundheitssystem und ein Sozialversicherungssystem – und Sozialversicherung ist eben nicht gleich Krankenkasse, Frau Kollegin Rendi-Wagner, das müssten Sie besser wissen –, die Österreicherinnen und Österreicher brauchen ein System, das von Politspielen und von Machtspielen frei ist, ein System, das auf die Bedürfnisse der Menschen in diesem Land ausgerichtet ist. Genau deshalb ist es auch notwendig, da eine Strukturreform durchzuführen.

Etwas, was in den Siebzigerjahren gut war, ist heute überholt. Wir leben im 21. Jahr­hundert, und irgendwann muss man eine Reform angehen. Man kann nicht die Politik, die Sie in den letzten Jahren gelebt haben, fortsetzen, den Kopf in den Sand stecken und sagen: Machen wir weiter wie bisher, es ist ja egal, es wird schon irgendwie ge­hen! – Mitnichten ist es gegangen! Wir sehen es ja heute: Wir haben einen Ärzte­mangel, die jungen Ärzte wollen keinen Kassenvertrag mehr eingehen. Wir haben ein Problem im städtischen Bereich. All diese Probleme sind doch hausgemacht. Sie haben nichts dagegen gemacht, Sie haben es laufen lassen! Und wir stehen heute vor einer Situation, dass Menschen, die es sich leisten können – und im Übrigen auch viele, die es sich nur sehr, sehr schwer leisten können –, zu Wahlärzten und zu Privat­ärzten ausweichen müssen. Sie müssen, weil es beispielsweise gar keine Kinderärzte mit Kassenvertrag mehr gibt, weil es in vielen, vielen Bezirken Österreichs keine Kas­senärzte im Bereich HNO gibt. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ändert sich nicht!)

Das ist die Ursache dieser Politik, die Sie gelebt haben. Sie haben das System als Selbstbedienungs- und als Selbstspielladen betrachtet. Sie haben gemeint, Sie können


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dort Machtspiele führen. Das ist das falsche System, in dem man so vorgehen kann. Das können Sie parteiintern machen – da sind Sie erprobt, da haben Sie in den letzten Wochen ohnehin ein Schauspiel abgeliefert –, aber doch nicht in der Sozialversiche­rung (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Rosenkranz: Das brauchen wir nicht!), nicht da, wo es um die Versicherungsgelder der Menschen in die­sem Land geht, die dafür bestimmt sind, dass Menschen in Notfällen im Gesundheits­bereich, im Sozialbereich und im Pensionsbereich auch versorgt werden.

Es kommt immer nur das Gleiche, immer dieses ewige Nein, alles schlecht, alles böse, alles furchtbar, mit Argumenten, die aber nicht dazupassen. Überlegen Sie, wer denn das System, wie es jetzt ist, verursacht hat! (Ruf bei der ÖVP: Stöger!) Das waren doch die Sozialminister der letzten Jahre, das waren die Gesundheitsminister der letz­ten Jahre. Frau Kollegin Rendi-Wagner, auch wenn Sie nur ganz kurz in dieser Funk­tion waren, es waren Ihre Parteigenossen, die vor Ihnen dieses Amt innehatten. Eben­so im Sozialbereich: Es waren sozialistische Sozialminister, die das haben laufen las­sen. Es ist keine Reform gekommen – nicht einmal der Hauch einer Reform! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alibimäßig hatte der Vorgänger von Frau Ministerin Hartinger ja auch noch eine Stu­die – übrigens freihändig, ohne Ausschreibung, ohne alles – um 650 000 Euro bei der LSE, also der London School of Economics, in Auftrag gegeben. Interessant ist auch, dass das ein Institut ist, das immer mit dem Hauptverband zusammengearbeitet hat. Man hat versucht, eine bestellte Studie zu bekommen, eine Gefälligkeitsstudie, wenn ich das jetzt mit den Worten der Frau Meinl-Reisinger sagen kann. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und selbst diese Studie hat ausgewiesen, dass natürlich im System Geld zu sparen ist und dass es natürlich sinnvoll ist, die Kassen zu strukturieren und zusam­menzulegen, weil Österreich einfach ein kleines Land ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber wirklich!) Genau das müssen Sie auch endlich zur Kenntnis nehmen! Wir setzen das um, was Sie einfach nicht machen wollten oder nicht machen konnten. Da müssen Sie jetzt nicht beleidigt sein, sondern bringen Sie sich konstruktiv ein! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.03.48

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Ich möchte mit einem Zitat beginnen: Bleiben Sie bei der Wahrheit! – Das hat Klubobmann Wöginger gesagt. (Abg. Meinl-Reisinger: Ein großer Philosoph! – Zwischenruf bei der FPÖ.) Am 14. September dieses Jahres sind sie vorne gestanden – der Bundeskanzler, der Vizekanzler, die Frau Sozialministerin und Klubobmann Wöginger – und haben der Republik erklärt: Wir sparen 1 Milliarde Euro ein!

Natürlich wollten sich die interessierten Beobachter das anschauen, wo diese Milliarde ist und wie das funktioniert. Das war aber gar nicht so einfach, denn der Gesetzentwurf mit den Beilagen ist an jenem Freitag erst um 20.20 Uhr online gegangen. Da war die Zeitung vom nächsten Tag schon gedruckt, da war die „Zeit im Bild 1“ schon gesendet, die „ZIB 2“ war schon fertig redigiert. Man ist mit dieser Zahl, die nicht der Wahrheit entsprochen hat, perfekt durchgekommen, reichseinheitlich waren die Österreicherin­nen und Österreicher informiert. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Um 20.20 Uhr hat man sich das dann anschauen können. Aus den Unterlagen des Ministeriums, in denen das also die eifrigen, die beflissenen, pflichtbewussten Beamten ausgerechnet haben, ist herausgekommen, dass 33 Millionen Euro eingespart werden,


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also 0,033 Milliarden Euro. Damit war klar, die vier Herrschaften haben eben nicht die Wahrheit gesagt.

Wie wollten Sie das erreichen, diese Milliarde einzusparen? – Man wolle Personal re­duzieren, wurde erklärt, nämlich 30 Prozent des Verwaltungspersonals in den Kassen. Gleichzeitig wurde eine Jobgarantie abgegeben, und gleichzeitig wurde eine Standort­garantie abgegeben. Und natürlich werden die Leistungen harmonisiert – aber die wer­den alle nach oben harmonisiert, niemand bekommt weniger als vorher. Irgendwie spart man damit 1 Milliarde Euro. Das wird sich alles schon ausgehen. Die Ministerin hat in der „ZIB 2“ erklärt: Das haben schon so viele Leute ausgerechnet, das müssen wir nicht mehr ausrechnen. – Heute haben Sie gesagt, dass niemand weiß, wie hoch die Fusionskosten sind. Also Sie haben den betriebswirtschaftlichen Blindflug hier schon gestanden. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Vizekanzler Strache hat in dieser grandiosen Pressekonferenz, von der ich schon ge­sagt habe, sie hätte eigentlich auf dem Balkon des Belvedere stattfinden sollen (Abg. Höbart: Danke für die Blumen! Sie haben recht!), gesagt: Wir machen aus der Funk­tionärsmilliarde eine Patientenmilliarde. – Klubobmann Wöginger hat auf eine Frage ei­nes Journalisten geantwortet: Die Versicherten werden von dieser Reform nichts mer­ken. – Und damit ist er seinem eigenen Grundsatz treu und bei der Wahrheit geblie­ben: Die Versicherten werden von dieser Reform nichts merken! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Schon beim Ministerratsvortrag haben Sie, Frau Ministerin, damals gesagt, sparen werde man beim Verwaltungspersonal, beim Einkauf und bei der IT, und so komme man auf die Milliarde. – Schauen wir uns das beim Personal genau an: Die Pensions­versicherung bleibt so, wie sie ist, die Unfallversicherung bleibt so, wie sie ist, wir müs­sen also nur die Krankenversicherung anschauen, und dort macht das Verwaltungsper­sonal über alle Träger hinweg 8 100 Mitarbeiter aus. Jetzt nehme ich die Bezüge sehr hoch an, damit dort drüben (in Richtung SPÖ weisend) jetzt niemand schreit, und neh­me an, Sie würden diese Einsparung in der Höhe von 30 Prozent zustande bekommen. Damit haben Sie kumuliert bis 2023 immer noch erst 380 Millionen Euro gespart. (Abg. Höbart: Aber hallo!) Wie man aber in drei Jahren bei einer Jobgarantie 30 Pro­zent Personal reduziert, das können Sie niemandem vorrechnen, denn diese Fluktua­tion hat ein Sozialversicherungsträger nicht! Wo sehr viele Mitarbeiter unkündbar sind, da bleiben sie auch länger. Und auch wenn sie über 50 Jahre alt sind: Bei einem Pensionsantrittsalter von 65 ist über 50 überhaupt kein Hinweis auf einen baldigen Pensionsantritt. (Beifall der Abg. Doppelbauer.)

Beim Einkauf werden Sie einsparen. Ja, was kaufen denn so Krankenversicherungs­träger groß ein? – Medikamente, und die hat aber bis jetzt schon der Hauptverband für alle gemeinsam eingekauft. Also die großen Brocken sind unter Dach und Fach, und andere große Einkäufe wurden über die Bundesbeschaffung GmbH organisiert. Wo Sie dann noch grandioses Potenzial sehen, mit dem Sie auf 1 Milliarde Euro kommen, bleibt Ihr persönliches Geheimnis.

Auch bei der IT werde eingespart. – Es gibt schon eine ITSV, in der die Kassen ge­meinsam die Server laufen haben. Man macht also schon sehr viel gemeinsam – auch da bleibt die Milliarde ein Geheimnis.

Mein Lieblingsargument, das Sie gebracht haben, war folgendes: Die Burgenländer werden im Schnitt 63 Jahre gesund alt und die Tiroler werden 70 Jahre gesund alt, deswegen müssen wir die Kassen reformieren. – Holy (mit den Fingern schnippend) Dings. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Also bitte, wenn die Burgenländische Kasse so schlecht arbeitet, dass dort die Leute sieben Jahre früher krank sind als die anderen, dann gehören die sofort weg, aber


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ratzeputz. Das glaubt aber auch niemand im Ernst. Ich bin ein großer Kassenkritiker, aber dass die Kassen schuld sind, dass die Burgenländer früher krank werden, das un­terstelle ich ihnen sicher nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schimanek: Ich glaube, das haben Sie falsch verstanden, Herr Kollege! Ich glaube, das haben Sie falsch verstanden!)

Was in dieser – unter Anführungszeichen – „Reform“ nicht drinnen ist, ist auch ein per­sönliches Versprechen von Bundeskanzler Kurz an einen Journalisten. Der Journalist hat damals in der Pressekonferenz gefragt, ob die Mehrfachversicherungen abge­schafft werden. Und Kurz hat gesagt: Ja! Sie sind als Journalist ja Angestellter, und ich weiß, dass Sie auch Bücher publizieren, Sie werden nur noch bei einem Träger versi­chert sein! – Das entspricht nicht der Wahrheit; das zutreffende Wort darf man hier he­rinnen ja nicht sagen, ohne dass man einen Ordnungsruf bekommt.

Dann schließe ich bei Kollegen Wimmer an, der gesagt hat, es beginne jetzt richtig schwarz zu werden. Die VAEB ist schwarz. Es gibt eine Rotation bei den Trägern, die nicht schwarz sind (Zwischenruf bei der ÖVP), bei den schwarzen rotiert der Vorsitz nicht. Anteilig gibt es mehr Wirtschaftskammerfunktionäre als bisher, weniger Arbeiter­kammerfunktionäre – mehr schwarz! Fit-&-proper-Prüfungen gibt es jetzt zuerst einmal für alle; ausgenommen sind dann die, die zum Beispiel einmal Geschäftsführer einer GmbH waren. Also die Wirtschaftskammerfunktionäre müssen keine Fit-&-proper-Prü­fung machen, die Arbeiterkammerfunktionäre müssen eine machen.

Wie bekommt man jetzt aber die ganzen Freiheitlichen in die Sozialversicherung? (Hei­terkeit bei den NEOS.) – In § 718 Abs. 17 steht, wie die dienstrechtlichen Vorausset­zungen für eine Spitzenfunktion in den Kassen heruntergefahren werden. Es wird also künftig leichter sein, dass man Direktor eines Trägers, einer Krankenkasse wird, als es bisher war. So kann man die Tür für die Freiheitlichen, die die notwendige Ausbildung nicht haben, öffnen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Jarolim: Sehr elegant gesagt! – Abg. Vogl: Und trotzdem verständlich! – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Weiters wurde gesagt, es gibt einen Ärztemangel. Wir haben zu wenig niedergelas­sene Ärzte, und dagegen muss man jetzt etwas tun. – Ja, da haben Sie recht mit Ihrer Analyse, Frau Kollegin Belakowitsch, nur ändert dieses ganze Reformspektakel am Ärztemangel genau gar nichts – genau gar nichts! (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Da bin ich wieder beim Kollegen Wöginger, der gesagt hat: Bleiben Sie bei der Wahr­heit!

Das muss ich jetzt zur roten Seite auch noch sagen: Bitte, bleiben auch Sie bei der Wahrheit! – Es ist natürlich keine Zerstörung – da zitiere ich wieder Wöginger –, die Versicherten werden von dieser Reform nichts merken. Da können Sie cool bleiben! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Knes: Jetzt habe ich ausnahmsweise nicht mehr ge­klatscht ...!)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rossmann. – Bitte.


16.11.20

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kol­lege Wöginger, Sie haben die Oppositionsparteien aufgefordert, keine Unwahrheiten zu sagen. Erstens sage ich grundsätzlich keine Unwahrheiten (Beifall bei der Liste Pilz – Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ), aber ich werde Ihnen im Zusammenhang mit dieser Reform einige Wahrheiten sagen, die Ihnen gar nicht gefallen werden. (Abg. Rädler: Da hat er jetzt selber gelacht!)


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Erster Punkt: Sie nennen diese Reform, diese Organisationsreform, eine großartige Reform. Ich aber sage Ihnen: Diese Organisationsreform hat nichts anderes zum Inhalt als eine Demontage der Selbstverwaltung bei gleichzeitiger Entmachtung der Arbeit­nehmervertreter! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was bedeutet Selbstverwaltung? – Selbstverwaltung bedeutet (Ruf bei der FPÖ: Das ist das, vor dem die Linken Angst haben!), die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die Versicherten. Zweiter Punkt: Selbstverwaltung bedeutet aber auch, dass ge­nau diese Versicherten, nämlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, darüber entscheiden, was mit ihren Beiträgen passiert. Bisher war das auch der Fall. Das Ver­hältnis zwischen Arbeitgebervertretern und Arbeitnehmervertretern lag bei 1 : 4. Da war die Welt in Ordnung, da konnten die Arbeitnehmervertreter entscheiden, was mit ihren Beiträgen passiert.

In der Zeit des Austrofaschismus standen einem Arbeitgebervertreter zwei Arbeitneh­mervertreterInnen gegenüber. (Abg. Noll: Ein Rückschritt für die ÖVP! – Abg. Rosen­kranz: Haben wir das nicht schon einmal gehört?) Und nun steht einem Arbeitneh­mervertreter ein Arbeitgebervertreter gegenüber. Und da stellt sich die Frage: Wer ent­scheidet nun? (Ruf bei der SPÖ: Dollfuß!) – Entscheiden tun natürlich jetzt nicht mehr die Arbeitnehmervertreter, sondern die Arbeitgebervertreter, weil davon auszugehen ist, dass jene Arbeitnehmervertreter, die der ÖVP nahestehen, mit den Arbeitgeberver­tretern entscheiden werden. So schaut das jetzt aus!

Kollegin Belakowitsch hat heute am Vormittag davon gesprochen, wir hätten es mit dem Ende der parteipolitischen Strukturen zu tun. – Mitnichten haben wir es mit dem Ende der parteipolitischen Strukturen zu tun! (Abg. Belakowitsch: Ja, selbstverständ­lich! Warum sind denn alle so weinerlich?) Wir haben es damit zu tun, dass Sie ein System herstellen, das darauf hinausläuft, Rot aus den Gebietskrankenkassen hinaus­zuwerfen und gleichzeitig Schwarz und Blau reinzubringen. (Abg. Belakowitsch: Könnten Sie das genauer erklären?) – Das ist eine der Wahrheiten, die mit dieser Re­form einhergehen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Mit dieser Entmachtung und Demontage der Selbstverwaltung zeigen Sie, meine Da­men und Herren von der ÖVP und der FPÖ, Ihr wahres Gesicht!

Der zweite Punkt: Ja, die Zusammenlegung der Kassen ist natürlich ein Ziel, das auch ich unterschreibe – keine Frage, ich bin nicht dagegen –, aber wenn man so ein Un­ternehmen angeht, dann soll man es nicht halbherzig machen und dann soll man es nicht so machen, dass am Ende eine Mehrklassenmedizin übrig bleibt, wie das bei der gegenwärtigen Reform der Fall ist.

Ja, Sie reduzieren die Zahl der Träger auf fünf, das ist richtig, lassen aber verschie­dene andere Träger, die Krankenfürsorgeanstalten, die Betriebskrankenkassen – in der Zahl ungefähr zwanzig –, völlig außen vor. Und was Sie auch außen vor lassen, ist na­türlich die Antwort auf die Frage: Sollen gleichen Beiträgen auch gleiche Leistungen gegenüberstehen? – Das ist genau nicht der Fall.

An dieser Frage schwindeln Sie sich vorbei. In den Gebietskrankenkassen ist das in Gang gesetzt worden – Frau Rendi-Wagner hat ja darauf hingewiesen, dass das schon in der letzten Regierungsperiode angegangen worden ist –, bei anderen Krankenversi­cherungsträgern ist das aber überhaupt nicht der Fall. Nehmen wir beispielsweise die BVA her, eine Versicherung, der auch wir als Politiker und die Beamten angehören. Dort ist davon beispielsweise keine Rede, dass die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter ersetzt werden soll. – Na klar, das sind 1,2 Millionen Wählerinnen und Wähler für die ÖVP. Das ist nichts anderes als typische, klassische Klientelmedizin! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Schauen wir uns an, wie denn das Leistungssystem zwischen den unterschiedlichen Trägern, die es heute noch gibt, ist! Da gibt es zunächst einmal die ÖGK neu, also die


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Integration der verschiedenen Gebietskrankenkassen. Für etwa 3,4 Millionen Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Mitversicherten gibt es sozusagen ein Stan­dardsystem mit Standardleistungen. Darüber gibt es dann die Versicherungsanstalten für die Bauern und die Selbständigen; das ist nicht mehr Standard, das ist das Kom­fortsystem. Und darüber gibt es dann noch einmal ein System, das ist jenes der Beam­ten und der Eisenbahner; und das ist das De-luxe-System. – Das ist ein Zustand, den ich für untragbar halte! (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wenn man eine Zusammenlegung der Krankenversicherungsträger in diesem Land an­geht und wenn man dieser Maßnahme den Mantel einer Reform umhängen will, dann muss es eine umfassende Reform sein, die auch die Leistungen umfasst. Wenn ich einer Harmonisierung der Leistungen das Wort rede, dann meine ich aber nicht, dass wir auf dem tiefsten Niveau harmonisieren. Wir werden ja sehen, was Sie in diesem Zusammenhang tun werden.

Das führt mich zum letzten Punkt, zur Frage des Einsparungspotenzials: Sorry, das Einsparungspotenzial kann niemand nachvollziehen. Ich habe ja Verständnis dafür, dass auch der Rechnungshof nicht in der Lage war, das nachzuvollziehen, weil man mit den Unterlagen, die Sie vorgelegt haben, Frau Ministerin, dieses nicht nachvollzie­hen kann. Und wenn Sie, Herr Kollege Wöginger, in diesem Zusammenhang dann dem Rechnungshof vorwerfen, er hätte die Ziele nicht richtig erkannt, dann ist das wirklich eine Chuzpe, glauben Sie mir das!

Frau Ministerin, Sie haben sich gemeinsam mit anderen am 14.9. hingestellt und ge­sagt: Die Einsparungen betragen 1 Milliarde Euro, kumuliert natürlich. – Allein das ist schon einmal ein Schmäh; da fängt es ja schon an. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Warum ist das ein Schmäh?) Sie haben gemeint, im Jahr 2021 würden 200 Mil­lionen Euro eingespart, im Jahr darauf 300 Millionen, also 100 Millionen dazu, und im Jahr darauf 500 Millionen, also 200 Millionen dazu. – Dann sind wir bei 500 Millionen Euro. Und wenn man sagt, dass das das ist, was sich dann in der Zukunft fortsetzt, dann ergibt das niemals 1 Milliarde Euro!

Kumuliert, ja, ich weiß, das klingt gut. Das wird dann zur Patientenmilliarde oder zur Funktionärsmilliarde gemacht. Das ist ja überhaupt ein Humbug, denn die Selbstver­waltung kostet – auch darauf ist ja heute schon hingewiesen worden – rund 5,7 Millio­nen Euro, das sind 0,009 Prozent des gesamten Aufwandes der Krankenversiche­rungen. Es ist absurd, das als Funktionärsmilliarde zu bezeichnen. Und es ist mindes­tens so absurd, das als Patientenmilliarde zu bezeichnen.

Warum, das werde ich Ihnen jetzt sagen. Sie, Herr Kollege Wöginger, und Sie, Frau Ministerin, sagen, diese Einsparungen bleiben im System. Na ja, jetzt denken Sie alle mit mir mit! Ich lade Sie zu einem Gedankenexperiment ein.

Eingesparte Mittel bleiben im System, bedeutet, dass sie entweder umgeschichtet wer­den oder, wenn sie eingespart werden, dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn sie aber umgeschichtet werden, dann sind es keine eingesparten Mittel, dann handelt es sich bei den Einsparungen, wenn es tatsächlich Umschichtungen sind, nicht um eingesparte Mittel. – Daraus kann ich nur eine Schlussfolgerung ziehen, die da lautet: Wenn Sie tatsächlich Einsparungen im System machen wollen, dann müssen Sie ir­gendwo Kürzungen vornehmen – und damit bin ich bei den Leistungskürzungen.

Ich bin ja sehr gespannt auf die Beantwortung meiner Anfrage, Frau Ministerin! Ich habe eine Anfrage an Sie gerichtet, und wir hoffen natürlich, dass wir dadurch Klarheit bekommen, damit wir einmal nachvollziehen können, wie Sie zu dieser einen Milliarde an Einsparungen kommen. Die verfügbaren Unterlagen deuten darauf hin, dass von ei­ner eingesparten Milliarde überhaupt keine Rede sein kann. Im Entwurf, im Beamten­entwurf, ist im Jahr 2023 nicht die kumulierte Milliarde eingestellt, sondern da sind nur


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33 Millionen Euro eingestellt; also nur ein kleiner Bruchteil dessen, was Sie immer als Milliarde bezeichnen. Ich bin also schon sehr gespannt, wie Sie mir in der Beantwor­tung meiner Anfrage diese Milliarde erklären werden.

Aber den Bock haben Sie heute wohl damit abgeschossen, dass Sie irgendwie ge­meint haben, die Frage nach dem Einsparungspotenzial würde die Bevölkerung verun­sichern. – Bitte, das versteht in diesem Land kein Mensch!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wenn Sie bitte zum Schlusssatz kommen!


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (fortsetzend): Wenn Sie tatsächlich einsparen wollen – ich bin beim Schlusssatz –, dann geben Sie den Menschen dadurch Sicher­heit, dass Sie ihnen sagen, wo Sie einsparen wollen, und streuen Sie ihnen nicht per­manent Sand in die Augen! – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

16.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stö­ger. – Bitte.


16.21.51

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Her­ren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die österreichische Bundesregierung hat dem Sozialstaat den Krieg erklärt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Geh bitte! – Abg. Höbart: Das wird immer schlimmer!)

Die österreichische Bundesregierung, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, hat Ihnen den Krieg erklärt, denn Sie brauchen in der Zukunft einen funktionierenden Sozialstaat. (Abg. Hafenecker: Genau deshalb werden Sie nicht mehr ernst genommen! Wir sind nicht beim Villacher Fasching!) Die österreichische Bundesregierung und diese Bun­desministerin haben – vielleicht haben Sie den Vorrednern zugehört – bewusst eine Dreiklassenmedizin geschaffen: Beamte, Selbständige und der Rest. (Abg. Belako­witsch: Und was haben Sie gemacht? – Zahlen Sie die ... Euro zurück!) Das ist die Situation, für die diese Bundesregierung verantwortlich ist. (Abg. Rosenkranz: Dass die Eisenbahner immer wegfallen bei ihm! – Abg. Belakowitsch: Die Eisenbahner dür­fen!)

Zum Schluss kommen die 7 Millionen Versicherten, die Arbeiter, Angestellte, Arbeits­lose, Haftentlassene, Mindestsicherungsbezieher sind, und die müssen untereinander verteilen, die anderen zahlen nichts dazu. Diese 7 Millionen Menschen werden bevor­mundet. Da gibt es die Wichtigen, die alles erklären, die Unternehmer, und die stellen dann fest, wie die Leistungen für diese 7 Millionen sind. 7 Millionen Menschen zählen weniger als 600 000 (Abg. Rosenkranz: Euro, die Sie verpulvert haben!) Unternehmer. 600 000 Unternehmer haben mehr Stimme als die 7 Millionen Menschen. – Das ist das Ende der Selbstverwaltung! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in der „Wiener Tageszeitung“ vom 15. Februar 1953 (eine Kopie des Artikels in die Höhe haltend) gelesen (Abg. Be­lakowitsch: Welche? Was ist das für eine Zeitung?) – ein Blatt der ÖVP, eine Werbe­einschaltung der ÖVP –, dass die ÖVP damals gesagt hat: Wir verlangen von euch, dass Kranke, Arbeiter und Angestellte, Frauen und Kinder nicht länger bis in die Wur­zel faul- - (Abg. Belakowitsch: Das Lesen ist noch ein bisschen schwierig!), nicht län­ger dem bis in die Wurzeln faulen System ausgeliefert werden. – Zitatende.

Dieses bis in die Wurzeln faule System ist jene Krankenversicherung, die es geschafft hat, in Österreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt aufzubauen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das Sie kaputt gemacht haben! – Abg. Hafen­ecker: 1953 waren die Russen noch da!) Und wenn das beste Gesundheitssystem


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Österreichs, der Welt, etwas kostet (Zwischenruf des Abg. Rädler), dann sagt die Bun­desministerin heute: Das ist zu teuer! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es zu teuer ist, dann werden in Zukunft die bisherigen Gesundheitsleistungen nicht mehr wie gewohnt zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belako­witsch: Sie sind abgewählt, und das ist gut so!)

Liebe Österreicherinnen! Liebe Österreicher! Erinnern Sie sich: Ich habe im Jahr 2008 das Gesundheitsministerium von Schwarz-Blau übernommen. Damals hat mir Schwarz-Blau 1 100 Millionen Euro Schulden überlassen. (Abg. Leichtfried: Ah da schau her!) Ich habe diese 1 100 Millionen Euro berichtigt. Wir haben in das Gesundheitssystem investiert, wir haben es auf höchstem Niveau saniert. Die Leistungen sind verbessert worden. Und was will Schwarz-Blau jetzt wieder machen? – Sie zerschlagen die Ge­bietskrankenkassen! Ihr hier werdet die Verantwortung dafür übernehmen müssen, dass die Gebietskrankenkassen zerschlagen werden, dass es sie nicht mehr gibt, dass es eine Zwangsfusion gibt, die zu massiven Mehrkosten führt (Abg. Belakowitsch: Was ist eine Zwangsfusion?), und dafür, dass die Gesundheitsversorgung gerade in den Regionen nicht mehr vorhanden sein wird. (Abg. Belakowitsch: Bitte was ist eine Zwangsfusion? – Abg. Rosenkranz: Träumen Sie weiter!) Das wird langsam vonstat­tengehen.

Stellen Sie sich vor, das steht auch im Gesetz – das habt ihr nicht gelesen –, liebe Ös­terreicherinnen und Österreicher! Das ist eine dicke Schwarte, und da steht etwas anderes drin, als die Bundesregierung öffentlich sagt. Herr Abgeordneter Wöginger hat das bewiesen, er sagt da etwas anderes, als in dem Gesetzestext drinsteht. – So geht es nicht (Abg. Rosenkranz: Haben Sie auch ein Gesetz aus 1953?), das geht zulasten der österreichischen Bevölkerung. Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ro­senkranz: Nicht genügend! Setzen!)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


16.26.56

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Werter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Zu meinem Vorredner einige Bemerkun­gen: Es befremdet mich wirklich, dass da Worte wie Kriegserklärung, martialisch und Zerstörung in den Mund genommen werden. Also lassen wir doch bitte die Kirche im Dorf, denn ganz im Gegenteil: Wir sichern das Gesundheitssystem, das von Ihnen so hoch angepriesen wurde, mit den Maßnahmen, die wir jetzt setzen, erst wirklich ab. Das, was in der Vergangenheit passiert ist, hat dieses System gefährdet – jetzt verbes­sern wir es. Das nehmen wir jetzt in die Hand. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich verstehe überhaupt nicht, was daran so schwer zu verstehen ist, wenn man sagt: Wir lassen das Geld im System! – Was ermöglichen wir damit?

Zur Mär vom 63-jährigen Burgenländer kann ich Ihnen sagen, warum die Lebenserwar­tung der Burgenländer bei 63 Jahren liegt: weil sie zu dick sind, weil sie zu viel trinken und weil sie zu wenig Bewegung machen; ich bin auch Burgenländerin, wenn auch nicht unbedingt der Prototyp.

Was machen wir mit dem Geld? – Wir nehmen dieses Geld und stecken es in die Prä­vention, in die Gesundheitsversorgung auf dem Land, und wir sorgen dafür, dass es wieder niedergelassene Ärzte gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Wo machen Sie das?)

Gesundheitsprojekte, Reformprojekte, Prävention, das ist unser Thema. Ich habe heu­te nach der Debatte am Vormittag von einem Südburgenländer eine SMS bekommen.


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Er schreibt mir, dass er eine schwere Verkühlung hat, zu Hause liegt, aber nicht zum Arzt gehen kann, weil es nur mehr zwei praktische Ärzte in seiner Umgebung gibt, und dort müsste er draußen warten, was seine Gesundheit zusätzlich gefährdet. – Wir brauchen niedergelassene Ärzte und wir brauchen Attraktivierung dieses Berufsstan­des. Und daran arbeiten wir wirklich mit Hochdruck.

Noch etwas zum burgenländischen Bauarbeiter: Nein, es war nicht so, dass der bur­genländische Bauarbeiter dieselben Leistungen bekommen hat wie ein Bauarbeiter in einem anderen Bundesland. Jetzt bekommt er sie! – Das zur Klarstellung noch dazu. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Die regionalen Unterschiedlichkeiten werden selbstverständlich bleiben. Es werden Ärzteverträge ausgehandelt werden, aber selbstverständlich mit großem Augenmerk darauf, was eine Region braucht, und dass das Burgenland andere Dinge braucht als Oberösterreich oder als Vorarlberg, ist vollkommen klar.

Ich bitte Sie wirklich: Hören Sie auf – ich habe das am Vormittag auch schon gesagt; das ist etwas, was mich massiv stört – mit dieser Angstmacherei! Es wird niemand ge­kündigt, es werden keine Serviceleistungen gekündigt, es werden keine Stellen ge­schlossen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist, bitte, grober Unfug! Das Einzige, was wir machen: Posten von Menschen, die in Pension gehen, werden nicht nachbe­setzt – dort liegt das Potenzial. Wir vereinfachen die IT, wir schaffen mehr Effizienz – das erspart das Geld. Aber wir schmeißen niemanden raus und wir schließen keine Stellen, da bleibt alles beim Alten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu den Mitteln von 5 Millionen in der Verwaltung: Das ist gänzlich falsch. Zudem wird vielfach der Personalaufwand als Sachaufwand budgetiert; das sei auch einmal zur Klarstellung gesagt.

Kürzung von Leistungen? – Eigentlich ist das Gegenteil passiert, wenn ich mir überle­ge, dass wir den Satz für die Zuzahlung für Psychotherapie nach 25 Jahren erstmals erhöht haben. Das war eine wichtige Entscheidung, und das ist auch der Weg, den wir in Zukunft gehen werden. – Ich danke Ihnen, Frau Minister! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Povy­sil. – Bitte.


16.30.29

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie, vor den Medien! Sehr geehrte Partei­vorsitzende und Klubobfrau der Sozialdemokraten Frau Dr. Rendi-Wagner (Abg. Ren­di-Wagner: Ja!), ich bin enttäuscht. (Abg. Rendi-Wagner: Oje!) Ich bin wirklich ent­täuscht. Ich bin enttäuscht vom Inhalt der Dringlichen, der zum Teil nicht richtig ist, ich bin enttäuscht von der Diktion, und die Argumente, die Sie heute Morgen gebracht ha­ben – Sie haben hier über Bauarbeiter und deren Sozialversicherung gesprochen (Zwi­schenruf des Abg. Drozda), Sie haben über die Krankenschwester gesprochen –,finde ich gar nicht mehr. Aber ich finde jetzt plötzlich Dienstautos, ich finde Funktionäre, ich finde Einflüsse, und am lautesten werden Sie immer, wenn es um die Selbstverwaltung geht, um die Selbstverwaltung, die wir ja gar nicht angreifen.

Die Sozialdemokratie hat ja einige Gesundheitsreformen hinter sich, aber was ist dabei passiert? – Die Bürokratie wurde mehr, die Verwaltung wurde mehr, die Anzahl der Gremien wurde erhöht. Das heißt, der gesamte Werdegang, bis hin zu einer wirklichen Leistung, die beim Patienten ankommt, wurde verlangsamt.

Wir haben hier im Parlament ein Instrument, das sich tatsächliche Berichtigung nennt. Man nennt zuerst einen Sachverhalt, stellt ihn dar und sagt dann, er ist wahr oder er ist


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unwahr. Ich werde jetzt nicht fünf tatsächliche Berichtigungen bringen, aber ich möchte sie in meine Rede einbauen. (Abg. Leichtfried: Aber wenn’s wahr ist!)

Unwahr ist, dass wir Leistungskürzungen durchführen. Wahr ist vielmehr: Leistungen werden modernisiert, Leistungen werden erhöht, es wird eine Leistungsgerechtigkeit erfolgen. Da muss ich mich auch wieder an die Sozialdemokraten wenden: Die feh­lende Leistungsgerechtigkeit innerhalb der Gebietskrankenkassen, die Sie uns immer ankreiden, wer hätte sie denn umsetzen sollen? – Sie natürlich, als dieses Ministerium von Ihnen verwaltet wurde. Sie waren gefordert, sie durchzuführen, und wir gehen es jetzt an – also halten Sie uns das doch nicht vor! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Unwahr ist, dass sich die medizinische Versorgung verschlechtern wird. Wahr ist viel­mehr: Es wird mehr Kassenärzte geben, es wird mehr Ärzte in den Regionen geben, es werden Ärzte Ärzte anstellen können, es wird eine Vielfalt an Niederlassungsmög­lichkeiten und damit eine wesentlich bessere Versorgung der Patienten in den Re­gionen geben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Unwahr ist, dass es eine Verschlechterung der regionalen Versorgung gibt. Wahr ist vielmehr: Nach wie vor gibt es einen regionalen Strukturplan, nach wie vor ist es mög­lich, die Vertragsärzte in den Regionen zu bestimmen, und es gibt sogar neu – und nicht nach wie vor – einen mit 200 Millionen Euro im Jahr dotierten Investitionsfonds, aus dem die einzelnen Regionen nach ihrem Gutdünken und ihrem Dafürhalten Gelder verteilen können.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Es werden sehr viele Unwahrhei­ten verbreitet, und ich habe versucht, nur einige exemplarisch richtigzustellen. Was ich aber wirklich nicht in Ordnung finde, was mich wirklich enttäuscht, ist, dass diese Un­wahrheiten auf dem Rücken der kranken Menschen ausgetragen werden (Beifall bei FPÖ und ÖVP), dass diese verunsichert werden, dass diese Angst haben müssen, dass sie nicht mehr die Leistungen bekommen, dass diese Angst haben müssen, dass keine Ärzte mehr da sind, dass diese Angst haben müssen, dass diesbezüglich die Si­tuation in Österreich schlechter wird. – Das ist in keinem Fall in irgendeiner Weise an­gemessen, sondern das schadet der Republik und Sie fügen damit den Österreiche­rinnen und Österreichern Schaden zu! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.


16.34.52

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Kurz an mei­ne Vorredner Wöginger und Frau Abgeordnete Povysil: Das mit den Unwahrheiten wol­len wir jetzt ein bissel sozusagen aufdröseln, vielleicht haben Sie ja kurz Zeit, ein bissel zuzuhören.

Aber ich möchte so beginnen: Frau Minister – verzeihen Sie, in Bezug auf Ihren Schal nämlich (Bundesministerin Hartinger-Klein trägt einen Schal mit Leopardenmuster) –, Sie sind sozusagen als Löwin hineingesprungen und haben als Bettvorleger geendet (Hallo-Rufe bei ÖVP und FPÖ), weil es insofern - - (Abg. Hafenecker: Und Sie werfen mir Sexismus vor!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, nehmen Sie den Ausdruck zurück!


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Verzeihung, es tut mir leid, ich nehme das zurück. (Abg. Noll: Nehmen Sie das mit der Löwin zurück! – Heiterkeit bei der Lis­te Pilz.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich glaube, es ist nicht angebracht, noch einmal nachzugießen, Herr Abgeordneter Noll!



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Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Im Grunde genommen geht es hier in der Diskussion – wovon auch Sie gesprochen haben – um die größte Reform aller Zei­ten. Sie sprechen davon, dass vor allem die AUVA, wenn sie nicht 500 Millionen Euro einspart, aufgelöst wird. Was ist passiert? Was ist mit der größten Reform passiert? Was ist mit der AUVA passiert? – Nichts ist passiert in dieser Hinsicht! Ich glaube, das Einzige, was passiert ist, und darum geht es eigentlich auch, ist, dass rote Funktionäre durch schwarze Kammerfunktionäre, durch Wirtschaftskammerfunktionäre ausge­tauscht wurden. Und ich glaube auch, es ist nicht außer Acht zu lassen, dass selbst die ÖVP im Grunde genommen – diesen Move hat sowieso keiner verstanden – am Ende des Tages als Beamtenpartei dasteht, die für die Beamten die Privilegien gerettet hat. Was früher Fritz Neugebauer war, ist jetzt Universalpräsident Harald Mahrer. (Beifall bei den NEOS.) Die alten Schwarzen sind die alten Türkisen, also die Alt-ÖVP hat sich vor allem bei den Beamten durchgesetzt; sie hat das manifestiert.

Es ist eine Ankündigungspolitik geblieben und bleibt auch nach wie vor bei jedem The­ma eine Ankündigungspolitik; auch bei den Sozialversicherungen!

Schauen wir uns das Regierungsprogramm genauer an, da steht zum Beispiel auf Seite 114: „Weiters sollen Mehrfachversicherungen generell abgeschafft werden.“ – Bei der Pressekonferenz betreffend die Sozialversicherungsreform im Mai haben Sie und Bundeskanzler Kurz angeschnitten, dass Mehrfachversicherungen fallen und mehrfach Versicherte sich künftig ihre Krankenkassen selbst aussuchen dürfen. Was ist daraus geworden? Was ist aus dieser Ankündigung geworden? – Nichts ist daraus ge­worden (Zwischenruf der Abg. Povysil), und das vor allem deshalb, weil 700 000 Ver­sicherte und auch viele Unternehmer, viele Selbständige, die wegen der Mehrfachver­sicherungen durch Beitragsnachteile und aufwendige Bürokratie nach wie vor belastet sind, davon profitiert hätten.

Das ist ein Thema. Am Ende haben die Interessen der schwarzen Krankenkassen über­wogen, und das ist das Traurige.

Auf Seite 115 des Regierungsprogramms steht: „Lohnnebenkostensenkung um 500 Mil­lionen Euro [Absenkung des Unfallversicherungsbeitrages“ – von 1,3 Prozent – „auf 0,8%]“. – In Wahrheit, Frau Minister, zahlen die Beamten jetzt nur 0,47 Prozent an Un­fallversicherungsbeiträgen, die Privaten aber 1,2 Prozent. – Was ist aus dieser Ankün­digung geworden?

Ich denke, das ist ungerecht, und ich meine, es geht vielen Unternehmern und vielen Selbstversicherten in Österreich so, dass sie dieses System als ungerecht empfinden. In Wahrheit ging es nur darum: dass die roten Funktionäre aus der Arbeiterkammer raus müssen und die schwarzen Wirtschaftskammerfunktionäre rein müssen. Das ist am Ende des Tages übrig geblieben.

Es war ja im Grunde genommen auch die Rede von der liberalen Selbstverwaltung. – Eigentlich ist das international Usus, eine großartige Idee, das war aber offensichtlich nicht mit Harald Mahrer zu machen, dem Universalpräsidenten. Er ist nicht nur die schwarze Allzweckwaffe, sondern er nimmt auch gerne so Worte wie Digitalisierung oder Liberalisierung in den Mund.

Er hat auch einmal gesagt, er „sei immer ein ,glühender Verfechter der Selbstverwal­tung‘ gewesen. Diese und die damit verbundene Pflichtmitgliedschaft bei den Kam­mern sei eine ,zutiefst liberale Idee‘, die auf die bürgerliche Revolution von 1848 zu­rückgehe“.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: ein „glühender Verfechter der Selbstverwaltung“. – Selbstverwaltung ist aber nicht liberal! Selbstverwaltung so gedacht, wie Sie sie denken, ist alles andere als liberal, sie ist das Gegenteil von li­beral! Es wird, glaube ich, nicht mehr lange dauern, bis der Herr Universalpräsident


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Mahrer davon sprechen wird, dass vielleicht eine fünfstellige 16-fach-Pension eine li­berale Idee sei.

Ich glaube, Sie haben hier zu sehr für sich selbst gedacht und nicht für eine liberale Selbstverwaltung beziehungsweise für eine Verwaltung, die auch liberal organisiert ist. Das, was Sie getan haben, ist einfach, rote Funktionäre gegen schwarze Funktionäre auszutauschen. Die große Kammerreform ist nicht gekommen, die AUVA-Reform in dieser Form ist nicht gekommen. Sie haben sich viel zu viel zugemutet, und am Ende des Tages ist ein Reförmchen herausgekommen, bezüglich dessen Sie selber zuge­ben, nicht zu wissen, was es an Einsparungen bringt.

Das, glaube ich, ist das Schlechte an der ganzen Geschichte: dass Sie nicht daran denken, was den Versicherten zugutekommt, sondern daran, was Ihnen zugutekommt. Daran denken Sie! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Nehammer: Wirklich schlecht sind die NEOS: wirtschaftsfeindlich, frauenfeindlich! Wirtschaftsfeindlich, frauenfeindlich, NEOS!)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.41.49

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Eine Reform, die die­sen Namen auch verdient, sollte eine planvolle Umsetzung und Umgestaltung eines Systems sein. Eine Reform sollte eine spürbare Verbesserung für möglichst alle Betrof­fenen erreichen. Eine Reform, die diesen Namen auch verdient, sollte insgesamt so vielen Menschen wie nur möglich das Leben verbessern. Ihre Reform, sehr geehrte Frau Ministerin Hartinger-Klein, ist im besten Fall eine organisatorische Zusammenle­gung einiger Einheiten, aber im schlimmsten Fall – und das ist der Befund, den wir aktuell sehen – eine Entmachtung derjenigen, die die deutliche Mehrheit der Beiträge zahlen, nämlich der Versicherten in diesem Land, die die Sozialversicherungsbeiträge abführen und entrichten.

Ich möchte die Frage in den Raum stellen, wo denn die eigentlichen Probleme unseres Gesundheitssystems in Österreich begraben liegen, und da drängt sich für mich ein­fach die Frage auf: Ist es das Problem, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Ar­beitgeberseite bisher zu wenig Mitsprache und Einfluss im Bereich der Gesundheits­politik hatten? – Wenn Sie diese Frage mit Ja beantworten, dann haben Sie mit dieser Reform etwas geleistet. Genau diese Frage würde ich aber nicht mit Ja beantworten, denn in Wirklichkeit ist das große Problem, das man lösen müsste, dass wir aktuell einer Regierung gegenüberstehen, die unternehmens- und konzernaffin ist und dem­entsprechend auch auf der einen Seite Beiträge senkt (Abg. Rosenkranz: Österrei­cher-affin haben Sie noch weggelassen!) – auf der anderen Seite werden wir dann sehen, wie sich das auf die Leistungen allgemein für die Betroffenen und Versicherten auswirkt. Wir sehen aber, dass sich bei der Zusammensetzung der Gremien aktuell eine Machtverschiebung in Richtung Arbeitgeber ergibt, obwohl die Beiträge in einem Ausmaß von bis zu 70 Prozent von den Arbeitnehmern, von den Versicherten ent­richtet werden. – Das ist einfach nicht richtig, das widerspricht der Selbstverwaltung, das widerspricht dem in der Verfassung verankerten Prinzip! (Beifall bei der Liste Pilz.)

Die PatientInnen und die in den Krankenhäusern Beschäftigten, die ÄrztInnen in den Ordinationen, aber natürlich auch die SachbearbeiterInnen in der Selbstverwaltung haben von dieser sogenannten Reform nichts, sie profitieren von der Umorganisation in keiner Weise. Sehen wir uns etwa folgendes Beispiel an: Eine SchmerzpatientIn, die keine Chefarztbewilligung für das Medikament Dronabinol bekommt, hat im Monat


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Kosten von 500 bis 800 Euro, die sie aus eigener Tasche an der Apothekenkasse be­zahlen muss. Diese PatientIn hat von der Neuorganisation und der Verschiebung der Mehrheiten in Richtung Arbeitgeberseite wiederum überhaupt nichts! Das heißt, was Sie hier machen, führt zu keiner Verbesserung in Richtung ArbeitnehmerInnen, in Rich­tung Versicherte.

Betroffene PatientInnen brauchen unkomplizierte Lösungen – ich glaube, darin sind wir uns einig –, sie brauchen im Falle von Schmerzen, im Falle von Problemen unkomp­lizierte Lösungen (Abg. Rosenkranz: Ja, ...!) – aber diese sehe ich in dieser Reform nicht. Kollege Rosenkranz, das sehe ich hier nicht abgebildet (Abg. Rosenkranz: Ach so! Na wenn Sie sie nicht sehen, ...!), denn eine reine Machtverschiebung trägt noch überhaupt nicht dazu bei, dass Leistungen verbessert werden. (Abg. Rosenkranz: Aber wenn der Chefarzt fällt!)

Wir haben zum Beispiel die Situation, dass mit dieser Reform – und da ist die Antwort auf die Frage, ob sie Verbesserungen im Leistungsspektrum bewirkt: nein – keine Zu­zahlung zu einer Brille, keine Zuzahlung zu einem Zahnersatz verbessert wird, keine Rezeptgebühr gesenkt wird, und es ist auch nicht so, dass auch nur eine einzige Kur mehr bewilligt würde oder unter anderem Rehabilitationsmaßnahmen auf den neuesten Stand gebracht würden. All das findet im Rahmen dieser Reform nicht statt! Genau das ist aber schade, denn das würde die Bevölkerung wirklich spüren, wenn es diesbezüg­lich zu einer Verbesserung käme.

Wichtig bei einer Reform ist, dass es – ganz egal, ob man in Bregenz oder in Salzburg wohnt, ob man in Wien oder an der Grenze zu Slowenien zu Hause ist – zu einer Ver­einheitlichung der Leistungen kommt. Das könnte man auch im Zuge dieser Reform schneller vorantreiben und dementsprechend auf den Weg bringen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Deimek: Wenn Sie es durchlesen, werden Sie sehen, dass es kommt! Darauf freut sich der Arbeiter aus Sankt Valentin, ...!)

Bei Ihrer Reform, Frau Ministerin, haben Sie immer wieder etwas versprochen, das auch heute schon mehrmals erwähnt wurde: die Einsparung von 1 Milliarde Euro, die soge­nannte Patientenmilliarde. Sie haben auch versprochen, diese wieder in das Gesund­heitssystem zu investieren, nur: Genau bei dieser Milliarde sehe ich den Vorwurf be­gründet, denn selbst bei mehrmaligem Durchsehen des Entwurfs kommt man nicht auf die 1 Milliarde! Da brauche ich jetzt nicht nur mich allein zu zitieren, sondern kann auch den Rechnungshof und seine Stellungnahme heranziehen: Auch der Rechnungshof kommt nicht auf die 1 Milliarde! (Abg. Zanger: Wenn er nicht alles berücksichtigt!)

Der Rechnungshof – und dieser ist wirklich keine linke Ideologieagentur – kritisiert und führt zu dem Zahlenwerk, das uns hier vorgelegt worden ist, aus, dass der Nachweis zum Einsparen der von der Regierung behaupteten Milliarde fehlt. Bei den in den Er­läuterungen angeführten 33 Millionen Euro an Einsparungen bis 2023 sei nicht klar, wie man dazu komme – die Grundlage sei nicht nachvollziehbar –, und außerdem wür­den die zu erwartenden Mehrkosten im Zuge der Zusammenlegung ebenfalls nicht ein­berechnet werden. – Das heißt: Erhebliche und schwerwiegende Kritikpunkte vonsei­ten des Rechnungshofes werden irgendwie – so kommt es mir vor – mit einem Wisch zur Seite geschoben. Der Rechnungshof und die Rechnungshofpräsidentin verlangen eine transparente Darstellung und eine seriöse Planung. Das ist es, glaube ich, was wir alle hier verlangen können und verlangen sollten.

Wenn wir weitergehen, dann möchte ich in dem Zusammenhang eine weitere Frage aufwerfen: Sie sprechen davon, auch in Ihrem Eingangsstatement im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage, dass es bis zu 30 Prozent Personaleinsparungen geben soll und dass der größte Teil durch Nichtnachbesetzungen, durch Personalreduktionen zustan­de kommen soll. Was mir dazu einfällt, ist: Aus den Augen, aus dem Sinn!, denn: Wird durch die Zusammenlegung der Krankenkassen wirklich die Arbeit weniger? Werden


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weniger Menschen zum Arzt gehen oder weniger ins Krankenhaus gehen? Werden weniger Bewilligungen nötig? Ist weniger Arbeit zu leisten? Vielleicht weiß ich es nicht, aber: Ist mit weniger Krankheiten zu rechnen? Werden die Wartezeiten vor den Ambu­lanzen und in den Wartezimmern kürzer? (Abg. Deimek: ... gehen weniger in die Am­bulanzen! Das freut die Länder möglicherweise, aber die Niedergelassenen ganz si­cher!) Oder wird es doch am Ende des Tages weniger Leistungen und dadurch we­niger Aufwand geben? Oder stehen wir der Situation gegenüber, dass aktuell durch Personalreduktionen, durch geplante Personalreduktionen eine Situation geschaffen wird, in der auf Kosten der Beschäftigten, auf Kosten der einfachen Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen in den Krankenkassen, und damit auf deren Rücken, gespart wird? (Abg. Deimek: Wenn es mehr Niedergelassene gibt, hat man früher einen Ter­min!)

Frau Ministerin! Weil es immer heißt, wir sparen beim System: Das System besteht aus Menschen! Wenn wir dahin gehend denken, dass wir beim System sparen wollen, dann werden wir schlussendlich auch an Arbeitsplätzen sparen, und dann wird die Ar­beit, die vorhanden ist – und die, wie wir feststellen, ja nicht weniger wird –, das aktuel­le Personal noch weiter unter Druck bringen und weiterhin wie eine Zitrone auspres­sen. Das aber will ich garantiert nicht! (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Deimek: Und das sind die 1 500 Funktionäre, die jetzt am Donnerstag mit dem Feuerzeug und mit dem Kerzerl ...? Die riskieren wir!)

Was sich die Versicherten auf der einen Seite, aber auch die Beschäftigten in den Krankenkassen im Wesen des Sozialversicherungsbereiches verdient haben, ist tat­sächlich eine spürbare Verbesserung; eine Verbesserung und eine Reform, die wirklich allen etwas bringen kann und die die BürgerInnen, die Versicherten, die Arbeitnehme­rInnen auch zu mündigen BürgerInnen macht, die eine Stimme und ein Stimmrecht in der Sozialversicherung und in den Krankenkassen haben.

Wir stehen zur Selbstverwaltung! Wir stellen uns vehement dagegen, dass diese aus­gehebelt werden soll, auf welche Art auch immer das von Ihnen versucht werden mag. Die Selbstverwaltung ist ein Stück der demokratischen Kultur, sie ist eine Kulturleistung dieses Landes, und ich bin dagegen, dass man diese Leistung jetzt unter Denkmal­schutz stellt und sagt: Okay, das verräumen wir jetzt einmal, und wir machen das alles ganz anders! – Ich möchte, dass wir diese Selbstverwaltung stärken, weiter ausbauen und – in Richtung Modernisierung – eine modernere, demokratische Form der Selbst­verwaltung einführen. Es braucht eine Sozialwahl, es braucht eine direktere Umset­zung des Willens jener, die versichert sind und auch die Beiträge leisten.

Ganz klar ist: Wenn wir den Weg hin zu so einer Art von Reform einschlagen würden, dann würde das auch zu Einsparungen beitragen, denn die Betroffenen wissen viel eher als die Industriellenvereinigung, was wirklich nötig ist. Auf der anderen Seite würde es auch – und das könnte auch Ihrem Wunsch entsprechen – zur Reduzierung der Anzahl von Funktionärinnen und Funktionären kommen – nicht zuletzt von jenen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.

Machen wir daher gemeinsam eine parlamentarische Enquete, gehen wir zurück an den Start! Nehmen Sie diesen undurchdachten Reformvorschlag zurück und diskutie­ren wir gemeinsam über eine echte Reform, die auch wirklich spürbar draußen bei den Versicherten ankommt! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Nussbaum zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.51.25

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrtes Hohes Haus! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Ministerinnen! Vor fünf Tagen ist die Begutach-


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tungsfrist für die drei Sozialversicherungs-Organisationsgesetze zu Ende gegangen. Sie, Frau Ministerin Hartinger-Klein, haben sich in einer Aussendung für die zahlrei­chen – ich glaube, es waren fast 90 – Stellungnahmen zu diesem Gesetz bedankt. Spa­ren Sie sich den Dank und hören Sie endlich auf die Expertinnen und Experten, die zu diesem Gesetzentwurf etwas zu sagen haben, denn diese Bedenken sind ja nicht aus dem Nichts entstanden! (Abg. Deimek: Das mit dem Dank ist immer eine Frage der Höflichkeit! Den könnte man auch von manchen Fraktionen erwarten!)

Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Offensichtlich arbeiten Sie aber nur für die Konzerne in Österreich. Sie setzen bisher alle Forderungen von Industriellenver­einigung und Wirtschaftskammer um (Beifall bei der SPÖ – Abg. Belakowitsch: Was reden Sie da?): Geschenke für Wirtschaft und Konzerne. (Abg. Belakowitsch: Wo le­sen Sie das raus?) Sie müssen ihnen, der Wirtschaft und den Konzernen, offensichtlich viel zurückzahlen. (Abg. Zanger: Hat Ihnen die Rede der Kern geschrieben? – Abg. Belakowitsch: Oder der Fußi?)

Geschenk Nummer eins: mehr Macht für die Wirtschaft. Gerade 28,7 Prozent zahlen die Arbeitgeber in die Gebietskrankenkassen ein. Trotzdem geben Sie den Arbeitge­bern, der Wirtschaft in der ÖGK die Hälfte der Entscheidungsmacht über die Gelder der Beschäftigten. (Abg. Deimek: ... die Finanztricks des Herrn Kern! – Abg. Belako­witsch: Aber lesen können Sie ganz gut!)

Wobei sich jetzt aber die Frage stellt: Wie lange gibt es denn noch eine Selbstverwal­tung? – Bundeskanzler Kurz sagt, das kann man auf orf.at nachlesen: „zumindest so­lange es“ noch „die Selbstverwaltung gibt“. – Das heißt, es ist nicht nur so, dass die Wirtschaft jetzt die halbe Macht in der Selbstverwaltung bekommen hat, sondern of­fensichtlich wird da auch geplant, die Selbstverwaltung abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Haben Sie eine Glaskugel?)

Verlierer sind natürlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Abg. Belakowitsch: Nein, die Funktionäre!), denn zusätzlich stopfen Sie den Großkonzernen und Großbe­trieben Geld in den Rachen, indem Sie die AUVA-Beiträge senken. (Abg. Deimek: Aber ganz ehrlich: Wenn die ... der Selbstverwaltung ist, dass ich zehn Monate auf ei­nen Facharzttermin warte und dass ... ihre Medikamente nicht kriegen, dann verzichte ich auf die Selbstverwaltung!) Die Leidtragenden sind jeweils 7 Millionen Menschen in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme jetzt zum Geschenk Nummer zwei: Sie treiben die Privatisierung unseres Gesundheitssystems voran. Zusätzliche Privatsanatorien, Freunde von unserem Vize­kanzler werden mit 15 Millionen Euro zusätzlich dotiert und extra evaluiert. (Abg. Bela­kowitsch: Was erzählen Sie da eigentlich? Könnten Sie da Namen nennen? Wer sind die Freunde, von denen Sie da reden?) Die AUVA mit der Ausgliederung in eine Be­triebs-GmbH ist für mich der erste Schritt, auch dort zu privatisieren.

Es gibt natürlich ein klares Motiv: Dort, wo Unsicherheit besteht – und wir kommen zu einer Dreiklassenmedizin –, treiben Sie die Menschen dazu, vermehrt in die private Krankenversicherung zu investieren. Das spült natürlich in Kassen, wie zum Beispiel jene der Uniqa, viel Geld hinein. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass unser Finanz­minister von dort herkommt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das ist un­glaublich! Das ist unglaublich!)

Geschenk Nummer drei: Die Konzerne – natürlich wieder – profitieren in Zukunft auch auf legalem Weg, um zu mehr Geld zu kommen. Die Beitragsprüfung wird in das Fi­nanzministerium eingegliedert – der Rechnungshof sagt auch hierzu, die Gebietskran­kenkassen sind die effizienteren Prüfer –, weil es natürlich wieder darum geht, dass die Arbeitnehmer verlieren sollen: verlieren dahin gehend, dass in Zukunft nicht mehr die Kollektivvertragseinstufungen überprüft werden und es somit passieren kann, dass es


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für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Krankengeld, Wochengeld, Arbeitslosen­geld und eben auch in der Pension zu Verlusten kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eines der besten Gesundheitssys­teme der Welt, nämlich ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem. Das ist gut so, und so soll es auch bleiben. Sie jedoch, meine Damen und Herren von der Bundesre­gierung, wollen die Dreiklassenmedizin. (Abg. Belakowitsch: Nein, wir wollen sie eben nicht! Die haben Sie eingeführt!) Sie wollen, dass Gesundheit zum Luxus wird.

Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück! Setzen Sie sich wieder an den Verhandlungstisch und reden Sie mit Expertinnen, Experten und Betroffenen, bevor es zu spät ist und unser Gesundheitssystem durch Ihre Pläne zerstört ist.

Ich möchte auch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „echte Reform angehen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Regierungsvorlage zum Sozialversiche­rungs-Organisationsgesetz samt der im Kontext stehenden übrigen Regierungsvorla­gen zurückzuziehen und stattdessen eine Regierungsvorlage unter Einbeziehung der Versichertenvertreter (Sozialpartner) zu erarbeiten, die unter anderem auch die Ver­sprechungen der Bundesregierung umsetzt:

gleiche Leistungen für alle Versicherten

echte Selbstverwaltung in allen Trägern

keine Selbstbehalte

mehr Geld für das Gesundheitssystem für Leistungsausbau.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Die Rede hat Sekretär Drozda ge­schrieben!)

16.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc, Muchitsch und GenossInnen

betreffend echte Reform angehen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend die Zerstörung unseres gut funktionierenden Gesundheitssystems durch die Kassenzentralisierung

Die legistische Umsetzung des Vorhabens der schwarz-blauen Bundesregierung be­züglich Sozialversicherungsstruktur-Umbau wird von allen Seiten heftig kritisiert. Nicht nur, dass es unter völliger Missachtung der Betroffenen entstanden ist, ist in den Stel­lungnahmen von einem „Spiel mit Zahlen“ über das „Ende der Selbstverwaltung“ bis hin zu „fehlenden Fusionszielen“ und „Verfassungswidrigkeit“ die Rede. Das Vorhaben entwickelt sich zur schlechtest vorbereiteten Zentralisierung der Zweiten Republik.


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Nach all dieser begründeten Kritik und nachdem zahlreiche Erfahrungen zeigen, dass übereilte Fusionen zu 70 Prozent scheitern und viel mehr kosten, als sie letztendlich bringen,

stellen die unterzeichneten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Regierungsvorlage zum Sozialversiche­rungs-Organisationsgesetz samt der im Kontext stehenden übrigen Regierungsvorla­gen zurückzuziehen und stattdessen eine Regierungsvorlage unter Einbeziehung der Versichertenvertreter (Sozialpartner) zu erarbeiten, die unter anderem auch die Ver­sprechungen der Bundesregierung umsetzt:

• gleiche Leistungen für alle Versicherten

• echte Selbstverwaltung in allen Trägern

• keine Selbstbehalte

• mehr Geld für das Gesundheitssystem für Leistungsausbau.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Frau Abgeordnete Belakowitsch zu Wort ge­meldet. – Bitte.


16.57.15

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Die Vorrednerin hat gerade in Ihrem Redebeitrag behauptet, Freunden des Vizekanzlers würden 15 000 Euro in den Rachen gestopft.

Das ist unrichtig! Frau Abgeordnete, ich würde Sie bitten, diese Aussage entweder zu­rückzunehmen oder Beweise auf den Tisch zu legen!

Des Weiteren hat sie behauptet, die Firma Uniqa würde im Zuge dieser Sozialversiche­rungsreform bevorzugt, weil der Finanzminister von dort kommt.

Auch das ist unrichtig! Ich würde Sie bitten, auch das zurückzunehmen oder es mit Fakten zu unterlegen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stras­ser. – Bitte.


16.58.02

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministe­rinnen! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es steht mittlerweile seit vielen Jahren die Veränderung der Sozialversicherungsstruktur in ver­schiedenen Parteiprogrammen, es wurde in den verschiedensten Gremien ebenso wie an Stammtischen darüber diskutiert, und es wurden sogar Studien – eine Studie sogar auch vom Kollegen Bundesminister Stöger – in Auftrag gegeben. Ich sage daher ganz ehrlich, ich verstehe die Aufregung nicht, denn wir tun das, was wir vor einem Jahr ver­sprochen haben: Wir reformieren diese Struktur! Das ist eine Strukturreform, und wei­tere Reformen werden mit Sicherheit folgen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Es werden aus 21 Trägern fünf Träger; es wird zu keinen Schließungen, es wird zu kei­nen Kürzungen kommen; wir sparen im System – das haben wir schon alles gehört –, und das Ersparte wird den betroffenen Damen und Herren in Österreich zugutekom­men. Wir setzen das um, wofür wir gewählt wurden und was wir eigentlich auch im ver­gangenen Jahr immer wieder kommuniziert haben.

Ich darf einen kurzen Bericht abgeben, weil es ja im Bereich der Bauern und im Be­reich der Wirtschaft zu einem neuen Träger kommt. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft werden fu­sioniert. Ich darf mich da für den Weitblick von Präsident Schultes und Präsident Leitl bedanken, die schon vor über einem Jahr die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Verhandlungsergebnisse aus den Jahren 2003, 2004 zum Anlass genommen haben, diese Verhandlungen weiter voranzutreiben.

Wir bauen eine bestehende Kooperation aus, die uns seit mittlerweile vielen Jahren zeigt, dass eine Kooperation zwischen Sozialversicherungsträgern aus wirtschaftlicher Sicht wirklich Sinn macht: Es wird weniger Entscheidungsgremien geben, es wird we­niger Funktionäre geben. Entgegen verschiedenen Aussagen aus dem Plenum wird es so sein: Die Selbstverwaltung, die wir alle schätzen, wird aufrechtbleiben, und wir über­geben ein stabiles Budget. Wir werden auch in Zukunft daran arbeiten, diese Budgets in Ordnung zu halten. Auch das Bürgerservice wird in Zukunft gegeben sein. Es gibt Landesstellen, wohin sich Damen und Herren, die verschiedenste Anliegen haben, per­sönlich vor Ort um Rat und Hilfe wenden werden können. (Präsidentin Bures über­nimmt den Vorsitz.)

Zwei Aspekte möchte ich noch ansprechen. Geschätzte Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie waren ja Wissenschafterin, und ich stelle fest, Ihre Partei, die Sozialdemokratie, hat rund um das Thema Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen sehr viele Halbwahrhei­ten und Unwahrheiten in ihre Kampagnen eingebaut. Diesen Umstand der Halbwahr­heiten, der Unwahrheiten und der Angstmache sehen wir jetzt auch in Ihren Aussagen. Das tut mir ein wenig leid. Als neue Chefin Ihrer Partei sollten Sie da schon die Ver­antwortung etwas ernster nehmen.

Ich sage Ihnen schon: Wir sind angetreten, um das Leben der Menschen einfacher zu machen. Wir sind angetreten, dass sich die Systeme weiterentwickeln, und wir sind an­getreten, dass sich die Gesundheit und die Gesundheitsvorsorge der Menschen in die­sem Land verbessern. (Abg. Leichtfried: Ja, für ein paar wenige!) Und das halten wir auch ein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Abschließend darf ich unserer Frau Bundesministerin zu ihrem Mut zur Veränderung gratulieren. Ich darf mich für die Begleitung bedanken. Es ist zweifellos ein intensiver Prozess, der noch immer nicht abgeschlossen ist, weil 2019 ja auch die betroffenen Gremien und Sozialversicherungsträger, die neu geschaffen werden, diese Reformen mit Leben erfüllen werden müssen.

Ich darf mich für ihr Engagement, für ihren Mut zur Veränderung bedanken. Ich sage ganz offen, dafür sind wir gewählt worden. Der Mut zur Veränderung prägt diese Re­gierung und prägt diese Koalition. Danke schön an alle Kolleginnen und Kollegen! An diesem Weg werden wir konsequent weiterarbeiten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.02


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Mag. Ger­hard Kaniak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.02.58

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frauen Bundesministerinnen! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Frau Dr. Rendi-Wag-


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ner und Genossinnen und Genossen! Vielen Dank für diese Dringliche Anfrage! (Abg. Leichtfried: Gerne!) Aber aus meiner Sicht ist das eine Themenverfehlung, denn das Einzige, was dringlich ist, ist eine Reform der Sozialversicherung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie stellen sich heute her und wollen uns belehren, was diese Reform denn nicht alles Funktionierendes zerschlagen würde und was nicht alles für die Versicherten in diesem Land schlechter werden würde. Ihr Kollege Wimmer stellt sich sogar her und redet von der Zerstörung der Sozialversicherung in Österreich. Und gleichzeitig kritisieren Sie die bestehenden unterschiedlichen Leistungen zwischen den Trägern, kritisieren eine Bes­serstellung für die Versicherten in den Krankenfürsorgeanstalten und kritisieren die besseren Leistungen für die Versicherten in der BVA. Ja ich frage Sie: Wer war denn Gesundheitsminister in den letzten zehn Jahren? Welche Partei hat denn das Bun­desministerium für Gesundheit geleitet? Was haben Sie gemacht, um diese bekannten Missstände abzustellen? (Abg. Rädler: Nichts! – Ruf bei der FPÖ: Gar nichts!)

Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit Ihren Maßnahmen zur Zielsteuerung, die Sie ge­troffen haben! Die waren bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich kann nur aus der Praxis sagen, dass die Leistungsunterschiede sowohl innerhalb der Gebiets­krankenkasse als auch natürlich trägerübergreifend bis heute bestehen und nicht beho­ben worden sind.

Dass nicht alles im Reinen war, das wird auch Herr Kollege Stöger als ehemaliger Gesundheitsminister festgestellt haben, ansonsten hätte er nicht eine sehr teure Studie bei der London School of Economics in Auftrag gegeben. (Abg. Neubauer: Ehema­lig ...!) – Ehemalig ist richtig, ja. – Als die Studie endlich da war und nicht nur der Rech­nungshof, sondern eben auch unabhängige Gremien festgestellt haben, dass Hand­lungsbedarf gegeben ist, haben Sie sich hingesetzt und haben eine Pressekonferenz gegeben, Kollegin Rendi-Wagner, Kollege Stöger.

Und was haben Sie da gesagt? (Ruf bei der SPÖ: Die Wahrheit, nichts als die Wahr­heit!) – Ich zitiere hier ein bisschen: Es gibt Handlungsfelder, auf denen wir eindeutig besser werden müssen. – Dem kann ich zustimmen. Sie haben weiters eine gesetz­liche Vereinheitlichung bei der Versicherung gefordert. – Das sehen wir auch so. Sie haben gesagt, dass die Zahl der Träger nicht in Stein gemeißelt sein soll, sondern re­duziert werden kann. – Tatsächlich. Und Sie haben betont, wie wichtig die Leistungs­harmonisierung ist. Und jetzt, da diese Regierung genau diesen Reformweg beschrei­tet, soll auf einmal alles falsch sein? Bitte, das müssen Sie einmal jemandem erklären! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Natürlich ist eine Leistungsharmonisierung, gerade auch zwischen den verbliebenen Trägern und den Krankenfürsorgeanstalten, ein sehr langfristiger Prozess. Nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass die jetzige Regierung keine Verfassungsmehrheit hat, lassen sich viele Dinge nicht sofort umsetzen. Aber sollen wir deshalb die ersten Schritte nicht gehen, sollen wir stehenbleiben und das System schlecht bleiben las­sen? – Nein, sage ich. (Abg. Rosenkranz: Um Gottes willen! Natürlich nicht!)

Da auch Kollege Rossmann groß aufgezählt hat, wir würden eine Dreiklassenmedizin einführen, so sage ich: Bislang haben wir ja eine 19-Klassenmedizin, die Sie als gewe­sene Minister (in Richtung SPÖ) zu verantworten haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden die Leistungen Schritt für Schritt harmonisieren und uns dabei an einem höheren Leistungsniveau orientieren. Damit das auch möglich ist, bedarf es natürlich Einsparungen im System. Die freigewordenen Mittel werden für diese Verbesserungen verwendet werden – und das nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in der Ver­lagerung von Leistungen auf eine effizientere Leistungsebene, quasi aus den Spitälern hin zu den Haus- und Fachärzten im niedergelassenen Bereich.


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Jetzt bestreiten Sie alle von der Opposition diese möglichen Einsparungen. Doch was haben Sie selber bei der Präsentation der Studie der London School of Economics gesagt? Sie haben von 120 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr (ein Foto in die Hö­he haltend, auf dem die Abgeordneten Rendi-Wagner und Stöger zu sehen sind) nur in der Verwaltung gesprochen. Das waren Ihre eigenen Worte, Frau Kollegin Rendi-Wag­ner. Dann noch ergänzt vom Kollegen Stöger: Und zusätzliche Einsparungen sind na­türlich durchaus noch möglich.

Und jetzt zweifeln Sie an, dass 1 Milliarde an Einsparungen auf fünf Jahre überhaupt erreicht wird. Da frage ich mich: Wie kommen Sie zu diesen Aussagen? Wer soll Ihnen da überhaupt noch glauben? Aber es ist schon klar, von der Oppositionsbank sieht alles ganz anders aus als von der Regierungsbank. (Abg. Wittmann: Wie kommen Sie zur Milliarde? – Abg. Leichtfried: Das täte mich jetzt auch interessieren!)

Zuletzt möchte ich noch auf den Vorwurf der Leistungsverschlechterungen für die Ver­sicherten eingehen. Es wird definitiv keine Leistungsverschlechterungen für die Ver­sicherten geben. Bei der Angleichung orientieren wir uns nach oben. Jeder in der Struktur eingesparte Euro wird wieder für Leistungen im System ausgegeben. Das ist ja ganz logisch. Dass dann unter dem Strich nichts übrigbleibt, ist ja auch nie beab­sichtigt worden. Wir wollen ja, dass das Leistungsniveau verbessert wird. Wir sparen an einer Stelle und geben Geld für Leistungen für die Versicherten, aber auch für Ho­norare für die Leistungserbringer in diesem System aus. Wie man bei weiterhin stei­genden Beiträgen, bei weiterhin steigenden Ausgaben aus dem öffentlichen System und bei einem effizienteren Einsatz der Mittel auf die Idee kommen kann, dass es zu Leistungsverschlechterungen kommt, das erschließt sich mir in keiner Weise. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man das alles so zusammenfasst, kann man nur zu einem Schluss kommen: All die haltlose Kritik an dieser Reform dient nur dem Erhalt der Macht- und der Funktionärsstruktur, die Sie selber als Ministerin noch kritisiert haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Sie machen eine Politik für Funktionä­re, nicht für die Patienten und Leistungserbringer in unserem Gesundheitssystem.

Wir werden uns in der Umsetzung dieser Reform nicht beirren lassen. Dort, wo es tat­sächlich verfassungsrechtlich notwendig sein sollte, wird das Gesetz gegebenenfalls noch korrigiert, aber inhaltlich sind wir definitiv auf dem richtigen Weg. (Abg. Leicht­fried: Das mit der Milliarde wäre noch zu erklären!)

Vergessen Sie eines nicht, meine Damen und Herren: Die Sozialversicherungsreform ist ja nur der erste Schritt der großen Gesundheitsreform. Sie bildet den Rahmen, in dem wir die Leistungsharmonisierung, die Verlagerung der Leistungen für die Patienten in den niedergelassenen Bereich, in das Kassenarztsystem vorantreiben wollen und mit dem wir die langfristige Sicherung und auch Verbesserung unseres Gesundheits­systems vorantreiben werden. Diese Regierung macht Gesundheitspolitik nicht für Käm­merer und Funktionäre, sondern für die Patienten und Versicherten in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.09


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Claudia Gamon, jetzt haben Sie das Wort. – Bitte.


17.09.36

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich einem Thema widmen, das zu die­sem Themenkomplex dazugehört, aber bisher leider ausgespart wurde, nämlich der Pen­sionsversicherung.


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Ich möchte gar nicht auf die Kritik eingehen, wie wir sie sonst bei diesem Thema üben, sondern es soll ganz explizit nur um die Zersplitterung im Pensionsversicherungssys­tem gehen. Die strukturelle Bereinigung unserer Pensionsversicherung ist im Zuge die­ser Pseudoreform ja völlig vergessen worden, was sehr schade ist, denn im aktuellen Regierungsprogramm spricht man ja von einer sogenannten neuen Pensionsversiche­rungsanstalt als erster Säule einer neuen Sozialversicherung in Österreich, die für alle Pensionen zuständig sein sollte.

Jetzt finden wir das in dieser größten Strukturreform aller Zeiten seltsamerweise nicht wieder. Ob man dann, wenn es einmal kommen wird, noch eine Steigerungsform fin­den wird, diesmal aber wirklich die allerallergrößte Strukturreform aller, aller Zeiten, weiß ich nicht, denn da wäre dann relativ viel Geld drinnen. Hier fallen mit 600 Millio­nen Euro die höchsten Verwaltungskosten an, und da sprechen wir immerhin von der Hälfte aller Sozialversicherungsverwaltungsausgaben, also keine Kleinigkeit, sondern ein enormes Verwaltungseinsparungspotenzial, das hier nicht genutzt wird. (Beifall bei den NEOS.)

Da der Reformeifer die Regierung offensichtlich gerade in der Zielgeraden verlassen hat, werden wir weiterhin mehrere Pensionsversicherungssubsysteme parallel laufen haben, das ASVG für die Otto-Normal-Pensionsversicherten, das BSVG für die Bau­ern, das GSVG für die Selbständigen, dann noch die Beamten und nicht zu vergessen seltsamerweise die Notare. Solange wir uns den Luxus dieser Pensionsvielfalt leisten, so lange wird das System nicht günstiger und dadurch natürlich auch nicht nachhal­tiger.

Um einen kleinen Einblick zu bekommen, haben wir uns die Verwaltungskosten von unterschiedlichen Pensionsversicherungsanstalten angeschaut. Während die PVA für 93 Euro je Versichertem im Jahr ihr System verwaltet, braucht die Bauernpensions­versicherung fast doppelt so viel für die Verwaltung. In Zahlen sind das 180 Euro pro Kopf in der Bauernpensionsversicherung. Dass man da doppelt so viel Bleistifte oder Papierln oder was auch immer braucht, davon gehe ich nicht aus, deshalb würde es sich rentieren, da einmal genauer reinzuschauen und das auch in ein Reformpaket hi­neinzunehmen.

Es ist Fakt, dass es hier ein gewaltiges Einsparungspotenzial gibt, das immer noch brachliegt; eventuell, wenn man sich dem gewidmet hätte, wäre man vielleicht sogar in der Realität noch an diese Fantasiemilliarde herangekommen.

Wir haben uns ausgerechnet, wie viel man in der Verwaltung sparen könnte, wenn alle in der günstigsten Pensionsversicherung versichert wären, also in der verwaltungstech­nisch günstigsten, das wären fast 50 Millionen Euro im Jahr. Das sind immerhin 50 Mil­lionen, von denen Sie hier in dieser Reform gar nicht nachweisen können, dass die eingespart werden.

Unsere Aufforderung wäre ganz explizit – wenn das schon diesmal nicht drangekom­men ist –: Bei der nächsten allergrößten Strukturreform aller Zeiten bitten wir, ganz ex­plizit auf dieses Thema Augenmerk zu legen. Wir haben sehr viele Vorschläge, die wir hier auch gerne einbringen. Man kann ja jetzt zum Schluss noch einmal der Nettigkeit halber ein bisschen konstruktiv werden. Wir sind immer bereit, mit Vorschlägen auf Sie zuzukommen, ich glaube, wir haben im Parlament in den letzten Jahren eine wirklich lange To-do-Liste für die Regierung offen gelassen. Man kann hier wahnsinnig viel Geld einsparen, was auch wirklich wichtig wäre, um im Pensionssystem für Nachhaltig­keit zu sorgen.

Da geht es nicht einmal mehr um die Leistungen, wie man noch mehr erbringen kann, sondern darum, ob wir diese für die nächsten Generationen überhaupt in der Art und Weise noch haben werden. Deshalb ist hier auch Dringlichkeit geboten. Wir bitten da­rum, sich das anzuschauen. (Beifall bei den NEOS.)

17.13



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 167

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte.


17.13.46

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Politik ist manchmal, glaube ich, schon ein hartes Geschäft. Da setzen sich Kurz und Strache hin, erzählen überall herum, das ist die allerallerallerbeste Gesundheitsreform, die es jemals in Österreich gegeben hat, alles wird besser, alles wird super, und dann passiert etwas ganz Ärgerliches. (Abg. Zanger: Es ist keine Gesundheitsreform! Es ist eine Sozialversicherungsreform! – Abg. Belako­witsch: Das ist keine Gesundheitsreform!) Es gibt so etwas wie Fakten. Es gibt Men­schen in Österreich, die sich die Mühe machen, quer durch alle Parteien, Expertinnen und Experten, die schauen sich das Ganze an und kommen drauf, das, was da erzählt wird, stimmt ja mit den Fakten gar nicht überein. Und sie kommen drauf, dass die al­lerallerallerbeste Gesundheitsreform aller Zeiten für die Patientinnen und Patienten, für die kranken Menschen in diesem Land gar nichts verbessert. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hätte sich als Bundesregierung ja auch hinstellen und ganz offen sagen können, ein Bergbauer in Tirol, eine Lehrerin in Niederösterreich, ein Fliesenleger in Klagenfurt, ein Versicherungsvertreter irgendwo in Wiener Neustadt, egal, woher man kommt – ich weiß nicht, wo Sie herkommen, Herr Präsident, aber ich nehme an, aus der Nähe (Abg. Rosenkranz: Tatsächliche Berichtigung!); okay, das wird dann berichtigt (Heiter­keit bei der SPÖ) –, egal, woher du in Österreich kommst, egal, welchen Beruf du hast, jeder Mensch verdient die gleich gute Gesundheitsversorgung. Es darf keinen Unter­schied machen, in welcher Region man aufwächst, wenn ein Mensch krank ist, ver­dient er die allerallerbeste Gesundheitsversorgung. (Abg. Hauser: Wieso haben Sie das nicht alles gemacht? Ich kann das gar nicht mehr hören!)

Da gibt es aber eine Partei in Österreich – da muss man zumindest sagen, die ist so ehrlich –, die sagt, na, ganz so darf es nicht sein. Um Gottes willen, alle Menschen gleich gut versorgt, das passt nicht zu unserem Weltbild! – Das ist die ÖVP. (Zwi­schenruf des Abg. Nehammer.) Die ist ja dafür gegründet worden, dass sie sagt, es gibt so etwas wie Klientelpolitik, dafür braucht man die Bünde. Ja stellt euch vor, wenn auf einmal eine gleich gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen gegeben wäre! Dann braucht es ja keine ÖVP mehr! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nehammer: Die Kaiser-Politik in Kärnten ist super!) Die ÖVP ist dann auch so ehrlich und sagt – ja, es ist natürlich gerecht aus Sicht der ÖVP –, die einen kriegen das Zahnimplantat gezahlt und bei den Hacklern ist es eh wurscht, ob die sich die Zahnimplantate leisten können oder nicht. Das ist zumindest ehrlich aus Sicht der ÖVP. (Abg. Nehammer: So wie Landeshauptmann Kaiser!)

Ein bisschen schwieriger wird es dann nur bei der FPÖ. Die schreibt nämlich im Wahl­kampf auf die Plakate: Fairness. (Abg. Rosenkranz: Bravo! – Abg. Belakowitsch: Super!) Fairness ist auf den Plakaten gestanden. Der Herr Klubobmann sagt „Bravo!“ zur Fairness. Das ist der Nachteil, wenn man englische Begriffe verwendet, dass man oft gar nicht weiß, was wirklich gemeint ist. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Bleiben wir beim altmodischen Wort Gerechtigkeit! (Abg. Nehammer: So wie Landes­hauptmann Kaiser!) Ist es gerecht, dass der eine, der Bauarbeiter, ein paar Euro für eine medizinische Massage, die er braucht, gezahlt kriegt, aber der Politiker 350 Euro? Ist das fair? Ist das fair? (Abg. Nehammer: Landeshauptmann Kaiser, oder?) Das sind doch alles Dinge, wo wenigstens die FPÖ aufstehen und sagen müsste, der kleine Mann, von dem ihr immer redet, ja, für den kämpfen wir.

Wo ist denn der kleine Mann? (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Kaum sagt die ÖVP, das wird schon einen Grund haben, dass der kleine Mann klein ist (Abg. Nehammer: Wo ist der Kaiser?), da sagt ihr schon, jawohl, Sebastian Kurz, wir haben unsere Posi-


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tionen aufgegeben, wir machen das, was die ÖVP den Großspendern versprochen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Hat die Rede Luca Kaiser geschrieben?)

Das ist leider für mich das Schlimme, dass wir in Österreich eine Reform erleben wer­den, von der vor allem die Regionen nichts haben. Ich sage auch, ich war vor einigen Jahren einmal in Tirol. Ich glaube, dass ich Osttirol einigermaßen vom Urlaub kenne. Ich fahre immer wieder durch die Steiermark nach Wien, aber ich würde doch nie auf die Idee kommen, dass ich dann den Tirolern erkläre, was die beste Gesundheitsver­sorgung ist, oder dass ich mich, weil ich durch die Steiermark durchfahre, wunder­wuzzimäßig in der Steiermark auskenne.

Aber nein, die Frau Ministerin vom Schreibtisch aus in Wien, die weiß ganz genau, was man in den Regionen in Österreich braucht. Das machen wir vom Schreibtisch aus. Das ist die Politik von Schwarz und Blau in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ne­hammer: In Kärnten macht es der Kaiser selber!)

Der letzte Punkt, was wirklich ein Wahnsinn ist: Der einzige Punkt, bei dem sich dann der Herr Strache – das kann man im „Profil“ nachlesen – wirklich reingehaut hat, das waren die Privatspitäler, weil er da offen gesagt hat: Wir werden alle nicht jünger, die Zeiten ändern sich, man kriegt vielleicht ein paar Falten. Da ist es doch wichtig, dass die Botox-Behandlung im Privatspital dann auch bestens abgedeckt ist. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Dafür muss man kämpfen. Das war die Forderung vom Herrn Strache, für die er sich wirklich eingesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Von der Rechnungshofpräsidentin bis hin zu den Landeshauptleuten hat es so viele Kritikpunkte gegeben. Wenn das wirklich so eine Weltklassereform ist, dann müsste man nicht immer wieder nachbessern und es würde nicht der eigene Verfassungs­dienst sagen, dass das alles ein Murks ist. Bitte, seid doch ehrlich: Alle hier in diesem Saal wissen, dass das ein Murks ist! (Abg. Nehammer: Einfach ehrlich, einfach Kai­ser!) Kehren wir zurück zu den Verhandlungen! Machen wir etwas Gescheites, dass es keinen Unterschied mehr macht, welchen Beruf man hat, wo man lebt: Gleich gute Ge­sundheitsversorgung für alle Menschen in Österreich. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Zadić.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Ragger, ich habe Sie noch nicht zum Rednerpult gerufen (in Richtung des sich bereits am Rednerpult befindenden Abg. Ragger), deshalb nicht, weil eine tatsächliche Berichtigung vorliegt, und die ist vom Klubobmann Dr. Rosenkranz. – Bitte, Herr Klubobmann.


17.18.25

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Mein Vorredner – der Name seines parlamentarischen Mitarbeiters ist mir geläufiger – hat hier vom Redner­pult aus behauptet (Abg. Leichtfried: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!), Vize­kanzler H.-C. Strache habe gesagt, er macht sich Sorgen um sein Alter und um seine Botox-Behandlung in einem Privatspital.

Ich berichtige tatsächlich: H.-C. Strache hat so etwas nie behauptet. – Fake News. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Ragger, jetzt sind Sie am Wort. 5 Minuten. – Bitte.


17.19.12

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Danke für die Worterteilung. Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist herrlich anzuschauen, wie sich die SPÖ heute ziert, wendet und dreht in diesem Bereich, wenn wir über dieses


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Reformvorhaben sprechen. Alle hier auf der linken Seite Sitzenden müssen irgendwie an kollektiver Demenz leiden, denn ansonsten könnte es nicht sein, dass sie sich in keiner Weise daran erinnern können, was sie die letzten 30 Jahre gemacht haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer war denn für dieses System verantwortlich, was so­wohl Herr Kollege Wimmer als auch die Vorsitzende Wagner moniert haben? Wer war denn der für dieses System zuständige Minister? Wer hat die Kontrolle dieses Systems gemacht? – Das waren alles Ihre eigenen Fraktions- und Parteikollegen. Und das wol­len Sie jetzt mit einem Satz davonwischen?!

Besser wäre heute gewesen, Sie hätten nicht Willy Brandt zitiert. Vielleicht hätten Sie einmal ein Zitat genommen, das etwas anspruchsvoller für die SPÖ ist: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Zeit haben Sie einfach übersehen. Seien Sie doch einmal ehrlich – einmal ehr­lich in 50 Jahren hinsichtlich dessen, was Sie hier machen –: Ihnen geht es nicht um das System, das Sie vielleicht für die Versicherten verbessern wollen, sodass sie bes­sere Leistungen bekommen, nein, nein, Ihre Punkte sind Ihre drei Punkte, die Sie seit 50 Jahren prolongieren.

Erstens: Ihr Funktionärssystem. Ihr Funktionärssystem ist zwischen Direktor und Ob­mann aufgezogen worden. Mittlerweile hat man aus diesem bonzenhaften System eine Vereinsmeierei gemacht, wo jeder von diesen Direktoren regelmäßig seine Gehälter 14-mal im Jahr abholt. Dieses System wollen Sie schützen – und das wollen wir än­dern! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Damit Sie mich nicht gleich als Lügner hinstellen, sage ich Ihnen sofort ein Beispiel da­zu: Sie haben sich neun AUVA-Direktoren geschaffen. Ich würde noch verstehen, dass man neun AUVA-Direktoren bezahlt, aber Sie ziehen gleich eine zweite Verwaltungs­ebene ein und dann noch eine zentrale Verwaltungsebene. Und alle Ihre Direktoren kriegen zwischen 10 000 und 15 000 Euro im Monat bezahlt. Das alles auf Kosten der Versicherten, die Sie eigentlich schützen sollten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Ro­senkranz: Das ist die Selbstverwaltung, die sie meinen!)

Geschweige denn, dass Sie wissen, was eine zentrale Steuerung oder ein zentraler Einkauf bedeutet – das ist Ihnen sowieso fremd, das Einmaleins der Betriebswirtschaft.

Aber dann schlägt es dem Fass den Boden aus, um es auf Kärntnerisch zu formulie­ren, nämlich insofern, als Sie von einem Klassensystem sprechen: Es wird ein Zwei­klassensystem, ein Dreiklassensystem geben. – Ich erinnere mich daran, dass, als ich Sozialreferent war, die Herren Primarärzte zu mir gekommen sind und gefragt haben: Entschuldigung, die letzten 30 Jahre haben wir von den Sozialisten unser Bonussys­tem gekriegt (Abg. Nehammer: So ist es!), wo kriege ich denn jetzt meine Boni her, wenn ich operiere und bevorzugt einen anderen Menschen versorge? – Das ist Ihr System! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Nehammer: So ist es!)

Ich habe dann irgendwann einmal meinen Kuli gewechselt – jetzt schreiben wir blau weiter, denn wir müssen dieses rot verfilzte Specksystem einfach wegbringen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Man muss der Ministerin dafür Danke sagen, dass Sie so fair war und ...


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, dass Sie sich in Ih­rer Ausdrucksweise mäßigen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Lächerlich! Das ist eine Frechheit! Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie sind wieder am Wort. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, ich werde mich in meiner Ausdrucksweise mäßigen.


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Um auf dieses verfilzte Parteisystem der SPÖ zurückzukommen: Ich möchte festhal­ten, dass unsere Ministerin ordnungsgemäß diese Strukturreform angegangen ist. Wir haben einen gemeinsamen Einkauf vor, wir haben ein gemeinsames IT-System vor, aber das, was den Sozialdemokraten immer fremd gewesen ist, ist ein gemeinsames Rechnungswesen, denn das kennen sie nicht. Sie wissen auch nicht, was ein Control­ling ist. Deswegen ist auch die Sozialversicherung wie ein Moloch immer stärker ge­wachsen, und irgendwann muss halt jedes bessere System auch wieder restrukturiert werden. Danke, Frau Ministerin, für diese Möglichkeit! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Fassen wir es auf einer sachlichen Ebene zusammen, nämlich ganz einfach und final gesagt: Wir werden österreichische Gesamtverträge haben, wir werden einen Innova­tionsfonds von 200 Millionen Euro haben und – das tut Ihnen ziemlich weh – keine politischen Funktionäre mehr in irgendeiner Kassa, wo sie nichts verloren haben und die sich in dem System auch nicht auskennen, und wir werden die Mehrfachversiche­rung abschaffen.

Summa summarum eine gute Reform für Österreich. Danke, Frau Ministerin! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf: Sehr gute Rede!)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff, Sie gelangen nun zu Wort. Ich stelle Ihnen 4 Minuten Redezeit ein. – Bitte.


17.24.24

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was mir, ich sage es ehrlich, ein bisschen auf die Nerven geht und was mich auch in den letzten eineinhalb, zwei Stunden, die wir hier diskutiert haben, gestört hat, ist, dass es, egal ob das die SPÖ, die FPÖ oder auch die ÖVP war, in der gesamten Debatte eigentlich nur darum gegangen ist, wer dem an­deren die Funktionäre aus der Kassa rausgetreten hat. (Beifall bei den NEOS.)

Ich meine, ganz ehrlich, es kann doch nicht das Ziel sein, dass wir hier nur darüber de­battieren, wer dem anderen die Funktionäre wegnimmt. Eigentlich sollten wir nicht da­rüber debattieren, sondern über die Sachen, die in diesem Gesetz enthalten sind, aber das war in der letzten Zeit in dieser Diskussion gar nicht präsent.

Kollege Loacker und Kollege Schellhorn haben es ohnehin schon angesprochen: Eine Gruppe, die in diesem Gesetz leider gar nicht vorkommt und komplett vergessen wur­de, sind die Mehrfachversicherten: Das sind 730 000 Personen – Tendenz massiv stei­gend über die letzten Jahre, und gerade Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer, die sagen, sie versuchen etwas neben ihrem beruflichen Alltagsgeschäft, versuchen, etwas zu gründen, betrifft das ganz enorm. Es gibt sehr viele – und deswegen auch diese steigende Zahl –, die da versuchen, in ein neues Berufsleben hineinzukommen, ein Start-up gründen, nebenbei etwas aufbauen wollen. Und die fallen da einfach durch den Rost. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist aus meiner Sicht insbesondere deshalb katastrophal, weil Sie es mehrfach angekündigt haben. Es hat der scheidende Hauptverbandspräsident Biach schon im Herbst 2017, also rund um die Nationalratswahlen, angekündigt, dass das unbedingt sein müsse. Die Mehrfachversicherungen müssen weg! Es steht im Regierungspro­gramm auf Seite 115 – in dem Regierungsprogramm, hinsichtlich dessen Sie immer betonen, dass Sie nur eine Sache machen, nämlich dieses Regierungsprogramm um­setzen. In diesem Fall machen Sie es eindeutig nicht – nachlesbar!

Bundeskanzler Kurz hat das im Rahmen der Pressekonferenz gesagt, bei der Sie das präsentiert haben. Kollege Schellhorn hat vorhin schon die Geschichte erzählt, wie er der Journalistin erklärt hat, dass sie, wenn sie nebenbei Bücher schreibt und so weiter, nur noch bei einer Kassa sein muss. – Auch das wird nicht umgesetzt.


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Auch Sie, Frau Ministerin Hartinger-Klein, haben das gesagt. Einen Tag bevor Sie die­se Pressekonferenz abgehalten haben, waren Sie bei der Veranstaltung Gesundheit im Dialog, und dort hat jemand genau diese Frage gestellt: Wie wird es mit den Mehrfach­versicherungen weitergehen? Und Sie haben gesagt: Ja, die werden abgeschafft! Aber nicht einmal 24 Stunden später haben Sie bei einer Pressekonferenz gesagt: Na ja, ist doch nicht so wichtig gewesen! – Das ist unehrlich! (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Es stellt sich die Frage: Was ist da über die Sommermonate passiert? Was ist passiert in dieser Zeit, in den Sommerferien, nachdem Sie das präsentiert haben, wo wurde das wieder herausverhandelt? – Und da kommt man leider nur zu einem einfachen Schluss, und das sind die schwarzen Kassen. Es ist so, dass die Bauernkrankenkasse, schon circa zwei Wochen bevor das dann auch alles öffentlich gekommen ist, gesagt hat: Nein, Mehrfachversicherungen fallen nicht. Und auch die anderen schwarzen Kassen sind die, die am meisten davon profitieren. Im Durchschnitt hat eine Krankenkasse in Österreich 16 Prozent Mehrfachversicherte. Aber Platz eins geht an die Sozialversiche­rung der Bauern mit 42 Prozent – schwarze Kasse. Weiters: die SVA mit 37 Prozent – schwarze Kasse; BVA 30 Prozent – auch eine schwarze Kasse. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und das ist genau das, was das Problem in diesem System ist, das ist genau das Problem, das es in unserem Land gibt: dass es immer dann, wenn es um die Pfründe geht, darum geht, sie zu verteilen, nicht funktioniert und dass dann der Riegel vorge­schoben wird.

Eine Sache in diesem Zusammenhang ist eigentlich auch sehr pikant, wenn man sich das Gesetz genau anschaut: Die Bauernkrankenkasse bekommt – so wie übrigens bei all diesen Sozialversicherungsreformen der letzten Jahre – immer irgendein Zuckerl. Auch dieses Mal sind es 30 Millionen, die Sie den Bauern im Rahmen der GSBG-Mittel noch zuschieben. (Beifall bei den NEOS.) Das wird immer irgendwo am Ende noch hi­neingedrückt, irgendwo kaschiert, sodass es ja niemand mitbekommt.

Und ganz ehrlich: Für uns junge Menschen, die wir dieses Land noch sehr lange er­leben müssen (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Dürfen!), ist das einfach nicht fair. Na ja, so wie Sie teilweise wirtschaften und wie Sie versuchen, sich die Pfründe aufzuteilen, ist es nicht ein Dürfen, sondern teilweise ein Müssen. Es tut mir leid. (Beifall bei den NEOS.)

Auf diese Art werden Sie unser Land niederwirtschaften, und ich möchte dabei nicht mehr zuschauen! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Mölzer: Mit der Ein­stellung werden Sie ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pe­ter Wittmann. – Bitte.


17.29.13

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen Ministerinnen! Zunächst einmal: Das Papier, das jetzt hier vorliegt, zeigt eindeutig, manifestiert das Versagen dieser Regierung! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Selbstanklage!)

Die Ankündigungspolitik, die Sie im September betrieben haben – wir sparen eine Mil­liarde ein, es wird die größte Reform! –, ist, heruntergebrochen auf dieses Papier, zer­platzt wie eine Seifenblase.

Sie können diese Milliarde nicht erklären! Der Rechnungshof rechnet Ihnen vor (Zwi­schenruf des Abg. Haider), dass die nie existiert hat. Ihr eigenes Ministerium sagt, es sind maximal 33 Millionen Euro. Sie, Frau Ministerin, haben heute die Chance aus-


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gelassen, diese Milliarde zu erklären. Sie haben null erklären können! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Krisper und Loacker.) Sie sind ganz einfach ge­schwommen! Sie haben nichts erklärt! Sie können nicht einmal die 33 Millionen Euro (Zwischenruf des Abg. Nehammer) Ihres Ministeriums erklären! (Abg. Nehammer: Denken Sie an Wiener Neustadt!) Sie können überhaupt diese ganze Reform nicht erklären. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Die Milliarde ist eine Fiktion, die gibt es nicht! Die gibt es nicht!

Sie haben ganz einfach nichts anderes gemacht – es ist ja ganz klar, wir brauchen ja nicht herumzureden, wir sind ja hier nicht im Kindergarten –: Natürlich hat die ÖVP ver­sucht, ihre Machtpositionen zulasten der FPÖ auszudehnen. Ist ja klar! Gratuliere, Sie haben es geschafft! Es sind nur mehr Arbeitgebervertreter in den Gremien. Die FPÖ hat die Arbeitnehmer wieder einmal verraten, wie Sie das schon mehrmals gemacht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich erinnere Sie, Frau Ministerin, in Ihrem Ministerium (Abg. Haider: Ordnungsruf! Prä­sidentin!): 12-Stunden-Tag. Sie sind sozusagen der Steigbügelhalter für das Kapital und für die Großkonzerne. Sie haben nichts am Hut mit den Arbeitnehmervertretern (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haider – Beifall bei der SPÖ), aber dass Ihnen die ÖVP jetzt natürlich nur Arbeitgebervertreter vor die Nase setzt - - (Abg. Haider: Auf diesem Ohr hört die Präsidentin nichts! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Was machen Sie da? Ja, das ist jetzt ein Spiegel, da tun Sie sich jetzt schwer, gell? Die haben Sie abgezockt – der Sonderklasse! Sie haben - -


Präsidentin Doris Bures (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter, ich gebe Ihnen gleich wieder das Wort, nur versteht man weder Sie (Abg. Haider: Ja, ja! Sollten Sie auch zuhören! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), noch versteht man - - Herr Abgeordneter! (Abg. Hörl legt dem Redner eine Packung Tabletten auf das Redner­pult. – Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, es sind bei dieser dringlichen De­batte jetzt schon einige Stunden an sehr emotionalen Diskussionen vergangen. Das ist auch gut. Ich würde nur trotzdem bitten – wir sind zwar nicht im Kindergarten –, wir sind im Hohen Haus, und mit allem, was wir hier sagen (Zwischenruf des Abg. Witt­mann) – Herr Abgeordneter, Sie kriegen gleich das Wort, das geht auch nicht auf Ihre Zeit –, werden wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen, und daher appelliere ich an Ih­re Verantwortung - - (Widerspruch bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz – auf Abg. Wittmann deutend –: Genau! Genau so!) – Herr Klubobmann Rosenkranz, ich bin am Wort! Ich appelliere an Ihre Verantwortung als Abgeordnete dieses Hauses. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Zadić.)

Herr Abgeordneter Dr. Wittmann, Sie haben jetzt noch 1 Minute Redezeit. Ich erteile Ihnen das Wort.


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): Ja, mit dieser kleinen Spende (be­sagte Tablettenpackung in die Höhe haltend) retten Sie die Reform auch nicht, das ist auch klar.

Ich sage Ihnen nur eines, was wirklich das Jämmerlichste ist: Ihr (in Richtung FPÖ) Versagen als Arbeitnehmervertreter. Das ist wirklich jämmerlich. Sie (in Richtung Bun­desministerin Hartinger-Klein) haben in Ihrem Ministerium nur versagt – nur versagt! Sie haben beim 12-Stunden-Tag keine Arbeitnehmer vertreten (Abg. Nehammer: ... in Wiener Neustadt gescheitert!), Sie vertreten als Gesundheitsministerin die Raucher. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie glauben, die Raucher machen das Land ge­sünder. Das ist ja absurd! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Nehammer. – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich glaube, dass Kanzler Kurz Sie auserkoren hat, das Gesicht des Versagens dieser Regierung zu sein.

17.33.18*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen für „das Gesicht des Versagens“ einen Ordnungsruf. (Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ.)

*****

17.33.24


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): Ich nehme das gerne zurück, aber das Versagen bleibt Ihnen. (Abg. Rädler: Alles verloren in Wiener Neustadt!)

Ich muss aber noch einmal sagen: Gratulation an die ÖVP! Sie haben die abgezockt, Sie haben keine einzige Funktion an diese Leute weitergegeben. Es sind nur mehr Ar­beitgebervertreter drinnen.

Das, was Sie gemacht haben, ist, die Selbstverwaltung ad absurdum zu führen. (An­haltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie haben nämlich diejenigen, die die Bei­träge zahlen, anstatt sie diese auch selbst verwalten zu lassen, karikiert (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Steinacker), indem Sie jetzt Arbeitgeber darüber ent­scheiden lassen, was mit den Arbeitnehmerbeiträgen passiert, und das ist nicht Selbst­verwaltung, das ist ein Verfassungsbruch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amesbauer: Er­bärmlich! Erbärmlich!)

17.34


Präsidentin Doris Bures: Nun habe ich noch eine Wortmeldung dazu, nämlich jene des Herrn Abgeordneten Wolfgang Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben noch eine Restredezeit von 5 Minuten.


17.34.31

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsident! Frauen Bundesministerin­nen! Kollege Wittmann, also das war jetzt eine schauspielerische Leistung erster Güte. Man möge sich – und der geschätzte Zuschauer möge zuhören – vorstellen: Herr Kol­lege Wittmann ist seit Jahrzehnten im politischen System hauptberuflich tätig (Abg. Rädler: Jede Wahl verloren!) und spielt sich als Arbeitnehmervertreter auf. (Beifall der Abg. Kirchbaumer.) Ich darf es auf gut Steirisch ausdrücken: Herr Kollege Wittmann hat von Arbeitnehmern so viel Ahnung wie die sprichwörtliche Kuh von Weitspringen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gehen wir aber ein bisschen zum Ernst der Sache zurück: Es wurde vielfach von der Opposition kritisiert, dass die Einsparungspotenziale – es ist immer von der Milliarde Euro bis zum Jahr 2023 die Rede – nicht nachvollziehbar wären, und zu Recht hat ja auch der Rechnungshof in seiner Stellungnahme geschrieben: „Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Reform sollten durch eine den gesetzlichen Vorschriften entspre­chende“ wirkungsorientierte Folgenabschätzung „vor einer Beschlussfassung berech­net und vervollständigt werden“ – wesentlich der Punkt: vor einer Beschlussfassung.

Nun, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, offensichtlich sind Sie nicht auf dem neuesten Stand, denn genau diese wirkungsorientierte Folgenabschätzung, die genau jene Einsparungen definiert, wurde heute mit der Regierungsvorlage dem Parlament vorgelegt. Ich würde mich einmal erkundigen und nachschauen, bevor ich da Unwahrheiten präsentiere. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Loacker: Ist es schon online, Kollege Zanger? – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Man muss auch einmal anfangen, ein bisschen Deutsch zu reden. Herr Kucher hat heute schon das englische Wort Fairness in den Mund genommen. Herr Kollege Ku-


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cher, das Gegenteil von Fairness ist? – Weiß er nicht. – Unfairness. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Und wissen Sie, was die Menschen draußen als Unfairness empfinden? Das ist 50 Jahre sozialistische Gesundheitspolitik, die so ausschaut oder so ihre Blüten treibt, dass heute ein krankes Kind, ein schwer krankes Kind (Zwischenruf des Abg. Knes) in der Steiermark, das ein wirkungsvolles Medikament benötigen würde, dieses nicht be­kommt, weil es der steirischen Gebietskrankenkasse zu teuer ist, und der gleiche Fall bei einem anderen Kind in Salzburg ganz anders gelagert ist; dieses Kind bekommt dieses Medikament bezahlt. Das ist das Ergebnis von 50 Jahren sozialistischer Ge­sundheitspolitik, und das ist unfair, Herr Kollege Kucher! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn man mit den Menschen spricht und sie fragt, was ihre Anliegen an das Gesund­heitssystem sind, dann hört man immer das Gleiche, und ich nehme an, dass ich nicht der Einzige bin, der das hört: Wartezeiten bei den Ärzten, Wartezeiten in den Ambu­lanzen, Wartezeiten auf Operationen, Wartezeiten auf Untersuchungen. Das ist das Er­gebnis von 50 Jahren sozialistischer Gesundheitspolitik. (Abg. Loacker: Was hat die Ambulanz ...? Es geht um ...!) Und wir können den Menschen jetzt auf die Frage: Wird sich das ändern?, sagen: Jawohl, ab dem Jahr 2020 werden diese Wartezeiten deut­lich verkürzt sein – das Ergebnis einer hervorragenden Reform, die Sie nur versuchen schlechtzureden.

Es wird sich etwas tun im chefärztlichen Genehmigungssystem. (Abg. Loacker: Es wird sich was tun, die Frage ist, was!) Dieses wird ebenfalls oft von den Patienten als Schikane betrachtet, und es wird zu hinterfragen sein, ob das so weitergehen kann – ebenfalls Ergebnis einer 50-jährigen sozialistischen Gesundheitspolitik.

Ärztemangel am Land ist etwas, was speziell in meiner Region ein großes Thema ist, weil ich eben aus einer ländlichen Region komme. Da fehlen zig Ärzte, und kaum einer will zurück, weil es einfach zu schlecht bezahlt ist. Auch das wird sich ändern: Leis­tungsgerechtigkeit auch gegenüber unseren Ärzten, und das bedeutet dann: Gesund­heitsversorgung auch wieder im ländlichen Bereich. Das ist wirklich eine tolle Sache für die Menschen dort, die momentan darunter leiden, dass es eben solche unterschied­lichen Systeme gibt, die jetzt, unter freiheitlicher Ministerschaft, zusammengeführt wer­den. – Ich danke, Frau Minister. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.39

17.39.31


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen, der im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „die Zerstörung unseres gut funktionierenden Ge­sundheitssystems durch die Kassenzentralisierung“ eingebracht wurde.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag ausspre­chen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

17.40.05Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Tagesordnungs­punkte 10 und 11 wieder auf.

Wir setzen in der Debatte fort.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.40.18

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zurück zur Indexierung der Familienbeihilfe; wir können ein paar Dinge einfach noch einmal zusammenfassen.


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Faktum ist: Familienbeihilfe ist eine Sozialleistung und kein Lohnbestandteil. Ich glau­be, das ist, nach einigen Redebeiträgen, wichtig festzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Faktum ist, dass die Europäische Union England, bevor ein Austritt aus der Europäi­schen Union beschlossen wurde, in Aussicht gestellt hat, die Indexierung der Familien­beihilfe anzuerkennen. Ja, wenn es für Großbritannien gegolten hat, warum soll es dann eigentlich für uns nicht gelten? Daher ist dieser Weg richtig. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Faktum ist – weil immer wieder die Pflegerinnen genannt werden und es heißt, es würden keine mehr kommen –, es ist zwar nett, wenn man Umfragen präsentiert, die besagen, dass 30 Prozent der Pflegerinnen nicht mehr kommen werden, wenn nur 25 Prozent der Pflegerinnen Kinder unter 18 Jahren haben, bei denen es um Familien­beihilfe geht, also das passt irgendwie nicht ganz zusammen. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Faktum ist auch, dass die Bevölkerung ganz klar dahintersteht, dass die Indexierung der Familienbeihilfe der richtige Weg ist, unabhängig von den Einsparungen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unter diesen Tagesordnungspunkten beschäftigen wir uns auch mit einem Antrag, der von den NEOS gekommen ist, den wir heute eigentlich ablehnen. Es ist durchaus in­teressant, dass man seit dem Jahr 2015 die Familienbeihilfe digital, also online, be­antragen kann, das geht relativ einfach, und es gibt bereits fast 300 000 Fälle, in denen die Familienbeihilfe online angefordert wird. Die stichprobenartige Kontrolle des Rech­nungshofes hat ergeben, dass es keine Fehler bei der Auszahlung gegeben hat, was unterstreicht: Vereinfachung in der Verwaltung kann sehr gut funktionieren.

Wir sollten im Sinne der Familien nicht vergessen: Ein wesentlicher Meilenstein wird mit 1.1.2019 umgesetzt, nämlich der Familienbonus, und das unterscheidet uns natür­lich ideologisch. Da kann man ganz ruhig ein bisschen in die Geschichte schauen. So wie es vor 2000 nicht möglich gewesen wäre, Kinderbetreuungsgeld einzuführen – das war 2000 dann möglich –, so ist es jetzt in dieser Konstellation von ÖVP und FPÖ möglich, den Familienbonus für jene Familien einzuführen, die Einkommen- und Lohn­steuer bezahlen. Das sollte man nie ganz vergessen. Für alle Familien, die Lohn- und Einkommensteuer bezahlen, gibt es den Familienbonus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Frau Bundesminister, man kann durchaus herzlich zu dem gratulieren, was heute Vor­mittag im Ministerrat beschlossen wurde: das Kinderbetreuungspaket. Aus Sicht der Gemeinden halte ich fest: Vor einigen Monaten hätten wir uns dieses Ergebnis ge­wünscht. Wichtig ist aber, dass es mit Anfang September wirksam wird, auch wenn wir es im November 2018 beschließen, und vor allem der Inhalt ist das Wesentliche. Es ist ein sehr, sehr gutes Paket. Wenn in der Zukunft bis zum Kindergartenjahr 2021/2022 eigentlich um 38 Millionen Euro mehr pro Jahr bezahlt wird oder mehr in den Topf hineinkommt und es um 180 Millionen Euro pro Jahr geht, verbessern wir die Verein­barkeit von Familie und Beruf wesentlich. Wir setzen damit ein klares Zeichen in Rich­tung Wahlfreiheit für die Familien, und das ist uns wichtig. – Herzliche Gratulation und danke dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.43


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ricarda Berger. – Bitte.


17.44.08

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Geschätzte Zuseher hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Hohes Haus!


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Diese Bundesregierung schafft mehr Gerechtigkeit beim Export der Familienbeihilfe. Um Ihnen das Ganze ein bisschen zu verdeutlichen, möchte ich, wenn man so will, ei­nen chronologischen Einblick verschaffen.

Im Jahr 2012 hat die FPÖ unter Heinz-Christian Strache gefordert, die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten der Herkunftsländer anzupassen.

Im Jahr 2015 hat Ihr damaliger Minister Rudolf Hundstorfer gesagt – ich zitiere die Ta­geszeitung „Heute“ vom 14.6.2015 –: Es ist nicht fair, Bürgern wegen unterschiedlicher Herkunft unterschiedliche Beträge zu überweisen. – Zitatende.

Ich sage jetzt ganz klar: Das, was Ihr damaliger Minister Hundstorfer gesagt hat, ist nicht fair. Warum? – Weil man mit 100 Euro einem Kind in Österreich nicht besonders viel kaufen kann, in Rumänien hingegen sehr viel, und ich hoffe, dass wir in dieser Sa­che d’accord sind.

Ein Jahr später, 2016, hat Ihr Bundeskanzler außer Dienst, SPÖ-Parteichef außer Dienst, Klubobmann außer Dienst und bald auch Abgeordneter außer Dienst Christian Kern gesagt – Kollege Norbert Sieber hat das heute ebenfalls schon zitiert; ich zitiere es noch einmal –: „Ich bin dafür, die Familienbeihilfe für Kinder, die nicht mit den Eltern nach Österreich gekommen sind, auf das lokale Niveau in Bulgarien, Rumänien und Ungarn zu reduzieren.“ (Abg. Schimanek: Ja hört, hört! – Abg. Bösch: Hört, hört!)

Da sind Sie anscheinend auf die Linie der FPÖ umgeschwenkt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bedauerlicherweise sind Sie als Partei dann nicht einmal sechs Monate später draufgekommen, dass Sie dem Antrag dann doch wieder nicht zustim­men sollten. Sie hätten da Flagge zeigen können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich sage aber ganz klar: Es ist noch nicht zu spät, meine sehr geehrten Damen und Herren der SPÖ, Sie haben heute noch die Möglichkeit, dieser doch wichtigen und auch richtigen Maßnahme zuzustimmen.

Erfreulich ist, dass mit dieser türkis-blauen Bundesregierung endlich etwas weitergeht. Wir sorgen für mehr Gerechtigkeit in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der Status quo ist der, dass Österreich rund 273 Millionen Euro an Familien, deren Kinder nicht in Österreich leben, bezahlt. Durch eine Indexierung gemäß dem Eurostat-Indikator soll diese Beihilfe an die jeweiligen Preisniveaus der Lebensmittelpunkte der Kinder angepasst werden. Das bedeutet beispielsweise, dass Kinder in Belgien mehr Beihilfe erhalten werden, im Gegenzug die Beihilfen in Ländern wie Bulgarien und Ru­mänien aber geringer ausfallen. Unterm Strich ist es so, dass rund 100 Millionen Euro eingespart werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist wahnsinnig er­freulich.

In den letzten Tagen und Wochen, auch Stunden war sehr viel davon zu hören, dass dieser Regierungsentwurf europarechtswidrig sei. Dieser Entwurf wurde von sämtli­chen gewichtigen Experten überprüft und für europarechtskonform befunden. Die Kom­mission selbst hat festgestellt, dass es in der Kompetenz der jeweiligen Mitgliedstaaten liegt, über die Zuerkennung und die Berechnungsmethode, sprich die Indexierung, zu entscheiden.

Am Rande möchte ich schon noch erwähnen, dass die Europäische Kommission die Gehälter ihrer Beamten, die nicht in Brüssel oder Luxemburg leben, indexiert, ebenfalls die Familienleistung für deren Kinder.

In diesem Sinne: Endlich gibt es Fairness für unsere österreichischen Familien und unsere Kinder. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.48

17.48.14


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 177

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstatter ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz, das Einkommensteu­ergesetz und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, in 290 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Sieber, Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen ei­nen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Sieber, Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 3 eingebracht.

Wer diesem seine Zustimmung erteilt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Ausschus­ses für Familie und Jugend, seinen Bericht 291 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme des Berichtes ausspricht, den bitte ich um ein Zei­chen. – Danke, damit ist auch dieser mehrheitlich angenommen.

17.50.4412. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 386/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (292 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Birgit Sandler. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


17.51.05

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Kollegen und Kolleginnen! Und sie bewegt sich doch, könnte man fast sagen, endlich, aber leider viel zu spät. Die Ein-


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beziehung von ExpertInnen zu diesem höchst sensiblen Thema hätte viel früher pas­sieren müssen. Das bitte nicht falsch zu verstehen, ich möchte den MitarbeiterInnen im Familienministerium keine fehlende Kompetenz im legistischen Bereich unterstellen, aber die Menschen, die Tag für Tag mit den Entscheidungen dieses Hohen Hauses leben und ihren Alltag meistern müssen, sind die wahren Expertinnen und Experten in diesem Bereich. Sie wissen, was es heißt, mit einem Mindestmaß an Finanzen haus­zuhalten, jeden Cent gut einzuteilen, um die zusätzlichen Ausgaben, die Eltern mit ei­nem behinderten Kind oder Erwachsene mit Behinderung nun einmal haben, leisten zu können.

Wenn ich dann so Formulierungen wie „zur Gänze aus [...] Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes“ lese – ein Wortlaut, der direkt aus dem Be­reich der Mindestsicherung übernommen wurde und der tatsächlich nur einen Mindest­standard abdecken soll –, glaube ich schon, dass hier einiges, sagen wir einmal, wis­sensbefreit eingearbeitet wurde.

Die Möglichkeit, diese Änderung mit den Expertinnen und Experten noch einmal zu be­sprechen, bestand im Vorfeld und auch im Ausschuss. Sie wurde aber abgelehnt, zum Teil auch mit der Begründung, dass der Bundesbehindertenrat zugestimmt hätte. Ich gehe davon aus, dass damit der Österreichische Behindertenrat gemeint ist, der am Tag des Ausschusses den ganzen Tag über Radiointerviews gegen genau diese Ände­rungen gegeben hat.

Dann plötzlich, zwei Tage vor dieser Debatte im Plenum, kam es doch noch zu einem Gespräch. Ich bin dankbar und ich bin froh darüber, denn so wird es zumindest einen Erlass geben, in dessen Erarbeitung die Behindertenverbände eingebunden werden sollen. Zumindest wird es ein laufendes Monitoring – ich betone, ein laufendes Moni­toring – und eine Evaluierung in einem Jahr geben. Wir werden darauf schauen, dass das auch passiert.

Wir werden diesem Antrag, dem wir von Anfang an skeptisch gegenübergestanden sind, nicht zustimmen, da sich aus unserer Sicht im Gesetz nichts geändert hat. Solan­ge uns Behindertenverbände, der Behindertenanwalt und auch SelbstvertreterInnen sagen, dass es für Menschen mit Behinderung zur Verschlechterung kommen kann, werden wir nicht umschwenken. (Beifall bei der SPÖ.)

Das hat nichts mit Panikmache oder dem Herumschlagen mit einem Bihänder zu tun, sondern das hat etwas mit Haltung und mit Rückgrat zu tun. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nor­bert Sieber. – Bitte.


17.54.20

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Bezeich­nung Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 klingt relativ harmlos, aber dieses Gesetz hat es doch sehr in sich: Der Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Urtei­len die gängige Praxis zur Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass viele Familien mit behinderten Kindern um diese für sie notwendige Unterstützung bangen mussten.

Unsere Frau Ministerin hat dankenswerterweise schnell reagiert und klargestellt, dass auch in Zukunft diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. In einem Rundschreiben an die Finanzämter wurden diese aufgefordert, die bisher gängige Praxis weiterzuführen. Eine schnelle Reparatur im Sinne aller Betroffenen wurde angekündigt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 179

Im Bewusstsein der Verunsicherung der Betroffenen war es uns wichtig, eine schnelle und umfassende Lösung anbieten zu können. Dem Einsatz vieler Menschen, die sich fachkundig zu diesem Thema eingebracht haben, ist es zu verdanken, dass wir heute bereits eine Lösung zu diesem Thema vorlegen und auch beschließen können.

Die Komplexität und die Vielzahl der sehr unterschiedlichen Einzelfälle hat es mit sich gebracht, dass Missverständnisse und Missinterpretationen, auch befeuert durch ver­wirrende Presseaussendungen, um sich gegriffen haben. Es war uns deshalb im parla­mentarischen Prozess sehr wichtig, alles Mögliche zu tun, um Betroffenen Sicherheit zu geben. Eines möchte ich hier klar dazusagen: Es war allen Beteiligten, den Regie­rungsparteien einerseits sowie auch den Oppositionsparteien und natürlich auch den Behindertenverbänden, ein gemeinsames Anliegen, dafür zu sorgen, dass alle, die bis­her die erhöhte Familienbeihilfe bekommen haben, diese auch in Zukunft bekommen werden, da wir wissen, dass dieses Geld für ein selbstbestimmtes Leben gebraucht wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben deswegen auch im Ausschuss gemeinsam eine Ausschussfeststellung be­schlossen, die genau das unterstreicht und den Willen des Gesetzgebers, also von uns, klarmacht. Mit dieser Ausschussfeststellung war es dann möglich, den Gesetzes­vorschlag mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, NEOS und Liste Pilz zu beschließen.

Trotzdem gab es vonseiten der Behindertenverbände Bedenken. Mir als Ausschuss­vorsitzendem war und ist es wichtig, dieses sensible Thema auf möglichst breiter Ba­sis, wenn möglich konsensual, einem Beschluss zuzuführen. Deswegen haben wir Fa­miliensprecher der Parlamentsparteien uns darauf verständigt, den Behindertenverbän­den die Möglichkeit zu einer Aussprache, bei der allfällige offene Fragen erläutert und geklärt werden können, zu geben. Diese Möglichkeit wurde von den Behindertenvertre­tern zahlreich und kompetent wahrgenommen. Sektionschefin Humer und der Jurist Dr. Wittmann aus der Familiensektion haben mit großem Fachwissen die gestellten Fragen beantwortet. Sämtliche Fragen und auch Fallbeispiele, ob nun aus der Realität oder konstruiert, konnten positiv beantwortet werden beziehungsweise konnte klarge­stellt werden, dass manche Fälle mit dem vorliegenden Gesetz nichts zu tun haben.

Es wurde überdies zugesagt, dass sämtliche Behindertenverbände zur intensiven Mit­arbeit an der Erarbeitung des Erlasses zu diesem Gesetz eingeladen werden. Jeder Erlass, meine Damen und Herren, ist die Handlungsanleitung für ein Gesetz, in dem die zuständige Behörde die praktische Anwendung des Gesetzes nachlesen kann. Ge­rade bei dieser komplexen Gesetzesmaterie, bei der selten ein Fall genau gleich wie der andere ist, ist der Erlass von entscheidender Bedeutung, denn wir könnten den Ge­setzestext niemals so detailliert schreiben, dass jeder Fall ohne Zweifel darin abgebil­det ist. Dieses Angebot wurde von den Behindertenverbänden auch gerne angenom­men.

Darüber hinaus sagen wir eine begleitende Evaluierung des Gesetzes und eine Be­richtlegung nach einem Jahr zu.

All das sind nicht nur Versprechungen, sondern wir halten das in einem Entschlie­ßungsantrag, den meine Kollegin Kira Grünberg später einbringen wird, fest.

Meine Damen und Herren, ich danke abschließend unserer Frau Ministerin und ihrem Haus, dass sie auf die Situation schnell und klar reagiert hat und diese Materie einer Reparatur zugeführt hat.

Wir nehmen alle Sorgen und Ängste der Betroffenen sehr ernst, und wir reichen auch heute noch unsere Hand zum gemeinsamen Beschluss dieses Gesetzes, von dem wir überzeugt sind, dass es Rechtssicherheit für die betroffenen Familien bringt. Ich hoffe, dass unsere Hand, die wir Ihnen aus tiefster Überzeugung reichen, von Ihnen nicht weggeschlagen wird und wir hier einen gemeinsamen Beschluss fassen können, wo-


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durch die Verunsicherung der betroffenen Familien und Personen, die es wahrlich schwer haben, heute endgültig beendet werden kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Kovacevic. – Bitte.


17.59.28

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherin­nen! Ich darf gleich beim Kollegen Sieber anschließen: Ja, der Aufschrei war groß, als im Sommer plötzlich die Ankündigung auftauchte, dass womöglich die Familienbeihilfe für behinderte Menschen gekürzt werden könnte. Umso beruhigender war dann auch die sofortige Stellungnahme von Ihnen, Frau Ministerin, dass es sich da offenbar um eine gesetzliche Schieflage handeln muss und dass diese auch schnellstmöglich repa­riert werden soll.

Ich darf Sie aus der Presse zitieren; am 29. August sagten Sie: „Eine Schlechterstel­lung von behinderten Kindern wird es mit uns nicht geben.“ Am selben Tag boten be­reits erste Institutionen für Behinderte ihre Zusammenarbeit an, so zum Beispiel die Le­benshilfe, die Folgendes sagte: „Die Reparatur des Gesetzes sollte unbedingt gemein­sam mit Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen geschehen, damit ihre Expertise und Lebensrealität einfließen.“

In der Tat wurde recht rasch reagiert – wir haben das Thema bereits Anfang Oktober im Familienausschuss debattiert –, aber die Einwände und Stellungnahmen der Behin­dertenverbände wurden dabei ignoriert. Ich denke, man hatte in dieser Sache mehr­fach die Chance, ein ordentliches Gesetz vorzulegen, man hätte sich nur die vielen Einwände und Verbesserungsvorschläge auch zu Herzen nehmen müssen. Da frage ich mich, warum man nicht mehr auf die Kritik der Behindertenverbände eingegangen ist; man hat sie wohl gehört, aber man hat sie nicht dementsprechend berücksichtigt.

Spätestens zu dem Zeitpunkt im Ausschuss, als die Oppositionsparteien auch eine Be­gutachtung beantragt haben, hätte man das Ganze doch noch einmal überarbeiten und so in Form bringen können, dass wir alle damit zufrieden sind. (Ruf bei der ÖVP: Der Zeitfaktor!) – Na ja, betreffend den Zeitfaktor denke ich, eine schnelle Reparatur wäre auch unter Einbindung dieser Stellungnahmen möglich gewesen, denn was uns im Ausschuss gesagt wurde, Frau Ministerin, war, dass die Behindertenverbände schlicht­weg das Gesetz falsch gelesen haben oder dass die Einwände falsch sind.

Dann hat man doch noch schnell eine Besprechung einberufen, was ja positiv ist, aber ich glaube, man hätte vielleicht den umgekehrten Weg gehen und zuerst die Stellung­nahmen einarbeiten sollen. Jene Leute, die sich in der Materie auskennen, genau an­zuhören, deren Stellungnahmen richtig ins Gesetz einzuarbeiten und das dann ins Ple­num zu bringen, das wäre vielleicht die richtige Vorgehensweise gewesen.

Das Schlimmste ist aber die Tatsache, dass vielleicht einige Tausend Personen das zurückzahlen müssen. Es geht für mich nicht klar hervor, ob dieses Thema der mögli­chen Rückzahlung jetzt vom Tisch ist oder nicht. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig, dass das eine Blamage für den österreichi­schen Gesundheits- und Sozialstaat wäre. Daher appelliere ich an Sie, dass es nicht dazu kommt.

Abschließend darf ich Kollegin Sandler und Ihnen, Herr Kollege Sieber, recht geben. Es war gut, dass letztendlich das Gespräch gesucht wurde, damit man diese Verbes­serungsvorschläge noch einarbeiten konnte.

Für die Zukunft noch einmal der Appell: Vielleicht schaffen wir es in Zukunft bitte be­reits vorher, den Dialog zu suchen, denn die Sorgen und Bedenken der Zivilgesell-


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schaft sollten ernst genommen werden. Speziell in dieser Materie kennt niemand die Lebensrealität und die Sorgen von Menschen mit Behinderung besser als diese selbst. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghu­ber. – Bitte.


18.03.12

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Bundesminister! Herr Bundesminis­ter! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schutz von Kindern, die an einer erheblichen Behinderung leiden, muss uns allen ein besonderes Anliegen sein. Zu diesem Schutz gehört auch, dass die erhöhten Unterhaltskosten, die durch die Bet­reuung dieser Kinder mit besonderen Bedürfnissen entstehen, umfassend finanziell ab­gedeckt werden.

In der jüngsten Vergangenheit und nach den Gerichtsurteilen hat es große Verunsiche­rung gegeben. Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag wird sichergestellt, dass Men­schen mit erheblicher Behinderung, die einen eigenen Haushalt führen, auch weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe bekommen. Es wird zu 100 Prozent die erforderliche Re­paratur vorgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, die Reparatur wird zu 100 Prozent durchgeführt; ich verstehe die Verunsicherung von Ihrer Seite überhaupt nicht. Auch von den Menschen zu Hause und überall dort, wo das Thema zur Sprache gekommen ist, wird von jedem die Verunsicherung, die Angstmache kritisiert.

Außerdem kommt es zu einer Besserstellung für jene, die aufgrund ihrer Behinderung dauernd arbeitsunfähig und doch in der Lage sind, allein zu wohnen und eigenständig einen Haushalt zu führen. Für diese Menschen wird in Zukunft auch dann der Eigen­bezug von Familienbeihilfe möglich sein, wenn die Unterhaltskosten zur Gänze von der öffentlichen Hand getragen werden. Mit dieser Gesetzesreparatur wird wieder Rechts­sicherheit hergestellt. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mela­nie Erasim. – Bitte. (Abg. Höbart: Ich habe schon gedacht, der Kern kommt!)


18.05.27

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Sehr geschätzte Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Frau Ministerin! Ich habe das ein bisschen an­ders gesehen, denn gehandelt wurde erst, als der Aufschrei der Zivilgesellschaft und vor allem der Behindertenverbände nicht mehr zu überhören war.

Auch ich freue mich, wenn es da Reparaturen gibt, die im Sinne der Menschen passie­ren, doch dieses Gesetz und die Vorgehensweise bei diesem Gesetz sind leider symp­tomatisch für Ihre Familienpolitik und für Ihr Gesellschaftsbild. Geld ohne Vorwarnung von einem Tag auf den anderen zu streichen und dann mit salbungsvollen Worten die kosmetischen Maßnahmen hochzujubeln, ist anscheinend eines Ihrer Hobbys gewor­den. 380 Euro im Monat sind existenzgefährdende Summen für die meisten Menschen in diesem Land, und das müssen Sie endlich verstehen, Frau Ministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Sie, liebe Zuseherinnen und Zuseher, kurz an all das erinnern, was in den letz­ten Wochen und Monaten zum Schaden der Familien in diesem Land beschlossen oder eben verhindert wurde. Zu diesem existenzbedrohenden Streichen ohne Vorwar­nung und dann halbherzigen Reparieren gibt es einige Beispiele, unter anderem die Kürzungen bei den Familienberatungsstellen. Dort gab es lediglich einen Brief Ihrer-


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seits – ohne Vorankündigung, ohne Gespräche mit den betroffenen Stellen –, dass die finanziellen Mittel drastisch gekürzt werden. Sie haben der Leiterin nicht einmal einen Termin gewährt, um darüber sprechen zu können, wie diese wichtigen Beratungsmög­lichkeiten ihr Angebot beibehalten können; eine aus meiner Sicht äußerst beschämen­de Vorgangsweise. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Liste dieser Dinge kann ich weiterschreiben: Das nächste Thema ist jenes der Fa­milienbeihilfe für Krisenpflegeeltern. Auch da warten wir auf die versprochenen Vor­schläge, und ich fordere Sie hiermit auf, diese rasch auf den Tisch zu legen.

Auch heute Vormittag haben Sie, liebe Regierungsparteien, eine Chance verpasst, nämlich jene, bei der gesetzlichen Verankerung der Anrechnung von Karenzzeiten mit­zustimmen. Sie haben dagegen gestimmt, obwohl Sie es medial gefordert haben. Doch Maßnahmen gut medial inszeniert zu fordern und dann nichts als Luftblasen zu produ­zieren, ist leider ein weiteres Hobby von Ihnen geworden. (Abg. Schimanek: Da wart ihr doch immer dagegen!)

Bevor Sie sich aufregen, kann ich Ihnen ein weiteres Beispiel bringen, von dem ich weiß, dass es auch Ihnen ein Anliegen ist. Was ist mit dem Unterhaltsvorschuss für Al­leinerzieherinnen und Alleinerzieher passiert? – Ich kann es Ihnen sagen: Sie schieben im Ausschuss die Verantwortung von einem Ministerium zum anderen, und es passiert nichts. Es liegt schon lange ein guter Gesetzesvorschlag seitens der Sozialdemokratie vor, er müsste nur noch beschlossen werden, um endlich eine der größten Gefahren von Kinderarmut zu beseitigen, und Sie tun nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Familien in diesem Land brauchen keine schönen Worte und Belehrungen, son­dern sie brauchen Rechtssicherheit, finanzielle Absicherung und Maßnahmen, die Ar­mut verhindern. Ihre Politik ist leider eine andere. (Abg. Mühlberghuber: Politik der Gerechtigkeit ist das!) Sie ist eine andere, da sie Ausdruck Ihrer Geisteshaltung ist: einer Geisteshaltung, in der nur diejenigen Leistungsträger sind, die ein dickes Geld­börsel haben, wie man auch beim Familienbonus erkennen kann; eine Politik für Groß­verdiener und Großkonzerne. Sie spielen mit Existenzen. (Abg. Höbart: Solche Platti­tüden!)

Wir als Sozialdemokratische Partei werden nicht müde werden, in jedem auch noch so klein scheinenden Bereich laut für die Leisen und stark für die Schwachen zu sein (Zwischenruf der Abg. Winzig) – horchen Sie gut zu! –, denn wir werden dafür eintre­ten, wenn es um die Zukunft unseres Landes geht, wenn es um die Familien dieses Landes geht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Luftblasen! Produ­zierte Luftblasen! Das ist eine Sonntagsrede! – Abg. Bösch: Das hätten Sie die letzten zwölf Jahre tun können!)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


18.09.49

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministe­rin! Geschätzter Herr Minister! In aller Kürze: Es gibt sehr oft und zahlreich die Möglich­keit für berechtigte Kritik; an diesem Tagesordnungspunkt ist sie, finde ich, nicht ange­bracht. Wir haben tatsächlich im Sommer die Schwierigkeit gehabt, dass bei 18 000 Be­troffenen, die die erhöhte Familienbeihilfe bekommen, bei der Neuprüfung und Zulas­sung die Finanzämter teilweise aufgrund früherer Gerichtsurteile eben anders entschie­den haben als in der Vergangenheit.

Wie das Ministerium mit den betroffenen Vereinen umgegangen ist, fand ich nicht aus­reichend. Was ich allerdings gut gefunden habe, war die rasche Reaktion der Ministe-


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rin, dass sie gesagt hat, sie wird es reparieren. Ich fand vor allem die klare Sprache der Zivilgesellschaft, der Vereine, die Behinderte vertreten, für die Diskussion im Aus­schuss sehr wichtig; ohne diese Lautstärke wäre es auch nicht so gut geglückt, muss man ehrlicherweise sagen.

Ich bedanke mich bei Ausschussvorsitzendem Sieber, dass er die Rolle übernommen und die Vereine, das Ministerium und die Opposition zusammengebracht hat. Es ist etwas Gutes gelungen; der gemeinsame Entschließungsantrag folgt noch bei den nächsten Rednerinnen.

In diesem Sinne wünsche ich mir weiter eine starke Zivilgesellschaft und weiter mehr Kooperation im Nationalrat. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


18.11.22

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Wir behandeln heute die Reparatur jener Situation, dass in Österreich vielen Menschen mit Beeinträchtigung die erhöhte Familienbeihilfe weggefallen ist.

Ich möchte ganz kurz diesen Prozess umreißen, der meines Erachtens wirklich kein vorzeigbarer gewesen ist. Es ist mir bis heute unerklärlich, warum man genau in einer Situation, in der wir alle am selben Strang ziehen würden und auch ziehen – wir wollen nämlich gemeinsam die Situation für diese Menschen reparieren, damit sie weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe erhalten –, hergeht und sagt, man braucht sich nicht mit den Behindertenorganisationen, mit den Behindertenverbänden zusammenzusetzen, man braucht sich nicht mit der Opposition zusammenzusetzen, und von sich aus ein­mal etwas vorlegt und dann nicht bereit ist, diesbezüglich etwas abzuändern.

Es hat dann aber wirklich stattgefunden, und ich muss da natürlich jetzt auch auf Sie replizieren, Kollege Sieber. Mir war es wichtig, dass wir es gemeinsam schaffen, nicht irgendwie für eine Partei politisches Kleingeld zu schlagen, sondern dass wir es ge­meinsam schaffen, da eine Verbesserung, eine Reparatur zu erreichen, damit wenigs­tens der Status quo erhalten bleiben kann. Ich habe das dann begrüßt. Es hat ein­dringliche Gespräche gegeben, in denen ich immer wieder darauf gedrängt habe: Wie­so setzen wir uns nicht einfach zusammen und reden es uns aus?

Es hat dann die Einwilligung dazu gegeben, und ich war sehr froh, dass es schluss­endlich stattgefunden hat und die Behindertenverbände auch ihre Meinungen und dementsprechend auch Stellungnahmen einbringen konnten.

Es war natürlich im Sinne des Initiativantrages noch nicht alles geklärt, aber jetzt erfolgt die Erweiterung mit dem Entschließungsantrag und dem Einführungserlass sowie ei­nem diesbezüglichen Monitoring; das heißt, wir schauen uns während der laufenden Monate an, ob es eventuell noch Problemfälle gibt und Menschen weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe nicht erhalten, damit wir sofort darauf reagieren und eine Reparatur veranlassen können. Das werde ich ebenfalls unterstützen. Ich werde beide Anträge unterstützen, den zweiten selbstverständlich deshalb, weil er gemeinsam mit den Be­hindertenverbänden erarbeitet worden ist, und den ersten, weil ich hoffe, dass wir durch das gemeinsame Monitoring und durch das ständige Draufschauen vielleicht noch kleinen Problemen entgegenwirken können.

Ich möchte aber das Thema noch erweitern, denn es ist mir zu wenig, nur über den Status quo zu sprechen, auch wenn sich hier vielleicht einige abfeiern möchten, dass wir das erreicht und endlich eine Reparatur haben.


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Frau Ministerin, am Ende des Tages finden wir die Situation vor, dass wir in einem Land leben, wo Menschen mit Beeinträchtigungen noch immer viele Nachteile erfah­ren, wo ihnen viele Widerstände entgegentreten. Ich denke, man könnte daraus auch lernen, nämlich die Betroffenen einzubinden. In diesem Fall waren es die Behinderten­verbände, in anderen Situationen sind es andere Interessengruppierungen.

Ich als Oberösterreicherin möchte dabei besonders auf die Situation der Inklusions­klassen an Sonderschulen verweisen.

In meinem Heimatbundesland Oberösterreich ist eine dieser elf Schulen, die nach 25 Jahren – aktuell sind sie ein Schulversuch – in das Regelschulwesen überführt wer­den wollen, die Nikolaus-Lenau-Schule Gmunden. Obwohl dies fraktionsübergreifend befürwortet wird, sich alle Fraktionen dafür aussprechen, herrscht seit Jahren Still­stand. Es ist endlich an der Zeit, aus dieser Situation zu lernen, sich auch in Ober­österreich gemeinsam als Ausschuss, gemeinsam als Interessenvertretung mit den Betroffenen hinzusetzen und dementsprechend auch da eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten – im Sinne der Kinder, im Sinne der Kinder mit Beeinträchtigungen, aber auch im Sinne des Inklusionsgedankens.

Es gibt noch viele weitere Bereiche! Was wir unbedingt umsetzen müssen, ist, nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern es braucht, was die Situation von Menschen mit Beeinträchtigung betrifft, Verbesserungen. Wir brauchen jetzt einen Ausbau inklu­siver Kinderbetreuungseinrichtungen, auch ab dem ersten Lebensjahr. Wir brauchen jetzt endlich einen Entgeltanspruch anstatt der ständigen Taschengelddiskussionen, denn es sind oft auch erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen, und es ist eine Sache der Wertschätzung, dass man über Entgelt spricht, dass man über eine Entloh­nung spricht und nicht nur über ein Taschengeld!

Wir brauchen die Ausgestaltung eines Anreizsystems für Menschen mit Behinderung, nämlich dahin gehend, dass sie auch Beschäftigung finden und Unternehmen sich nicht einfach freikaufen können.

Erwerb von Anwartschaften für die Eigenpension, eine regelmäßige Valorisierung des Pflegegeldes – es gibt so viel zu tun. Ich sage einfach: Gehen wir es an, nicht nur den Status quo zu erhalten, sondern lassen Sie uns Fortschritte erzielen! Diesbezügliche Anträge von mir werden Sie auch in den nächsten Ausschüssen finden. Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Schimanek.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Bog­ner-Strauß. – Bitte, Frau Ministerin.


18.16.12

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Frau Präsidentin! Liebe Österreicherinnen, liebe Ös­terreicher! Sehr geehrte Gäste! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten verfährt. – Dieser Satz wird Gustav Heinemann zugeschrieben. Ich denke, dieser Satz sollte uns jeden Tag aufzeigen, welche Verantwortung wir alle gegenüber den Schwächsten in un­serer Gesellschaft haben.

Mir geht es dabei ganz speziell um die Unterstützung von Menschen mit Behinderung, von Kindern mit Behinderung, das ist mir als Familienministerin natürlich besonders wich­tig. Ein wesentliches Merkmal dieser Unterstützung ist, dass ein finanzieller Mehrauf­wand aufgrund von erhöhten Unterhaltskosten durch den Staat abgedeckt wird. Wir de­cken diesen großen finanziellen Mehraufwand von Menschen mit Behinderung und Fa­milien mit behinderten Kindern ab.


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Zwei Maßnahmen möchte ich heute im Speziellen hervorheben: erstens die Gewäh­rung der erhöhten Familienbeihilfe, die übrigens erst heuer wieder angehoben wurde, und zweitens die Gewährung dieser erhöhten Familienbeihilfe ohne Alterslimit, wenn Kinder mit erheblicher Behinderung außerstande sind, sich selbst einen Unterhalt zu verschaffen.

Sehr geehrte Frau Nationalrätin Erasim, Sie haben da wohl offensichtlich etwas nicht verstanden! Nicht ich war diejenige, die diese erhöhte Familienbeihilfe gekürzt hat, sondern wer? Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass die erhöhte Fami­lienbeihilfe an Personen mit Eigenbezug, die mehr als 50 Prozent finanzielle Unterstüt­zung und Leistung vom Staat erfahren, nicht mehr ausbezahlt wird.

Was habe ich gemacht? – Ich habe sofort darauf reagiert, ich habe gesagt: So kann das nicht sein! Diese Menschen liegen mir am Herzen, so wie hoffentlich Ihnen allen auch (Beifall bei ÖVP und FPÖ), und deswegen bin ich dann sofort hinausgegangen –angeblich Ende August – und habe gesagt: Wir reparieren das, diese Menschen wer­den auch in Zukunft die erhöhte Familienbeihilfe bekommen!

Genau das haben wir mit der Gesetzesänderung jetzt gemacht. Diese Menschen wer­den genauso wie vorher die erhöhte Familienbeihilfe bekommen, und zwar findet da zur Gänze eine Reparatur statt. Der Status quo wird wiederhergestellt.

Ja, wir hätten mit den Behindertenorganisationen durchaus früher sprechen können. Aber was ist bei diesem Gespräch herausgekommen? – Es gab keinen einzigen Fall, den wir nicht repariert haben. Wir haben x Fälle besprochen, und es wurde kein ein­ziger Fall gefunden (Zwischenruf der Abg. Erasim), der mit unserer Gesetzesreparatur nicht repariert wurde. Das heißt, wir mussten unsere Gesetzesreparatur nicht mehr re­parieren, nachdem wir mit den Behindertenorganisationen gesprochen haben, son­dern – und da möchte ich noch einmal meinem Haus Danke sagen – der Gesetzent­wurf zur Reparatur ist genau so geblieben, wie er von Anfang an war. Es ist offensicht­lich ein sehr guter Entwurf, der alles repariert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mir ist wichtig, dass der Status quo erhalten bleibt.

Irgendjemand von Ihnen hat sich auch erlaubt, zu sagen, es geht da um Rückzahlun­gen. Entschuldigung?! Wir haben das Finanzamt sofort angewiesen, diese Entschei­de überhaupt nicht einzufordern. Es gab bis jetzt keine Kürzungen!

Seien Sie mir nicht böse, aber heute gab es schon oft die Diskussion über Unwahrhei­ten, Wahrheiten und Halbwahrheiten. Ich bin der Meinung, dass man auf dem Rücken von Behinderten wirklich keine Unwahrheiten, keine falschen Informationen verbreiten sollte. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich denke, wir sind da wirklich gefordert, respektvoll miteinander umzugehen und nicht auf deren Rücken falsche Informationen nach außen weiterzugeben.

Warum haben Sie das getan? (Zwischenruf der Abg. Erasim.) – Frau Erasim, das ist eine Themenverfehlung. Es geht hier um die erhöhte Familienbeihilfe für Kinder mit Be­hinderung und um kein anderes Thema. Das ist genau der Tagesordnungspunkt (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ – Zwischenruf der Abg. Erasim), aber offensichtlich hatten Sie an diesem Tagesordnungspunkt nichts mehr zu kritisieren, deswegen haben Sie viele andere Themen aufgebracht. (Zwischenruf des Abg. Jarolim. Ruf bei der FPÖ: Zu­hören!) Lassen Sie uns bitte bei diesem Thema bleiben! Mir ist das so wichtig! Mir ist es so wichtig, für die Menschen mit Behinderung den Eigenbezug in Österreich sicher­zustellen, dass diese weiterhin die Familienbeihilfe, die erhöhte Familienbeihilfe, be­kommen, damit es ihnen gut geht, damit sie finanzielle Unterstützung erfahren. (Abg. Jarolim: Glauben Sie, dass irgendjemand das nicht will?)

Sie können sich noch immer umentscheiden, und ich würde Sie wirklich darum bitten! Sie sind die einzige Partei, die hier bei der weiteren Vergabe der erhöhten Familien-


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beihilfe an Menschen mit Behinderung offensichtlich nicht mitgehen will. Warum wollen Sie das nicht? – Alle anderen Parteien sind eindeutig dafür, dass dieses Gesetz repa­riert gehört (Zwischenruf der Abg. Erasim) und weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe auszuzahlen ist. Wir sind dafür. Ich bitte Sie hier noch einmal: Gehen Sie doch mit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Um wen geht es dabei? Dabei geht es nicht um Parteipolitik, dabei geht es um Menschen mit Behinderung, denen die erhöhte Familienbeihilfe zusteht. Deshalb möchte ich allen danken, vor allem der neuen Volkspartei und der FPÖ, die diesen Antrag ein­gebracht haben, aber natürlich auch den NEOS und der Liste Pilz, die jetzt auf jeden Fall mitgehen möchten, und vielleicht kann ich auch Sie, die SPÖ, noch davon über­zeugen, mitzugehen. – In diesem Sinne herzlichen Dank! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte.


18.23.27

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mi­nisterin! Geschätzter Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben der In­dexierung der Familienbeihilfe haben wir heute einen weiteren wichtigen Beschluss zum Familienlastenausgleichsgesetz. Mit unserem vorliegenden Antrag stellen wir si­cher, dass Kinder und Erwachsene mit Behinderung, die bisher einen Eigenanspruch hatten, auch weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe beziehen können.

Manche werden sich jetzt fragen: Warum braucht es dann überhaupt so einen Be­schluss, wenn eh alles so bleibt, wie es bisher funktioniert hat? – Nach einer Änderung der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes wurden Bescheide ausgestellt, die den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe für gewisse Eigenbezieher kurzzeitig beendeten. Unsere Familienministerin hat dankenswerterweise sofort reagiert und eine gesetzliche Klarstellung in diesem Bereich gefordert.

Da viele Falschinformationen kursieren – auch hier am Rednerpult – und teilweise auch Verunsicherung herrscht, möchte ich noch einmal für unsere Fraktion klarstellen: Die bisher ausgestellten Bescheide wurden und werden nicht exekutiert, es kommt zu keiner Kürzung der Familienbeihilfe und es wird mit Sicherheit auch keine Rückforde­rungen geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Mit unserem Antrag stellen wir nun sicher, dass die erhöhte Familienbeihilfe für Men­schen mit Behinderung mit Eigenanspruch weiterhin garantiert ist. Der bisherige An­spruch wird festgeschrieben und wurde um den Personenkreis behinderter Menschen mit eigenständiger Haushaltsführung ergänzt; da gibt es also eine Besserstellung zur bisherigen Praxis. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die erhöhte Familienbeihilfe ist eine Ausnahmeregelung im Bereich der Familienbeihil­fe und soll einen behinderungsbedingten Mehraufwand abfedern. Dazu stehen wir, da­ran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, und für mich steht völlig außer Streit, dass die öffentliche Hand da auch einen wesentlichen Beitrag leistet und in Zukunft leisten wird. Da vor allem medial und auch vonseiten der SPÖ viel verunsichert wird, möchte ich noch einmal klarstellen: Es gibt keine Kürzungen, und den Vorwurf der Verschlech­terung kann ich entschieden zurückweisen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Ganz im Gegenteil! Menschen mit Behinderung, die eigenständig wohnen, werden bessergestellt als bisher und erhalten ebenfalls die erhöhte Familienbeihilfe. Alle Men­schen mit Behinderung, die bisher einen Eigenanspruch hatten, bekommen diesen auch in Zukunft. Zusätzlich binden wir die Behindertenorganisationen bei der Erlasser-


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stellung ein. Das begleitende Monitoring wird uns in den nächsten Monaten aufzeigen, ob sich so manche Befürchtungen bewahrheiten und ob man da möglicherweise noch nachschärfen muss.

Herzlichen Dank an dieser Stelle an die Verantwortlichen im Familienministerium und an die Abgeordneten des Familienausschusses, denn sie haben sich in den vergan­genen Tagen Zeit genommen, um sich mit den Behindertenverbänden auszutauschen und Fall für Fall durchzugehen. Es konnten dabei einige Unsicherheiten und Unklar­heiten beseitigt werden, wenn auch noch nicht alle, aber dafür sind dann die Gesprä­che in Zukunft auf jeden Fall sehr aufschlussreich und wichtig.

Diese gesetzliche Klarstellung, die wir jetzt im Anschluss beschließen, ist nun mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes konform. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Je rascher wir diesen Antrag beschließen, desto schneller haben die Betroffenen auch wieder Rechtssicherheit – da auch die Rede davon war, das Ganze noch einmal aufzu­schieben. Es geht da aber um die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe, und im Falle einer Aufschiebung würde sich dieser Prozess wieder um Monate verzögern und Menschen mit Behinderung würden ohne diese Auszahlung dastehen, und ich denke, die ist ganz, ganz wichtig, um den Alltag zu bestreiten.

Wir binden natürlich weiterhin die Behindertenorganisationen ein, aber als erster Schritt ist, wie gesagt, dieser Beschluss notwendig. Dazu liegt auch ein Entschließungsantrag vor – zum Einführungserlass und zum geplanten Monitoring –, und es freut mich sehr, dass zumindest beim Entschließungsantrag Einvernehmen besteht. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Car­men Schimanek. – Bitte.


18.27.53

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Herr Bundesminister! Werte Kollegen! Der Schutz von Leben und beson­ders von Kindern, die an einer erheblichen Behinderung leiden, ist unser maßgebliches Ziel. Viele Betroffene waren natürlich nach der Veröffentlichung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes völlig überrascht, auch überfordert und verunsichert, aber sowohl die Frau Bundesminister als auch ich haben uns sofort nach Bekanntwerden massiv dafür eingesetzt, dass diese Reparatur schnellstens geschehen kann, und das ist damit jetzt auch erledigt.

Ich bin nur etwas überrascht, wie mit diesem Thema seitens Teilen – ich muss jetzt sagen: Teilen – der SPÖ umgegangen wird. Die heutigen Diskussionsbeiträge der Kol­legin Sandler, aber auch die des Kollegen Kovacevic waren in der Sache zwar etwas kritisch, aber in der Wortwahl noch sehr gewogen, so, wie man es halt in der Oppo­sition machen kann und darf, wenn man gewisse Dinge bekrittelt. (Abg. Wittmann: ... was ist darf?) Frau Kollegin Erasim aber hat sich mehr als einmal in der Wortwahl und im Ton vergriffen. Ich denke, die Behindertenverbände und auch die Menschen mit Be­hinderung haben es sich nicht verdient, dass aus diesem Thema politisches Kleingeld geschlagen wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe bereits im Ausschuss gesagt, ich war total schockiert, ich habe mir auch die Kommentare dazu nach dem Bekanntwerden dieser VwGH-Urteile angesehen.

Ich weiß nicht, ob Sie kontrast.at kennen. Auf dieser Seite gibt es einen Artikel vom 9. Oktober mit der Überschrift: „Verschlechterung statt Reparatur: Regierung streicht erhöhte Familienbeihilfe für Behinderte“. (Abg. Nehammer: SPÖ-Desinformation!) Un­ter diesen Artikel hat ein Leser folgendes Posting geschrieben, über das ich total scho­ckiert gewesen bin (Abg. Nehammer: SPÖ-Blog!):


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„Ich finde es immer wieder ekelhaft, wie sich die braunen Kameraden aus ihren Lö­chern bewegen und den Ärmsten an den Kragen gehen. Wo stehen die ersten KZs? Wo sind die ersten Entsorgungsstationen? Wer waren die Wähler, die genau dieses Verhalten wollten?“ (Abg. Höbart: Unglaublich! Unerhört!)

Ich finde es unglaublich und skandalös, dass so etwas noch immer auf Ihrer Seite (in Richtung SPÖ) steht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein anderer User meinte, die Braunen haben die Behinderten auch immer als unwertes Leben angesehen und gleich kurzen Prozess gemacht; bei uns dauert es halt noch et­was länger. – Es ist eine Schande, dass das immer noch in Ihren Foren steht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Angela Fichtinger.


18.31.05

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Frau Familienministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ei­gentlich schon alles gesagt und erläutert worden: von Herrn Kollegen Sieber, Kollegin Plakolm und der Kollegin von der FPÖ. Es ist ausgeführt worden, worum es genau geht, dass mit diesem Gesetzesantrag sichergestellt wird, dass alle Menschen mit Be­hinderung, die bisher einen Eigenanspruch auf erhöhte Familienbeihilfe hatten – und das sind immerhin 377 Euro –, diese auch weiterhin beziehen können.

Es ist leider, wir haben es ja vorhin gehört, eine große Verunsicherung entstanden und auch heute wieder geschehen, auch in den Medien. Natürlich mussten sie aufmerksam machen und war es notwendig, darauf hinzuweisen, aber man kann der Frau Ministerin keinen Vorwurf machen. Sie hat schnell und richtig reagiert. Immerhin bekommen insgesamt 83 000 Menschen diese erhöhte Familienbeihilfe. 18 000 waren betroffen; 16 000 davon sind über 25.

Das ist natürlich ein ganz, ganz wichtiges Thema, und ich möchte noch einmal ergän­zend dazu sagen: Es wurden die Behindertenorganisationen eingebunden, auch Stel­lungnahmen von diesen eingeholt, die wichtig waren. Und es sei hier noch einmal be­tont: Es hat niemand weniger bekommen, es haben alle das ausbezahlt bekommen, auf das sie Anspruch hatten, und diesen Anspruch werden sie auch in Zukunft haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es soll niemandem etwas weggenommen werden. Ich glaube, es ist unser aller Aufga­be, uns schützend vor jene Menschen zu stellen, die unseren Schutz und unsere Hilfe am dringendsten benötigen, um überhaupt ein eigenständiges Leben führen zu kön­nen. Man kann sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie schwierig das ist.

Ich darf abschließend noch einmal betonen: Wir werden uns auch in Zukunft gemein­sam für die Menschen einsetzen, schließlich sind wir die Familienpartei. Wie man auch an unserem Familienbonus Plus und vielen anderen Dingen sieht, ist es uns immer wichtig, für unsere Familien zu arbeiten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Sandra Wasser­mann zu Wort. – Bitte.


18.34.07

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Familienministerin! Herr Minister Hofer! Geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich heute


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zum Thema Erhöhung der Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung zu Wort ge­meldet, weil ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir uns diesem Thema, dass wir uns den Menschen mit besonderen Bedürfnissen widmen; sie verdienen unsere Auf­merksamkeit.

Grundsätzlich hat ja die Familienbeihilfe das familienpolitische Ziel, die Eltern zu ent­lasten, und da ist es ganz gleich, ob die Kinder eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Wie schwer es für Familien ist, ein beeinträchtigtes Kind zu haben, weiß man ver­mutlich erst dann, wenn es einen selbst betrifft oder wenn man Bekannte hat, bei de­nen man miterlebt, wie schwer der Alltag ist und wie groß die Herausforderungen in diesem Alltag sind.

In meiner täglichen Arbeit in der Gemeindepolitik habe ich viel mit Menschen zu tun, die eine Beeinträchtigung haben, und ich habe letzte Woche mit einer Mutter aus Kla­genfurt sprechen können, die mir gesagt hat, dass ihr die erhöhte Familienbeihilfe sehr geholfen hat. Sie hilft ihr sehr im Alltag, zum einen, weil sie dadurch auch Selbstbe­halte bei den Therapien ein bisschen abfedern kann, und zum anderen aber auch, weil sie damit für viele Investitionen ansparen kann, ob das jetzt ein Krankenbett ist, auf das sie schon seit zwei Jahren spart, ob das jetzt ein Duschstuhl ist, der 2 800 Euro kostet, damit sie ihren achtjährigen Sohn duschen kann, oder ob das ein Einbausitz ist, damit sie ihren Sohn ins Auto heben kann und aus dem Auto wieder herausbringt. – Ja, die erhöhte Familienbeihilfe hilft bei der Bewältigung des Alltags.

Sehr geehrte Opposition, ich halte es nicht für sinnvoll, ein so wichtiges Thema zu ver­wenden, um in der Bevölkerung Verunsicherung zu betreiben. Da spreche ich jetzt auch Sie an, Frau Kollegin Erasim: Sie sollten sich zum einen besser in die Anträge einlesen, und zum anderen finde ich es wirklich letztklassig, dass Sie Ihre eigene Profi­lierung auf dem Rücken dieser Menschen betreiben. Bitte schreiben Sie sich das auch hinter Ihre sozialdemokratischen Ohren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben – und das betone ich jetzt noch einmal, das ist ganz wichtig – die Behin­dertenverbände in diesen Gesetzgebungsprozess eingebunden. Ich bin selbst immer wieder in Kontakt mit dem Österreichischen Zivil-Invalidenverband; der Austausch ist wichtig. Um es noch einmal zu betonen: Wenn eine erwerbsunfähige Person oder ein erwerbsunfähiger beeinträchtigter Jugendlicher nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln versorgt wird, besteht der Anspruch auf die Familienbeihilfe. Noch einmal: Das Moni­toring wird von der Bundesministerin durchgeführt, und – ganz besonders wichtig zum Abschluss – alle Menschen mit einer Beeinträchtigung, die bisher einen Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe gehabt haben, werden diese auch weiterhin beziehen kön­nen. Dafür sorgt ja auch diese freiheitliche Gesetzgebung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Abschluss meiner Rede darf ich mich ganz besonders bedanken, und zwar bei allen Menschen, die sich tagtäglich um Kinder und Jugendliche, die eine Beeinträchti­gung haben, kümmern, die sich in ihrer Arbeit liebevoll aufopfern. Ich möchte festhal­ten, dass wir Freiheitlichen die Inklusion leben. Wir Freiheitlichen haben ein Herz für die Menschen, ein Herz für Familienpolitik. Das ist uns nicht nur inhaltlich, sozialpoli­tisch wichtig, sondern wir werden auch diesen monetären Beitrag weiterhin sicher­stellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Kira Grünberg zu Wort. – Bitte.


18.38.07

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin-


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nen und Zuseher! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben bereits ausgeführt, wa­rum es in den letzten Wochen in Einzelfällen bedauerlicherweise zum Auszahlungs­stopp der erhöhten Familienbeihilfe gekommen ist.

Zum Glück ist unsere Bundesministerin Bogner-Strauß sofort eingesprungen und hat klargestellt, dass es da zu keiner Schlechterstellung kommt und dass die erhöhte Fa­milienbeihilfe für Kinder und Erwachsene mit Behinderung weiterhin ausbezahlt wird. Auch Rückforderungen können damit ausgeschlossen werden.

Mit dem vorliegenden Initiativantrag wird diese Zusicherung nun gesetzlich festgehal­ten. Ergänzend dazu bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Birgit Silvia Sandler, Michael Bernhard, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung von Behindertenorganisationen in die Erarbeitung des Einführungserlas­ses und Evaluierung der Neuregelung“

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familie und Jugend wird ersucht,

– Behindertenorganisationen in die Erarbeitung des an die Finanzämter adressierten Einführungserlasses zur Vollziehung der gegenständlichen Sicherstellung der erhöhten Familienbeihilfe für alle Menschen mit Behinderung, die bisher einen Eigenanspruch hatten, einzubeziehen und

– die Vollziehung dieser Bestimmungen auf Basis eines laufenden Monitorings im Hin­blick auf Einzelfälle und Gesamtvolumen ein Jahr nach Inkrafttreten einer Evaluierung zu unterziehen und diese in Form eines Berichts dem Parlament zuzuleiten.

*****

Dieser Entschließungsantrag, der von allen Fraktionen mitgetragen wird, ist in einem konstruktiven Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern von Behindertenorganisa­tionen entstanden. Auch wenn in diesem Gespräch noch nicht alle Bedenken ausge­räumt werden konnten, so hoffe ich doch sehr, dass dies im weiteren Verlauf passiert.

Ich bin davon überzeugt, dass der Initiativantrag die bisherige bewährte Praxis sicher­stellt. Und wenn Ihnen zu Ohren kommt, dass es einen Fall eines Menschen mit Behin­derung gibt, der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe hatte und diesen jetzt nicht mehr hat, dann melden Sie sich bei uns! Das Ministerium wird jeden Fall einzeln prüfen und sich ihn noch einmal genau anschauen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte hier aber noch eine ganz andere Perspektive ansprechen. Es steht außer Frage, dass ein behinderungsbedingter Mehraufwand von der öffentlichen Hand aufge­fangen werden soll. Was ich allerdings schon infrage stelle, ist, dass erwachsene Men­schen mit Behinderung Kinderbeihilfe, wie wir sie in der Umgangssprache nennen, zu­erkannt bekommen. Das Gesetz macht damit Erwachsene, selbstbewusste und selbst­bestimmte Menschen zu Kindern.

Manche mögen jetzt sagen, das ist Wortklauberei oder das ist überhaupt nicht wichtig, aber ich finde das sehr wichtig, denn wie sagt so schön der Talmud: Achte auf deine


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Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlun­gen. – Zitatende.

Wenn wir erwachsene Menschen mit Behinderungen als Kinder denken, behandeln wir sie vermutlich dann auch so. Kein erwachsener Mann und keine erwachsene Frau möchte wie ein Kind behandelt werden. Tun wir das bitte auch nicht mit Menschen mit Behinderung! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Birgit Silvia Sandler, Michael Bernhard, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kira Grünberg, Petra Wagner

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einbeziehung von Behindertenorganisationen in die Erarbeitung des Einfüh­rungserlasses und Evaluierung der Neuregelung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12.) Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 386/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghu­ber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlas­tenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (292 d.B.)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familie und Jugend wird ersucht,

– Behindertenorganisationen in die Erarbeitung des an die Finanzämter adressierten Einführungserlasses zur Vollziehung der gegenständlichen Sicherstellung der erhöhten Familienbeihilfe für alle Menschen mit Behinderung, die bisher einen Eigenanspruch hatten, einzubeziehen und

– die Vollziehung dieser Bestimmungen auf Basis eines laufenden Monitorings im Hin­blick auf Einzelfälle und Gesamtvolumen ein Jahr nach Inkrafttreten einer Evaluierung zu unterziehen und diese in Form eines Berichts dem Parlament zuzuleiten.“

*****

18.42.45


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit zur Abstimmung.

Mir ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 292 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den Gesetzentwurf aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Wer auch in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Somit ist der Ge­setzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Sieber, Mühlberghuber, Sandler, Bernhard, Holzinger-Vogtenhuber, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Einbeziehung von Behindertenorganisationen in die Erar­beitung des Einführungserlasses und Evaluierung der Neuregelung“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist einstimmig ange­nommen. (E 30)

18.44.0113. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (255 d.B.): Pro­tokoll über eine Änderung des Artikels 50 lit. a des Abkommens über die In­ternationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016, und Pro­tokoll über eine Änderung des Artikels 56 des Abkommens über die Interna­tionale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016 (313 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (276 d.B.): Koope­rationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Europäischen Satellitennavigationsprogramme (314 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße zu diesen Tagesordnungspunkten den zuständigen Herrn Bundesminister Ing. Hofer.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


18.45.25

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Österreich ist seit 1948 Mitglied der Internationalen Zivilluftfahrt­organisation; gegründet wurde diese 1944. Jetzt gilt es, einige Anpassungen und Än­derungen vorzunehmen, die wir mit der vorliegenden Regierungsvorlage heute hier be­schließen werden.

Ein Punkt dabei ist die Aufstockung des Rates von 36 auf 40 Mitglieder und die Aufsto­ckung der Luftfahrtkommission von 19 auf 21 Mitglieder. Grund dieser Maßnahme sind gestiegene Mitgliederzahlen sowie die Ausweitung und Zunahme des Luftverkehrs; die stärkere Vertretung der Mitgliedsländer stellt eine Ausgewogenheit aller Mitgliedstaaten sicher.

Die Zunahme des Luftverkehrs ist ein wesentlicher Punkt, der mich auf ein bestimmtes Thema bringt, nämlich die dritte Piste. – Das ist ein wesentlicher, entscheidender Fak­tor für den Wirtschaftsstandort Österreich, auch ein wesentlicher Faktor für den Stand­ort Schwechat. Als Standort muss man natürlich auch dementsprechend konkurrenz­fähig sein, und diese Konkurrenzfähigkeit spiegelt sich auch in Zahlen wider: 2017 hat es am Standort Schwechat insgesamt 225 000 Flugbewegungen gegeben, insgesamt wurden 21 Millionen Passagiere verzeichnet.


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In dieser Hinsicht ist es entscheidend, dass wir den Bau der dritten Piste auch entspre­chend fixieren. Ich glaube, dass wir hier auf einem guten Weg sind, mit allen Verfahren und mit allen möglichen Unterstützungen, die wir seitens der Bundesregierung, des Bundesministers, aber natürlich auch aller anderen Beteiligten haben werden.

In diesem Sinne ist auch ein ganz wichtiger Punkt, diese geplante Staatszielbestim­mung für den Wirtschaftsstandort Österreich umzusetzen und zu haben.

Es ist eine einstimmige Materie; dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen. Ich freue mich auf Ihre Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Melanie Erasim zu Wort. – Bitte.


18.47.48

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich, hier heute auch über ein absolutes Konsensthema reden zu können. Wir als so­zialdemokratische Parlamentsfraktion sehen sowohl das Abkommen über die Interna­tionale Zivilluftfahrt als auch das Kooperationsabkommen über die Europäischen Satel­litennavigationsprogramme durchwegs positiv. Ich kann mich dazu den Ausführungen des Abgeordneten Rauch nur anschließen. Allem, was einer besseren Vernetzung dient, einer besseren internationalen Zusammenarbeit, kann man nur positiv gegenüberste­hen.

Gerade die Luftfahrt ist ja das Tor zur Welt und ist sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus außenpolitischen Gründen sehr zu unterstützen.

Wenn ich hier über die Luftfahrt rede, komme ich nicht an den vielen Flugreisenden vorbei, und da ist uns die Rechtssicherheit von besonderer Bedeutung. Unter Ver­kehrsminister Alois Stöger ist es gelungen, eine zentrale Servicestelle, die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, einzurichten. Damit haben wir in Österreich eine Vor­reiterrolle in Bezug auf die Fahrgastrechte eingenommen, um die wir im Ausland benei­det werden. So wandten sich im Jahr 2017 insgesamt fast 4 000 Personen mit einer Beschwerde an die Agentur, und diese schloss fast 2 400 Beschwerdeverfahren ab – ein Plus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese steigenden Zahlen zeigen auch die dringende Notwendigkeit dieser Agentur.

Doch warum erwähne ich das jetzt, bei diesem Tagesordnungspunkt? – 1 719 Verfah­ren, also über 73 Prozent, entfielen auf den Flugverkehr, und in 86 Prozent der Ver­fahren konnte ein positives Ergebnis für die Reisenden erzielt werden. Bei der Hälfte davon ging es um Beschwerden in Bezug auf Verspätungen.

Wie ist diese positive Entwicklung in Bezug auf die positiven Abschlüsse im Sinne der Reisenden überhaupt möglich? – Weil wir hinsichtlich Unternehmen eine gesetzlich ge­regelte Mitwirkungspflicht im Verfahren haben und seit 2017 die internationale Zusam­menarbeit mit den Durchsetzungsstellen in Deutschland und der Schweiz verstärkt wurde. So konnte den Reisenden beispielsweise bei der Insolvenz von Niki und Air Berlin vereinfacht und auch proaktiv geholfen werden.

Das ist eines von vielen Beispielen, an denen man erkannt, dass gerade im internatio­nalen Luftverkehr die Zusammenarbeit mit anderen Ländern von besonderer Bedeu­tung ist. Genau deshalb werden wir beiden in Verhandlung stehenden Punkten zustim­men. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rebecca Kirch­baumer. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 194

18.51.09

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Egal ob Sie vom Flughafen Innsbruck Kranebitten nach Dublin oder nach Kreta fliegen, in beiden Fällen unterliegen Sie den Regeln der Internationalen Zivilluftfahrtorganisa­tion ICAO.

Seit dem Jahr 1948 ist Österreich Mitglied in dieser Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie beruht auf dem sogenannten Chicagoer Abkommen über die internatio­nale Zivilluftfahrt und setzt weltweit die Standards für die Luftfahrt. Unter anderem war es etwa auch die ICAO, die die Regeln betreffend die Fotos in Reisepässen weltweit standardisiert und vereinheitlicht hat. Vor allem diese Standardisierung hat wesentlich zur Sicherheit in der Luftfahrt beigetragen.

Da die ICAO die weltweite Staatengemeinschaft repräsentiert – derzeit hat sie 192 Mit­glieder –, ist es nur sinnvoll, dafür zu sorgen, dass sie auch ausreichend Gehör findet. Es gibt derzeit weltweit nur drei Staaten, die nicht Mitglied der ICAO sind, davon haben zwei keinen Flughafen, nämlich Liechtenstein und der Vatikan. Die vorliegende Novelle ratifiziert nun die notwendig gewordene Erhöhung der Anzahl der Mitglieder des Rates von 36 auf 40 und diejenige der Anzahl der Mitglieder der Luftfahrtkommission von 19 auf 21.

Sehr geehrte Damen und Herren! In den vergangenen 20 Jahren sind viele Staaten nicht nur in Europa neu oder wiedererstanden. Dies soll sich auch in der Mitgliederzahl der Gremien widerspiegeln. Die Aufgaben des Rates und der Kommission sind unter anderem die Erarbeitung und die Festlegung von verbindlichen Standards für die Luft­fahrt, die von den Mitgliedsländern umgesetzt werden müssen, die Regelung der inter­nationalen Verkehrsrechte, der Freiheiten der Luft, die Zuteilung der ICAO-Codes für Länder und Flugzeugtypen und die Weiterentwicklung der Standards für maschinenles­bare Reisedokumente.

Der vorliegenden Novelle kann daher nur zugestimmt werden. – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Norbert Hofer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


18.53.43

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine Konsensmaterie, ich werde also jetzt keine sehr lange Stellungnahme abgeben, ich möchte aber eines sa­gen, weil es wichtig ist und dazupasst: Wir werden in den nächsten Jahren in der Luft­fahrt einige Probleme erleben, die auf uns zukommen werden, weil wir massive Eng­pässe bei den Kapazitäten haben.

Wir haben im letzten Jahr einen Rekord bei den Flugpassagieren verzeichnen können. Es werden aber noch mehr werden, und im nächsten Jahr werden die Zahlen wieder übertroffen werden. Mittlerweile muss man damit rechnen, dass jeder dritte Flug eine Verspätung aufweist. Oft sind auch Wetterphänomene schuld daran, aber es liegt vor allem an Kapazitätsengpässen. Daher müssen wir uns überlegen, was wir tun können, um diese Engpässe zu bekämpfen, denn letztendlich schadet es der Wirtschaft und dem Tourismus, wenn immer mehr Flüge Verspätung haben.

Ich glaube, was wir tun müssen, ist, dass wir auch den Zugang zur Fliegerei nieder­schwellig möglich machen müssen. Es sind oftmals die kleinen Flugsportvereine in Ös­terreich, an die man sich als junger Mensch wendet, wo man zunächst einen Segelflug-


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schein macht, vielleicht später eine Privatpilotenlizenz, eine Schleppberechtigung – was auch immer. Das ist dann oft der Einstieg in die Fliegerei, und wir brauchen Men­schen, junge Menschen, die sich für diese Art der Fortbewegung begeistern, damit wir auch hinsichtlich Piloten- und Pilotinnennachwuchs das nötige Personal finden – übri­gens auch bei den Fluglotsen.

Ich möchte also betonen, dass da eine Herausforderung auf uns zukommt, und wir überlegen jetzt gerade im Hause, welche Maßnahmen wir auch für diese kleinen Ver­eine setzen können, damit es da Erleichterungen gibt.

Ganz kurz zum Thema Schweiz und Weltraumtechnik: Klar ist, dass wir mit der Schweiz kooperieren wollen, die Schweiz hat auch schon sehr viel in diese Program­me, wie Galileo und Copernicus, investiert. Was man immer wieder betonen muss, ist, dass wir hier in Österreich ganz, ganz tolle Unternehmen haben, die im Bereich der Weltraumtechnik sogar Marktführer sind – viele, viele Bauteile aus Österreich befinden sich im Weltraum und sind dort im Einsatz – und damit auch für einen guten Ruf un­serer Unternehmen im Ausland sorgen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Christian Ha­fenecker. – Bitte.


18.56.18

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Ich möchte an Ihre Ausführungen anschließen. Ich hatte gemeinsam mit Kolle­gin Himmelbauer letzte Woche die Möglichkeit, an der Interparlamentarischen Welt­raumkonferenz in Brüssel teilzunehmen, und ich muss sagen, es ist wirklich sehr, sehr beeindruckend, was auf diesem Sektor jetzt mittlerweile auch in Europa geleistet wird.

Österreich ist wirklich ein Spieler in diesem Bereich geworden. Es sind da eben, wie es der Herr Bundesminister gerade gesagt hat, auch viele österreichische Firmen entspre­chend beteiligt, und auch Österreich selbst wirkt mittlerweile bei einigen ESA-Mis­sionen mit. Ich darf nur auf die Rosetta-Mission verweisen, auf ExoMars, auf das Satel­litennavigationssystem Galileo – das ist ein ganz, ganz großes Thema für Europa, für Österreich, einfach deswegen, weil wir mit dem Aufbau unseres eigenen Satelliten­navigationssystems auch eine gewisse Unabhängigkeit vom amerikanischen GPS-Sys­tem sicherstellen.

Kurz noch die Zahlen für Österreich im Detail: In Österreich sind rund 120 Organisa­tionen im Weltraumbereich tätig. Dort sind 1 000 Mitarbeiter beschäftigt und der Um­satz beträgt jetzt schon 125 Millionen Euro. – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch der Grund, warum wir gesagt haben, wir sollten uns diesem Thema hier im Parlament wiederum mehr widmen, und das war auch der Grund, warum wir letzte Woche diese Konferenz besucht haben.

Wir werden jetzt noch in Gesprächen versuchen, im Einklang mit der Geschäftsord­nung eine Möglichkeit zu finden, wie wir dieses Kapitel Weltraum in einem Ausschuss oder einem Unterausschuss abbilden können, und ich bin überzeugt davon, dass wir für diese Agenden einen entsprechenden politischen Vortrieb sicherstellen können.

Noch kurz ein Wort auch zum intellektuellen Kapital, das Österreich da sozusagen er­wirtschaftet: Es sind rund 20 Patente, die in diesem Bereich in Österreich im Jahr an­gemeldet werden, und es sind rund 1 000 neue Publikationen, die jedes Jahr entste­hen. Der Herr Bundesminister hat bereits darauf verwiesen, dass wir in manchen Be­reichen bereits Marktführer sind, was Weltraumkomponenten betrifft, Triebwerkmecha­nismen, Systeme für Temperaturregelung, Hardware, Software und so weiter und so fort. Wir sind da also auf einem wirklich guten Weg.


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Umso mehr freut es mich, dass wir jetzt auch ein entsprechendes Abkommen mit der Schweiz eingehen werden. Auch die Schweiz ist in diesem Bereich sehr, sehr umtrie­big. Zum Beispiel hat die Schweiz im Bereich der Satellitennavigation in den Jah­ren 2014 bis 2017 rund 240 Millionen Euro in Forschung investiert, gerade in den Sek­tor der Atomuhren. Diese Atomuhren braucht man ganz, ganz dringend, um die Signa­le der Galileo-Satelliten entsprechend zeitlich einzutakten. (Präsidentin Kitzmüller über­nimmt den Vorsitz.)

Ich bin also der Meinung, wir sind da auf einem sehr, sehr guten Weg. Ich freue mich, dass wir mit unserem Nachbarland Schweiz eine entsprechende Partnerschaft einge­hen, und bin der festen Überzeugung, dass dies für beide Seiten nur Gutes bringt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Himmelbauer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.59.12

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie Herr Abgeordneter Hafenecker bereits gesagt hat, durften wir letzte Woche selbst Teilnehmer an einer interparlamentarischen Konferenz zum Thema Big Data und Weltraum sein. Es war natürlich wie gesagt sehr erfreulich, zu sehen, welche Forschungen, welche Forschungsergebnisse, welche An­wendungsfelder auch in anderen Ländern präsent sind, vor allem aber, wie im Endef­fekt die gute Zusammenarbeit diese Ergebnisse liefert.

Was gleichermaßen erfreulich ist: Wir waren dort noch in einem Beobachterstatus, aber wir wollen diese Rolle ja gegen diejenige eines vollwertigen Mitglieds tauschen, und auch da, habe ich vernommen, gibt es parteiübergreifend Einigkeit.

Herr Minister, ich glaube, das zeigt auch, dass das kein politisches Orchideenthema ist, sondern dass Weltraum sowie Technologie und Forschung in diesem Bereich für Österreich und die Europäische Union wichtige Themen sind, die in den vergangenen Jahren natürlich auch vonseiten des Ministeriums massiv unterstützt wurden – zum einen, um österreichische Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei der Innova­tionstätigkeit, bei der Forschungstätigkeit zu unterstützen, und gleichzeitig auch, um konkrete Anwendung zu fördern. Das betrifft beispielsweise die europäische Trägerra­kete Ariane 5 – um nur eine Anwendung herauszugreifen.

Unsere Zielsetzung ist es natürlich, die Innovations- und Forschungstätigkeit und diese Anwendungsfelder zu fördern; gleichzeitig wissen wir auch – das zeigt auch die Ver­gangenheit –, dass genau aus diesen Forschungsergebnissen, die für die Weltraum­technologie, für den Weltraumeinsatz genutzt werden, auch vieles in andere Sektoren mitgenommen wird. Auch das ist eine Zielsetzung der österreichischen Forschungsför­derung im Bereich der Luft- und Raumfahrt, die sich auch bei der Forschungsförde­rungsgesellschaft wiederfindet.

Herr Kollege Hafenecker hat es schon angesprochen: Eines der wahrscheinlich be­kanntesten Systeme ist natürlich das Navigationssystem, das wir brauchen, damit wir selbst von A nach B kommen, aber natürlich auch, damit alle Arten von Transporten von A nach B kommen. Satellitentechnologie ist jedoch darüber hinaus noch viel mehr. Sie hilft, unterstützt im Bereich des Monitorings des Klimawandels, aber auch im Be­reich des Katastrophenschutzes durch Erdbeobachtungen und hilft uns auch, Bedro­hungsszenarien bestmöglich herauszufiltern und Schutzmaßnahmen zu treffen.

Daher ist es eigentlich nur sinnvoll, dieses Abkommen gemeinsam mit der Schweiz auch weiterhin fortzusetzen. Diese Zusammenarbeit hat es in der Vergangenheit schon gegeben, und sie ist nur fruchtbar, wenn neben den Mitgliedstaaten der EU auch Dritt-


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länder, beispielsweise aus dem EWR-Raum, mit tätig sind – finanziell, aber natürlich auch auf einer Wissensbasis, um gemeinsam zusammenzuarbeiten. – Danke schön für die Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.02

19.02.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstatterinnen ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll über eine Änderung des Art. 50 lit. a des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Okto­ber 2016, und Protokoll über eine Änderung des Art. 56 des Abkommens über die In­ternationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet in Montreal am 6. Oktober 2016, in 255 der Bei­lagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 B-VG, dass die englische, französische, spanische, russische, chinesische und arabische Sprachfassung dieses Staatsvertrages dadurch kundzuma­chen ist, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Europa, In­tegration und Äußeres aufliegt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist wiederum einstimmig. Angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Ver­kehrsausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Kooperationsabkommen zwi­schen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweize­rischen Eidgenossenschaft andererseits über die Europäischen Satellitennavigations­programme, in 276 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Angenommen.

19.04.5315. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (257 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz, das Funker-Zeugnisgesetz 1998, das Postmarkt­gesetz, das Gebäude- und Wohnungsregister-Gesetz und das KommAustria-Ge­setz geändert werden (315 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 15. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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19.05.23

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Ruf bei der ÖVP: Vielseitig, der Herr Stöger heute!) Wir reden über das Telekommunikationsgesetz, und da erkennt man, dass die Breitbandversorgung für alle Menschen in Österreich von zentraler Bedeutung ist. Wir brauchen eine flächendeckende Versorgung mit Breitbandinternet, damit die Menschen und auch die Unternehmen an die Welt angeschlossen sind.

Ich bedanke mich bei meiner Vorgängerin als Technologieministerin, bei der jetzigen Präsidentin Doris Bures, denn sie hat damals, als man die Frequenzen versteigert hat, die Breitbandmilliarde ermöglicht, und es ist uns möglich geworden, in Ausschrei­bungssystemen die Breitbandmilliarde umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.) Dabei war es wichtig, die Versorgung zu fördern, auch die Telekommunikationsunternehmen mit in die Pflicht zu nehmen und ihnen zu sagen: Auch ihr habt Verantwortung für die Versor­gung in Österreich!

Wir kommen jetzt zu den 5G-Frequenzen. – Da hat die Bundesregierung leider einen anderen Weg gewählt: Sie wollen den Unternehmen viel Geld in die Tasche geben, wenig für die Frequenzen verlangen, und dabei erwarten Sie, dass diese Unternehmen auch die Versorgung bewerkstelligen. Wir wissen, dass gerade Telekommunikations­unternehmen eher zu wenig als zu viel investieren. Aus meiner Sicht wäre es daher notwendig, dass wir da mehr in die Breite gehen und dass wir keine neuen Möglichkei­ten der Förderung schaffen, sondern dass wir mit den Mitteln öffentliche Aufträge für die Versorgung zuwege bringen.

Es gibt ein Mindestgebot von 30 Millionen Euro. Wenn man bedenkt, dass bei der letz­ten Ausschreibung 2 Milliarden Euro zustande gekommen sind, dann weiß man, dass die 30 Millionen Euro ein Geschenk an die Unternehmen sind. Wie da die Investitions­bereitschaft der Unternehmen gefördert werden soll, erschließt sich mir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Wir haben bei diesem Gesetzentwurf den Konsumentenschutz vergessen, aber dafür Geschenke an Unternehmen gemacht. Was ändert sich im Konsumenten­schutz? – Eine Papierrechnung wird nicht mehr der Normalfall sein, sondern jemand, der eine Papierrechnung haben will, muss sie zuerst beantragen beziehungsweise muss er diese Papierrechnung über das Internet beantragen. Der umgekehrte Weg wäre für uns okay gewesen: die Papierrechnung als normaler Weg, und wer eine an­dere Form der Rechnung haben will, soll sie bekommen. Die Standards müssen so ge­staltet sein, dass alle Kundinnen und Kunden den Überblick über die anfallenden Kos­ten haben – und Sie wissen, dass gerade ältere Personen nicht immer Zugang zu ei­nem PC haben.

Sie haben bei diesem Gesetz auch die Amateurfunker, sagen wir es freundlich, sek­kiert. Sie haben neue Regelungen – es ist okay, dass man das ins Telekommunika­tionsgesetz hineinnimmt –, aber die Regelungen sind aus meiner Sicht überschießend.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Sicht der Sozialdemokratie ist es wich­tig, Daseinsvorsorge ernst zu nehmen. Die Freiheit der Menschen, mit der Welt zu kommunizieren, braucht kollektive Einrichtungen, und eine dieser kollektiven Einrich­tungen ist die Breitbandinfrastruktur. Diese Einrichtung als Staat zur Verfügung zu stel­len, ist aus meiner Sicht wichtig, und daher war es ein wirtschaftspolitischer Fehler, die Telekom zu verkaufen. Das war ein Fehler und der rächt sich jetzt.

Wir werden diesem Gesetz die Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Hafenecker zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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19.09.48

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Ich halte das Telekommunikationsgesetz für eine sehr, sehr wichtige Weichen­stellung für die zukünftige Ausrichtung Österreichs. Wir haben das auch entsprechend im Regierungsprogramm festgelegt. Im Wesentlichen wird im Zuge dieses Gesetzent­wurfs die Grundlage für den 5G-Ausbau in den nächsten Jahren geschaffen. Damit wird auch sichergestellt, dass Österreich ein Musterland und auch ein internationales Referenzland in diesem Bereich wird.

Um so etwas sicherzustellen, muss man aber ein taugliches Gesetz auf die Beine stel­len. Herr Kollege Stöger ist vorhin heraußen gestanden und hat über vergangene Hel­dentaten philosophiert; diesbezüglich möchte ich schon in Erinnerung rufen, wie zum Beispiel der LTE-Ausbau in Österreich tatsächlich stattgefunden hat. Das liest sich dann doch ein bisschen anders als die verzerrte Wahrnehmung des Kollegen Stöger. Fakt war, dass damals das Versteigerungsprozedere über die Frequenzen vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist. Die Telekomunternehmen mussten wesentlich mehr in diese Frequenzen investieren, als sie eigentlich zur Verfügung hatten. Das hatte die Folge, dass die Ausrollung der LTE-Technologie auf Österreich nur schleppend stattfin­den konnte. Das ist das, was am Ende des Tages auch der Konsument im Börsel ge­spürt hat, weil dann die Tarife teurer wurden. Ich würde sagen, Herr Kollege Stöger, Sie und Kollegin Bures haben da eher danebengehaut denn einen großen Wurf ge­macht.

Ja, wir haben das auf jeden Fall jetzt sichergestellt und auch entsprechend in Angriff genommen, sodass uns dieser Fehler nicht mehr passiert. Wir werden auch eines ma­chen, was von der Vorgängerregierung, von den Vorgängerministern verabsäumt wor­den ist: Die Breitbandmilliarde wäre ein grundsätzlich gutes Instrument. Man muss aber auch die entsprechenden Zugänge dazu schaffen und man muss es auch schaf­fen, dass es wirklich praktikabel ist, diese Gelder abzurufen. Auch dahin gehend wer­den wir einige Dinge im Vergleich zur Vorgängerregierung ändern.

Wir wollen da einen anderen Weg gehen und haben dann ins Telekommunikationsge­setz zwei weitere Dinge eingearbeitet: Das ist zum einen eine Straffung der Behör­denstruktur – es war ganz, ganz wichtig, auch einmal ein bisschen Licht in diesen Dschungel zu bringen, und auch das ist hiermit sichergestellt –, zum anderen sind das die entsprechenden Anpassungen an die DSGVO.

Ein wichtiger Punkt, den ich noch kurz erwähnen möchte, ist folgender: Wir haben im Zuge dessen, dass wir in der Regierungsübereinkunft auch festgelegt haben, den Ge­setzesdschungel zu lichten, außerdem sichergestellt, dass die Gesetzesmaterien, die die Amateurfunker betreffen, in dieses Gesetz mit eingearbeitet werden.

Da möchte ich schon in Richtung der SPÖ eines sagen: Dieser Prozess wurde ganz massiv durch gezielte Falschinformationen hintertrieben. Man hat die Funker nervös gemacht, man hat sie falsch informiert und das hat zu Diskussionen geführt, die abso­lut nicht angebracht waren. Wir – und das kann ich Ihnen versichern und das wird auch der Herr Bundesminister bestätigen – hatten immer als oberstes Interesse und als oberste Prämisse bei diesem Gesetz, dass man den Amateurfunk ordentlich einbindet, dass man mit den Stakeholdern ordentlich verhandelt, und dass es nicht zu Nachteilen, sondern im Gegenteil auch zu Verbesserungen kommt. Das ist auch sichergestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie von der SPÖ heute gegen dieses Gesetz stimmen, dann stimmen Sie in Wahrheit auch gegen die Zukunft Österreichs, gegen die Entwicklung neuer Technologien in Österreich. Wir wollen mit unserer Bun­desregierung sicherstellen, dass wir das 5G-Netz zeitnah ausrollen können. Wir wollen damit sicherstellen, dass autonomes Fahren bei uns rasch ein Thema wird. Wir wollen


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sicherstellen, dass Industrie 4.0 rasch in Österreich anwendbar wird. Wir wollen auch Smartcity-Konzepte ausrollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stellen damit – im Gegensatz zur SPÖ, die bis jetzt alles versenkt hat, was sie irgendwie in die Hände bekommen hat – sicher, dass sich dieses Land adäquat weiterentwickeln kann. Ich möchte Herrn Bundesmi­nister Hofer nochmal für seine Initiative danken. Ich bedanke mich bei den Beamten, die diese komplizierte Materie wirklich sehr gut weiterentwickelt haben. Ich bedanke mich bei den Teilen des Ausschusses, die konstruktiv mitgearbeitet haben, vor allem bei Kollegin Himmelbauer. In diesem Sinne: Es ist ein großer Wurf gelungen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt eine ..., bitte!)

19.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.13.58

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Minister! Das Telekommunikationsgesetz – es wurde schon angespro­chen – ist insbesondere für die 5G-Vergabe beziehungsweise für den 5G-Ausbau rele­vant. Es geht insbesondere um das 700-Megahertz-Band, das zu vergeben ist. Sonst sind in diesem Gesetz noch Kleinigkeiten zum Amateurfunk und zur Behördenstruktur drinnen, die aber nicht der große Part des Gesetzes sind.

Wir sind uns, glaube ich, alle in dem Haus einig, dass es notwendig war, Maßnahmen zu setzen, diese auch schnell, aber auch – das ist auch mein Kritikpunkt – legistisch einwandfrei zu setzen.

Herr Kollege Hafenecker hat gerade vorher den Prozess angesprochen. Aus unserer Sicht war der sehr, sehr holprig. Ich habe das bereits im Ausschuss angesprochen. Wir haben einen ersten Entwurf gehabt, zu dem es unglaubliche 585 Stellungnahmen ge­geben hat, das war durchaus ein ordentlicher Brocken. Ich habe noch selten so eine Menge an Stellungnahmen bekommen. Da war zum Beispiel auch das Völkerrechts­büro des Bundeskanzleramts dabei, das sich darüber beschwert hat, dass das BMVIT Datenzugriff auf Gebäude und auf das Wohnregister hat, was sie als nicht rechtlich haltbar sehen. Man sieht auch, dass die Regierung da intern nicht gut abgestimmt zu sein scheint, wenn sogar vom Bundeskanzleramt Kritik kommt – und es waren mehrere Punkte, die da angeführt wurden. Das zeigt, dass da nicht alles gut geplant war.

Außerdem ist in den Entwurf das Thema Vorratsdatenspeicherungen eingeflossen. Das, glaube ich, liegt gar nicht an Ihnen, Herr Minister, aber es ist schon erstaunlich, wie immer wieder über die Hintertür versucht wird, dieses Thema Vorratsdatenspeiche­rung in verschiedenen Arten und auf verschiedene Art und Weise unterzubringen.

Sie haben dann einen Änderungsantrag gemacht, der viele Punkte entschärft hat. Das erkennen wir auch an. Trotzdem fehlt heute noch in vielen Dingen die rechtliche Schärfe. Es ist teilweise nach wie vor selbst für Experten und Expertinnen nicht ganz klar, wie manche Begrifflichkeiten zu interpretieren sind. Deswegen können und wer­den wir dieser Novelle nicht zustimmen.

Wofür plädieren wir? – Wir plädieren grundsätzlich dafür, dass wir oder dass Sie als Regierung mit mehr legistischer Sorgfalt arbeiten und dass man auch frühzeitig die Stakeholder einbindet. Das betrifft auch das ganze Thema Amateurfunk, das im Aus­schuss auch immer wieder aufgekommen ist. Ich glaube, dass es für alle, wenn man das in Zukunft macht, ein Riesenvorteil ist, wenn wir bei diesen Dingen mehr und besser zusammenarbeiten und auch sorgfältiger arbeiten. Dann können wir in Zukunft


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bei so wichtigen Materien möglicherweise auch mit gutem Gewissen zustimmen und nicht wie in diesem Fall leider nicht. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Himmelbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.16.50

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Breitbandausbau ist ein Thema, das mich begleitet, seit ich hier im Hohen Haus bin, und das natürlich sukzessive vo­rangetrieben wird. Ich denke schon, dass es mehr denn je in einer Geschwindigkeit, die wir uns schon lange wünschen und die auch notwendig ist, vorangetrieben wird, um den Breitbandausbau und damit eine raschere Internetanbindung vor allem im ländli­chen Raum sicherzustellen.

Wieso ist das so wichtig? – Schauen wir uns zum einen unsere Unternehmen, die KMUs an: Sie sollen über eine entsprechende Verbindung verfügen, damit sie mit der Welt kommunizieren können, damit sie auf einem internationalen Markt wettbewerbs­fähig sind, damit sie mit ihren Kunden in Kontakt stehen können, damit sie mit ihren Partnern zusammenarbeiten können, damit sie Produkte und Dienstleistungen verkau­fen können.

Es ist aber genauso wichtig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wiederum im ländlichen Raum. Bedenken wir, dass sie vielleicht von zu Hause aus arbeiten können, aber vielerorts das noch immer nicht gewährleistet ist, weil sie nicht über die entspre­chende Internetverbindung verfügen. Es würde ihnen sehr helfen, um Berufsleben und Privatleben zusammenführen zu können, um mehr Lebensqualität zu schaffen, indem sie weniger pendeln müssen und freier in ihrer Arbeitszeitgestaltung sind.

Es ist insgesamt für die Menschen am Land ein wichtiges Thema. Für die Jungen ist es ein Thema, damit sie am Land dieselben Chancen wie in der Stadt haben und damit sie nicht extra absiedeln müssen. Genauso ist es für die älteren Menschen ein Thema, die sich im Alter vielleicht durch moderne medizinische Leistungen ein Leben zu Hause auch weiterhin leisten und dieses auch bewerkstelligen können. Auch dafür braucht es schnelle und rasche Internetverbindungen. Genau das wollen wir mit diesem Gesetz ermöglichen.

Dieses Gesetz ist eine Grundlage für den Breitbandausbau. Erstens müssen wir effi­zienter werden, in vielen Bereichen mitverlegen – beispielsweise durch entsprechende Koordinierungsmaßnahmen, in deren Rahmen die Netzinfrastrukturbereitsteller genau­so wie Land und Gemeinden ihre Bautätigkeiten auflisten, damit andere mitverlegen könnten. Das ist eine wichtige Kosteneinsparung. Zweitens ist diese Kosteneinsparung auch sicherzustellen: Da, wo eine Straße aufgegraben wird, muss sofort ein Leerrohr oder gleich auch eine Glasfaserleitung mitgelegt werden.

Natürlich ist auch die Frequenzauktion ein Thema. Da muss ich auf Herrn ehemaligen Minister Stöger replizieren: Wir als Bundesregierung haben eine andere Zielsetzung. Wir wollen einen Schulterschluss zwischen allen Beteiligten beim Breitbandausbau. Das betrifft den Bund, das betrifft die Länder, die Gemeinden und die Netzbereitsteller. Wir wollen einen Schulterschluss hinsichtlich der Frage: Wie können wir effektiv den Breitbandausbau forcieren und auch unsere 5G-Strategie – die ist Ihnen ja keine Unbe­kannte – rasch umsetzen? Auch da setzen wir bei einer Frequenzauktion nicht zwin­genderweise auf eine Erlösmaximierung – das hat auch etwas Komisches an sich: zu­erst nehme ich es ihnen weg, damit ich es ihnen dann wiedergeben kann und sie fördere –, sondern wir verbinden es mit einer Ausbauverpflichtung; das ist sinnvoll: Ausbau, und zwar verpflichtend.


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Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir als öffentliche Hand ebenso einen Beitrag dahin gehend, was beispielsweise den 5G-Ausbau betrifft, leisten. Öffentliches Gut, öf­fentliche Objekte und Liegenschaften sind auch zur Verfügung zu stellen – natürlich entsprechend abgegolten –, damit Netzbereitsteller, 5G-Anbieter, Mobilfunkanbieter auch da diese Rechtssicherheit haben, dass sie unterstützt werden, wenn es um den Ausbau geht. Wir brauchen das in vielen, vielen Bereichen. Wir dürfen nicht nur immer über Digitalisierung reden, sondern wir müssen auch Maßnahmen setzen – und das tun wir auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir haben dazu – da geht mein Dank auch an das Ministerium – viele Gespräche ge­führt. Viele der Kritikpunkte, die vonseiten der SPÖ gekommen sind, kann ich gar nicht nachvollziehen. Ich möchte auch ein Lob an das Ministerium und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussprechen. Es wurde hier sehr viel mit den einzelnen Interessenver­tretungen, mit Gemeinden, Ländern et cetera, aber auch mit den Amateurfunkern ge­sprochen.

Gerade zu den Amateurfunkern möchte ich Folgendes sagen: Ich bin sehr stolz auf die Leistung, die sie bringen. Sie machen sehr viel – vor allem im Katastropheneinsatz ste­hen sie uns zur Seite. Es ist sicherlich keine Schlechterstellung zur vorhergehenden Lösung mit dem eigenen Gesetz, sondern es ist vieles, was vorher schon gegeben war, auch weiterhin übernommen worden, um sie auch weiterhin dabei zu unterstüt­zen, ihren wichtigen Beitrag als Amateurfunker in Österreich leisten zu können.

Insgesamt ist es also ein gutes Gesetz, eine gute Grundlage für den Breitbandausbau in Österreich. Darauf müssen wir aufbauen. Wir werden auch in Zukunft weiter genau hinschauen, wie der Breitbandausbau erfolgt, um weiterhin Maßnahmen zu setzen, da­mit wir Österreich als digitales Herz Europas etablieren können. – Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

19.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister Hofer. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Deimek – in Richtung des mit Abg. Himmelbauer sprechenden Bundesministers Hofer –: Norbert, du bist dran!)


19.22.11

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 5G wird alles verändern: die Art und Weise, wie wir leben, wie wir uns fortbewegen, wie wir im Alter gepflegt werden. Auch das wurde angesprochen: Wir brauchen auch für Assistenzsysteme, die uns in Zukunft das Leben im Alter zu Hause ermöglichen werden, eine schnelle Datenanbindung. Dabei geht es nicht darum, dass Pflege- oder Betreuungskräfte durch Roboter ersetzt werden sollen, sondern es geht darum, dass man sehr rasch erkennt, ob eine Person zu Hau­se in eine Notsituation gerät. Auch in der Analyse oder im Gesundheitsbereich geht es darum, dass ein Chirurg, der ein absoluter Spezialist auf seinem Gebiet ist, vielleicht eine Operation an einem Ort durchführen kann, der viele Hunderte, ja Tausende Kilo­meter entfernt ist.

Oder das Beispiel Luftraumüberwachung: Die Firma Frequentis bietet heute Systeme an, durch die Sie am Ort A – in Wien, wenn Sie wollen – einen Tower in Dubai erset­zen können, weil Sie dort die gesamte Luftraumüberwachung übernehmen können. Sie haben die Bildschirme vor sich, Sie sehen die Flugzeuge, die hereinkommen, hochauf­lösend am Schirm. Gleichzeitig sehen Sie dazu Flugzeugkennung, Geschwindigkeit, Transpondercode und so weiter und so fort. Sie sehen mit Infraroterkennung diese Flugzeuge auch in der Nacht.

Alles das wird möglich, kann aber nur möglich werden, wenn wir ultraschnelles Internet haben. 10 Gigabyte pro Sekunde im 5G-Bereich sind sehr viel. Man kann damit zwei


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Hollywoodfilme pro Sekunde herunterladen, wenn man das will – viele werden das nicht wollen, weil die Qualität der letzten Filme vielleicht nicht jedermanns Geschmack trifft. Das sind aber jedenfalls enorme Datenmengen, die hier auf uns zukommen. Wir werden es auch für autonomes Fahren, für autonomes Fliegen brauchen. Noch einmal: Es verändert alles.

Das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich dass wir bis 2020 alle Landeshaupt­städte mit 5G, bis 2023 alle Hauptverkehrsverbindungen und bis 2025 Österreich flä­chendeckend versorgt haben wollen, sind sehr ehrgeizige Ziele und das ist gar nicht so leicht umzusetzen. Genau deswegen brauchen wir auch diese Novelle, die wir heute beschließen.

Wir haben uns überlegt, wie wir es schaffen können, dass es den Unternehmern leich­ter gemacht wird, die Antennen anzubringen. Die 5G-Antennen sind ja wesentlich klei­ner als jene Antennen, die Sie bisher aus dem Bereich Mobilfunk kennen. Das sind Antennen bis 0,03 Kubikmeter Raumgröße. Wir haben festgelegt, dass die öffentliche Hand ihr Eigentum zur Verfügung stellen muss, das heißt: alle Grundstücke der ÖBB, alle Grundstücke der Asfinag, der Bundesforste, jedes Gemeindeamt, das Länder­eigentum, das Eigentum von BIG und Belig. Überall dort muss es ermöglicht werden, diese Antennen zu installieren; natürlich gegen Entgelt, aber dort muss es ermöglicht werden. ÖBB und Asfinag sind deshalb so wesentlich, weil wir, wenn wir die Hauptver­kehrsrouten versorgen wollen, genau dort, an diesen Routen, auch unsere 5G-Anten­nen brauchen.

Die Art und Weise, wie wir die Frequenzen vergeben wollen – nämlich sehr nieder­schwellig, mit einem sehr geringen Mindestgebot von 30 Millionen Euro –, ist ange­sprochen worden. Das betrifft aber bitte nur die erste Versteigerung jetzt im Frühling im Bereich zwischen 3,4 und 3,8 Gigahertz. Die nächste große Versteigerung, die dann auf uns zukommen wird, wird schon etwas mehr kosten. Wir wollen nur nicht, dass wieder so exorbitante Summen zu bezahlen sind, wie das das letzte Mal der Fall war, weil ja letztendlich die Wirtschaft auch die finanziellen Mittel benötigt, um die Technik ausrollen zu können. Wenn wir auch den ländlichen Raum versorgen wollen, dann darf die Technik nicht zu teuer sein. Ansonsten wird sich ein möglicher Gewinn im ländli­chen Raum mit weniger Bevölkerungsdichte nur schwer darstellen lassen. Das war un­ser Weg.

Wir werden aber auch die Mehrfachnutzung von Frequenzen ermöglichen. Es wird eine Beschränkung der Mindestgebote bei Frequenzauktionen geben. Frau Kollegin Him­melbauer hat es schon erwähnt: Wenn eine Frequenz ersteigert wird, muss sie auch verwendet werden. Es muss die Technik angeboten werden. Man kann hier keine Claims abstecken, etwas ersteigern und dann nicht umsetzen. Das wird mit diesem Gesetz nicht gehen.

Die Amateurfunker haben uns ganz, ganz großes Kopfzerbrechen bereitet, nicht weil – wie soll ich sagen – es große sachinhaltliche Differenzen gegeben hätte, sondern weil sich die Verhandlungen sehr schwierig gestaltet haben. Es war so, dass meine Mit­arbeiter verhandelt haben, in Gesprächen waren, dann ein fertiges Papier da war, wir diese Vorschläge in das Gesetz eingearbeitet haben und dann der Vertreter der Com­munity kam und gesagt hat, er muss leider zurückziehen, er kann das doch nicht so vereinbaren, wie wir das ursprünglich ausgemacht hatten. Die Überlegung war dann, ob wir alles wieder aus dem Gesetz herausnehmen oder ob wir sagen: Egal, wir haben das vereinbart, es bleibt bei diesen Erleichterungen für die Amateurfunker.

Diese Erleichterungen sind auch jetzt weiterhin im Gesetzestext zu finden. Wenn ich Beispiele nennen darf: Die Zuweisung von Sonderrufzeichen wird künftig durch das Fernmeldebüro erfolgen, ohne Zwischenvertreter aus dem BMVIT. Es können Ama­teurfunkstellen fernbedient werden; das wird in Zukunft möglich sein. Eine Verbindung


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mit dem Internet wird möglich sein. Auch werden künftig unter ganz bestimmten Vo­raussetzungen nicht nur Funkamateure Grußbotschaften absetzen dürfen.

Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen, nämlich auf die elektronische Rechnung. Ich weiß schon – es gab auch Gespräche mit der Post –, dass die Post keine große Freude damit hat, dass es diese verpflichtende Papierrechnung nicht mehr gibt. Auch hier ändern sich aber die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Ich war vor einiger Zeit in Spielberg bei einer Elektroautoshow und -ausstellung. Da war die Post mit ihren Elek­trofahrzeugen, die sie verwendet, vertreten. Die Post wird jetzt beispielsweise für einen großen Biogemüsebauern aus der Steiermark den direkten Transport der Produkte zu den Kunden bewerkstelligen. Das sind die neuen Geschäftsfelder, die die Post in Zu­kunft bedienen wird. Das Briefgeschäft wird einfach weniger. Das sage ich als alter Briefmarkensammler. Das wird einfach weniger und wird einfach nicht mehr die Rolle spielen können, wie wir sie vielleicht noch vor zehn Jahren gewohnt waren. Wer eine Papierrechnung haben will, kann sie auch weiterhin beziehen. Auch wer einen Einzel­rechnungsnachweis haben will, zurückgehend über viele Jahre, kann das alles be­kommen. Das ist alles möglich, aber die verpflichtende Papierrechnung wird es nicht mehr geben.

Ich wünsche mir einfach, dass wir mit diesem Gesetz den raschen 5G-Ausbau ermögli­chen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass es nicht nur eine riesige Chance für den städtischen Bereich ist, mit Smartcitys und mit allen Möglichkeiten, die kommen wer­den, sondern dass es eine echte und große Chance für den ländlichen Bereich ist. Auch dort, im ländlichen Raum, werden sich dadurch wieder vermehrt Firmen ansie­deln, weil eine Voraussetzung für diese Unternehmen heute schnelles Internet ist. Es werden sich dort Firmen ansiedeln, und damit bekommen wir auch verstärkt Arbeits­plätze im ländlichen Raum. Das heißt, dass es auch wieder einen Wirt in der Ortschaft geben wird, dass es auch wieder einen Lebensmittelhändler geben wird, und so weiter und so fort. Das heißt, dass diese Landflucht beendet wird und dass es auch weniger Pendler gibt, denn die meisten Pendler, die ich kenne, pendeln nicht, weil sie so be­geistert sind, weil sie so gerne im Auto sitzen und gerne viel Geld für Sprit ausgeben, sondern weil sie dort, wo sie leben, keinen Arbeitsplatz finden. Ich hoffe, dass wir damit auch einen Beitrag dazu leisten können, dass im ländlichen Raum die Lebensqualität steigt, dass aber auch die Möglichkeit, dort zu arbeiten, stärker gegeben ist, als das bisher der Fall ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.30.29

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Ruf bei der FPÖ: Jetzt kommt einmal ein konstruktiver Beitrag!) – Immer konstruktiv!

Ich fange bewusst positiv an: Ich halte es für wichtig, dass man sich große Ziele steckt. 5G wird die Art und Weise, wie unsere Wirtschaft funktioniert, hoffentlich positiv verän­dern, wenn wir diese Chancen offensiv aufnehmen und Österreich die Rahmenbedin­gungen dafür schafft. Das ist einmal grundsätzlich zu begrüßen, da sind wir über alle Parteigrenzen hinweg d’accord. Was nicht ganz ideal funktioniert hat, war der Prozess im Ausschuss. Das können wir offen sagen.

Diese Novelle zum Telekommunikationsgesetz hätte die Grundlagen schaffen sollen, doch da ist diesmal – sagen wir es holprig so – einiges danebengegangen. Es hat nicht ganz optimal funktioniert, Kollege Hoyos hat es schon angesprochen. Es hat eine ganze Lawine an kritischen Stellungnahmen gegeben, es hat Änderungen nach der Begutachtungsfrist gegeben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 205

Das Beispiel mit der Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür hat natürlich viel Ver­trauen gekostet. Es bedeutet, dass man die Nutzungsdaten von uns allen, die wir im Internet unterwegs sind, auf den Verdacht hin, dass etwas passieren könnte, einfach sammeln würde. Kollege Stefan, Sie schauen schon, Sie hätten also keine Angst, dass man Ihre Nutzungsdaten im Internet kontrolliert? (Abg. Stefan: Wir sind da schon da­gegen, das haben wir ja gestrichen!) – Das wurde dann gestrichen, aber die Frage ist: Wie ist das hineingekommen? Es geht natürlich nicht, dass man kritische Stellungnah­men hat und dass dann irgendetwas in ein Gesetz hineingeschummelt wird in der Hoff­nung, es werde schon niemandem auffallen. – Das hat nicht funktioniert.

Dann war es der falsche Ausschuss. Im Ausschuss hat es dann noch einmal 24 Stun­den davor jede Menge Änderungen gegeben; Ausschussfeststellungen, weil man bis zum Schluss nicht genau gewusst hat, was ein Antennentragmast ist.

Ich halte das Thema aber für zu wichtig und glaube, dass wir dranbleiben sollten. Es hat in diesem ersten Anlauf nicht ganz gut funktioniert, aber das Thema ist zu wichtig, wir werden es gemeinsam hinbekommen.

Noch zwei Punkte, die mir persönlich im Telekommunikationsgesetz noch fehlen wür­den: Eines sind die Ping-Anrufe. Das ist eine Kostenfalle, die einfach erklärt ist: Du be­kommst einen Anruf von einer Nummer und denkst, das sei irgendein fremdes Ortsge­biet, dabei ist es ein Mehrwertdienstanbieter irgendwo im Ausland. Du rufst zurück und das Ganze kostet dich ein kleines Vermögen. Deutschland hat diese Sache so gelöst, dass Warnmeldungen vorgeschaltet werden.

Der zweite Punkt ist eine wichtige Initiative, die Landeshauptmann-Stellvertreter Schick­hofer in der Steiermark gemeinsam mit allen Katastrophenschutzreferentinnen und -re­ferenten der Bundesländer vorantreibt.

Ich darf dazu einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Alarm-SMS im Katastrophenfall zum Schutz der Österreicherinnen und Österreicher!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben im Zuge der zukünftigen Vergabe von Mobilfunkfrequenzen (5G) für alle neuen und be­reits bestehenden Mobilfunksysteme die Netzbetreiber dahingehend zu verpflichten, den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden die Möglichkeit einer zellbezo­genen Informationsaussendung (‚Cell Broadcast Service‘) unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Einfach erklärt: Im Katastrophenfall ist es wichtig. Wir haben in einer Region in Kärnten einen Föhnsturm gehabt. Für alle Menschen, die sich im Gebiet der Funkzellen aufhal­ten, hätte die Behörden die Möglichkeit, sofort Alarmnachrichten, Verhaltensrichtlinien und Ratschläge abzusenden. Ich glaube, dass das Sinn macht, denn man könnte all die Menschen auch erreichen. Es wäre jetzt die große Chance, diesen Punkt aufzu­nehmen. Ich darf alle Parteien ersuchen, diese wichtige Initiative zum Schutz der ös­terreichischen Bevölkerung mit zu beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.33


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 206

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Philip Kucher, Mario Lindner, Genossinnen und Genossen

betreffend „Alarm-SMS im Katastrophenfall zum Schutz der Österreicherinnen und Ös­terreicher!“

Eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 15 in der 43. Sitzung des Nationalrates: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (257 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das Funkanlagen-Markt überwachungs-Gesetz, das Funker-Zeugnisgesetz 1998, das Postmarktgesetz, das Gebäude- und Wohnungsregister-Gesetz und das Komm Austria-Gesetz geändert wer­den (315 d.B.)

Schwere Gewitter, Hagel und Muren-Abgänge – die heftigen und zunehmenden Kata­strophenfälle gerade der letzten Jahre unterstreichen die Notwendigkeit, seitens staat­licher Stellen im Ernstfall rasch die Bevölkerung informieren zu können.

Eine zentrale Möglichkeit dafür stellt die Implementierung eines „Cell Broadcast Ser­vice“ (Alarm-SMS-System) dar. Nach Israel, den USA und Japan könnte Österreich ei­nes der ersten Länder der Welt sein, das diesen modernen Alarmierungsstandard für die Zivilbevölkerung umsetzt. Dieses Service ermöglicht es den Behörden, im Kata­strophenfall alle in einer Funkzelle eingebuchten Endgeräte zeitgleich per Text-Nach­richt zu kontaktieren und zu warnen. Der zentrale Vorteil eines „Cell Broadcast Service“ gegenüber anderen Möglichkeiten der Alarmierung (beispielsweise durch Handy-Apps o.ä.) liegt vor allem darin, dass die Endnutzer keine Aktivitäten setzen müssen (wie et­wa sich eine Anwendung herunterzuladen).

Durch die unmittelbar bevorstehende Ausschreibung des neuen 5-G-Netzes bietet sich für den Bund die einmalige Gelegenheit, die Netzbetreiber zur unentgeltlichen Zurver­fügungstellung dieses Dienstes zu verpflichten. Eine nachgelagerte Implementierung bzw. ein nachträglicher Einkauf dieses wichtigen Service wären für die öffentliche Hand mit großer Sicherheit mit enormen Kosten verbunden. Im Sinne eines sparsamen und effizienten Umgangs mit Steuerfeld ergibt sich die dringende Notwendigkeit, seitens des Bundes die Umsetzung eines „Cell Broadcast Service“ in die 5-G-Ausschreibung aufzunehmen.

Die Bundesländer haben die Bundesregierung daher bereits in einer gemeinsamen Länderstellungnahme dringend zur Implementierung eines „Cell Broadcast Service“ im Zuge der anstehenden 5-G-Ausschreibung aufgefordert. In Staaten, die auf diese Form der Informations-Aussendung zurückgreifen können, zeige sich, „dass diese aus den Bereichen Sicherheit und Katastrophenhilfe nicht mehr wegzudenken ist und einen wichtigen Bestandteil in der Bewältigung von Krisensituationen durch Einbeziehung und Beteiligung der Bevölkerung darstellt.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben


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im Zuge der zukünftigen Vergabe von Mobilfunkfrequenzen (5G) für alle neuen und bereits bestehenden Mobilfunksysteme die Netzbetreiber dahingehend zu verpflichten, den für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden die Möglichkeit einer zellbezo­genen Informationsaussendung („Cell Broadcast Service“) unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, wurde ord­nungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


19.34.14

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe interessierte Bürgerinnen und Bürger! Zum eben eingebrachten Entschließungsantrag des Kollegen Kucher kann ich nur sagen: Es ist sicher eine diskutierenswerte Idee, wir sind für Gespräche offen, aber da der Antrag in letzter Minute eingebracht wurde, können wir heute nicht zustim­men. Wir sind aber – das ist das Signal – diesbezüglich für Gespräche gerne offen.

Meine Damen und Herren, es wurde lange an dieser Gesetzesvorlage gearbeitet, und das ist auch gut so, denn es sollte uns bewusst sein, dass das ein entscheidender Bei­trag für den Wirtschaftsstandort Österreich ist. Ich möchte mich an dieser Stelle bei al­len bedanken, beim Herrn Bundesminister, bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern, bei den Sprechern, die sich in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

Warum ist das so entscheidend, meine Damen und Herren? – Wir als Infrastruk­turpolitiker können heutzutage die Infrastruktur, die so einen wichtigen Beitrag für den Wirtschaftsstandort darstellt, nicht nur als ein Thema für sich allein behandeln – der Herr Bundesminister hat es schon gesagt, Kollege Hafenecker hat es schon skizziert, ich möchte es auch tun.

Im Prinzip müssen wir die Infrastruktur in Österreich als aus drei Säulen bestehend betrachten: Eine Säule ist Verkehr und Mobilität, eine andere ist die Energieversor­gung, und die dritte Säule ist die Telekommunikation. Alle diese Säulen brauchen wir – auch das wurde schon beschrieben – für unsere Unternehmen und für die Bürgerinnen und Bürger, damit insbesondere auch die Möglichkeit geschaffen wird, dass sich im ländlichen Raum Betriebe ansiedeln können, denn ohne eine entsprechende Breit­bandversorgung wird das in Zukunft nicht möglich sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Noch ein Satz zu Herrn Kollegen Stöger und zur Breitbandmilliarde: Sie haben es kurz dargestellt, aber jetzt müssen wir doch so ehrlich sein, dass bei dieser Breitbandmil­liarde nicht so wirklich der Funke übergesprungen ist, denn das Geld ist lange liegen­geblieben. Ich glaube, dass das System, das wir jetzt versuchen, ein effektiveres und besseres ist. Wir wollen nicht fördern, sondern ermöglichen. Es geht nicht darum, dass wir jetzt einmalig bei einer Versteigerung einen hohen Erlös erzielen, sondern darum, dass wir die Infrastruktur möglichst rasch und effizient ausbauen. Das ist unser ge­meinsames Ziel, und daran sollte gearbeitet werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch einmal etwas unterstrei­chen und würde sogar einen Vergleich wagen: Die Infrastrukturpolitik, die Standort­politik, insbesondere jetzt auch die Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingun­gen für den Breitbandausbau, für die 5G-Führerschaft, sind ebenso wichtige Themen wie es eine Steuerreform sein wird, weil das die Rahmenbedingungen für unsere Un-


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ternehmen und damit für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schafft, sodass wir wett­bewerbsfähig bleiben und wettbewerbsfähiger werden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kirchbaumer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.38.10

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Im kommenden Februar begehen wir den 20. Jahrestag der Lawinenka­tastrophe von Galtür und Valzur. Insgesamt waren damals 38 Todesopfer zu beklagen, es war eine der größten Lawinenkatastrophen, die die österreichische Geschichte je­mals erfahren hat. Auch wenn in den vergangenen 20 Jahren enorme Summen in den Katastrophenschutz gesteckt wurden, einen 100-prozentigen Schutz gegen Naturkata­strophen gibt es leider nicht. Trotz aller technischen Errungenschaften der vergange­nen 20 Jahre erscheint ein Problem der damaligen Helfer heute aktueller denn je: Es geht darum, wichtige und weniger wichtige Kommunikation voneinander zu trennen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die erste Lawine löste sich am Dienstag, dem 23. Februar 1999 gegen 16 Uhr. Als sich die Nachricht verbreitete, langten immer mehr Anrufe besorgter Angehöriger sowie der Medienvertreter bei der Lawinenwarnzentrale ein. Trotz einer bestehenden Flugver­botszone suchten über 20 Kamerateams um eine Fluggenehmigung an. Wegen zahl­loser Telefonate waren bald sowohl das Festnetz als auch das Mobilnetz im gesamten Paznauntal überlastet und brachen zusammen. In dieser Situation war es der Ama­teurfunker Walter Köck, der für das Rote Kreuz eine Funkverbindung zwischen den Rettern vor Ort und der Außenwelt herstellen konnte.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Amateurfunker sind im Notfall oft die letzte Mög­lichkeit, in einem von der Außenwelt abgetrennten Gebiet die Kommunikation auf­rechtzuerhalten. In der vorliegenden Novelle soll das Amateurfunkgesetz in das Tele­kommunikationsgesetz übernommen werden. Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Ängste und Sorgen der Amateurfunker ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass letztere auch weiterhin ihrer Passion nachgehen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe in zahlreichen Gesprächen mit den Mitgliedern des Landesverbandes Tirol der Amateurfunker mitbekommen, mit wie viel Hingabe und Leidenschaft sie dieser Freizeitbeschäftigung nachgehen und die Blaulichtorganisationen im Ernstfall ehren­amtlich unterstützen. Ich möchte an dieser Stelle Ihnen, Herr Bundesminister Hofer, und meiner Kollegin Eva-Maria Himmelbauer recht herzlich Dankeschön sagen, da Sie sich sehr für den Amateurfunkverband eingesetzt haben. – Danke schön! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wann die Amateurfunker das nächste Mal ihr Steckenpferd für den Ernstfall benötigen, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass sie zur Stelle sind, wenn es so weit ist. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.41.40

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf behandeln wir Auf­gaben, die im Regierungsprogramm sehr prominent dargestellt wurden, nämlich die „landesweite Versorgung mit Gigabit-Anschlüssen“ sowie die „Versorgung mit 5G“.


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Es ist schon angesprochen worden, eine entsprechende Infrastruktur stellt für alle Ös­terreicherinnen und Österreicher, vom Privatnutzer bis hin zu den Unternehmerinnen und Unternehmern, einen wesentlichen Standortfaktor dar, besonders im ländlichen Raum. Ich möchte mich in meinen Ausführungen ganz auf den ländlichen Raum kon­zentrieren. Dort bietet eine internationale, wettbewerbsfähige, flächendeckende Ausrol­lung große Chancen und ist ein wesentlicher Faktor, ob der ländliche Raum eine Zu­kunftschance hat oder nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

So können sich Regionen außerhalb der Ballungsräume künftig stärker als innovative Unternehmensstandorte positionieren und gleichzeitig auch ein attraktives Angebot für private Ansiedelungen bieten. Gerade für Abwanderungsgemeinden ist es entschei­dend, ob sie die Abwanderungsspirale aufbrechen können oder nicht. Es ist schon mehrfach angesprochen worden: Qualitativ hochwertiges Internet am Standort bedeu­tet eine höhere Attraktivität des Standorts für junge Menschen. Es bedeutet flexibles und mobiles Arbeiten. Es können neue Wissensarbeitsplätze entstehen, und es wer­den Wege und Transport vermieden. Vernetzte Bildungseinrichtungen und lebenslan­ges Lernen sind wichtige Aspekte, um nur einige zu nennen. Deshalb ist es für mich wichtig, dass wir uns bei dieser Thematik an internationalen Standards orientieren und im 5G-Bereich eine europaweite Vorreiterschaft anstreben.

Konkret möchte ich noch auf ein paar Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfs ein­gehen. Wie gesagt, es geht um eine Beschleunigung der landesweiten Versorgung und um eine Effizienzsteigerung bei der Nutzung von Frequenzen. Es geht um die Straf­fung des Verwaltungsaufwands etwa durch die Reduktion der Anzahl der zuständigen Behörden.

Noch eine praktische Auswirkung, die ich als Bürgermeister ansprechen möchte, ist, dass die Bundesländer und Gemeinden angehalten werden, ihre Grabungsarbeiten zu melden, sodass sie und auch Telekommunikationsbetreiber im Bedarfsfall die Glasfa­serkabel mitverlegen können. Umgekehrt können natürlich auch Länder und Gemein­den bei Grabungsarbeiten von Privaten mitpartizipieren. Warum ist das eine Erleichte­rung? – Wir wissen alle, rund 70 Prozent der Gesamtkosten belaufen sich auf die Gra­bungsarbeiten. Aus meiner Sicht darf es in ganz Österreich keine Grabungsarbeiten mehr geben, ohne dass die Frage der Verlegung von Glasfaserkabeln miteinbezogen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammenfassend: Ich bin überzeugt, dass dieses Gesetz Motor für den weiteren Ausbau von Glasfaser und 5G sein wird. Dafür ein herz­liches Danke, Herr Bundesminister! Eine Bitte noch: Tun wir alles, damit auch der länd­liche Raum versorgt werden kann! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.45.52

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kol­leginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle haben ein gemeinsames Ziel, nämlich einen möglichst flächendeckenden Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektro­nische Kommunikation. Vor allem im ländlichen Raum bietet der Zugang zu modernen Kommunikationseinrichtungen, zu Kommunikationstechnik neue Chancen für die Men­schen, die dort leben.

Breitband und 5G sind daher nicht einfach Schlagworte sondern stehen tatsächlich für Chancengleichheit und Arbeitsplätze. Deshalb auch der Dank an Sie, Herr Minister, für die Zielstrebigkeit, mit der an der Verbesserung gearbeitet wird. Dieses Gesetz soll auch dazu beitragen. Wir werden gemeinsam alles tun, um die moderne Kommunika-


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tionstechnik in ganz Österreich voranzutreiben. Darum müssen wir auch die Regeln so gestalten, dass wir das Ziel bald erreichen und Hemmschwellen beseitigen.

Ich befasse mich jetzt auszugsweise mit dem Leitungsrecht, mit Eigentum. Das Lei­tungsrecht kann aufgrund einer Vereinbarung oder aufgrund einer Entscheidung der Regulierungsbehörde begründet werden. Diese Regulierungsbehörde setzt auch Richt­sätze für die Abgeltung fest und stellt dabei auf die Wertminderung beim Verkehrswert ab.

Da ein Leitungsrecht aber einen Mehraufwand bei der Bewirtschaftung beziehungswei­se einen zeitweiligen Minderertrag bei der Bewirtschaftung zur Folge hat, hat der Aus­schuss auf meinen Antrag hin auch klar festgestellt, dass auch die mit einem Servitut allgemein verbundenen Nachteile abzugelten sind und ein Richtsatz festzusetzen ist, „der alle zu berücksichtigenden Aspekte im Zusammenhang mit der Einräumung des Leitungsrechts (Legalservituts) enthält“. Ich bedanke mich dafür und wünsche mir na­türlich auch, dass die Interessenvertretung der Grundbesitzer rechtzeitig in den Pro­zess eingebunden wird.

Ich möchte aber auch noch eine weitere Hemmschwelle ansprechen, nämlich die Haf­tung von Grundeigentümern, wenn die Leitung bei der Bewirtschaftung – ich rede nicht von Baumaßnahmen – beschädigt wird.

Ein Beispiel aufgrund dieser Leitlinien der Regulierungsbehörde: Das Grundstück hat 100 Meter Länge. Es wird mit 0,5 Meter Künettenbreite gerechnet, das heißt, 50 Qua­dratmeter unterliegen der Entschädigung. Bei einem Acker wird ein Verkehrswert pro Quadratmeter von 5 Euro angenommen, das ergibt bei 50 Quadratmetern 250 Euro. Nach diesen Richtlinien wird ein Fünftel an Entschädigung gezahlt, das bedeutet eine einmalige Entschädigung von 50 Euro für die Wertminderung bei 100 Meter Kabel. Wenn ich da eine 4-prozentige Verzinsung zugrunde lege, wären das 2 Euro pro Jahr, und bei einer 2-prozentigen Verzinsung 1 Euro pro Jahr, die Belastung aber bleibt dauerhaft. Wenn jemand dann noch einen Acker oder ein Feld hat, wo die Leitung vielleicht 5 bis 6 Drainageleitungen kreuzt und bei den Instandhaltungsarbeiten die Glasfaserleitung beschädigt wird, zahlt er vielleicht bald einmal 10 000 Euro oder mehr zur Schadenswiedergutmachung – deshalb mein Vorschlag der Beschränkung der Schadenersatzpflicht auf grobe Fahrlässigkeit und auf jenen Betrag, den der Grund­eigentümer als Entschädigung erhalten hat. Ich würde bitten, dass man das bei nächs­ter Gelegenheit in diese Richtung wirklich auch noch ändert. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

19.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.50.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Meine Damen und Herren! An diesem Abend ist wahrscheinlich schon ein bissel die Luft draußen, vor allem nach den vorangegangenen Diskussionen. Trotzdem bitte ich, Ihr Augenmerk noch auf diese Gesetzwerdung zu richten, da wahrscheinlich die Konsequenzen und Folgen dieses Gesetzes in den nächsten Jahren wesentlich wichti­ger und schwerwiegender sein werden, als so manche der Punkte, die wir heute Nach­mittag diskutiert haben.

Wir haben bei diesem Telekommunikationsgesetz schon am Anfang gemerkt, dass das eine große und wichtige Entscheidung und auch eine binäre Entscheidung ist, wie es so schön heißt: Hopp oder tropp; hopp, indem wir alle Chancen nützen, hopp, indem wir wirklich vorne dabei sind – in Stichworten: Smartcities, autonomes Fahren und so weiter –, oder tropp, dass wir nicht nach hinten fallen – wir waren schon hinten, wir sind


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derzeit hinten –, sondern dass wir vielleicht noch weiter nach hinten fallen und irgend­wo als Telekomschlusslicht Europas umhergondeln, obwohl wir wissen, dass etliche asiatische Staaten weit vor uns sind. Ich bin froh, dass sich mit dem Entwurf, den wir heute beschließen können, die Entscheidung ganz klar in Richtung hopp, in Richtung vorne und in Richtung neue Technologien gedreht hat.

Warum? – Alle Stakeholder, und es waren nicht so wenige, sagen mir heute, sie sind mit dem, was sie da haben, was sie vorfinden und was heute beschlossen wird, zu­frieden. Das gibt es nicht bei jedem Gesetz dieser Tragweite. Sie sind zufrieden und sie freuen sich, dass es so beschlossen werden kann, wie es ist.

Wenn wir jetzt zum Beispiel einmal nur den Sektor 5G, also die Mobiltelefonie, he­rausgreifen, so habe ich zum Bereich der Frequenzen, der Frequenzversteigerungen gehört, dass das in der Vergangenheit so toll war. Na ja, wir haben 2 Milliarden Euro Erlös gehabt. 1 Milliarde Euro ist in die Breitbandmilliarde gegangen. Und die ande­re? – Da hat es zuerst geheißen, die kommt in den Wohnbau. Bei den gemeinnützigen Wohnbauträgern ist die Milliarde nicht angekommen, sie ist de facto im Budget versi­ckert.

Nehmen wir Beispiele aus der Vergangenheit: Italien hatte einen milliardenschweren Frequenzversteigerungsertrag. Den Providern dort geht es so wie unseren österreichi­schen Providern nach der letzten Versteigerung. 3 Hutchison musste zum Eigentümer gehen und sich Geld holen, damit sie überhaupt überleben, dasselbe bei T-Mobile, die zur Deutschen Telekom gewandert sind. Bei A1, der ursprünglich österreichischen Telekomgesellschaft, hat man dann nicht gesagt, man geht mit der Eigentümereinlage mit, und seither haben wir eine mexikanische Firma bei uns in Österreich. Das ist also nichts, was man als Referenz oder tolles Beispiel herzeigen kann. Um die Aussagen des Kollegen Stöger zu korrigieren: Das war nicht zukunftsweisend, das hat die Zu­kunft vergeigt, und zwar auf etliche Jahre, und wir leiden derzeit noch darunter. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was auch immer wieder moniert wird, ist die Ausrollung. Die drei großen Provider – und ich weiß es auch von den kleinen – haben sich dezidiert bereit erklärt, ihre Aus­rollung entsprechend der Prioritätenreihung des Ministeriums zu machen, und zwar nicht mit ein paar kleinen Basisstationen, damit man ein paar Sender sieht und ein paar Fotos gemacht werden können, sondern wirklich effizient und weiträumig. Da wird in der ersten Zeit von ein paar Hundert bis zu Tausenden Stationen gesprochen. Das wird nicht heuer im Dezember sein, denn momentan gibt es erstens einmal die Fre­quenzen nicht, die wird es erst im nächsten Jahr geben, und zweitens gibt es auch das Equipment in dieser Spezifikation noch nicht. Wenn es das dann aber gibt, werden wir das Ganze mit den Providern, die die entsprechenden Frequenzen haben – egal, ob es die großen oder die kleinen sind –, entsprechend den Prioritätenreihungen des Herrn Ministers und seiner Beamten, seiner Leute, ausrollen, ordentlich und schnell, und zwar wesentlich schneller, als das bei der letzten Ausrollung, der von 4G, der Fall war. Es wird gleichzeitig auch darauf geschaut, dass es die Applikationen gibt. Die Applika­tionen ermöglichen nämlich erst das, was dann das Leben leichter macht.

Lernen wir daher aus der Vergangenheit! So sollte es nicht gehen. Lernen wir, wie es unter dieser Regierung geht, lernen wir, wie es effizient ist, und das ist dann auch zu­gunsten der Bürger.

Es wurde die Papierrechnung angesprochen. Die Post ist natürlich dagegen, dass es keine Papierrechnungen mehr geben soll, was ja so auch nicht stimmt, denn es gibt sie ja trotzdem. Die Post selbst hat ja schon Angebote: E-Rechnung, E-Brief und so weiter. Also bitte, schauen wir, dass das ordentlich abläuft, dann gibt es auch da keine Pro­bleme!


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Ein letztes Wort noch zum Entschließungsantrag des Kollegen Kucher: Lieber Philip, dein Landeshauptmann-Stellvertreter, der liebe Schicki, der ehemalige Kollege ist zwar vorne mit dabei, aber das Ganze gibt es ja schon länger, und es liegt ja schon seit einigen Jahren im BMVIT und ist dort auch in Bearbeitung. Wenn es ein Gesetz wird, dann könnt ihr mitgehen und es mitbeschließen, wenn es eine Verordnung wird, wird es am Parlament vorbeigehen. Es ist in Bearbeitung und man denkt eine entsprechen­de Lösung an.

Uns allen wünsche ich, dass uns mit diesem Gesetz, das wir heute beschließen, eine gute Zukunft beschieden sein wird. Danke, Herr Minister! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lindner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.56.09

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Die Bundesregierung hat sich ja das Thema Sicher­heit auf die Fahnen geheftet. Heute, jetzt und hier können Sie beweisen, wie ernst Ih­nen das Thema Sicherheit für alle Österreicherinnen und Österreicher wirklich ist.

Murenabgänge, Hagel, schwere Gewitter – gerade die letzten Jahre haben uns ge­zeigt, wie wichtig es ist, die Bevölkerung im Ernstfall schnell und unkompliziert warnen zu können. Genau deshalb haben die Bundesländer die Regierung dringend dazu auf­gefordert, die aktuelle Chance zur Einrichtung eines Alarm-SMS-Systems zu nutzen. Gerade im heurigen Sommer haben wieder Unwetterkatastrophen speziell die Steier­mark, die Steirerinnen und Steirer, getroffen. Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer hat als Katastrophenschutzreferent – und Herr Kollege (in Richtung Abg. Deimek), er ist mein stellvertretender Landeshauptmann und nicht der des Kollegen Kucher – die Regierung daher aufgefordert, dieses Alarm-SMS-System umzusetzen. Die Verbindungsstelle der Bundesländer hat eine gemeinsame Länderstellungnahme eingebracht, die leider nicht berücksichtigt wurde. In dieser gemeinsamen Länderstel­lungnahme steht drinnen – ich zitiere –: Nachdem in allen Mobilfunkstandards bereits eine zellenbezogene Informationsaussendung spezifiziert ist, die für Informationen im Zusammenhang mit einer behördlichen Warnung und Alarmierung genutzt werden kann, ergeht seitens der Länder das dringende Ersuchen, bei der zukünftigen Vergabe von Mobilfunkfrequenzen (5G) für alle neuen und bereits bestehenden Impulsfunksys­teme die Netzbetreiber dahin gehend zu verpflichten, diesen Dienst für die jeweiligen Behörden unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ersuche Sie, ich bitte Sie, dem vorliegen­den Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Alarm-SMS im Katastrophenfall zum Schutz der Österreiche­rinnen und Österreicher!“ zuzustimmen. Wer schnell hilft, hilft doppelt! (Beifall bei der SPÖ.)

19.58

19.58.45Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 315 der Beilagen, und ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzent­wurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Wer diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Somit angenom­men.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Alarm-SMS im Katastrophenfall zum Schutz der Österreicherinnen und Österreicher!“

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist somit abgelehnt.

19.59.4716. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (274 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird (316 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.00.13

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es geht um die Änderung des Seilbahngesetzes. Es ist dies eine EU-Vor­lage, die entsprechend umgesetzt wurde, und das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man nicht nur eine EU-Vorlage mit minimalem Inhalt umsetzen, sondern auch nationale Ge­gebenheiten sinnvoll berücksichtigen kann.

Ich möchte drei Punkte herausgreifen, die in dieses Gesetz aufgenommen wurden. Das ist einmal die Parteienstellung für den Grundeigentümer, wenn die Bahn abgeris­sen wird. Es ist natürlich sinnvoll, dass ein Grundeigentümer, wenn er betroffen ist, Parteienstellung eingeräumt bekommt. Das Zweite ist eine einheitliche Konzessions­dauer für alle Seilbahnen. Das waren bisher 30, 40 oder 50 Jahre, in Zukunft werden es einheitlich 50 Jahre sein. Der dritte Punkt ist ein ganz wesentlicher: Bei Konzes­sionsende war es bisher notwendig, eine technische Überprüfung durchzuführen, und die wird jetzt durch eine sogenannte Generalrevision ersetzt.

Warum das so ein wichtiger Punkt ist, haben wir leider in unserer Region leidvoll erfah­ren müssen: Es hat zur Einstellung der Reißeckbahn geführt, was der Verbund als Be­treiber und Eigentümer damit begründet hat, dass die technische Überprüfung massive Kosten in der Größenordnung von 7 bis 8 Millionen Euro verursacht. Und das war dann auch die Begründung für Ihren Vorgänger, Herrn Kollegen Leichtfried, diese Einstel­lung dann leider auch zu genehmigen. Das geschah zum großen Schaden unserer Region, jedes Jahr 60 000 Besucher und natürlich auch Arbeitsplätze waren direkt be­troffen.

Ich werde das natürlich aufgreifen, und noch einmal mit dem Verbund reden, dass man sich die Bewertung der Einstellung dieser Bahn noch einmal anschaut und so vielleicht doch noch eine Chance besteht, diese so wichtige Einrichtung in der Region erhalten zu können.

Am letzten Sonntag haben die politischen Diskutanten – mittlerweile sind ja der ehema­lige Kollege Willi als Bürgermeister von Innsbruck und der ehemalige Landeshaupt­mann von Salzburg Schausberger auch in der Realität angekommen – in „Im Zentrum“ über die Entwicklung betreffend volle Städte und leere Dörfer diskutiert. Wir haben lei­der diese zentralistische Politik, die vor allem von sozialistischer Seite betrieben wur-


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de – und in den letzten Jahren ja auch als falsch erkannt worden ist –: Man hat alles in den Städten zentralisiert, die Täler wurden ausgehungert und die Dörfer stehen leer. Das war volkswirtschaftlich eigentlich sehr unsinnig, und auch die Städte bekamen Rie­senprobleme.

Solche Einrichtungen, wie wir sie mit dieser Bahn gehabt haben, bringen Arbeitsplätze direkt in der Region, bringen Wertschöpfung, und es ist einfach wichtig, dass man sie erhalten kann. Deshalb ein großes Dankeschön an den Minister, an dich, Norbert, dass du dieses Gesetz entsprechend angepasst hast und somit in Zukunft auch sinnvolle Entwicklungen möglich sind. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.03.36

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir beschließen heute das neue Seilbahngesetz, das in vielen Bereichen grundsätzlich eine positive Angelegenheit ist. Unsere Fraktion wird das Gesetz auch mitttragen. Ich werde noch zu einigen Punkten Stellung beziehen, wenngleich ich vorweg schon anmerken möchte, dass das Gesetz in vielen Bereichen sehr unternehmerfreundlich gestaltet ist. Es gibt aber auch Ände­rungen, die durchaus auch für die Mitarbeiter sehr positiv zu sehen sind, zum Beispiel die Anhebung der Anzahl der Betriebsleiter und Betriebsleiterstellvertreter. Dadurch, dass künftig mehr BetriebsleiterInnen, BetriebsleiterstellvertreterInnen in der Dienst­plangestaltung eingeteilt werden können, kann die Arbeitszeit besser auf jeden Einzel­nen aufgeteilt werden.

Letztendlich können aufgrund dieses neuen Gesetzes mehr Mitarbeiter eingestellt werden, was gerade in den ländlichen Regionen ein Gewinn sowohl für die Region als natürlich auch für die Mitarbeiter ist. Jeder Arbeitsplatz in einer Region ist ein Gewinn. Ich weiß, wovon ich spreche, ich komme selbst aus einer Region, dem nördlichen Waldviertel, in der es wirklich einen Kampf um jeden Arbeitsplatz gibt. Daher ist das auch diesbezüglich sehr positiv zu sehen. Im Fall des Seilbahngesetzes werden in ers­ter Linie die Regionen mit großen Skigebieten profitieren, aber auch dort wird um ein Lohnniveau gerungen, das den Menschen ein Auskommen mit ihrem Einkommen er­möglichen soll.

Wir werden daher heute diesem Gesetz zustimmen, letztendlich auch aus dem Grund, da unser Kollege Abgeordneter Walter Bacher, der leider Gottes krankheitsbedingt heute nicht anwesend sein kann, dieses Gesetz sehr intensiv mitverhandelt und dabei auch viele Korrekturen veranlasst hat, die sich nun positiv auf die Seilbahnbranche auswirken. Dafür an Kollegen Bacher ein ganz, ganz herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz kurz möchte ich noch die Hauptrevisionen ansprechen. Da sind die Intervalle gekürzt worden. Jetzt: erstes Intervall 40 Jahre, in weiterer Folge 30 Jahre. Ja, man hätte in diesem Bereich auch etwas ambitionierter sein können, aber es ist ein Weg in die richtige Richtung, und ein Weg zu mehr Sicherheit.

Abschließend möchte ich noch einen ganz, ganz wesentlichen Punkt ansprechen, der aufgrund der heutigen Diskussionen doch Hoffnung für die zukünftigen Kollektivver­tragsverhandlungen gibt. Ich spreche jetzt die Anrechnung der Karenzzeiten an. Ei­gentlich bin ich ja wirklich sehr dankbar, dass Herr Klubobmann Wöginger sich derart vehement für die Forderung der Anrechnung der Karenzzeiten ausspricht. Ich darf Kol­legen Wöginger im Interview mit dem ORF vor rund einem Monat zitieren: Der ORF fragt: Ist das jetzt ein Gesetzentwurf – Karenzzeiten voll anrechnen –, der auf dem


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Tisch liegt? Kollege Klubobmann Wöginger antwortet: Nein, es ist kein Gesetzentwurf, es ist in erster Linie eine Forderung an die Kollektivvertragspartner, jedenfalls ist es auch ein Anliegen der gesamten ÖVP.

Herr Klubobmann Wöginger, ich möchte Ihnen auf diesem Wege mitteilen, dass die volle Anrechnung der Karenzzeiten bei den Seilbahn-KV-Verhandlungen schon seit vielen Jahren stets eine Forderung der Gewerkschaft ist. Warum es zu dieser Lösung noch nicht gekommen ist, ist ganz einfach erklärbar: Die Wirtschaftskammer war bis jetzt immer dagegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lieber Herr Klubobmann Wöginger, vielleicht können Sie mit Ihrem Kollegen, mit Kolle­gen Nationalratsabgeordneten Franz Hörl ein kurzes Gespräch führen – ich glaube, der Kollege kommt ja gleich nach mir dran –, vielleicht könnt ihr euch das intern ausma­chen, denn wenn die ÖVP es will, wir alle es wollen, die Gewerkschaft es will, dann können wir vielleicht doch einen gemeinsamen Weg finden, dass die Wirtschaftskam­mer bei den KV-Verhandlungen im Frühjahr 2019 auch ihre Zustimmung gibt und wir das dann gemeinsam erfolgreich umsetzen können. Ich gebe die Hoffnung nicht auf!

Abschließend die besten Genesungswünsche an unseren Seilbahnexperten Walter Bacher, damit er rasch wieder bei uns sein kann. Alles Gute! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Auch von meiner Seite die besten Genesungs­wünsche an Seilbahnexperten Bacher!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.


20.08.32

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Lieber Kollege Antoni, das wird kein großes Problem sein. Wir haben 2 Prozent Frauenanteil bei den Seilbahnen, also der Kostenfaktor ist begrenzt. Ich werde das Thema mit Walter Bacher in altbewährter Art und Weise in den Kollektivvertragsver­handlungen erörtern. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) Ich kann mich den Genesungswünschen an Walter Bacher nur anschließen. Wir haben wirklich eine total gute Sozialpartnerschaft bei den Seilbahnen. Im Tourismus lässt sie allerdings zu wün­schen übrig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Als begeisterter Seilbahner darf ich euch mitteilen, dass Österreich eine der belieb­testen Regionen auf der Welt ist, und die Seilbahnen die tragenden Säulen des Erfolgs im Wintertourismus sind. Die heimischen Seilbahnen und Skigebiete überzeugen mit neuester Technik, Innovation und Qualität und zählen weltweit zu den besten, mo­dernsten und zugleich erfolgreichsten.

Unsere Seilbahnbetriebe agieren seit jeher nachhaltig und vorausblickend. Sie inves­tieren nicht nur in die eigene Infrastruktur, auch die Dörfer, die Gemeinden und die Re­gionen sind ihnen ein großes Anliegen. Wir legen eine hohe Sicherheits- und Bewil­ligungsqualität vor, und beziehen die Wissenschaft mit ein, bieten ein reiches Betä­tigungsfeld für Geologen, Hydrologen, Ökologen, Glaziologen, Limnologen. Ornitholo­gen, Vegetationsfachleute und, und, und. Es wird also alles aufgeboten, um ordentliche Bewilligungen zu bekommen.

Der Wertschöpfungsfaktor von Seilbahnen liegt bei 6,6, das heißt, 1 000 Euro Gewinn bei den Seilbahnen bedeuten 6 600 Euro Einkommen in der Region. Aufgrund der lo­kalen Besitzstruktur unserer Seilbahnen können wir natürlich auch nicht aus Österreich weg, was ein Vorteil für die Finanz ist. Wir sind aber in voller Verantwortung für unsere Regionen, Dörfer und Täler.


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Bergbahnennutzende Wintersportler generieren einen Bruttoumsatz von sagenhaften 8 Milliarden Euro, das ist immerhin mehr als das doppelte Jahresbudget des Landes Tirol, und sorgen für ein Umsatzsteueraufkommen von 1 Milliarde Euro, also insgesamt für eine Wertschöpfung von 4,3 Milliarden Euro. Österreichs Seilbahnen beschäftigen indirekt fast 100 000 Mitarbeiter, direkt 17 300, auch das kommt den Regionen sehr zu­gute.

Seit dem Jahr 2000 haben wir 9 Milliarden Euro in Sicherheit, Qualität und Komfort der Anlagen investiert. Das ist auch ein Grund, warum wir diesbezüglich international zu den drei führenden Nationen der Welt gehören, nämlich neben den USA und Frank­reich; wir sind die Nummer Zwei.

Als ökonomisch denkende und innovative Branche haben Österreichs Seilbahnbetriebe bereits vor Jahren erfolgreiche und wichtige Schritte gesetzt, um die Zukunft des hei­mischen Tourismus zu sichern, und werden das konsequent im Winter, aber auch im Sommer – immerhin machen wir inzwischen 10 Prozent des Umsatzes im Sommer –, weiter tun.

Mit der heutigen Beschlussfassung dieses anstehenden Seilbahngesetzes erfolgt nicht nur die Anpassung an eine EU-Vorgabe, sondern auch ein richtiger und wichtiger Schritt in Richtung Verwaltungsvereinfachung und Praxisnähe. Wir haben den Beweis erbracht – dafür Danke, Herr Bundesminister –, dass wir das mit Hausverstand umge­setzt haben und ohne Gold Plating durchgekommen sind.

Zur Verbesserung zählt: Vereinheitlichung der Konzessionsdauer auf 50 Jahre, Entfall der technischen Überprüfung bei der Konzessionsverlängerung – dafür gibt es erst nach 40 Jahren eine Generalrevision –, ein durchforsteter und reduzierter Sicherheits­bericht, und vieles mehr. Vor allen Dingen konnten wir die aufschiebende Wirkung so regeln, dass es eben nicht vorkommen kann, dass, wenn drei oder vier Wochen vor Weihnachten eine Seilbahn abgenommen wird, ein Grundeigentümer oder irgendje­mand, der Böses will, die Seilbahn erpresst. Diese aufschiebende Wirkung wurde ab­geschafft.

Schade ist, dass wir die Länder nicht davon überzeugen konnten, dass bei den kuppel­baren Sesselbahnen die Betriebsbewilligung und die Baugenehmigung aus der glei­chen Hand kommen.

Mit dem neuen Seilbahngesetz hat eine erfolgreiche heimische Branche auch weiterhin einen sinnvollen gesetzlichen Rahmen, um auch in Zukunft ganz oben mitzuspielen. Dafür ein herzliches Vergelts Gott im Namen der Branche an alle, die dazu beigetragen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein besonderer Dank gilt natürlich der strengen, aber immer lösungsorientierten Seil­bahnbehörde unter Ministerialrat Schröttner, der auch im Rahmen der Oitaf Österreichs Seilbahnwirtschaft international vertritt, und natürlich ganz besonders Ihnen, Herr Mi­nister.

Ihnen allen empfehle ich dieses Wochenende am Freitagabend die Weltcupparty in Sölden zu besuchen und am Samstag den Fernseher einzuschalten: Um 10 Uhr Rie­sentorlauf der Damen, und am Sonntag Riesentorlauf der Herren. Die Wintersaison kann beginnen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kumpitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.13.05

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben


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bereits wesentliche Aspekte und Auswirkungen dieses neuen Seilbahngesetzes be­leuchtet. Ich möchte auf einige vielleicht ein bisschen technischere Details eingehen: Was war das Ziel dieses Gesetzes? – Das Ziel war, dass man künftig einen reibungslo­sen Ablauf und ein Genehmigungssystem garantiert und gewährleistet.

Eine besondere Änderung ist, dass man eine Trennung von Konzession und techni­scher Lebensdauer eines Seilbahnsystems einführt. Bisher war es ja so, dass Seil­bahnsysteme, die unterschiedlich sind, unterschiedliche Konzessionsdauern von 30, 40 und 50 Jahren gehabt haben. Das wird jetzt einheitlich mit 50 Jahren geregelt. Gleichzeitig erfolgt die Einführung einer sogenannten Generalrevision. Da ist es so, dass es dann bei einer Konzessionsverlängerung keine technische Überprüfung mehr gibt, wohl aber 40 Jahre nach einer erteilten Betriebsbewilligung eine sogenannte Ge­neralrevision erfolgt, in weiterer Folge dann alle 30 Jahre. Diese Revision gilt für alle Seilbahnsysteme, ob öffentlich oder privat, ausgenommen sind nur die Sessellifte, die schon vorher eine entsprechende Regelung erfahren haben.

Besonders wichtig ist auch ein Punkt, den mein Vorgänger angesprochen hat, das ist der Entfall der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen einen Bescheid, mit dem eine Baugenehmigung oder eine Betriebsbewilligung erteilt wird. Warum? – Leider kommt es immer wieder vor – und auch das wurde schon beschrieben –, dass mutwil­lig Beschwerden erhoben werden und es dadurch immer wieder zu Verzögerungen kommt. Es ist jetzt mit dieser Novelle gelungen, diesen Unfug abzustellen, gleichzeitig wird aber den Grundeigentümern und den Anrainern die Möglichkeit gegeben, dass sie trotzdem im Einzelfall Beschwerde erheben können.

Es ist in bestimmten Fällen auch zu einer Verschärfung der Strafbestimmungen ge­kommen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Angenommen, es entwickelt jemand ein Teilsys­tem für eine Seilbahn, und dieses entspricht nicht dieser Verordnung, dann besteht die Möglichkeit, diese Firma oder diese juristische Person mit bis zu 50 000 Euro Geld­strafe zu belegen. Man hat die rechtlichen Bestimmungen einzuhalten, und es ist so, dass man dafür einen neuen Straftatbestand – wenn jemand seinen Betrieb einstellt und mit der Abtragung beginnt, dafür aber keine Genehmigung erhält – eingeführt hat.

Summa summarum muss man sagen, dass es ein gutes Gesetz ist. Es zeigt auch, wie diese Bundesregierung arbeitet, denn man sieht schon, dass es sehr wohl möglich ist, dass man einerseits die rechtlichen, die verfahrensökonomischen, die technischen Re­gelungen einbehält und auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Aspekte nicht ver­gisst und vor allem – ganz wichtig – die Sicherheit für die Benützer dieser Seilbahnan­lagen garantiert ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Pfurtscheller. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.16.56

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seher! Mein Heimatland Tirol ist ja ganz unbestritten das Tourismusland schlechthin, und daher spielt bei uns die Seilbahnwirtschaft eine besondere Rolle. (Abg. Leicht­fried: Na, die Steiermark! – Abg. Zanger: Die Steiermark ist auch nicht so schlecht!) – Na ja, jetzt hören Sie einmal zu, Herr Kollege, dann können wir uns nachher noch ver­tiefen, wer wichtiger ist.

In meinem Wahlkreis, dem Tiroler Oberland, befinden sich rund 37 Prozent aller Tiroler Anlagen. Für die Wintersaison 2017/18 haben die Tiroler Seilbahnunternehmen insge­samt rund 300 Millionen Euro in Sicherheit der Anlagen, in Komfort, in Beschneiungs­anlagen, Pisten, Parkplätze, Pistengeräte, Gastronomie und Kassensysteme investiert.


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Die Umsätze der Tiroler Seilbahnunternehmen machen fast genau 50 Prozent der Ge­samteinnahmen aller Seilbahnunternehmen Österreichs aus. Tausende Tiroler Arbeit­nehmer und Arbeitnehmerinnen sind bei diesen Unternehmen beschäftigt. Daher ist es mir als Tiroler Abgeordneter eine besondere Freude, dieses Gesetz heute unterstützen zu können. Dieses Gesetz ist ein Musterbeispiel für Verwaltungsvereinfachung und Praxisnähe bei gleichzeitiger Sicherstellung von hohen Sicherheitsniveaus und einer Harmonisierung betreffend die Vollziehung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten.

Seilbahnen ermöglichen den Menschen ganz besondere Bergerlebnisse, und das nicht nur Sportlern, sondern auch und im Speziellen geh- oder bewegungsbeeinträchtigten Menschen, die sonst keine Möglichkeit hätten, diese Glücksgefühle zu erleben. Daher ist es uns besonders wichtig, dass diese Verkehrsmittel so nachhaltig und sicher blei­ben, wie sie es bei uns in Österreich schon seit Jahrzehnten sind. Ich bin überzeugt davon, dass uns dies mit der gegenständlichen Vorlage gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Trotzdem war es aber auch möglich, für die Betreiber Vereinfachungen herbeizuführen. Ich möchte jetzt nicht noch einmal darauf eingehen, meine Kollegen haben das in ihren Beiträgen schon detailliert dargestellt. Was mir aber auch wichtig ist, ist, dass die Zu­lassung der verantwortlichen Betriebsleiter in Zukunft durch Betriebsleiterpatente ge­regelt wird. Es wird möglich sein, BetriebsleiterstellvertreterInnen in unbegrenzter An­zahl zu beschäftigen. Damit wird für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr Flexi­bilität bei der Festlegung des Dienstplans geschaffen, zum Beispiel bei Urlaub und Krankenstand. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, das Gesetz dient also sowohl Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmern, als auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Es ist ein Gewinn für uns alle und deshalb absolut zu begrüßen. – Danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Pewny. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.20.33

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Seilbahnwirtschaft stellt einen aus Österreich nicht mehr wegzudenkenden Wirtschaftsfaktor dar. Über 2 900 Liftanlagen schaffen eine Wertschöpfung von 4,3 Milliarden Euro. Im Übrigen wurde die erste Seilbahn in Österreich 1926 gebaut, es war eine Seilschwebebahn auf die Rax. (Ruf: In Niederösterreich!) – Niederösterreich, Entschuldigung. (Abg. Leicht­fried: Wir hätten gedacht im Burgenland!)

Sowohl für den Winter- als auch für den Sommertourismus ist die Erschließung der Berge von großer Bedeutung, so auch in meinem Heimatbundesland Salzburg. Im­merhin schafft Österreichs Seilbahnwirtschaft über 100 000 Arbeitsplätze und macht jährlich Abertausende Urlauber glücklich. Österreichs Seilbahnen tragen aber nicht nur zur Sicherung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum bei, sondern wirken damit auch gegen die Abwanderung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um das Seilbahngesetz an die geltenden EU-Bestimmungen anzupassen, soll nun eine Gesetzesnovelle beschlossen werden. Mit dem neuen Seilbahngesetz kommt es zu einer Trennung von den technischen Erfordernissen für den Betrieb einer Seilbahn und der Konzession, welche die Befugnis verleiht, eine Seilbahn zu errichten und zu betreiben. In Zukunft soll für alle Seilbahnsysteme eine Konzessionsdauer von 50 Jah­ren gelten, wobei jedoch nach 40 Jahren und dann in weiterer Folge in einem 30-Jahr-Rhythmus eine Generalrevision stattfinden muss.


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Des Weiteren sieht die Gesetzesnovelle unter anderem eine Anhebung der Zahl der Betriebsleiterstellvertreter von derzeit maximal drei auf eine unbegrenzte Anzahl vor. Damit wird den Seilbahnbetreibern mehr Flexibilität bei der Erstellung des Dienstplans ermöglicht.

Auch sicherheitstechnische Neuerungen sind in der Gesetzesnovelle vorgesehen. Wie wichtig Sicherheit im Bereich der Seilbahnwirtschaft ist, hat uns das Unglück der Glet­scherbahn Kaprun in meinem Heimatbundesland gezeigt. Die Brandkatastrophe der Standseilbahn im Jahr 2000, die 155 Menschen das Leben gekostet hat, wurde nicht nur zu einem tragischen und untrennbaren Teil der Geschichte Kapruns, sondern führ­te 2003 zu jenem Seilbahngesetz, das nun novelliert wird. So sind zukünftig auch die nicht öffentlichen Seilbahnen, bei denen Personenbeförderungen stattfinden, einer Ge­neralrevision zu unterziehen und das bisherige Strafausmaß bei Verstößen gegen das Seilbahngesetz wird erhöht. Dies geschieht einerseits im Sinne einer Wertanpassung, andererseits, da sich gezeigt hat, dass dieses nicht ausreichend abschreckend bemes­sen war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz. Das ist jedoch nicht die Hauptsorge der Seilbahnunternehmer, sondern das sind die langwie­rigen und schwierigen UVP-Verfahren; aber das ist ein anderes Kapitel. – Danke. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

20.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schmiedlechner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.24.16

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Geschätzte Frau Präsident! Herr Minis­ter! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen! Das Seilbahngesetz aus dem Jahr 2003 steht vor einer guten Vereinfachung und Anpassung. Beim Wort Seilbahngesetz denkt man oft nur an Liftanlagen, die auf einen Berg gehen, aber tatsächlich ist es so, dass immer öfter auch über die Errichtung von Seilbahnen in Städten zur Verkehrsentlastung ge­sprochen und nachgedacht wird. Ein gutes Beispiel ist ein freiheitliches Projekt in Linz, dort wird zur Verkehrsentlastung eine 10 Kilometer lange Seilbahn geplant.

Die Erleichterung, die durch das Gesetz entsteht, gilt es zu unterstützen. Die Vorteile wurden ja von den Vorrednern bereits ausführlich angesprochen. Geschätzte Kollegen und Kolleginnen, summa summarum wird das Seilbahngesetz klarer und einfacher sein, und daher gilt es, ihm zuzustimmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.25

20.25.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 274 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung mit dem Gesetzentwurf einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 220

20.26.1217. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (273 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz und das Seeschifffahrtsgesetz geän­dert werden (Schifffahrtsrechtsnovelle 2018) (317 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 17. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


20.26.41

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Bei der vorliegenden Materie geht es um die Schifffahrtsrechtsno­velle, die im Wesentlichen zwei Punkte umfasst. Auf der einen Seite geht es darum, für die zahlreichen privaten Bootsfahrer die Möglichkeiten zu schaffen, behördliche Hür­den abzubauen. Das – den Behördendschungel und den Gesetzesdschungel entspre­chend lichter zu machen – ist ja auch etwas, das wir uns mit dieser Regierung vorge­nommen haben, und das ist hiermit gewährleistet. Es wird also gewisse Maßnahmen hinsichtlich der Überprüfung von Privatbooten geben, damit man in Zukunft nicht mehr so oft zur Überprüfung muss. Dies ist teilweise auch als Schikane wahrgenommen wor­den.

Auf der anderen Seite musste man sich aber auch bei der Schifffahrtsrechtsnovelle mit dem Umstand befassen, dass sehr, sehr viele Unfälle im Schifffahrtsbereich auch durch Alkohol initiiert worden sind. Da wird es in Zukunft eine Anpassung an die Stra­ßenverkehrsordnung und die damit verbundenen Überprüfungsmaßnahmen geben. Es gibt also jetzt Vortester für die Schifffahrt, Flussschifffahrt und so weiter.

In diesem Sinne glaube ich, dass wir hier wiederum einen weiteren Schritt gemacht ha­ben, damit gewisse Gesetze einfacher verstanden werden können. Ich danke dem Bundesminister für den Gesetzentwurf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Unterrainer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.28.31

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Rängen und vor den Bildschirmen! Mit der Schifffahrtsrechtsnovelle werden wir heute Änderungen im Schifffahrtsgesetz und im Seeschifffahrtsgesetz beschließen. Dazu ge­hört unter anderem auch die Anpassung der Bestimmungen an den Europäischen Code für Binnenwasserstraßen, was wir Sozialdemokraten natürlich sehr begrüßen.

Weiters beinhaltet diese Novelle Klarstellungen zum Erwerb der Befähigungsausweise zum Führen von Jachten auf See, Klarstellung über die Anwendbarkeit österreichi­schen Seeschifffahrtsrechts, Zumessung von Bescheidqualität für die Urkunde See­brief, Einführung des Seebriefs für Schlauchboote, Verfahrenskonzentration und Ver­waltungsvereinfachungen, Veröffentlichungen von Verkehrsinformationen auf elektroni­schem Wege sowie die Einführung der Verwendung von Alkovortestgeräten bei Rou­tinekontrollen. Diese Anpassungen sind ausnahmslos zu befürworten.

Als Tourismussprecher möchte ich einen Punkt besonders hervorheben, und zwar die Sicherheit der Menschen und den Konsum von Alkohol. Alles, was die Sicherheit für den Einzelnen und die Einzelne erhöht, rettet im Extremfall auch Leben. Vor allem


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wenn es um Alkohol geht, hört der Spaß spätestens dann auf, wenn aufgrund von un­gezügeltem Alkoholkonsum andere Menschen gefährdet werden. Es verhält sich künf­tig bei der Schifffahrt genauso wie jetzt bereits im Straßenverkehr: Es können künftig Alkoholkontrollen mit einfachen Messgeräten auch bei Routinekontrollen durchgeführt werden.

Der Punkt ist, dass auch in der Schifffahrt das Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie mit Alkohol am Steuer umzugehen ist, und dass es nicht egal ist, ob man Alkohol kon­sumiert oder nicht, wenn man ein Schiff führt. Es reicht nämlich schon ein kleines Boot, auf dem Menschen zum Beispiel Spaß haben, Alkohol genießen und ausgelassen fei­ern, und durch eine kleine Unachtsamkeit oder durch Leichtsinn ist plötzlich alles an­ders. Eine kurze Unachtsamkeit, ein kleines Hoppala passiert, es geht eine Person über Bord und die Tragödie nimmt ihren Lauf.

Ich bin aber zuversichtlich, dass mit den Alkoholkontrollen auch der Alkoholkonsum in Summe geringer werden wird, und hoffe, dass es nicht daran scheitert, dass das Per­sonal fehlt, um das dann auch zu überprüfen. Es ist wichtig, dass nun auch im Bereich der Seefahrt, in der Binnenschifffahrt die Gefahren von Alkohol am Steuer an Beach­tung gewinnen und ins Bewusstsein gerückt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir alle haben mit Sicherheit noch einen Unfall aus jüngerer Vergangenheit sehr prä­sent: Eine honorige Runde tankt ordentlich Rum, Wein, Bier und so weiter, dann rauf auf ein 335-PS-Geschoß und raus auf den Wörthersee. Durch den Alkohol ermutigt und ein paar spektakuläre Turns später ist es passiert: Ein Bauunternehmer wird bei einem sogenannten Powerturn aus dem Boot geschleudert. Dem nicht genug, legt man – offensichtlich durch den Alkohol benebelt und in der Entscheidungskraft stark eingeschränkt – den Rückwärtsgang ein, und dabei geschieht das Unfassbare, denn der über Bord Gegangene gerät auch noch in die Schiffsschraube und stirbt bei diesem tragischen Zwischenfall.

Für Unfälle mit Booten im Zusammenhang mit Alkohol gibt es noch unzählige, unzähli­ge Beispiele. Gerade dieser Vorfall, den ich soeben geschildert habe, zeigt, wie wichtig diese Änderungen im Schifffahrtsgesetz wirklich sind, vor allem dann, wenn es um die Erhöhung der Sicherheit von Leben und Leib geht. Es ist uns Sozialdemokraten wich­tig, dass internationale Normen – verkehrsrelevante Sicherheitsbestimmungen und Kontrollen – grundsätzlich umgesetzt werden, und deshalb stimmen wir dieser Geset­zesnovelle in vorliegender Form vollinhaltlich zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Rädler zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der SPÖ – zu dem das Rednerpult niedriger stellenden Abg. Rädler –: Er genießt das!)


20.32.10

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kollege Leichtfried! Liebe Kolleginnen, Kollegen! Ich lasse mich nicht gerne provozieren, aber wenn es sein muss, nehme ich das gerne an.

Zunächst aber zum Thema Schifffahrt: Mit der Regierungsvorlage für das Schifffahrts­gesetz und das Seeschifffahrtsgesetz möchten wir, wie die Vorredner bereits erwähnt haben, drei Problemkreise regeln, zunächst das Alkoholproblem, das bereits durch die­sen traurig-tragischen Fall am Wörthersee angesprochen wurde. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es kommt aber auch bei der Donauschifffahrt immer wieder vor, dass gerade Personen auf Ostfrachtschiffen in dieser Hinsicht Probleme machen. Ich glaube daher, dass es notwendig ist, da präventiv zu wirken.

Das Zweite ist die Qualitätssicherung bei den Seejachten. Das Dritte, das wir anspre­chen wollen, ist die Verfahrenskonzentration, um eine Wettbewerbsgleichheit bei den technischen Voraussetzungen einzuführen.


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Da ich nun aber angesprochen wurde, ein Wort – das hat auch mit Schiff und mit Boot zu tun – zu der heutigen hitzigen Debatte betreffend die Sozialreform: Ich hatte in mei­nem Wahlkreis zwei Abgeordnete der SPÖ. Der eine – seinerzeit Generalsekretär der SPÖ – ist durch seine Aussage, das Boot ist voll, persönlich gescheitert, der Zweite – das haben wir hier heute wortreich gehört – lässt lieber andere scheitern, nämlich den von ihm inthronisierten Bürgermeister in Wiener Neustadt, wo er als Bezirksparteiob­mann mitgeholfen hat, dass die Stadt Wiener Neustadt in den Bankrott geführt wurde. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Jene Person kommt hier heraus und sagt: Diese Regierung ist gescheitert. – Da muss ich also wirklich sagen, Herr Kollege Wittmann: 200 - - (Zwischenruf des Abg. Loacker sowie Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das hat sehr viel mit der Schifffahrt zu tun, das betrifft nämlich den Schiffbruch der Sozialisten in Wiener Neustadt, Herr Kollege! (Hei­terkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Er hat die Stadt Wiener Neustadt in ein 200-Millionen-Euro-Schuldendebakel geführt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Letztendlich melden Sie sich hier zur Gesundheitspolitik zu Wort, Herr Kollege Wittmann (Abg. Jarolim: So ein Blödsinn!), wo Sie doch verant­wortlich waren und immer wieder dagegen aufgetreten sind, dass das Land Niederös­terreich die öffentlichen Krankenhäuser übernimmt. Sie haben das Krankenhaus Wie­ner Neustadt mit einem 30-Millionen-Euro-Schuldenberg in den Konkurs geführt. (Ruf bei der FPÖ: Das ist die Wahrheit!)

Wenn es das Land Niederösterreich nicht übernommen hätte (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ), würde heute auf den Eingangstüren des Krankenhauses Wiener Neustadt der Kuckuck kleben. Das ist sozialistische Gesund­heitspolitik! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wittmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Neuerli­che Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)


20.35.41

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Abgeordneter Rädler hat behauptet (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), dass ich während meiner Bürgermeisterzeit ein Krankenhaus mit 200 Millionen Euro Defizit gehabt hätte. (Abg. Rädler: Mitgeholfen hast du! Das habe ich nicht gesagt! – Abg. Rosenkranz: 30 hat er gesagt!)

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe als Bürgermeister ausgeglichen budgetiert und ha­be das Krankenhaus mit einer Rücklage von damals 35 Millionen Schilling an meinen Nachfolger übergeben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

20.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Kumpitsch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Hammer. – Abg. Höbart: Deshalb gibt es jetzt fast keine Sozialisten mehr in Wiener Neustadt! Die sind weg in Wiener Neustadt!)


20.36.25

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Wir haben es vom Vorredner schon gehört, dass diese Schifffahrtsgesetzes­novelle Teil eines größeren Ganzen ist, nämlich der Schifffahrtsrechtsnovelle 2018, die wiederum im Zeichen der Verwaltungsvereinfachung, der Verkehrssicherheit und der Harmonisierung internationaler Vorschriften steht. Ein wesentlicher Punkt in Bezug auf Hebung der Verkehrssicherheit ist, dass man nunmehr eine nicht anlassbezogene Überprüfung eines Schiffsführers auf Alkoholbeeinträchtigung machen darf.


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Das, was im Straßenverkehr gang und gäbe ist, nämlich dass man einen Verkehrsteil­nehmer nicht anlassbezogen auf Alkohol kontrolliert, wird nun auch für die Seeschiff­fahrt möglich. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Beitrag, weil ich glaube, dass die Dun­kelziffer der Fahrten unter Alkoholbeeinträchtigung gerade im Bereich der Schifffahrt recht groß ist. Wenn man sich die Statistik anschaut, so waren allein bei der Schifffahrt auf der Donau 10 Prozent der Unfälle zumindest auf Alkoholbeeinträchtigung zurückzu­führen.

Ein Beispiel für eine Verwaltungsvereinfachung ist, dass es Verfahrenskonzentrationen geben soll, zum Beispiel immer dann, wenn bei einer Veranstaltung mehrere Behörden zuständig sind. Man verhindert damit einen Canossagang, weil eine Behörde zuständig ist, die entscheidet.

Eine weitere Neuerung ist der Seebrief für Schlauchboote. Es ist Faktum, dass die Zahl der eingesetzten Schlauchboote und der Schlauchbootfahrer immer mehr zunimmt. In­dem man nun den Seebrief – der an und für sich Bescheidqualität hat – auch für diese Schlauchbootfahrer ermöglicht, erspart man sich eigentlich wieder einen Verfahrens­schritt, indem man den Befähigungsnachweis wieder zurückgeben muss, obwohl er so­wieso abläuft. Auch da versucht man also, verwaltungsökonomisch zu arbeiten.

Es ist auch sichergestellt, dass weiterhin ein hoher Ausbildungsstandard für die Befähi­gung zur Seeschifffahrt gegeben ist. In Österreich finden im Jahr 1 500 Prüfungen für eine Lizenz statt. Diese Prüfungen werden von Organisationen durchgeführt, die sie an und für sich privatrechtlich abnehmen, die aber das Prozedere so festgelegt haben und bei denen der Ausbildungsstandard so gut ist, dass es möglich ist, mit diesen Befähi­gungsausweisen sozusagen ein staatliches Zertifikat zu bekommen.

Als Beispiel möchte ich nur den MSVÖ, das ist der Motorbootsport und Seefahrts Ver­band Österreich, oder den – der ist mir sehr nahe – Österreichischen Segel-Verband nennen. Diese Organisationen machen nebst anderen 13 – insgesamt sind es 15 – so­zusagen die Vorarbeit für unsere österreichischen Behörden.

Ich finde, dass das wiederrum ein sehr gutes Gesetz ist. Es zeigt, dass es möglich ist, auf der einen Seite den Antragstellern entgegenzukommen. Es hebt die Sicherheit, die Verkehrssicherheit. Daher sage ich: Danke, Herr Minister Hofer, dass wir wieder ein Stück weiter auf dem Weg der Vernunft und der ökonomischen Vollziehung von Geset­zen sind! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster hat sich Bundesminister Hofer zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.


20.40.29

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier geht es also um Ent­bürokratisierung. Ich möchte aber auch das Thema der Alkoholkontrollen nochmals un­terstreichen, denn wenn wir bei 10 Prozent der Unfälle im Bereich Großschifffahrt se­hen, dass Alkohol im Spiel war, dann habe ich einen gewissen Verdacht, dass die Zah­len bei der Freizeitschifffahrt nicht besser sein werden.

Da nur auf Verdacht kontrollieren zu können, ist wirklich zu wenig. Wir müssen es ge­nauso machen wie bei den Pkws. Es muss jedem klar sein, dass man, auch wenn man im Urlaub ist und einen schönen Tag am See verbringt und dort feiert – das ist in Ord­nung –, dann eben kein Boot mehr in Betrieben nehmen darf. Das ist das klare Signal, das wir setzen.

Ich darf noch erwähnen, dass wir ein Ressortübereinkommen mit dem Bundesministe­rium für Inneres auf Schiene bringen – weil ja das BMI für See- und Stromdienst der


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Polizei verantwortlich ist und das BMVIT für die Schifffahrtsaufsicht –, das heißt, wir werden gemeinsame Schwerpunktkontrollen zu den Themen Umwelt, Besatzung und Alkoholisierung durchführen. Es wird bei Großveranstaltungen an der Donau eine Zu­sammenarbeit geben, es gibt einen Expertenaustausch im Bereich der Gefahrguttrans­porte und es wird gemeinsame Schulungsmaßnahmen geben.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich mich sehr herzlich für die sehr sachliche Debatte bei allen Tagesordnungspunkten, die mit sehr viel Sachverstand von Ihrer Seite geführt worden ist, bedanken. Ich freue mich, dass wir heute so wichtige Beschlüsse verabschieden konnten. – Besten Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.42

20.42.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 317 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.42.5618. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkäufe von Wohnungen durch gemeinnützige Bauvereinigungen – Reihe BUND 2017/61 (III-66/303 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Bezüge der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von gemeinnüt­zigen Bauvereinigungen – Reihe BUND 2017/62 (III-67/304 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend GESIBA Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft – Reihe BUND 2017/63 (III-68/302 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Internes Kontrollsystem bei Direktvergaben; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/41 (III-173/305 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 bis 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster ist Herr Abgeordneter Gahr zu Wort gemeldet. – Bitte.



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20.43.54

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! In der Presse wurde geschrieben: „Zu hohe Chef-Gagen im gemeinnützigen Wohnbau“; „Die Prüfer empfehlen präzisere Fest­legungen und Definitionen der Gagen sowie den Verzicht auf Sonderregelungen, um künf­tig Überschreitungen zu vermeiden.“

Der Rechnungshof hat also die gemeinnützigen Wohnbauträger – vier an der Zahl – von April 2016 bis Juni 2016 geprüft. Er hat dabei die Bezüge der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer unter die Lupe genommen. Betroffen hat diese Prüfung die Ge­meinnützige Donau-Ennstaler Siedlungs-Aktiengesellschaft, die Gemeinnützige Woh­nungsgesellschaft der Stadt Linz, die Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesell­schaft der Wiener Stadtwerke sowie die Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft.

Ziel war es, die Aktivbezüge zur Angemessenheit der erbrachten Leistung bei diesen Wohnbauvereinigungen in Vergleich zu setzen. Geprüft wurden auch Prämien und Son­derzahlungen sowie die Altersvorsorge und gesetzliche oder auch einzelvertragliche Pensionsleistungen.

Kurz und bündig kann man sagen, dass teilweise die Bezügeobergrenze von Bundes­beamten in der höchsten Funktionsstufe, die derzeit 144 000 Euro pro Jahr beträgt, überschritten wurde. Es wurden statt Überstundenpauschalen teilweise Verwendungs­zulagen gewährt. Es hat da einen Fall – der ist in der Ausschusssitzung intensiv dis­kutiert worden – von bis zu 17 Monatsgehältern pro Jahr gegeben, und aktiv wurden natürlich die Bezugsgrenzen überschritten.

Die vertraglichen Regelungen wurden unterschiedlich gestaltet. Die Vertragsschablo­nenverordnung des Bundes wurde in fast keinem Fall angewendet und es gab zusätz­liche Vergünstigungen wie Abfertigungen, Jubiläumsgelder, höhere Urlaubsansprüche, automatische Bezugsanpassungen, Bilanzgelder, Tantiemen und Prämien.

Insgesamt zeigt dieser Rechnungshofbericht, dass es durchaus Handlungsbedarf gibt. Es wurde in der Ausschusssitzung ja oft angesprochen, dass es vom Rechnungshof 31 Schlussempfehlungen gegeben hat, wobei fünf direkt an das Ministerium ausge­sprochen worden sind. Unsere Frau Bundesminister hat im Ausschuss klar mitgeteilt, dass es beim Bezügerecht eine Änderung geben wird, es soll je nach Verantwortung und Größe der Gesellschaft unterschiedliche Obergrenzen geben.

Abschließend kann man sagen, dass es grundsätzlich wohl so ist, dass wir gerade in diesem Bereich gute Leute haben sollten, die ordentlich bezahlt werden sollten, aber dass es Gagen geben soll, die auch im Verhältnis zu den erbrachten Leistungen ste­hen. Künftig sollten Sonderleistungen möglichst vermieden werden, trotzdem sollten die Gehälter in einem ausgewogenen Verhältnis zur Verantwortung stehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.47


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Greiner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.47.26

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich kurz auf zwei Berichte beziehen, zum einen auf den Bericht, der sich mit den Bezügen der Ge­schäftsführer und Vorstandsmitglieder von Wohnbaugenossenschaften beschäftigt, und zum anderen auf den Bericht zum Internen Kontrollsystem.


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Betreffend Bezüge Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder: Da ist es wirklich augen­scheinlich und zu kritisieren, dass Jubiläumsgelder, Boni oder Tantiemen ohne konkre­te Leistungsvereinbarungen bezahlt wurden. Das bedeutet einen eklatanten Mangel an Transparenz, und da wäre es wirklich sinnvoll – das hat sogar mein Vorredner schon kurz angesprochen –, die Vertragsschablonenverordnung des Bundes auch auf Wohn­baugenossenschaften umzulegen und dort zur Anwendung zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr Transparenz ist bei den Gehältern auf alle Fälle angebracht. Es war in einer Wohn­baugenossenschaft Faktum, dass ein Bediensteter für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte Kilometergeld bezogen hat. Das ist etwas, das wirklich abzustellen ist. Wir haben die Frau Bundesministerin in der Ausschusssitzung auch mit diesen Missstän­den konfrontiert. Sie hat dann die Gebarungsrichtlinienverordnung ins Spiel gebracht, die in wenigen Wochen in Kraft sein sollte. Möglicherweise ist es da ein Ansatz, Frau Präsidentin des Rechnungshofes, dass man eine Follow-up-Prüfung in Erwägung zieht, um dann festzustellen, inwieweit eine derartige Verordnung wirklich greift und mehr Trans­parenz bei Gehältern schafft.

Zum zweiten Bericht betreffend Internes Kontrollsystems bei Direktvergaben des Bun­des: Das war in diesem Fall eine Follow-up-Überprüfung, die erste Überprüfung fand bereits 2014 statt. Faktum: Es wurde kaum etwas von den Empfehlungen umgesetzt. Das ist insofern bedenklich, als das Bundesministerium für Finanzen eine Empfehlung zur Optimierung des Beschaffungswesens keineswegs beachtet und umgesetzt hat. Da wäre nur notwendig gewesen, ein bundeseinheitliches, standardisiertes Kontrollsys­tem zu installieren.

Das ist insofern bedauerlich, als ich denke, dass da gerade das Bundesministerium für Finanzen Vorbildwirkung haben sollte.

Ich möchte ein zweites Beispiel betreffend das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nennen, weil die Ministerin auch da war. Da ist es darum gegangen, den Bedarf und den Nutzen von vergebenen Leistungen zu verifizieren, und es lag bereits eine Empfehlung auf dem Tisch. Es ist aber nichts passiert, und das ist insofern schade, als immerhin 40 Prozent der überprüften Fälle gezeigt haben: Es war weder Bedarf noch Nutzen nachvollziehbar und verifizierbar; also das sollte wirklich verändert werden.

Das waren zwei konkrete Beispiele, einerseits vom Finanzministerium, andererseits vom Wirtschaftsressort, und ich appelliere wirklich inständig an beide Ressorts, das In­terne Kontrollsystem nachzuschärfen oder aber endlich zu beginnen, ein entsprechen­des Kontrollsystem aufzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.51.00

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsident! Frau Präsident des Rech­nungshofes! Eine kurze Stellungnahme zu den Gehältern im gemeinnützigen Wohn­bau: Was sich mir nicht ganz erschließt, ist, wie das zusammengeht: auf der einen Sei­te gemeinnütziger Wohnbau, soziales Wohnen, günstige Wohnungen für die Mieter; auf der anderen Seite: Wenn man sagt, günstige Mieten, müsste man eigentlich davon ausgehen, dass die Gewinne eher niedrig sind – aber angesichts dieser Gehälter, die dort bezahlt werden, kann das dann doch nicht so sein. Für mich ist die Divergenz zwi­schen den Gehältern und dem gemeinnützigen Wohnbau als sozialem Wohnprojekt nicht ganz nachvollziehbar.


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Wenn man so einfach und locker darüber hinweggeht und sagt, na ja, es wird sich schon etwas ändern müssen, ist das ein Zugang. Vielleicht sollten wir doch strengere Regeln setzen.

Es gibt aber noch einen Punkt, der sich mir nicht ganz erschließt, und der betrifft durch­aus die aktuelle Debatte, die wir heute den ganzen Tag geführt haben, nämlich zur Re­form der Sozialversicherungsträger. Ich führe dazu noch einmal aus, was ich hier schon deponiert habe: Der Rechnungshof prüft aufgrund seiner gesetzlichen Grund­lage ex post, also im Nachhinein, und seine Erkenntnisse sind Basis für Reformen und werden in diesen Reformen auch umgesetzt. Eine solche Reform ist eben die jetzige, die in Diskussion steht, die Reform der Sozialversicherungsträger.

So hat der Rechnungshof eine Stellungnahme im Begutachtungsverfahren verfasst. Für uns hier ist es vielleicht eine Wiederholungsübung, aber die Frau Präsident hat das noch nicht gehört. In dieser Stellungnahme steht wortwörtlich drinnen: „Die wirtschaftli­chen Konsequenzen der Reform sollten durch eine den gesetzlichen Vorschriften ent­sprechende WFA“ – Wirkungsorientierte Folgenabschätzung – „vor einer Beschlussfas­sung berechnet und vervollständigt werden.“ – Vor einer Beschlussfassung!

Frau Präsident, Sie haben die Regierung öffentlich dafür kritisiert, dass Sie die finan­ziellen Auswirkungen nicht nachvollziehen können. Jetzt schreibt aber Ihre eigene Be­hörde: vor einer Beschlussfassung – und wir stehen vor einer Beschlussfassung!

Am heutigen Tag ist die Regierungsvorlage eingelangt, der die entsprechende Wir­kungsorientierte Folgenabschätzung mit all jenen Summen, die Sie nicht nachvollzie­hen können, beigelegt ist. Frau Präsident, meines Erachtens konterkarieren Sie die ei­gene Behörde, die ganz klar schreibt: Vor einer Beschlussfassung sollte das vorlie­gen – was noch immer kein Muss ist. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Zum wiederholten Male mischen Sie sich in die Tagespolitik ein, was bis dato nicht Stil der Rechnungs­hofpräsidenten war. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich wünsche mir eine Rückkehr zum bisher gepflegten Stil der mittlerweile ehemaligen Rechnungshofpräsidenten (Abg. Loacker: Sie wollen ..., geben Sie’s zu!), die selbst­verständlich in einer Ex-post-Prüfung oder auf Basis einer Ex-post-Prüfung immer das Recht haben, Kritik an einer Reform zu üben, wobei ich mich wundere, dass diese Be­hörde, Ihr Rechnungshof oder Sie als Präsidentin des Rechnungshofes, Reformen kriti­sieren, die angegangen werden, die notwendig sind für dieses Land, die in den 1 007 Vor­schlägen des Rechnungshofes stehen (Abg. Plessl: Zu welchem Punkt, Herr Kolle­ge?), und ich frage mich: Ist der Rechnungshof unter Ihrer Führung für oder gegen Re­formen? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Griss. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.55.27

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Über den Bericht des Rechnungshofes über die Bezüge der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von gemeinnützigen Bauvereinigungen ist ja schon einiges gesagt worden. Herr Abgeordneter Gahr hat da­zu auch Einzelheiten gebracht.

Tatsächlich fühlt man sich, wenn man den Bericht liest, wie im Schlaraffenland: 17 Mo­natsbezüge, Überstundenpauschale, Ablösen von nicht konsumierten Urlauben, also alles, was das Herz begehrt – und das bei einer gemeinnützigen Bauvereinigung.

Jetzt wäre es aber falsch, den Schwarzen Peter nur den Gremien in den Bauvereini­gungen zuzuschieben, die diese Vereinbarungen abschließen. Auch den Gesetzgeber


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trifft hier ein Vorwurf, denn die Absicht bestand, Höchstgrenzen für die Bezüge von Lei­tungsorganen von gemeinnützigen Bauvereinigungen festzusetzen.

§ 26 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sagt, dass der monatliche Bezug eines Lei­tungsorgans den Endbruttobezug eines Beamten der 9. Dienstklasse nicht überschrei­ten darf; und zwar, dass die Vereinbarung darüber das nicht überschreiten darf – wo­raus geschlossen wurde: Spätere Erhöhungen sind zulässig.

Wir haben hier also eine Norm, die seit 1994 besteht. Jeder hat gewusst oder konnte wissen, dass das in der Praxis nicht so gelebt wird, wie man sich das vielleicht erhofft hat. Man ist aber mehr oder weniger augenzwinkernd darüber hinweggegangen. Das ist für den Rechtsstaat sehr bedenklich, weil man das Gefühl bekommt, dass eigentlich nicht so heiß gegessen wird, wie gekocht wird. Wir haben daher einen Antrag einge­bracht, § 26 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zu ändern, und zwar in Richtung fixer Jahresbezüge und klarer Vorschriften, dass es All-in-Verträge sein müssen.

Außerdem wäre es wünschenswert, wenn der Rechnungshof nicht nur 20 der 179 ge­meinnützigen Bauvereinigungen prüfte, sondern wesentlich mehr und auch andere Bauvorhaben, weil seine Arbeit für den Staat, für das Controlling im Staat außerordent­lich wertvoll ist. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Preiner.)

20.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Zinggl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.58.27

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Es ist eh schon alles gesagt worden (Abg. Zanger: Aber nicht von jedem!), aber ich stoße gerne ins gleiche Horn.

Der Rechnungshof gibt gerne Empfehlungen ab, das wissen wir, aber diese Empfeh­lungen werden oft missverstanden. Es gibt Empfehlungen und Empfehlungen: Es sind keine Empfehlungen von der strengen Tante, die man entweder erfüllt oder nicht, son­dern es gibt Empfehlungen, die eigentlich notwendigerweise umzusetzen sind, wenn beispielsweise Gesetzesverletzungen vorliegen: Verletzungen zum Beispiel des § 8 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, wenn Wohnungen an professionelle Inves­toren verhökert werden, wo eigentlich der Staat, wo wir alle die Gemeinnützigkeit – das heißt, dass Menschen, die dringenden Wohnbedarf haben, deren Einkommen auch nicht besonders hoch ist, unterstützte Wohnungen erhalten – mehr oder weniger mit­bezahlen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wenn dann diese Wohnbaugesellschaften diese Wohnungen an private Investoren weitergeben, die sie ihrerseits vermieten und verkaufen, dann ist das eindeutig gegen das Gesetz, und das ist keine Empfehlung im Sinne von: Da kann man eventuell etwas dagegen machen!, sondern da besteht dringender Handlungsbedarf, genauso wie bei den von bisher allen Abgeordneten kritisierten Bezügen der Vorstände.

Es wird niemand leugnen, dass das Gesetz eine andere Intention hat. Das Gesetz hat eindeutig die Intention, eine Obergrenze von monatlich 10 460 Euro einzuziehen, und das kann natürlich umgangen werden, indem man, wir haben es schon gehört, 17 Mo­natsgehälter ausbezahlt, indem es Überstundenpauschalen gibt, Prämien, Jubiläums­zahlungen; da gibt es alle möglichen Varianten. Das ist ganz eindeutig eine Umgehung der Intention; und dass das Gesetz mit § 26 ohnehin noch die Möglichkeit schafft, 15 700 Euro pro Monat zu verdienen, wenn nämlich mehr als eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft oder -vereinigung betreut wird, ist vielen auch noch zu wenig. Wenn man dann im Ausschuss fragt: Wie viel verdienen Sie eigentlich?, erhält man keine Auskunft wegen Datenschutz oder was immer.


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Dafür hat aber der Rechnungshof aufgezeigt, dass das das doppelte Gehalt eines Sek­tionsleiters in einem Bundesministerium ist und 25 Prozent mehr als das, was der Bür­germeister von Wien verdient. Dazu kommen dann noch so horrende Beträge wie etwa Pensionszahlungen von bis zu 12 000 Euro im Monat und so weiter – und das von ge­meinnützigen Bauvereinigungen.

Ministerin Schramböck hat freundlicherweise im Ausschuss gesagt: Das muss man na­türlich ändern, da müssen wir eine neue Regelung, eine neue Verordnung oder ein Ge­setz, was immer, schaffen!, aber sie hat auch darauf hingewiesen, dass Führungs­kräfte in diesem Bereich halt höher bezahlt werden müssten als im Bundesdienst, weil man sonst nicht die besten Leute bekommt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, dieses Argument kenne ich nur zu gut aus der Mu­seumspolitik, und ich frage mich, ob wir dann tatsächlich die besten Beamten haben, denn wenn die Beamten offensichtlich nicht höher bezahlt werden, weil sie ohnehin die Qualität nicht liefern, wenn nur bei den Wohnbaugesellschaften die höhere Qualität notwendig ist und daher auch die höheren Gehälter, dann ist da irgendetwas nicht richtig.

Die Marschrichtung der Ministerin ist auch klar, sie hat uns gesagt, dass die Überstun­denpauschale erhöht werden soll. Wie Kollegin Griss ganz richtig gesagt hat: Wir brau­chen keine Überstundenpauschalen mehr, wir brauchen fixe Jahreshöchstgrenzen, wir brauchen All-in-Verträge, und wir brauchen vor allen Dingen keine Prämien. Ich glau­be, dass wir bei überhaupt keiner dieser staatlich ausgegliederten Institutionen Prä­mien brauchen.

Die Führungskräfte verdienen enorm viel Geld, weil man ihnen Institutionen anvertraut in der Hoffnung, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen den Betrieb optimal füh­ren und wirtschaften. Wenn dann Zielvorgaben gemacht werden, damit Prämien er­reicht werden – Zielvorgaben wie zum Beispiel, wie wir im Ausschuss gehört haben, dass das Jahresergebnis positiv ist –, dann frage ich mich nur: Was soll denn so ein Vorstandsmitglied sonst machen, als diese einfachen Zielvorgaben, die es selbstver­ständlich erfüllen muss und dafür ja auch viel Geld bekommt, zu erfüllen? Also, er be­kommt ohnedies monatlich viel Geld, weil er ja die Aufgabe hat, Zielvorgaben zu er­füllen, und dann bekommt er noch eine Prämie, wenn er es tatsächlich schafft. In Wirk­lichkeit müsste er entlassen werden, wenn er es nicht schafft, und diese Aufgabe selbstverständlich ohne Prämien erfüllen.

Ich hoffe, Frau Rechnungshofpräsidentin, dass Ihre Empfehlungen auf fruchtbaren Bo­den fallen und dass wir sehr bald eine Änderung erleben. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

21.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.


21.03.49

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Rechnungshof hat auch die Gebarung der gemeinnützigen Bauvereinigung Gesiba geprüft. Die Gesiba ist fast zur Gänze, mit 97,97 Prozent, im Eigentum der Stadt Wien.

Gemeinnützige Bauvereinigungen haben vom Gesetz her beschränkte Möglichkeiten, Überschüsse zu erzielen, und diese Möglichkeiten wurden von der Gesiba weitestge­hend ausgeschöpft, etwa was die Verzinsung der eingesetzten Eigenmittel betrifft. Hätte man die Zinsen sozusagen marktkonform gehalten, hätten die Bewohnerinnen und Bewohner weniger Miete zahlen müssen.


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Zum Personalaufwand wird festgehalten, dass neben dem eigentlichen Gehalt auch Zulagen gewährt wurden. Dabei gab es keine klaren Kriterien, worin denn die außer­gewöhnlichen Leistungen bestanden haben. Ebenso großzügig zeigte sich die Gesiba bei den Pensionen und Bezügen, die man ehemaligen Vorstandsmitgliedern gewährte.

Welche Lehren sind nun aus diesem Bericht zu ziehen? – Für mich ist Lehre eins: Die Wiener SPÖ redet gerne von leistbarem Wohnen und davon, wie wichtig ihr der soziale Wohnbau sei. Konkret sieht es in der Praxis anders aus, wie der Rechnungshof schreibt, und zwar zuungunsten der Mieterinnen und Mieter. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt nicht!)

Lehre zwei: Bei der Gesiba liegt kein gesetzwidriges Verhalten vor, es wurden aber die Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, weitestgehend ausgereizt. Darauf werden wir als Gesetzgeber eine Antwort finden müssen. Vieles, was der Rechnungshof dem Ge­setzgeber empfiehlt, sehr geehrte Damen und Herren, setzen wir bereits um bezie­hungsweise werden wir bald umsetzen, etwa die Änderung der veralteten Bestimmun­gen zu den Bezugsobergrenzen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. Diesbezüglich hat unsere Bundesministerin Margarete Schramböck auch bereits Verbesserungen an­gekündigt, quasi Vorarbeiten dazu zu leisten; mit der neuen Gebarungsrichtlinienver­ordnung werden etwa klare Grenzen für variable Bezüge eingezogen.

Bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres haben wir dafür Sorge getragen, dass Um­gehungsgeschäfte wirksam verhindert werden. In der Vergangenheit war es immer wieder zu Versuchen gewinnorientierter Unternehmungen gekommen, den Gemeinnüt­zigen Vermögen zu entziehen. Dieser Entwicklung trat und tritt die Bundesregierung entschieden entgegen.

Sehr geehrte Damen und Herren, jeder vierte Österreicher beziehungsweise jede vier­te Österreicherin lebt in einer Wohnung, die von einer gemeinnützigen Wohnungsge­nossenschaft errichtet wurde. Auch wenn es da und dort Verbesserungsbedarf gibt, ist die gemeinnützige Wohnungswirtschaft Garant für leistbares Wohnen. Darauf gilt es aufzubauen, und in diesem Sinne wird diese Bundesregierung die Gemeinnützigen weiterentwickeln. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Plessl. – Bitte. (Abg. Loacker: Das wird jetzt eine sehr gute Rede! – Ruf: Ausgezeichnet!)


21.07.35

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kol­legen und Kolleginnen! Kollege Zanger ist leider nicht da, aber ich gehe davon aus, er wird das nachlesen können. Frau Präsidentin, mit dem Rechnungshof sind Sie ein Teil des Nationalrates und nicht der Regierung verpflichtet (Beifall bei SPÖ und NEOS), und wenn der Kollege hier schon eine Themenverfehlung begeht und Kritik anbringt, dann muss man ihm mitteilen, dass der Rechnungshof ein Teil des Nationalrates ist und nicht ein Teil dieser Bundesregierung. Das möchte ich hier einmal festhalten; er kann es dann im Protokoll nachlesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Berichte des Rech­nungshofes eingehen. Der erste Bericht betrifft die Verkäufe von Wohnungen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, und der zweite Bericht betrifft dann die Gesiba, die Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft.

Der erste Bericht des Rechnungshofes betreffend die Verkäufe von Wohnungen stammt aus dem Zeitraum März bis Juni 2016, der Überprüfungszeitraum war 2011 bis 2015, geprüft wurden insgesamt vier Wohnbaugesellschaften: die Gedesag, die Gemeinnüt-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 231

zige Donau-Ennstaler Siedlungs-Aktiengesellschaft mit Sitz in Krems, die GWG, die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Linz mit Sitz in Linz, die Gemeinnüt­zige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der Wiener Stadtwerke, die GWSG, mit Sitz in Wien, und die Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesell­schaft Vogewosi – eine sehr interessante Abkürzung – mit Sitz in Dornbirn. Da haben Sie vor allem den Verkauf von Wohnungen untersucht, die Rechtsgrundlage, die Preis­bildung, aber auch die Erträge. Der Prüfungszeitraum war, habe ich schon gesagt, 2011 bis 2015.

Frau Präsidentin! Wir sind da eher in einem zurückhaltenden Bereich betreffend die Verkäufe, denn erstens einmal hat es schon die Buwog-Wohnungsverkäufe gegeben, womit die Gerichte bis jetzt beschäftigt sind. Da haben wir gesehen, dass es für die Republik Österreich nicht sehr von Vorteil ist. Zweitens sind gerade diese Wohnungs­verkäufe auch sehr wichtig, damit man die Marktpreise der Mietwohnungen entspre­chend steuern kann. Vor allem in Wien ist das sehr wichtig.

Sie haben auch festgestellt, dass bei der Wiener Wohnbaugesellschaft keine Woh­nungen veräußert worden sind – auch mit diesem Hintergrund, weil jede Veräußerung einer Wohnung eigentlich herausgenommen wird. Wir sehen auch hier, dass es immer zu einer Verteuerung der Mietpreise kommt, und deswegen ist das so umgesetzt wor­den.

Der zweite Bereich, der hier angesprochen worden ist, ist die Gesiba, die Gemeinnüt­zige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft. Dazu ist schon gesagt worden, dass die Stadt Wien zu 99,97 Prozent die Eigentümerin ist. Interessant sind die durchschnittli­chen Mietpreise, mit 6,5 Euro pro Quadratmeter brutto sind sie und die Betriebskosten von 1,8 Euro sehr, sehr günstig. Wenn man den von Mietervereinigungen ermittelten Durchschnittswert heranzieht, sieht man, sie liegen unterhalb dieses Durchschnitts, und deswegen ist es sehr wichtig, diese Wohnungen auch weiter anzubieten.

Wir haben die Ministerin auch gefragt, ob sie noch Ergänzungen durchführen könnte, zum Beispiel wäre es auch möglich, eine Flächenwidmung für sozialen Wohnbau ver­fassungsmäßig zu verankern, damit wir auch weiter spezielle Wohnungen anbieten können. Leider wurde dazu keine Zusage geäußert. Genauso finde ich es bedauerlich, dass die 700 Millionen Euro, die eigentlich für 30 000 Wohnungen zur Verfügung ge­standen wären, vom Finanzminister nicht in Anspruch genommen worden sind. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

21.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


21.11.17

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren im Saal und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Ich bin wirklich sehr erfreut, denn alle Beiträge hier am Rednerpult waren bisher von der Wertschätzung und auch von der Wichtigkeit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft geprägt. Das zeigt mir auch, dass wir alle hier hierinnen ein gemeinsames Ziel verfolgen, nämlich leistbaren Wohnraum für die Österreicherinnen und Österreicher sicherzustellen.

Ich möchte kurz auf zwei meiner Vorredner eingehen. Frau Kollegin Griss hat ange­führt, dass die NEOS einen Antrag gestellt haben, der die Gehälter in der gemeinnüt­zigen Wohnungswirtschaft verändern soll. Frau Kollegin Griss, wir haben das schon in unser Regierungsprogramm aufgenommen. Es wird Sie freuen, wir haben Ihren Antrag vielleicht etwas modifiziert, wir werden auch Abstufungen nach Größe und Bautätigkeit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft einbringen und mitberücksichtigen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 232

Herr Kollege Zinggl – er ist leider gerade nicht im Saal –, ich kann vielem zustimmen, was Sie gesagt haben. Ich möchte Sie aber daran erinnern, dass Sie und drei Ihrer Kollegen in der letzten Gesetzgebungsperiode noch bei den Grünen waren und die Grünen in Wien – viele Missstände in Wien und auch andere Missstände wurden in diesem Rechnungshofbericht aufgezeigt; das ist immer wieder in den Medien nachzu­lesen – in Regierungsverantwortung sind. Nicht der Bundesgesetzgeber alleine ist für diese Missstände verantwortlich, denn die Aufsicht liegt immer noch bei den Ländern. Ich bitte Sie, da auch auf diese Länder einzuwirken, damit im Sinne des Volkswoh­nungswesens gehandelt wird. (Abg. Scherak: Glaubst, die Grünen in Wien ...? – Hei­terkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Nun zu meiner Rede: Einmal mehr hat der Rechnungshof die konkrete Ausformung von Bezügen in den Chefetagen gemeinnütziger Bauvereinigungen kritisiert. Es zeigt sich aber, dass diese Bundesregierung den richtigen Weg geht. Wir werden die Be­züge umsichtig und maßvoll gestalten. Es handelt sich bei Gemeinnützigen um privat­wirtschaftlich organisierte Unternehmen im öffentlichen Auftrag. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nivellierungen nach unten sind ebenso wenig zielführend wie die derzeitige Intransparenz. Wir brauchen motivierende Gehälter, die gleichzeitig in ihrer Höhe berücksichtigen, dass der Unternehmenszweck sich eben aus dem genannten Volkswohnungswesen ableitet, das heißt, dass es um leistbaren Wohnraum geht.

Zum Thema Wohnungsverkäufe möchte ich sagen, dass der Verkauf von Reihenhäu­sern und auch Wohnungen ebenso eine Säule der Gemeinnützigkeit ist, und zwar die Säule des leistbaren Eigentums. Es muss aber gewährleistet werden, dass es zu kei­nem überbordenden Abfluss sozial gebundener Wohnsubstanz kommt.

Das führt mich eben zur zweiten Säule der Gemeinnützigkeit, dem dauerhaft leistba­ren, preisgebundenen Mietraum, vor allem in den Ballungsräumen. Meine sehr verehr­ten Damen und Herren, beide Komponenten sind keine Gegensätze, sondern ergän­zen sich vielmehr. Leistbares Eigentum und leistbare Miete bedienen beide dasselbe Grundbedürfnis, nämlich das Grundbedürfnis nach leistbarem Wohnraum für alle. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster ist Abgeordneter Loacker zu Wort gemeldet. Ich darf ihm das Wort erteilen.


21.15.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich darf bei Kollegen Schrangl anschließen: Es geht um die gesellschaftspolitische Rolle, die die gemeinnützigen Wohnbauträger spielen, die deswegen auch einen schönen Teil der Wohnbaufördergelder bekommen und auch steuerliche Vorzüge genießen. Wenn man sich aber anschaut, welche personellen Ver­flechtungen es hinsichtlich Vorständen und Aufsichtsräten, manchmal mit privaten Bau­unternehmen, aber auch mit den zwei ganz alten Parteien, gibt, dann ist das oft un­erträglich. Es fehlt an der vorhin schon erwähnten Transparenz, und es fehlt auch an Kontrolle. Wenn man immer wieder sieht, wie sich Vorstände von Wohnbauträgern zu­fällig die schönsten Penthäuser einnähen, dann geht den Steuerzahlern mit Recht das Messer im Sack auf.

Die Transparenz fehlt auch, wenn es darum geht, wie Verkäufe durch gemeinnützige Bauvereinigungen zustande kommen. Es wird eben vom Rechnungshof auch ausge­wiesen, dass die Begriffsdefinitionen dafür, was Substanzwert bedeutet und was ein vernünftiges – unter Anführungszeichen – „Verhältnis“ ist, zu relativ willkürlichen Ver­kaufskalkulationen führen. Da bedarf es klarerer Regeln, wenn Wohnungen verkauft werden, die steuerbegünstigt entstanden sind.


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Warum gibt es diese mangelnde Kontrolle überhaupt? – Die gemeinnützigen Wohn­bauträger kontrollieren sich im Wesentlichen durch den Revisionsverband selbst. Da sitzen Leute drinnen, die aus den Gemeinnützigen kommen, und es ist die Gefahr sehr groß, dass da die eine Krähe mit der anderen sehr gnädig ist – gnädiger, als es ange­bracht wäre.

Wenn man in den Berichten liest, was sich da abspielt, dann muss man sagen, das ist hoch bedauerlich. Zu Unrecht, aber trotzdem gilt das Bundesland Vorarlberg als be­sonders sauber, aber genau dort gibt es bei der Vogewosi den Fall, dass jemand für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gegenüber dem gemeinnützigen Wohn­bauträger auch noch Kilometergeld abrechnen darf.

Zur Gesiba, das ist auch schon angeführt worden, führt der Rechnungshof sehr schön aus, wie die hohe Verzinsung der Eigenmittel mit 3,5 Prozent, was momentan einfach nicht dem Marktzinssatz entspricht, dazu führt, dass die Mieter mehr Miete zahlen müssen als eigentlich notwendig. Das ist schon besonders pikant, denn der Träger ge­hört im Wesentlichen der Stadt Wien und die Stadt Wien könnte das Wohnen dort billiger machen, wenn ihr Wohnbauträger einen anderen Zinssatz ansetzen würde. Man macht das aber nicht, und dann beschweren sich die Sozialdemokraten, dass das Wohnen teurer wird. Dort, wo sie es selber in der Hand haben, nützen sie die Mög­lichkeiten nicht.

Und wie immer diskutieren wir solche Berichte, in denen es um die Schmutzigkeiten in den schwarzen und roten Einflussbereichen geht, um diese Uhrzeit. (Beifall bei den NEOS.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fich­tinger. – Bitte.


21.18.09

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Auch ich möchte kurz auf den Bericht betreffend „Verkäufe von Wohnungen durch gemeinnützige Bauvereinigungen“ zurückkommen. Kollege Plessl hat schon angesprochen, welche Vereinigungen das sind. Speziell möchte ich an die­sem Punkt die Gedesag aus Krems ansprechen. Zur Ausschusssitzung war auch Di­rektor Graf eingeladen, der uns sehr viel über die Vergabe der Wohnungen, über den Preis und vor allem auch über die Gehälter der Geschäftsführung, die schon auf All-in-Verträge umgestellt sind, berichtet hat. Es war eine sehr umfassende und höchst inter­essante Auskunft, die er uns da gegeben hat.

Grundlegend ist der gemeinnützige Wohnbau gesetzlich im Wohnungsgemeinnützig­keitsgesetz geregelt. Dort wird klar festgelegt, dass die Tätigkeit gemeinnütziger Bau­vereinigungen „unmittelbar auf die Erfüllung dem Gemeinwohl dienender Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens zu richten“ ist, insbesondere sind die Berechnung von Herstellungskosten, die Zulässigkeit von Wohnungsverkäufen und die Preisbe­rechnung bei ebendiesen Verkäufen geregelt.

Insgesamt gab der Rechnungshof 13 Empfehlungen ab, wobei übergreifend auf alle Bauvereinigungen elf Empfehlungen entfielen, zwei Empfehlungen entfielen auf das damalige Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft – wie es da­mals noch hieß, jetzt ist es ja das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort.

Die gemeinnützigen Bauvereinigungen tragen einen großen und wichtigen Teil zur Schaffung von Wohnraum und Lebensraum bei, und das ist auch etwas Wichtiges. Ins­besondere wird durch die nachträgliche Eigentumsbegründung das Wohnungseigen-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 234

tum gefördert. Das ist speziell für junge Familien wichtig, die sich Wohnraum schaffen und daher auch diese Unterstützung benötigen.

Ich sage auch Danke an die Frau Rechnungshofpräsidentin, dass diese Zusammen­arbeit immer wieder funktioniert. Auch die Frau Ministerin hat zugesagt, dass man sich natürlich verschiedene Dinge anschauen muss, speziell die Gehälter und natürlich auch alles, was damit verbunden ist, auch Spekulationen. Sie hat mir zugesagt, dass das natürlich immer wieder angeschaut werden muss. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Be­cher. – Bitte.


21.21.17

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch einmal zurück zur Gesiba: Der Rechnungshof hat ja mit der Gesiba ein Unternehmen der Stadt Wien beleuchtet, das trotz seiner 100-jährigen Geschichte ein sehr schlankes und effizientes Unterneh­men ist. Der Rechnungshof übt auch Kritik an den erzielten Überschüssen, 2014 waren es circa 30 Millionen Euro, und dieser Überschuss sollte zugunsten der Miete, die die Mieter bezahlen, reduziert werden. Das halte ich persönlich nicht für sehr sinnvoll, denn die Rücklagen helfen ja dem Unternehmen bei der Grundstücksbevorratung, bei Konjunktureinbrüchen, bei Renovierungen und kommen somit aber auch jungen Woh­nungssuchenden zugute. Es ist auch im Generationenvertrag vorgesehen, dass die Rücklagen vorhanden sind. Die Frage ist also: geringere Mieten bei 1,80 Euro Grund­miete – dieser Betrag, der zurückgelegt wird, käme ja nur dafür in Frage – oder teure Mieten für die jungen Wohnungssuchenden. Diese Kritik kann ich persönlich also nicht teilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Gehältern ist schon sehr viel gesagt worden, nun aber zu den Dingen, die die Mieterinnen und Mieter wirklich interessieren und die für die Wienerinnen und Wiener interessant sind: Es besitzen ja alle Wienerinnen und Wiener ein Unternehmen mit 30 000 Wohnungen in einem sehr guten Zustand. Diese Werte gehören auch vor dem Zugriff geschützt, damit nicht so etwas passiert wie bei der Buwog, dass es billig ver­kauft wird und letztendlich dann in ausländischer Hand landet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scherak: Da haben einige wenige verdient!) Die Bausubstanz ist ganz ausge­zeichnet und stellt einen sehr großen Wert dar.

Die Wienerinnen und Wiener, das wurde auch schon von Kollegen Plessl gesagt, zah­len ja eine sehr günstige Miete und auch sehr günstige Betriebskosten. Laut Rech­nungshof sind die Mieten billiger als bei anderen gemeinnützigen Bauvereinigungen, die Betriebskosten liegen mit 1,46 Euro unter dem Betriebskostenspiegel, der mit 1,72 Euro pro Quadratmeter angegeben ist. Diese Punkte werden vom Rechnungshof auch ausdrücklich gelobt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich befürchte, dass wahrscheinlich nicht alle den Wert der Gemeinnützigkeit im Wohn­bau wirklich schätzen können, die Wienerinnen und Wiener können das aber sehr wohl. Es hat 2016 eine Umfrage von Sora gegeben, da haben 75 Prozent der Be­wohnerInnen der Gesiba-Wohnhausanlagen die Preiswürdigkeit der Wohnungen mit sehr gut beurteilt. Ich denke, das ist ein gutes Urteil. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: ... wohnen bei Wiener Wohnen!)

21.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.


21.24.58

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshof­präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte näher auf den


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Bericht des Rechnungshofes betreffend „Internes Kontrollsystem bei Direktvergaben“ eingehen.

Das Ziel der Überprüfung im Zeitraum von April bis Juli 2017 war es, im Bundes­kanzleramt, im Bundesministerium für Finanzen, im Bundesministerium für Verkehr, In­novation und Technologie und im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft die Umsetzung von Empfehlungen betreffend die Optimierung, das Con­trolling und die Kontrolle der Vergabeprozesse zu überprüfen. Bereits in einem Vorbe­richt schlug der Rechnungshof dem Bund zur Optimierung des Beschaffungswesens vor, ein standardisiertes bundeseinheitliches Controlling einzurichten, sodass eine Pla­nung, Steuerung und Kontrolle innerhalb des jeweiligen Ressorts auf Ebene einzelner Beschaffungsgruppen ermöglicht werden kann. Des Weiteren hat der Rechnungshof empfohlen, ressortweit verbindliche Standards und Checklisten für Beschaffungen fest­zulegen, um die rechtmäßige und zweckmäßige Abwicklung sowie eine übersichtliche und vollständige Dokumentation von Vergaben zu unterstützen.

Nun stellte der Rechnungshof fest, dass das Bundesministerium für Finanzen und das Bundeskanzleramt die Empfehlungen des Vorberichts betreffend ein einheitliches Be­schaffungscontrolling nicht umgesetzt haben. Anknüpfend an den Vorbericht sprach der Rechnungshof daher erneut die Empfehlung aus, dass ein standardisiertes res­sortweites Controlling einzurichten ist, welches eine Steuerung und Kontrolle innerhalb des jeweiligen Ressorts auf Ebene einzelner Beschaffungsgruppen zulässt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht des Rechnungshofes betreffend „Internes Kontrollsystem bei Direktvergaben“ ist objektiv und detailliert, und daher ist dem Be­richt auch zuzustimmen. Alle Stellen werden von einem standardisierten bundesweiten Controlling im Bereich der Direktvergaben profitieren, und zudem können wir so mehr Transparenz schaffen. Das ist in meinen Augen sehr zu begrüßen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Smodics-Neu­mann. – Bitte.


21.27.50

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich darf mich auch auf das The­ma Vergabe beziehen. Wir haben jetzt schon, glaube ich, sehr ausführlich gehört, wel­che Ministerien von der Prüfung umfasst waren, wann die Prüfung begonnen hat. Frau Abgeordnete Greiner hat das historisch sehr gut aufbereitet mit der Follow-up-Über­prüfung von April bis Juni 2017.

Ich habe irgendwie das Gefühl, dass dann ein bisschen ein Blackout entstanden ist. Ich darf Sie erinnern, nach dieser Follow-up-Überprüfung hat es ein besonderes Datum gegeben, nämlich den 15. Oktober 2017. Da war etwas, ich weiß nicht, ob Sie sich da­ran erinnern können. Könnt ihr euch erinnern, was am 15. Oktober 2017 war? Es gab dann auch den 9. November 2017, da fand nämlich die konstituierende Sitzung statt, und danach gab es veränderte Gegebenheiten.

Ich darf vielleicht noch eine weitere kleine Korrektur zur selektiven Wahrnehmung an­bringen: Die Frau Bundesministerin war ja als Gast bei uns im Ausschuss und hat sehr wohl und sehr ausführlich dazu Stellung genommen, dass sie sich den Empfehlungen des Rechnungshofes absolut anschließt. Sie hat auch schon einige Dinge umgesetzt. Im Arbeits- und Budgetprogramm gibt es mittlerweile eine Checkliste für die Direkt­vergaben, und ich möchte nur ein paar Punkte daraus aufzählen, es sind wirklich nur ein paar, zum Beispiel: Begründung der Wahl des Vergabeverfahrens; Darstellung der Notwendigkeit, der Relevanz, des Nutzens der Vergabe; Einholung mehrerer Angebo­te, um vergleichen zu können; Dokumentation dieses ganzen Prozederes.


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Also das, liebe Kollegin Greiner, was Sie gefordert haben, steht eigentlich am Beginn der Umsetzung beziehungsweise ist schon umgesetzt. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn Sie diese Energie zum Beispiel in einem Be­reich ausleben würden – ich hätte da einen Vorschlag, wo wir vielleicht auch gemein­sam etwas bewegen können –, der ein weites Betätigungsfeld bietet, nämlich Wiener Wohnen. Das wäre ein Vorschlag, vielleicht haben Sie Lust dazu.

Es liegt jetzt aber sozusagen auch wirklich noch an der Umsetzung. (Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Greiner.) Wir sind ja öffentlicher Auftraggeber, genauso sind wir alle hier auch einzelne Konsumenten. Es ist jetzt natürlich schon eine Frage, wie wir damit umgehen, was wir daraus machen. Dass wir den Bereich der Vergangenheit in die Kompetenz der Rechnungshofpräsidentin legen und dass wir den Bereich der Zu­kunftsgestaltung in unsere Hände nehmen, das sehe ich schon als unsere Verant­wortung. In Zukunft sollten wir durchaus auch diese Schleife einziehen, nicht nur den Preis, sondern vielleicht auch die Regionalität miteinzubeziehen.

Nahversorgung ist nicht nur Lebensmittel, Nahversorgung kann auch Dienstleistung sein, können Handwerksleistungen sein. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir mit dem sehr verantwortungsvoll umgehen. Wir haben es einfach in der Hand – und ich lade Sie herzlich dazu ein –, dass wir gemeinsam rechtzeitig darauf schauen, dass wir das, was wir heute haben, auch morgen noch haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte.


21.31.51

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! Ich beziehe mich auch auf den Bericht über den Verkauf der Wohnungen durch gemeinnützige Bauträger, und da im Speziellen auf die Ausführun­gen, die die Vogewosi, die Vorarlberger Wohnbaugesellschaft, betreffen.

Im Berichtszeitraum hat die Vogewosi insgesamt 36 Wohneinheiten verkauft. Seit den Siebzigerjahren sind insgesamt gut 1 000 Wohnungen in den Verkauf gegangen. Das ist, glaube ich, auch der entscheidende Punkt, der Spannungspunkt in der politischen Frage, wie man sich dazu verhält, denn natürlich ist es so, dass es auf der einen Seite den Wunsch nach Eigentumserwerb gibt, dass wir auf der anderen Seite aber, wie wir wissen, nur mit ausreichendem gemeinnützigen Wohnbau die Mietniveaus auf einem leistbaren Niveau halten können. Gerade in einer Region wie Vorarlberg, in der die Preise am Wohnungsmarkt explodieren, ist der gemeinnützige Wohnbau gefordert und braucht es viel gemeinnützigen Wohnbau, der auch gemietet werden kann. Ein Verkauf der Wohnungen macht wenig Sinn, weil jede verkaufte Wohnung dem Markt natürlich wieder günstigen, leistbaren Wohnraum entzieht.

Nur damit Sie eine Vorstellung davon haben, wie gering der Anteil von gemeinnützigen Wohnungen in Vorarlberg ist: In Feldkirch zum Beispiel, der zweitgrößten Stadt in Vor­arlberg, sind es gerade einmal 11 Prozent gemeinnützige Wohnungen, in Dornbirn sind es 16 Prozent gemeinnützige Wohnungen. Das erhöht natürlich den Druck, dass jetzt gebaut werden muss und noch mehr gebaut werden muss, aber nicht mehr verkauft werden muss. Das erkennen Gott sei Dank schön langsam auch die Vogewosi und das Land, was man daran sieht, dass man die Politik des Verkaufs der Wohnungen jetzt ein bisschen zurückfährt und das reduziert.

Also verkaufen nur dann, wenn es wirklich Sinn macht und wenn genug leistbarer Wohnraum vorhanden ist; und dann ist es wichtig, die Empfehlungen des Rechnungs­hofes aufzugreifen, was klar heißt, es braucht eine Transparenz beim Verkauf. Der


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Käufer muss dann auch wissen, dass es eine Kostenwahrheit und eine Transparenz gibt. Gerade da geht es in den Bereich der Eigenleistungen, die die Genossenschaften erbracht haben, dass wirklich die tatsächlichen Kosten und nicht nur Pauschalsätze verrechnet werden, wie das teilweise gemacht wird.

Grundsätzlich muss man sagen, es ist eine Thematik, bei der man in erster Linie da­rauf achten muss, dass es mehr leistbaren Wohnraum gibt, gerade in Ballungszen­tren – und das Rheintal ist so ein Ballungszentrum, in dem das ganz, ganz wichtig ist.

Lassen Sie mich abschließend auch noch eines sagen, weil von der Freiheitlichen Par­tei Kritik an der Frau Rechnungshofpräsidentin gekommen ist, weil sie sich zur Sozial­versicherungsreform zu Wort gemeldet hat: Meine Damen und Herren, ich schätze es sehr, dass sich eine Präsidentin des Rechnungshofes auch einmal davor zu Wort mel­det und uns klar sagt, dass diese Reform mehr kosten wird, dass sie Kosten verursacht und dass die Berechnungen der Bundesregierung diesbezüglich überhaupt nicht stimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwi­schenruf des Abg. Plessl.)

21.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstner. – Bitte.


21.35.20

Abgeordneter Peter Gerstner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Werte Kollegen! Es ist schon sehr viel über die Rech­nungshofberichte, die wir heute hier im Plenum behandeln, gesagt worden. Lassen Sie mich einige Gedanken über den Rechnungshofbericht zur gemeinnützigen Wohnbau­gesellschaft Gesiba sagen.

Dass die Gesiba, die Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft, sich zu 99,97 Prozent im Eigentum der Stadt Wien befindet, wurde bereits erwähnt. Dass sie leider Gottes für einige Empörung und Aufregung in den Zeitungen gesorgt hat, wie man da mit Geld umgeht, ist leider Gottes auch bekannt. Die Gesiba ist eigentlich mit der Errichtung und der Vermietung wie auch der Verwaltung von Wohnungen und Ge­schäftslokalen sowie der Erbringung von Planungs- und Bauaufsichtsleistungen be­traut. Doch die Wahrheit ist, der Wohnungsmarkt ist zu einem viel umkämpften Pflaster geworden, auf dem sich unter anderen auch die gemeinnützige Wohnbaugesellschaft, die Gesiba, befindet.

Wie zweifelsohne auch alle anderen gemeinnützigen Bau- und Siedlungsgenossen­schaften sollte sich die Gesiba darum kümmern, dass jene Menschen, die dringend eine Wohnung benötigen, eine bekommen. Doch einfach nur eine Wohnung zu benö­tigen, ist bei der Gesiba anscheinend noch lange kein Grund, auch eine Wohnung zu bekommen. Die Tatsache, dass die Listen der wieder zu vermietenden Wohnungen einfach von den Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen verändert werden, steht auch im Rechnungshofbericht.

Die Hauptsache ist aber, die Vorstandsvorsitzenden werden fürstlich entlohnt. Das muss man sich einmal vorstellen: Der Vorstand der Gesiba kann bis zu 25 Prozent mehr Jahresbezug kassieren als der Wiener Bürgermeister. Das erreicht er nicht nur durch ein fürstliches Gehalt, sondern auch durch diverse Zulagen, Ostergeld, Dienstal­terszulage und dergleichen.

Das ist leider Gottes typisch für die SPÖ. Ganz nach dem Motto: Ich nehme mir, was mir zusteht!, gibt es keine Richtlinien für die Vergabe, aber dafür fürstliche Gehälter für die Vorstandsmitglieder. Sogar der Rechnungshof hat die Gesiba kritisiert und natürlich auch empfohlen, dass beispielsweise die sozialen Begründungen zu dokumentieren sind, warum man eine Wohnung bekommt oder warum man eben keine bekommt. Zu-


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dem sind die Gewinne der Gesiba auch an die Mieter und Mieterinnen weiterzugeben; auch das kritisiert der Rechnungshof, denn auch das wurde nicht gemacht.

Meine sehr geehrten Kollegen zu meiner Linken! Ich würde Sie bitten, bevor Sie von anderen öffentlichen Organisationen und Ministerien verlangen, dass sie die Rech­nungshofvorschläge und -empfehlungen umsetzen, fangen Sie bei der Gesiba an und setzen Sie dort die Empfehlungen des Rechnungshofes um! – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Rechnungshofpräsidentin Frau Mag.a Kraker. – Bitte.


21.39.20

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich beziehe mich zunächst einmal auf die Tagesordnung. Auf der Tagesordnung stehen drei Prüfberichte betreffend gemein­nützige Bauvereinigungen und eine Follow-up-Überprüfung zum IKS bei Direktverga­ben.

Grundsätzlich sind nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz die gemeinnützigen Bauvereinigungen zu einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Geschäfts­führung und Verwaltung verpflichtet. Ich will jetzt hinsichtlich der Prüfungen primär auf jene Punkte eingehen, die Sie als Nationalrat interessieren. Ich möchte auf den Bun­desbezug hier noch einmal eingehen, denn die Wohnbauträger, die wir überprüft ha­ben, sind ja Wohnbauträger, die im öffentlichen Eigentum stehen. Es sind Wohnbauträ­ger, die entweder im Eigentum von Städten oder eines Landes stehen; die Berichte wurden auch an die Landtage gerichtet.

Was wir aber an das zuständige Ministerium gerichtet haben, das sind Empfehlungen, die mit den Bezügen zu tun haben und die mit den Regelungen in Bezug auf die Ver­käufe von Wohnungen zu tun haben.

Da hat der Rechnungshof eben festgestellt, dass wir aufgrund dieser Prüfung betref­fend Vorstandsbezüge bei fünf ausgewählten Wohnbauträgern erkannt haben, dass seit Langem Novellierungsbedarf in Bezug auf § 26 Wohnungsgemeinnützigkeitsge­setz und auch in Bezug auf die Gebarungsrichtlinienverordnung besteht. Es nimmt die Obergrenze, die im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz steht, immer noch Bezug auf das alte Dienstklassensystem. Höchstgrenze ist die Dienstklasse IX. Auch die Besol­dungsreform, die ja aus dem Jahr 1994 stammt – das ist schon einige Zeit her, da wurde ein Fixgehalt eingeführt –, wurde nicht nachvollzogen. Detto wurden Bezugsbe­grenzungen, die im Rahmen von Pensionsreformen gemacht wurden, nicht nachvollzogen.

Diese Obergrenze, die es gab, kam nicht wirklich zum Tragen, weil es eben kollek­tivvertragliche Erhöhungen gibt, weil es Zulagensysteme gibt und weil es beim Bezug keine Jahreshöchstbegrenzung gab. De facto kam man auf bis zu 17 Monatsbezüge. Der Revisionsverband vertrat, anders als der Rechnungshof, die Auffassung, dass Über­stundenpauschalen zulässig und möglich seien. Wir glauben das nicht, denn das Dienst­klassensystem beinhaltet eben auch Verwendungszulagen. Ebenso haben wir kritisiert, dass für Leistungsprämien gewisse Kriterien gefehlt haben.

Was ich festhalten möchte, ist, dass bei der Gesiba eine Reihe von Sozialleistungen und Zulagen – 29 Zulagen – bestehen, die wir auch als hoch kritisiert haben. Grund­sätzlich will ich aber auch sagen, dass die Vorstandsmitglieder, die wir in den fünf Wohnbauträgern überprüft haben, männlich waren. Der Rechnungshof sieht es als positiv an, dass es jetzt einen Novellierungsentwurf zur Gebarungsrichtlinienverord­nung gibt, der eine Beschränkung der Leistungsprämien auf maximal drei Monats­gehälter vorsieht. Kritisch sehen wir die Höhe der Überstundenpauschalen mit 50 Über-


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stunden. Das halten wir für zu hoch, denn das verstößt dann auch gegen die Grenzen. Was wir wollen und was wir für sinnvoll halten würden, wäre eine Jahresbezugsgrenze im Sinne eines All-in-Bezugs. Das würde dann auch zur Vergleichbarkeit und Trans­parenz beitragen.

Wir haben gehört, dass es Überlegungen zu einer Novellierung des Wohnungsgemein­nützigkeitsgesetzes gibt, und auch die zuständige Bundesministerin hat diesbezüglich Überlegungen angekündigt.

Ein Thema sind die Vertragsschablonen. Wir glauben, dass die Bundes-Vertrags­schablonenverordnung sinngemäß für alle öffentlichen Wohnbauträger anzuwenden wäre.

Auch beim Sonderpensionenbegrenzungsgesetz geht es um die Anwendung und die Umsetzung in der Stadt Wien.

Auch bezüglich der Wohnungsverkäufe gibt es Anpassungsbedarf im Gesetz. Es feh­len Kriterien, sozusagen genauere Begriffsbestimmungen für den Substanzwert und für die Frage der Wertsicherungsberechnungen, denn das führt zu uneinheitlichen Preis­berechnungen. Da glauben wir, dass sich die Preisermittlung beim nachträglichen Wohnungsverkauf am Verkehrswert zum Verkaufszeitpunkt orientieren sollte.

Insgesamt glauben wir, dass es wichtig ist, dass Wohnbauträger eine wohnungswirt­schaftliche Strategie haben, die auf die nachhaltige Verfügbarkeit von leistbarem Wohn­raum auszurichten ist.

Zur Prüfkompetenz habe ich im Ausschuss gesagt, unsere Prüfkompetenz erstreckt sich nicht auf alle gemeinnützigen Wohnbauträger, sondern nur auf jene im öffentlichen Eigentum. Nimmt man Bezug auf den Auftrag und die Aufgaben von gemeinnützigen Wohnbauträgern, dann könnte man das natürlich auch in Betracht ziehen.

Betreffend IKS bei Direktvergaben gab es eine zentrale Empfehlung, und die richtete sich an das Bundeskanzleramt und an das Finanzministerium, und zwar dahin gehend, ein ressortübergreifendes Beschaffungscontrolling einzurichten. Im Rahmen der Digita­lisierung bestehen da auch Möglichkeiten, entsprechende Instrumente einzusetzen. Die Umsetzungsquote zeigt uns, dass es da noch Verbesserungspotenzial gibt, was das ressortweite Vergabecontrolling betrifft.

Weil Sie es angesprochen haben, ein kurzer Satz zur Stellungnahme: Der Rechnungs­hof hat im offiziellen Begutachtungsverfahren eine Stellungnahme zur Sozialversiche­rungsreform abgegeben und hat darin, wie er es immer tut, auf die finanzielle Seite Bezug genommen. Ich stelle auch fest, dass mit der heute vorgelegten Regierungs­vorlage Zahlen nachgereicht wurden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke für die ausführlichen Anmerkungen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Margreiter. – Bitte.


21.46.21

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Da Kollege Singer und auch andere Vorredner das Wohnen in Wien erwähnt haben: Es gibt eine Steuerprüfungs- und Wirtschaftsprü­fungskanzlei, Deloitte, die sich verschiedene Themen ums Wohnen weltweit ansieht und diese vergleicht. Die hat etwa in einer OTS vom 27.9. dieses Jahres festgestellt, dass Österreich und vor allem Wien in Sachen Wohnen ganz vorne ist, denn: „In keiner anderen europäischen Stadt wird so viel gemietet wie in Wien“. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Bernhard. – Abg. Zanger: ... wie in Wien!) Der Mietanteil liegt hier bei 77 Prozent, und nicht umsonst ist Wien erneut zur lebenswertesten Stadt der Welt ge­kürt worden – so viel dazu! (Beifall bei der SPÖ.)


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Das ist ein Ergebnis langjähriger gemeinnütziger und sozialer Wohnpolitik, und das funktioniert eben nur, wenn Wohnen von der Gemeinschaft getragen wird. Das braucht es jetzt mehr denn je, in Zeiten, in denen die Wohnpreise überall – auch in Österreich – vor allem im privaten Wohnbau exorbitant steigen. Wohnen ist ein Grundrecht und es muss leistbar für alle sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Für Wiener Woh­nen!)

Was wir in vielen Ländern der Welt sehen, ist, dass die Profitinteressen einiger weniger die Preise absolut gezielt nach oben treiben und mit den Existenzen der Menschen spielen – und genau das wollen wir nicht. Dem kann eben nur gemeinnütziges Wohnen entgegensteuern. So hat zum Beispiel Deloitte im Property Index auch festgestellt, dass die durchschnittliche Miete per Quadratmeter in Wien bei 9,60 Euro, in Madrid bei 15,50 Euro und in Paris und London bei 26 Euro liegt – so viel eben auch dazu. (Zwi­schenruf des Abg. Loacker.)

Fakt ist, dass nur ein sozialer und gemeinnütziger Wohnungsmarkt die Preise für Mie­terInnen stabil halten kann. Deshalb unterstützen wir auch, dass die Wohnungen in den gemeinnützigen Gesellschaften bleiben und nicht veräußert werden. Auch wir hal­ten es so wie der Rechnungshof für problematisch, dass teils sogar Wohnungen im sel­ben Haus zur Miete stehen, während andere verkauft werden.

Wie Frau Präsidentin Kraker festgestellt hat, ist es auch wichtig, dass gerade in Woh­nungsgesellschaften die Geschlechterquoten berücksichtigt werden, der Frauenanteil gehoben wird, dass kompetente Frauen zum gleichen Anteil in höhere Positionen kom­men.

Und weil sehr häufig und gerade von unseren Regierungsparteien auf die Gehälter hin­gewiesen wurde, kann ich Ihnen nur so viel dazu sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.) Sagen Sie das genau jener schwarz-blauen Landesregierung, die die Managergehälter in Landesgesellschaf­ten erhöhen will! (Abg. Leichtfried: Ja, genau!) Und dann gibt es ein sozialdemokra­tisch geführtes Bundesland wie Kärnten, das diese deckelt – so viel zu Worten und Ta­ten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Kaiser! Kaiser! Super! – Ruf bei der FPÖ: Luca!)

21.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte. (Abg. Hafenecker: Brachialrhetoriker!)


21.49.37

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich möchte Sie zu Beginn einmal bestärken, und zwar darin bestärken, dass Sie mit Ihrem Team, mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der Art, wie Sie arbeiten, weiterarbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)Wir erleben es heute schon den ganzen Tag, zuvor von Kollegen Zanger, davor schon von Kollegen Rosenkranz, und auch wenn es eh noch sehr harm­los ist, wie Sie es formulieren, trotzdem zieht sich die Kritik am Rechnungshof (Abg. Zanger: Nein! Nein!), die Kritik, weil Sie meinen, dass Ihnen manche Aussagen nicht genehm sind, wie ein roter Faden durch. Ich glaube, man muss schlicht und einfach festhalten, dass der Rechnungshof nicht dazu da ist, für die FPÖ, für die ÖVP, für die Regierung oder auch für die Opposition oder für irgendjemand anderen irgendwelche Gefälligkeitsgutachten zu erstellen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den NEOS.) Deshalb möchte ich Sie (in Richtung Rechnungshofpräsidentin Kraker) nur darin bestärken, dass Sie wirklich weitertun und sich nicht von den Angriffen, die hier teilweise gestartet werden, beeinträchtigen lassen.

Kollege Gerstner, ich muss leider ganz kurz auf dich eingehen (Abg. Hafenecker: Wann schalten Sie Ihren Twitter-Account aus?), weil du in deiner Rede der Meinung


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warst, die Genossenschaften betreffend die Sozialdemokratie ein bisschen mitreinzie­hen zu müssen. Ich glaube, dass es der FPÖ – und jetzt reden wir von Niederösterrei­cher zu Niederösterreicher, würde ich sagen (Abg. Höbart: Gerne! – Abg. Hafenecker: Aber nicht in Ihrem Stil!) – nicht so gut ansteht, über gemeinnützige Wohnbaugenos­senschaften zu plaudern. Ich möchte nur in Erinnerung rufen: Freies Wohnen. Kann sich noch jemand erinnern? (Abg. Höbart: Das ist schon so lange her!) – Das war der Versuch der FPÖ Niederösterreich, in den gemeinnützigen Wohnbau einzusteigen. (Abg. Neubauer: Da waren Sie noch gar nicht auf der Welt!) Mit welchem Ergebnis? Es wird noch bekannt sein, es sitzen ja ein paar Niederösterreicher hier: Das war sehr schnell ein Konkursfall (Ruf bei der SPÖ: Genau!), und die FPÖ, die Genossenschafts­wohnungen der FPÖ waren wieder Geschichte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte damit nur daran erinnern, dass ihr vielleicht nicht die Richtigen dafür seid, hier Ratschläge zu geben, wie man mit gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften umgeht. Ihr habt es einmal probiert und seid kläglich gescheitert. Ihr könnt es nicht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: ... Kommunalkredit, ÖGB, Wie­ner Neustadt, Multiversum!)

21.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.


21.52.42

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Kollross hat behauptet, Herr Kollege Rosenkranz und meine Wenigkeit hätten den Rechnungs­hof hinsichtlich seiner Stellungnahme im Begutachtungsverfahren zum Sozialversiche­rungsgesetz kritisiert. – Das ist falsch! (Rufe bei der SPÖ: Das stimmt! Das haben wir ja gehört, können wir ja im Protokoll nachlesen!)

Tatsächlich richtig ist, dass wir den Stil der Frau Präsidentin, nämlich sich ganz konkret in die Tagespolitik einzumischen (Rufe bei der SPÖ: Na klar!) und nicht auf Basis eines Rechnungshofberichtes, so wie es sein soll, ihre Kritik zu äußern, angesprochen ha­ben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.53

21.53.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. (An­haltende Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.) – Wir können die Debatte noch verlängern, gerne. – Ich darf bitten!

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstatter noch ein Schlusswort gewünscht? – Nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht be­treffend Verkäufe von Wohnungen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, III-66 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist einstimmig angenommen. (Abg. Schieder – in Richtung ÖVP und FPÖ –: Schau, zuerst reden sie so schiach, und dann stimmen sie eh zu!)

Tagesordnungspunkt 19: Bericht betreffend Bezüge der Vorstandsmitglieder und Ge­schäftsführer von gemeinnützigen Bauvereinigungen, III-67 der Beilagen.

Darf ich die Damen und Herren, die der Kenntnisnahme zustimmen, um ein Zeichen bitten? – Das ist wiederum einstimmig.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 242

Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht des Rechnungshofes betreffend GESIBA Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesell­schaft, III-68 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen. – Ebenfalls einstimmig ange­nommen.

Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Internes Kontrollsystem bei Direktvergaben; Follow-up-Überprüfung, III-173 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen. – Ebenfalls einstimmig angenommen.

21.55.1222. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Entwicklung ausgewählter Forschungsprogramme des Bundes – Rei­he BUND 2018/12 (III-95/306 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichische Studentenförderungsstiftung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/22 (III-127/307 d.B.)

24. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Neuaufnahmen, Vergabe und Löschung von Steuernummern und Um­satzsteueridentifikations-Nummern; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/23 (III-128/308 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Uni.PR – Verein zur Förderung der Öffentlichkeitsarbeit der österrei­chischen Universitäten – Reihe BUND 2018/25 (III-135/309 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Auswirkungen des Kollektivvertrags für ArbeitnehmerInnen der Uni­versitäten; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/29 (III-140/310 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gartenbauzentrum Schönbrunn; Gewinnung von Orthofotos auf Ebe­ne des Bundes – Reihe BUND 2018/39 (III-170/311 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungsho­fes betreffend FWF – Internes Kontrollsystem; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/40 (III-172/312 d.B.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 243

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 22 bis 28, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Großbauer. Ich darf ihr das Wort erteilen.


21.55.47

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! In meiner heutigen Rede darf ich Sie über den Rechnungshof­bericht betreffend den Verein Uni.PR informieren, der die Kommunikationsarbeit von Universitäten unterstützt. In Zeiten von Fake News ist es besonders wichtig, Informa­tionen so an die Öffentlichkeit zu bringen, dass sie bei den Menschen auch so ankom­men, wie sie tatsächlich sind.

Zuerst aber kurz zu unseren Universitäten generell: Immer wieder wird behauptet, die österreichischen Universitäten hätten kein Renommee, sie könnten nicht mit interna­tionalen Universitäten konkurrieren, die Rahmenbedingungen seien nicht ausreichend, es gebe zu wenige internationale Lehrende, zu wenig Forschungstätigkeit, zu wenig Budget. Mit dem 2018 veröffentlichten Universitätsranking konnten diese Behauptun­gen jedoch zu einem großen Teil widerlegt werden. Viele heimische Universitäten konnten sich noch weiter verbessern, bilden zweifelsohne den wissenschaftlichen Eck­pfeiler unseres Landes und sind sogar weltweite Vorreiter. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich denke da ganz im Speziellen an die österreichischen Kunstuniversitäten, angeführt von der MDW, der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, der – was viel­leicht einige von Ihnen gar nicht wissen – größten Musikuniversität der Welt. Die MDW genießt die allerhöchste internationale Anerkennung und bringt herausragend ausgebil­dete Musikerinnen und Musiker, Pädagoginnen und Pädagogen oder Schauspielerin­nen und Schauspieler – in dem Fall dann aus dem Max-Reinhardt-Seminar, das ja ebenfalls zur MDW gehört – hervor, die in Österreich, in ganz Europa und weltweit in den renommiertesten Häusern wiederzufinden sind (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ) – nämlich als Künstlerinnen und Künstler oder auch wieder als Leh­rende.

Im Spitzenfeld liegen aber auch die technischen Universitäten wie die Montanuni­versität Leoben oder die Universität für Bodenkultur, die in ihren Fachbereichen zu den Topinstitutionen zählen.

Jetzt gilt es, den eingeschlagenen Reformweg weiterzugehen, um einzelnen negativen Trends der vergangenen Jahre gezielt entgegenzusteuern.

Mit der Universitätsfinanzierung neu setzt die Regierung eine langjährige Forderung der Universitätenkonferenz und vieler namhafter Expertinnen und Experten um und stellt dem Wissenschaftsstandort Österreich über 1,3 Milliarden Euro mehr zur Verfü­gung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wichtig bei diesem Maßnahmenpaket ist auch die Einführung eines besseren Zu­gangsmanagements, damit Studierende möglichst ohne Verzögerung ihrem Studium nachkommen können und nicht durch überfüllte Hörsäle daran gehindert werden.

Ein ganz wesentlicher Bereich an Universitäten ist selbstverständlich die Forschung. Mit einer Forschungsquote von über 3 Prozent gehört Österreich zu den fünf besten Ländern international. Natürlich gibt es in einzelnen Bereichen Verbesserungspoten­zial, das noch ausgeschöpft werden kann. Die bereits in Ausarbeitung befindliche und im kommenden Jahr erscheinende FTI-Strategie, also zu Forschung, Technologie und Innovation, wird sich dieser Bereiche annehmen und erstmals die Möglichkeit einer Ex­zellenzinitiative schaffen, um gezielt Spitzenforschung in Österreich zu fördern.


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Sehr geehrte Damen und Herren! All das sind gute Nachrichten, good news, positive Entwicklungen für unser Land. – An dieser Stelle vielen Dank an unsere Bundesregie­rung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zum vom Rechnungshof geprüften Verein: Viele Universitäten haben eigene Kommu­nikationsbeauftragte oder ‑abteilungen, die die Angebote und Leistungen auch nach außen tragen. Und damit sich die Universitäten auch im PR-Bereich noch besser ver­netzen können, gibt es unabhängige Vereine wie zum Beispiel Uni.PR, Verein zur För­derung der Öffentlichkeitsarbeit der österreichischen Universitäten. Uni.PR geht auf eine universitätsinterne Initiative zurück und ist ein Experten- und Expertinnennetz­werk, das den Unis hilft, unter anderem Großveranstaltungen wie die Lange Nacht der Forschung vorzubereiten; sie dient auch als Weiterbildungsplattform für die Unimitglie­der, wofür auch die Mitgliedsbeiträge verwendet werden.

Die 22 größten und bedeutendsten Universitäten Österreichs sind Mitglied in diesem Verein. Um die Größenordnung des Vereins einschätzen zu können, sei der Vollstän­digkeit halber erwähnt, dass dieser Verein ein finanzielles Rahmenvolumen durch Mit­gliedsbeiträge von 1 500 Euro jährlich hat; nicht so groß, aber trotzdem sehr geschätzt.

Der Rechnungshof empfiehlt nach seiner Prüfung aber einige Punkte zur Verbesse­rung: klarere Sichtbarmachung der Vereinstätigkeiten, klarere Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, einen entsprechenden Finanzbericht dazu. Der Verein hat auch angekün­digt, dies in seiner Generalversammlung im Februar zu besprechen, beschließen und umsetzen zu wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Greiner. Ich darf ihr das Wort erteilen.


22.00.54

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Kollegin Smodics-Neumann, ich bin weiterhin wirklich sehr gerne behilflich bei der historischen Aufbereitung und darf viel­leicht zur Vorbereitung meinerseits noch ergänzen: Seit 2014 befand sich das Wirt­schaftsressort in ÖVP-Händen; also ist es höchst an der Zeit, dass dort endlich mit der Umsetzung begonnen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Präsidentin des Rechnungshofes, vielen Dank für die zahlreich vorgelegten Be­richte. Ich gehe kurz auf den Follow-up-Bericht, der sich mit dem Finanzamt Salzburg-Stadt sowie Salzburg-Land befasst, ein. Es geht um die Vergabe und Löschung von Steuernummern und von UID-Nummern.

Vorweg gleich einmal: Die Hälfte der Empfehlungen wurde nicht umgesetzt. Das Bun­desministerium für Finanzen hat zwar intern und auf nationaler Ebene einen Leitfaden zur Begrenzung der UID-Nummern erstellt, aber das war schon eine der wenigen Maß­nahmen, die aufgegriffen wurden.

Ich gehe auf einen Punkt näher ein, und das sind die Antrittsbesuche. Sie wissen, wenn sich ein Unternehmen neu gründet, kommt normalerweise ein Finanzbeamter vorbei, schaut, wer da dahintersteht, ob es dieses Unternehmen tatsächlich gibt; also eine Maßnahme, die im Hinblick auf künftige Steuereinnahmen sehr relevant ist. Jetzt wurde im Rechnungshofbericht aufgezeigt, dass das Ministerium die Sollzahlen in die­sem Bereich, nämlich für die Antrittsbesuche, gesenkt hat; und das Bundesministerium für Finanzen evaluiert auch nicht die erfolgten Antrittsbesuche. Es ist natürlich schade, wenn kein Antrittsbesuch erfolgt, denn dann weiß man nicht, ob die Angaben, die man erhalten hat, überhaupt stimmen. – Woran liegt das? Liegt das daran, dass die Finanz­verwaltung vielleicht personell unterausgestattet ist?


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Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Recht verlangt man vom Staat, dass Verwaltung straff und gut funktioniert, gut organisiert ist. Aber der Staat, und in dem Fall meine ich jetzt die Finanzverwaltung, braucht auch Personen, die diese funktionierende Verwal­tung gewährleisten. Der Staat hat auf vorgesehene Steuereinnahmen – in diesem Fall – zu achten. Es macht also wirklich Sinn, die Finanzverwaltung mit Personen und Dienstleistungskapazitäten auszustatten, die die Verwaltung entsprechend umsetzen, in dem Fall auch die Antrittsbesuche durchführen können. Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass Verwaltungstätigkeit ordentlich ausgeführt werden kann und Antritts­besuche de facto erfolgen – relevant für künftige Steuereinnahmen. Da geht es um ei­ne funktionierende Verwaltung, da geht es um Arbeitsplätze in der Verwaltung und da geht es letztendlich um Steuergerechtigkeit. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hau­ser. – Bitte.


22.04.05

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir die Ös­terreichische Studentenförderungsstiftung etwas näher angeschaut, weil mich das in­teressiert hat. Auf der Tagesordnung findet sich die Follow-up-Überprüfung aus dem Jahr 2017, der Prüfbericht an sich stammt aus dem Jahr 2015.

Worum geht es bei dieser Studentenförderungsstiftung? – Das ist die zweitgrößte Trä­gerorganisation von Studentenheimen, die im Jahr 1957 von der Österreichischen Hochschülerschaft gegründet wurde, in etwa zwölf Standorte mit ungefähr 2 100 Heim­plätzen betreibt und in etwa mit einer Bilanzsumme von 55 Millionen Euro ausgestattet ist. – Nur damit die Zuhörer wissen, worüber wir hier sprechen.

Was hat der Rechnungshof im ursprünglichen Bericht kritisiert? – Dass sich eben diese Stiftung nicht an den Stiftungszweck gehalten hat und die Heimplätze nicht nach so­zialer Bedürftigkeit und nach Studienerfolg vergeben hat. Der Stiftung war es wichtig, möglichst viel Nettoeinkommen zu erzielen, die Heimplätze permanent zu vermieten, allerdings wurde dabei nicht auf die soziale Bedürftigkeit geschaut.

Das hat der Rechnungshof in seinem Bericht 2015 kritisiert. Bei der Valorisierung ist herausgekommen, dass diese Kritik ernst genommen wurde und dass jetzt natürlich der Nachweis des Nettoeinkommens erforderlich ist; was ursprünglich auch im Stif­tungszweck so festgehalten wurde.

Der zweite Punkt, der vom Rechnungshof kritisiert wurde, betrifft die Spekulationsge­schäfte. So hat diese Studentenstiftung in den Jahren 2006 und 2008 jeweils drei Spe­kulationsgeschäfte mit Derivaten im Umfang von 14 Millionen Euro durchgeführt. Drei mal 14 Millionen Euro sind 42 Millionen Euro – bei einer Bilanzsumme von etwa 55 Mil­lionen Euro, das muss man sich vorstellen! Also anstatt den Stiftungszweck umzuset­zen, wurde massiv spekuliert – und man hat sich verspekuliert! Der Verlust betrug 2,4 Mil­lionen Euro; davon 200 000 Euro Rechtsanwaltskosten, die erforderlich waren, um die größte Misere zu verhindern.

Bei der Überprüfung, ob der Geschäftsführer rechtlich belangt werden kann, ist man draufgekommen, dass dieses Vergehen leider Gottes verjährt war und der Ge­schäftsführer nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Fakt war, und das ist im ursprünglichen Prüfbericht richtigerweise kritisiert worden: Der Geschäftsführer hat die Entscheidungen zu diesen Spekulationsgeschäften allein getroffen. Das wurde zu Recht vom Rechnungshof kritisiert.

Was hat die Follow-up-Überprüfung ergeben? – Es wurde auch diese Kritik richtiger­weise aufgenommen. Zukünftig darf ein Geschäftsführer nicht ohne Zustimmung des


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Kuratoriums – no na ned, sage ich jetzt einmal dazu – solche irrsinnigen Spekulations­geschäfte durchführen.

Also unter dem Strich: Frau Präsidentin, die Kritik des Rechnungshofes hat gewirkt, ei­nerseits werden jetzt die Studentenplätze nach sozialer Bedürftigkeit vergeben und an­dererseits sind absurde, perverse – Entschuldigung! – Spekulationsgeschäfte so nicht mehr möglich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hanger gelangt zu Wort. – Bitte sehr. (Ruf: Eh schon das zweite Mal!)


22.07.54

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Danke für die Einbegleitung. – Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir debattieren unter den Tagesordnungspunkten 22 bis 28 sehr unterschiedliche Berichte des Rechnungshofes. Ich habe mir den Bericht betref­fend Neuaufnahmen, Vergabe und Löschung von Steuer- und UID-Nummern ausge­wählt. Beim ersten Hinsehen ist er relativ unspektakulär, es geht um Verwaltungs­fragen, bei näherer Betrachtung sieht man aber dann doch, dass es eigentlich um eine sehr große Dimension geht.

Was sind UID-Nummern? – UID-Nummern sind Registrierungsnummern, die die Unter­nehmen brauchen, um auf der einen Seite Vorsteuerabzug geltend machen zu können und mit Mehrwertsteuer zu fakturieren. Unternehmen brauchen bei grenzüberschrei­tendem Waren- und Dienstleistungsverkehr UID-Nummern, wenn sie das mehrwert­steuerbefreit machen wollen; es müssen beide, der Absender der Ware und der Emp­fänger der Ware, über eine UID-Nummer verfügen.

Wenn man nun weiß – und sich auch die Berichte der Europäischen Kommission an­schaut –, dass das Thema Mehrwertsteuerbetrug auf der europäischen Ebene ein sehr großes ist – die Europäische Kommission schätzt den Ausfall auf in etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr –, dann misst man diesem Thema der UID-Nummern doch sehr, sehr große Bedeutung zu. Es gibt eine Expertise des Rechnungshofes, die in enger Koope­ration mit dem BMF diesbezüglich eingebracht wird. Die Prüfung, über die wir heute debattieren, war ja auch eine Follow-up-Überprüfung, bei der das BMF und Finanzäm­ter in Salzburg überprüft worden sind. Und da wurde gemeinsam schon einiges auf den Weg gebracht, etliche Empfehlungen des Rechnungshofes wurden umgesetzt.

Aber von ganz zentraler Bedeutung ist auch – das haben wir auch schon bei anderen Tagesordnungspunkten diskutiert –, dass ja gerade auch während der EU-Ratspräsi­dentschaft Österreichs die Themen Gewinnverschiebung, Steuerbetrugsbekämpfung ganz oben stehen. Da konnten die Empfehlungen des Rechnungshofes aufgenommen, im Europäischen Rat, im informellen Ecofin-Rat weiterentwickelt werden, und es gibt das klare gemeinsame Ziel, wirklich vehement gegen diesen Mehrwertsteuerbetrug auf­zutreten.

Hier wurden auch bereits erste Erfolge erzielt. Man kommt bei diesem Thema in die technische Umsetzung. Ich darf mich in diesem Zusammenhang auch beim Rech­nungshof für die Expertise, die er da einbringt, bedanken.

Mehrwertsteuerbetrug auf europäischer Ebene zu bekämpfen ist sicher ein gemein­sames Ziel, und der Rechnungshofbericht war sicher auch eine gute Grundlage dafür, dass wir hier einen Schritt weiterkommen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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22.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prei­ner. – Bitte.


22.10.13

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich auf den Rechnungshofbericht betreffend Gartenbauzentrum Schönbrunn; Gewinnung von Orthofotos auf Ebene des Bundes.

Der Rechnungshof überprüfte im vergangenen Jahr, im März und April 2017, die Ge­barung des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft im Zusammenhang mit der Pflege und Erhaltung historischer Gärten und Pflanzensammlungen im Eigentum des Bundes. Ziele dieser Gebarungsprüfung waren die Bewertung der Zusammenlegung der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau mit den Österreichi­schen Bundesgärten, die Bewertung der Aufgabenerfüllung sowie der finanziellen Si­tuation. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2013 bis Beginn 2017.

Der Rechnungshof stellte diesbezüglich fest, dass die Kosten für Forschung bei der Bundeslehr- und Forschungsanstalt teilweise nicht nachvollziehbar waren, die Aufga­ben der Bundesgärten nicht gesetzlich definiert waren und der Betrieb der Werkstätten weder dem Stand der Technik noch einer geordneten Verwaltung entsprach.

Kolleginnen und Kollegen! Des Weiteren sprach der Rechnungshof sage und schreibe 69 Empfehlungen für den Bereich des ehemaligen Ministeriums für Land- und Forst­wirtschaft aus. Ich möchte Ihnen hier nur einen kurzen Auszug aus diesen Empfeh­lungen darbieten:

Das Aufgabenspektrum der Bundesgärten sollte genau definiert werden.

Vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort – das ist in diesem Fall das Nachfolgeministerium des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, weil es von diesem manche Agenden übernommen hat – sollten möglichst genaue und aktuelle Planunterlagen der von den Bundesgärten betreuten Liegenschaften eingefor­dert werden.

Der Bewertungsschlüssel für die Botanischen Sammlungen sollte überarbeitet werden.

Und es wäre natürlich auch eine Analyse des Personalbedarfs durchzuführen.

Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich glaube, es wäre nicht schlecht, wenn Sie uns darüber informieren würden, wie viele Empfehlungen davon bereits umgesetzt sind beziehungsweise sich in Umsetzung befinden.

Noch ein kurzes Wort zur Gewinnung von digitalen Luftbildern und Orthofotos: Diesbe­züglich gab es zwischen 2013 und 2015 Überflüge über das gesamte Bundesgebiet. Es wurde festgestellt, dass die Luftbilder qualitativ bessere Bilder als Satellitenbilder sind. Das kann unter Umständen auch ausschlaggebend dafür sein, dass der EU-Rechnungshof meinte, dass es zu Ungereimtheiten bei der Flächenförderung von Alm­flächen gekommen ist, und im laufenden Jahr 2018 die große Gefahr besteht, dass sei­tens der Republik Österreich ein hoher Betrag – man spricht von 7, 8 oder sogar 9 Mil­lionen Euro – an die EU refundiert werden muss, und dies natürlich nicht von den be­troffenen Betrieben, sondern von der öffentlichen Hand, der Republik Österreich.

Kolleginnen und Kollegen, das ist Geld unserer österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, Frau Rechnungshofpräsidentin, diesbezüglich müsste noch eine Follow-up-Prüfung erfolgen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Herr Kollege, hast du geschlafen, als wir das ...gesetz geändert haben? – Abg. Preiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Fühlst du dich betroffen, Herr Kollege?)


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22.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Lintl zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.13.41

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Ich beziehe mich auf den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gar­tenbauzentrum Schönbrunn.

Im Frühjahr 2017 hat der Rechnungshof die Gebarung des Landwirtschaftsminis­teriums im Zusammenhang mit der Pflege und Erhaltung historischer Gärten und Pflan­zensammlungen, die im Eigentum des Bundes sind, überprüft. Die Bundesgärten um­fassen sieben der wertvollsten historischen Gärten und Gartenanalgen Österreichs: die ehemaligen habsburgischen Gärten in Wien und Innsbruck. Dazu gehören der Au­garten, der Belvederegarten, der Burggarten, der Volksgarten und der Schlosspark Schönbrunn in Wien sowie der Hofgarten Innsbruck und der Schlosspark Ambras. Im Jahr 2016 wurden die Österreichischen Bundesgärten mit der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau, die für Lehre und Forschung im Bereich des Gartenbaus verantwortlich ist, zusammengeführt.

Der Rechnungshof übt scharfe Kritik an ebendieser Zusammenlegung der beiden Dienststellen. Sie brachte fast keine strukturellen Veränderungen, die operativen Pro­bleme wurden nicht gelöst. Trotz der organisatorischen Zusammenlegung der Verwal­tung, durch die zwar der Posten der Direktorin eingespart wurde, ist insgesamt aber der Personalstand sogar leicht gestiegen.

Auf die zahlreichen anderen Empfehlungen ist mein Vorredner schon eingegangen, und daher möchte ich sagen: Selbst dann, wenn alle diese Empfehlungen des Rech­nungshofes umgesetzt werden und die Verwaltung besser funktioniert, lohnt es sich doch, auch einen Blick ins Ausland zu werfen und zu schauen, wie historische Gärten dort verwaltet werden.

Historische Gärten sind in der Organisation meist Schlossverwaltungen angeschlos­sen, da Schloss und Garten insbesondere im Barock oft ein gestalterisches Ganzes bil­den. In Deutschland arbeitet der Facharbeitskreis Schlösser und Gärten für den Erhalt der historischen Gärten; zusätzlich gibt es zahlreiche private Stiftungen, die mit hohem finanziellem Aufwand agieren. In Großbritannien werden die historischen Gärten von besonderem Interesse gemäß dem National Heritage Act in einem amtlichen Verzeich­nis geführt. Aber auch in Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden, in ganz Europa ist man sich des Schatzes der historischen Gärten und Anlagen bewusst.

Daher hat das Internationale Komitee für historische Gärten, Icomos-IFLA, in der Char­ta von Florenz schon im Jahr 1981 folgenden Beschluss gefasst:

„Historische Gärten gehören zu den Elementen des kulturellen Erbes, deren Fortbe­stand naturbedingt ein Äußerstes an unablässiger Pflege durch qualifizierte Personen erfordert“, und zwar „von Historikern, Architekten, Landschaftsarchitekten, Gärtnern und Botanikern“ gemeinsam.

Wir sehen also, der Erhalt historischer Gärten geht weit über eine gute und effiziente Verwaltung, wie der Rechnungshof sie empfiehlt und die auch unabdingbar ist, hinaus.

Ich bin überzeugt, sehr geehrte Damen und Herren, dass unsere neue dafür zustän­dige Ministerin, Elisabeth Köstinger, sich dieser Aufgabe bewusst ist und dass sie be­sonderes Augenmerk auf die historischen Gärten und Gartenanlagen lenkt. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.17

22.17.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünschen die Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich getrennt vornehmen darf.


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Zu Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht be­treffend Entwicklung ausgewählter Forschungsprogramme des Bundes, III-95 der Bei­lagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer damit einverstanden ist, ihn zur Kenntnis zu nehmen, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Österreichische Studentenförderungsstiftung, Follow-up-Überprüfung, III-127 der Bei­lagen, ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf darüber abstimmen lassen. – Auch das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Neuaufnahmen, Vergabe und Löschung von Steuernummern und Umsatzsteuer­identifikations-Nummern; Follow-up-Überprüfung, III-128 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ihn zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wieder ein­stimmig.

Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Rechnungshofsauschusses, den Bericht betref­fend den Uni.PR – Verein zur Förderung der Öffentlichkeitsarbeit der österreichischen Universitäten, III-135 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer diesen zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 26: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Auswirkungen des Kollektivvertrags für ArbeitnehmerInnen der Universitäten; Fol­low-up-Überprüfung, III-140 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ihn zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 27: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Gartenbauzentrum Schönbrunn; Gewinnung von Orthofotos auf Ebene des Bun­des, III-170 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ihn zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend FWF – Internes Kontrollsystem; Follow-up-Überprüfung, III-172 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ihn zur Kenntnis nimmt, den bitte ich ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist geschehen.

Die Tagesordnungspunkte sind einstimmig beschlossen.

Ich darf mich noch bei der Präsidentin des Rechnungshofes, Frau Mag. Kraker, recht herzlich für ihre Anwesenheit bedanken (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, NEOS und Liste Pilz) und ihr ein gutes Nachhausekommen wünschen.

22.19.5029. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Bürgerinitiativen Nr. 20, 25, 45 und 46 (299 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Noll. – Herr Abgeordneter, ich darf Sie an das Rednerpult bitten und Ihnen das Wort erteilen.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 250

22.20.26

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Josefsplatz scheint schon der Vollmond. Nach gut 13 Stunden nähern wir uns dem Höhepunkt der heutigen Versammlung.

Zu den Bürgerinitiativen 20, 25, 45 und 46:

Selbstverständlich haben wir zugestimmt, die Bürgerinitiative zur Erhaltung des Botani­schen Gartens Schönbrunn zur Kenntnis zu nehmen und damit zu erledigen – gar kein Problem.

Wir haben auch zugestimmt, die Bürgerinitiative „Wohnen darf nicht arm machen!“ dem Bautenausschuss zuzuweisen. Ein bisschen beschämend für dieses Haus ist, finde ich, dass es eine Bürgerinitiative der KPÖ braucht, damit wir uns diesem Thema nä­hern (Ruf bei der ÖVP: Das wart eh ihr!) und im Bautenausschuss noch weiter darüber ins Einvernehmen setzen werden.

Ein Problem haben wir damit, die Bürgerinitiative „gegen Hetze“ einfach so zur Kennt­nis zu nehmen, weil wir meinen, da hätte es schon gutgetan, das dem Justizausschuss zuzuweisen. Ich erinnere an das Problem des Haftungsprivilegs bei elektronischen Medien. Ganz Europa diskutiert über dieses Thema – offensichtlich wollen wir das nicht tun. Ich erinnere an die Frage, wie wir mit dem § 111 Abs. 3 StGB umgehen. Das Verfahren Sigi Maurer hat gezeigt, dass es Probleme mit der verfassungskonformen Interpretation dieser Bestimmung gibt.

Zu guter Letzt – um Sie nicht allzu lange hier in den Hallen quasi zu binden – ein Wort zur Bürgerinitiative über die Aufsystematisierung der Polizeiinspektion Telfs: Also wer dieses bescheuerte Wort erfunden hat, der gehört in den Maßnahmenvollzug der Sprachpolizei. Ich weigere mich, derartige Vokabel hier im Nationalrat zu verwenden. Unter Systematisierung versteht man normalerweise, dass disparate Elemente nach bestimmten Kriterien geordnet werden. Was eine Aufsystematisierung sein soll, das kann kein Mensch wissen, weil das einfach Blödsinn ist. Ich habe deshalb als Einziger natürlich dagegengestimmt. Derartige Wörter sollten wir hier nicht verwenden, sie sind einfach Schwachsinn.

Ich nütze diese Gelegenheit, um uns alle daran zu erinnern, dass wir etwas sorgsamer mit der Sprache umgehen sollten. In vielen gesetzlichen Bestimmungen finden sich Formulierungen, die nur ganz entfernt etwas mit dem üblichen Gebrauch der deut­schen Sprache zu tun haben. Darauf sollten wir mehr als bisher das Augenmerk le­gen. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Jaro­lim: Aber so kann es ... zur Norm werden!)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofin­ger. – Bitte.


22.23.18

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Ja, wir diskutieren heute den Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen.

Wir hatten in der letzten Ausschusssitzung über 30 Punkte, und ich möchte vier Bür­gerinitiativen beziehungsweise einer Petition eine Stimme geben. Ich möchte mit der Bürgerinitiative „Fakten statt Hetze“ anfangen, einer Bürgerinitiative, die wir mehrheit­lich – das stimmt – zur Kenntnis genommen haben, weil wir der Meinung sind, dass ethische Grundsätze für alle Medien gelten müssen.

Dieses Thema wird uns auch in Zukunft besonders beschäftigen. Die Medienlandschaft verändert sich massiv. Fake News, Falschinformationen, ungefilterte Nachrichten wer-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 251

den immer mehr zu einem Teil unserer täglichen Informationen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass viele Jugendliche nur über Facebook oder Twitter, oder welche ande­ren sozialen Medien auch immer, die Informationen erhalten. Wenn diese nicht gefiltert und bearbeitet und recherchiert werden, besteht da schon die Möglichkeit einer Mani­pulation, und ich glaube, gerade da sind wir den Jugendlichen gegenüber auch ver­pflichtet, unbedingt eine gute Regelung zu finden, denn viele wissen nicht, was rech­tens ist und was nicht rechtens ist. Genau da müssen wir auch in den Schulen an­fangen.

Zu dieser Thematik leisten viele Lehrerinnen und Lehrer gute Bewusstseinsbildung, und in der Medienarbeit in der Schule wird viel gemacht, aber es besteht sicher noch viel Aufholbedarf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Eine weitere Bürgerinitiative, die wir zur Kenntnis genommen haben, betrifft die Erhal­tung des Botanischen Gartens in Schönbrunn. Wir haben dazu sehr viele Stellungnah­men eingeholt, und ich möchte in diesem Zusammenhang Kollegen Gerstl hervorhe­ben, der sich in dieser Frage persönlich sehr engagiert hat. Aufgrund der zahlreichen Stellungnahmen und der Zusicherung des Tiergartens Schönbrunn, der sich dazu ge­äußert hat, den Botanischen Garten nicht zu gefährden, hat sich dieses Thema sozu­sagen erledigt. Deswegen haben wir diese Bürgerinitiative zur Kenntnis genommen.

Eine weitere Bürgerinitiative ist dem Anliegen „Wohnen darf nicht arm machen!“ ge­widmet. Bei einem der vorhergegangenen Tagesordnungspunkte wurde dieses Thema schon im Zusammenhang mit den gemeinnützigen Wohnbauten gut besprochen. Ich glaube, es bedarf da vielfältiger Maßnahmen, um dies umzusetzen, wozu auch das neue Mietrecht einen Beitrag leisten kann.

Eine Petition, die mir persönlich ein großes Anliegen ist, weil es sich dabei auch um ein oberösterreichisches Anliegen handelt, möchte ich hier noch thematisieren. Es geht dabei um die Erhaltung der Integrationsklassen an Sonderschulen.

Hiezu gibt es eine sehr aktive Elterninitiative, und ich möchte diesen Eltern persönlich sehr herzlich für ihr Engagement danken. Lehrer, Schüler wie auch Eltern sind schon das vierte Mal bei uns hier in Wien gewesen. Bei der letzten Sitzung waren sie mit 250 Personen bei uns und haben bei einer Podiumsdiskussion unsere Meinung erfragt. Ich möchte mich da auch bei den anderen Fraktionen recht herzlich bedanken, beim Kollegen Bernhard und auch bei unserer früheren Bildungsministerin Hammerschmid, denn bei dieser Podiumsdiskussion konnten wir diesen Eltern die Ungewissheit schon etwas nehmen. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr für dieses spezielle Thema noch eine Lösung zustande bringen.

Nochmals herzlichen Dank an die Elterninitiative, dass sie sich da so stark organisiert und engagiert hat!

Ich möchte aber auch den Bürgern insgesamt dafür danken, dass sie das demokra­tische Instrument der Bürgerinitiativen und Petitionen so gut nutzen. – In diesem Sinne: Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.


22.27.14

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bürgerinitiativen und Petitionen haben natürlich den Zweck, die direkte De­mokratie auch in das Parlament zu tragen. Es freut mich natürlich, dass wir interfrak­tionell, mit allen Fraktionen, so weit übereingekommen sind, dass bereits im ersten Quartal 2019 bei der ersten Sitzung des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitia-


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tiven hier im Parlament auch ein Hearing stattfinden wird, und zwar auf Initiative der Oppositionsparteien, wobei Kollege Bernhard natürlich federführend war. Recht herzli­chen Dank auch allen anderen Fraktionen – das ist ein positives Beispiel dafür, wie man mit diesen Dingen umgehen kann.

Was mich aber trotzdem betrübt stimmt, ist natürlich der Umstand – Herr Kollege Ho­finger hat es angeschnitten –, dass zwar über 30 Punkte auf der Tagesordnung des Ausschusses waren – das ist richtig –, dass es uns aber leider nur gelungen ist, drei zur Kenntnis zu nehmen und eine Zuweisung zu machen. Zu einem Punkt hat eben die Stellungnahme gefehlt, aber alle anderen Punkte, und das darf man nicht vergessen, sind einfach vertagt worden. Die sind also auf den Sankt-Nimmerleins-Tag aufgescho­ben worden, und so geht man eigentlich mit der direkten Demokratie, wenn man sie wirklich ernst nimmt, nicht um. (Beifall bei der SPÖ.)

Was uns aber besonders betrübt, ist ein wesentlicher Punkt – da verstehe ich natürlich die Haltung der ÖVP nicht; bei der FPÖ wundere ich mich überhaupt nicht mehr –: Wenn wir von Hetze in den Medien, aber auch von Hetze in Social Media sprechen, dann hätten wir - - (Abg. Hafenecker: Dann denken Sie an den Herrn Kaiser!) – Na ja, genau! (Abg. Hafenecker: Oder an den Herrn Kollross!) Es gibt genug Beispiele, aber wir sollten diese Beispiele heranziehen, wir sollten jene Bürgerinitiativen ernst nehmen. Es kann jeden von uns treffen, jeden einzelnen – nicht nur Frau Maurer, wie es von Herrn Noll schon angesprochen wurde, sondern es hat auch, daran möchte ich er­innern, Frau Köstinger als Ministerin getroffen. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.)

Ja, Sie würgen das immer so ab. Es ist eine Bürgerinitiative, und die sollten wir ernst nehmen. Was hindert uns, bitte, daran, sie dem Justizausschuss als Gegenstand einer normalen Debatte zuzuweisen und sie dort zum Anlass zu nehmen, über die Strafen zu diskutieren? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Aber nein, dazu hört man von der FPÖ nichts! Das finde ich wirklich beschämend – und im gleichen Atemzug erheben Sie genau vor Ihrer Klientel die Forderung nach Öff­nung und Ausweitung der direkten Demokratie.

Ich möchte nur daran erinnern: „Don’t smoke!“ – weg. Alle anderen Dinge – weg. So viel hält die FPÖ von der direkten Demokratie! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe ÖVP, lasst euch das nicht gefallen, denn die Bürgerinitiative gegen Hetze im Netz sollten wir alle sehr, sehr ernst nehmen und auch dementsprechend die Strafen - - (Abg. Hafenecker: ... eine große Lücke hinterlassen!)

Herr Kollege, stellen Sie sich doch hier heraus und stellen Sie sich Ihren eigenen Fra­gen! Sie stellen sich her und sagen: Bitte öffnen wir die direkte Demokratie! Wenn es dann aber darauf ankommt, wenn Bürgerinitiativen zu Recht hier eingebracht werden, dann stellen sich die gleichen Personen hierher und sagen: Nein, das brauchen wir nicht, das weisen wir nicht einmal zu. Sie vertagen das Ganze. Ist das eine Lösung? Ist das die Lösung, die Sie sich vorstellen? – Na gratuliere. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll. – Abg. Mölzer: Wir vertagen nicht!)

Wir haben dazu einen anderen Zugang und wir werden in der Opposition beweisen, wie ernst wir das nehmen. Wir werden auch das nächste Mal diesen Antrag einbringen und dann werde ich Ihre Meinung hören. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll. – Abg. Hafenecker: Nehmen Sie Ihre eigene Meinung ernst? – Abg. Rosenkranz: Nehmen Sie sich selbst ernst? – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ro­senkranz: Sie werden in der Opposition noch lange Zeit haben!)

22.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wagner. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 253

22.30.33

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Zuse­her! Ja, wir behandeln heute vier Bürgerinitiativen, und auf eine möchte ich besonders eingehen, da es den Anschein hat, dass diese parteipolitisch motiviert ist, und zwar die Bürgerinitiative „Fakten gegen Hetze“.

Wissen Sie, was ich nicht verstehe? – Dass sich viele Menschen für die Meinungsfrei­heit einsetzen, aber wenn es nicht in ihr Weltbild passt, wird es leichtfertig als Hetze bezeichnet. (Beifall bei der FPÖ.)

So auch in diesem Punkt. Bei dieser Bürgerinitiative wurden dezidiert zwei Zeitungen herausgepickt, die sich der Meinungsfreiheit verschrieben haben, und jetzt wird be­hauptet, dass diese Medien Fehlinformationen verbreiten. Kaum gibt es nicht die glei­chen Anschauungen zu einem Thema, heißt es gleich, die Informationen sind falsch und es wird gehetzt. (Abg. Schieder: Das ist genau das, was Sie gerade machen! – Abg. Hafenecker  in Richtung SPÖ –: Und Ihr „Kontrast“-Blog?)

Meine Damen und Herren! Ja, ich bin auch gegen Hetze! Es kann aber nicht so sein: Wenn eine Kritik von der linken Seite kommt, nennt man es Meinungsfreiheit, und wenn eine Kritik von der rechten Seite kommt, wird es als Hetze hingestellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ja, ich gebe der Bürgerinitiative in einer Sache völlig recht: Ich bin auch für mehr Fakten und gegen Hetze. Und wenn jemand die Gesetze nicht einhält, dann muss derjenige auch mit Konsequenzen rechnen. Aber es darf keinen Unterschied machen, ob die Hetze gegen links oder gegen rechts gerichtet ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich würde mir auch wünschen, dass alle Medien genauer recherchieren, dann kann es auch nicht zu Falschmeldungen und Missverständnissen kommen. (Abg. Schieder: ... Fakten!) Ich betone: alle Medien. Ich habe selbst schon erlebt, dass etwas schlecht recherchiert wurde, aber die Richtigstellung interessiert dann meist niemanden mehr.

Meine Damen und Herren! Man sollte immer fair und mit offenen Karten spielen, egal, ob der politische oder andere Bereiche betroffen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Michael Bern­hard. – Bitte.


22.32.53

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinitiative „Fakten gegen Hetze“ war gerade The­ma. Ich möchte da ein paar Dinge geraderücken. (Abg. Kirchbaumer: Ja bitte!) Was hat die Bürgerinitiative ganz konkret gefordert? Sie heißt übrigens im Vollen „Maßnah­men für die Einhaltung ethischer Grundsätze in den Medien setzen“. Das ist noch nicht explizit gegen links oder rechts. Ethisch heißt nicht, dass es links ist. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Stefan: So intellektuell!)

„Der Nationalrat wird ersucht, Maßnahmen zu setzen, die die bewusste mediale Ver­breitung von Fehlinformationen härter bestraft, die den Zweck erfüllt Angehörige einer ethnischen, religiösen, sexuellen o.a. Gruppe pauschal zu diffamieren.“ – Das ist ein­mal die ganz grundsätzliche Forderung, die, glaube ich, noch nicht auf links oder rechts deutet und die hoffentlich die Mehrheit der Abgeordneten hier auch unterschreiben kann. (Abg. Stefan: „Aber“!)

Aber – danke für diesen Einwand –: Wie geht es dann weiter? – Ich nehme die me­dialen Plattformen kurz heraus und werde sie dann am Schluss nennen, damit man


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das Ganze gut auflösen kann. – „Plattformen [...] verbreiten, verkleidet als Nachrich­tenplattformen, Fehlinformationen, politisch motivierte Werturteile und konstruieren durch die Montage von aus dem Kontext gerissenen Bildern, Statistiken und Kolumnen den Eindruck eines objektiven Nachrichtenmediums.“ (Abg. Hafenecker: Also der ORF zum Beispiel!) „Dies sollte in Zukunft nicht mehr möglich sein.“ – Das ist der konkrete Wunsch der Initiatorinnen und Initiatoren an den Nationalrat. (Abg. Hafenecker: Was tun wir mit dem ORF?)

Ich habe zwei Punkte vergessen – danke, Herr Kollege Hafenecker, dass Sie das er­wähnen –, nämlich die Medien, die Sie sehr schätzen, über die Sie gesagt haben, die setzen sich für die Meinungsfreiheit ein, und die hier zitiert werden. Das ist „unzensu­riert“ und das ist „Wochenblick“. Man möge sich über diese beide Medien vielleicht selbst ein Bild machen. (Abg. Hafenecker: Genau das machen Sie ja, das ist ja das Problem! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Jetzt kommt der Clou an der Geschichte: Das war die Forderung der Initiatorinnen und Initiatoren. Was war der Grund, warum diese Forderung an den Nationalrat mit Mehr­heit von ÖVP und FPÖ abgelehnt wurde? (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wort­wörtlich war der Grund für die Kenntnisnahme – und das ist eine große Ausnahme, weil normalerweise jede Initiative an den Fachausschuss, der diesbezüglich der Jus­tizausschuss gewesen wäre, weitergeleitet wird –, den die Regierungspartei FPÖ ge­nannt hat: Diese Initiative sei politisch motiviert und richte sich im Wesentlichen gegen ihre Fraktion. (Abg. Hafenecker: Nein, gar nicht! – Zwischenrufe der Abgeordneten Mölzer und Schieder.)

Das ist natürlich sehr spannend. Wenn ich nämlich jetzt noch einmal diesen ersten Satz vorlesen würde, dann würden man hören, dass es dort heißt, dass es darum geht, dass im Netz nicht diffamiert werden soll, dass man gegen Hetze vorgehen soll und dass man sich anschauen soll, wie in den sozialen Medien Wahrheit betrachtet und verbreitet wird. (Die Abgeordneten Hafenecker und Mölzer: Man muss es eben ehrlich meinen!)

Das ist ein Armutszeugnis für eine Regierungsfraktion. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist auch ein Armutszeugnis für die ÖVP, die tatsächlich ein gemeinsames Ver­ständnis bricht – nämlich dass wir parlamentarische Bürgerinitiativen in den Fachaus­schuss weitergeben –, nur um den Freiheitlichen den Rücken freizuhalten, was die Hetze betrifft. Das ist tatsächlich ein Thema. (Abg. Martin Graf: Aber geh! – Zwischen­rufe der Abgeordneten Lausch und Hafenecker.)

Ja, das ist ja - - (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ihr kommt ja gleich wieder mit der Hetze. (Ruf bei der FPÖ: Das fängt ja gut an!)

Nein, jetzt ganz im Ernst: Was Sie hätten machen können, ist, dass Sie das an den Justizausschuss weitergeben. (Abg. Lausch: Für was?) Sie hätten dort auch Ihre Re­den halten können, dass es um Linksextremismus, um radikalen Islam und Sonstiges geht. Da würden wir überall nicht widersprechen, nur Sie haben jetzt Tausende von Bürgerinnen und Bürgern damit irritiert, dass Sie sich als Regierungsfraktion nicht ein­mal einer inhaltlichen Debatte im Nationalrat zuwenden wollen. (Abg. Lausch: Das ist Ihre Meinung!) – Das ist nicht meine Meinung, das ist eine Tatsache und eben keine Verdrehung! – Wiedersehen! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 255

22.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Der Präsident gibt das Glockenzei­chen.)


22.36.59

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich darf kurz zu einer Bürgerinitiative der Marktgemeinde Telfs im Tiroler Oberland Stellung nehmen. Telfs ist eine Marktgemeinde mit 15 500 Einwoh­nern, die in den letzten Jahren sehr stark gewachsen ist. Das hat auch zu einer Zu­nahme der Kriminalität, im Speziellen bei Drogendelikten, Vandalismus und Einbruchs­diebstahl, geführt.

Der Gemeinderat hat sich mit diesem Anliegen oder dieser Problematik auseinander­gesetzt, und unter Bürgermeister Christian Härting hat es dann einen Auftrag für eine Bürgerinitiative gegeben. Diese wurde von 1 100 Gemeindebürgerinnen und -bürgern unterschrieben und hatte ganz klar zum Ziel, deutlich zu machen, dass der derzeitige Personalstand auf der Polizeiinspektion Telfs nicht ausreichend ist und dass es zu einer sogenannten Aufsystemisierung – besser wäre das Wort Aufstockung – kommen muss. Diesbezüglich hat es dann Gespräche mit der Landespolizeidirektion und mit dem Ministerium gegeben. Es ist jetzt so, dass es aufgrund der Lage und natürlich aufgrund dessen, dass das Einzugsgebiet mit 35 000 Einwohnern sehr groß ist, hier eine Aufstockung geben wird.

Der Personalmangel hat natürlich auch einige Gründe, die durchaus plausibel sind. Es hat Zuteilungen zu Spezialaufgaben gegeben. Es hat natürlich auch Karenzen von Polizeibeamtinnen gegeben. Dadurch hat es einen Minusstand, nämlich unter 25 Be­amtinnen und Beamte, gegeben. Zukünftig soll es so sein, dass es durch die Ausbil­dungsoffensive – mit 1.7.2018 stehen in Tirol 280 Beamtinnen und Beamte in Ausbil­dung, 44 oder 46 wurden bereits wieder neu dienstzugeteilt – eine Aufstockung geben wird.

Man sieht also: Das Sicherheitspaket greift. Es wird in Telfs eine Aufstockung geben, und damit wird dem Auftrag und dem Wunsch dieser Bürgerinitiative entsprochen. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, die dazu beigetragen haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lausch.)

22.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Antoni. – Bitte.


22.39.23

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! „Wohnen darf nicht arm machen!“ ist eine Bürgerinitiative, zu der ich kurz das Wort ergreife. Ich denke, gerade dieses Thema Wohnen – vor allem das leistbare Wohnen – betrifft ja wahrlich jeden Einzelnen in diesem Land irgendwann im Leben. Worum geht es im Detail? – Es geht ganz einfach um eine einheitliche niedrige Obergrenze für Mie­ten, die Abschaffung der Maklerprovisionen für Mieterinnen und Mieter. Es geht vor al­lem darum, dass es zu keiner Privatisierung öffentlichen Wohnraums kommen soll. Es soll vor allem zu einer Ausweitung des kommunalen und öffentlichen Wohnbaus kom­men.

Geschätzte Damen und Herren! Kurz zu den einheitlichen niedrigen Obergrenzen für Mieten: Man muss sich ja wirklich vorstellen, dass Menschen in diesem Land, die ge­rade einmal etwas mehr als 1 000 Euro oder vielleicht auch etwas mehr verdienen, sich heute Mietpreisen gegenübersehen, angesichts derer man wirklich der Verzweif­lung nahe ist. Bei diesen Menschen handelt es sich mit Garantie nicht um jene, bei denen Sie oft der Meinung sind, dass die keinen Beitrag leisten wollen. Nein, genau im Gegenteil, es sind Menschen, die voll erwerbstätig sind. Es sind eigentlich die Leis­tungsträger in unserer Gesellschaft. Die fragen sich natürlich heute, wie sie bei diesen Mietpreisen eine Wohnung finanzieren sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.  Zwischenruf des Abg. Zarits.)


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Meine geschätzten Damen und Herren, in der Zwischenzeit gibt es auch keinen we­sentlichen Unterschied mehr zwischen dem urbanen und dem ländlichen Raum. Daher denke ich, es ist wirklich höchst an der Zeit, dem Mietwucher quasi eine Obergrenze einzuziehen. Ich befürchte nur leider Gottes, dass mit der Regierung unter einem Bun­deskanzler Kurz – den ich übrigens schon sehr lange in diesen Räumlichkeiten nicht mehr gesehen habe – dieses Ziel in weite Ferne gerückt ist. (Abg. Martin Graf: ... Ren­di-Wagner? – Zwischenruf des Abg. Lopatka.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Schauen wir uns doch ganz einfach den Wohnungsmarkt an. Jeder hat seinen Computer, seinen Laptop vor sich, Sie können das ja selbst probieren. Der Wohnungsmarkt von heute: 2-Zimmer-Wohnung mit Bal­kon im 11. Bezirk, 57 Quadratmeter Größe: 800 Euro; 2-Zimmer-Wohnung mit Balkon in Niederösterreich: 700 Euro; und so weiter, und so weiter.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich fürchte, die Immobilienbranche wartet ver­mutlich schon hoffnungsfroh, dass diese Regierung auch den öffentlichen Wohnbau und die Gemeindebauten endlich umstrukturiert und zum Verkauf preisgibt (Ruf bei der FPÖ: ... Gagen für Geschäftsführer!), wahrscheinlich wieder zu einem Preis, wie wir ihn schon einmal unter Schwarz-Blau mit Finanzminister Grasser erlebt haben. Die Ge­richte haben ja sehr viel Arbeit damit. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und Abg. Lausch.)

Aber, meine geschätzten Damen und Herren, haben Sie sich wirklich schon einmal ge­fragt, wie es den Menschen geht, die vor dem Rauswurf stehen? – Ich denke, Sie ha­ben noch nicht darüber nachgedacht.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abschließend kann ich Ihnen sagen: Wir von der Sozialdemokratischen Partei werden ein wachsames Auge darauf haben. Wir werden aufstehen, so wie beim 12-Stunden-Arbeitstag. Wenn es notwendig ist, werden wir auf die Straße gehen, um begreiflich zu machen, dass es hier um Errungenschaften für Menschen geht, dass es um sozialdemokratische Strukturen geht, die hier vernich­tet werden und die unser aller Frieden sichern (Beifall bei der SPÖ – Zwischenrufe der Abgeordneten Zarits, Lausch und Winzig), denn es gehört einfach dazu, das Grund­recht auf Wohnen für diese Menschen in diesem Land zu sichern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Winzig: Peinlich! – Abg. Zarits: ... wenn du auf die Straße gehst!)

22.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Wassermann. – Bitte.


22.42.51

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses, die nach 22.30 Uhr noch ganz enga­giert ihren Dienst versehen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Ein Schriftstück, das die Forderungen der genannten Bürgerinitiative auflistet und beschreibt, in die Hö­he haltend:) Ich möchte heute auf die Bürgerinitiative „Wohnen darf nicht arm machen!“ Bezug nehmen. Vielen Dank an jene Personen, die diese parlamentarische Bürger­initiative im österreichischen Nationalrat eingebracht haben! Eines möchte ich aber vorab schon sagen: Diese Bürgerinitiative hat sehr viel Kritik beinhaltet. Wir von der FPÖ brauchen ganz bestimmt kein Versprechen zu brechen und müssen auch nicht aufgefordert werden, Dinge umzusetzen. Ich glaube, die Maßnahmen, die die österrei­chische Bundesregierung in den letzten Monaten umgesetzt hat – sei es jetzt das So­zialpaket, sei es das Familienpaket, sei es das Sicherheitspaket (Zwischenruf des Abg. Loacker) oder auch die heute beschlossene Reform der Sozialversicherungen –, sind alle schon große, sichtbare Maßnahmen, die zeigen, wie diese Bundesregierung ar­beitet.


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Weil ich aber auch selbst eine begeisterte Demokratin bin, verstehe ich die Initiative der KPÖ, Unterschriften zu sammeln. Ich kann diesen Enthusiasmus auch gut nach­vollziehen. Zum Inhalt dieser Bürgerinitiative möchte ich jetzt aber Stellung beziehen: Es geht um die Abschaffung der Vergebührungspflicht von Mietverträgen, die ja auch federführend von meinem geschätzten Kollegen Philipp Schrangl mitbearbeitet wurde. Das war ein gemeinsamer Beschluss im Oktober 2017 mit der SPÖ und ist bereits um­gesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben auch die Bedingungen für eine Aufweichung der Gemeinnützigkeit durch hö­here Gewinnausschüttungen verschärft. Somit sind also bereits einige sinnvolle For­derungen aus dieser Bürgerinitiative der KPÖ umgesetzt.

Ich möchte aber auch auf das Regierungsprogramm verweisen, das ja noch viel, viel weiter geht als die Punkte, die hier aufgeführt worden sind. Wir setzen uns nämlich für den Wohnbau ein, damit auch durchgreifende Sanierungen attraktiv gemacht werden. Etwas ganz Wichtiges ist auch, dass der Umweltschutzgedanke für die Verlängerung der thermischen Sanierungen berücksichtigt wird, oder auch, dass das Wohnumfeld im Falle der Sicherung von Grundstücken für den gemeinnützigen Wohnbau sichergestellt wird. Ein ganz wichtiger Punkt, den ich aber noch ergänzen möchte, ist das barriere­freie Wohnen, für das wir uns sehr stark einsetzen.

Die Freiheitlichen setzen sich – gemeinsam mit der Volkspartei – zum einen für leist­bares Eigentum ein, sie setzen sich aber zum anderen auch für leistbare Mieten ein. Das ergänzt sich, das schließt einander nicht aus, und diesem Grundbedürfnis will sich auch die Bundesregierung in Zukunft prioritär verschreiben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Erasim. – Bitte.


22.45.41

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Hohes Haus! Der Ausschuss für Bürger­initiativen und Petitionen ist aus verschiedenen Gründen ein sehr interessanter, einer­seits, weil es auf weiten Teilen ein sehr konstruktives Miteinander gibt (Abg. Hammer: Andererseits!), und andererseits, weil da immer eine breite Palette an BürgerInnenin­teressen bearbeitet und diskutiert wird.

Ich möchte mich auch an dieser Stelle den Ausführungen des Kollegen Bernhard, der hier wirklich punktgenau die Problematik der Kenntnisnahme der Bürgerinitiative „Fak­ten gegen Hetze“ geschildert hat, anschließen. Wir als sozialdemokratische Parla­mentsfraktion können diese Bedenken nur teilen. Das Problem ist nämlich, dass es zwar den § 283 StGB noch gar nicht so lange in dieser Art und Weise gibt, dass es aber gerade in den letzten Jahren – und da werden Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mir auch zustimmen – durch das schnelle, unkontrollierte Verbreiten von Nachrichten gerade auf Social-Media-Kanälen sehr wohl einen akuten Handlungsbe­darf gibt.

Das, was mich als Abgeordnete so stutzig macht, ist auch, dass Sie diesem Thema eine konstruktive Diskussion nicht nur im Petitionsausschuss verwehren, sondern auch sonst auf parlamentarischer Ebene. So möchte ich die Initiative unserer Frauenspre­cherin Gabi Heinisch-Hosek hier aufgreifen, in der es um einen Entschließungsantrag betreffend den Ausbau des Schutzes insbesondere von Frauen vor sexuellen Be­lästigungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen im Netz geht. Diesbe­züglich wurde versucht, einen Fünfparteienentschließungsantrag zu machen. Zunächst gab es Zusagen oder guten Wind dazu, aber bis heute, bis zum jetzigen Zeitpunkt kam leider von den Regierungsparteien keine Antwort. Deshalb wird es einen Dreiparteien-


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antrag geben. Das finde ich sehr schade, dass bei einem so wichtigen Thema hier keine überparteiliche Plattform im Sinne der Menschen agieren kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


22.48.07

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Auf die Peti­tionen wurde ja schon reichlich eingegangen. Ich bin ja froh, dass es diesmal nicht so viele sind, die ins Plenum gekommen sind. Eines muss man der vereinten linken Oppo­sition schon sagen, die sich da gnadenlos einhängt und auch noch eigene Interpreta­tionen einfließen lässt, wie Kollege Bernhard (Zwischenruf des Abg. Plessl):

Was fordert die Bürgerinitiative? – Seitens der Einbringenden wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen: „Der Tatbestand der Verhet­zung ist im § 283 StGB definiert, das Strafgesetz ist ein Bundesgesetz.“ – Das sagt schon sehr vieles aus. Genau so ist es. Das haben wir euch auch im Ausschuss zu er­klären versucht: Es gibt ein Gesetz, das 2016 novelliert wurde – ein gutes Gesetz, so nehme ich an, weil die Novellierung ja von der SPÖ vehementest gefordert wurde. Es wurde auch novelliert. Das ist gut so, weil natürlich auch wir gegen Verhetzung sind.

Euch sind die Medienfreiheit und der Schutz der Medien, der Schutz der Journalisten immer so wichtig. Hier werden aber zwei wie „unzensuriert“ und „Wochenblick“ ge­nannt, und plötzlich ist das egal. Plötzlich geht es dann nur mehr darum und man sagt: Ja, das muss man dem Justizausschuss schon zuweisen und da gehören die Strafen verschärft! – Nehmt ihr euch selber noch ernst? (Abg. Plessl: Ja!)

2016 wurde all das von der Bundesregierung – nämlich von Rot-Schwarz – verschärft und erweitert. In diesem Sinne glaube ich, dass man nicht alles dem Justizausschuss zuweisen muss. Wenn man Demokrat ist – und das nehme ich an, wenn man hier he­rinnen sitzt –, dann muss man halt Mehrheitsverhältnisse akzeptieren. Es wurde im Aus­schuss mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

In den letzten Jahren wurden viele Petitionen einfach zur Kenntnis genommen. Wenn man jetzt sagt, man verwehre dieser Bürgerinitiative eine parlamentarische Behand­lung, ist das ein Unsinn in sich, denn was machen wir jetzt gerade? – Wir diskutieren, wir behandeln, wir sprechen darüber. Jetzt dies einfach so dazustellen, nur weil man es gerne dem Justizausschuss zugewiesen hätte, ist einfach unredlich und nicht rich­tig. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch einmal ganz kurz zu den Ausführungen des Kollegen Noll: Seit der Ausschuss­sitzung bis zum heutigen Tag belastet Kollegen Noll das Wort Aufsystemisierung.

Es ist für Herrn Kollegen Noll ein Unwort, das es aber nicht ist. Ich erkläre es ihm ganz kurz, wie es zu diesem Wort kommt: Bei der Polizei, bei der Exekutive spricht man vom systemisierten Stand. Es gibt Planstellen – angenommen, das sind jetzt einmal 40 –, und der systemisierte Stand ist der, der wirklich zur Verfügung steht. Wenn man auf­systemisieren will, dann will man nichts anderes als Polizeimusik, Einsatzgruppe, We­ga, Cobra und so weiter wegrechnen. Man will also diejenigen, die gar nicht zur Ver­fügung stehen, weggerechnet haben und den Stand erhöhen, um den systemisierten (Zwischenruf des Abg. Noll), den tatsächlichen Stand zu heben. Sagen wir tatsäch­licher Stand, dann kann Kollege Noll besser damit leben! – Aber: Auch mit vielen Wör­tern, die Kollege Noll verwendet, können wir nicht umgehen und auch nicht leben. (Bei­fall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP sowie des Abgeordneten Bernhard.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 259

Ja, die sind uns auch zuwider, aber wir leben halt damit, also wird auch Kollege Noll mit diesem Wort weiterleben müssen. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

22.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Preiner. – Bitte.


22.52.08

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Peti­tionen und Bürgerinitiativen werden in der Regel ernst genommen. Sie sind auch wich­tige Anliegen der Bevölkerung, die vor allem im Petitionsausschuss zumindest von manchen Fraktionen ernst genommen werden. Es ist auch oft so, dass Minister oder der Bundeskanzler zu Stellungnahmen aufgefordert werden. Die Geschäftsordnung sagt, dass innerhalb von acht Wochen die Antwort an den Petitionsausschuss zurück­kommen soll. Die Praxis in der jüngeren Vergangenheit hat oftmals gezeigt, dass diese Zeit überstrapaziert wird und viele Wochen zusätzlich vergehen, bevor man überhaupt eine Antwort bekommt. Ich hoffe, dass in Zukunft die zuständigen Minister und auch der Bundeskanzler diese Frist, wenn es um wichtige Anliegen der Menschen in Öster­reich geht, ernst nehmen und der Petitionsausschuss rechtzeitig ihre Stellungnahmen zur weiteren Behandlung bekommt.

Kolleginnen und Kollegen, ich beziehe mich nun auf die Bürgerinitiative Nummer 20 bezüglich des Botanischen Gartens in Schönbrunn, einem der ältesten historischen Gärten Österreichs. Es geht darum, dass er erhalten und natürlich auch weiterhin der Öffentlichkeit frei zugänglich bleiben muss – keine Frage. Er ist Teil des Weltkulturer­bes und daher von einzigartigem, universellem Wert und natürlich auch wichtig für den Tourismus in Österreich und in Wien.

Des Weiteren beziehe ich mich auf die Bürgerinitiative Nummer 46, Wohnen muss leistbar bleiben. Hierzu sage ich klipp und klar: Selbstverständlich – und insofern muss es eine Mietobergrenze geben, aber auch Maklergebühren, die Mieter bezahlen, gehö­ren endlich abgeschafft, und Spekulationen mit Wohnungen muss in Zukunft ein Riegel vorgeschoben werden. (Ruf bei der FPÖ: Das steht aber nicht in der Bürgerinitiative! – Ruf bei der ÖVP: Und wer zahlt die Arbeit?!) Diese Bürgerinitiative wurde richtigerwei­se dem Bautenausschuss zugewiesen.

Zuletzt spreche ich auch noch die Petition Nummer 4 an. Darin geht es um eine Ver­einbarung gemäß Artikel 15a des Bundes mit den Ländern zur institutionellen Kinder­betreuung. Da ist der Bund insofern säumig, weil die 15a-Vereinbarung bereits im August dieses Jahres ausgelaufen ist und wir im Nationalrat bis dato keine Nachfolge­vereinbarung getroffen haben. Das heißt, Gemeinden und Eltern wurden über Monate hinweg im Regen stehen gelassen (Ruf bei der ÖVP: Das war im heutigen Ministerrat!) und diesbezügliche Planungssicherheit war bis vor Kurzem nicht gegeben.

In Bezug darauf, was heute im Ministerrat beschlossen wurde, muss man erst einmal sehen, mit welchem konkreten Inhalt dieser Ministerratsbeschluss in das Plenum des Nationalrates kommt. Die Petition Nummer 4 betreffend institutionelle Kinderbetreuung fordert immer noch eine Stellungnahme des Finanzministeriums ein, und auch hier ist der Finanzminister säumig. Ich hoffe also, dass Herr Finanzminister Löger doch die ei­ne oder andere Minute Zeit haben wird, eine diesbezügliche Stellungnahme an den Pe­titionsausschuss zu übermitteln, sodass diese Petition im Ausschuss weiter behandelt werden kann. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

22.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Gruber gelangt zu Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 260

22.55.31

Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann vorerst einmal den Ausführungen des Abgeordneten Noll in seiner Rede nur zustimmen, ganz egal, ob er den Botanischen Garten Schönbrunn anspricht, ob er sich gegen Hetze ausspricht oder die Forderung betreffend die Polizeiinspektion Telfs und das darin gebrauchte Wort anspricht – das erste Wort in dieser Bürgerinitia­tive, das auch ich bewusst nicht in den Mund nehme.

Ich möchte ein paar Dinge herauspicken: Zuerst ist es leistbares Wohnen, das mir als Bürgermeisterin natürlich sehr am Herzen liegt, vor allem im ländlichen Raum. Ich würde mir wünschen, dass der soziale Wohnbau auch definitiv in der Flächenwidmung ausgewiesen und verankert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist etwas, das absolut notwendig wird, um leistbares Wohnen auch anbieten zu können. Ich finde es ein bisschen eigenartig, wenn Kollegin Wassermann anspricht, dass sie sich speziell für barrierefreies Wohnen starkmacht. Das ist mittlerweile gesetz­lich verankert und sollte in Zeiten wie diesen schon jetzt eine Selbstverständlichkeit sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bauordnungen sind meiner Meinung nach auch zu überdenken. Ich rede jetzt ein­mal von Niederösterreich, wo mittlerweile die Regel der Technik und nicht der Stand der Technik in diesen Bauordnungen gesetzlich verankert ist, was es natürlich ein biss­chen kostengünstiger macht. Trotzdem sind die Bauordnungen etwas, das lebt. Mitt­lerweile kriege ich aber die Krise, wenn ich höre, dass sie leben, weil das sehr aus­ufernd ist und man auch als Bürgermeisterin immer wieder damit konfrontiert wird. Ich denke, dass man sich dazu sehr viel einfallen lassen müsste, denn wenn man pro Quadratmeter mit mindestens um die 1 000, 1 500 Euro rechnen muss, um einen Wohn­bau zu errichten, ist das schlichtweg ein Wahnsinn.

Ich möchte nun noch zum zweiten Punkt kommen, nämlich zur eingebrachten Petition „Für die Freiheit der Kunst – gegen die Verunglimpfung und Diffamierung von Künst­lerInnen!“.

Wenn Kollegin Wagner von der FPÖ hier sagt – und es fast ein bisschen wehleidig klingt –, dass sie glaubt, die Bürgerinitiative gegen Hetze und für die Setzung von Maß­nahmen für die Einhaltung ethischer Grundsätze in den Medien sei politisch motiviert, dann finde ich das ganz, ganz witzig, denn wenn mittlerweile in Österreich eine solche Petition eingebracht werden muss, weil die Freiheit der Meinungsäußerung für Künstler und Künstlerinnen einfach nicht mehr gewährt ist, dann ist das eine riesengroße Frech­heit. Das kann ich mir nicht anders erklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Insbesondere hier in Österreich, wo wir immer sehr stolz auf freie Meinungsäußerung waren, bitte ich wirklich inständig darum, das auch weiterhin so zu handhaben. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bißmann. – Bitte.


22.58.21

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Prä­sident! Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Sie immer noch hier sind! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Viele von Ihnen waren ja auch vergangenen Sonntag im Palais Niederösterreich. Wir haben die Gründung der Republik vor 100 Jahren gefeiert. Für mich war es echt ein zutiefst ergreifender Moment. Ich werde die Bilder, die Gesichter dieser 208 Abgeordneten – es war ein großes Plakat hinter uns –, die sich am 21. Ok­tober 1918 versammelt haben, um unsere erste freie, demokratische, parlamentarische Republik Österreich zu gründen, nie vergessen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 261

In den Jahren danach wurde auch der Sozialstaat gegründet, also mit vielen politi­schen Maßnahmen der Grundstein gelegt, einen modernen Sozialstaat zu gründen, von dem wir heute immer noch profitieren. Eine der wichtigsten Errungenschaften der Ersten Republik in den Jahren nach der Gründung war der Bau von Gemeindewoh­nungen vor allem im Roten Wien der Zwanzigerjahre – aber nicht nur, sondern auch in anderen Städten.

Bis zum Jahr 1934 entstanden 61 175 Wohnungen in 348 Wohnhausanlagen und 5 227 Wohnungen in 42 Reihenhaussiedlungen. Im Jahr 1934 lebte jeder zehnte Wie­ner und jede zehnte Wienerin in einem Gemeindebau. Diese Maßnahmen, die vor hun­dert Jahren gesetzt worden sind, sind für jeden oder für viele von uns heute noch spür­bar, weil durch die Durchmischung von Gemeindewohnungen mit Privatwohnungen in allen Bezirken in Wien, aber auch in anderen Städten, die Mieten stabil niedrig bleiben.

Warum ist Wien seit 2009 neunmal in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt worden? – Unter anderem auch aufgrund der günstigen Lebenskosten, und da spielen Gemeindewohnungen eine wesentliche Rolle. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese wichtige Errungenschaft der Ersten Republik – leistbares Wohnen – ist heute in Gefahr – wir haben schon einiges davon gehört –, zum Beispiel durch die Veräußerung von Gemeindewohnungen. Kollege Einwallner hat beim Rechnungshofbericht zu die­sem Thema davor gewarnt. Es geht um Immobilienhaie, die aus reiner Profitgier die Mietpreise hochpuschen, aber auch die Veräußerung von Gemeindewohnungen ist wirklich eine große Gefahr.

Um diese Gefahren abzuwehren, ist die Stadträtin der KPÖ aus Graz – Kollegin Was­sermann, diese KPÖ hat in Graz einige Jahre lang die Vizebürgermeisterin gestellt, fährt Wahlergebnisse auf kommunaler Ebene in Graz von 20 Prozent ein und hat auch 18 Jahre lang das Wohnressort in Graz innegehabt! – nach Wien gereist und hat 7 947 Unterschriften übergeben, die die Bürgerinitiative „Wohnen darf nicht arm ma­chen!“ unterstützen. Dazu gibt es ein Foto von Elke Kahr mit Doris Bures, der Zweiten Nationalratspräsidentin.

Was diese Bürgerinitiative fordert, sollte eigentlich selbstverständlich sein; Kollege An­toni hat den Inhalt schon aufgezählt. Eine Forderung wurde in der Zwischenzeit wirklich schon erfüllt, nämlich betreffend die Vergebührung der Mietverträge. Es dauert eben sehr lange, bis so eine Bürgerinitiative den parlamentarischen Prozess durchwandert. Eine wichtige Kernforderung aber ist: keine Privatisierung öffentlichen Wohnraums und Ausweitung des kommunalen öffentlichen Wohnbaus, und darauf muss man eben noch schauen und diesbezüglich muss man Maßnahmen setzen. Wohnen darf nicht arm machen!, das ist die Kernbotschaft! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Leistbares Wohnen ist ein Recht. (Abg. Neubauer: Sie müssen Kompetenzen abste­cken!) Vor 100 Jahren haben 208 Abgeordnete den Grundstein dafür gelegt – ehren wir sie, würdigen wir sie, sie haben den heutigen Sozialstaat gegründet!

Liebe Abgeordnete der FPÖ, ich habe jetzt eine spezielle Nachricht für Sie! (Ruf bei der FPÖ: Und zwar?) Sie präsentieren sich gerne als Partei des kleinen Mannes (Ruf bei der FPÖ: Unter anderem! – Abg. Zanger: Und der kleinen Frau!), es sollte Ihnen deshalb ein besonderes Anliegen sein, die Forderungen der Bürgerinitiative ernst zu nehmen. Wenn wir schon von „kleinen“ Männern reden: Geschiedene Männer, vor al­lem Familienväter, sind ganz besonders von hohen Mietpreisen und Obdachlosigkeit betroffen. Zu deren persönlicher Tragödie kommen nämlich auch die finanziellen Eng­pässe durch doppelte Wohnkosten oder Alimentezahlungen. Helfen Sie doch dem klei­nen Mann, nehmen Sie sich dessen Schicksal zu Herzen und die Vorschläge der Bür­gerinitiative ernst! (Abg. Neubauer: Welche Partei vertreten Sie denn? Sie vertreten sich selber!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 262

Es ist Ihre Aufgabe als Bundesregierung, der Wucherei am Wohnungsmarkt Einhalt zu gebieten. Leistbares Wohnen ist auch ein ideales Thema für parteiübergreifende Initia­tiven. Ich ersuche die geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Bauten und Wohnen, sich dieses Themas wirklich ernsthaft anzunehmen.

Wohnen ist ein Grundrecht (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) – es muss leistbar bleiben! – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mar­tin Graf. – Bitte.


23.03.45

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Kollegen! Immer wenn ich das Schlagwort leistbares Wohnen höre, muss ich mich zu Wort melden und habe nun auch die Gelegenheit, dazu etwas zu sagen. Wenn die Sozialdemokraten hier im Hause mit allen anderen die Woh­nungspreise monieren, dann muss ich dazu sagen: Ja, man kann natürlich gesetzliche Maßnahmen treffen, aber fangen Sie doch einmal in dem Bereich an, wo Sie Einfluss haben! Wer ist denn der größte Wohnungseigentümer in Wien, vertreten durch welche Regierungspartei? Gemeindebauwohnungen in Wien werden schier unleistbar; es sind 300 000 Wohnungen allein in Wien. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder: Schauen wir uns den genossenschaftlichen gemeinnützigen Wohnungsbereich an, der mehrheitlich im SPÖ-Einfluss steht! Wir brauchen ja nur die Funktionäre anzu­schauen, einige sitzen auch hier. Kollege Wittmann als ehemaliger Staatssekretär kann ein Lied davon singen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Politversorgung dort funk­tioniert, und der Mieter muss letztlich zahlen. Das ist ja evident. Wir können sagen, es gibt 870 000 genossenschaftliche Wohnungen in Österreich und davon stehen 500 000 im Einflussbereich der SPÖ. (Abg. Plessl: Wo haben Sie denn die Zahlen her? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir können uns einmal anschauen, welche Maß­nahmen wir dort setzen können!

Dort gibt es keine Prüfkompetenz des Rechnungshofes, obwohl öffentliche Gelder – Wohnbauförderungen – verwendet werden. Es gibt einen eigenen Prüfverband aus den Genossenschaften, der sich selbst prüft. Das muss man ändern, bitte! Man muss dort für die Kompetenz des Rechnungshofes eintreten. Das können wir doch einmal re­geln, das haben Sie bis heute nicht gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie sich anschauen: Für Rücklagen, die im gemeinnützigen Bereich gebildet werden, kann, wenn sie länger als zehn Jahre nicht in den Wohnbau zurückfließen, eine Steuer eingehoben werden. – Ich kenne überhaupt keine Kann-Bestimmung im Steuergesetz, aber hier gibt es eine! Auf unsere Anfrage an den Finanzminister schon vor einigen Jahren – und das hat sich bis heute nicht geändert –, wie viel denn unter diesem Titel schon eingenommen worden ist, schrieb er als Antwort zurück: gar nichts, null. Unsere Frage: Wieso, wie hoch sind denn die Bemessungsgrundlagen? – Ant­wort: Das können wir nicht feststellen, weil das zum Großteil Landeskompetenz ist, und die melden einfach nicht!

Dort kann man auch vieles billiger machen, dort werden auch Rücklagen gehortet, die nicht wieder zurückgeführt werden.

Wenn ich mir weiters dieses sogenannte leistbare Wohnen im sozialdemokratischen Einflussbereich des genossenschaftlichen Wohnbaus anschaue: Wenn die Kredite, die Annuitäten, zurückgezahlt sind, ist der Wohnbauträger berechtigt, bis zu 70 Prozent – und das tun alle, ohne Ausnahme – dieser Annuitäten in Form von Annuitätenfort­zahlungen weiter bei den Mietern einzuheben. Das sind Phantomkredite! Geld für Kre-


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dite, die schon zurückbezahlt wurden, darf man weiter einheben – ein Privileg, das es sonst nirgendwo gibt! Wohnen im genossenschaftlichen Bereich würde nach Rückzah­lung der Annuitäten sofort um 70 Prozent billiger werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Sorgen Sie sich in Ihrem eigenen Bereich – das ist auch eine Kann-Bestimmung –, ma­chen Sie dort Ordnung, bei der Sozialbau und wie sie alle heißen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Verwenden Sie den gemeinnützigen Wohnungsbereich nicht als Politversor­gungsinstrument, in dem ehemalige abgehalfterte SPÖ-Abgeordnete für enorm hohe Gagen in Aufsichtsräten herumsitzen, Funktionsgebühren, Chauffeure und Ähnliches beanspruchen. Kollege Wittmann weiß das ja alles, es war ja bei ihm auch so. Bei der Sozialbau werden überhöhte Gagen bezahlt, und Ähnliches mehr.

Im gemeinnützigen Wohnbausektor 870 000 Wohnungen in Österreich (Ruf bei der SPÖ: Redezeit!) und im Gemeindebausektor noch einmal 500 000 Wohnungen ös­terreichweit – da haben Sie sehr viel Einfluss. Nehmen Sie sich an der eigenen Nase, machen Sie den Wohnbau dort wieder gemeinnützig! Derzeit ist er gemein und eigen­nützig, nämlich für die SPÖ. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lausch: Gute Rede, da ist der Herr Jarolim einmal ganz ruhig! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

23.08

23.08.33


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich frage jetzt, ob die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall; sie hätte es nämlich gehabt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 299 der Beilagen hinsichtlich der Bürgerinitiativen Num­mer 20, 25, 45 und 46 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

23.09.4230. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird (373/A)


Präsidentin Doris Bures: Schließlich gelangen wir zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zunächst haben Sie, Herr Abgeordneter Dr. Zinggl, das Wort. – Bitte.


23.10.07

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Grund für meinen Initiativantrag, den wir da ganz kurz in erster Lesung besprechen wollen, ist die Beobachtung, dass es immer wieder parlamentarische Anfragen gibt, die an falsche Minister, Ministerinnen gestellt werden. Das heißt, sie liegen zwei Monate und dann kommt die Antwort: Der befragte Minister, der angefragte Minister wäre nicht zuständig. Ich glaube, das hat nichts damit zu tun, dass man irgendwie zu blöd ist und den falschen Minister, die fal­sche Ministerin befragt – kein Mensch würde den Innenminister irgendetwas zur Spa­nischen Hofreitschule fragen –, sondern das hat eher damit zu tun, dass es über­schneidende Gebiete gibt und man daher nicht genau weiß, welcher Minister, welche Ministerin zuständig ist. Es gibt auch Gesetzestexte, in denen ein Bundeskanzler vor­kommt, der verantwortlich, aber nicht operativ zuständig ist.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll43. Sitzung, 24. Oktober 2018 / Seite 264

Da gibt es also Überschneidungen, die es den Abgeordneten manchmal nicht so ein­fach machen, das richtig zu erkennen. Es ist jedenfalls nicht notwendig, deswegen zwei Monate vergehen zu lassen, um dann den Fragenden vor die Aufgabe zu stellen, seine Anfrage neuerlich einzureichen. Daher mein Vorschlag: Da die eingehenden An­fragen ohnehin sehr schnell geprüft werden, sollten sie nach Erkenntnis, dass es sich um eine falsche Adressatin, einen falschen Adressaten handelt, nach sieben Tagen an den Fragestellenden zurückgestellt werden; auf diese Art und Weise könnte die Beant­wortung beschleunigt werden. – Ich danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

23.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


23.11.57

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Zinggl hat den Antrag bereits näher erläutert, in dem es um die Verkürzung der Antwortfrist der Minister auf sieben Tage geht, wenn sie nicht zuständig sind.

Ein paar Anmerkungen erlauben Sie mir dazu: Ich appelliere schon an die Verantwor­tung der Abgeordneten dieses Hauses, dass Sie sich zuerst anschauen, welche Mi­nister zuständig sind, und dann die Anfrage an den richtigen Minister stellen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Zweiten bedanke ich mich bei unserem Präsidenten Sobotka, der bereits den Pro­zess, die Geschäftsordnung zu überarbeiten, ins Rollen gebracht hat, um die Ge­schäftsordnung in Zukunft besser lesbar zu machen. Es werden auch mehr Möglich­keiten darin enthalten sein, um hier im Parlament eine lebendige Demokratie zu ha­ben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

23.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Verena Nuss­baum. – Bitte.


23.13.09

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Antrag des Kollegen Zinggl möchte ich anmerken, dass das grundsätzlich eine durchaus überlegenswerte Forderung ist, allerdings sehe ich die Ursache dieser Forderung auch ein bissel woanders, nämlich darin, dass die Damen und Herren von der schwarz-blauen Bundesregierung Anfragen der Abgeordneten nicht unbedingt ernst nehmen. Die Antworten, wenn es überhaupt welche gibt, sind aussagelos und unvollständig.

Ich möchte daran erinnern, dass die Bundesregierung die Exekutive im Staat ist. Das bedeutet, dass wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Parlamentarierinnen und Parla­mentarier die Aufgabe haben, die Ministerinnen und Minister zu kontrollieren. Wenn wir Anfragen stellen, dann tun wir das, um unserer Funktion als Volksvertreterinnen und Volksvertreter nachzukommen. Ich würde die Damen und Herren der Bundesregierung ersuchen, dasselbe zu tun, sonst könnte man denken, ihr Ziel wäre es, die Prinzipien unserer Demokratie zu missachten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loa­cker. – Bitte.


23.14.00

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Kollege Lindinger, das war jetzt aber kühn: Selbst haben Sie noch keine einzige schriftliche Anfrage ein-


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gebracht und tun so, als ob hier herinnen ein paar Leute zu doof wären, Anfragen ein­zureichen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Rufe: Ja! Genau!)

Ich sage Ihnen jetzt, was konkret passiert ist: Der Künstler-Sozialversicherungsfonds steht laut Gesetz unter der Aufsicht des Bundeskanzlers. Dann richtet man eine An­frage an den Bundeskanzler, und der lässt sie einfach zwei Monate liegen und sagt dann: Ich bin nicht zuständig. – Es ist in vielen Fällen einfach, aber eben nicht in allen; im konkreten Fall war es das nicht. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

23.14


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Ich weise den Antrag 373/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.15.16Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 409/A(E) bis 432/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.16 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.15.47Schluss der Sitzung: 23.15 Uhr

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