Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

57. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 13. Dezember 2018

 


 

Stenographisches Protokoll

57. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 13. Dezember 2018

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. Dezember 2018: 9.05 – 19.42 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialver­siche­rungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Primärversorgungs­gesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Bundes­gesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Doku­mentation im Gesundheitswesen, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung privater Krankenanstalten, das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Ausbildungspflichtgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Kriegs­opferversorgungsgesetz 1957, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresentschädigungsgesetz, das Verbrechens­opfer­gesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsinspektionsge­setz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetter­ent­schädigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Gutsangestellten­gesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Krankenanstalten-Arbeits­zeitgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämp­fungs­gesetz sowie das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert werden, ein Selbstän­digen-Sozialversicherungsgesetz, ein Bundesgesetz zur Überführung der Versiche­rungsanstalt des österreichischen Notariates in eine Versorgungsanstalt des öster­reichischen Notariates und ein Bundesgesetz über die Versorgung für das österreichi­sche Notariat erlassen werden sowie das Notarversicherungsgesetz 1972 aufgehoben wird (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG)


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2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bericht über den Antrag 504/A der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dag­mar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (KAKuG-Novelle 2018)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018)

9. Punkt: Bericht über den Antrag 503/A(E) der Abgeordneten Maria Großbauer, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend einer für jeweils ein Jahr geltenden gemeinsamen Eintrittsmöglichkeit zu den Bundesmuseen und der Öster­reichischen Nationalbibliothek

10. Punkt: Bericht über den Antrag 170/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jahreskarte Bundesmuseen

11. Punkt: Bericht über den Antrag 254/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freier Eintritt für Studierende in den Bun­desmuseen

12. Punkt: Bericht über den Antrag 369/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freier Eintritt für Lehrlinge in den Bun­desmuseen

13. Punkt: Bericht über den Antrag 477/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolf­gang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Hunger auf Kunst & Kultur“

14. Punkt: Bericht über den Antrag 502/A(E) der Abgeordneten Maria Großbauer, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Kunst und Kultur in Österreich durch Intensivierung des Austauschs und verbesserte Abstimmung zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich

15. Punkt: Bericht über den Antrag 476/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesmuseum Leopold

16. Punkt: Bericht über den Antrag 411/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haus der Kulturen

17. Punkt: Bericht über den Antrag 350/A(E) der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studie zur Evaluierung der Buchpreisbindung

18. Punkt: Bericht über den Antrag 472/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kulturscheck (408 d.B.)

19. Punkt: Bericht über den Antrag 329/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handlungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 4 B-VG


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20. Punkt: Bericht über den Antrag 326/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handlungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 5 B-VG

21. Punkt: BESCHLUSS (EU, Euratom) 2018/994 DES RATES vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. Sep­tember 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangs­gesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Ge­schäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundesforste­gesetz 1996, das Datenschutzgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermitt­lungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen geändert werden

23. Punkt: Bericht über den Antrag 512/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forcierung des Konzepts „Haft in der Heimat“ unter anderem durch konsequente Anwendung der bestehenden multi­lateralen Übereinkommen und Rechtsgrundlagen in der EU und verstärkte bilaterale Abkommen

24. Punkt: Bericht über den GREVIO-(Basis)Evaluierungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend

25. Punkt: Bericht über den Antrag 318/A der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesverfassungsgesetze, mit denen das Un­ver­einbarkeits- und Transparenz-Gesetz und das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert werden

26. Punkt: Bericht über den Antrag 298/A(E) der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Transparenz von Abgeord­neten­bezügen

27. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft St. Pölten (Zl. 11 St 81/18h -3) um Zu­stimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 15

Ordnungsrufe ....................................................................................................  22, 37, 58

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 472, 473 und 474 d.B. gemäß § 44 (2) GOG ...................................................................................... 16

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    17


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Antrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, die Regie­rungs­vorlage 329 d.B. betreffend Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG in der Fassung des Ausschussberichtes 413 d.B. gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ablehnung               28, 77

Wortmeldung des Abgeordneten August Wöginger in Bezug auf Debatten­beiträge zu Tagesordnungspunkt 1 ................................................................................................... 56

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried betreffend der Geschäfts­ordnung entsprechende Vorgehensweise bei tatsächlichen Berichtigungen .................................................  56, 60

Antrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, den An­trag 504/A der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländer­beschäftigungsgesetz geändert wird, gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ablehnung .......................................................  106, 106

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 15

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  15, 227, 227

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (329 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­siche­rungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergän­zungs­ge­setz, das Primärversorgungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit, das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung privater Krankenanstalten, das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Ausbildungspflichtgesetz, das Dienstleistungs­scheck­gesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungs­gesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Kriegsgefangenenent­schä­digungs­gesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresentschädigungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ange­stelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutz­gesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungs­gesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungs­gesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Betriebspen­sions­gesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Landar­beits­gesetz 1984, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sowie das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert werden, ein Selbständigen-Sozial­versicherungsgesetz, ein Bundesgesetz zur Überführung der Versicherungs­anstalt des österreichischen Notariates in eine Versorgungsanstalt des öster-


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reichischen Notariates und ein Bundesgesetz über die Versorgung für das österreichische Notariat erlassen werden sowie das Notarversicherungs­ge­setz 1972 aufgehoben wird (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG) (413 d.B.) ........................................................................................................................ 17

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 18

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 20

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 22

August Wöginger ..................................................................................................  23, 72

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigungen) ...........................................  26, 73

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 26

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ..... 29

Mag. Jörg Leichtfried (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 32

Dr. Brigitte Povysil ....................................................................................................... 32

Josef Muchitsch ....................................................................................................  34, 76

August Wöginger (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) ............................ 37

Dr. Brigitte Povysil (tatsächliche Berichtigungen) ................................................  38, 75

Mag. Michael Hammer .................................................................................................. 38

Josef Muchitsch (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) .............................. 41

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 42

Mag. Gerhard Kaniak ............................................................................................  51, 71

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 53

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ..... 54

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 55

Rainer Wimmer ............................................................................................................. 57

Werner Neubauer, BA .................................................................................................. 60

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ..... 62

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ..... 63

Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 64

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 66

Angelika Kuss-Bergner, BEd ................................................................................ ..... 67

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ..... 68

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 70

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ................................................................................. 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Sozialwahl zur Stärkung der demokratischen Legitimierung der Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung.“ – Ablehnung .........................  28, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Leistungssicherungsrücklagen der Gebietskrankenkassen“ – Annahme (E 45)      40, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umfassende Reform der Arbeitsunfall-Versicherung entlang des LSE-Studien-Konzeptpapiers der GPA-djp und der Vorschläge von NEOS“ – Ablehnung ........................................................  44, 78

Annahme des Gesetzentwurfes in 413 d.B. ................................................................... 77

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (338 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­siche­rungsgesetz geändert wird (414 d.B.)                    78


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3. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (415 d.B.) ........................................................................................................................ 78

RednerInnen:

Dietmar Keck ........................................................................................................... ..... 78

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ..... 79

Mag. Michael Hammer ............................................................................................ ..... 80

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 414 und 415 d.B. ........................................... 84

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (376 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (416 d.B.) ........................................................................................................... 84

RednerInnen:

Birgit Silvia Sandler ................................................................................................ ..... 84

Peter Wurm .............................................................................................................. ..... 85

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 86

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ..... 88

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 89

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ..... 89

Maximilian Linder .................................................................................................... ..... 90

Annahme des Gesetzentwurfes in 416 d.B. ................................................................... 91

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 504/A der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländer­beschäftigungsgesetz geändert wird (417 d.B.) ............................................. 91

RednerInnen:

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 92

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ..... 93

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 94

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ..... 95

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 100

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 101

Christoph Zarits ...................................................................................................... ... 103

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 104

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 104

Annahme des Gesetzentwurfes in 417 d.B. ................................................................. 106

6. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (385 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (438 d.B.) .............................................. 106

RednerInnen:

Dr. Brigitte Povysil ................................................................................................. ... 107

Ing. Maurice Androsch ........................................................................................... ... 108

Gabriela Schwarz ................................................................................................... ... 109

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 110

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 111

Ricarda Berger ........................................................................................................ ... 111


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Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ... 112

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ... 113

Annahme des Gesetzentwurfes in 438 d.B. ................................................................. 115

7. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (374 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (KAKuG-Novelle 2018) (439 d.B.) ...................................................................................................................... 115

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 116

Dr. Brigitte Povysil ................................................................................................. ... 118

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 123

Dr. Brigitte Povysil (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 124

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 124

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ... 125

Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. ... 128

Mag. Gerald Loacker (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 129

Philip Kucher .............................................................................................................. 129

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 130

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 132

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 132

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 133

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Benachteiligung von Patent/innen der allgemeinen Gebührenklasse beim Zugang zu medizinischen Leistungen in LKF-finanzierten Krankenanstalten“ – Annahme (E 46)  121, 134

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „intransparente und benachteiligende Sonderklasse in Spitälern“ – Ablehnung              127, 134

Annahme des Gesetzentwurfes in 439 d.B. ................................................................. 134

8. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (337 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018) (440 d.B.)                  134

RednerInnen:

Dr. Brigitte Povysil ................................................................................................. ... 135

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 135

Johann Singer ......................................................................................................... ... 137

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 140

Petra Wagner ........................................................................................................... ... 143

Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... ... 143

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 144

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 145

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Übernahme der Kosten für Patientenverfügungen durch den Bund“ – Ablehnung ................  136, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der PatVG-Novelle 2018“ – Annahme (E 47)  138, 146


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ergänzungen zur Patientenverfügungs-Novelle“ – Ablehnung ..........................  141, 146

Annahme des Gesetzentwurfes in 440 d.B. ................................................................. 146

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 503/A(E) der Abge­ordneten Maria Großbauer, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend einer für jeweils ein Jahr geltenden gemeinsamen Eintrittsmöglichkeit zu den Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek (402 d.B.) ...................................................................................................................... 146

10. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 170/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jahreskarte Bundesmuseen (401 d.B.)                       147

11. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 254/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freier Eintritt für Studierende in den Bundesmuseen (403 d.B.)    ............................................................................................................................. 147

12. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 369/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freier Eintritt für Lehrlinge in den Bundesmuseen (404 d.B.)          ............................................................................................................................. 147

13. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 477/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Hunger auf Kunst & Kultur“ (405 d.B.)     ............................................................................................................................. 147

RednerInnen:

Mag. Thomas Drozda ............................................................................................. ... 147

Maria Großbauer ..................................................................................................... ... 148

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 149

Werner Neubauer, BA ............................................................................................ ... 150

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 151

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ... 152

Mag. Thomas Drozda (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 155

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 156

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 402 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „einer für jeweils ein Jahr geltenden gemeinsamen Eintrittsmöglichkeit zu den Bundesmuseen und der Österreichischen National­bibliothek“ (E 48) ............................................................................................. 157

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 401, 403, 404 und 405 d.B. ................... 157

14. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 502/A(E) der Abge­ordneten Maria Großbauer, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Kunst und Kultur in Österreich durch Intensivierung des Austauschs und verbesserte Abstimmung zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich (406 d.B.) ........................................................................................................ 157

RednerInnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 157

Christoph Stark ....................................................................................................... ... 158

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 159

Sandra Wassermann .............................................................................................. ... 160

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ... 161


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Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 406 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Förderung von Kunst und Kultur in Österreich durch Intensivierung des Austauschs und verbesserte Abstimmung zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich“ (E 49) ........................ 162

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 476/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesmuseum Leopold (399 d.B.) ..... 162

16. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 411/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haus der Kulturen (400 d.B.) ................ 162

RednerInnen:

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 162

Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... ... 163

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 164

Werner Neubauer, BA ............................................................................................ ... 165

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ... 166

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 399 und 400 d.B. ............................... 167

17. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 350/A(E) der Abge­ordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studie zur Evaluierung der Buchpreisbindung (407 d.B.)                  167

RednerInnen:

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 167

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 168

Sabine Schatz ......................................................................................................... ... 169

Werner Neubauer, BA ............................................................................................ ... 170

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 171

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ... 172

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 407 d.B. ...................................................... 173

18. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 472/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kultur­scheck (408 d.B.) ........................ 173

RednerInnen:

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 173

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger ................................................................................. ... 173

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 174

Josef A. Riemer ....................................................................................................... ... 175

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 408 d.B. ...................................................... 175

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 329/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hand­lungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 4 B-VG (409 d.B.) ...................................................................................................................... 175

20. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 326/A(E) der Abge­ordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hand­lungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 5 B-VG (410 d.B.) ...................................................................................................................... 176


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 10

RednerInnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 176

Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... ... 176

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 177

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ... 178

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 178

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 409 und 410 d.B. ............................... 179

21. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (384 d.B.): BESCHLUSS (EU, Euratom) 2018/994 DES RATES vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittel­barer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (466 d.B.) ................................ 180

RednerInnen:

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 180

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ......................................................................... ... 181

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 181

Genehmigung des Beschlusses des Rates in 466 d.B. ............................................... 182

22. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Über­gangs­gesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Ein­rich­tung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundesforstegesetz 1996, das Datenschutzgesetz, das Bundesgesetz­blatt­gesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen geändert wer­den (463 d.B.) ...................................................................................................................... 183

RednerInnen:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 183

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 186

Dr. Alfred J. Noll ..................................................................................................... ... 187

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ... 188

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 193

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 195

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 196

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ... 197

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 198

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Veröffentlichung Evaluierung B-KJHG 2013“ – Ablehnung ............  185, 201

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluierung zum B-KJHG“ – Ablehnung  200, 202

Annahme des Gesetzentwurfes in 463 d.B. ................................................................. 201

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 512/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Forcierung des Konzepts „Haft in der Heimat“ unter anderem


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 11

durch konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen und Rechtsgrundlagen in der EU und verstärkte bilaterale Abkommen (437 d.B.) .... 202

RednerInnen:

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 202

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 203

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ... 204

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 205

Bundesminister Josef Moser ................................................................................ ... 206

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ... 210

Renate Gruber ......................................................................................................... ... 211

Hannes Amesbauer, BA ......................................................................................... ... 211

Mag. Martin Engelberg ........................................................................................... ... 212

Robert Laimer ............................................................................................................. 213

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 213

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 437 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Forcierung des Konzepts ,Haft in der Heimat‘ unter anderem durch konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Über­ein­kommen und Rechtsgrundlagen in der EU und verstärkte bilaterale Ab­kommen“ (E 50) ........................................................................................................... 214

24. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den GREVIO-(Basis)Evaluierungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämp­fung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-163/462 d.B.) .......................................................... 214

RednerInnen:

Karl Mahrer, BA ...................................................................................................... ... 214

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 216

Carmen Schimanek ................................................................................................ ... 217

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 219

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ... 221

Barbara Krenn ......................................................................................................... ... 222

Sabine Schatz ......................................................................................................... ... 223

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 223

Maria Großbauer ..................................................................................................... ... 224

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 225

Entschließungsantrag der Abgeordneten Carmen Schimanek, Barbara Krenn, Gabriele Heinisch-Hosek, Claudia Gamon, MSc (WU), Stephanie Cox, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Ausbau des Opferschutzes für von Gewalt be­­trof­fene Frauen und Kinder sowie Präventionsmaßnahmen“ – Annahme (E 51) ...................................................................................................................  218, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Information und Prävention vor sexualisierter Gewalt und Belästigung“ – Ablehnung  220, 226

Kenntnisnahme des Berichtes III-163 d.B. ................................................................... 226

25. Punkt: Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses über den Antrag 318/A der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesverfassungsgesetze, mit denen das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz und das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert werden (472 d.B.) ................................... 226

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 472 d.B. ...................................................... 227


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 12

Zuweisung des Antrages 318/A an den Verfassungsausschuss ................................. 227

26. Punkt: Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses über den Antrag 298/A(E) der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Transparenz von Abgeordnetenbezügen (473 d.B.) ...................................................................................................................... 227

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 473 d.B. ...................................................... 227

Zuweisung des Antrages 298/A(E) an den Verfassungsausschuss ............................ 227

27. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staats­anwaltschaft St. Pölten (Zl. 11 St 81/18h -3) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA (474 d.B.) .......................................................................................... 227

RednerInnen:

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ........................................................................... ... 227

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ... 228

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 229

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 231

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 231

Eingebracht wurden

Bürgerinitiativen ........................................................................................................... 15

Bürgerinitiative betreffend „Keine Ehe für Alle!“ (Ordnungsnummer 55)

Bürgerinitiative betreffend „Abtreibungsverbot in Österreich“ (Ordnungsnum­mer 56)

Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG ................................................................ 16

Aufnahme der Verhandlungen über ein Protokoll zur Abänderung des Abkom­mens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Aufnahme der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Argentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Aufnahme der Verhandlungen über ein Protokoll zur Abänderung des Abkom­mens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

Anträge der Abgeordneten

Peter Wurm, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumen­tenschutzrecht „NEU“ (534/A)(E)

Peter Haubner, Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Überlassung von Arbeits­kräften geregelt wird (Arbeitskräfteüberlassungsgesetz – AÜG) BGBl. Nr. 196/1988, geändert wird (535/A)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 13

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürger­schafts­rechtsänderungsgesetz 2018) (536/A)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend stressreduzierte Schlachtung im gewohnten Lebensumfeld der Tiere (537/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und Forschung im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen (538/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend geringe Verurteilungs­raten bei Gewalt gegen Frauen (539/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der finan­ziellen Ressourcen für Gewaltschutz in Österreich (540/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einrichtung von Vergewaltigungs­krisenzentren oder Hilfseinrichtungen für von sexueller Gewalt Betroffene mit speziell ausgebildeten MitarbeiterInnen (541/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung einer langfristigen Planung bzw. Strategie, die allen in der Istanbul-Konvention definierten Formen von Gewalt die nötige Bedeutung beimisst, und die eine kontinuierliche und langfristige Finanzierung nachhaltiger und umfassender Maßnahmen vorsieht (542/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung einer langfristigen Planung bzw. Strategie, die allen in der Istanbul-Konvention definierten Formen von Gewalt die nötige Bedeutung beimisst, und die eine kontinuierliche und langfristige Finanzierung nachhaltiger und umfassender Maßnahmen vorsieht (543/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prävention, Schutz und Straf­verfolgung in Bezug auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen (544/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prävention, Schutz und Straf­verfolgung in Bezug auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen (545/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Miteinbeziehung der Geschlechterperspektive bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention (546/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Miteinbeziehung der Geschlechterperspektive bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention (547/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Miteinbeziehung der Geschlechterperspektive bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention (548/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Online-Werbeabgabe („Digital­steuer“) (549/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fach­kräfte­mangel im Bereich der KindergartenpädagogInnen (550/A)(E)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Machbarkeitsstudie für die Einführung eines Pfandsystems für Getränkeverpackungen und neuer rechtlicher Rahmen für den Ausbau von Mehrwegsystemen (551/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationale Machbar­keitsstudie und Aktionsplan zum Ausstieg von Glyphosat (552/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines freien Museumssonntags (553/A)(E)


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Petra Bayr, MA MLS, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Freilassung des österreichischen Journalisten Max Zirngast (554/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Förderung von langlebigen, reparierbaren und wiederverwertbaren Produkten (555/A)(E)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Begrenzung der Anzahl an Amtsperioden von Universitätsrektoren (556/A)(E)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konversionstherapien stoppen (557/A)(E)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konversionstherapien stoppen (558/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Aktueller Stand Eurofighter-Gegengeschäfte – Untätigkeit der Wirtschaftsministerin? (2418/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend der International Anti-Corruption Academy (IACA) in Laxenburg NÖ (2419/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend der International Anti-Corruption Academy (IACA) in Laxenburg NÖ (2420/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend der International Anti-Corruption Academy (IACA) in Laxenburg NÖ (2421/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Umsetzung Bahnprojekt „FL.A.CH“ (2422/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Ermittlungen zum Krankenhaus Nord (2423/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Pflege­geld für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 15. Lebensjahr (2424/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Sammlungspolitik in den Bundesmuseen (2425/J)

Renate Gruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Beschneiung, Klimawandel und Förderung (2426/J)

Renate Gruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Tourismus – Leuchtturmprojekte 2018 (2427/J)

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend erneuter Störfall im AKW Dukovany (2428/J)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 15

09.05.15Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

09.05.48*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete! Die Sitzung ist eröffnet. Ich darf Sie recht herzlich zu unserem dritten und letzten Sitzungstag wiederum in alter Frische begrüßen. Ich darf die Besucherinnen und Besucher auf der Galerie, die Medienvertreter und die Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten begrüßen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Walter Bacher, Irene Hochstetter- Lackner, Wolfgang Knes, Mario Lindner, Mag. Andreas Schieder, Ing. Markus Vogl, Ing. Christian Höbart, Mag. Philipp Schrangl und Dr. Markus Tschank.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bun­deskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin Dr. Karin Kneissl wird durch Bundesminister Mario Kunasek ver­treten.

Jene Mitglieder der Bundesregierung, die sich im europäischen Ausland befinden, werden wie folgt vertreten: Bundeskanzler Sebastian Kurz wird durch Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA, Bundesministerin Elisabeth Köstinger durch Bundes­ministerin Dr. Margarete Schramböck und Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß durch Bundesminister Hartwig Löger vertreten.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 2418/J bis 2428/J

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 55 betreffend "Keine Ehe für Alle!"

Bürgerinitiative Nr. 56 betreffend "Abtreibungsverbot in Österreich"

2. Zuweisung in dieser Sitzung:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 16

zur Vorberatung:

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (36. KFG-Novelle) (471 d.B.)

C. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Aufnahme der Verhandlungen über ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Aufnahme der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Argentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

Aufnahme der Verhandlungen über ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll

*****

Wie üblich überträgt ORF 2 die Sitzung live bis 13 Uhr, ORF III in voller Länge, wobei ab 19.15 Uhr zeitversetzt berichtet wird.

Wir haben wieder einen Fotografen auf der Galerie beziehungsweise im Saal, ansons­ten ist das Fotografieren von der Besuchergalerie aus verboten.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um die Punkte 25 bis 27 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzu­sehen.

Bei den Punkten 25 bis 27 handelt es sich um

die Berichte des Unvereinbarkeitsausschusses über die Anträge 318/A der Abge­ord­neten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz und das Bundesver­fassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert werden (472 d.B.), sowie 298/A(E) der Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Transparenz von Abgeordnetenbezügen (473 d.B.) und

den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft St. Pölten um die Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA (474 d.B.).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 17

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 9 bis 13, 15 und 16 sowie 19 und 20 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wie üblich wurde in der Präsidialkonferenz Übereinkunft darüber erzielt, eine Tagesblockzeit in der Höhe von 7,5 „Wiener Stunden“ zu vereinbaren. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: für die ÖVP 139 Minuten, für die SPÖ und für die FPÖ jeweils 124 Minuten, für NEOS und für JETZT je 41 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 21 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

09.09.001. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (329 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungs­ge­setz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Freiberuf­lichen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Primärversorgungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Gesund­heits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit, das Bundes­gesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung privater Krankenanstalten, das Arbeitslosenversicherungs­ge­setz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungs­gesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitskräfteüberlassungs­ge­setz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Ausbildungspflichtgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Aus­län­derbeschäftigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Kriegs­gefangenenentschädigungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresent­schädi­gungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das Arbeit­nehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädi­gungs­gesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Gutsange­stell­tengesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Krankenan­stalten-Arbeitszeitgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Lohn- und Sozial-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 18

dumping-Bekämpfungsgesetz sowie das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz ge­än­dert werden, ein Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz, ein Bundesgesetz zur Überführung der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates in eine Versorgungsanstalt des österreichischen Notariates und ein Bundesgesetz über die Versorgung für das österreichische Notariat erlassen werden sowie das Notarversicherungsgesetz 1972 aufgehoben wird (Sozialversicherungs-Organi­sations­gesetz – SV-OG) (413 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pamela Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Klubobfrau! – Ruf bei der SPÖ: Herr Abgeordneter Sobotka!)


9.09.27

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Und vor allem sehr geehrte Damen und Herren! Was soll heute hier im Nationalrat beschlossen werden? – Die Bundesregierung und Sie, Frau Ministerin, legen ein Gesetz zur Neuorganisation und Neustrukturierung der Sozialversicherung vor.

Wenn wir an die letzten Wochen oder an die letzten Monate denken, da wurde seitens der Regierungsspitze, aber auch von Ihnen, Frau Bundesministerin, viel gesagt, vor allem wurde auch vieles zu diesem Vorhaben und zu Ihren Plänen versprochen. Ich möchte die kommenden Minuten dafür nützen, Ihre Ankündigungen und Ver­sprechun­gen hier einem kleinen Faktencheck zu unterziehen.

Ihr Versprechen Nummer eins: Sie versprechen die gleichen Leistungen für alle Versicherten in Österreich (Ruf bei der FPÖ: Bravo!) – klare Betonung auf alle.

Versprechen Nummer zwei: Die Bundesregierung hat zu Beginn dieser Vorhaben und auch laufend von deutlich schlankeren Strukturen in der Sozialversicherung ge­sprochen. (Abg. Belakowitsch: Richtig!)

Versprechen Nummer drei der Bundesregierung: Es wird angeblich mehr Geld, viel mehr Geld, für Patientinnen und Patienten in Österreich durch Ihren Umbau und durch Ihre Pläne geben.

Jetzt stellt sich die berühmte Frage, die wir so oft an diesem Ort stellen müssen, weil wir eine starke Opposition sind (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ): Hält die Bundesregierung ihre Versprechen?

Schauen wir uns dazu das erste Versprechen an! Wird es wirklich gleiche Ver­sicherungsleistungen für alle Österreicherinnen und Österreicher geben? Für alle? – Nein, sehr geehrte Damen und Herren, wird es nicht! Vielmehr wird es drei große, verschiedene Versicherungsgruppen geben – eigentlich sind es noch viel mehr, aber auf die kann ich heute im Detail nicht eingehen –, drei große Gruppen mit ganz unterschiedlichen Leistungen, medizinischen und auch anderen.

Da gibt es zum einen die Versicherung der Beamten mit den besten Leistungspaketen seitens ihrer Versicherung: viermal höhere Zuschüsse, viermal höhere Rückerstat­tungen für Leistungen, kürzere Wartezeiten und vieles mehr. Dann gibt es zum Zweiten die Versicherungsgemeinschaft der Selbstständigen und der Bauern und dann gibt es die größte Gruppe an Versicherten, an Sozialversicherten, sieben Millionen Menschen, nämlich die Versicherung der Arbeiter und der Angestellten, sprich: alle ehemaligen Versicherten der neun Gebietskrankenkassen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 19

Ich sage Ihnen eines: Diese sieben Millionen Menschen sind die großen Verlierer Ihrer Pläne – sieben Millionen Verlierer in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rossmann.) Fazit: gebrochenes Versprechen Nummer eins.

Kommen wir zu Ihrem zweiten Versprechen! Werden die Strukturen der Sozial­versicherung tatsächlich schlanker? – Nein, werden sie nicht, sehr geehrte Damen und Herren! Stattdessen installiert Schwarz-Blau eine zusätzliche, fette Verwaltungsebene mit dem klingenden Namen Österreichische Gesundheitskasse – mit neuer Macht­struktur wohlgemerkt, denn das ist der wahre Hintergrund dieses Aufbaus und Um­baus. Fazit: gebrochenes Versprechen Nummer zwei. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Nun zum dritten großen Versprechen: Wird es am Ende durch Ihren Kranken­kassenumbau wirklich mehr Geld – das wäre voll in meinem Sinne als Ärztin, das wäre voll in unserem Sinne als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – für die Patientinnen und Patienten geben? – Sie wissen es, Frau Bundesministerin, und Sie wissen es auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Der Rechnungshof stellt Ihnen da ein vernichtendes Urteil aus – ein vernichtendes! Auch andere, der Budgetdienst dieses Hauses und andere Expertinnen und Experten, gehen von Kosten Ihrer Pläne in Milliardenhöhe aus. Das sind Milliarden an Versicherungsgeldern der sieben Millionen Angestellten und Arbeiter, die hier versichert sind, der ehemaligen Gebietskran­kenkassenversicherten, und ihrer Angehörigen.

Das sind Milliarden, die künftig in der medizinischen Versorgung fehlen und die die Unterschiede zwischen den drei großen Berufsgruppen, den drei großen Versiche­rungsgruppen noch größer machen werden, die das Thema der Dreiklassengesundheit und der Dreiklassenmedizin zur Realität werden lassen.

Das sind Milliarden, die diese sieben Millionen Versicherten durch ihre monatlichen Beiträge eingezahlt haben, die Sie diesen sieben Millionen Menschen einfach weg­nehmen – so wie Sie bereits 500 Millionen Euro aus der Unfallversicherung heraus­genommen haben, sehr geehrte Damen und Herren.

Sie wissen so gut wie ich, dass im nächsten Schritt die Einführung von Selbstbehalten, Ambulanzgebühren und Leistungskürzungen kommen wird. Sie wissen es, weil wir es vor 15 Jahren unter Schwarz-Blau I schon erlebt haben, weil wir es alle erleben und spüren mussten, wie die Ambulanzgebühren und auch viele Kürzungen auf dem Rücken der Sozialversicherten eingeführt wurden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Nur diesmal haben Sie Ihre Schritte in diese Richtung viel tiefgreifender gemacht, viel brutaler aus meiner Sicht. Fazit: nicht mehr Geld für die Patientinnen und Patienten, gebrochenes Versprechen Nummer drei.

Ganz zu schweigen davon sind Sie, sehr geehrte FPÖ, wieder einmal im Liegen umgefallen (Beifall bei der SPÖ – Heiterkeit bei der FPÖ) und haben Ihre Wähler und Wählerinnen auf Geheiß der ÖVP einmal mehr verraten, indem Sie zulassen, dass künftig die Wirtschaft und die Arbeitgeber maßgeblich darüber entscheiden werden, wie die Gesundheitsversorgung der sieben Millionen ehemaligen Gebietskranken­kassenversicherten aussehen wird, was künftig von der Kasse bezahlt oder besser nicht mehr bezahlt wird, wie viele Arztverträge es geben wird, welche Kranken­standsregeln es geben wird, wie viele Kuraufenthalte genehmigt werden. All das liegt künftig nicht mehr in der Hand der Versicherten selber, sondern in der Hand der Wirtschaft und der Arbeitgeber. (Beifall bei der SPÖ.)

Drei gebrochene Versprechen der Bundesregierung: Ja, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben unterschiedliche Ansichten, divergierende politische Einstellungen, aber was heute hier passiert, ist brandgefährlich. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Sie setzen eine gut funktionierende, ausfinanzierte Gesundheitsversorgung aufs


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Spiel – eine Gesundheitsversorgung, die acht Millionen Menschen 24 Stunden am Tag an 365 Tagen des Jahres das Leben rettet, Leben verlängert, mit allen medizinischen Möglichkeiten, die wir kennen. Acht Millionen Menschen wissen Sie State of the Art medizinisch behandelt, modernst versorgt. Es gibt weltweit nicht viele Gesundheits­systeme, die da mithalten können. Ich bin stolz, stolz auf dieses solidarische Gesund­heitssystem! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Zadić.)

Unsere über 100 Jahre alte Sozialversicherung war bisher der Garant für dieses große Stück Gerechtigkeit in unserem Land. (Ruf bei der FPÖ: Geh bitte!) Was die Zukunft betrifft, so bin ich mir da leider nicht mehr so sicher, und ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie alle hier, sehr geehrte FPÖ und ÖVP, und Sie, Frau Bundesministerin, wirklich in vollem Umfang wissen, was Sie heute hier beschließen. – Danke schön. (Anhal­tender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Abg. Zadić. – Abg. Wöginger: Das war eine dünne Suppe!)

9.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte. (Abg. Jarolim: ... kann man nicht voraussetzen! – Abg. Lausch: Guten Morgen, Herr Jarolim! Auch schon wach? – Abg. Gudenus: Auch schon aufgewacht?)


9.18.56

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmgeräten und auf der Galerie! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Ganz kurz zu meiner Vorrednerin: Frau Kollegin, Sie stellen sich hierher und stellen in den Raum, dass die Abgeordneten von FPÖ und ÖVP möglicherweise nicht wissen, was sie hier beschließen. Sie beginnen Ihre Rede mit den Worten - - (Abg. Leichtfried: Das ist sehr wahrscheinlich! Davon kann man ausgehen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Zanger – in Richtung SPÖ –: Ihr wisst nicht mal, warum ihr hier sitzt!) – Warum sind Sie denn eigentlich so nervös? Ihr wisst ja überhaupt noch gar nicht, was ich sagen will, und ihr seid schon nervös. Das ist auch entlarvend, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie beginnen Ihre Rede mit den Worten: Worüber reden wir heute? (Abg. Jarolim: Ahnungslos! Ahnungslosigkeit! – Abg. Leichtfried: Ahnungslos durch die Nacht!) – Frau Kollegin, wären Sie in den Ausschuss gekommen, dann wüssten Sie es: Wir reden hier über die größte Reform der Sozialversicherung (Abg. Jarolim: Größter Murks! Der größte Schwachsinn!), und ich bin stolz darauf, ich bin wirklich stolz darauf, dass wir diese Reform hier zustande gebracht haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

30 Jahre wurde darüber verhandelt, debattiert, geredet, nie ist etwas zustande ge­bracht worden, auch unter Ihrer Ministerschaft nicht, Frau Kollegin Rendi-Wagner. Jetzt ist es endlich geschafft worden, die größte Sozialversicherungsreform umzusetzen. (Abg. Wittmann: Demokratieabschaffung!) Die Strukturen zu modernisieren ist ein ganz großer und ganz wichtiger Schritt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Pure Ahnungslosigkeit! – Abg. Jarolim: Ahnungslosigkeit!)

Sie selbst haben gesagt, dass unsere Sozialversicherung über 100 Jahre, fast 150 Jahre alt ist. Wir sind im 21. Jahrhundert angelangt (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Wir sind im 20. Jahrhundert geblieben! – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner), wir brauchen eine moderne Struktur, eine moderne Sozialversicherung, die auch den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. (Abg. Leichtfried: Businessclass! – Abg. Gudenus: Da kennt er sich aus, der Leichtfried!) – Herr Kollege, ich weiß ja nicht, welches Problem Sie haben, offensichtlich sind Sie sehr selten im Gesundheitsbereich unterwegs, aber vielleicht könnten Sie sich von Ihrer Kollegin erklären lassen, dass es


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tagesklinische Eingriffe gibt – man nennt das ambulante Eingriffe – und dass es selbstverständlich für die Patienten, die in der Früh aufgenommen und am Abend entlassen werden, dann eine sogenannte Businessclass gibt, wenn sie eine Zusatz­versicherung haben. (Abg. Loacker: Es gibt eine Businessclass, sagt die Kollegin! – Abg. Jarolim: Jetzt haben Sie sich verraten!) Ich sehe das Problem überhaupt nicht. (Abg. Jarolim: Haben Sie gar keine Ahnung?)

Ich meine, ich verstehe eines: Sie müssen sich jetzt hier irgendetwas zusam­men­zimmern, weil Sie in Wahrheit keine Kritikpunkte haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: Ja, so ist es!) Ich brauche mir ja nur anzuhören, was die Frau Kollegin hier gesagt hat: Es wird sieben Millionen Menschen geben, die Verlierer sind. – Falsch! Verlierer sind die roten Bonzen, die gestern auf der Straße gestanden sind und die Ambulanzen nicht betreut haben. Das sind die Verlierer! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Auf der anderen Seite haben wir sieben Millionen Gewinner, nämlich jene Menschen, die versichert sind und jetzt die gleichen Leistungen haben, egal ob sie in Vorarlberg, Wien oder Tirol wohnen. (Abg. Wittmann: Sie sollten das Gesetz einmal lesen!) Das ist doch der Vorteil für die Menschen in dieser Republik, und die Menschen spüren es, sie wissen es, und daher ist auch die Zustimmung zu dieser Sozialversicherungsreform so groß. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: So ist es!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, das Wort „Bonzen“ zurückzunehmen. (Abg. Haider: Warum? Stimmt ja! – Abg. Gudenus: Ist ja treffend!)


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Die roten Funktionäre. (Abg. Loacker: Ich habe schon einmal einen Ordnungsruf gekriegt für Bonzen!) Ich wechsle von roten Bonzen zu roten Funktionären. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von SPÖ und FPÖ.)

Eines ist aber klar, Herr Präsident, auf der Straße sind sie gestanden, die roten Funktionäre, die Ambulatorien haben sie zugesperrt! Die Patienten waren gestern nicht versorgt, jedenfalls nicht ausreichend versorgt, damit Ihre Leute demonstrieren können! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Neubauer: Eine Sauerei!) Das ist doch der Wahnsinn an dem Ganzen! (Ruf bei der FPÖ: Das ist der Punkt!)

Sie sollten sich schämen! Nicht auf die Straße sollten Sie gehen, Sie sollten die Patienten behandeln, denn das ist ihr Geld, das hier verwaltet wird, es ist das Geld der Patienten, und sie verdienen die beste Behandlung in Österreich, und bisher haben sie sie auch gehabt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und nur weil Sie nach wie vor Phantomschmerzen haben und weil die Zahl Ihrer Funktionäre jetzt reduziert wird (Abg. Jarolim: Schwachsinn, purer Schwachsinn!) und weil Sie sehen, dass Ihre Schattenregierung, die Sie sich im Funktionärswesen aufge­baut haben, jetzt etwas beschnitten wird, machen Sie alles schlecht. Sie reden alles schlecht, Sie gehen demonstrieren. Frau Kollegin Rendi-Wagner stellt sich hierher, liest aus der Glaskugel vor, was alles kommen wird. – Davon ist keine Rede! (Abg. Krist: Weil Sie keine Ahnung haben!) Es gibt keine Ambulanzgebühren, es gibt keine Selbstbehalte, nein, es gibt eine Strukturreform. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Es gibt eine Reduktion auf fünf Sozialversicherungsträger. Es wird ein System kommen, das im 21. Jahrhundert angekommen ist (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber nicht mit dieser Reform!), und der Vorteil ist, dass es die Menschen im Land erkennen, da können Sie hier noch so viele Schauermärchen erzählen. (Abg. Rendi-Wagner: So funktioniert das nicht! – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Wann haben Sie Ihren letzten Patienten behandelt?)


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Ich bin ja schon froh, dass Sie heute nicht mit dem Pflasterstein gekommen sind, das ist ja schon ein Fortschritt bei Ihnen, wenn man sich anschaut, wie Sie in den letzten Monaten Opposition gemacht haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich glaube, wir in Österreich müssen von den Funktionärsinteressen wegkommen und hin zu den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, der Versicherten, der Patienten gehen. Genau das brauchen wir, und genau darauf zielt diese Strukturreform ab. Ich bin froh und stolz, dass ich sie heute mitbeschließen darf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Jarolim: Schämen Sie sich für diese Lüge!)

9.24

09.24.33*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nehmen Sie das Wort „Lüge“ zurück, Herr Abgeordneter Jarolim! (Abg. Jarolim: Nein, mache ich nicht! – Abg. Lugar: Was? – Abg. Steinacker: Es reicht! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Es stimmt!)

Herr Abgeordneter Jarolim, dann kriegen Sie einen Ordnungsruf. (Ruf bei der FPÖ: Bravo! – Abg. Leichtfried: Ihr seid auch leicht zu erheitern!)

*****

Es nutzt niemandem, wenn wir noch emotionaler diskutieren. Die Damen und Herren vor den Fernsehschirmen können weder Sie noch die Rednerin hören. Ich glaube, so ein Bild sollten wir nicht abgeben, das fordere ich bitte von allen ein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Ecker: Wir sind hier im Parlament und nicht ...!)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger. – Bitte.


9.24.59

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschau­erinnen und Zuschauer hier, zu Hause, in der Arbeit oder wo auch immer! Also mit Superlativen spart diese Regierung nicht: der beste Innenminister aller Zeiten, Bimaz (demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der FPÖ), die größte Sozialversiche­rungs­reform aller Zeiten – GRSRAZ könnte man sie taufen. Leider haben Sie Großes angekündigt und nur sehr, sehr Kleines heute hier auf den Tisch gelegt.

Was haben Sie alles versprochen? – Sie haben versprochen, das System der Pen­sionsversicherungen anzugehen – nichts ist passiert. Sie haben versprochen, das alte System, das überholte System der Unfallversicherung anzugehen – nichts ist passiert. (Beifall bei den NEOS.) Ihre große Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger entpuppt sich als Schmäh, weil sie in Wahrheit – und das hat meine Vorrednerin Rendi-Wagner gesagt – ausschließlich, und zwar ausschließlich und durchaus be­wusst, die Sozialversicherung der Angestellten und der Arbeiter betrifft. Da führen Sie die neun Landeskrankenkassen mehr oder weniger in diese Österreichische Gesund­heitskasse zusammen, aber die anderen Krankenkassen bleiben unangetastet: die der Beamten, bei der auch wir versichert sind und von der wir wissen, dass die Leistungen, verglichen mit der Gebietskrankenkasse, durchaus besser sind, die 15 KFAs, die auch bessere Leistungen bieten, bleiben unangetastet, die Sozial­ver­sicherung der Bauern – Ihr Klientel, Klientelismus pur – bleibt unangetastet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Augenauswischerei, das ist ein Pflanz! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist nicht die größte Sozialversicherungsreform aller Zeiten, das ist eine Mogelpackung, und das ist


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schade, denn wir wären die Ersten gewesen, die wirklich bereit gewesen wären, mutige, innovative Schritte zu gehen, Schritte, die bedeuten, in dieses Funktionärs­denken – das sich über die letzten Jahrzehnte breitgemacht hat: zwei Parteien, Rot und Schwarz, die sich das Land aufgeteilt haben – einzuschneiden.

Was aber machen Sie hier? Ich darf Bonzen nicht sagen – ich verstehe eigentlich nicht, warum Kollege Loacker für Agrarbonzen, also schwarze Bonzen, einen Ord­nungsruf gekriegt hat, aber rote Bonzen offensichtlich nur eine Rüge wert ist (Abg. Belakowitsch: Ich habe es zurückgenommen! – Abg. Kitzmüller: Sie hat es zurückgenommen, das ist ein Unterschied!) –, sagen wir Funktionäre, schwarze Funktionäre, rote Funktionäre: Rote Funktionäre werden aus den Gebietskranken­kassen rausgenommen, schwarze – vielleicht auch türkise oder blaue, man weiß ja nicht genau, die Einfärbung verschwimmt ja ein bisschen – werden hineingesetzt. Es ist so. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber und Zinggl.)

Die sogenannte Selbstverwaltung, also sozusagen die Verwaltung der wirklich Betrof­fenen, der Arbeiter und Angestellten – darüber könnte man lange diskutieren: was Selbstverwaltung heißt und dass wir in Österreich keine Selbstverwaltung haben, sondern eine Funktionärsverwaltung –, die beschneiden Sie damit. Und noch mehr: Sie wissen, dass Sie einmal mehr – und darüber diskutieren wir nahezu jedes Mal, wenn wir hier sind – ein Gesetz vorlegen, das wahrscheinlich verfassungswidrig ist, also ein schlechtes Gesetz. Zugunsten Ihrer eigenen Funktionäre machen Sie schlechte Gesetze und nehmen in Kauf, dass der Verfassungsgerichtshof sie aufhebt. Das ist nicht die Qualität, die sich dieses Haus und die Bevölkerung verdient haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein allerletzter Punkt: Die Versicherten werden nichts merken. Sie haben sich hinge­stellt und haben gesagt, das bringt eine Patientenmilliarde – ich muss ja aufpassen, was ich hier sage; ich weiß, wofür ich einen Ordnungsruf bekomme –, aber auch das ist ein Riesenschmäh. Es gibt diese Milliarde nicht, es gibt sie einfach nicht. Das wurde mehrfach nachgewiesen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Versicherten bekommen deswegen keine besseren Leistungen, die Versicherten bekommen deswegen nicht mehr Kassenärzte, die Privilegien werden nicht abge­schafft. Entschuldigen Sie bitte, aber wem außer den schwarzen, türkisen, blauen Funktionären bringt diese Reform wirklich etwas? Das ist eine vertane Chance und teilweise das Papier nicht wert, auf dem das Wort Reform geschrieben steht. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neubauer: Ihr wollt eine Reformpartei sein?)

9.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der Neuen Mittelschule Bludenz recht herzlich begrüßen. Sie sind aus dem Ländle zu uns gekommen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.


9.29.21

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn auf die erfolgreiche Bilanz dieser Bundesregierung und der beiden Regierungsfraktionen hinweisen. (Abg. Jarolim: Arbeiterverräter! – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Arbeiterverräter!)

Meine Damen und Herren! Es ist noch nie so viel weitergegangen wie in diesem letzten Jahr (Beifall bei ÖVP und FPÖ), und darauf dürfen wir als Abgeordnete der Regie-


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rungsfraktionen auch ein wenig stolz sein. (Abg. Rendi-Wagner: Aber in welche Richtung? – Abg. Leichtfried: Blöderweise in die falsche Richtung!)

Wissen Sie, was der große Unterschied ist, Frau Kollegin Rendi-Wagner? (Abg. Heinisch-Hosek: Sie sind Arbeitnehmerverräter!) – Ich kann Sie anschauen, und Sie schauen immer (auf die Galerie deutend) da hinauf. (Abg. Rendi-Wagner: Ja, weil es mir um die Menschen geht!) Ich schaue Sie an, wir können auch miteinander kom­munizieren (Abg. Rendi-Wagner: Das schaffen wir!), auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Wissen Sie, was der Unterschied ist? – Wir haben den Mut dazu, Reformen auch umzusetzen. (Abg. Leichtfried: Die Businessclass!)

Frau Kollegin Meinl-Reisinger! Sie haben gesagt, das (ein Exemplar des Geset­zestextes in die Höhe haltend – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja überaus eindrucks­voll!) sei ein Minigesetz; das ist das Gesetz der Sozialversicherungsstrukturreform. Das ist kein Minigesetz. Damit schreiben wir heute im Bereich der Sozialversicherung Geschichte, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das Telefonbuch ist auch dick, aber der Inhalt sehr bescheiden! – Auf der Galerie erheben sich Besucherinnen und Besucher und halten Transparente mit der Aufschrift „Gesundheit darf nicht zum Luxus werden!“ in die Höhe. – Anhaltender Beifall bei der SPÖ.) – Das Einzige, was bei der SPÖ am Rande noch funktioniert, sind ein paar Betriebsräte der SPÖ und Teile des ÖGB, ansonsten ist in der SPÖ alles kaputt, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Sie machen das Land kaputt!) Das sind die letzten Strukturen, die noch da sind. (Ruf bei der ÖVP: Ja, da schaut ihr!) Das sollen die Menschen in diesem Lande auch wissen. (Ruf bei der SPÖ: Arbeiterverräter! – Abg. Jarolim: Verräter!)

Wissen Sie, warum wir zwar in mehreren Regierungsprogrammen von Sozialdemo­kratie und Volkspartei immer wieder die Reform der Sozialversicherung im Regierungs­programm verankert haben, aber sie nie umsetzen konnten? (Abg. Duzdar: Weil die SPÖ immer auf die Menschen geschaut hat!) Wissen Sie warum? (Abg. Leichtfried: Weil wir keine Arbeiterverräter sind! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Jawohl!) – Weil die SPÖ immer an ihren eigenen Strukturen gescheitert ist! Die Wimmers und Hebenstreits dieses Landes verhindern jede Strukturreform, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rainer Wimmer: Das schauen wir uns an!)

Sie reden von den Versicherten, vor allem von den Arbeitern und Angestellten: Die haben nichts davon, wenn Hunderte Funktionäre die Gelder verwalten. Die haben etwas davon, wenn Geld dafür überbleibt, dass es keine Wartezeiten in den Ambu­lanzen gibt (Abg. Leichtfried: Businessclass!), dass es mehr Fachärzte im ländlichen Raum gibt. Davon haben die Menschen etwas, aber sie haben nichts davon, wenn Hunderte von Funktionären in den Gebietskrankenkassen sitzen und dort letzten Endes Geld verbraten, meine Damen und Herren. Davon haben die Menschen in diesem Lande nichts; sie haben etwas davon, wenn wir ihre Leistungen verbessern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Verschlechtern!)

Was machen wir? (Ruf bei der SPÖ: Ihr verschlechtert die Leistung!) – Das sollte auch gesagt werden: Wir führen eine Strukturreform durch. Wir reduzieren von 21 auf fünf Sozialversicherungsträger. (Ruf bei der SPÖ: Nein, das ist ein Schmäh! – Abg. Meinl-Reisinger: 15 KFAs!) Wir verschlanken die Strukturen, es wird weniger Funktionäre geben. (Abg. Jarolim: Du hast keine Ahnung!) – Ja, es ist schon klar, dass Sie die Wahrheit nicht vertragen (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ein Schmäh! – Zwischenruf des Abg. Keck), und es ist auch klar, dass die Opposition am Ende ist. Nach dieser Bilanz der Regierung kann die Opposition abdanken. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten. Die Geschichte ist erledigt, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Was man aber schon ansprechen muss, das sind die Unwahrheiten, die verbreitet werden. (Abg. Jarolim: Durch dich! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Ja, von euch!) Frau Parteivorsitzende Rendi-Wagner kommt heraus und spricht von Leistungskürzungen. (Abg. Loacker: Das sagt der Rechnungshof über Sie!) Sie kommt heraus und spricht von Ambulanzgebühren. (Abg. Rendi-Wagner: Das kommt alles noch!) – Ich habe gar nicht gewusst, wo die Glaskugel steht; in der Löwelstraße im Kreisky-Zimmer wahrscheinlich! Wo steht denn das? (Abg. Rendi-Wagner: Das steht im ASVG!) Das finden Sie in diesem Gesetz nicht. Was wir machen, ist, wir verschlanken die Struk­turen im Sinne der Patientinnen und Patienten, und wir führen endlich diesen Wust an Sozialversicherungsträgern in diesem Lande auf fünf zusammen. Dafür wurden wir gewählt, und das setzen wir auch um, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ihnen hat über Jahrzehnte der Mut gefehlt, eine solche Reform durchzuführen. Ihnen geht es um Ihre Funktionärinnen und Funktionäre, und uns geht es um die Patien­tinnen und Patienten. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen den Regierungs­fraktionen und der SPÖ, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben auch immer gesagt, dass es bei gleichen Beiträgen die gleiche Leistung geben soll, und das bilden wir mit dieser Struktur der fünf Sozialversicherungsträger auch ab. Können Sie jemandem erklären, warum ein Arbeiter in Vorarlberg einen anderen Leistungskatalog als ein Arbeiter im Burgenland hat (Abg. Rainer Wimmer: Das stimmt ja gar nicht!), obwohl Dienstnehmer und Dienstgeber auf den Cent genau die gleichen Beiträge einbezahlen? Ich kann es nicht erklären, meine Damen und Herren; ich will es auch nicht erklären. Was ich haben will, ist, dass es bei gleichen Beiträgen auch die gleichen Leistungen gibt (Ruf bei der FPÖ: Bravo!), und das muss in Österreich möglich sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: So ist es! – Abg. Loacker: Aber bei den Bauern ist es dir wurscht!)

Ja, wir haben unterschiedliche Beitragssätze im Bereich der Selbstständigen (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Bei den Bauern!), im Bereich der Bauern. Es wird immer wieder auch die Beamtenschaft angesprochen: Dort haben wir Selbstbehalte, meine Damen und Herren, dort haben wir auch höhere Beitragssätze, und daher bleibt es ein eigener Träger, weil wir da unterschiedliche Strukturen haben. Das vergessen Sie, dazuzusagen, es ist aber wichtig, dass die Bevölkerung das letzten Endes auch weiß. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was mir auch wichtig ist, ist, dass es durch das Zusammenführen in dieser Struktur in den nächsten fünf Jahren möglich sein wird, zusätzliche Mittel einzusparen. Wie können wir einsparen? – Durch die Reduktion der Rechenkreise, durch ein gemein­sames Verwaltungsmanagement im IT-Bereich, im Bereich Einkauf. Natürlich kön­nen wir die Strukturen verschlanken. Wir haben den rund 30 000 Köpfen in der Sozial­versicherung eine Jobgarantie gegeben, das steht im Gesetz. Wir haben eine Jobgarantie gegeben, aber eines sage ich schon auch dazu: Es kann nicht sein, dass es, wenn heute jemand bei einer Bezirksstelle der Gebietskrankenkasse anruft und dort als Versicherter eine Auskunft erbittet, am Ende des Gespräches heißt: Na ja, im Jänner können Sie uns eh nimmer anrufen, dann ist die Stelle zugesperrt! (Abg. Heinisch-Hosek: Warten wir ab! Warten wir ab!)

Das ist das, was sich derzeit in unserem Lande abspielt, nur das findet sich in diesem Gesetz nicht, meine Damen und Herren. Wir schließen keine Einrichtungen, wir schließen keine Spitäler und wir kürzen keine Leistungen – dass das auch ein für alle Mal klar ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Erasim: Es ist auch niemand entlassen worden wegen dem 12-Stunden-Tag! – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)


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Wir beschließen mit dieser Sozialversicherungsstrukturreform ein sehr, sehr erfolg­reiches Jahr. Wir haben Pakete beschlossen, die wirklich sehenswert sind – für die Menschen –: Entlastungsmaßnahmen, Familienbonus, Entlastung der niedrigen Ein­kom­men, Lehrlingspakete, Standortpakete, Sicherheitspakete und letzten Endes auch Reformpakete wie jenes der Sozialversicherung.

Als wir angetreten sind, haben wir den Menschen gesagt: Jawohl, wir wollen manche Strukturen in diesem Land verändern. – Wir halten, was wir versprochen haben: Diese Strukturreform ist die größte Reform in diesem Bereich für die Patientinnen und Patienten in Österreich, für die Menschen in diesem Lande. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Für ÖVP-Funktionäre, nicht vergessen!)

Ich bedanke mich ganz, ganz herzlich bei Ihnen und Ihrem ganzen Kabinett, Frau Bundesministerin. Wir haben da ein sehr gutes Werk vorgelegt. Es wird den Menschen in diesem Lande helfen, wenn die Struktur verschlankt wird und letzten Endes mehr Geld für die Leistungen für Patientinnen und Patienten übrig bleibt. – Herzlichen Dank, Frau Ministerin. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Nehammer: Diplômé! – Abg. Lausch: Das fängt ja schon gut an! – Abg. Neubauer: Der erfolglose Ex-Minister!)


9.38.08

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Klubobmann Wöginger hat behauptet, in Zukunft werden fünf Sozial­versicherungsträger übrig bleiben. (Abg. Belakowitsch: Stimmt auch!) Ich habe das Gesetz gelesen: Bitte zählen Sie mit!

Eins: Pensionsversicherung. Zwei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt. Drei: Sozial­versicherung der Selbstständigen. Vier: Sozialversicherungsanstalt für Beamte, Eisen­bahnen und Bergbau. Fünf: Versorgungsanstalt des österreichischen Notariates. (Abg. Belakowitsch: Falsch, Sie haben ein altes Gesetz gelesen!) Sechs: Österreichische Gesundheitskasse. Sieben: Betriebskrankenkasse VA Bahnsysteme. Acht: Betriebs­kran­kenkasse Mondi. Neun: Betriebskrankenkasse Kapfenberg. Zehn: Betriebskran­ken­kasse Zeltweg.

Gegen Herrn Abgeordneten Wöginger ist Pinocchio (den Namen Pinotschio aus­sprechend) ein Waisenknabe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl. – Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

9.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


9.39.33

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Liebe Mitbürgerinnen und Mit­bürger! Ja, das gegenwärtige System ist alles andere als perfekt, und ja, Reformen sind notwendig – Reformen, um ein möglichst effizientes System sicherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass die Leistungen bei jenen ankommen, die sie brauchen, und das sind die Versicherten in diesem Land, das sind die Pensionistinnen und Pensionisten, das sind die Patientinnen und Patienten. (Unruhe bei ÖVP und FPÖ.) Sehr geehrte Kolleginnen von den Regierungsfraktionen, ich würde mich sehr über Ihre Aufmerksamkeit freuen!


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Es braucht Reformen, die hochwertige Leistungen sicherstellen. In den Bereichen, in denen das Verletzungsrisiko, das entsprechende Krankheitsrisiko höher ist, braucht es die Unterstützung, wenn sie notwendig ist, und keine eingeschränkten Leistungen. Reformen sind nötig, um ein Mehr an Mitbestimmung, ein Mehr an Demokratie und Selbstverwaltung sicherstellen zu können.

Warum ist das notwendig? – Es ist aus einem ganz, ganz leicht erklärbaren Grund notwendig, nämlich um die Selbstverwaltung auch garantieren zu können, das heißt um garantieren zu können, dass jene, die die Beiträge zahlen, schlussendlich auch darüber entscheiden können, wer sie in den Gremien vertritt, wie ihre Mittel aus­gegeben werden und wofür sie ausgegeben werden. All das wären Reformen, die von meiner Seite auf alle Fälle zu 100 Prozent unterstützenswert wären.

Das, was Sie hier aber in Form der Regierungsvorlage präsentieren, beinhaltet all das nicht. Was Sie mit dem Gesetzentwurf zu dieser Organisationsreform vorgelegt haben, ist ganz einfach ein Papier alten Stils unter dem Motto: Gut ist, was stark macht! – oder um es näher zu erläutern, für Sie, sehr geehrte Kollegen von den Regierungs­fraktionen: Gut ist, was Sie stark macht! – Die Zusammenlegung ist genau das, und dazu möchte ich Ihnen auch einige Beispielen nennen: Sie sprechen von Hunderten Funktionären, die jetzt auf der roten Seite entfernt würden, was das System schlanker und effizienter mache, und stecken gleichzeitig Ihre Fraktionen, also blaue und türkise Funktionäre, genau in diese Bereiche hinein.

Zusammenlegungen gibt es genau dort, wo Sie Ihre Macht steigern können, zum Beispiel bei der Integration der traditionell roten Eisenbahnerversicherung in die schwarze BVA oder bei den mehrheitlich roten Gebietskrankenkassen, die jetzt in einer neuen ÖGK, der Österreichischen Gesundheitskasse, paritätisch besetzt werden. All das wiederstrebt der Selbstverwaltung, all das widerstrebt genau jenem Grundsatz, dass jene, die die Beiträge zum größten Teil zahlen, diese auch verwalten und darüber entscheiden können, wie diese Beiträge ausgegeben werden. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

Genau diese Logik, nämlich der Ausbau des schwarzen Machtmonopols mit blauer Schützenhilfe, ist es auch, die gewisse Bereiche in dieser Republik zukünftig schützen wird, nämlich die ÖVP-dominierten Sozialversicherungsträger, denn die werden von der Reform nicht betroffen sein.

Schlussendlich möchte ich zu den Zahlen kommen: Es gibt eine ganz häufig diskutierte große Zahl, die sogenannte Patientenmilliarde, diese 1 Milliarde, die den Patienten in diesem Land versprochen wird. Sie sagen, diese 1 Milliarde wird es geben. Das Prob­lem ist nur: Sie ist weder im Ministerialentwurf zu finden noch aktuell in der Regie­rungsvorlage nachvollziehbar.

Im Ministerialentwurf steht, es wird bis 2026 kumuliert 350 Millionen Euro an Ein­sparung geben. Dann ist der Rechnungshof gekommen und hat Ihren Ministerial­entwurf zerpflückt, dann ist der Budgetdienst des Parlaments gekommen und hat dasselbe getan, und plötzlich sind die ministeriellen Zahlentrickser gekommen und haben gesagt: Nein, diese 1 Milliarde müssen wir unbedingt reinschreiben! – Jetzt erreichen wir sie plötzlich, statt 350 Millionen Euro plötzlich – drei Jahre früher! – 1 Mil­liarde Euro. In der Regierungsvorlage ist nicht ersichtlich, wie das bewerkstelligt wer­den soll. Nachvollziehbare Einschätzungen der mit der Reform einhergehenden Kosten sind nicht zu finden, schreibt der Budgetdienst. Sie führen die Kosten der Reform, die Kosten der sogenannten Zusammenlegung, als gering an. Wie kann man bitte in einer Regierungsvorlage Kosten nur als gering beziffern? Da ist nicht eine einzige Zahl!

Geschätzte Bundesregierung, was Sie vorgelegt haben, ist keine Reform. Das ist vielleicht die Verwirklichung eines schwarzen Wunschtraumes mit blauer Hilfe, aber


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sonst auch schon gar nichts. Um das zu verhindern, ersuche ich Sie wirklich: Gehen Sie einen Schritt zurück! Die Obmänner der Gebietskrankenkassen wenden sich an uns (ein Schriftstück in die Höhe haltend), sie gehen davon aus, dass es zu erheb­lichen Einschnitten auf Länderebene kommen wird, sie gehen davon aus, dass die aktuell infrage gestellten Auswirkungen auf die Länderbudgets wirklich drastisch sein werden, sie gehen davon aus, dass freiwillige Leistungen wie Diabetesschulungen oder die psychosoziale Versorgung für Kinder und Jugendliche eventuell sogar ge­kappt werden müssen. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Ist es das, was Sie mit dieser Reform erreichen wollen?

Ich ersuche Sie wirklich eindringlich: Gehen Sie einen Schritt zurück, gehen wir ge­mein­sam einen Schritt zurück! Ich stelle einen Rückverweisungsantrag an den Ausschuss.

Darüber hinaus bringe ich, da erneut eine Reihe von Abänderungsanträgen, die wir gestern Abend noch erhalten haben, im Zuge dieser Debatte eingegangen ist, noch einen Entschließungsantrag ein – lassen Sie uns im Ausschuss noch einmal darüber diskutieren! –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Sozialwahl zur Stärkung der demokratischen Legitimie­rung der Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die demokratische Legitimität der Selbstver­waltung der Sozialversicherung durch die Einführung einer Sozialwahl zu stärken und auf diesem Wege den Versicherten die demokratische Kontrolle über die Verwendung ihrer Beiträge zu übergeben. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist dem Nationalrat ehestmöglich zuzuleiten.“

*****

Sehr geehrte KollegInnen, springen Sie über Ihren Schatten! Es bringt nichts, Funk­tionäre durch blaue oder türkise oder schwarze Funktionäre auszutauschen. Was den Leuten da draußen etwas bringt, sind bessere Leistungen und keine Ungleichbe­hand­lung. Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend Einführung einer Sozialwahl zur Stärkung der demokratischen Legitimierung der Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung.

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1 „Bericht des Aus­schusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (329 d.B.): Sozialver­sicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG) (413 d.B.)


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Begründung

Selbstverwaltung bedeutet, dass der Staat Aufgaben der öffentlichen Hand in gewissen Bereichen jenen Personengruppen übertragen kann bzw. übertragen hat, die davon unmittelbar betroffen sind und über sog. Selbstverwaltungskörper die entsprechenden Aufgaben weisungsfrei und eigenverantwortlich wahrnehmen.

Damit einhergehend ist intensiv die Frage nach der demokratischen Legitimierung der Selbstverwaltungskörper zu stellen, und hier gibt es aktuell – und besonders in Hinblick auf die von der Bundesregierung verfolgten Reformpläne – noch erheblichen Verbes­se­rungsbedarf.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die demokratische Legitimität der Selbst­verwaltung der Sozialversicherung durch die Einführung einer Sozialwahl zu stärken und auf diesem Wege den Versicherten die demokratische Kontrolle über die Ver­wendung ihrer Beiträge zu übergeben. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist dem Nationalrat ehestmöglich zuzuleiten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Ich darf Frau Minister Hartinger-Klein das Wort erteilen. – Bitte.


9.46.20

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Heute ist ein denkwürdiger Tag. (Abgeordnete der SPÖ stehen zum Teil auf und halten ein Transparent mit der Aufschrift „Beste Medizin für alle statt VIP-Klasse für Reiche!“ in die Höhe sowie türkis-blaue Tafeln mit der Aufschrift „Statt Drei-Klassen-Medizin“, „Beste Medizin für alle!“ und einem Bild, das ein Gebiss zeigt, das in zwei unter­schiedliche Teile geteilt ist, wobei auf einer Seite gesunde Zähne und auf der anderen Seite verfärbte Zähne abgebildet sind. – Oh-Rufe bei der ÖVP. Rufe bei ÖVP und FPÖ: Das wird auch schon fad! Man kann nichts sehen!) Wir schreiben Geschichte! Wir schreiben Geschichte und wir haben den Mut zu einer Reform, die seit Jahrzehnten notwendig war. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Blickt man in der Geschichte zurück und nimmt man ein Protokoll vom 6. Februar 1919 zur Hand – das war vor fast hundert Jahren –, dann sieht man, dass es damals fast die gleichen Diskussionen gegeben hat.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung, darf ich Sie ersuchen, da es jetzt alle wissen, die Taferln wieder zu senken! (Die Abgeordneten der SPÖ legen die Tafeln weg.  Abg. Krainer – das Transparent senkend –: Jetzt haben sie es ge­sehen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Das schaut ja wirklich furchtbar aus, was Sie da haben! – Ruf: Alles Pinocchio! – Heiterkeit bei Abge­ordneten der ÖVP.)



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Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein (fortsetzend): Damals hat es noch Bezirkskrankenkassen ge­geben, und man hat damals von einer Vereinheitlichung der Krankenkassen ge­sprochen; es war auch eine Gesetzesvorlage und eine Vereinheitlichung der Kran­kenkassen. Hundert Jahre später schaffen wir es endlich, eine Reform anzugehen, die bereits jahrzehntelang gefordert wird. Gestatten Sie mir auch eine persönliche Bemerkung: Ich bin seit über 30 Jahren im Gesundheitswesen tätig. Es war immer mein Ziel, diese Sozialversicherung für die Versicherten zu reformieren, und ich danke Ihnen für diesen Beschluss. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es geht um die Weiterentwicklung des Systems und um die eigentlichen Ziele, nämlich die Versorgung der Menschen. Wer sind die Gewinner? – Die Gewinner sind, meine Damen und Herren – auch die Damen und Herren Zuschauer –, die Versicherten, die Bürger und Bürgerinnen in Österreich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Die einzigen Verlierer sind (in Richtung SPÖ weisend) Ihre Funktionäre, und deswegen haben Sie auch demonstriert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich komme jetzt zur Trägerstruktur, 21 auf fünf: Lieber Herr Kollege Stöger, zählen war anscheinend noch nie Ihre Stärke (Abg. Leichtfried: Hallo, Herr Präsident, haben Sie das gehört?), denn es gibt fünf Kassen. (Zwischenruf der Abg. Becher.) Die aktuell fünf Betriebskrankenkassen haben die Möglichkeit, in die ÖGK hineinzuoptieren oder sich als private Wohlfahrtseinrichtung zu etablieren, und die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates wird eine eigenständige berufsständische Versorgungsein­richtung. Wir haben also fünf Kassen. Das ist unser Faktencheck. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Auf der Galerie sitzt der jetzige Generaldirektor des Hauptverbands der österreichi­schen Sozialversicherungsträger – servus, grüß dich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rendi-Wagner dreht sich in Richtung Galerie und spendet demonstrativ Beifall.) Wir machen einen schlanken Dachverband, lieber Herr Generaldirektor! Ich glaube, das muss auch in deinem Sinne sein, Effizienz zu schaffen und trägerübergreifend zu koordinieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Plessl und Wittmann.)

Durch die Zusammenführung von Sozialversicherungsträgern wird das Gesundheits­wesen aufgrund weniger Entscheidungsträger agiler. Ich habe das auch schon öfters im Hohen Haus gesagt: Um Entscheidungen für die gesamte Sozialversicherung zu treffen, waren 54 Beschlüsse notwendig – 54 Beschlüsse, das hat mindestens ein halbes Jahr gedauert; dass das nicht effizient ist, ist, glaube ich, offensichtlich.

Wer profitiert von unserem System? – Der Versicherte, das haben auch Experten im Ausschuss gesagt – unabhängige Experten bitte! (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Frau Hofmarcher beispielsweise hat kritisiert, wie unser Gesundheitssystem ausschaut – das ist das, was Sie mir übergeben haben! (Abg. Wittmann: Haben Sie die Einschätzungen des Rechnungshofes gelesen?) Die Krankenhaushäufigkeit ist zu hoch, die Wartezeiten sind zu lang, die Öffnungszeiten sind nicht entsprechend für den Versicherten und es gibt auch zu wenige Kassenärzte. (Abg. Wittmann: ... hat der Rechnungshof gesagt!) Was haben Sie gemacht? – Sie haben die Wahlärzte gefördert, somit eigentlich die Menschen zu Privatzahlungen verpflichtet, und Sie haben sie in die Ambulanzen und in die Krankenhäuser getrieben. Das war Ihre Gesundheitspolitik. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Wie schaut die künftige Selbstverwaltung aus? Die Sozialversicherungen werden nicht nur hinsichtlich ihrer Zahl, sondern auch hinsichtlich ihrer Größe beziehungsweise des Umfangs ihrer Verwaltung reduziert. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Verwaltung wird bei einem einzigen Organ liegen, nämlich dem Verwaltungsrat. (Abg. Wittmann: ....


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Rechnungshof!) Es wird neue Kräfteverhältnisse geben, und das ist natürlich etwas, was Ihnen nicht passt, daher regen Sie sich so auf. (Abg. Plessl: ... Schieflage!)

Es wird ein verstärktes Aufsichtsrecht des Bundes geben. Das ist notwendig, um Zweck­mäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit laufend zu prüfen. Weiters wird es Eignungsprüfungen für Mitglieder der Selbstverwaltung geben. Auch das passt Ihnen auch nicht. Selbstverwaltung braucht jedenfalls bestvorbereitete und -ausgebildete Repräsentanten. Es geht nicht um die Aberkennung einer demokratischen Legiti­mation, sondern um eine Besuchs-, eine Informationsveranstaltung. Das ist der Sinn dahinter, warum wir das machen. (Abg. Wittmann: Sicher geht es um das!)

Jetzt aber zu den Leistungsverbesserungen: Ganz generell wird mit der nun auf Schiene befindlichen geplanten Strukturreform ein altes und ineffizientes System reformiert, und das ist die Basis für eine weitere Gesundheitsreform. Durch die Zusammenführung der Gebietskrankenkassen wird es in absehbarer Zeit durch die Schaffung einer bundesweit einheitlichen Satzung und Krankenordnung sowie den Beschluss eines neuen Gesamtvertrages zu einer gänzlichen Harmonisierung der Leistungen innerhalb eines Trägers kommen – gleiche Leistungen, gleiche Beiträge. Wer ist der Gewinner? – Sieben Millionen Versicherte sind die Gewinner. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zu den Leistungen der AUVA: Wir haben Sie auch da, wie so oft, der Unwahrheit überführt. Wo haben wir ein Spital geschlossen? Wir haben immer gesagt, wir schließen keine Spitäler. Das ist jetzt auch der Fall. Das heißt, Ihre Demos sind um­sonst. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun zu den in Aussicht genommenen Rationalisierungen im System: Wie bekannt ist, gehen wir davon aus, dass zwischen 2020 und 2023 insgesamt 1,05 Milliarden Euro für die Versicherten eingespart werden. (Abg. Rossmann: ... 1,05!) Ausgehend von der Annahme einer linear ansteigenden Einsparung von 30 Prozent an Personal und an Sachaufwendungen ist diese Summe erreichbar.

Professor Hoffmann hat im Hearing des Sozialausschusses erklärt – er war übrigens ein Mitarbeiter des Projekts bei der LSE-Studie, die von Ihnen (in Richtung Sitzplatz des Abg. Stöger weisend) beauftragt wurde (Abg. Stöger – auf einem anderen Platz sitzend und auf sich deutend : Von mir!) –, dass 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr in der gesamten Sozialversicherung durchaus realistisch sind. (Heiterkeit bei Abge­ordneten der SPÖ.) Selbst wenn diese Fusionskosten erheblich werden, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Kosten innerhalb eines Jahres amortisieren. Das gilt laut Professor Hoffmann allerdings nur dann, wenn ein professionelles Mana­gement den Fusionsprozess durchführt, und das garantieren wir natürlich. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Rendi-Wagner und Stöger.)

Das heißt, der Vorwurf Ihres Gewerkschaftspräsidenten, Showpolitik zu betreiben, stimmt nicht. Es geht um Entlastung. (Abg. Wittmann: ... nicht gelesen, was Ent­lastung bringt!) Das versetzt Sie in Aufregung, und ich wundere mich sehr darüber, denn es ist für mich fast unverständlich, dass sich eine Sozialdemokratie aufregt, wenn man die Sozialversicherungsbeiträge von Niedriglöhnern entlastet. (Abg. Wittmann: ... 1 Milliarde mehr Geld!) Es befremdet mich wirklich, wenn das von einem Gewerk­schaftspräsidenten als Showpolitik bezeichnet wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Uns geht es darum, die Niedriglöhne zu entlasten, und natürlich werden die Beiträge und wird das Beitragsvolumen der Sozialversicherung nicht weniger werden, das garantiere ich.

Nun zu den neuen Verwaltungskörpern, denn daran ist auch etwas interessant und könnte die Öffentlichkeit vielleicht interessieren (Abg. Wittmann: 1 Milliarde Mehr­kos-


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ten!): Wir müssen die Versichertenzahlen von den einzelnen Kassen gemeldet be­kommen, um die Verwaltungsräte entsprechend zu nominieren. Wer meldet uns diese Daten nicht? – Sieben Gebietskrankenkassen, und zu welcher Partei die gehören, glaube ich, wisst ihr. Das heißt, ihr behindert unsere Arbeit bereits zu Beginn – das ist euer Ziel! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Das war ja noch da! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sicherung und der weitere Ausbau unse­res hochwertigen Gesundheitssystems, aber auch der Erhalt und die Fortentwicklung müssen garantiert werden  und das garantieren wir. Die vorliegende Gesetzesvorlage ist die größte Reform der Zweiten Republik, zum Wohle Österreichs. (Abg. Wittmann: 1 Milliarde Mehrkosten laut Rechnungshof, 1 Milliarde Mehrkosten!) Bei uns stehen der Patient und der Versicherte im Mittelpunkt und nicht der Funktionär. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte. (Oje-Rufe bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: Pinocchio! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


9.56.32

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Bundesministerin hat von der Regierungsbank aus behauptet, es gäbe in Zukunft nur mehr fünf Kassen, und hat weiters behauptet, dass Herr Abge­ordneter Stöger falsch gezählt hätte. (Abg. Kitzmüller: Das war vorher schon falsch, was Sie gesagt haben! Weitere Zwischenrufe von FPÖ und ÖVP.)

Ich berichtige tatsächlich: Erstens: Pensionsversicherungsanstalt. Zweitens: Allge­meine Unfallversicherungsanstalt. Drittens: Sozialversicherung der Selbstständigen. (Zwischenruf des Abg. Hammer.) Viertens: Sozialversicherungsanstalt für Beamte, Eisenbahnen und Bergbau. Fünftens: Versorgungsanstalt des österreichischen Nota­riates. Sechstens: Österreichische Gesundheitskasse. Siebtens: Betriebskrankenkasse VA Bahnsysteme. (Abg. Kitzmüller: ... viel Mühe gegeben!) Achtens: Betriebs­kran­kenkasse Mondi. Neuntens: Betriebskrankenkasse Kapfenberg. Zehntens: Betriebs­krankenkasse Zeltweg.

Wenn Sie wollten, hätte ich noch elf weitere, wenn man die KFAs dazuzählt. (Zwi­schenruf des Abg. Mölzer.) Es sind also zumindest elf, und wer nicht zählen kann, ist die Frau Ministerin. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittmann: ... kostet die Reform um 1 Milliarde mehr!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Povysil. – Bitte.


9.57.57

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie, von den Medien! Gehen wir doch bitte weg von diesen langweiligen Aufzählungen, wie viele Versicherungen man hat und man nicht hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das interessiert den Patienten, der es braucht, überhaupt nicht. Das ist typische Machtverlustpolitik. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich verstehe die Sozialdemokraten ja, da machen zurzeit auch ein bisschen die NEOS mit, auch eine nicht identifizierbare Liste schließt sich diesen Macht­verlust­gesprächen an. (Abg. Leichtfried: Aber die NEOS ...!) – Das ist doch völlig realitätsfremd. Gehen Sie mit mir zurück in die Realität, in die Wirklichkeit, zu dem, was


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 33

die Leute interessiert, zu dem, was ich aus meinem jahrzehntelangen Berufsleben weiß!

Warum, so frage ich Sie, meine Damen und Herren, gibt es in Österreich weniger Ärzte, die einen Kassenvertrag annehmen, als Ärzte, die ohne Kassenvertrag im Wahlarztbereich arbeiten? Warum, so frage ich Sie, meine Damen und Herren, werden Medikamente und Heilbehelfe den Patienten in verschiedenen Bundesländern in verschiedener Art und Weise zur Verfügung gestellt, denn manche haben mehr Barrie­ren, manche haben weniger Barrieren? Warum, so frage ich Sie, gibt es regionale Krankenkassen, die 500 Millionen Euro an Rücklagen haben und diese nicht den Versicherten zur Verfügung stellen? Warum, so frage ich Sie, müssen viele Patien­tinnen und Patienten mehrfach versichert sein und mit schwierigen und komplizierten Anträgen mühevoll danach trachten, diese Beträge rückerstattet zu bekommen? Warum, meine Damen und Herren, frage ich Sie, gibt es noch immer nach Ländern unterschiedlichen Kostenersatz für Brillen und Kontaktlinsen?

Das ist das, was die Patienten brauchen, das ist das, warum wir eine Reform machen müssen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Das ist das, was die Bevölkerung wirklich angeht, sie betrifft und bewegt. Das sind die Fragen, die ich nur mit dem Wort darum beantworten kann: Darum braucht es eine Sozialversicherungsreform – ein erster Schritt zu einer gesamthaften Gesundheitsreform.

Seit 30 Jahren wird darüber geredet. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) – Ja, ich weiß – und wieder kommen die Zwischenrufe von der Sozialdemokratie –: weil Sie reden, reden, reden und nicht handeln! Wir handeln, meine Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das System ist veraltet, das System ist kompliziert, das System ist ungerecht – und jetzt wird es ganz einfach und gerecht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Reform bringt eine deutliche Verschlankung der Struktur, eine Verschlankung im Bereich der Träger. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Wir müssen jetzt nicht zählen, wie viele es sind und so weiter, sie bringt eine Verschlankung im Bereich der Träger, eine Verminderung der Zahl der Funktionäre (Abg. Wittmann: 1 Milliarde mehr!) und eine Verminderung der Gremien von 90 auf 50.

Meine Damen und Herren! Es hat 56 Einzelentscheidungen gebraucht, bis in dieser Sozialversicherung eine Entscheidung getroffen werden konnte. Das ist doch kein normales Arbeiten, das ist doch kein effizientes Arbeiten! Mir würden im Krankenhaus die Patienten sterben, wenn wir 56 Arbeitskreise gründen würden, bevor wir einen Patienten notversorgen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nicht nur, dass diese Reform nun die Effizienz bringt, die wir brauchen, sondern wir setzen diese Effizienz auch direkt und unmittelbar für die Patienten ein, indem wir die finanziellen Möglichkeiten, die durch diese Effizienz frei werden, nämlich diese Ge­sundheitsmilliarde bis 2023, für Verbesserungen für die Patienten einsetzen, für gleiche Leistungen für gleiche Beiträge – das ist noch immer nicht der Fall und noch immer nicht ganz erledigt –, für mehr Leistungen für die Patienten, für mehr Kassen­ärzte für die Patienten und – das, was wir in den Regionen dringend brauchen – für eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben eine Änderung bei Mehrfachversicherungen, das System wird einfacher und die Länder, meine Damen und Herren, bekommen aus einem Investitionsfonds für Reformen im Gesundheitswesen jährlich 200 Millionen Euro. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Wir haben diese Reform versprochen – wir haben das gehalten. Sozial ist nicht nur, was stark macht (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), sondern sozial ist auch, was gesund macht, Herr Kollege, und sozial ist das, was Sicherheit gibt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rendi-Wagner: Businessclass!)

Ich bedanke mich bei der Frau Ministerin und bei ihrem Team. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße recht herzlich die Schülerinnen und Schüler der HTL Ungargasse hier im Hohen Haus. – Herzlich willkommen! (Allge­mei­ner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte. (Abg. Muchitsch stellt Tafeln auf das Rednerpult.)


10.03.31

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Frau Bundesministerin, Sie haben gesagt, das ist eine der größten Reformen und ein großes Vorhaben der Bundesregierung – auch Herr Klubobmann Wöginger hat das gesagt –, aber: Wenn das wirklich ein solch großes Wunderding ist und wenn alle davon so toll profitieren, warum sitzen Sie dann allein hier und sonst niemand von der gesamten Regierungsmannschaft? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Warum sitzen Sie allein hier? Ist es den anderen wurscht oder wissen vielleicht die anderen Regierungsmitglieder (Abg. Neubauer: Weil die arbeiten! – Abg. Hauser: Die müssen arbeiten!), was Sie heute hier tun werden, nämlich Sie als Abgeordnete der FPÖ und als Abgeordnete der ÖVP? (Ruf bei der FPÖ: Die haben nicht so viel Zeit wie Sie!)

Es tut mir immer so weh (Abg. Hafenecker: Man sieht es förmlich!), wenn Sie eine Reform dazu benützen, Funktionierendes schlechtzureden. (Ruf bei der FPÖ: Das hat nur für eure Funktionäre funktioniert!) Wir haben ein Sozialversicherungssystem, das international anerkannt ist und für das wir gelobt werden.

Jetzt hören Sie einmal auf mit diesen Funktionären! (Abg. Hafenecker: Es geht euch nur ...!) Es geht nicht um die Funktionäre, sondern es geht um ein funktionierendes System. Und dieses funktionierende System nutzen Sie, um es schlechtzureden und letztendlich Ihre Machtpolitik durchzusetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Linder: 56 Entscheidungen!)

Am 16. November wurde der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs­träger vom internationalen Verband der Sozialversicherungen dafür gelobt, dass das wirklich funktioniert und dass das eines der besten Systeme auf der ganzen Welt ist. Die internationalen Experten verstehen nicht – sie sind dieser Auffassung –, warum dieses System an die Wand gefahren werden soll. Das verstehen sie nicht. (Abg. Linder: 56 Beschlüsse für eine Entscheidung!) Das tut weh!

Weil Sie immer von den Kosten sprechen, von den Verwaltungskosten, die wir auf­grund dieses Systems der Selbstverwaltung haben, wo Hunderte Funktionärinnen und Funktionäre von unterschiedlichen Parteien, von unterschiedlichen Interessenver­tretungen, von Arbeitgebern, von Bauern, von unselbstständig Erwerbstätigen, von Eisenbahnern, von Beamten, für nur ein geringes Sitzungsgeld diese Selbstverwaltung durchgeführt haben, muss ich sagen: Diffamieren Sie diese Menschen nicht, die überwiegend ehrenamtlich dafür gesorgt haben, dass wir dieses tolle System in Öster­reich haben! (Beifall bei der SPÖ.)


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Dafür bedanke ich mich bei allen Funktionärinnen und Funktionären, egal, welcher politischer Ausrichtung, dass sie diese Arbeit geleistet haben.

Wenn Sie schon vom Kostensparen sprechen – schauen Sie sich das an! (der Redner zeigt eine Tafel mit Grafiken und der Überschrift: „Verwaltungskosten Krankenkassen“, „Internationaler Vergleich“) –: Wir haben mit 2,8 Prozent Aufwand, Selbstverwaltung und Verwaltung, dieses Gesundheitssystem in Österreich verwaltet und geführt, in der Selbstverwaltung.

Schauen wir auch, was bei den Versicherten ankommt (der Redner zeigt eine Tafel mit der Aufschrift „Leistungsquote Privatversicherung/öffentliche Versicherung“, „Was pas­siert mit 100 Euro?“, „Öffentlich: 97,2 Euro für Versicherte, Privat: 64,05 Euro für Ver­sicherte“): 97,2 Prozent von dem, was sie an Beiträgen geleistet haben.

Eines Ihrer drei Ziele ist es – und das steht in der Regierungsvorlage drinnen –, Anreize für mehr private Anbieter zu schaffen, für mehr private Versicherungen. Bei diesen haben die Versicherten dann aber weniger und es können sich nicht alle Men­schen in diesem Land diese private Versicherung leisten. Sie liefern ein funktio­nierendes Sozialversicherungssystem privaten Anbietern aus. Das ist schäbig und das ist nicht gerecht gegenüber jenen Menschen, die sich das nicht leisten können! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie betreiben eine rücksichtslose Machtpolitik! Sie färben um! Sie schaffen neue Posten – neue Posten schaffen Sie! Und wir werden uns ganz genau anschauen, wie da die Besetzungen durch Sie stattfinden werden, Frau Ministerin. Genau dort werden Sie die Macht übernehmen wollen und genau dort werden in Ihrem neuen System Spitzenposten für blaue und für ÖVP-Funktionäre geschaffen. Da geht es Ihnen nicht um die Versicherten. (Beifall bei der SPÖ.)

Fakt ist: Sie versprechen den Menschen gleiche Leistungen, und das ist eine Lüge! Das ist deshalb eine Lüge, weil es keine Harmonisierung zwischen den Trägern gibt. Es gibt keine Harmonisierung der Leistungen zwischen den Trägern. Im Gegenteil! Sie schaffen eine Dreiklassengeschichte, nämlich die Klasse I: Beamte, die Klasse II: Selbstständige und die Klasse III: Das sind die sieben Millionen unselbstständig Erwerbstätigen. Sie versprechen - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, das Wort „Lüge“ zurückzunehmen.


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Warten wir bis zum Schluss, vielleicht kommt es ja noch einmal vor, dann können wir zusammenzählen, Herr Präsident! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Neubauer: Was ist jetzt?)

Sie versprechen den Menschen eine Patientenmilliarde, und das ist die nächste Lüge: von einer Funktionärsmilliarde zu einer Patientenmilliarde. Warum ist das eine Lüge? – Weil die Selbstverwaltung nur 5,7 Millionen Euro kostet und keinen Cent mehr! (Abg. Neubauer: Jetzt reicht es aber!) Mit 5,7 Millionen Euro haben wir ein Budget von 62 Milliarden Euro über Jahrzehnte immer wieder gut verwaltet und es hat funktioniert. Sie wischen das einfach weg und wollen einfach nur umfärben! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Dritte: Sie versprechen den Menschen, Sie sparen im System. – Auch eine Lüge, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil man im System nicht sparen kann! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn man im System spart, dann spart man auch bei den Menschen! (Abg. Lugar: Das ist ein Missbrauch des Parlaments!) Sie entziehen dem Sozialversicherungssystem Milliarden – Milliarden! –, weil Sie Beiträge senken, weil Sie Mittel nicht mehr zur Verfügung stellen und weil Sie Geld von Versicherten an


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private Krankenhäuser übermitteln, für Schönheitschirurgie und Sonstiges. Das ist Ihre Politik für die Menschen.

Weniger Geld im System heißt weniger Leistung. Weniger Leistung heißt entweder Selbstbehalte oder Beitragserhöhungen für mehr Leistungen. Sie können den Men­schen nicht vormachen, dass Sie mit weniger Geld mehr Leistungen anbieten können, denn das stimmt nicht. Sie zerschlagen die Selbstverwaltung und damit verbunden auch die Sozialpartnerschaft.

Wenn ich jetzt hier hinüber (in Richtung ÖVP) schaue, zu Karlheinz Kopf, zu Peter Haubner, zu August Wöginger, kann ich sagen: Das System hat ja funktioniert! Ihr wart ja selbst in verschiedenen Gremien, ihr habt ja selbst mitbestimmt, im Interes­sen­ausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wie unser Sozialversiche­rungs­system funktionieren soll. Und wenn Sie jetzt hergehen und sagen, wir machen das nicht mehr, und, ja, die FPÖ mitspielt – die FPÖ spielt mit, wenn es darum geht, dass jetzt der ÖVP-Wirtschaftsbund mit seinen Arbeitgebern dieses System übernimmt (Abg. Heinisch-Hosek: Genau!) –, dann müssen Sie mir das wirklich erklären. Sie haben mir diese Frage noch nicht beantworten können (Abg. Neubauer: Sie haben sie nie gestellt!): Warum gibt es ein Rotationsprinzip nur bei jenen Trägern, in denen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vertreten sind? Warum wird der Vorsitz nur in den Krankenkassen, in der Pensionsversicherung gewechselt und bei den anderen nicht? – Das ist reine Machtverschiebung hin zu den Arbeitgebern!

Wenn die Arbeitgeber in Zukunft entscheiden, was die Arbeitnehmer an Versiche­rungsleistungen erhalten und was nicht, dann mache ich mir wirklich Sorgen und dann tut mir das, was hier abgehen wird, wirklich sehr, sehr weh.

Zum Schluss kommend: Meine sehr geschätzten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Sie sind gewählt worden, um Politik für die Menschen zu machen. (Abg. Belakowitsch: Machen wir auch!) Sie sind gewählt worden, um sich auch für die Menschen einzusetzen, die jetzt durch diese Reform unter die Räder kommen werden. Sieben Millionen Versicherte – sieben Millionen Versicherte, die Sie einfach weg­wischen, und das nur, um den Steigbügel zu halten, um dem Wirtschaftsbund in den Sozialversicherungsträgern mehr Macht zu verleihen; das ist nicht okay.

Ich appelliere jetzt an Sie als Volksvertreter, die auch die Sozialpartnerschaft hoch­halten wollen, denen es nicht egal ist, wie es den Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern in diesem Land geht, diesem Gesetz heute nicht zuzustimmen.

Wie scheinheilig hier Politik gemacht wird (Abg. Neubauer: Das ist auch ein Ord­nungsruf, „scheinheilig“!), von dieser Regierungsbank aus, das zeigt Ihr Vorhaben, eine VIP-Klasse in Ambulanzen schaffen zu wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Da kennen Sie sich ja aus!)

Fakt ist, Frau Kollegin Belakowitsch (Abg. Belakowitsch: Die gibt es ja schon!), es ist ein großer Unterschied zwischen Tagesklinik und Ambulanz, ein großer Unterschied (Abg. Belakowitsch: Welcher?): Bei der Tagesklinik, da haben Sie recht, gibt es Privatversicherte mit Vorteilen (Abg. Belakowitsch: Genau darum geht es!), aber bei einer Tagesambulanz, wo ein Reicher mit einer Verletzung in Zukunft früher behandelt werden soll (Abg. Schwarz: Darum geht es doch gar nicht!) als ein Armer, obwohl er schwer verletzt ist, das ist letztklassig. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt können Sie sich hierher stellen und sagen, das stimmt alles nicht (Abg. Hafenecker: ... was ist aus Ihnen geworden?), es wird einen Abänderungsantrag zu einem späteren Tagesordnungspunkt geben, das war nie so beabsichtigt, das ist ein Missverständnis – wieder einmal ist es ein Missverständnis! Wie beim Arbeitszeit­gesetz, da sind Sie ja auch hier herausgekommen und haben gefragt: Wo ist die


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Glaskugel der SPÖ? (Abg. Hafenecker: ... Pflastersteine geliefert!) Wo wird es hier eine Verschlechterung für die Arbeitnehmer geben? (Abg. Belakowitsch: Gibt es eh keine!) – Wir haben Sie darauf hingewiesen, und Arbeitnehmer sind durch Ihr Arbeits­zeitgesetz unter die Räder gekommen.

Zurück zu Ihrer VIP-Klasse für Reiche in Ambulanzen: Sie können das alles zurück­nehmen, weil der Druck der Bevölkerung zu groß geworden ist. Aber wissen Sie, was schlimm ist? – Allein, dass hier (nach links zeigend) oder hier (nach rechts zeigend) irgendjemand diesen Gedanken auf ein Blatt Papier geschrieben hat. (Ruf bei der SPÖ: Das lassen sie eh, das bleibt doch!) Wenn das auf Papier geschrieben wurde, dann ist das kein Missverständnis, dann war es Absicht – schämen Sie sich dafür! Schämen Sie sich dafür, das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss: Wenn Herr Klubobmann Wöginger hier sagt: Wir haben große Pakete geschnürt!, muss ich sagen, es ist Weihnachten. Sie haben mit diesem Entwurf große Pakete genau für Ihre Klientel, für Großkonzerne, für Reiche und für private Ver­sicherungen geschnürt. Genau das sind Ihre Weihnachtspakete. Wir nehmen halt eine andere Position ein. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Unsere Position ist klar: Beste Medizin für alle statt VIP-Klasse für Reiche! (Beifall bei der SPÖ.)

10.14

10.14.43 *****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für „Lüge“ und für „Scheinheiligkeit“. – Nehmen Sie Ihre Taferl bitte mit!

*****

Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Wöginger zu Wort ge­meldet. – Bitte. (Abg. Jarolim: Eine hervorragende Rede war das! – Abg. Belakowitsch: Darum hat er einen Ordnungsruf bekommen!)


10.15.09

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Ich habe in 16 Jahren von einer persön­lichen Erwiderung nicht Gebrauch machen müssen, aber da Herr Kollege Stöger mich tatsächlich berichtigt hat und wieder die Unwahrheit gesagt hat, muss ich die persönliche Erwiderung machen.

Kollege Stöger hat tatsächlich berichtigt und gesagt, in Zukunft sind es nicht fünf Sozialversicherungsträger, sondern zehn. Herr Leichtfried hat dann elf zusammen­gebracht, also sie sind sich auch nicht einig.

In § 718 Abs. 8 ASVG steht: „Die Betriebskrankenkassen der Wiener Verkehrsbetriebe, Mondi, voestalpine Bahnsysteme, Zeltweg und Kapfenberg werden mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2020 aufgelöst.“ – Aufgelöst, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zweitens: Die Notare kommen per Gesetz in eine Kammerversorgungseinrichtung, so wie das zum Beispiel auch bei den Architekten der Fall ist, und die Betriebs­krankenkasse der Wiener Verkehrsbetriebe kommt zu einem Teil in die KFA der Stadt Wien und zum anderen Teil in die Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten und der Eisenbahner. – Das ist die Wahrheit.


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Wir halten das, was wir versprochen haben: Es sind fünf Träger – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Povysil zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.16.29

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Muchitsch hat behauptet, dass unser Gesundheitssystem das Beste der Welt ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Laut European Health Index ist unser Gesundheitssystem aber in den letzten zehn Jahren vom dritten auf den elften Platz zurückgefallen. (Abg. Gudenus: Danke, SPÖ!)

Meine Damen und Herren! Ich berichtige dies tatsächlich und zeige hiermit auf, dass wir Handlungsbedarf haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann. – Abg. Leichtfried: Hallo, Herr Präsident, das ist keine Berichtigung! – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist eine Wortmeldung! – Abg. Leichtfried: Was ist jetzt?)

Weiters hat Herr Abgeordneter Muchitsch behauptet, dass zusatzversicherte Patienten im ambulanten Bereich besser behandelt werden als nicht zusatzversicherte Patien­ten. – Das ist unrichtig. (Abg. Becher: Im Ausschuss haben Sie ...!)

Ich berichtige auch hier tatsächlich, dass im § 16 Krankenanstalten- und Kur­anstaltengesetz eine unterschiedliche Behandlung von zusatzversicherten und nicht zusatzversicherten Patienten eindeutig ausgeschlossen ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Warum machen Sie es denn dann?)

10.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hammer. – Bitte.


10.17.57

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine sehr interessante Debatte, und wir beschließen ja heute eine der größten oder die größte Reform im Sozialversicherungs- und Gesundheitsbereich. (Abgeordnete der SPÖ hal­ten ein Transparent mit der Aufschrift „Beste Medizin für alle statt VIP-Klasse für Reiche!“ in die Höhe, andere Abgeordnete der SPÖ türkis-blaue Tafeln mit der Aufschrift „Statt Drei-Klassen-Medizin“, „Beste Medizin für alle!“ und einem Bild, das ein Gebiss zeigt, das in zwei unterschiedliche Teile geteilt ist, wobei auf einer Seite gesunde Zähne und auf der anderen Seite verfärbte Zähne abgebildet sind.)

Herr Kollege Stöger, weil Sie gerade so nett Ihr Taferl zeigen: Da es jetzt um die Gesundheit geht, darf ich mich unter dem Motto Lachen ist gesund im Namen der versammelten Mannschaft für Ihren Beitrag bedanken. Wir haben über Ihre Neu­betitelung des Pinocchio (das Wort Pinotschio aussprechend) herzhaft gelacht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Er heißt Pinocchio (das Wort Pinokkio aussprechend), und dieser besagte Pinocchio wird sich über die Performance, die ihr hier abliefert, einen Holzfuß auslachen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Weil Sie da Ihre Taferl zeigen: Wir waren uns ja in der letzten Regierung, und alle Parteien hier herinnen waren sich, glaube ich, immer einig, dass es im Sozialver­sicherungsbereich Reformen braucht, dass wir da Effizienzsteigerungen brauchen,


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dass wir eine Leistungsharmonisierung brauchen, dass wir eine Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen machen müssen, nur umsetzen konnten wir es mit Ihnen nicht, weil die bewahrenden Kräfte so stark waren. (Abg. Leichtfried: Weil wir im Gegensatz zur FPÖ keine Arbeiter ...!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie ersuchen, die Taferl wieder herunter­zunehmen.


Abgeordneter Mag. Michael Hammer (fortsetzend): Herr Kollege Leichtfried, es war ja mit Ihnen schon mühsam, überhaupt eine Studie in Auftrag zu geben und dann die Studie entsprechend zu lesen und zu deuten. Sie haben das auch ein bisschen falsch verstanden, LSE – nicht London School of Economics, sondern Lois Stöger Erinnerungsstudie, und die wäre im Sozialministerium versauert. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es wurde gerade in den tatsächlichen Berichtigungen gesagt, die Struktur wird von 21 Trägern auf fünf Träger zusammengeführt, und dem kann man nur zustimmen, denn was ist der Mehrwert für die Versicherten, wenn das auf 21 Träger aufgesplittert ist? Sie haben mit Ihren tatsächlichen Berichtigungen außerdem den Beweis erbracht, dass es unsinnig ist, solche Kleinstsozialversicherungen zu haben. Diese werden in das Gesamtsystem integriert, wie es mein Klubobmann soeben erläutert hat. Das ist auf jeden Fall sinnvoll.

Wir bekommen mit dieser Reform natürlich eine einfachere Struktur, weniger Ver­waltung und ein gerechteres System, und das kommt am Ende den Versicherten zugute. Es bleibt ein Selbstverwaltungssystem, und darum brauchen Sie sich mit Ihren Gewerkschaftern hier auch nicht so aufzuregen! Wir werden mittel- bis langfristig entsprechend einsparen, und das kommt am Ende natürlich den Versicherten zugute.

Kollege Muchitsch hat die VIP-Klasse angesprochen, und dazu darf ich Ihnen doch einiges sagen: Das Gesetz, das diese Sonderregelung beziehungsweise diese Son­dergebühren ermöglicht, stammt aus dem Jahr 1996 und wurde damals unter Sozial­minister Hums – meines Wissens SPÖ-Mitglied – beschlossen, und in der jetzigen Begutachtung zu diesem Gesetz gab es eine ganz vehemente Forderung, das einzuführen. Und wissen Sie, von wem? – Von der roten Stadt Wien wurde das eingefordert! (Abg. Rendi-Wagner: Das stimmt doch nicht!) Machen Sie sich das also mit Ihrem Bürgermeister Ludwig aus! Wir werden das jedenfalls entsprechend regeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir stellen mit dieser Reform auch sicher – und das war uns natürlich immer beson­ders wichtig –, dass die Beiträge auch dort bleiben, wo sie sind, in den Bundesländern bei den Landesstellen.

Ich darf, um das noch einmal zu verdeutlichen, einen entsprechenden Entschließungs­antrag einbringen, der das sicherstellt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Leistungssicherungsrücklagen der Gebietskrankenkassen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, im Rahmen der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen dafür Sorge zu tragen, dass in der Eröffnungsbilanz der Österreichischen Gesundheitskasse die zum


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31. Dezember 2019 bestehenden Leistungssicherungsrücklagen der Gebietskranken­kassen nach Bundesländern aufgeteilt dargestellt werden.

Darüber hinaus soll ab 2021 in den Weisungen nach § 444 (5) ASVG die Möglichkeit eröffnet werden, dass für den Fall einer erfolgswirksamen Dotierung der Rücklagen die Österreichische Gesundheitskasse im Folgejahr im selben Ausmaß die zum 31. Dezember 2019 bestehenden ‚alten‘ Leistungssicherungsrücklagen teilweise auflö­sen darf.

Die dadurch frei gewordenen Mittel sind zugunsten des Teils der Versicher­ten­gemeinschaft, die die Rücklagen aufgebaut hat, insbesondere für die Umsetzung der Leistungsharmonisierung, für Gesundheitsreformprojekte im Rahmen der Zielsteue­rung Gesundheit, die Stärkung und Sicherung der Primärversorgung im ländlichen Raum und zur Steuerung nach 441f (5) ASVG zu verwenden, wobei darauf zu achten ist, dass dadurch die nachhaltig ausgeglichene Gebarung der Österreichischen Ge­sund­heitskasse nicht gefährdet wird. Die Geschäftsordnung der Österreichischen Gesundheitskasse hat vorzusehen, dass die Landesstellenausschüsse hierzu Vor­schläge erstatten können.“

*****

Wir setzen mit diesem Reformpaket heute wirklich einen großen Schritt. Es ist sichergestellt, dass am Ende die Versicherten profitieren. Ihre Aufregung ist künstlich, wir haben hier ein gutes Gesetz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.23

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil und weiterer Abgeordneter betreffend Leistungssicherungsrücklagen der Gebietskrankenkassen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG (329 d.B.) idF des Ausschussberichtes 413 d.B. in der NR-Sitzung am 13.12.2018

Aus dem Ministerratsvortrag zur „Sozialversicherungsorganisation der Zukunft“ vom 16. Mai 2018 ist zu entnehmen: „Die nachhaltige Leistungsharmonisierung ist als inte­graler Bestandteil der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen sicherzustellen. Die neu zu errichtende Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) mit ihrer soli­darischen österreichischen Versichertengemeinschaft, hat in der Übergangsphase die bisher in den Ländern durch die GKKs finanzierten Leistungen weiterhin sicher­zustellen.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, im Rahmen der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen dafür Sorge zu tragen, dass in der Eröffnungsbilanz der Österreichischen Gesundheitskasse die zum 31. Dezember 2019 bestehenden Leistungssicherungsrücklagen der Gebietskranken­kassen nach Bundesländern aufgeteilt dargestellt werden.


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Darüber hinaus soll ab 2021 in den Weisungen nach § 444 (5) ASVG die Möglichkeit eröffnet werden, dass für den Fall einer erfolgswirksamen Dotierung der Rücklagen die Österreichische Gesundheitskasse im Folgejahr im selben Ausmaß die zum 31. Dezember 2019 bestehenden „alten“ Leistungssicherungsrücklagen teilweise auflösen darf.

Die dadurch frei gewordenen Mittel sind zugunsten des Teils der Versicherten­ge­meinschaft, die die Rücklagen aufgebaut hat, insbesondere für die Umsetzung der Leistungsharmonisierung, für Gesundheitsreformprojekte im Rahmen der Zielsteue­rung Gesundheit, die Stärkung und Sicherung der Primärversorgung im ländlichen Raum und zur Steuerung nach 441f (5) ASVG zu verwenden, wobei darauf zu achten ist, dass dadurch die nachhaltig ausgeglichene Gebarung der Österreichischen Ge­sund­heitskasse nicht gefährdet wird. Die Geschäftsordnung der Österreichischen Gesundheitskasse hat vorzusehen, dass die Landesstellenausschüsse hierzu Vor­schläge erstatten können.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Nehammer: Oje! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und Zwischenrufe bei der FPÖ.)


10.23.22

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Ich bringe eine persönliche Erwiderung. Frau Abgeordnete Povysil hat hier behauptet, ich hätte in meiner Rede gesagt, Österreich hätte das beste Gesundheitssystem. – Ich berichtige, ich habe gesagt: Österreich hat eines der besten Gesundheitssysteme. Wenn man auch die Leistungen in der Studie noch miteinbezieht, sind wir ganz weit vorne, Frau Doktor!

Die zweite Berichtigung: Die Frau Doktor und Abgeordnete Povysil hat behauptet oder hier kundgetan, dass es jetzt schon per Gesetz ausgeschlossen ist, dass es eine bessere medizinische Behandlung geben darf. – Das ist richtig! Aber Sie müssen zwischen Behandlung und dem, was Sie im Gesundheitsausschuss gesagt haben unterscheiden! Ich zitiere Herrn Abgeordneten Kaniak wortwörtlich, der behauptet hat: Wir werden mit diesem Gesetz eine Businessclass für besser Versicherte, sprich Reiche, schaffen. – Das ist ein Originalzitat. (Zwischenruf des Abg. Kaniak.)

Ergänzend halte ich fest, dass die Frau Bundesministerin im Gesundheitsausschuss wiedergegeben hat: Wir tun nichts anderes, als bessere Warteräume für besser Verdienende in Ambulanzen mit einer freien Arztwahl zu schaffen. (Abg. Haubner: Das ist ja ein Redebeitrag!) Das allein ist nicht in Ordnung! Sie, Frau Ministerin haben versprochen, mit dem Bundeskanzler - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Ich bitte Sie, bei der tatsächlichen Berichtigung zu bleiben. – Bitte.


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Gut, letzter Satz: Das, was Sie hier den Menschen vorzugaukeln versuchen, ist ein Wischiwaschi-Antrag betreffend einen Entschließungsantrag, der heute noch auf der Tagesordnung steht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Deine Fraktion soll dir Redezeit geben!)

10.25



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Loacker ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


10.25.31

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zum einen finde ich es unterklassig, wenn da ein primitives Raunen durch die schwarz-blauen Reihen geht, bevor Kollege Muchitsch sich zu einer Berichtigung ans Rednerpult begibt. (Beifall bei den NEOS und der SPÖ.)

Ich möchte die geschätzten Zuseher darauf aufmerksam machen, dass vorher Herr Abgeordneter Hammer gesprochen hat, der in der Krankenfürsorgeeinrichtung für die oberösterreichischen Beamten versichert ist und von der ganzen Reform null berührt ist. Null! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Haubner: Arroganz ist Ihr zweiter Name!) 

Man muss zuerst sagen: Die Roten haben natürlich auch nicht recht, denn wenn das System so super und alles so großartig wäre, dann hätte der damalige Sozialminister Stöger auch keine Studie um 630 000 Euro in Auftrag geben müssen. Reformbedarf ist und war natürlich evident. Aber, Klubobmann Wöginger, wenn du da ein dickes Papierkonvolut auf den Tisch legst, dann sage ich dir: Das Telefonbuch ist auch dick, aber es ist nicht verfassungswidrig! (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Es gibt zum Beispiel ein Gutachten über die Verfassungswidrigkeit der Konstruktion des Dachverbandes. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Es gibt ein Gutachten über die verfassungsrechtliche Konstruktion der neuen Aufsicht über die Selbstverwaltungs­träger, und es gibt ein Gutachten über die Verfassungswidrigkeit der neuen Kon­struk­tion für die Betriebskrankenkassen. – Das hätte einem Telefonbuch nicht passieren können!

Jetzt regen sich die Sozialdemokraten auf, weil rote Funktionäre hinausfliegen, und sie bekritteln das zu Recht. Dazu sage ich aber auch: Rote Arbeiterkämmerer hinaus und schwarze Wirtschaftskämmerer hinein, das ist für NEOS nicht genug! Das ist keine Reform, das ist primitives Umfärben. (Beifall bei den NEOS.)

So haben Sie dieses dicke Papier aber geschrieben. Es geht dabei darum, der SPÖ mit dem Ellbogen und mit der Faust eine hineinzuhauen. Die rote Eisenbahner­versicherung wird den schwarzen Beamten eingenäht. So hat man einmal einen roten Mitspieler draußen. In den Trägern, die sozialdemokratisch dominiert sein könnten, in der Pensionsversicherung und in der Österreichischen Gesundheitskasse, macht man sicherheitshalber ein Rotationsprinzip im Vorsitz, dass ein Roter, falls er einmal hinkommt, längstens ein halbes Jahr dort sitzen kann.

Man hat auch noch geschaut, dass man schnell noch in die Bauernversicherung, die – bitte schön! – in jedem Sozialversicherungsgesetz vorkommt, jährlich auch noch 30 Millionen Euro GSBG-Mittel bekommt. Diese werden auch den Krankenkassen entzogen. Die Bauern richten es sich immer, dafür sorgt der Bauernbund da drüben schon.

Schließlich kommen dann die Frau Ministerin und die ganzen Lobeshymnenschreiber und sagen: Wir haben fünf Träger. – Jetzt sage ich Ihnen etwas: Im Selbstständigen­träger, wo jetzt die Bauern und die Selbstständigen sind, gibt es sehr wohl etwas Gemeinsames, aber keinen gemeinsamen Träger, sondern es gibt ein gemeinsames Türschild. Es gibt nämlich nach wie vor zwei Gesetze, eines für die bäuerliche Sozialversicherung und eines für die gewerbliche Sozialversicherung. Da besteht eine völlig unterschiedliche Logik der Beiträge und eine völlig unterschiedliche Logik der Leistungen. Da wird aber nichts harmonisiert, da wird nichts eingespart, sondern da wird nur das Türschild gewechselt und das nennen Sie dann Reform. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)


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Aber da geht es natürlich um die Schwarzen, bei denen im Übrigen der Vorsitz nicht rotiert. Aber bei dem schwarzen Träger passiert nichts, und so passiert auch bei den Beamten nichts, und bei den Krankenfürsorgeanstalten, von denen es 15 gibt, um die korrekte Zahl zu sagen, sind neun schwarz und eine blau dominiert. Wenn man also etwas reparieren wollte, dann hätten Sie das in Ihrem Reich schon lange tun können. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Jetzt kommen Sie noch mit einem Entschließungsantrag daher, den Kollege Hammer verlesen hat, womit man die Bundesländer besänftigen muss. Einerseits ist es angeblich die großartige Reform: Wir legen jetzt alle zusammen zu einer Öster­reichi­schen Gesundheitskasse, und das ist die Reform, die Strukturen werden schlanker, wie Kollegin Povysil gesagt hat, jetzt ist es weniger. Aber – ups! – das würde ja heißen, dass die Länderkassen, die so super mit den Landesfürsten kooperieren, auf einmal nicht mehr die Autonomie haben – haben sie natürlich nicht mehr. Also kommt jetzt ein Entschließungsantrag, damit die Wahlkreisabgeordneten von der ÖVP zu Hause nicht mit dem nassen Fetzen durch die Straßen gejagt werden. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Was nicht der Fall ist, ist die Umsetzung all dessen, was in den letzten Jahren jede Studie empfohlen hat. Ob es die LSE-Studie ist, ob das die von der Wirtschaftskammer in Auftrag gegebene Studie der c-alm ist, oder ob es die Studie des IHS ist: Ein Risikostrukturausgleich über alle Träger findet nicht statt. Sie halten die Privilegien der schwarzen Beamtenschaft aufrecht, die eine bessere Struktur haben, und darum geht es Ihnen, und um nichts anderes!

Man hätte die Hebesätze reparieren müssen, mit denen Sie auch darauf achten, dass Ihre schwarzen Träger immer auf genug Geld sitzen. Daher habe ich einen Abän­derungsantrag eingebracht, dieses Hebesätzesystem zu korrigieren.

Außerdem hätte man natürlich auch die Unfallversicherung reformieren müssen. Das war ein aufgelegter Elfmeter, den die Ministerin vor dem leeren Tor verschossen hat. (Beifall bei den NEOS.)

Es hat nämlich schon ein Reformpapier im Sozialministerium gegeben, das ein wichtiger GPA-djp-Funktionär mitgeschrieben hat, dieses wurde aber nicht umgesetzt. Sie haben es geschafft, die Zustimmung der Gewerkschaft zu einer Abschaffung der AUVA zu vergeigen. Das halte ich wirklich für eine politische Großtat.

Ich bringe daher einen Entschließungsantrag ein, mit dem dieses Vorhaben umgesetzt werden soll.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umfas­sende Reform der Arbeitsunfall-Versicherung entlang des LSE-Studien-Konzeptpapiers der GPA-djp und der Vorschläge von NEOS“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sund­heit und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine umfassende Reform der Arbeitsunfall-Versicherung vorsieht. Dabei soll flankierend die bedarfsgerechte Finanzierung der derzeit unterfinanzierten Gebietskrankenkassen sichergestellt werden. Die Regierungs­vorlage soll speziell die AUVA-Reformvorschläge des LSE-Studien-Konzeptpapiers der


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GPA-djp, in dem die 2-Sparten-SV gefordert wird, und die AUVA-Reformvorschläge von NEOS berücksichtigen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

10.31

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Umfassende Reform der Arbeitsunfall-Versicherung entlang des LSE-Studien-Konzeptpapiers der GPA-djp und der Vorschläge von NEOS

eingebracht im Zuge der Debatte in der 57. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (329 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs-gesetz, das Freiberuflichen-Sozial­versicherungs­gesetz, das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz, das Primärver­sorgungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Gesundheits- und Sozial­bereich-Beihilfen­ge­setz, das Dienstgeberabgabegesetz, das Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Ziel­steuerung-Gesundheit, das Bundesgesetz über Kranken­anstalten und Kuranstalten, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung privater Krankenanstalten, das Arbeitslosenversicherungs­gesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeits­marktpolitik-Finanzie­rungs­gesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitskräfte­überlassungsgesetz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Ausbildungs­pflichtgesetz, das Dienstleistungs­scheck­gesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungs­gesetz, das Ausländerbeschäftigungs­gesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Kriegsgefangenenentschädi­gungs­gesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeres­entschädigungsgesetz, das Ver­brechensopfergesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Angestellten­gesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Haus­gehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Kran­ken­anstalten-Arbeitszeitgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Lohn- und Sozial­dumping-Bekämpfungsgesetz sowie das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert werden, ein Selbständigen-Sozialver­sicherungsgesetz, ein Bundesgesetz zur Über­füh­rung der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates in eine Versorgungs­anstalt des österreichischen Notariates und ein Bundesgesetz über die Versorgung für das österreichische Notariat erlassen werden sowie das Notarversicherungsgesetz 1972 aufgehoben wird (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG) (413 d.B.) – TOP 1

Auf der Homepage des BMASGK findet sich zum Datum der Einreichung dieses Antrages folgendes Dokument aus dem Jahr 2016 (19.12.2016)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 45

https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/1/6/0/CH3434/CMS1487591993504/studie_zu_effizienzpotentialen_in_der_oesterreichischen_sozialversicherung.pdf

Das Papier trägt folgenden Titel „Konzept für eine Studie zu: Bessere Leistungen für die Menschen: Effizienzpotentiale in der Gesundheitsversorgung und im Bereich der Pensionen“ und ist offensichtlich das Studienkonzept für die LSE-Studie gewesen. Auf Seite 11 wird relativ offen die Prüfung einer Auflösung der UV-Sparte und Einglie­derung in die PV- bzw. KV-Sparte gefordert, wie in „neueren Sozialversiche­rungs­systemen“. Das erklärt auch ein Stück weit, weshalb im Titel des Papiers, neben "Gesundheitsversorgung" und "Pensionen", das Wort "Unfallversorgung" nicht erwähnt wird (Grafik 1). In der LSE-Studie wird unter "Modell 3" das entsprechende 2-Spartensystem als mögliche Reformvariante vorgestellt (Grafik 2).

Konzeptpapier von einem Mitglied der GPA-djp-Bundesgeschäftsführung verfasst

Spannend dabei ist, dass das 13-seitige Papier laut den Dokument-Eigenschaften offen­sichtlich von einem ÖGB-Mitarbeiter verfasst wurde - derzeit Mitglied in GPA-Bundes­geschäftsführung. https://www.gpa-djp.at/cms/A03/A03_3.8.2.a/1342592305243/ueber-uns/presseservice/portraits-der-geschaeftsfuehrung/dr-david-mum?d=Touch

Dez. 2016: Die Gewerkschafts-Forderung nach einer AUVA-Eingliederung in die KV hätte die finanzielle Situation der "roten" GKKs deutlich verbessert und ist daher nachvollziehbar

Aus heutiger Sicht ist diese damalige Gewerkschafts-Position relativ verwunderlich, da die Gewerkschaft jetzt vehement gegen die AUVA-Auflösung auftritt. 2016 war die Ge­werk­schafts-Forderung nach einer Auflösung der AUVA und Eingliederung in die KV aber durchaus nachvollziehbar. Die Grundintention war offensichtlich, ähnlich wie bei der BVA, die UV-Sparte in die KV-Sparte einzugliedern. Die finanz-starke AUVA wäre also mit den unterfinanzierten GKKs verschmolzen, wodurch diese auf einen Schlag die (notwendige) finanzielle Grundlage für bessere Leistungskataloge besessen hätten. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die AU-VA mit 1,1 Mrd. Euro außer­ge­wöhn­lich hohes Reinvermögen besitzt, obwohl nur 0,1 Mrd. Euro gesetzlich vor­zu­halten sind (Leistungssicherungsrücklage). (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_01650/index.shtml)

Dez. 2017: Gewerkschafts-Sinneswandel mit neuer Regierung

Der ÖGB/SPÖ-Sinneswandel kam wohl mit der neuen schwarz-blauen Regierung Ende 2017. Diese hatte angekündigt, die AUVA aufzulösen oder zumindest die Bei-träge kräftig zu senken, ohne bei diesem Vorhaben die GKKs mitzudenken. Da diese seit Jahren von der AUVA quersubventioniert werden, hätte sich die finanzielle Situation der GKKs durch eine AUVA-Auflösung/-Beitragssenkung deutlich verschärft (https://derstandard.at/2000085470873/Krankenkassen-Querfinanzierung-ist-wohl-verfassungswidrig). Die grundsätzlich begrüßenswerte AUVA-Auflösung/-Beitragssen­kung jedoch ohne flankierende Maßnahmen für die GKKs konnte somit von Gewerk­schaft/SPÖ nur als Bedrohung aufgefasst werden.

Aus den oben geschilderten Zusammenhängen ist 180°-Wende von Gewerk­schaft/SPÖ bezüglich der AUVA-Auflösung nachvollziehbar. Es erklärt jedoch nicht das fortwäh­rende Hickhack zwischen Gewerkschaft und Vorstand innerhalb der AUVA, das definitiv nicht dazu beiträgt, die AUVA zu einem effizienten, skandalfreien, kunden­freundlichen SV-Träger zu machen. In einer Pflichtversicherung mit Zwangsmit­gliedschaften ist das aber das Um und Auf! (https://kurier.at/politik/inland/fsg-fordert-sofortigen-ruecktritt-von-auva-obmann-ofner/400132520)

Das GPA-djp deckt sich bezüglich der AUVA zu einem gewissen Grad mit dem NEOS-Vorschlag zur Reform der Arbeitsunfall-Versicherung!


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NEOS-Reform-Vorschlag:

•             Versicherungspflicht. Die Auswahl der Unfallversicherung erfolgt durch eine Betriebsvereinbarung - analog zur Mitarbeitervorsorgekasse

o            Neben der gewonnenen Wahlfreiheit führt die Versicherungspflicht weiters zu einem beiderseitigen Interesse von Versicherung und Dienstgeber, die Unfallzahlen gering zu halten, da geringere Unfallzahlen Prämiensenkungen bewirken.

•             die Prävention übernimmt das Arbeitsinspektorat

•             die bestehenden Unfallrenten werden von der Pensionsversicherung abgewickelt (nicht finanziert)

•             die UKHs gehen an die Spitalsträger der Länder

Grafik 1: Titelseite des GPA-djp-Studienkonzeptpapiers für die LSE-Studie:

https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/1/6/0/CH3434/CMS1487591993504/studie_zu_effizienzpotentialen_in_der_oesterreichischen_sozialversicherung.pdf

Grafik 2: Das entsprechende GPA-djp-Modell (ohne UV) in der LSE-SV-Studie:

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https://www.sozialministerium.at/site/Service_Medien/News_Veranstaltungen/News/Effizienzpotenzia-le_im_oesterreichischen_Sozialversicherungs_und_Gesundheitssystem

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 47

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellst-möglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine umfassende Reform der Ar-beitsunfall-Versicherung vorsieht. Dabei soll flankierend die bedarfsgerechte Finanzierung der derzeit unterfinanzierten Gebietskrankenkassen sichergestellt wer-den. Die Regierungsvorlage soll speziell die AUVA-Reformvorschläge des LSE-Studien-Konzeptpapiers der GPA-djp, in dem die 2-Sparten-SV gefordert wird, und die AUVA-Reformvorschläge von NEOS berücksichtigen."

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht über die Regierungsvorlage (329 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­ge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallver­sicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialversiche­rungs-Ergänzungsgesetz, das Primärversorgungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldge­setz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Dienstgeberabgabe­gesetz, das Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesundheit, das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung privater Krankenanstalten, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Ausbildungspflichtgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresentschädigungsgesetz, das Verbrechensopfer­gesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsinspektions­ge­setz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterent­schädigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Gutsangestelltenge­setz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Krankenanstalten-Arbeits­zeitgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­gesetz sowie das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert werden, ein Selbstän­digen-Sozialversicherungsgesetz, ein Bundesgesetz zur Überführung der Versiche­rungsanstalt des österreichischen Notariates in eine Versorgungsanstalt des öster­reichischen Notariates und ein Bundesgesetz über die Versorgung für das österreichi­sche Notariat erlassen werden sowie das Notarversicherungsgesetz 1972 aufgehoben wird (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG) (413 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 48

Der dem Bericht über die Regierungsvorlage (329 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungs­­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz, das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz, das Sozial­ver­sicherungs-Ergänzungsgesetz, das Primärversorgungsgesetz, das Kinderbetreu­ungs­geldgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Dienst­geber­abgabegesetz, das Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung-Gesund­heit, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung privater Krankenanstalten, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Ausbildungspflichtgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresentschädigungsgesetz, das Verbrechens­opfer­gesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Angestelltengesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Arbeitsinspektions­gesetz 1993, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterent­schädigungsgesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbstän­digenvorsorgegesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Gutsangestellten­gesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Krankenanstalten-Arbeits­zeitgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­gesetz sowie das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert werden, ein Selbstän­digen-Sozialversicherungsgesetz, ein Bundesgesetz zur Überführung der Versiche­rungsanstalt des österreichischen Notariates in eine Versorgungsanstalt des öster­reichischen Notariates und ein Bundesgesetz über die Versorgung für das öster­reichische Notariat erlassen werden sowie das Notarversicherungsgesetz 1972 aufge­hoben wird (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG) (413 d.B.), ange­schlos­sene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

a) In Artikel 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (89. Novelle zum ASVG)) lautet die Z. 60:

§ 73 Abs. 2 lautet:

„(2) Als Beitrag für die Pensionisten (Übergangsgeldbezieher), mit Ausnahme der im § 1 Abs. 1 Z 18 B-KUVG oder § 19 Abs. 2 Z 2 B-KUVG genannten Personen, hat die Pensionsversicherungsanstalt 171% der nach Abs. 1 einbehaltenen Beträge an den Dachverband zu überweisen. Als Beitrag für die im § 1 Abs. 1 Z 18 B-KUVG oder § 19 Abs. 2 Z 2 B-KUVG genannten Personen, mit Ausnahme jener in Abs. 2a genannten Personen hat die Pensionsversicherungsanstalt 171% der nach Abs. 1 einbehaltenen Beträge an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau zu überweisen. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisen­bahnen und Bergbau hat für die im § 1 Abs. 1 Z 29 B-KUVG genannten Personen 301% der nach Abs. 1 einbehaltenen Beträge an die von ihr durchgeführte Kranken­versicherung zu überweisen.“

b) In Artikel 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (89. Novelle zum ASVG)) wird folgende Z. 195 eingefügt:

§ 42 lautet:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 49

"Auf Anfrage des Versicherungsträgers haben

1.          die Dienstgeber

2.          Personen, die Geld- bzw. Sachbezüge gemäß § 49 Abs. 1 und 2 leisten oder geleistet haben, unabhängig davon, ob der Empfänger als Dienstnehmer tätig war oder nicht,

3.          sonstige meldepflichtige Personen und Stellen (§ 36),

4.          im Fall einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 auch die Bevollmächtigten,

längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versiche­rungsverhältnis maßgebenden Umstände zu erteilen."

c) In Artikel 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (46. Novelle zum GSVG)) wird folgende Z. 42 eingefügt:

§ 29 Abs. 2 lautet:

"(2) Als Beitrag für die Pensionisten (Übergangsgeldbezieher) hat der Versicherungs­träger als Träger der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz 173% der gemäß Abs. 1 einbehaltenen Beträge, soweit diese Beträge nicht von gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 lit. d des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes pflichtversicherten Pensionis­ten (Übergangsgeldbezieher) einbehalten werden, an die von ihm durch-geführte Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz zu überweisen."

d) Artikel 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (46. Novelle zum BSVG)) wird folgende Z. 35 eingefügt:

§ 26 Abs. 2 lautet:

"(2) Als Beitrag für die Pensionisten (Übergangsgeldbezieher) hat der Versiche­rungsträger als Träger der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz 359% der gemäß Abs. 1 einbehaltenen Beträge an die von ihm durchgeführte Kranken-versicherung nach diesem Bundesgesetz zu überweisen."

Begründung

Abänderungen (a), (c), (d) – Anpassung der Hebesätze

Zu Artikel 1 (§ 73 ASVG), Artikel 2 (§ 29 GSVG) und Artikel 3 (§ 26 BSVG):

Die Hebesätze von der Pensionsversicherung in Richtung Krankenversicherung sind derzeit zu hoch angesetzt. Dementsprechend schreiben die Krankenversicherung ins­ge­samt und praktisch sämtliche Kassengruppen seit 2009 durchgängig Überschüsse. Die anhaltenden Überschüsse widersprechen der Nicht-Gewinnorientierung der SV. Deshalb soll durch die Abänderungen die Hebesätze nach unten angepasst werden.

Situation derzeit: Die Hebesätze sind zu hoch, weshalb die Transfers von PV zu KV zu hoch ausfallen - gemessen an der Kennzahl "Jahresüberschuss".


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 50

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Folge der Hebesatz-Anpassung: Durch die Senkung der Hebesätze würden die Kran­kenkassen bei der Kennzahl "Jahresüberschuss" ausgeglichen abschließen.

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Abänderung (c): Prüfung der lohnabhängigen Abgaben ausschließlich durch die Finanz

Zu Artikel 1 (§ 42 ASVG):

Laut Stellungnahme der Kammer für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist auch durch die Regierungsvorlage "Gesetz über die Zusammenführung der Prüfungs­organi­sationen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung - ZPFSG (328 d.B.)" nicht sichergestellt, dass lohnabhängige Abgaben nur noch von der Finanz geprüft werden. Doppelprüfungen durch die Sozialversicherung sind weiter-hin möglich. §42 Abs. 1a bis 4 sollten zudem aufgehoben werden, da die Verfolgung von Sozialbetrug bzw. das Aufdecken von Scheinunternehmender Finanzpolizei obliegt. § 12 AVOG räumt der Finanzpolizei diesbezüglich umfangreiche Befugnisse ein, weshalb - um Doppelgleisig­keiten zu vermeiden - die in § 42 Abs. 1a aufgezählten Befugnisse der Versiche­rungsträger entbehrlich sind.

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_02807/index.shtml

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag in der vorgelegten Form ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Ver­handlung.

Wir sind außerdem der Meinung, dass auch der Abänderungsantrag in den Kern­punkten erläutert wurde, ausreichend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 51

10.32.26

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich muss leider mit einer persönlichen Erwiderung auf Kollegen Muchitsch beginnen. – Herr Kollege Muchitsch hat behauptet, ich hätte im letzten Gesundheits­ausschuss gesagt, die Regierung beabsichtigt mit der Gesetzesnovelle zum Kranken­anstalten- und Kuranstaltengesetz eine Businessclass in Ambulanzen einzuführen.

Ich berichtige das tatsächlich: Ich habe auf die Erwähnung von Kollegen Loacker im Gesundheitsausschuss, dass Zusatzleistungen für Sonderklasseversicherte nur im Hotelbereich möglich sind – sprich bei Unterbringung und Verpflegung – mit einem Beispiel erwidert, dass ich kein Problem damit hätte, wenn, wie in einem Flughafen, wo es einen gesonderten Wartebereich gibt, für den manche Personen mehr bezahlen, etwas Ähnliches auch in Ambulanzen möglich wäre. (Abg. Leichtfried: Wie ist das jetzt mit der Businessclass?) Der Flieger geht deshalb keine Minute früher, und ebenso gibt es deshalb auch keine Bevorzugung bei einer medizinischen Behandlung. Man kommt nicht früher dran und man bekommt keine bessere medizinische Leistung. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.)

Wir werden uns beim Tagesordnungspunkt über das Krankenanstalten- und Kuranstal­tengesetz zu einem späteren Zeitpunkt noch unterhalten. Auch Kollegin Povysil hat dazu schon eine genügende Klarstellung getroffen. Auf § 16 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal verweisen.

Aber kommen wir zurück zur Sozialversicherungsorganisationsreform, denn da haben wir eine sehr paradoxe Situation. Wir haben ja die beinahe einhellige Auffassung, dass die Sozialversicherungen in unserer Republik Großes geleistet haben. Kollege Stöger hat erwähnt, dass es diese Sozial- und Krankenversicherungen in Österreich nun 130 Jahre lang gibt. Diese haben in der Vergangenheit Großes geleistet, sie waren damals innovativ und revolutionär – nur herrschten leider Gottes in den letzten 30 Jahren Stillstand und eine Selbstlähmung in diesem System.

Der Reformbedarf ist ja nicht nur von uns erkannt worden. Selbst die letzten beiden Gesundheitsminister, die heute hier im Plenum sitzen, Frau Kollegin Rendi-Wagner und Kollege Stöger, haben diesen Reformbedarf erkannt, haben Studien in Auftrag gegeben. Nicht nur die London School of Economics, auch der Rechnungshof hat den Reformbedarf festgestellt und gesagt, dass unser System intransparent, ineffizient und zersplittert in der Finanzierung ist, dass wir zu viel Geld für zu durchschnittliche Leistungen ausgeben. Das heißt, die Versicherten bekommen für das viele Geld, das sie einzahlen, eben nicht die bestmöglichen Leistungen.

Die Zufriedenheit mit dem System hat abgenommen, auch das ist ein wesentlicher Punkt. Wenn Sie sagen, Frau Kollegin Rendi-Wagner, dass Sie so stolz auf dieses System sind und wir das beste der Welt haben, dann verkennen Sie – wie ich sagen muss – Ihre eigene Position, die Sie noch vor einem Jahr gehabt haben.

Diese Bundesregierung hat den Reformbedarf ernst genommen. Wir haben uns angesehen, was der Rechnungshof, was die London School of Economics, was die Experten gesagt haben. Wir haben einen Begutachtungsprozess für diese Gesetzes­novelle eingeleitet, in dem wir alle Betroffenen zu Wort kommen ließen, in dessen Rahmen wir ein großes Expertenhearing hatten, wo ganz klar dargelegt wurde, dass die getroffenen Maßnahmen zu Einsparungen im System führen werden, die wiederum für eine Leistungsverbesserung für die Versicherten verwendet werden können, und dass auch die potenziellen Fusionskosten durch die zu erwartenden Einsparungen mehr als abgedeckt sind.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 52

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung macht das, was die vorausgegangenen Regierungen und die vorangegangenen Bundesminister für Gesundheit nicht geschafft haben. Wir handeln, wir verbessern das System im Sinne der Patienten, wir sorgen dafür, dass mehr Geld bei den Patienten ankommt und nicht alles in der Verwaltung versickert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir sind auch kritikfähig. Ich bringe hiermit einen Abänderungsantrag ein, der auf die Kritik bezüglich der rotierenden Vorsitzführung in der Konferenz des Dachverbandes Rücksicht nimmt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 413 der Beilagen über die Regierungsvorlage 329 der Beilagen betreffend ein Sozialversicherungs-Organi­sa­tions­gesetz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

§ 441 a Abs. 4 in der Fassung der Z 158 lautet:

„(4) Die Konferenz hat aus ihrer Mitte zu Beginn jeder Amtsperiode zwei Vorsitzende zu wählen. Diese führen abwechselnd jeweils für die Dauer von sechs Monaten den Vorsitz. Die den Vorsitz nicht führende Person ist Stellvertreter/in der den Vorsitz führenden Person. Für die Wahl ist die Mehrheit nach Abs. 2 erforderlich. Bei der Wahl ist zu bestimmen, welcher/welche Vorsitzende im ersten halben Jahr der Amtsperiode den Vorsitz führt.“

*****

Damit wird das Rotationsprinzip abgeschafft. (Abg. Stöger: Aber geh, doch nicht abgeschafft!) Wir ersetzen es durch ein Wahlprinzip.

Abschließend möchte ich festhalten: Wir schaffen mit dieser großartigen Novelle effizientere Strukturen in unserem gesamten Gesundheitssystem. Wir schaffen mehr Fairness für alle Versicherten, beginnend mit den sieben Millionen Versicherten in der neuen Österreichischen Gesundheitskasse und mittel- und langfristig auch für alle anderen. Wir sorgen dafür, dass die Versicherten die bestmöglichen Leistungen bekommen und die Mittel nicht in der Verwaltung versickern, und wir sorgen langfristig für mehr Gesundheit für unsere Bürger. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 413 der Beilagen über die Regierungsvorlage 329 der Beilagen betreffend ein Sozialversicherungs-Organi­sa­tions­gesetz


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 53

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

§ 441a Abs. 4 in der Fassung der Z 158 lautet:

„(4) Die Konferenz hat aus ihrer Mitte zu Beginn jeder Amtsperiode zwei Vorsitzende zu wählen. Diese führen abwechselnd jeweils für die Dauer von sechs Monaten den Vorsitz. Die den Vorsitz nicht führende Person ist Stellvertreter/in der den Vorsitz führenden Person. Für die Wahl ist die Mehrheit nach Abs. 2 erforderlich. Bei der Wahl ist zu bestimmen, welcher/welche Vorsitzende im ersten halben Jahr der Amtsperiode den Vorsitz führt.“

Begründung

In der Regierungsvorlage der 89. ASVG-Novelle (Art. 1 des SV-OG) ist vorgesehen, dass der Vorsitz in der Konferenz, dem geschäftsführenden Organ des Dachver­bandes, jeweils für ein Jahr vom Obmann/von der Obfrau eines Sozialversiche­rungsträgers geführt wird (Rotationsprinzip); vertreten werden soll der/die Vorsitzende durch seinen/ihren Stellvertreter bzw. seine/ihre Stellvertreterin beim Versicherungs­träger.

Durch die vorgeschlagene Änderung sollen nun die Vorsitzenden der Konferenz aus der Mitte der Konferenz gewählt werden, wobei die Vorsitzführung zwischen den Gewählten halbjährlich wechselt.

Die Wahl folgt den Regeln für die Beschlussfassung in der Konferenz: Danach herrscht grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip, wobei mindestens sieben Mitglieder anwe­send sein müssen. Kommt auf diese Weise keine Entscheidung zustande, so kann in einer weiteren Sitzung erneut abgestimmt werden, wobei jedoch nur mehr eine Mehr­heit von sieben Stimmen für die Wahl erforderlich ist.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der eingebrachte Abänderungsantrag ist aus­reichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Ich darf erstens die Schülerinnen und Schüler des BG/BRG Carneri Graz und zweitens die Gruppe aus der HTL Ungargasse recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. Herzlich willkommen hier! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.


10.38.29

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich bin vorsichtig mit dem Wort Reform im Zusammenhang mit dieser Regierungsvorlage und möchte drei Bereiche anschneiden, die mich doch zögern lassen, diese Reform überhaupt als eine Reform zu bezeichnen.

Erster Punkt: Ist es schon eine Reform, wenn wir es im Bereich der Österreichischen Gesundheitskasse mit einer Machtverschiebung von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern – der größten Machtverschiebung, die es in der Ersten und Zweiten Republik gegeben hat – zu tun haben?


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 54

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Die Folge dieser Macht­ver­schiebung ist eine Demontage der Selbstverwaltung und eine Entmachtung der Arbeit­nehmer. Halten wir uns nämlich vor Augen: Was bedeutet denn Selbst­verwaltung? – Selbstverwaltung bedeutet: Die Arbeitnehmer sind die Versicherten. Selbstverwaltung bedeutet aber auch: Die Versicherten bestimmen, was mit ihren Beiträgen geschieht.

Wie war das bisher? – Bisher betrug das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der – jetzt – Gesundheitskasse Neu vier zu eins, in der Ersten Republik betrug das Verhältnis zwei zu eins.

Auch während der Zeit des autoritären Ständestaates hat es kein Verhältnis von eins zu eins gegeben. – Und was bedeutet nun ein Verhältnis von eins zu eins zwischen Arbeitgebervertretungen und Arbeitnehmervertretungen? – Das bedeutet, dass jetzt die Arbeitgebervertretung in der Selbstverwaltung von Arbeitnehmern de facto die Mehrheit hat. – So schaut es aus! (Beifall bei JETZT.)

Was geht damit einher und was ist damit verknüpft? – Die Erläuterungen deuten es ja an: Der Gesundheitsbereich soll für den privaten Markt geöffnet werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir verhindern. Andere Länder zeigen, dass private Gesundheitsdienstleistungen keineswegs besser sind als ein Gesund­heits­bereich, der auf öffentliche Leistungen baut. (Beifall bei JETZT.)

Der zweite Punkt: Diese sogenannte Reform perpetuiert eigentlich die Dreiklassen­medizin, die wir haben. Wir haben einen Deluxebereich, wenn man so sagen will, für Beamte, für Eisenbahner, aber auch für Politiker, wir haben dann einen Komfortbereich für die Versicherten der Selbstständigen und die Versicherung der Bauern, und für die Masse der Versicherten – 3,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und mit ihren Angehörigen 7 Millionen – haben wir ein Standardsystem. Und wenn Sie sagen, Sie zielen auf eine Harmonisierung der Leistungen ab, frage ich: Na ja, wo ist denn diese Harmonisierung der Leistungen geblieben? – Es gibt sie nicht! Das alte System wird weiter aufrechterhalten.

Der dritte Punkt: Frau Ministerin, Sie sprechen von der sogenannten Patienten­milliarde. – Den Beamtenentwurf hat der Rechnungshof in der Luft zerfetzt (Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein); von den 351 Millionen Euro an Einsparungen ist nichts übrig geblieben. Die Regierungsvorlage wurde auf mein Betreiben vom Budgetdienst zerfetzt. Ich habe dort eine Studie in Auftrag gegeben, und was hat der Budgetdienst gesagt? – Der Budgetdienst hat gesagt, es fehlt jegliches konkrete Mengen- und Preisgerüst, auf dessen Basis man überhaupt beurteilen kann, ob es zu den von Ihnen genannten kumulativen Einsparungen kommt. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie Herr Hoffmann zu diesen Berechnungen kommt, ist mir unverständlich. Was am Ende des Tages übrig bleibt, Frau Ministerin, ist die Tatsache, dass es diese Patien­tenmilliarde nicht gibt. Das ist und bleibt eine Zahlentrickserei.

Ich fordere Sie daher auf: Kehren wir zurück an den Anfang, setzen wir uns alle zusammen und machen wir eine echte Reform im Gesundheitsbereich zugunsten aller Versicherten! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Kirchbaumer ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.43.13

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 55

und Zuseher! Mit der Einführung der Sozialversicherungsreform wird etwas umgesetzt, was seit Jahrzehnten in Österreich diskutiert wurde. Die Reform hat das Potenzial, zu einer der größten Leistungen dieser Amtsperiode zu werden.

Für die Zuseherinnen und Zuseher, auch hier auf der Galerie, möchte ich eines noch einmal ganz klar festhalten: Statt bisher 21 Sozialversicherungsträger wird es in Zukunft nur noch fünf geben; eine Österreichische Gesundheitskassa ersetzt die neun Gebietskrankenkassen. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird zu einem Dachverband umgebaut. Von den knapp 20 000 Beschäftigten in der Verwal­tung sollen durch natürliche Abgänge in drei Jahren 10 Prozent und in zehn Jahren circa 30 Prozent eingespart werden. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Cui bono?) Herr Stöger, es ist eines Ministers nicht würdig, hier die Unwahrheit zu sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Stöger: Ah, ich?! – Zwischenruf des Abg. Lopatka.)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal Folgendes ganz klar sagen: Es werden keine Krankenanstalten und keine Krankenhäuser geschlossen, es werden keine Ärztinnen und keine Ärzte entlassen, es werden keine Mitarbeiterinnen und keine Mitarbeiter entlassen, es werden keine Leistungen gekürzt; es wird am System gespart, es wird in der Verwaltung gespart. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nochmals zum Verständnis, ich betone hier ganz klar: Es ist eine Strukturreform und keine Gesundheitsreform, meine liebe Opposition. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Wittmann. – Abg. Loacker: Aber wo ist dann die Patientenmilliarde, wenn es keine Gesundheitsreform ist?)

Die Opposition versucht, mit falschen Informationen Menschen in Österreich zu verunsichern. Als Unternehmerin sage ich hier ganz klar: In einem gesunden Unter­nehmen wird effizient gearbeitet, dort wird eine größere Menge an Kosten eingespart. Das ist einfach eine wirtschaftliche Grundlage, das lernt man in BWL – Mengenrabatt. Bei dieser Reform wird genau das gemacht: Einsparungen in der Verwaltung und nicht bei den Leistungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Diese Reform macht es möglich, dass nach erfolgreicher Umsetzung die eingesparten Gelder bei den Versicherten ankommen und nicht irgendwo in der Verwaltung versickern. (Abg. Loacker: Aber die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse ist ÖVP-geführt! – Ruf: Wer hat Ihnen die Rede geschrieben?) Wenn sie umgesetzt ist und die Menschen merken, wie wichtig dieser Schritt war, werden sie auch sehen, wie unwahr die Aussagen der Opposition sind und waren. Auch wenn die Opposition immer versucht, den Österreicherinnen und Österreichern etwas anderes zu vermitteln: Am Ende des Tages werden die mündigen Bürger unseres Landes gesehen haben, wie wichtig und richtig diese Zusammenlegung der Sozialversicherungen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dieser Strukturreform legen wir den Grundstein für ein schlankes, effizientes und modernes Gesundheitssystem für die Zukunft. Es steht der Patient im Mittelpunkt und nicht die Funktionäre der lieben SPÖ. Die Strukturreform der Sozialversicherungen wird Geschichte schreiben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek gemeldet. (Ruf: Na Servas! – Abg. Heinisch-Hosek – auf dem Weg zum Rednerpult –: Danke für die nette Begrüßung!)


10.47.07

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete Kirchbaumer hat soeben behauptet, dass aus 21 Trägern fünf werden. – Das ist unrichtig. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 56

Ich berichtige tatsächlich: eins, Pensionsversicherungsanstalt, zwei, Allgemeine Unfall­versicherungsanstalt, drei, Sozialversicherung der Selbstständigen, vier, Sozialver­siche­rungsanstalt der Beamten, Eisenbahnen und Bergbau, fünf, Versorgungsanstalt des österreichischen Notariates, sechs, Österreichische Gesundheitskasse, sieben, Betriebskrankenkasse Bahnsysteme, acht, Betriebskrankenkasse Mondi (Ruf: Die werden aufgelöst!), neun, Betriebskrankenkasse Kapfenberg, zehn, Betriebskran­ken­kasse Zeltweg – im Gesetz. (Zwischenruf der Abg. Schwarz.)

Und wenn Sie noch einmal persönlich erwidern, Herr Kollege Wöginger, wird Ihnen das auch nichts nützen. (Ruf: Ihnen aber auch nicht!) Da steht nämlich, sie können zusammengeführt werden (Abg. Wöginger: Nein!), nicht, dass sie zusammengeführt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger hebt die Hand.)

10.48

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer persönlichen Erwiderung: Klubobmann Wöginger. (Abg. Wöginger: Nein, zur Geschäftsbehandlung!) – Zur Geschäftsbehand­lung, bitte. (Abg. Haubner: Aufpassen!)


10.48.18

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident, so kann man die Diskussion nicht fortsetzen. (Abg. Heinisch-Hosek: Oh ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir Abgeordnete beschließen hier herinnen Gesetze, und jetzt geht zum dritten Mal ein Vertreter, eine Vertreterin der SPÖ hinaus und sagt, dass wir in Zukunft nicht fünf Sozialversicherungsträger haben werden, sondern zehn. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Und jetzt wird noch aus einer Mussbestimmung eine Kannbestimmung gemacht. Es steht in § 718 ASVG Folgendes: „Die Betriebskrankenkassen der Wiener Verkehrs­betriebe, Mondi, voestalpine Bahnsysteme, Zeltweg und Kapfenberg werden mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2020 aufgelöst.“ (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wir haben das Gesetz so zu nehmen, wie es ist, meine Damen und Herren. (Abg. Haubner: Pinocchia ist die weibliche Form von Pinocchio!)

10.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich werde die tatsächlichen Berichtigungen, die immer das gleiche Thema zum Gegenstand haben, ans Ende der Tagesordnung beziehungsweise ans Ende der Debatte legen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich werde die tatsächlichen Berichtigungen, in denen es immer um die gleiche Thematik geht, ans Ende der Debatte legen. (Ruf: Das geht ja gar nicht! – Unruhe im Saal.)

Zur Geschäftsbehandlung: Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.


10.49.32

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident, ich melde mich jetzt aus zwei Gründen zur Geschäftsbehandlung. Der erste Grund war mir bis jetzt nicht so bewusst, aber nach Ihrer Wortmeldung möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Geschäftsordnung diese Rückverlegung von tatsächlichen Berichtigungen an das Ende der Sitzung meines Wissens nicht so vorsieht, Herr Präsident, und das geht so nicht.

Zweitens möchte ich auch anmerken, dass die Geschäftsordnung nicht vorsieht, dass der Klubobmann der ÖVP hier Redebeiträge vorträgt, die inhaltlich noch dazu sehr stark angreifbar sind. Es ist halt einmal so, dass die nicht zusammengelegt werden


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müssen, und wer etwas anderes behauptet, sagt etwas Unrichtiges, geschätzte Damen und Herren. Und dass er diese Behauptungen hier auch in der Geschäftsord­nungs­debatte aufstellt, ist unstatthaft, Herr Präsident. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Lesen Sie einmal die Geschäftsordnung!)

10.50

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auf § 58 der Geschäftsordnung lenken. 

„Wenn sich im Laufe einer Debatte ein Abgeordneter zu einer tatsächlichen Berichti­gung zum Worte meldet, hat ihm der Präsident in der Regel“ – in der Regel! – „sofort, jedoch ohne Unterbrechung eines Redners, spätestens aber unmittelbar nach Schluß der Debatte über den Verhandlungsgegenstand, das Wort zu erteilen.“ (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Daher werde ich von diesem Paragraphen der Geschäftsordnung Gebrauch machen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. (Unruhe im Saal.)


10.51.00

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Präsident, was Sie hier machen, ist nicht demokratisch, ich sage das ganz, ganz, ganz deutlich. (Beifall bei der SPÖ.) Das haben sich die Abgeordneten auch nicht verdient. (Ruf bei der FPÖ: Ihr habt ja jedes Niveau verloren!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Immer dann, wenn ich ihn brauche, ist er nicht da, der Klubobmann der ÖVP! (Abg. Belakowitsch – in Richtung Abg. Wöginger weisend, der vor den Bankreihen der ÖVP steht –: Da ist er eh!) – Wo ist er? (In Richtung Abg. Wöginger:) Auge um Auge, Zahn um Zahn! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Du hast dich beschwert, dass dich unsere Klubobfrau nicht anschaut. (Ruf: Wir sind ja da nicht bei der Gewerkschaft!) – Ich möchte dir jetzt in die Augen schauen (Abg. Wöginger: Ja, bitte! Bitte!), und sage dir von dieser Stelle aus: Lieber August – ich sage das nicht gern, weil du einmal ein guter Betriebsrat und ein guter Arbeitnehmervertreter warst (Ruf: Ist er!) –, du verrätst heute die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Bravorufe und Beifall bei der SPÖ), und das möchte ich dir ins Gesicht sagen, lieber August! Das möchte ich dir sagen, während ich dir in die Augen schaue.

Das ist eine Schande, und ihr werdet die Rechnung noch präsentiert bekommen! Ihr werdet die Rechnung noch präsentiert bekommen. (Abg. Wöginger: Das ist eine Schande, was du gerade ...! Geh einmal zu deinen Kameraden hinaus und denk nach!) Lieber August, rede mit deinen Freunden! (Abg. Wöginger: Ja!) Der schwarze Be­triebs­rat Karl Kapplmüller hat alle Funktionen zurückgelegt (Abg. Wöginger: Ja, ja!), weil er sich für diese Politik schämt. (Abg. Wöginger: Ja, ja, genau!) Kolleginnen und Kolle­gen, er schämt sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Tausend Rosen!) – So.

Kolleginnen und Kollegen, es ist heute wirklich ein schwarzer Tag, und die Österreichische Gesundheitskasse wird in Wirklichkeit die Krankenkasse der Armen werden! Und Sie lügen, dass sich die Balken biegen! (He-Rufe bei ÖVP und FPÖ.)

*****

10.53.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, ich glaube, wir sollten wieder versuchen, ein einigermaßen gutes Niveau zu erreichen. Ich bitte Sie - - (Ruf bei der


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ÖVP: Das kann er nicht! – Abg. Haider: Das geht ja gar nicht! – Unruhe im Saal.) – Pscht! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich bitte Sie, auch wenn die Diskussion sehr kontroversiell ist, auch wenn sie sehr emotional geführt wird, dass wir trotzdem ein bestimmtes Maß halten! (Abg. Leichtfried: Aber, Herr Präsident, wenn Sie so einseitig entscheiden und einseitig ..., dann darf man sich nicht wundern! – Abg. Gudenus: Ich habe auch Menschenrechte!) Ich appelliere an alle: Abgeordneter Wimmer ist am Wort, wie jeder andere auch.

Ich bitte Sie, das Wort „lügen“ zurückzunehmen! (Abg. Wimmer: Herr Präsident, ich nehme das Wort „lügen“ nicht zurück; Lüge bleibt Lüge, Kolleginnen und Kollegen!) – Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei der SPÖ.)

*****


10.53.40

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ) (fortsetzend)|: Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie von Harmonisierung sprechen, sage ich: Genau das Gegenteil ist der Fall! Bauern, Beamte, Selbstständige werden weiterhin bessere Leistungen haben, und das wissen Sie auch ganz genau! Frau Abgeordnete Povysil, Sie haben sich herausgestellt und gesagt: Endlich gibt es Leistungen! Jeder bekommt dasselbe Geld für Augengläser, für Kontaktlinsen! – Genau das ist nicht der Fall.

Die in der neuen Gesundheitskasse, die werden genau diese Leistungen nicht haben, oder – weil ich schon am Wort bin –, Herr Kollege Wöginger, erklären Sie den Leuten, warum die Abgeordneten hier zufälligerweise nicht der Gesundheitskasse unterliegen werden, sondern der Beamtenversicherung! Erklären Sie den Leuten, warum Sie 280 Euro für ein Implantat bekommen werden, und die in der anderen Krankenkasse bekommen nichts! (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Sagen Sie das den Menschen, Kolleginnen und Kollegen! – Das wird der feine Unterschied sein, der sich nach diesem Beschluss ganz besonders auswirken wird, und darum sind wir ganz massiv dagegen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte nichts davon! Wasser predigen und Wein trinken, Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wasser predigen und Wein trinken – das ist nicht die Politik, die wir wollen! Das ist nicht die Politik! (Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen. – Abg. Neubauer: ... Ende der Sozialpartnerschaft!)

Noch einmal: Sie sagen ständig die Unwahrheit! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Sie sagen, Sie werden 1 Milliarde Euro einsparen, aber die Kritik des Rechnungshofes wird einfach weggewischt. Das gibt es einfach nicht! Es wird von der ersten Sekunde an Geld in dieser neuen Gesundheitskasse fehlen, Kolleginnen und Kollegen! 1 Milliarde Euro wird so schon weggehen und 1 Milliarde wird die Struktur kosten, die da aufgebaut wird!

Gehen wir gleich noch einen Schritt weiter: Das Gesetz ist noch gar nicht beschlossen, wird man sich bedienen wie in einem Selbstbedienungsladen, Kolleginnen und Kolle­gen! (Abg. Stefan: Nicht so wie damals, da war das ja so hervorragend! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sagen Sie doch den Menschen, dass es, wenn man ein guter Freund des Vizekanzlers ist, auch passieren kann, dass man in den Fonds der Privatkrankenanstalten hineinkommt, wenn man nicht schon drin ist.

Mir ist das völlig egal, Kolleginnen und Kollegen, wo ihr euch euer Gesicht zerschnei­det und wo ihr es euch wieder herrichten lasst – das ist mir völlig egal! – (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), aber wenn das die Kolleginnen und Kollegen und die Arbeiter und Angestellten zahlen müssen, dann ist das in Wirklichkeit ein schwerwiegender Frevel! Das ist dann in Wirklichkeit ein Frevel. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)


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Natürlich wird es von der ersten Sekunde an einen Geldmangel geben! Das wissen wir, weil die ÖGK wird ja, bevor man jetzt das Gesetz beschließt, ausgehungert. Die Selbstbehalte sind heute schon angesprochen worden. – Das wird der Dachverband besorgen, Kolleginnen und Kollegen! Der Dachverband, in dem die Arbeitgeber die Mehrheit haben, wird diese Selbstbehalte beschließen, sonst wären wir ja dann die Einzigen in der Gesundheitskasse, die keinen Selbstbehalt haben – alle anderen haben schon einen. Wir können uns darauf verlassen, dass dieser Selbstbehalt ein­geführt wird! (Abg. Belakowitsch: Bis jetzt sind alle Selbstbehalte unter Sozialisten eingeführt worden!)

Kolleginnen und Kollegen, da braucht man ja nicht weit zu schauen (in Richtung ÖVP), eure Wahlkampfspender wie der Herr Neumayer von der Industriellenvereinigung sagen das eh ganz genau – ich zitiere –: Österreich braucht ein systematisiertes Selbstbehaltsystem mit echter Steuerungswirkung, hat er gesagt. Ja, Österreich braucht keinen Selbstbehalt, sondern einen richtigen Selbstbehalt, also einen teuren Selbstbehalt. – Kolleginnen und Kollegen, wir wissen also, in welche Richtung das geht, daher sind wir ganz massiv dagegen und werden uns für die Kolleginnen und Kollegen einsetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.) Die Arbeiter und Angestellten werden das natürlich zahlen!

Die größte Schnapsidee – und das ist heute schon ein bisschen relativiert worden, Kolleginnen und Kollegen – ist die Sonderklasse in der Ambulanz. Ja hat denn irgendwer eine Ahnung, was das bedeutet? Ist irgendwer in letzter Zeit irgendwann einmal in einer Ambulanz gewesen? (Abg. Schwarz: Ja, ich! – Weitere Ja-Rufe.) 60, 70 Menschen sitzen dort! (Abg. Schwarz: Es geht nicht um den Akutbereich, ist das so schwierig?) Wird das dann so sein, dass ihr vorbeimarschiert und dass ihr im Fauteuil Platz nehmt, Kolleginnen und Kollegen, und die Arbeiter und Angestellten sollen sitzen bleiben und stundenlang warten? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das wird nicht der Weg sein, und darum werden wir ganz, ganz massiv dagegen auftreten! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kaniak hat es ja eh gesagt. Wie haben Sie das gesagt? – First Line, First Class, oder wie er es genannt hat – aber genau das wollen wir nicht, Kolleginnen und Kolle­gen, wir wollen dieselbe Behandlung haben für Arbeiter, für Angestellte, für Beamte, für Selbstständige und für Bauern! Das verlangen wir!

Ich werde Ihnen noch etwas unterstellen. (Abg. Haider: Ihr habt jahrzehntelang den Sozialminister gestellt, und jetzt stellst du dich heraus und redest ...! – Unruhe im Saal.) Ich unterstelle Ihnen (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), Sie machen das mit Absicht. Sie wollen, dass das System nicht funktioniert, meine sehr geschätz­ten Damen und Herren, und darum zertrümmern Sie die Gebietskrankenkassen.

Seien Sie doch ehrlich! Sagen Sie doch einfach, was Sie wirklich wollen! Sie wollen den Sozialstaat in die Luft jagen, Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen den Sozialstaat schädigen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Ihr habt ihn an die Wand gefahren!)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen, Kolleginnen und Kollegen, nur, damit wir es noch einmal festgehalten haben: Vor 130 Jahren waren es nicht die Arbeitgeber und es waren nicht die Regierungen, die gesagt haben: Na, die Arbeit­nehmer brauchen wirklich eine Grundversorgung, die Arbeitnehmer brauchen Geld, wenn sie krank sind! – Nein, es waren die Arbeiterinnen und die Arbeiter, die es vor 130 Jahren geschafft haben, eine soziale Krankenversicherung zu erkämpfen, zu erwirken, denn die ist ihnen nicht geschenkt worden. (Abg. Haubner: Geh, so ein Schmarren!)

Das zerstören Sie heute, und darum werden wir mit aller Kraft dagegen ankämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.) Ich


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verspreche Ihnen, wir werden Sie daran hindern, ich verspreche Ihnen, wir werden mit den betroffenen Menschen dagegen ankämpfen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung gelangt Herr Abgeord­neter Leichtfried zu Wort. – Bitte.


10.59.51

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich stimme ja mit Ihnen überein, dass es gut wäre, wenn die Diskussion hier nicht eskaliert. (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Ruf: Das dem Kolle­gen Wimmer bitte auch sagen! – Ruf bei der SPÖ: ... dem Anlass!) Ich muss aber schon sagen, dass Sie das Ihrige dazu beitragen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie sich den § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung ansehen, so wissen Sie, dass dieser besagt – ich kann ihn ja vorlesen, wenn Sie wollen –:

„Wenn sich im Laufe einer Debatte ein Abgeordneter zu einer tatsächlichen Berich­tigung zum Worte meldet, hat ihm der Präsident in der Regel sofort, jedoch ohne Unterbrechung eines Redners, spätestens aber unmittelbar nach Schluss der Debatte“ und so weiter „das Wort zu erteilen.“

Daraus ergibt sich überhaupt nicht, dass es notwendig ist, tatsächliche Berichtigungen am Ende der Debatte zusammenzufassen. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist in den letzten Jahren nie geschehen, Herr Präsident. Sie führen das jetzt neu ein und tragen damit sicherlich nicht zur Beruhigung der Debatte bei.

Ich fordere Sie auf, die Usancen, die in diesem Haus bis jetzt üblich waren, beizu­behalten (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP) und die tatsächlichen Berichti­gungen sofort, wie es in diesem Absatz 1 steht, zuzulassen, Herr Präsident! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.00

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich wende den § 58 so an, dass es immer das Gleiche ist, und habe auch die tatsächliche Berichtigung der Abgeordneten Povysil an das Ende der Debatte verlegt.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte sehr. (Abg. Wittmann: Sie sind dieser Debatte nicht gewachsen, Herr Präsident!) – Sie dürfen sich ruhig bewähren.

(In Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Heinisch-Hosek:) Ent­schul­digung! Nein, Herr Abgeordneter Neubauer gelangt jetzt zu Wort. Entschuldigung! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) – Keine Sorge, Herr Abgeordneter Wittmann. (Abg. Wittmann: ... wenn Sie der Debatte nicht gewachsen sind!)


11.01.39

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte und geschätzte Frau Bundesministerin! Ja, die Geschichte der Sozialversiche­rungsreform ist eine 30-jährige Leidensgeschichte, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn vor 30 Jahren war es die Freiheitliche Partei, war es Jörg Haider, der im April 1988 die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger eingefordert hat. Seit-


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her gab es viele Bestrebungen, das auch zu tun, nur: Geschehen ist bis heute, bis zum heutigen Tage, leider nichts. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wie ist das zugegangen? – Bereits im Jahre 1989 haben die Grünen als Erste auf den Vorschlag der Freiheitlichen reagiert und gesagt, die Sozialversicherungsanstalten seien mittlerweile „Anhängsel der Parteizentralen geworden, wo Parteibuchwirtschaft und Privilegien[...]“ herrschen. – Sehr geehrter Herr Kollege Muchitsch, Parteiprivile­gien und Parteibuchwirtschaft!

Das ist jetzt 30 Jahre her, und bis heute haben wir diese Privilegien und Partei­buchwirtschaft, und da gehört endlich aufgeräumt! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Nehammer.)

1990 hat das der große Vorsitzende der SPÖ, Franz Vranitzky, erkannt und hat Strukturreformen angekündigt. Was ist geschehen? (Abg. Belakowitsch: Nichts!) – Die roten Versicherungen haben ihm gesagt: Lieber Herr Vranitzky, so geht das sicher nicht! Der Zeitpunkt ist ganz, ganz schlecht. – Frau Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, Sie haben zuerst gesagt, es geht um den Zeitpunkt. 1989/90 haben die Sozial­versicherungen uns schon ausrichten lassen, der Zeitpunkt ist falsch. Ja, wenn es danach geht, dann wäre der Zeitpunkt laut Sozialversicherungen nie richtig gewesen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb haben wir jetzt den Zeitpunkt festgelegt und in diesem Regierungsprogramm diese Reform festgelegt, und heute werden wir das endlich machen.

Im September 1990 hat sich dann die ÖVP mit Josef Riegler dazu geäußert und hat gesagt, jetzt ist es Zeit, Strukturreformen anzugehen. Damit hatten sich im Jahre 1990 alle im Parlament vertretenen Parteien zur Strukturreform der Sozialversicherungs­träger bekannt. 1990! – Bis heute haben Sie nicht den Mut gehabt, das auch tat­sächlich von der Willenserklärung zur Umsetzung zu bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als dann 1999 Viktor Klima erneut einen Vorstoß gemacht hat, bei Sozialversicherungsträgern etwas zu tun, hat man ihm Folgendes ausrichten lassen:

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat gemeint: „Das wäre das Dümmste, was man derzeit tun könnte“. – Die steirischen Betriebskassen haben gesagt: „Wir sind erzürnt und enttäuscht“ von diesem Vorschlag. – Die Arbeiterkammer Steiermark hat gesagt, da entsteht ein „zentralistischer Moloch“, deshalb können wir da nicht zustim­men. – Und die Ärztekammer hat gemeint: „Diese Diskussion“, Herr Klima, „ist“ mehr als „entbehrlich“. – Die Bauernkassa hat die Felle davonschwimmen gesehen und hat gesagt: Da brauchen wir gar nicht mehr dazu zu sagen, wir sind dagegen.

So, und jetzt, nach 30 Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach Mut, Hartnäckigkeit und Ausdauer, die wir Freiheitlichen in dieser Frage an den Tag gelegt haben und die offenbar der SPÖ in den letzten 30 Jahren gefehlt haben, bringen wir das zum Abschluss, wovon wir 30 Jahre nur geredet haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bedanke mich bei Frau Bundesministerin Hartinger-Klein. Sie legt heute einen wirklich guten Gesetzentwurf vor und beendet damit diese 30 Jahre lange Debatte. Ich gratuliere ganz herzlich im Namen aller Menschen in Österreich zu dieser Reform für ein gutes, alternatives Gesundheitswesen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.



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11.06.02

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher! Es war einmal ein Arbeit­nehmervertreter namens Wöginger, der in den vergangenen Jahren durchaus pakttreu in sozialpartnerschaftlicher Manier Gesetzesvorhaben mitgetragen hat, aus seiner Sicht seine Klientel vertreten hat. Er hat nur längst die Seiten gewechselt. Er stellt sich heraus, nimmt ein Telefonbuch her, geht damit von dannen, regt sich auf, vertritt die, die er einmal vertreten hat, nicht mehr und leugnet, dass es Reformen auch in der Vergangenheit gegeben hat.

Ich darf Ihnen mitteilen, Kolleginnen und Kollegen, dass natürlich die neun Gebiets­krankenkassen längst in drei Schritten begonnen haben, die Leistungen zu harmo­nisieren; dass es nicht wahr ist, dass es eine Lüge ist (Abg. Neubauer: Da sind wir wieder!), dass in der Vergangenheit nichts passiert ist - - (Abg. Belakowitsch: ... Lüge?!)


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek! Wir können uns ja darauf einigen, dass man von Unwahrheiten spricht. Ich weiß, das Wort Lüge wurde in der Debatte vorher ein paarmal eingebracht; ich würde trotzdem darum bitten, dass wir dazu zurückkehren, dass dieses Wort in diesem Haus so nichts verloren hat. Nichts­destotrotz können Sie natürlich Ihre Auffassung auch so formulieren, dass Sie nicht die Würde des Hauses verletzen. (Abg. Neubauer: Nein, sie soll es zurücknehmen!)


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (fortsetzend): Wahr ist wahr und unwahr ist unwahr. Es war in der Vergangenheit so, dass sich wirklich alle bemüht haben, hier Reformen einzuleiten, und es ist einfach die Unwahrheit, dass nichts passiert ist. – Somit nehme ich das Wort Lüge zurück und ersetze es durch das Wort Unwahrheit.

Das heißt, Reformen sind eingeleitet worden. (Ruf bei der ÖVP: „Eingeleitet“!) Das zeigt nicht nur die LSE-Studie, das zeigen auch andere Bereiche, wo die Bemühungen groß waren und Bemühungen unternommen wurden, dass es zu gleichen Leistungen für gleiche Beiträge kommen kann.

Jetzt ist das nicht so: Die kleinen Kassen, die kleineren Kassen – sie wurden schon oft erwähnt – sind nach wir vor in einer privilegierteren Situation, und die neun Gebiets­krankenkassen, die sieben Millionen Versicherten in diesem Land werden in einer Dreiklassenmedizin aufwachen. Und das wollen wir nicht. Wir wollen nicht hinnehmen, dass es für Sie möglich wird, dass Sie sieben Millionen Patientinnen und Patienten – beziehungsweise Menschen, die es einmal werden – so ignorieren und dass Sie das Sozialversicherungssystem mit dem heutigen Beschluss zu zerstören beginnen.

Und auch das ist die Wahrheit: Es wird so sein, dass es nicht gleiche Leistungen für gleiche Beiträge gibt. Es wird so sein, dass manche bezüglich ihrer Krankenver­sicherungsleistungen noch länger warten, dass sie nicht mehr mitbestimmen können, wie Rehabilitationsmaßnahmen zu setzen sind, wie Krankenstände auszuformulieren sind, wie sie sich um einen Kuraufenthalt bemühen können, wenn sie ihn dringend brauchen, und nicht mitreden können, wenn es um die Frage geht, wie sich physische und psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz – Sie haben ja unlängst auch den 12-Stunden-Tag eingeführt und waren auch noch stolz darauf – negativ auf die Gesund­heit der Menschen, die sich im Arbeitsbereich befinden, auswirken werden.

Sie riskieren mit diesem Gesetz auch, dass Sie den sozialen Frieden in Österreich massiv stören und in Zukunft auch die Demokratie gefährden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit zum Abschluss meines kurzen Redebeitrags, weil wir ja heute noch ausreichend Zeit haben werden, über diese Fast Lane in Ambulanzen zu sprechen und über Ihre Vorhaben, Menschen in mehrere Klassen


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einzuteilen: die, die es sich nicht verdienen, und die, die Sie bedienen und bedient haben und die es sich verdienen.

Daher ist es notwendig und wichtig, Ihnen den Spiegel vorzuhalten und Ihnen immer wieder vor Augen zu halten, dass Sie nicht interessiert daran sind, dass Gesundheit für alle Menschen gleichermaßen in diesem Land da sein soll und da zu sein hat. (Abg. Haubner: Das ist die Bestätigung, dass die Reform richtig ist!) Nein, Sie differenzieren, und manche sind Ihnen mehr wert als andere. Darauf brauchen Sie nicht stolz zu sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Die Reform ist richtig!)

11.10


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte.


11.10.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­gin­nen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Neubauer hat diese Genese, diesen jahrzehntelangen Prozess der Anstrengungen, die Sozialversicherungslandschaft zu verändern, bereits trefflich beschrieben, und 2018, mit dieser Regierung, ist es nun endlich so weit.

Ich möchte einleitend auch noch einmal darauf hinweisen, dass es sich lediglich um eine Organisationsreform handelt: Es kommt zu schlankeren Strukturen. Es wird das Thema der Zweckmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit wieder mit neuem Leben erfüllt, und es wird dadurch mehr Luft für die Möglichkeiten geschaffen, wenn es um die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten in diesem Land geht. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Regierung arbeitet mit Außenmaß, diese Regierung arbeitet mit Hausverstand, und wir setzen das um, wofür wir vor einem Jahr gewählt wurden.

Ich darf ein paar Charakteristika herausnehmen, die diese Reform sehr gut beschrei­ben – eine positive Entwicklung –: Das eine ist, die neuen Strukturen werden schlank, aber sie werden trotzdem bürgernah sein. Es gibt auf der Bundesebene Einheiten, wo Entscheidungen getroffen werden und Verwaltung organisiert wird, und es gibt auf der Landesebene weiterhin die Strukturen, wo sich Bürgerinnen und Bürger um Rat und Hilfe umschauen können.

Der zweite Bereich: Das Aufsichtsrecht des Bundes wird gestärkt – ich darf mich da bei der Frau Bundesministerin bedanken und sie ersuchen, auch die besten Grüße und den Dank an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium zu übermitteln –, und auch der Dialog mit dem Finanzministerium wird verstärkt. Ich glaube, auch das ist ein guter und ein legitimer Ansatz.

Und der dritte Bereich: Dort, wo es in unserem Land zu Mehrfachversicherungen kommt, werden die bürokratischen Hürden abgebaut – auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ja, die Regierung ist angetreten, das Leben der Menschen zu vereinfachen. Dafür wurden wir vor einem Jahr gewählt, und das setzen wir mit aller Konsequenz um. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich komme zum Schluss und darf die Ausführungen von Frau Kollegin Rendi-Wagner ganz kurz kommentieren: Ich bin mir nicht sicher – ich will Ihnen jetzt nicht zu nahe treten –, aber ganz überzeugt waren Sie in Ihrer Rede von Ihren Argumenten nicht.

Der erste Bereich: Sie fordern für alle gleiche Leistungen, und das stellen Sie in den Raum. Auf der anderen Seite sagen die Sozialdemokraten, die Selbstverwaltung ist in Gefahr. Das ist ein Widerspruch in der Argumentation, denn die Harmonisierung der


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Leistungen wird im Rahmen der bestehenden Selbstverwaltung auf jeden Fall voran­getrieben. Da sind wir auf dem richtigen Weg.

Der zweite Bereich: Sie kritisieren die Strukturen und behaupten, dass diese nicht schlanker werden. Ich ersuche Sie und vielleicht auch Ihr Team, durch das die Vorbereitung Ihrer Rede erfolgte, dass Sie sich das Organigramm anschauen. Dort ist schwarz auf weiß abgebildet, dass die Strukturen schlanker werden.

Der dritte Bereich: Sie stellen das Effizienzpotenzial infrage. Da darf ich Ihnen jetzt aus meinem Bereich berichten: Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wird eine Fusion mit der Sozialversicherungsanstalt der Wirtschaftstreibenden durchführen. Ich darf Ihnen dazu durchaus berichten, dass da nicht nur eine Fusion erfolgt, sondern dass an diese mit einem Geist der Neugründung herangegangen wird. Ich darf mich in diesem Zusammenhang bei den Vertretern der Wirtschaft sowie bei meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Wir zeigen schon seit Jahrzehnten auf, dass durch gute organisatorische Abläufe Effizienzpotenzial gehoben werden kann, und das soll jetzt im gesamten System abgebildet werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz zum Schluss zum Bauernbashing der NEOS: Also ich denke mir jetzt schon öfter in den Plenardebatten, ich stelle so ein Trauma, ein Bäuerinnen-und-Bauern-Trauma der NEOS fest, und irgendwie tut mir Kollegin Doppelbauer ein wenig leid, weil sie sich, glaube ich, wirklich redlich für die Interessen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern einsetzt. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Sie da in Ihrer Mannschaft wirklich gut aufgehoben sind, denn es wird auch die Selbstverwaltung kritisiert. Da muss man einmal dabei sein – und ich glaube, die NEOS können auch in unserem Bereich antreten, und dann kann man schauen, ob sie dann den einen oder anderen Wahlgang in der bäuerlichen Bevölkerung überstehen. (Abg. Loacker: Haben Sie inhaltlich auch was zu sagen?)

So gesehen möchte ich Sie ersuchen, ein bisschen mehr Sachlichkeit an den Tag zu legen, denn ich sage Ihnen ganz offen: Wir Bäuerinnen und Bauern erbringen in Österreich unsere Leistungen, und wir haben so wie alle anderen Berufsgruppen in diesem Land eine ordentliche soziale Absicherung verdient. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Loacker: Bekommen Sie 30 Millionen GSBG-Mittel oder nicht?)

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute. Vielen Dank für diese Reform! Wir sind auf einem guten Weg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


11.16.19

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Frau Hartinger-Klein! (Der Redner stellt eine türkis-blaue Tafel mit der Aufschrift „Statt Drei-Klassen-Medizin“, „Beste Medizin für alle!“ und einem Bild, das ein Gebiss zeigt, das in zwei unterschiedliche Teile geteilt ist, wobei auf einer Seite gesunde Zähne und auf der anderen Seite verfärbte Zähne abgebildet sind, auf das Rednerpult.) Herr Abgeordneter Strasser hat völlig recht, die Bauern haben sich eine gute soziale Absicherung verdient, und die Sozialdemokratie hat sie 1973 eingeführt; Bruno Kreisky war es. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe (Ruf bei der ÖVP: Nichts zusammengebracht! – Heiterkeit bei der FPÖ) 2008 von Schwarz-Blau das Gesundheitsministerium übernommen, am 2. Dezember 2008. Ich habe dieses Gesundheitssystem mit einem Schuldenstand von 1 Milliarde und 100 Millionen Euro übernehmen müssen. Schwarz-Blau (Abg. Kassegger: War aber nur bis 2006!) hat sich in dieser Zeit bemüht, Selbstbehalte einzuführen, Ambulanz-


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gebühren einzuführen (Abg. Belakowitsch: Ich glaube, Kollege Stöger, historisch bringen Sie da jetzt einiges durcheinander!) und immer wieder die Mittel für die Krankenkassen der Arbeiter und Angestellten wegzunehmen. (Abg. Belakowitsch: Sie wissen, dass das nicht stimmt!) Ich habe am 1. September 2014 die Gebietskranken­kassen mit einem jährlichen Plus von 218 Millionen Euro weitergegeben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: ... Vertragsärzte ... unter jeder Kritik! Da ist leicht sparen, am Patienten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Hören Sie jetzt genau zu! Was Schwarz-Blau da jetzt machen will, ist, ein neues Verhältnis einzuführen, eine Rückkehr ins 18. Jahrhundert. Sie wollen nämlich wieder ein Verhältnis von Herr und Knecht einführen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: ... ein Jahr Wartezeit! Das haben Sie zu verantworten!)

Die Knechte, die Arbeiter und Angestellten, dürfen nicht mehr entscheiden, wie ihre Leistungen sind. Nein, das werden wieder die Herren tun. (Abg. Gudenus: Da gibt’s auch Damen, vielleicht!) Die Unternehmer werden entscheiden.

Ich sage das noch einmal: das Verhältnis von Herr und Knecht. Und es war der Erfolg, dass die Sozialversicherung die Demokratie entwickelt hat. Ich habe das vorgestern schon ausgeführt: Es war die Bürgerbewegung, die Europa zu dem gemacht hat, was es heute ist. (Abg. Gudenus: Die Gelben Westen!)

Es sagen alle Verfassungsexperten, dass dieses Sozialversicherungs-Organisations­gesetz verfassungswidrig ist. Das sagen alle (Ruf bei der FPÖ: Alle von der SPÖ!), und ihr könntet darauf auch hinweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erinnern Sie sich, ich habe das im Jahr 2003 erlebt: Damals ist Schwarz-Blau angetreten und hat uns das Blaue vom Himmel bei der Pension versprochen. Was Schwarz-Blau tatsächlich gemacht hat, ist – und jeder, der heute ins Pensionsalter kommt, spürt das, jede Frau, die Teilzeit beschäftigt ist, spürt das –, den Durchrechnungszeitraum von den besten 15 Jahren auf die Lebenszeit zu erhöhen! (Abg. Neubauer: ..., dass es heute überhaupt noch Pensionen gibt! – Wo leben denn Sie? Sie haben doch keine Ahnung!)

Und das hat dazu geführt, dass Schwarz-Blau die Pensionen für alle massiv reduziert hat. Es wirkt nicht morgen, nein, es dauert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Wo leben Sie? Sie haben doch keine Ahnung!)

Schwarz-Blau hat auch Regelungen bei den Pensionen nach langer Versicherungs­dauer abgeschafft. Das führt dazu, dass viele Menschen, nachdem sie lange auf der Baustelle gearbeitet haben, lange in der Industrie gearbeitet haben, sie nicht mehr mit 60 in Anspruch nehmen können. Ich sage Ihnen das deshalb, weil Schwarz-Blau mit diesem Gesetz jetzt den nächsten Schritt dazu setzt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Sie machen das in der Art, dass Sie – und ich sage das sehr deutlich – Funktionäre schlechtmachen. Ich war bei einer Veranstaltung, und dort hat jemand gesagt: Funktionäre braucht man, damit etwas funktioniert. – Und damit das System eben nicht mehr funktioniert, will man die Funktionäre nicht mehr haben. Man will das System funktionsunfähig machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Zu viele Funktionäre machen auch alles funktionsunfähig!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, bei der Feuerwehr gibt es keine Funktionäre mehr! – Es sind die Funktionäre, die darauf achten, dass dann jemand da ist, wenn man jemanden braucht. Das war so!

Deshalb frage ich auch die ÖVP noch einmal: War Herr Karl Donabauer (Ruf bei der ÖVP: Eine Legende!) ein schlechter Kassenobmann? (Nein-Rufe bei der ÖVP.) War Herr Karlheinz Kopf ein schlechter stellvertretender Kassenobmann? (Nein-Rufe bei


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der ÖVP.) War Herr Fritz Neugebauer ein schlechter Kassenobmann? (Abg. Wöginger: Er ist es noch!) – Schon gar nicht. Warum lassen Sie dann nicht mehr zu, dass Menschen, die hier im Parlament sitzen, auch Kassenobmänner sein dürfen? Warum lassen Sie nicht mehr zu, dass diese Menschen, die jetzt die Verantwortung tragen, auch bei der neuen Entwicklung dabei sein können? Wollen Sie das nicht mehr? Warum tun Sie das? – Das könnten Sie mir erklären. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Gestatten Sie mir, noch etwas zu Herrn Abgeordnetem Wöginger zu sagen! Lieber Gust, du wirst den Menschen in Schärding erklären müssen, was du heute anrichtest! Die Arbeiter und Angestellten werden weniger Leistungen in Anspruch nehmen können. Du wirst ihnen erklären müssen, was es dann bedeutet, wenn man die Gebietskrankenkassenstelle auflösen muss, wenn man keine ärztliche Versorgung mehr hat. Du wirst den Beschäftigten des Roten Kreuzes Oberösterreich erklären müssen, weshalb die notwendigen Mittel für eine vernünftige Versorgung für das Rote Kreuz nicht mehr zur Verfügung stehen; nicht nur für den Krankentransport, sondern auch für die vielen Sozialleistungen, die das Rote Kreuz auch umsetzt.

Ich werde dafür sorgen, dass jeder Österreicher und jede Österreicherin erkennt, wer da die Verantwortung trägt. Lieber Gust Wöginger, ehe der Hahn zwei Mal kräht (Rufe bei der ÖVP: Drei Mal!), hast du die Arbeitnehmer drei Mal verraten! (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe Mitglieder des ÖVP-Klubs, Lois Weinberger und Leopold Kunschak drehen sich jetzt im Grab um! (Beifall bei der SPÖ.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Präsident Sobotka hat während seiner Vorsitzführung aufgrund einer Reihe von tatsächlichen Berichtigungen, die zum Teil auch Wortmeldungen zur Geschäftsordnung waren und nur in die Nähe von möglicherweise tatsächlichen Berichtigungen gegangen sind, gesagt, dass Wortmeldungen zu tatsächlichen Berichtigungen am Ende dieser Debatte aufgerufen werden.

Da derartige Wortmeldungen meiner Ansicht nach der laufenden Debatte geschuldet sind, werde ich jetzt eine tatsächliche Berichtigung – eine liegt mir vor – zum Aufruf bringen.

Ich werde in der Präsidialkonferenz mit allen Mitgliedern darüber noch einmal ein Gespräch führen, wie wir das in Zukunft handhaben können.

Ich weise jetzt darauf hin, dass wir klare Geschäftsordnungsregelungen haben. Das be­deutet, dass bei tatsächlichen Berichtigungen zuerst die Wiedergabe der zu be­richti­gen­den Behauptung erfolgen muss und in der Folge dann eben der berichtigte Sachver­halt; und es handelt sich dabei um einen Sachverhalt und nicht um eine Meinung.

*****

In diesem Sinne erteile ich jetzt Ihnen, Frau Abgeordnete Dr.in Belakowitsch, das Wort zu einer tatsächlichen Berichtigung. (Abg. Povysil, die schon auf dem Weg zum Rednerpult war, bleibt in den Bankreihen stehen und drückt mittels Gesten Verwun­derung aus.)


11.25.11

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Herr Abgeordneter Stöger hat in seiner Rede behauptet, er hätte im Jahr 2008 von Schwarz-Blau sozu­sagen übernehmen müssen. – Das ist unrichtig.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 67

Herr Kollege, zwischen 2006 und 2008 war das Kabinett Gusenbauer, das heißt, Sie haben direkt von der Vorgängerin, von Gesundheitsministerin Kdolsky, übernommen. Das heißt, Sie haben vom Kasachstan-Lobbyisten Gusenbauer übernommen. (Abg. Povysil begibt sich zum Präsidium.)

Des Weiteren hat Herr Abgeordneter Stöger hier behauptet, zu seiner Zeit hätte es bei den Krankenkassen immer einen Überschuss von mehreren Millionen gegeben. – Auch das ist unrichtig.

Sie wissen, Herr Abgeordneter Stöger, selbst die Wiener Gebietskrankenkasse hatte in all den Jahren aus den normalen Geschäftsgebarungen negative Abschlüsse. Einzig das, was Sie sozusagen zusätzlich an Steuergeld hineingezahlt haben, hat Überschüs­se produziert. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.26


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Povysil, ich habe mein Vorgehen bei Wortmeldungen zu einer tatsächlichen Berichtigung erklärt.

Sie haben Ihre Wortmeldung so wie einige andere auch während der Vorsitzführung des Präsidenten Sobotka abgegeben, und er hat diese Entscheidung getroffen, die ich auch so weiterführen werde, weshalb Sie am Ende der Debatte, so wie er Ihnen das auch mitgeteilt hat, Ihre tatsächliche Berichtigung vorbringen können. Das ist nach der Geschäftsordnung möglich, das hat er auch so gesagt, und daher werde ich auch so vorgehen. (Abg. Povysil: Dann sollten Sie sich vielleicht einigen!)

*****

Jetzt gehe ich in der Rednerliste weiter.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner. – Bitte, Frau Abgeord­nete.


11.27.12

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Minis­terin! Herr diplômé Stöger, während Ihrer Rede hatte ich irgendwie das Gefühl: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich habe auch das Bild, das Sie gezeigt haben, während Ihrer doch sehr langen Rede genau betrachtet und ich darf Ihnen berichten: Wir sind in der Schule sehr darauf bedacht und immer dahinter, dass unsere Kinder die richtige Zahnpflege erlernen, damit genau solche Zähne, wie Sie sie meinen, hier zeigen zu müssen, verhindert werden.

Geschätzte Damen und Herren! Albert Einstein hat gesagt: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Herr Kollege Noll hat diesen Spruch von Albert Einstein hier am Dienstag verwendet, um der Bundesregierung auszurichten, es bleibe ja alles beim Alten, es verändere sich nichts. – Wir haben heute die größte Organisationsreform zu beschließen, und ich bin sehr glücklich und auch sehr stolz darauf, daran mitwirken zu dürfen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das System ist über die Jahrzehnte hinweg in der Verwaltung immer größer geworden, aber diese Regierung hat für sich in Anspruch genommen, die Dinge, die sie sich vorgenommen hat, auch umzusetzen.


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Ja, es wird eine Veränderung sein, aber nicht so, wie sie teilweise von der Opposition behauptet wird. Diese Behauptungen, mit denen den Leuten Angst gemacht wird, mit denen ein Klassenkampf hochgehalten wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich äußerst verwerflich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wittmann: Sehr überheblich!)

Ich war vor Kurzem bei einer Betriebsratssitzung und ich war wirklich bestürzt, mit welchen Angstargumenten Kolleginnen und Kollegen motiviert werden, rauszugehen und diese Ängste an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterzugeben. Ich darf hier nur ein Beispiel nennen: Ja, in den Sozialversicherungsträgern gibt es dann die Arbeitnehmer- und die Arbeitgebervertreter, und stellt euch vor, die Arbeitneh­mer­vertreter müssen eine Prüfung machen, aber beim Arbeitgebervertreter reicht es, wenn er ein Jahr eine Würstelbude betreibt, dann kann er sich schon in die Sozialversiche­rungsvertretung setzen!

Das, meine Damen und Herren, ist wirklich eine klare Unwahrheit! Und wenn Sie mit diesen Unwahrheiten hinausgehen, dann schüren Sie Angst und Panik, und das wollen wir hier nicht haben, wenn wir in andere Länder schauen, was passiert, wenn Angst und Panik geschürt werden. Dann haben Sie hier eine Verantwortung zu übernehmen, die Ihnen nicht gerecht wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn dann dieselben fragen: Ja wo sind denn die alten Werte und wo sind die alten Ehrenmänner?, dann muss ich Ihnen sagen: Ich hoffe, wir kommen in der Neuzeit an und haben eine positive Zukunft vor uns, denn unser Bekenntnis zu einem Sozialstaat steht außer Frage!

Herr Kollege Wimmer, wir sind uns alle einig: Wir sind stolz auf unsere Vorfahren, die uns einen Staat übergeben haben, der sehr gut dasteht, aber Systeme, die vor 130 Jahren geschaffen worden sind, meine Damen und Herren, führen uns nicht in die Zukunft, und wir sind heute hier, um für die Zukunft und über die Zukunft zu ent­scheiden!

Ich bin auch in die Politik gegangen, um aktiv mitzugestalten. Warum will ich aktiv mitgestalten? – Weil ich eine Zukunft für meine Kinder und Enkelkinder haben will und auch für Ihre Kinder und Enkelkinder den Staat zukunftsfit machen will. Dafür ist diese Bundesregierung auch angetreten! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es muss uns wirklich klar sein: Die reinste Form des Wahnsinns ist, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas verändert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der ÖVP.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag.a Verena Nussbaum ist die nächste Rednerin. – Bitte.


11.32.00

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie! Heute ist es leider so weit: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch diese schwarz-blaue Regierung enteignet. Der größte Diebstahl in der Zweiten Republik wird heute von Schwarz-Blau beschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute werden die neun Gebietskrankenkassen zu Grabe getragen. In der neuen Megakasse, der Österreichischen Gesundheitskasse, haben die Wirtschaftsvertreter das Sagen und nicht mehr die Versicherten, die die Leistungen erhalten. Das wären nämlich die Arbeiter, die Angestellten, die Pensionisten und die Arbeitslosen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Die Versicherten haben bis jetzt auch nichts sagen dürfen, weil das waren vielleicht Gewerkschafter ...!)


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Die zuerst so groß verkündete Patientenmilliarde – ja wo ist sie denn jetzt? Niemand von den Rednerinnen und Rednern der Regierungsparteien spricht hier noch von der Patientenmilliarde. Sie ist wohl doch nur ein Märchen gewesen!

Die ExpertInnen bestätigen, dass diese Fusion ein Millionengrab wird. (Abg. Deimek: Das wäre die erste Fusion, die mehr kostet, als sie bringt! Das ist halt, wenn man sich in der Wirtschaft so gut auskennt!)

Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, und die Bundesregierung beginnt heute mit der Zerstörung unseres Gesundheitssystems. Was bedeutet das für die 7 Millionen Versicherten in der neuen Krankenkasse in Österreich? – Die Regie­rung spricht von Leistungsharmonisierung, in Wirklichkeit entsteht aber eine Dreiklas­senmedizin. In Zukunft werden 7 Millionen Versicherte weiterhin andere Leistungen erhalten als der Beamte, der Unternehmer oder der Bauer. In Zukunft werden 7 Millio­nen Versicherte weniger Leistungen in Anspruch nehmen können. (Abg. Deimek: Wer schreibt Ihnen eigentlich so einen Blödsinn vor, dem Sie das runterlesen?)

Die Verschlechterungen gehen noch weiter: Die Regierung plant weitere Geschenke an die Wirtschaftseliten, indem sie die Sozialversicherungsbeiträge senken möchte. Was heißt denn weniger Geld für die Sozialversicherung? – Natürlich weniger Leis­tungen, mehr Selbstbehalte. Wenn Selbstbehalte eingeführt werden, heißt das, wenn man in Zukunft zum Arzt geht, muss man entweder Bares zahlen oder die Kreditkarte stecken. (Abg. Deimek: Von einer Rechnung haben Sie noch nichts gehört, gell?!) Das sind amerikanische Verhältnisse.

Liebe geschätzte KollegInnen! Wir haben ein hervorragendes Gesundheitssystem, was von Ihnen auch schon bestätigt worden ist. – Warum fahren Sie dieses Gesundheits­system mit Vollgas gegen die Wand? Warum machen Sie das? (Beifall bei der SPÖ.)

Aber des einen Leid – des anderen Freud! Unser Finanzminister Löger war ja 15 Jahre lang für die Uniqa-Privatversicherung tätig und wird auch jetzt noch Interesse haben, dass seine Aktien im Wert steigen. Das wird wohl auch schon bald passieren, denn der erste Schritt zur Privatisierung wird die Sonderklasse in Ambulanzen sein. (Abg. Deimek: Ich wäre schon einmal froh, wenn Sie es geschafft hätten, ... Ärzte ...! Aber das ist ja nicht gegangen, da sind ja die Leute früher gestorben!) Diejenigen, die es sich leisten können, eine private Zusatzversicherung zu haben, werden in Zukunft bevorzugt werden und eine VIP-Behandlung bekommen, wie heute schon mehrmals von den Regierungsparteien bestätigt worden ist.

Ein weiterer Schritt zur Privatisierung und zu mehr Selbstbehalten wird der Ent­schließungsantrag sein, den Kollege Hammer eingebracht hat, wenn man nämlich in Zukunft über die Leistungssicherungsrücklagen beliebig verfügen können wird. Es hat ja einen Sinn, warum es eine Leistungssicherungsrücklage gibt: die soll bei Epidemien, zum Beispiel bei großen Grippewellen und so weiter, verwendet werden, damit die Versorgung gewährleistet ist. Da geht es jetzt um einen billigen Buchhaltertrick, um Rücklagen wieder ausräumen zu können! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch die Extrabehandlungen der Privatsanatorien ist zu erwähnen; ich habe das ja schon mehrmals angesprochen. Die Privatsanatorien bekommen 146 Millionen Euro im Jahr 2019, die Privatklinik Währing – der Leiter ist ein guter Freund von Vizekanzler Strache – wird extra in die Liste aufgenommen – und schon wieder einmal ist die FPÖ umgefallen und hat ihren Wähler, den sogenannten kleinen Mann, verraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bundesregierung macht eine Reform für die Wirtschaftseliten, aber Gesundheit darf nicht zum Luxus werden! (Beifall bei der SPÖ.)

11.36



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 70

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger ist der nächste Redner. – Bitte.


11.36.49

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Hohes Haus! Die Redezeit ist leider ein bisschen zu kurz, um all die Verschwörungstheorien und Mythen, die uns hier gerade präsentiert werden, auszuräumen. Man kommt sich ein bisschen vor wie bei einer esoterischen Veranstaltung, und wenn es keine esoterische Veranstaltung ist, meine Damen und Herren, dann hat der eine oder andere Sozial­demokrat offensichtlich doch das Telefonbuch des Kollegen Loacker, nicht aber das Gesetz gelesen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben in den letzten 30 Jahren ein gesundheitsbürokratisches System wachsen lassen, einen riesigen Dschungel mit vielen Schlingpflanzen und bürokratischen Hin­der­nissen, die am Ende einen Schaden für die Patientinnen und Patienten, die Unter­nehmerinnen und Unternehmer und die Arbeitnehmer verursachten. Die Einzigen, die davon profitiert haben, waren die Taggeld beziehenden Funktionäre bei den Sitzungen.

Man ist durch diesen Dschungel gegangen, und gelegentlich hat sich auch der eine oder andere führende Sozialdemokrat durchaus guten Willens in diesem Dschungel wieder­gefunden und gemeint, man könnte den einen oder anderen Baum fällen. Bedauerlicherweise saßen auf jedem Baum zumindest zwei sozialdemokratische Funktionäre, die gesagt haben: Bitte, den kannst du nicht fällen, sonst falle ich hinunter. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist das, was wir jetzt korrigieren, denn das ist kein Witz gewesen, das ist Fakt, meine Damen und Herren! Das Problem ist hier eine schlechte Mathematik: 1 000 Funktionäre minus 600 Funktionäre sind 400 Funktionäre – aber 600 Funktio­näre weniger ist nicht gleich auch weniger Volksgesundheit, sondern einfach nur weniger Verwaltung. Das ist alles. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir räumen mit diesem Mythos auf, den Sie hier breittreten, dass das irgendetwas mit mehr oder weniger Gesundheit der Menschen in diesem Land zu tun hat. Das wird nicht so sein!

Wir gehen den ersten Schritt, nämlich die Verwaltung der Gesundheitsbürokratie zu reformieren. Wir gehen den zweiten Schritt und werden mit dem Geld, das wir daraus lukrieren werden, die medizinische Grundversorgung selbstverständlich verbessern. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Und, meine Damen und Herren, wir gehen dann auch den dritten Schritt, den der Kanzler dankenswerterweise angekündigt hat, denn wir werden dann in der Lage sein, die Arbeitskosten zu senken, die in diesem Land viel zu hoch sind. Dafür ist es höchste Zeit. Dann werden nämlich die von Ihnen angeblich vertretenen Arbeitnehmer plötzlich mehr netto auf ihrem Lohnzettel finden und sich dafür herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Vielleicht werden wir dann nicht mehr die primatenartigen Schaukämpfe von irgend­welchen Ministreiks, die nur der Profilierung einzelner Gewerkschaftsbosse dienen, miterleben müssen, weil die Arbeitnehmer auch ohne diese Streiks mehr Geld bekom­men, und das durch diese Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, insbesondere Herr Kollege Stöger! Es tut gut, die Dinge zu Ende zu lesen. Es tut gut, die Gesetze zu Ende zu lesen, dann brauchen wir hier nicht tatsächliche Berichtigungen mit Zahlenspielen zu machen. Es tut gut, die Studien, die man selber in Auftrag gegeben hat, durchzulesen, weil am Ende nämlich steht, dass das, was wir jetzt tun, zu tun ist. Es tut gut, wenn man die Bibel zitiert, zu wissen, dass der Hahn dreimal und nicht nur zweimal kräht, und ich kann Ihnen sagen, nach dem


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dritten Mal Krähen werden auch Sie draufkommen, dass wir recht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte einer heute zitierten Kinderbuchliteraturfigur noch die Ehre erweisen. Carlo Collodi hat im Jahr 1883 das Buch „Pinocchio“ – ich betone: Pinocchio – veröffentlicht (Heiterkeit bei der ÖVP), und Sie haben auch hier wahrscheinlich nur die Hälfte gelesen, den Teil mit der langen Holznase, nehme ich an. Am Ende des Buches, meine Damen und Herren, passiert etwas ganz Tolles: Weil Pinocchio endlich alle seine Versprechen einhält, erwacht er eines Morgens als kleiner Junge aus Fleisch und Blut. August Wöginger ist zwar kein kleiner Junge mehr, aber er sitzt aus Fleisch und Blut hier! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der ÖVP.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak ist der nächste Redner. – Bitte.


11.41.49

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich darf noch folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 413 der Beilagen über die Regierungsvorlage 329 der Beilagen betreffend ein Sozialversicherungs-Organi­sa­tions­gesetz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

§ 718 Abs. 1a in der Fassung der Z 193 lautet:

„(1a) § 717b in der Fassung des Pensionsanpassungsgesetzes 2019 wird durch § 717b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 ersetzt.“

*****

Mit diesem Abänderungsantrag werden wir für den Fall des gleichzeitigen Inkrafttretens des Pensionsanpassungsgesetzes 2019 und des Sozialversicherungs-Organisations­gesetzes Rechtssicherheit schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Brigitte Povysil und Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 413 der Beilagen über die Regierungsvorlage 329 der Beilagen betreffend ein Sozialversicherungs-Organi­sa­tions­gesetz


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 72

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

§ 718 Abs. 1a in der Fassung der Z 193 lautet:

„(1a) § 717b in der Fassung des Pensionsanpassungsgesetzes 2019 wird durch § 717b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 ersetzt.“

Begründung

Durch die vorgeschlagene Änderung soll auch für den Fall des gleichzeitigen In-Kraft-Tretens des Pensionsanpassungsgesetzes 2019 und des Sozialversicherungs-Orga­nisationsgesetzes Rechtssicherheit geschaffen werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.


11.43.07

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist notwendig, ein paar Dinge noch einmal in die richtige Richtung zu bringen.

Zum Ersten: Wir legen ein aus unserer Sicht verfassungskonformes Gesetz vor, die Sozialversicherungsstruktur betreffend. Das hat auch Professor Raschauer im sehr ausführlichen Hearing bestätigt. Es gibt andere Gutachten, das ist richtig; wir stützen uns auf das Gutachten von Professor Raschauer und wir legen aus unserer Sicht ein verfassungskonformes Gesetz vor. (Abg. Wittmann: Das hast du schon öfters behauptet!)

Zweite Anmerkung: Es wurde viel vom sozialen Frieden gesprochen, und dann hört man in einigen Reden: Diebstahl! Herren und Knechte! – Schauen wir ein bisschen zurück: Im Sommer hat es am Heldenplatz eine Veranstaltung gegeben, da hat ein mächtiger Betriebsratsobmann gesagt: Stürzt diese Regierung! – Abgeordnete von uns wurden mit Pflastersteinen und Grablichtern zu Hause heimgesucht.

Meine Damen und Herren! Ich war, bin und bleibe mit Leib und Seele Arbeit­neh­mervertreter (Abg. Wittmann: Geh bitte! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ – Beifall bei ÖVP und FPÖ), aber was Sie hier machen und was ich ganz klar und entschieden ablehne, sind diese Klassenkampfmethoden, die hier angewendet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Diese Klassenkampfmethoden haben wir immer dann, wenn Sie nicht in der Regierung sitzen. (Abg. Nehammer: Undemo­kratisch!)

Ich habe das schon vor 16 Jahren erlebt, als wir gemeinsam mit der Freiheitlichen Partei regiert haben, und das ändert sich nicht, es kommt wie ein Déjà-vu wieder: Sobald die Sozialdemokratie nicht hier auf der Regierungsbank mit dabei ist, haben wir Klassenkampfrhetorik, haben wir erhobene Fäuste. Das geht hin bis zu dem, was Kollege Wimmer hier abgeliefert hat, und das lehnen wir ab, meine Damen und Herren, das wollen wir nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Herr Kollege Stöger, ja, wir haben gut zusammengearbeitet. Wir haben auch das eine oder andere gemeinsam umsetzen können, aber es ist deiner Person einfach nicht würdig. Du warst zehn Jahre Mitglied der Bundesregierung. Warum stellst du dich hierher und sagst: Gebietskrankenkassenbezirksstellen werden zugesperrt werden!? (Abg. Stöger: Weil es so ist!) Dann sagst du weiter, die Rot-Kreuz-Mitarbeiter können nicht darauf vertrauen, dass die Finanzierung durch die Sozialversicherung, in dem Fall durch die noch jetzige Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, gesichert ist.

Du weißt ganz genau, dass im Gesetz steht, dass alle bestehenden Verträge über­nommen werden. Alle bestehenden Verträge werden übernommen! Es ist notwendig, dass die Bevölkerung das weiß, und es ist völlig unnötig, lieber Alois Stöger, dass du dich als ehemaliger Sozial- und Gesundheitsminister hier herausstellst und bewusst die Unwahrheit sagst. Das kann so nicht sein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu guter Letzt noch einmal: Die Manövertaktik der SPÖ durchschauen wir auch. Inhaltlich kann man nichts mehr kritisieren (Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek), was nicht schon getan wurde, jetzt geht man her und sagt: Jetzt hauen wir der Regierung wenigstens das noch zusammen und sagen, dass es nicht fünf Träger sind, sondern zehn!

Ich verweise noch einmal auf den § 718 Abs. 8 ASVG, in dem steht, dass die derzeitigen Betriebskrankenkassen mit Wirksamkeit 1. Jänner 2020 aufgelöst werden. Das ist keine Kannbestimmung, das ist eine Mussbestimmung. Es wird so geschehen, meine Damen und Herren. (Abg. Haubner: So ist es!) Wir haben immer gesagt, wir führen von 21 auf fünf Träger zusammen. Das, was wir versprechen, halten wir, auch mit diesem Gesetz: Es wird in Zukunft fünf Sozialversicherungsträger in Österreich geben.

Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn Sie hier von bedeutenden Persönlichkeiten reden und sagen, dass sie sich im Grab umdrehen, dann sage ich Ihnen eines: Wenn sich jemand im Grab umdreht, dann ist es Bruno Kreisky ob der Performance dieser Sozialdemokratie. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

11.47


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Alois Stöger gemeldet. – Bitte. (Oje-Rufe bei ÖVP und FPÖ.)


11.48.13

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Abgeordneter Wöginger hat be­hauptet, es werden die Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert.

Ich wiederhole: Die Pensionsversicherungsanstalt ist Nummer eins. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ist Nummer zwei. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen ist Nummer drei. Die vierte ist die Sozialversicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau. (Abg. Haubner: Peinlich!) Die fünfte ist die Versorgungsanstalt des öster­reichischen Notariates – steht im Gesetz. (Abg. Neubauer: Dass Sie sich nicht genieren! Und so etwas war Minister!) Die sechste ist die Österreichische Gesund­heitskasse, die siebente ist die betriebliche Versorgungseinrichtung der VA Bahnsys­teme, die wird in § 5b so bezeichnet. (Abg. Winzig: Das ist nur noch peinlich!) Die achte ist die Versorgungsgruppe der Betriebskrankenkasse der Firma Mondi. Die neunte ist die Betriebskrankenkasse Kapfenberg, und die zehnte ist die Betriebs­krankenkasse Zeltweg.


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Ich ersuche Herrn Professor Taschner, wieder einmal ein Privatissimum zum Thema Zählen abzuhalten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: 1 : 0 für die Wahrheit! – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Johann Gudenus. – Bitte.


11.49.50

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Ja, die akademische Elite der SPÖ, der Herr diplômé Stöger, hat jetzt gerade unter Beweis gestellt, dass Rechnen, Zählen und Lesen nicht gerade die Stärken in der Fraktion der SPÖ sind. (Abg. Haubner: Sinnerfassend lesen!) Zum dritten Mal haben Sie jetzt denselben Sermon wiederholt, obwohl von Gust Wöginger – und auch davor – ganz klar festgestellt wurde, dass diese Kassen natürlich aufgelöst werden, dass das eine Mussbestimmung ist. (Abg. Neubauer: Das versteht er aber nicht!) Das steht fest. Und Sie beweisen heute zum x-ten Mal, dass Lesen, Rechnen und andere Fertigkeiten nicht zu den Ihren gehören, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Wittmann: Wie immer sehr überheblich! An der Grenze zur Arroganz!)

Die Debatte neigt sich ja dem Ende zu, vielleicht gibt es noch den einen oder anderen Redebeitrag, aber man sieht schon an den Beiträgen der SPÖ, dass vor allem der pure Neid herausklingt. Sie haben es Jahrzehnte nicht zustande gebracht, das umzusetzen, was wir heute vorgelegt haben. Ich darf mich heute bei unserer Ministerin Hartinger wirklich herzlich bedanken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Es ist uns hier gemeinsam mit unserem Koalitionspartner ein historischer Wurf, ein wirklich großer historischer Wurf gelungen. Danke sehr, dass wir das zustande gebracht haben, was Sie (in Richtung SPÖ) über viele Jahrzehnte nicht einmal im Ansatz versucht haben, sondern wovon Sie immer nur gesprochen haben.

Wissen Sie, warum Sie es nicht geschafft haben? – Deswegen spricht auch aus Ihren Redebeiträgen die Verzweiflung und die Aufregung: weil Sie Ihre roten Funktionäre nicht angreifen wollten. (Abg. Wittmann: Sie haben wieder einmal die Arbeitnehmer verraten!) Das machen wir heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, das funktioniert! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir setzen diese Funktionäre an die frische Luft, und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Wittmann: Sie haben die Arbeitnehmer verraten!)

Sie kommen heute hier heraus und beschweren sich über ein Kaputtschlagen des Gesundheitssystems, da werden Gewerkschaftsgepoltertöne an den Tag gelegt, die ihresgleichen suchen. Das können Sie vielleicht bei Gewerkschaftsveranstaltungen und -versammlungen machen, aber nicht hier im Hohen Haus. Sie haben von Diebstahl gesprochen, Sie haben gesagt, der Sozialstaat wird in die Luft gejagt. (Abg. Neubauer: Wahnsinn!) Dieselben Leute, die uns Pflastersteine vor die Tür legen, reden davon, dass wir den Sozialstaat in die Luft jagen. (Abg. Winzig: Unglaublich!) Dieselben Leute, die der Frau Sozialministerin in einer Bundesratssitzung einen Pflasterstein auf den Tisch legen, reden davon, dass der Sozialstaat in die Luft gejagt wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist peinlich, schämen Sie sich bitte! Schämen Sie sich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Leute, die Menschen, die Bürger in Österreich lassen sich sicherlich nicht von einer Partei, die in Wien in den letzten Jahrzehnten das Gesundheitssystem von einem der weltweit besten immer weiter heruntergefahren hat, irgendetwas sagen. Krankenhaus Nord: Ich habe heute öfters Zwischenrufe gehört: Es wird 1 Milliarde mehr kosten! –


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 75

Wo wird 1 Milliarde mehr in den Sand gesetzt? – Beim Krankenhaus Nord! Das sind Ihre Genossen der SPÖ Wien, die das verursacht haben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dazu gibt es auf unser Betreiben, auf Betreiben der FPÖ einen eindeutigen Rech­nungshofbericht, der alles schwarz auf weiß auf mehreren Hundert Seiten klar darlegt: Ihr Versagen der letzten Jahre beim Krankenhaus Nord. Da gibt es eine Unter­suchungs­kommission, und mittlerweile ist das Krankenhaus Nord auch ein Kriminalfall, in dem gegen zehn Leute im SPÖ-Nahbereich ermittelt wird. Das ist Ihr Versagen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Da gibt es einen Energetiker, der um 95 000 Euro irgendwie das Energiefeld ums Krankenhaus Nord aufbauen soll, genau 5 000 Euro unter der Vergabeschwelle von 100 000 Euro – was für ein Zufall! Genau der Energetiker, der sich letzte Woche vor der Einvernahme in der U-Kommission gedrückt hat. Das sind Ihre Freunde, werte Damen und Herren von der SPÖ, ja, das ist Ihre Politik! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Scherak: Und Vizekanzler Strache lässt sich aus der Hand lesen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein KAV-Chef Wetzlinger, der schon beim Krankenhaus Klagenfurt kläglich versagt hat, wird damit belohnt, dass er KAV-Chef von Wien wird, der Oberenergieguru Wetzlinger, der schon beim Krankenhaus Klagenfurt gezeigt hat, dass er um Steuer­geld Flussgeister beschwören will. Das ist Ihre Gesundheitspolitik, aber sicherlich nicht die Politik, die den Menschen und den Patienten zugutekommt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir sorgen mit dieser Reform dafür, dass im System gespart wird, dass die Funk­tionäre weniger werden und dafür mehr an Leistungen für die Patienten übrig bleibt.

Abschließend: Wissen Sie, es gibt in Wien doch ein Spital, ein Gemeindespital ohne Gangbetten, eines gibt es: das Krankenhaus Nord, weil es noch keine Betten drinnen gibt (Abg. Heinisch-Hosek: Hahaha!) und noch lange nicht geben wird – wegen Ihres Versagens. Es gibt Wartezeiten in den Ambulanzen, Wartezeiten bei Operationen, Gangbetten, es werden Asylwerber vorgereiht, damit die Dolmetscher nicht warten müssen, die WienerInnen werden zu Bürgern zweiter Klasse degradiert! Das ist Ihre Gesundheitspolitik. – Nein, danke, brauchen wir nicht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Scherak: Wenn man sich aus der Hand lesen lässt, sollte man nicht über Energe­tiker schimpfen! Das ist ungefähr der gleiche Blödsinn!)

11.55

Präsidentin Doris Bures: Jetzt kommt die tatsächliche Berichtigung der Frau Abgeordneten Dr.in Brigitte Povysil. – Bitte.


11.55.26

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Abgeordneter Wimmer hat in der Debatte gesagt, dass Notfallpatienten, also Patienten, die als Notfall eingeliefert werden, bevorzugt werden, wenn sie zusatzversichert sind. – Das ist unwahr.

Ich berichtige tatsächlich erneut, dass im § 16 des Kranken- und Kuranstaltengesetzes festgelegt wird, dass es keinen Unterschied in der ärztlichen und in der pflegerischen Behandlung von Patienten geben darf. (Abg. Noll: Ist das eine tatsächliche Be­richtigung? – Abg. Rossmann: Zur Berichtigung kommen!) Und ich sage weiterhin, dass das eine Diskreditierung meines ärztlichen Berufsstandes darstellt, da wir einen Eid darauf schwören (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist keine tatsächliche Berichti­gung!) – und das ist die tatsächliche Berichtigung –, dass wir Patienten unterschiedslos behandeln. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der FPÖ.)

11.56



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 76

Präsidentin Doris Bures: Jetzt hat sich noch einmal Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.56.55

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Am Ende der Debatte möchte ich feststellen, dass die Vertreter von FPÖ und ÖVP heute nicht darauf geantwortet haben, nämlich auf die Antworten von Experten, von Verfas­sungsjuristen (Abg. Belakowitsch: Auf eine Antwort kann man nicht antworten!), darauf, was Verfassungsdienst, was Rechnungshof sagen, nämlich dass Ihr Gesetz, das Sie heute beschließen werden, weder in den Zahlen noch in der Funktionalität als rechtskonform und als sozial und fair zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bewertet wird.

Ich finde es – noch einmal – sehr bedauernswert und schlimm, wenn Sie hier herunter­kommen und versuchen, abzulenken, indem Sie ein Bashing gegenüber jenen Funktionärinnen und Funktionären, die jahrzehntelang dieses System in Verantwortung genommen haben, machen. (Abg. Hafenecker: Da lachen die Hühner! – Abg. Gudenus: Die braucht kein Mensch!) – Genau das brauchen wir nämlich: Leute mit Realität, die für die Versichertengemeinschaft da sind. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Herr Klubobmann Gudenus! Wenn Sie herkommen und sagen, die Selbstverwaltung braucht keine Funktionärinnen und Funktionäre mehr, dann bestätigen Sie damit, was Bundeskanzler Kurz herausgerutscht ist, nämlich: solange es noch eine Selbstver­waltung gibt. (Abg. Gudenus: Diese Menge wird nicht gebraucht! Das braucht kein Mensch!)

Reformen hat es immer gegeben, in 130 Jahren Sozialversicherung hat es immer Re­for­men gegeben. Wir haben immer an den Schrauben gedreht, weil das auch not­wendig ist, weil sich die Zeiten verändern. (Abg. Hafenecker: Die hat es immer gegeben, wenn Sie nicht in der Regierung waren! Das stimmt!) Sie machen jetzt aber ein Bashing, hauen auf die Selbstverwaltung hin, hauen auf die Versicherten hin (Abg. Winzig: Nein, Sie machen das!), und parallel dazu beschließen Sie heute still und leise eines: Sie beschließen heute (Abg. Gudenus: Eine gute Reform!) neue, zusätzliche Posten, neue, zusätzliche, hoch dotierte Posten, neun zusätzliche Direktoren in den Landesstellen der neuen ÖGK, vier zusätzliche Posten in der neuen ÖGK und einen zusätzlichen Stellvertreter in der PV. Wir werden uns ganz genau anschauen (Abg. Hafenecker: Das ist eine gefährliche Drohung!), wen Sie dort positionieren werden. Und kommen Sie dann nicht wieder daher und sagen, Sie sparen im System! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Abgeordneter Fürlinger hier steht und sagt: Es tut gut!, dann sage ich Ihnen: Es tut nicht gut, was Sie heute beschließen! Es tut weh, es tut wirklich weh, was Sie hier beschließen. Fakt ist, dieses Gesetz, das Sie heute beschließen werden, hat noch lange nicht die Ziellinie erreicht – noch lange nicht die Ziellinie erreicht! Wir wer­den jede Möglichkeit nützen, das hier über den Verfassungsgerichtshof zu korrigieren. Wir werden jede Möglichkeit nützen, den Versicherten draußen klarzumachen: Das ist keine Organisationsreform für die Versicherten, sondern gegen die Versicherten. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Nicht schon wieder lügen anfangen!) Das ist eine Organisationsreform für Großkonzerne, für private Versicherungen und für die Reichen in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

12.00

12.00.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 77

Damit gelangen wir zu den Abstimmungen.

Zunächst ist über den vorliegenden Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber abzustimmen.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 413 der Beilagen noch­mals an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zu verweisen, und ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 413 der Beilagen.

Hierzu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen, ein Abänderungsantrag sowie ein Zusatz­antrag der Abgeordneten Wöginger, Dr.in Povysil, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes fol­gend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 60 eingebracht.

Wer hierfür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. (Abg. Jarolim: Wo ist die mutige Regierungsbank?) – Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit so angenommen. (Abg. Jarolim: Bei einem so guten Gesetz!)

Die Abgeordneten August Wöginger, Dr.in Povysil, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 158 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Jarolim und Noll.)

Die Abgeordneten August Wöginger, Dr.in Povysil, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend eine Einfügung in Art. 1 Z 193 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist mit Mehrheit so angenommen. (Abg. Jarolim: Danach war es niemand! – Abg. Haider: Krakeelen Sie nicht in den Abstimmungsvorgang, Sie Rüpel!)

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zu­satz­antrag betreffend Einfügung einer Ziffer 195 in Artikel 1, einer Ziffer 42 in Artikel 2 sowie einer Ziffer 35 in Artikel 3 eingebracht.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 78

Wer in dritter Lesung dem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Das ist ein Trauerspiel!)

Wir sind noch immer im Abstimmungsverfahren!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Sozialwahl zur Stärkung der demokratischen Legitimierung der Selbstverwaltungs­gremien der Sozialversicherung“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Dr.in Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Leistungssicherungs­rücklagen der Gebietskrankenkassen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 45)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Umfassende Reform der Arbeitsunfall-Versicherung entlang des LSE-Studien-Konzeptpapiers der GPA-djp und der Vorschläge von NEOS“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.05.192. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (338 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (414 d.B.)

3. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz geändert werden (415 d.B.)

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Punkten 2 und 3 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.06.11

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Telerehabilitation als Maßnahme der ambulanten medizinischen Rehabilitation zu beschließen ist ja grundsätzlich ein begrüßenswertes Vorhaben, aber leider bleiben im vorliegenden Entwurf sehr, sehr viele Fragen offen, die nicht oder nur ungenügend gelöst wurden.

Was konkret unter dem Begriff Telerehabilitation verstanden wird, auf welche Art und Weise sie durchgeführt wird und für welchen Personenkreis sie angedacht ist, wird weder dem Entwurf noch den Erläuterungen zu entnehmen sein, weil da nichts drinnen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 79

steht, meine Damen und Herren. Die Möglichkeit, Telerehabilitation nützen zu können, erweitert auch durchaus das Spektrum der möglichen Rehabilitationsmaßnahmen. Vor allem personalintensivere Rehabilitationsmaßnahmen dürfen aber durch Maßnahmen der Telerehabilitation nicht ersetzt werden – das wäre ganz wichtig.

Es bedarf aber auch eines sorgfältigen Umgangs in Bezug auf die Speicherung und Übermittlung von hochsensiblen Daten, die durch die Telerehabilitation entstehen. Und warum, meine Damen und Herren, wird die Telerehabilitation nicht auch in der medizi­nischen Rehabilitation in der Krankenversicherung vorgesehen? Sie wird nur in der Pensionsversicherung vorgesehen; auch das ist für uns nicht nachvollziehbar.

Es ist auch anzunehmen, dass die Maßnahmen der Telerehabilitation in erster Linie zu Hause in den eigenen vier Wänden durchgeführt werden. Besteht eine Mitwirkungsver­pflichtung, wird insbesondere bei einem Einsatz von Webcams ja massiv in den verfassungsrechtlich geschützten privaten und persönlichen Bereich der Betroffenen eigegriffen, meine Damen und Herren. Da ist insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 8 der Menschenrechtskonvention von allfälli­gen Mitbewohnern, die sich dabei im Wohnraum befinden müssen, besonders zu achten; diese müssen besonders geschützt werden.

Meine Damen und Herren, es gibt viele, viele Dinge, die noch gesagt werden müssten, zum einen auch, dass alle Vorschläge in der Begutachtung nicht berücksichtigt wurden und auch kein einziger eingearbeitet wurde. Das bedeutet, viele Fragen sind offen, sind noch zu klären, daher gibt es von uns keine Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es soll im Laufe der Debatte zu diesem Tagesord­nungs­punkt ein Antrag eingebracht werden, ein Antrag, der einen besonderen Hintergrund hat, und den möchte ich hier erklären: Das Rote Kreuz Niederösterreich hat für seine Notärzte keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Es hat der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 4 Millionen Euro vorenthalten. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat beim Landesverwalt­ungs­gericht in Niederösterreich geklagt, und jetzt wird auf das Urteil gewartet, das – wie viele Juristen sagen – zum Nachteil des Roten Kreuzes Niederösterreich ausgehen wird. Um dem drohenden Urteil zu entgehen, ändern Sie heute das Gesetz nämlich dahin gehend, dass Notärzte rückwirkend für drei Jahre vom Entgeltbegriff auszu­neh­men sind. (Abg. Lueger: Wahnsinn ...!) Ja, meine Damen und Herren, was bedeutet das für die Notärzte in Niederösterreich? – Es hat Auswirkungen auf ihre Pensionen, Auswirkungen auf die Entlohnung. Genau da stellt sich heraus, für wen Sie da sind: nicht für die Menschen!

August Wöginger ist nicht im Saal, ich möchte ihm aber heute Folgendes sagen, da er Betriebsratsobmann des Roten Kreuzes Oberösterreich ist und da das das Rote Kreuz, eine seiner Firmen, betrifft: Lieber August Wöginger, sag nie wieder, dass du Arbeit­nehmervertreter bist, wenn du dieser Gesetzesvorlage heute zustimmst! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

12.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte.


12.09.45

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Es freut mich, dass wir nach dem hitzig diskutierten ersten Tages­ordnungspunkt zur Organisationsreform nun endlich zur inhaltlichen Gesundheitspolitik kommen, denn eines der zentralen Ziele dieser Bundesregierung im Gesundheits­bereich ist, die Menschen länger gesund zu halten, schneller wieder gesund werden zu


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lassen und: dass sie bis ins hohe Alter möglichst eigenständig und selbstbestimmt ihr Leben führen können. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die Rehabilitation, und diesbezüglich haben wir durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung Handlungs­bedarf.

Es gab in den vergangenen Monaten schon sehr erfolgreiche Pilotprojekte, in denen diese Maßnahmen, zum Beispiel nach der Implantation von Herzschrittmachern oder auch in der Begleitung von nachfolgend verordneten Bewegungstherapien, erfolgreich umgesetzt worden sind. Deshalb wird diese neue konkretisierte Maßnahme der Tele­rehabilitation nun zusätzlich beziehungsweise anschließend an die bisherige Reha ermöglicht. Ich möchte noch einmal klarstellen: Es ist kein Ersatz für die klassische Reha, es ist eine zusätzliche Möglichkeit.

Da Kollege Keck mehrere Sorgen geäußert hat, wie denn das mit dem Datenschutz gemacht werden sollte: Die Datenschutz-Grundverordnung gilt natürlich auch für diese Maßnahmen allumfassend und das braucht nicht neu geregelt zu werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist folgender: Die Möglichkeiten der Telereha sind ausschließlich freiwillig. Niemand wird gezwungen, in seinen privaten Räumlichkeiten therapeutische Maßnahmen unter Anleitung durchzuführen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Ich möchte auch noch betonen, dass wir trotz dieser neuen, innovativen Thera­pie­optionen die persönliche Reha und den direkten Kontakt Mensch zu Mensch in der Therapie weiterhin priorisieren und dass dieser natürlich erhalten bleibt. Neue und innovative Methoden zum Wohle der Versicherten werden wir aber auch in Zukunft Schritt für Schritt vermehrt einführen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Bitte.


12.11.50

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich kann mich den Vorrednern im Wesentlichen anschließen, vor allem Kollegen Kaniak. Ich glaube, die Digitalisierung und die Möglichkeiten, die die Informations- und Kommunikationstechnologien schaffen, sollten wir natürlich in allen Bereichen des Lebens für die Menschen bestmöglich nutzen. Die Telerehabilitation, die wir mit diesem Gesetz regeln, ist so ein Punkt.

Ich glaube, es ist im Anschluss an eine stationäre oder ambulante Behandlung ganz wesentlich, dass man diese Telemöglichkeiten auch nutzen kann. Es ist viel nach­haltiger, man kann das von zu Hause aus machen. Natürlich hat man auch – und das wurde oft fälschlicherweise anders behauptet – den persönlichen Bezug, denn der persönliche Kontakt, der da ebenfalls stattfindet, ist, glaube ich, ganz wesentlich.

Für uns als ÖVP war es immer und ist es auch ein Grundsatz, die Rehabilitation gene­rell zu stärken. Unser Leitspruch lautet: Rehabilitation auch vor Pension, und die Telerehabilitation wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.

Zum Kollegen Keck: Es ist ja heute irgendwie euer Sonderthema, Fakten einfach zu leugnen und irgendetwas zu behaupten, das überhaupt nicht der Wahrheit entspricht. Auch die Frage mit den Notärzten, die Sie angesprochen haben, werden wir lösen. Ich darf diesbezüglich dann auch einen Abänderungsantrag einbringen. Also Sie sehen immer gleich alles als furchtbar und als schlimm an. Wir lösen die Probleme und Sie beklagen sich nur und sudern dahin, das ist Ihr Problem. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Keck. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dieses Eck bei


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Stöger und Keck ist heute überhaupt besonders verhaltensauffällig, muss man wirklich feststellen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Belakowitsch.)

Wir schaffen mit diesem Abänderungsantrag aber auch einige Klarstellungen in anderen Materien. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diesbezüglich darf ich mich auch bei der Frau Bundesministerin und beim Koalitionspartner bedanken. Das sind Dinge, die in der Praxis aufgetaucht sind, bei denen es um die Überlassung von Arbeitskräften in Firmen gegangen ist (Zwischenruf des Abg. Keck), bei denen es um Organfunktionen geht. Da ist eine geübte Praxis durch einen Spruch des Verwaltungsgerichtes aufgehoben worden; wir sanieren das sehr unbürokratisch und einfach.

Auch die Frage der monatlichen Beitragsleistung, bei der es um die Verzugszinsen gegangen ist, lösen wir. Auch das spricht für diese Koalition, dass man die Probleme (Zwischenruf der Abg. Lueger), die die Unternehmer wirklich belasten und die für diese unangenehm sind, unkompliziert und rasch löst und nicht irgendeinen Kuhhandel (Abg. Keck: ... des Roten Kreuzes Niederösterreich!) mit Gegengeschäften braucht, wie es in der Vorgängerregierung immer notwendig war.

Ich darf folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 414 der Beilagen über die Regierungsvorlage 338 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherung geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

a) Die Z 1 erhält die Bezeichnung „1a.“ und folgende Z 1 wird vorangestellt:

„1. Im § 5 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 16 durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 17 angefügt:

„17.       die Zusteller/innen von Zeitungen und sonstigen Druckwerken.““

b) Nach der Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

„3a. Dem § 694 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) § 49 Abs. 3 Z 26a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 162/2015 ist auch auf Sachverhalte anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 2016 verwirklicht wurden, wenn über diese noch keine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren in Verwal­tungssachen vorliegt.““

c) Die Z 4 lautet:

„4. Nach § 721 wird folgender § 722 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmungen zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2018

§ 722. (1) Es treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 in Kraft:

1.          mit 1. Jänner 2019 die §§ 58 Abs. 1a und 302 Abs. 1 Z 1a;

2.          mit 1. Juli 2019 § 5 Abs. 1 Z 16 und 17.

(2) § 5 Abs. 1 Z 17 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 ist auch auf Sachverhalte anzuwenden, die vor dem 1. Juli 2019 verwirklicht wurden, wenn über


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 82

diese noch keine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren in Verwaltungssachen vorliegt.““

*****

Stimmen Sie dem Gesetz zu! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Keck.)

12.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Gerhard Kaniak

und Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 414 der Beilagen über die Regierungsvorlage 338 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

a) Die Z 1 erhält die Bezeichnung „1a.“ und folgende Z 1 wird vorangestellt:

»1. Im § 5 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 16 durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 17 angefügt:

              „17.       die Zusteller/innen von Zeitungen und sonstigen Druckwerken.“«

b)Nach der Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

»3a. Dem § 694 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) § 49 Abs. 3 Z 26a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 162/2015 ist auch auf Sachverhalte anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 2016 verwirklicht wurden, wenn über diese noch keine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren in Verwaltungssachen vorliegt.“«

c) Die Z 4 lautet:

»4. Nach § 721 wird folgender § 722 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmungen zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2018

§ 722. (1) Es treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 in Kraft:

              1.          mit 1. Jänner 2019 die §§ 58 Abs. 1a und 302 Abs. 1 Z 1a;

              2.          mit 1. Juli 2019 § 5 Abs. 1 Z 16 und 17.

(2) § 5 Abs. 1 Z 17 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 ist auch auf Sachverhalte anzuwenden, die vor dem 1. Juli 2019 verwirklicht wurden, wenn über diese noch keine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren in Verwaltungssachen vorliegt.“«

Begründung

Zu den lit. a und c (§§ 5 Abs. 1 Z 17 und 722 Abs. 2 ASVG):


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 83

Zeitungszusteller/innen sind weit überwiegend als neue Selbständige nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG versichert bzw. – sofern u. a. die Umsatzschwelle nach § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG nicht überschritten wird – von der GSVG-Pflichtversicherung ausgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen Vertrags­verhält­nisse von Zeitungszusteller/inne/n mit ihren Auftraggeber/inne/n als arbeitneh­mer­ähnlich beurteilt. Die Frage, ob es sich dabei um arbeitnehmerähnliche Werkverträge oder arbeitnehmerähnliche freie Dienstverträge handelt, wurde überwiegend offen gelassen bzw. in unterschiedlichen Anlassfällen unterschiedlich beurteilt.

Durch die vorliegende Änderung soll Rechtssicherheit geschaffen werden. Da das Modell der Pflichtversicherung von Zeitungszusteller/inne/n nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG schon jetzt besteht, wird eine Aufnahme in den Katalog der Ausnahmen von der Vollversicherung nach § 5 Abs. 1 ASVG vorgeschlagen.

Von der Ausnahme sind Hauszusteller/innen, Selbstbedienungsaufsteller/innen sowie Kolporteure und Kolporteurinnen erfasst.

Hauszusteller/innen übernehmen für ein Gebiet die Zustellung von Printmedien an bekanntgegebene Empfangsadressen und Ablageorte.

Selbstbedienungsaufsteller/innen sind beauftragt mit dem Sonn- und Feiertagsverkauf (Aufstellen von Zeitungsständern, Anbringen der Zeitungstaschen, Befüllen der Taschen sowie Einholen und Abliefern der Kassen und der nicht verkauften Zeitungen) der Vertriebsprodukte ihres Auftraggebers/ihrer Auftraggeberin in einem einver­nehm­lich festgelegten Vertriebsgebiet.

Kolporteure und Kolporteurinnen verkaufen an bestimmten Orten auf der Straße diverse Printmedien.

Hauszusteller/innen und Selbstbedienungsaufsteller/innen schulden lediglich einen Zustellerfolg; für dessen Erbringung besteht ein nach eigenem Ermessen wahrzu­nehmender Zeitraum während der Nachstunden. Sie müssen die Zustellung insbe­sondere auch nicht persönlich erbringen und können sich nach eigenem Ermessen vertreten lassen. Zudem arbeiten sie mit eigenen Fortbewegungsmitteln.

Unter sonstigen Druckwerken sind insbesondere Zeitschriften, Plakate und sonstige Printprodukte aller Art inklusive Werbesendungen und Werbematerialien sowie artverwandte bzw. mit dem Vertrieb von Printprodukten in Zusammenhang stehende Waren zu verstehen.

Daraus ergibt sich, dass die genannten Berufsgruppen zukünftig nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen.

Zu lit. b (§ 694 Abs. 5 ASVG):

Es soll klargestellt werden, dass die mit 1. Jänner 2016 im Rahmen der 86. ASVG-Novelle eingeführte Ausnahme der Entgelte für bestimmte notärztliche Tätigkeiten nach § 49 Abs. 3 Z 26a ASVG vom Entgeltbegriff des ASVG auch für Sachverhalte gilt, die sich vor dem 1. Jänner 2016 ereignet haben, wenn dazu noch keine rechtskräftige Entscheidung im Verwaltungsverfahren vorliegt.

*****

12.16.24


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet, die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 84

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, in 414 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Schwarz, Mag. Kaniak, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Schwarz, Mag. Kaniak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 1 samt Umnummerierung der nachfolgenden Ziffer, die Einfügung einer Ziffer 3a sowie die Ziffer 4 betrifft.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer stimmt dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zu? – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 415 der Beilagen.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem in dritter Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

12.18.514. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (376 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (416 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Birgit Silvia Sandler. – Bitte.


12.19.21

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Mitglieder des Hohen Hauses! Mit der Novelle


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 85

zum LandarbeiterInnengesetz werden längst fällige Anpassungen im Arbeitsrecht oder beim ArbeitnehmerInnenschutz vorgenommen – und das ist zu begrüßen.

Was man bei dieser Novelle wirklich lobend erwähnen muss, ist die Einführung des Rauchverbots in diesen Arbeitsstätten, wenn NichtraucherInnen beschäftigt sind. Es ist schon eigenartig: Selbst im LandarbeiterInnengesetz schreiben Sie ein Rauchverbot fest, aber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Gastgewerbe verwehren Sie das gleiche Recht, obwohl 881 692 Österreicher und Österreicherinnen dafür unter­schrie­ben haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns das an: Die Regelungen führen de facto zu einer Arbeitszeit von 12 Stunden, wobei gleichzeitig die verpflichtende tägliche Ruhezeit auf eine halbe Stunde gekürzt wird. – Da können Sie keinem einreden, dass das dem Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dient! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich muss aber eingestehen, dass Sie mit dieser Novelle einmal ehrlich sind, nämlich bezüglich der Überstunden, denn der Bezug zur Freiwilligkeit fehlt hier komplett, und es gibt auch keinerlei Schutz für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, wenn Überstunden abgelehnt werden. Dafür können den ErntehelferInnen die Sonderzahlun­gen gekürzt werden.

Bis jetzt waren Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen, die sich um Vieh kümmern und Melkarbeiten durchführen müssen, von der Sonn- und Feiertagsruhe ausgenommen. Das ist völlig verständlich. Unverständlich ist allerdings, warum jetzt plötzlich auch die Frauen und Männer, die Arbeiten im Rahmen einer Almausschank oder Buschen­schank oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr leisten, ausge­nommen sind. Sie schwächen wieder einmal genau die Menschen, die keine Lobby haben und die Ihnen, seien wir ganz ehrlich, völlig wurscht sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch diese Menschen haben eine Familie. Sie haben Kinder und Menschen, die sie pflegen müssen oder wollen, und sie möchten einfach für sie da sein. Von einer Ver­ein­barkeit von Beruf und Familie kann da überhaupt nicht mehr die Rede sein, aber das ist für Sie ja sowieso egal, denn wie wir von vorgestern wissen, sind Frauen ein Kostenfaktor; sie dürfen mitarbeiten. – Ich meine, ganz ehrlich: Geht’s noch?! Frauen sind kein Kostenfaktor! (Beifall bei der SPÖ.)

Frauen sind kein Kostenfaktor, sondern vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft und wertvolle Leistungsträgerinnen der Arbeitswelt, denen gleiche Rahmenbedingungen und Entlohnung zustehen. Und ja, das ist ein gravierender Unterschied zwischen Ihrer Einstellung und unserer Einstellung, und darauf bin ich verdammt stolz. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


12.22.30

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause und hier im Plenum! Ich glaube, wir sollten jetzt langsam wieder sachlicher werden und die Emotionen abklingen lassen (Abg. Yılmaz: Kollege, was soll das?), und diese Novelle des Landarbeitsgesetzes ist ein guter Anlass, um das einmal klar zu dokumentieren.

Vielleicht noch einmal für die Sozialdemokratie: Es hat hierzu eine sozialpartner­schaft­liche Einigung zwischen der Landwirtschaftskammer und der Landarbeiterkammer gegeben. Das heißt, das, was Sie immer einfordern, ist erfolgt. Es liegt eine zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einvernehmlich verhandelte Änderung, Novellierung vor, und die setzen wir um. Wie Sie also darauf kommen, dass die Arbeitnehmer


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irgendwie nicht eingebunden waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Das alles kann man sich auch ganz in Ruhe anschauen.

Im Prinzip geht es darum, dieses Landarbeitsgesetz in die moderne Zeit zu bringen, es zu modernisieren. Ich versuche, zwei Dinge ganz klar zu machen: Es geht natürlich um Arbeitszeitgeschichten, das werde ich nachher noch genauer ausführen. Der zweite Punkt – und der erscheint mir sehr, sehr sinnvoll –, um den es geht, ist, dass die Internatskosten der Lehrlinge der Arbeitgeber bezahlen muss. Das war in der Vergangenheit nicht so, und es ist höchst an der Zeit, dass wir das auch regeln. Das heißt, die Internatskosten werden vom Arbeitgeber getragen, und das sollte eigentlich auch der Sozialdemokratie gefallen. Das sind die zwei wichtigen Punkte, die wir hiermit regeln.

Vielleicht ganz kurz noch einmal, um auch klarzumachen, worum es im Detail geht: Es geht im Prinzip um eine Flexibilisierung der Arbeitszeit – 12-Stunden-Tag, 60-Stunden-Woche –, wobei man schon erwähnen muss, dass das in diesem Bereich, bei dieser speziellen Gruppe, immer schon möglich war. Es geht natürlich um Landwirtschaft und Forstwirtschaft, um Erntehelfer, und da muss man natürlich bei entsprechender Witterung auch länger arbeiten, um die Ernte hereinzubekommen, ich sage es einmal ganz vereinfacht. Das ist eine Sache, die sehr pragmatisch ist.

Dann noch etwas Wichtiges – und das sollte eben eigentlich auch für die Sozialdemo­kratie wichtig sein –: Es geht explizit um die „Betonung der Prävention von arbeits­bedingten“ physischen „Belastungen“. Diese Arbeit ist sehr hart, und es geht darum, dass man auch schon im Vorfeld etwas verbessern will.

Im Bereich von Mutterschutzgesetz und Karenzregelungen wurde adaptiert und ver­bessert, im Bereich der Jugendlichenbeschäftigung wurden Dinge adaptiert und verbessert. Die Wiedereingliederungsteilzeit wurde eingeführt. Weiters: „Schaffung eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Lohnabrechnung, Transparenz [...], Transparenz [...], Anpassungen bei der Familienhospizkarenz“ und „Karenzierung für die Dauer des Bezugs von Reha- oder Umschulungsgeld“.

Summa summarum sind das alles sehr pragmatische, sinnvolle Dinge, die in diesem speziellen Bereich der Landarbeiter und Forstarbeiter auch Sinn machen. Sie sind, wie gesagt, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich geregelt worden.

Ich bitte um Zustimmung. Ich glaube, die NEOS werden zustimmen. Ich würde die Sozialdemokratie bitten, auch einmal aus dem Schmolleck herauszukommen und gerade einer Novelle, die wirklich sozialpartnerschaftlich geregelt wurde, zuzustimmen, denn es gibt keinen Grund, warum man dagegen sein sollte. – Danke vielmals. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


12.26.17

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Zu meinem Kollegen Wurm: Sie schildern die Situation, wie wir sie im Ausschuss diskutiert haben, und sagen, es gibt keinen Grund, dagegen zu stimmen. – Doch, es gibt einen gravierenden Grund, dagegen zu stimmen, nämlich genau die Ausweitung hinsichtlich Arbeitszeitflexibilisierung (Abg. Wurm: Die haben wir ja schon, Daniela!), die den ArbeitnehmerInnen abverlangt wird, die ich im Ausschuss bereits kritisiert habe. (Abg. Wurm: Die haben wir ja schon in dem Bereich!)


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Der Unterschied ist: Kollege Wurm, Sie sagen, das haben wir ja schon, das steht eh schon im Arbeitszeitgesetz. – In diesem Bereich ist es aktuell nur bei der ent­sprechen­den Witterung möglich, das heißt, wenn die Ernte verderben sollte. Ja, dann ist es selbstverständlich möglich gewesen. Dann war aber auch ein Grund da, aber dieser Grund fällt jetzt weg, jetzt soll es allgemein möglich werden. Das ist genau der Punkt, den ich auch im Ausschuss kritisiert habe. Ich sehe das nicht ein, und zwar besonders, weil wir im allgemeinen Arbeitszeitgesetz festgeschrieben haben, dass es diese soge­nannte, von Ihnen hoch gepriesene, Freiwilligkeit geben soll. – Die fehlt hier vollkom­men! Von Freiwilligkeit ist überhaupt nicht mehr die Rede, kein Wort!

Jetzt gibt es zusätzlich auch noch keinerlei Benachteiligungsverbot bei der Ablehnung von Überstunden. (Abg. Wurm: ... Daniela, du weißt ...!) Das heißt, für jemanden, der im Bereich der Land- und Forstwirtschaft tätig ist, der ein Arbeitnehmer ist, gilt keinerlei Benachteiligungsverbot mehr bei der Ablehnung von Überstunden. (Abg. Belakowitsch: ... die Sozialpartner! – Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das ist eigentlich ein Wahnsinn, wenn man sich das anschaut: Man lehnt die 11., 12. Überstunde ab, und es ist nicht mehr gesetzlich geregelt, dass es ein Recht darauf gibt, nicht be­nachteiligt zu werden.

Darüber hinaus ist das natürlich – und das ist für mich die allgemeine Kritik an der 12-Stunden-pro-Tag-60-Stunden-pro-Woche-Regelung – ein immenser Eingriff ins Privat­leben. Kollege Wurm, du hast selbst geschildert, was das für Auswirkungen auf Personen hat, die in so einem körperlich anstrengenden Beruf tätig sind. Das jetzt zu verallgemeinern, halte ich einfach nicht für den richtigen Weg. Ich finde, es ist ein Wahnsinn für die Gesundheit der Betroffenen und auch, was das steigende Unfallrisiko betrifft. Da werden wir noch einiges zu Gesicht bekommen. (Beifall bei JETZT.)

Dass die Leute da draußen das nicht wollen, wissen wir auch. Das sage nicht nur ich, und es gibt nicht nur Umfragen der Arbeiterkammer, nein, es gibt auch eine Umfrage der Wirtschaftskammer dazu. Genau diese Umfrage besagt, dass die Menschen da draußen den 12-Stunden-Tag und auch die Ausweitung der höchstmöglichen Arbeits­zeit ablehnen. (Abg. Wurm: ... die Landarbeiter, Daniela! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es gibt aber, und das möchte ich auch betonen, positive Punkte in diesem Gesetz. Das heißt für mich noch lange nicht, dass ich dem Gesamtwerk zustimmen werde, sondern ich verlange eine getrennte Abstimmung. Ich finde es positiv, dass es einen Kündi­gungsschutz bei Fehlgeburten auch in diesem Bereich gibt – das sind längst überfällige Geschichten, die auch umgesetzt werden müssen –; die Wiedereingliederungsteilzeit; den Schutz von NichtraucherInnen im Betrieb. Obwohl der Bundesregierung die Mei­nung der Bevölkerung sonst ziemlich egal ist, ist es in diesem Bereich wieder wichtig: Wenn ein Nichtraucher im Betrieb ist, ist automatisch Nichtraucherschutz festgeschrie­ben, es gibt dann automatisch nur festgeschriebene, getrennte Raucherbereiche. Diese Regelungen würde ich mir auch für den Tourismus und die Gastronomie wün­schen, zum Schutz der betroffenen Beschäftigten. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Eine Ausweitung der Arbeitszeit gegen den Willen der Bevölkerung und dementsprechend auch geringere Zuschläge für Überstunden für Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten lehne ich aber vollkommen ab. Daher kann ich auch den restlichen Teilen, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind, nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

12.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.



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12.29.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollege Wurm hat diese beiden guten Botschaften bereits sehr gut kommentiert, ich darf es noch einmal wiederholen.

Die erste gute Botschaft: Die Internatskosten für die Lehrlinge aus der Land- und Forstwirtschaft werden in Zukunft von der öffentlichen Hand über das Unternehmen refundiert. Das sind junge Damen und Herren im Gartenbau, in der Forstwirtschaft, in Molkereien, in Lagerhäusern oder auch in der Biomasseproduktion. Ich darf diesen Lehrlingen an dieser Stelle alles Gute für die Zukunft wünschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der zweite Bereich ist, dass die Arbeitszeitflexibilisierung jetzt auch im Land­arbeits­gesetz abgebildet wird. Ich komme dann gleich zu einem Beweisstück, und da sollten Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, Kollegin Sandler und eventuell auch Kollege Wimmer gut aufpassen. Es ist eine positive Sache, dass jetzt auch in diesem Bereich die Arbeitszeitflexibilisierung umgesetzt wird.

Nur ein Gedanke: Wir haben auch heute wieder im Plenum gespürt, dass Unterneh­merinnen und Unternehmer und Unternehmen im Allgemeinen, ob das jetzt gewerbliche, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche sind, ein bissl kriminalisiert werden. Das sehe ich eigentlich nicht ein, weil Unternehmen dazu da sind, dass man Wertschöpfung generiert. Unternehmen sind da, dass Arbeitsplätze gesichert und ausgebaut werden. Unternehmen sind da, dass letztendlich Familieneinkommen generiert wird. Das sind eigentlich lauter positive Eigenschaften. Allen Damen und Herren aus den verschiedensten Unternehmen in Österreich ein ganz großes Danke­schön! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt aber zum eigentlichen Kern meiner Ausführungen, der ein wenig zeigen soll, dass die Sozialdemokratie und befreundete Fraktionen momentan schon sehr stark Politik an den Bedürfnissen der Menschen vorbei machen: Es gibt einen Brief des Landarbeiterkammertags – die Landarbeiterkammern sind Teil der Gewerkschaft PRO-GE –, in dem an den Herrn Vorsitzenden geschrieben wird, dass zum einen Prä­sidentin Hostasch vor 20 Jahren unter Bundeskanzler Klima die letzte Reform dieses Landarbeitsgesetzes organisiert hat und damals der 12-Stunden-Tag und sogar bis zu 14 Stunden widerspruchslos in das Gesetz hineingeschrieben wurden. – Das ist der eine Umstand.

Die Landarbeiterkammern weisen dann darauf hin, dass es durch den aktuellen Gesetzesbeschluss möglich wird – Frau Kollegin Holzinger, bitte aufpassen (Abg. Holzinger-Vogtenhuber: Ich passe auf! – Abg. Heinisch-Hosek: ... Oberlehrer!), die eigenen Interessenvertreter schreiben das –, dass Überstunden abgelehnt werden können, „wenn berücksichtigungswürdige Umstände des Dienstnehmers entgegen­stehen“. Das ist in Wahrheit eine Verbesserung der Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das sagt die eigene Interessenvertretung. (Abg. Holzinger-Vogtenhuber: Es gibt kein Benachteiligungsverbot!)

Zweiter Bereich: Die Landarbeiterkammern monieren, dass sie von Herrn Wimmer nicht „in parteipolitische Geiselhaft“ genommen werden möchten und dass versucht wird, „die Landarbeiterkammern seit dem Sommer medial anzupatzen“.

Zum Schluss – und das ist eigentlich die Quintessenz – schreiben sie, und das darf ich vorlesen: „Die Präsidenten der Landarbeiterkammern verwahren sich aus diesem Grund ausdrücklich gegen alle unwürdigen, ausschließlich parteipolitisch motivierten Angriffe und Unterstellungen“. Dann fordern sie „anstelle von Parteipolitik gemeinsam


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Interessenvertretung mit den Landarbeiterkammern zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu betreiben“.

Dem ist in Wahrheit nichts hinzuzufügen. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.33


Präsidentin Doris Bures: Ich möchte nun die Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse Neue Mittelschule Kittsee recht herzlich hier bei uns im Parlament auf der Galerie begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Alois Stöger zu einer tatsächlichen Berichtigung das Wort. – Bitte.


12.34.25

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Hartinger-Klein! (Abg. Schwarz: Ministerin! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Abgeordneter Strasser hat behauptet: Die „Landarbeiterkammern sind Teil der Gewerkschaft PRO-GE“. Das ist unrichtig.

Richtig ist: Die Landarbeiterkammern sind selbstständige Kammern, nach Landesrecht eingerichtet. Die Gewerkschaft PRO-GE ist ein Verein, der die Interessen der Arbeit­nehmer, ganz besonders auch in der Land- und Forstwirtschaft, bestens vertritt. Die Landarbeiterkammern haben andere Aufgaben. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das war jetzt ein Paradebeispiel einer tatsächlichen Berichtigung!)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Karin Doppelbauer.


12.35.20

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Gut Ding braucht Weile. – Das ist im Fall des Landarbeitsgesetzes das, was besonders hervortritt: 40 Jahre, hat Kollege Strasser im Ausschuss angemerkt.

Was soll für Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft erreicht werden? – Am Ende des Tages geht es darum, dass man Regelungen, die im regulären Arbeitsrecht schon längst Usus sind, endlich auch in diesem Bereich umsetzt. Das ist also ein Schritt, der schon lange, lange überfällig ist.

Diese Novelle steht aber auch sinnbildlich für vieles, was von dieser Bundesregierung im Arbeits- und im Sozialbereich bis jetzt beschlossen wurde. Entweder man peitscht Neuerungen überhastet via Initiativantrag durch – Regelungen, die sich dann im Nach­hinein ganz oft als reparaturbedürftig herausstellen –, oder aber man scheitert, wie im Fall der Wiedereingliederungsteilzeit, jahrelang und, man muss das sagen, über Jahr­zehnte hinweg an der Komplexität des Arbeits- und des Sozialrechts in Österreich, an dessen Wildwuchs die SPÖ, die ÖVP, aber auch die FPÖ maßgeblich mitgewirkt haben.

Dass die Wiedereingliederungsteilzeit nun als Letztes für die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft eingeführt wird, führt auch noch etwas anderes vor Augen, nämlich die Prioritäten der Bundesregierung. Wenn man sich das anschaut, dann sieht man: Zuerst wird immer bei den Beamten nachgezogen, dann zieht man bei den Eisenbahnern nach und zu guter Letzt kommt man halt zu den Beschäftigten, die man in der Land- und Forstwirtschaft noch hat. Vor allem für die FPÖ – das müsste man sagen, da sie sich ja immer als die Partei des kleinen Mannes positioniert und präsentiert – ist das durchaus bemerkenswert.


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Es haben aber auch andere Anpassungen schon sehr, sehr lange auf sich warten lassen. Die Karenzregelungen möchte ich herausnehmen: Diese stammen großteils aus einer Novelle des Mutterschutz- und des Väter-Karenzgesetzes aus 2015, sie sind also auch schon drei bis vier Jahre alt. Arbeitnehmerschutzregelungen, die besonders wichtig sind, lassen sich auf das Jahr 2012 zurückführen, die sind also sechs Jahre alt. Am schnellsten war man mit der Übernahme der neuen Arbeitszeitregelungen, die seit 1. September in Kraft sind.

Es gibt aber auch Gutes zu berichten: Erfreulich ist, dass jetzt auch die Lehrlinge im land- und forstwirtschaftlichen Bereich die Internatskosten ersetzt bekommen. Das ist gut und schön und auch höchst an der Zeit.

Es stellt sich uns allerdings die Frage, warum es die Regierung in dieser Novelle verabsäumt hat, ihr eigenes Regierungsprogramm umzusetzen, in dem nämlich ganz klar steht, dass man diese Finanzierung in Zukunft nicht mehr aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds steuern soll; dort gehört sie nämlich nicht hin, und das sollte auch nicht aus diesem Fonds bezahlt werden. Da hechelt sich die Bundesregierung also selbst ein bisschen hinterher.

Alles in allem begrüßen wir die Novelle, wir stimmen mit. Es geht um längst fällige Anpassungen, die sehr wichtig sind.

Lassen Sie mich aber zum Schluss noch etwas sagen: Es zeigt halt einfach einmal mehr, wie notwendig ein einheitliches Arbeitsrecht über sämtliche Sektoren hinweg wäre. Es zeigt auch, dass ein Arbeitsrecht notwendig wäre, das für Arbeiter und Angestellte gleichermaßen gilt. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

12.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Linder. – Bitte.


12.38.38

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Frau Abgeordnete Doppelbauer, Sie kritisieren, dass gewisse Dinge schleppend umgesetzt werden: Wir sind seit einem Jahr in der Regierung, wir haben, glaube ich, viele Dinge umgesetzt, alte Dinge aufgearbeitet, die früher nicht möglich waren. Das zeigt, dass wir mit der ÖVP gemeinsam wirklich Dinge anpacken, die früher mit der SPÖ einfach nicht gegangen sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum Thema Änderung des Landarbeitsgesetzes und des Insolvenz-Entgeltsiche­rungs­gesetzes: Ja, die Flexibilisierung der Arbeitszeit – 12 Stunden pro Tag, 60 Wochen­stunden –, die man ohne Kollektivvertrag möglich macht, ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Zur Ausnahme von der Aufzeichnungspflicht für leitende Mitarbeiter: Ich denke, wenn ich einen leitenden Mitarbeiter habe, muss es möglich sein, es mit ihm so zu regeln, dass wir den Überblick über die Stunden haben.

Selbstverständlich sind die Verbesserungen im Bereich des Mutterschutzgesetzes und des Väter-Karenzgesetzes und der Nachvollzug der Regelungen nach dem AVRAG wichtig.

Was mich daran aber ein bisschen irritiert, ist, wenn Kollegin Sandler hier heraus­kommt und sagt, sie ist irritiert darüber, dass man die Sonn- und Feiertagsarbeitszeit für Mitarbeiter bei Almwirtschaften, Buschenschenken und dergleichen möglich machtFrau Kollegin, wann gehen Sie wandern? Wann kehren Sie bei einer Buschenschenke ein? Wann findet dort der Umsatz statt? Wann ist der Umsatz am Urlaub am Bauernhof möglich? – Hauptsächlich an Wochenenden, an verlängerten Wochenenden und


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Feiertagen, deswegen ist es, glaube ich, nur gut und recht, dass das auch da zu gleichen Bedingungen möglich gemacht wird. (Zwischenruf der Abg. Sandler.)

Vor allem aber irritiert mich, dass die Landarbeiterkammer und die Landwirtschafts­kammer eine Einigung erzielt haben, gesagt haben, jawohl, so wollen wir das Gesetz umsetzen, und die Gewerkschaft aber dagegen ist. Um Gottes Willen, meine Damen und Herren, akzeptieren Sie mündige Arbeitnehmer, die sich mit ihrem Arbeitgeber einigen und so zu einem Gesetz kommen!

Meiner Meinung nach ganz wichtig ist der zweite Teil des Gesetzes, die Erstattung der Internatskosten für die Landwirtschaftslehrlinge. Gerade da wird wieder ein wichtiger Schritt dahin gehend gesetzt, dass man die Lehre mit den übrigen Ausbildungsformen gleichsetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, da haben wir noch viel zu tun, dass wir auch in Zukunft das Signal aussenden, dass Lehre wieder wichtig ist, dass Lehre sich wieder bezahlt macht. Wir müssen einfach das Handwerk wieder fördern! Von der Gewerkschaft würde mich in Zukunft Folgendes freuen: Akzeptieren Sie mündige Arbeitnehmer, die sich mit ihrem Arbeitgeber ausreden und sich mit ihm auf wirklich fairer Basis einigen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.41

12.41.55


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 376 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Ab­stimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über die Z 49, 67 bis 81 und 92 in Art. 1 sowie die Z 1 und 2 in Art. 2 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuchen jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Dann komme ich gleich zur dritten Lesung des Gesetzentwurfes.

Wer spricht sich auch in dritter Lesung dafür aus? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

12.43.235. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 504/A der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungs­gesetz geändert wird (417 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Damit sind wir beim 5. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.


12.43.55

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren wir ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird.

Zum Inhalt: Sie beantragen eine Änderung des Punktesystems, was die Zulassungs­kriterien von Schlüsselkräften betrifft. Schlüsselkräfte sind Arbeitnehmer aus Dritt­staaten, aus Staaten außerhalb der Europäischen Union, und Sie beabsichtigen jetzt, die Kriterien billiger und einfacher zu machen. Warum sage ich das? – Weil Sie das Punktesystem hinsichtlich der geforderten Qualifikationen für solche Arbeitskräfte, die angeblich benötigt werden, noch einfacher machen, indem Sie sagen, die Qualifikation bekommt weniger Punkte, wenn wir Menschen am österreichischen Arbeitsmarkt zulassen, aber dafür sind die Sprachkenntnisse und die Berufserfahrung aufzuwerten.

Das ist in Wirklichkeit ein Foul, ein Foul an den Beschäftigten in Österreich, die jetzt einen Job haben, aber auch ein Foul an jenen 308 000 Menschen, die keinen Job haben; das sind letztendlich die 32 000 jungen Menschen unter 25 Jahren und die 177 000 Menschen im Alter zwischen 25 und 49 Jahren, die einen Job suchen, und natürlich auch jene 99 000 Menschen im Alter von 50 plus, die keinen Job bekommen.

Genau für diese Menschen haben wir in der Vorgängerregierung Maßnahmen gesetzt, mit der Aktion 20 000, mit dem Beschäftigungsbonus, mit dem Erlass, dass junge Asylwerber in Mangelberufen, wo es nicht gelingt, jemanden unterzubringen, jemanden zu vermitteln, eine Lehre machen können. (Abg. Belakowitsch: Das ist schon viel länger! Das war nicht die letzte Regierung!) Wir haben da auch die Integra­tions­maßnahmen stärker gefördert, als es die Regierung jetzt tut, wenn es darum geht, zu versuchen, Menschen, die in unserem System Arbeit suchen, in Jobs zu bringen, bevor wir den Arbeitsmarkt weiter Richtung Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union öffnen. (Ruf bei der FPÖ: Wir reparieren das jetzt!)

Was Sie heute hier machen, ist Folgendes: Erstens wird es noch leichter, Lohndrücker von außerhalb der Europäischen Union in unser Land zu vermitteln, weil Sie die Qualifikation nicht mehr für wichtig erachten – aber das Wort klingt so schön: Schlüs­selarbeitskräfte.

Das nächste Foul, das versteckt ist, und zwar in Ihrem Abänderungsantrag, ist Folgendes: Die Mangelberufsliste zu regionalisieren bedeutet, dass noch mehr Arbeits­kräfte aus Regionen außerhalb der Europäischen Union nach Österreich zu vermitteln sind, und das ist dann auch zulässig. (Nein-Ruf bei der FPÖ.) Das dritte Foul, das jetzt noch nicht erfolgt, das Sie aber schon angekündigt haben, ist: Die dürfen billiger kom­men. (Abg. Neubauer: Ihr habt alle reingelassen, und jetzt ...! Das ist ja unglaublich!) Arbeitnehmer mit Rot-Weiß-Rot-Karte dürfen billiger nach Österreich kommen, weil Sie da die Anspruchsvoraussetzungen, was das Monatseinkommen betrifft, noch einmal um 500 Euro senken werden. (Abg. Neubauer: Ihr habt 150 000 reingelassen, die bei uns die Leute umbringen, und jetzt ...! Zwischenruf des Abg. Hauser. Abg. Neubauer: Das ist das Letzte ...!)

Herr Kollege Neubauer, dass Sie jetzt schreien, das verstehe ich, weil das, was ihr als FPÖ hier macht, eine 180-Grad-Kehrtwende ist, wenn es darum geht, den Arbeitsmarkt für Menschen aus Drittstaaten aufzumachen; das verstehe ich. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Dass da dieser Block ruhig ist (in Richtung ÖVP) und dieser


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Block laut wird (in Richtung FPÖ), das verstehe ich. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Neubauer: Wir machen eine gesetzliche Regelung! Wir machen eine gesetzliche Regelung, und ihr habts die 150 000 reingelassen, die jetzt unsere Mädels umbringen!)

Das muss man nämlich einmal zusammenbringen: immer dagegen zu eifern, beim Thema Arbeitsmarkt die Position zu haben: den Arbeitsmarkt müssen wir schließen, die Grenzen müssen wir zumachen!, aber in diesem Punkt die Steigbügelhalter für mehr Zuwanderung am Arbeitsmarkt zu sein (Abg. Neubauer: Unfassbar!), und zwar für Schlüsselarbeitskräfte, die keine Schlüsselarbeitskräfte sind. (Abg. Hauser: Du tust die Fakten verdrehen! Abg. Neubauer: Du hast dich ... sehr geändert!)

Das unterscheidet uns: Wir als SPÖ wollen jene Menschen in Jobs bringen, die jetzt einen Job suchen, Sie hingegen machen den Arbeitsmarkt weiter auf, um noch mehr Menschen, die jetzt im Job sind, bei einem Konjunkturabschwung in die Arbeitslosigkeit abzuschieben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Schämen Sie sich! Das ist es nicht wert, das ist keine faire Arbeitsmarktpolitik. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der FPÖ. Abg. Neubauer: ... von Elfenbeinschnitzern ...! Das ist Diskriminierung! Die Elfenbeinschnitzer des Herrn Stöger!)

12.47


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr.in Dagmar Belakowitsch ist die nächste Rednerin. – Bitte.


12.47.52

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Kollege Muchitsch, das war jetzt eine etwas, sagen wir einmal, überraschende Rede, wiewohl ich ja sagen muss, im Aus­schuss hast du dich schon in eine ähnliche Richtung geäußert. Ihr solltet als SPÖ einmal ganz, ganz ruhig sein! Ihr habt ein Gesetz gemacht, das vom Verfassungs­gerichtshof aufgehoben wurde. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Rufe bei der FPÖ: Ganz genau!)

Was wir heute hier machen müssen, ist eine Reparatur desselben. Würden wir die nämlich nicht vornehmen, dann hätten wir die Situation, dass wir aus den Drittstaaten praktisch alle aufnehmen müssen, und genau deshalb ist es so dringend notwendig, diese Reparatur durchzuführen.

Im Gesetz war eine Altersdiskriminierung enthalten, und aufgrund dessen gibt es jetzt eine Änderung, aber das heißt doch, bitte schön, nicht, dass es jetzt plötzlich unendlich viele Arbeitskräfte von außerhalb der EU geben soll. Die sind ja bisher auch nicht gekommen. Ich weiß nicht, mit welchen Ängsten da jetzt gearbeitet wird.

Wenn ich an den Sozialausschuss zurückdenke, dann habe ich noch im Ohr, wie Kollege Stöger von den niedrig qualifizierten Elefantenschnitzern gesprochen hat. (Abg. Neubauer: Unglaublich!) Das sind wirklich abwertende Ausdrücke für Menschen, die eventuell kommen wollen, gewesen. Das ist etwas, was abzulehnen ist, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Über die Rot-Weiß-Rot-Karte sollen qualifizierte Arbeitskräfte nach Österreich kom­men. (Abg. Muchitsch: Deswegen machen Sie es billiger!) Wir hören permanent von einem Fachkräftemangel. Die einzige Antwort, die von euch immer kommt, sind die Asylwerber, die man in den Arbeitsmarkt stopfen soll. Das ist das, was wir nicht wollen. Wir wollen qualifizierte Arbeitskräfte, wenn wir sie brauchen. Asyl und Zuwanderung müssen voneinander getrennt bleiben. Das ist der notwendige Schritt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sonst haben wir nämlich ein Vermanschen in dieser Republik, das niemand mag und niemand braucht. Es muss Regeln geben, und unserem Rechtsstaat muss Genüge


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getan werden, auch im Bereich des Arbeitsmarktes. Dafür sind wir immer gestanden und dafür stehen wir auch in Zukunft. Die SPÖ sollte lieber einmal nachdenken, was da passiert ist, warum es überhaupt dazu hat kommen können, dass dieses Gesetz aufgehoben worden ist!

Das war doch der Fehler des Sozialministers Stöger, und der wird jetzt repariert, aber anstatt froh zu sein, demütig zu sein, kommen Sie mit irgendwelchen Angstparolen hierher.  Das ist Ihrer nicht würdig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


12.50.22

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Ja, Kollegin Belakowitsch, Ende November haben wir im Ausschuss für Arbeit und Soziales genau dieses VfGH-Urteil, diese Aufhebung aufgrund der Altersdiskriminierung besprochen und einen entsprechenden Beschluss gefasst. (Ruf bei der SPÖ: Da war sie nicht dabei!) Wir wären ja bei dem Beschluss dabei gewesen, weil es keine Altersdiskriminierung in diesem Bereich geben darf, nur, was jetzt in den letzten Stunden passiert ist, ist, dass wir diesen Abänderungsantrag erhalten haben. Das heißt, die Lücke war offen und die Möglichkeit war da, in eine Richtung zu gehen, die wir überhaupt nicht unterstützen können. (Abg. Muchitsch: Eine Trägerrakete! Das war ja Absicht! Abg. Plessl: Das hat sie vergessen zu sagen! Weiterer Ruf bei der SPÖ: Das hat System!)

Was Sie hier machen, ist, einen Abänderungsantrag einzubringen, um die Region­alisierung der Mangelberufsliste durchzudrücken, und zwar am Parlament, an den Parlamentsausschüssen vorbei. Also ich bin wirklich gespannt, wie das zukünftig ablaufen wird, ob wir im Ausschuss nur mehr über Strichpunkte oder Punkte disku­tieren werden, weil dann die inhaltlichen Dinge eh erst kurz vorm Plenum kommen werden.

Das ist meiner Meinung nach eine Aushebelung des Parlamentarismus und wirklich eine Geringschätzung jeglicher Diskussionskultur hier in diesem Haus. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Plessl: Angst vor der Diskussion!)

Aber schlussendlich ist es ja egal; es ist wirklich egal. Ich muss auch wirklich sagen, es macht mir nichts aus. Bitte gehen Sie weiterhin so vor, regieren Sie an der Opposition vorbei, regieren Sie an den Entscheidungsträgern vorbei, an den Interessengruppen vorbei! Das alles ist legitim. (Abg. Hauser: Wieso Entscheidungsträger? Die Entschei­dungsträger, das sind wir!) – Regieren Sie an der Diskussion der Entscheidungsträger vorbei – wenn Ihnen diese Formulierung lieber ist –, lassen Sie sie nicht teilhaben! (Abg. Hauser: Die NGOs, oder was? Das sind keine Entscheidungsträger!)

Was Sie machen, ist, dass Sie das Parlament und die Ausschüsse aushebeln. Was Sie machen, ist, dass Sie Menschen, NGOs, Interessenvereinigungen, die hier die Mög­lichkeit der Mitsprache hätten und dementsprechend auch in einem Begutachtungs­verfahren zu Wort kommen könnten, einfach ausschließen. All das ist per Abände­rungsantrag natürlich möglich und legitim, aber am Ende des Tages geht es darum, was die Bevölkerung von dem hat, was Sie hier machen. (Genau-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) Es ist erstens intransparent, und zweitens ist es noch dazu eine Politik, die zulasten der Bürger geht.

Was Sie hier mit der Regionalisierung der Mangelberufsliste machen, ist, dass es in keine Richtung geht, dass sich die Politik keine Gedanken darüber zu machen braucht, wie die Arbeitsbedingungen in dem Bereich sind, wie es mit den Löhnen in dem Bereich ausschaut, wie es mit den Zuständen in den jeweiligen Bereichen ausschaut,


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sondern Sie gehen her und sagen: Wenn sich in Österreich niemand findet – okay, wenn sich im EU-Bereich niemand findet – okay, dann gehen wir in die Drittstatten, bis irgendjemand verzweifelt genug ist, zu den Arbeitsbedingungen und Konditionen zu arbeiten, die Sie in den jeweiligen Wirtschaftsbereichen anbieten. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Belakowitsch: Aber die Löhne machen die Sozialpartner ...!)

Das ist auf der einen Seite eine maximale Ausbeutung, auf der anderen Seite der maximale Gewinn und dementsprechend auch das maximale Glück bei Ihren Partei­spendern. All das machen Sie mit genau dieser Politik. Ich lehne das völlig ab, und deshalb erfolgt von unserer Seite auch keine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer ist die nächste Rednerin. – Bitte.


12.53.37

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Kollegin Vogtenhuber, also ich weiß nicht: Dass wir einen KV haben, das wissen Sie schon, oder? Ich weiß nicht, woher immer diese Thematiken kommen, dass wir nicht zahlen, dass wir das nicht bezahlen, was im KV steht. Wer tut denn das? (Abg. Neubauer: Das kann nur jemand sagen, der noch nie gearbeitet hat! Abg. Haubner: Man muss einmal arbeiten! Abg. Winzig in Richtung der Abg. Holzinger-Vogtenhuber : Gehen Sie einmal was arbeiten! Zwischenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Gehen Sie einmal in die Wirtschaft! Das funktioniert so nicht, das geht nicht. Wir finden keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das nicht wollen. Es ist unglaublich, ich muss das jetzt wirklich einmal an dieser Stelle sagen: Mich macht das wahnsinnig und – ich habe es im Ausschuss schon gesagt – ich kriege Magengeschwüre!

Hier sitzt die Opposition. Ich habe mir gestern die Mühe gemacht und einmal nach­gesehen, was Sie alle so arbeiten: Sie sind zu 95 Prozent im öffentlichen Dienst beschäftigt und haben keine Ahnung von einem Unternehmen (Beifall bei ÖVP und FPÖ), davon, was es heißt, jeden Monat, alle vier Wochen Löhne zu zahlen, die wir abrechnen, die wir bezahlen! Wir zahlen den Steuerberater, nicht Sie. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... weil Sie eine Tankstelle betreiben!) – Bitte, was tue ich? Bitte, was mache ich bei meinen Tankstellen? (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Sie betreiben eine Tankstelle, oder?) – Ich habe mehrere, Sie werden es nicht glauben. (Ruf bei der SPÖ: Schön!) Das ist ja wohl unglaublich hier! Das ist eine Frechheit. (Abg. Nehammer: Das ist eine erfolgreiche Unternehmerin im Vergleich zu dir! Das ist der Unterschied! Das ist der Unterschied! Aber gegen ... losgehen! Das ist die SPÖ! Der neue Stil! Eine Unternehmerin, die kann ja nicht mehr haben das ist die SPÖ! Ein Skandal! Weiterer Ruf bei der ÖVP: Ein bissel mehr Respekt! Ruf: Das ist ja unerhört!)


Präsidentin Doris Bures: Am Wort ist die Frau Abgeordnete. – Ich wollte nur darauf aufmerksam machen – auch wenn es zustimmende Zwischenrufe zu Ihrem Berufs­stand waren –, Sie sind am Wort und sonst niemand. – Bitte, Frau Abgeordnete Kirchbaumer. (Ruf: Eine milieubedingte Unmutsäußerung!)


Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! Ich werde jetzt zu dem Thema zurückkommen, für das ich jetzt hier stehe. Es geht in dem vorliegenden Antrag darum, dass wir Arbeitskräfte, die über 40 sind, nicht diskri­minieren und daher das Kriterium Alter schwächer gewichten und die Kriterien Berufs­erfahrung und Sprachkompetenz stärker gewichten.


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Leider hat die Opposition immer diese Anschauung, dass Arbeitskräfte, Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter, die zu uns arbeiten kommen wollen, nicht erwünscht sind, aber solche Menschen, die bei uns arbeiten könnten, aber nicht wollen, sehr wohl willkom­men sind. Zum Thema Arbeit hat die Sozialdemokratische Partei gesagt, die Löhne sollten reguliert werden, Arbeitsbedingungen seien zu regulieren, alles solle man regulieren. – Schaffen wir dann Ihre Gewerkschaft auch ab? – Diese Frage stellt sich da schon.

Für die Wirtschaft ist es nicht fünf vor 12, sondern schon nach 12. Wir brauchen dringend Fachkräfte. In Tirol fehlen zu Saisonbeginn – das fängt jetzt genau am Wochenende an – 883 Köche, 1 250 Kellner. Und es ist so: Wenn wir keinen Koch haben, brauchen wir keinen Kellner. Wenn wir keinen Kellner haben, brauchen wir auch keine Zimmermädchen. (Ruf bei der SPÖ: Weil keine Ostdeutschen mehr kommen!) Wir brauchen auch keine Menschen an der Rezeption. Damit ist der Betrieb geschlossen, und alle anderen Arbeitsplätze sind damit auch geschwächt oder gar nicht mehr da. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte zu diesem Thema einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Rebecca Kirchbaumer, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 504/A der Abge­ordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, einbringen.

Es geht in diesem Abänderungsantrag um die regionale Mangelberufsliste. Der Antrag liegt den Fraktionen seit gestern vor und nicht erst seit gerade eben. Es geht in den Grundzügen um die Einführung einer regionalen Mangelberufsliste, wie ich in meiner Rede bereits erläutert habe.

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Rebecca Kirchbaumer, Peter Wurm

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 504/A vom 22.11.2018 (XXVI.GP) der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

Nach Z 1 werden folgende Z 1a, 1b und 1c eingefügt:

1a. § 13 Abs. 1 lautet:

„(1) Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz legt im Falle eines längerfristigen Arbeitskräftebedarfs, der aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial nicht abgedeckt werden kann, zur Sicherung des Wirtschafts- und Beschäftigungsstandortes im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort durch Verordnung für das nächstfolgende


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Kalenderjahr Mangelberufe fest, in denen Ausländer als Fachkräfte gemäß § 12a für eine Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet oder in bestimmten Bundesländern zugelassen werden können. Als Mangelberufe kommen Berufe in Betracht, für die bundesweit oder in bestimmten Bundesländern pro gemeldeter offener Stelle höchs­tens 1,5 Arbeitsuchende vorgemerkt (Stellenandrangsziffer) sind. Berufe mit einer Stellenandrangsziffer bis zu 1,8 können berücksichtigt werden, wenn weitere objektivierbare Mangelindikatoren, insbesondere eine erhöhte Ausbildungsaktivität der Betriebe festgestellt werden oder der betreffende Beschäftigungszweig eine überdurch­schnittlich steigende Lohnentwicklung aufweist. Die von Arbeitskräfteüberlassern ge­mäß § 3 Abs. 2 AÜG gemeldeten offenen Stellen sind bei der Ermittlung der Stellen­andrangsziffer gesondert auszuweisen.“

1b. Dem § 13 werden folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

„(3) In der Verordnung gemäß Abs. 1 können unter Bedachtnahme auf die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes Höchstzahlen festgelegt werden. Diese gelten für die Zulassung von Fachkräften in Mangelberufen, die ausschließlich für bestimmte Bundesländer festgelegt wurden.

(4) Unbeschadet der Regelungen des § 12 kann die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit der Bundesminis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort darüber hinaus im Falle eines anhal­tend dringenden Bedarfs an Arbeitskräften in besonders hochqualifizierten Beschäfti­gungsbereichen durch Verordnung für das nächstfolgende Kalenderjahr festlegen, dass Ausländer mit bestimmten tertiären Ausbildungen in diesen Beschäftigungs­bereichen als besonders Hochqualifizierte nach Maßgabe des § 12 und der Anlage A zugelassen werden können, wobei die erforderliche Mindestpunkteanzahl um 5 Punkte herabgesetzt wird.“

1c. Dem § 20d wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Abweichend von Abs. 2 erster Satz ist die Beschäftigung von Fachkräften gemäß § 12a, die in einem Mangelberuf für bestimmte Bundesländer zugelassen werden, auf Betriebsstätten des Arbeitgebers in diesem Bundesland beschränkt. Die Erbringung von Arbeitsleistungen auf auswärtigen Arbeitsstellen iSd § 2 Abs. 3 des Arbeits­inspektionsgesetzes 1993 (ArbIG), BGBl. 27/1993 ist zulässig.“

Die bisherige Z 3 wird wie folgt geändert:

3. Dem § 34 wird folgender Abs. 46 angefügt:

„(46) § 12b Z 1, § 13 Abs. 1,3 und 4, § 20d Abs. 5, § 27a Abs. 3 Z 1 und die Anlagen A, B, C und D in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft und sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem 31. Dezember 2018 ereignen.“

Nach Z 3 wird folgende Z 3a eingefügt:

3a. In der Anlage A wird in der Kategorie Sprachkenntnisse nach der Wortfolge „auf einfachstem Niveau“ die Bezeichnung „(A 1)“ und nach der Wortfolge „zur vertieften elementaren Sprachverwendung“ die Bezeichnung „(A 2)“ angefügt. In der Anlage B wird in den Kategorien Sprachkenntnisse Deutsch und Sprachkenntnisse Englisch nach der Wortfolge „auf einfachstem Niveau“ die Bezeichnung „(A 1)“, nach der Wortfolge „zur vertieften elementaren Sprachverwendung“ die Bezeichnung „(A 2)“ und nach der Wortfolge „zur selbständigen Sprachverwendung“ die Bezeichnung „(B 1)“ eingefügt. In der Anlage D wird in der Kategorie Sprachkenntnisse nach der Wortfolge „zur vertieften elementaren Sprachverwendung“ die Bezeichnung „(A 2)“, nach der Wortfolge „zur selbständigen oder zur vertieften selbständigen Sprachverwendung“ die


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Bezeichnung „(B 1 oder B 2)“, nach der Wortfolge „zur vertieften selbständigen Sprachverwendung“ die Bezeichnung „(B 2)“ und nach der Wortfolge „zur kompetenten Sprachverwendung“ die Bezeichnung „(C 1)“ angefügt.

Die bisherige Z 4 wird wie folgt geändert:

4. Anlage C lautet:

„Anlage C

Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1

 

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

 

 

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr)

Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2

4

 

 

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)

Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5

 

10

 

15

 

 

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5

 

10

 

 

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre

bis 40 Jahre

15

10

 

 

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

Zusatzpunkte für Profisportler/innen und Profisporttrainer/innen

90

20

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55“

Begründung

Wie im Regierungsprogramm vorgesehen, soll das Modell der Rot-Weiß-Rot – Karte für die qualifizierte Zuwanderung von Arbeitskräften aus Drittstaaten weiterentwickelt


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 99

werden. Die Praxis der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Zulassung von Fachkräften in Mangelberufen ausschließlich über eine bundesweite Erhebung dem regionalen Bedarf nicht ausreichend Rechnung trägt. Dementsprechend soll die Möglichkeit geschaffen werden, in der jährlichen Fachkräfteverordnung auch Mangelberufe für bestimmte Bundesländer festzulegen.

Um eine bedarfsgerechte Steuerung sicherzustellen, soll die Arbeitsministerin auch Höchstzahlen für die Neuzulassung von Fachkräften in bestimmten Bundesländern vorsehen können.

Darüber hinaus werden bei den im Punktesystem beschriebenen Sprachkenntnissen – zum besseren Verständnis – auch die entsprechenden Niveaus nach dem Gemein­samen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GERS) angeführt. Gleichzeitig wird klargestellt, wie die Deutsch- bzw. Englischkenntnisse nachgewiesen werden können.

Zu Z 1a und 1b (§ 13 Abs. 1, 3 und 4)

Mit der vorgeschlagenen Erweiterung der Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Mangelberufen soll – unter grundsätzlicher Beibehaltung der Indikatoren für deren Ermittlung (Stellenandrangsziffer) – die Zuwanderung von Fachkräften flexibler und treffsicherer gestaltet werden. Neben einer bundesweiten Mangelberufsliste soll die Arbeitsministerin künftig auch Mangelberufe für bestimmte Bundesländer per Verord­nung festlegen können. Um die Beschäftigungschancen der am Arbeitsmarkt verfüg­baren und in Ausbildung befindlichen Fachkräfte, insbesondere infolge einer erhöhten Ausbildungsaktivität der Betriebe, bestmöglich zu wahren, soll auch die Möglichkeit bestehen, Höchstzahlen für die Zulassung von Fachkräften für bestimmte Bundes­länder festzusetzen.

In Abs. 4 wird eine zusätzliche Verordnungsermächtigung eingeführt. Aufgrund der besonderen Bedeutung bestimmter Berufe im hochqualifizierten Bereich soll die Arbeitsministerin im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort per Verordnung Berufe im hochqualifizierten Bereich (tertiäre Ausbildung) festlegen können, in denen Ausländerinnen und Ausländer als besonders Hochqualifizierte gemäß § 12 bevorzugt zugelassen werden können. Für diese Berufe bzw. Ausbildungen soll daher die erforderliche Mindestpunkteanzahl um fünf Punkte herabgesetzt werden, um die Zulassung gut qualifizierter Schlüsselkräfte in besonders nachgefragten Berufen zu erleichtern und den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken.

Die bisherige Regelung des § 12 für besonders hochqualifizierte Ausländerinnen und Ausländer besteht unverändert weiter. Personen, die die Voraussetzungen des § 12 und die nach Anlage A erforderlichen Mindestpunkte erreichen, können weiterhin ohne Einschränkung auf bestimmte Berufe eine Rot-Weiß-Rot – Karte erhalten.

Zu Z  1c (§ 20d Abs. 5)

Fachkräfte, die in einem für ein bestimmtes Bundesland festgelegten Mangelberuf zuge­lassenen werden, sollen nur in einer in diesem Bundesland befindlichen Betriebs­stätte des Arbeitgebers beschäftigt werden. Bei Unternehmen, in denen Arbeiten überwiegend nicht in der Betriebsstätte verrichtet werden, bzw. Aufträge außerhalb dieser zu erfüllen haben, ist die Beschäftigung der Fachkraft auch auf auswärtigen Arbeitsstellen (z.B. Baustellen) im Sinne des § 2 Abs. 3 des Arbeitsinspektions­gesetzes (ArbIG) zulässig.

Das bedeutet, dass eine Beschäftigung auch auswärtige Arbeitsstellen (z.B. Baustelle in einem anderen Bundesland) umfassen kann, solange es sich nicht um Betriebs­stätten im Sinne des ArbIG handelt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 100

Zu Z  3a und 4 (Anlagen A, B, C und D)

Zum besseren Verständnis soll in allen Anlagen zum Ausländerbeschäftigungsgesetz beim Kriterium „Sprachkenntnisse“ das jeweilige Niveau nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) ergänzt werden.

Zur Anrechnung von Sprachkenntnissen wird weiters klargestellt, dass der Nachweis von Deutsch- oder Englischkenntnissen über ein Schulzeugnis allein nicht ausreicht. Ebenso wenig gilt der Besuch einer Schule oder Universität in einem deutsch- bzw. englischsprachigen Land automatisch als Nachweis der erforderlichen Sprachkennt­nisse.

Von Personen, die längere Zeit (mindestens zwei Jahre lang) eine Schule oder Uni­versität mit deutscher oder englischer Unterrichtssprache besucht haben, kann auch der Nachweis des erfolgreichen Abschlusses nicht länger als fünf Jahre als Bestäti­gung der Sprachkenntnisse akzeptiert werden.

Als Nachweis der Sprachkenntnisse sollen darüber hinaus auch das Diplom über die Absolvierung des International Baccalaureate (IB-Diplom gemäß § 64 Abs. 1 Z 6 des Universitätsgesetzes – UG), das Europäisches Abiturzeugnis (§ 64 Abs. 1 Z 7 UG), ein Studienabschluss an einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung (§ 51 Abs. 2 Z 1 UG) in einem deutsch- oder englischsprachigen Studiengang und ein Stu­dienabschluss an einer anerkannten postsekundären Bildungseinrichtung (§ 51 Abs. 2 Z 1 UG) in den Studienrichtungen Germanistik oder Anglistik oder Übersetzen und Dolmetschen mit Deutsch oder Englisch als Zielsprache akzeptiert werden, sofern der Abschluss nicht länger als fünf Jahre zurück liegt.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde gemäß § 53 Abs. 4 GOG an die Abgeordneten verteilt, ist in den Grundzügen erläutert worden und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. – Bitte.


12.58.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir diskutieren hier eine Änderung des Punktesystems in der Rot-Weiß-Rot-Karte (de­monstrativer Beifall des Abg. Wurm), weil der Verfassungsgerichtshof die bestehende Regelung wegen einer Diskriminierung aufgehoben hat. (Abg. Wurm: Endlich jemand, der das erklärt! Bravo, Kollege Loacker!)

Es gibt also keinen Grund für Jubelstürme. Wieder einmal muss halt ein fehlerhaftes Gesetz repariert werden. Bei der Gelegenheit kommt noch ein Abänderungsantrag, mit dem die Mangelberufsliste regionalisiert wird. Auch das kann man begrüßen, aber epochal ist etwas anderes. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Die Regierung hat Anfang Dezember wie üblich groß verkündet – immer diese Vierer­präsentationen mit Kanzler, Vizekanzler, Ministerin Hartinger und Klubobmann Wöginger –, jetzt kommt, bis Jahresende, die grandiose Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Wir kennen das alle noch aus der Kindheit: Wenn man einen Adventkalender hat, macht man ein Türchen nach dem anderen auf und freut sich, was drinnen ist, und die Vorfreude auf Weihnachten steigt. Diese Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte war aber bis jetzt hinter keinem Türchen, da war gähnende Leere. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 101

Angekündigt worden ist Verschiedenes. Angekündigt worden ist, es werden die Einkommensgrenzen gesenkt, die man erfüllen muss, um eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen. Es wurde auch erklärt, der Nachweis der ortsüblichen Unterkunft, den man jetzt noch im Vorhinein erbringen muss, würde entfallen. Sie müssen sich vorstellen, wenn Sie heute in Indien Programmierer sind und in Österreich arbeiten wollen, dann müssen Sie von Indien aus nachweisen, dass Sie in Österreich eine ortsübliche Unter­kunft haben – aber das bleibt jetzt einmal so! (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Angeblich wird das bis Ende Dezember geändert. Ich weiß nicht, in welcher Natio­nalratssitzung das dann eingebracht wird, aber so läuft das immer bei dieser Regierung: Es gibt eine große Pressekonferenz, in der wird angekündigt, dass bald eine Ankündigung einer Punktation folgt, auf die dann vielleicht irgendwann einmal ein Ministerratsvortrag kommt. Dann kommt vielleicht ein Ministerialentwurf, den man aber auch weglassen kann, denn man lässt nicht gerne begutachten. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Dass wir in Österreich ein massives Problem mit der Steuerung der Zuwanderung haben, hat gerade erst wieder ein Bericht der OECD hervorgebracht. Wir ziehen über­durchschnittlich niedrig qualifizierte Zuwanderer an. Das, was Sie heute liefern, wird aber keinen Beitrag dazu leisten, Hochqualifizierte anzuziehen, wenn man weiterhin von Indien und von Russland aus einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich nach­weisen muss und die Verfahrensdauer im Schnitt – im Schnitt! – 15 Wochen beträgt. In dieser Zeit haben Hochqualifizierte längst einen Job in Schweden, in Kanada oder in Australien, nach Österreich kommen solche Leute leider nicht. (Mit dem Finger in Richtung ÖVP deutend:) Wegen Ihnen! (Beifall bei den NEOS.)

13.00


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.00.56

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Um vielleicht die Verwirrung ein bisschen aufzudröseln: Es geht heute hier bei diesem Punkt notwendigerweise um eine – dem Gesetzgeber vorgeschrie­bene – Reform der Rot-Weiß-Rot-Card.

Dafür braucht man eine Definition der Schlüsselarbeitskräfte. Das sollten wir jetzt in erster Linie einmal diskutieren, und dann können wir die allgemeinen Problemstellun­gen am Arbeitsmarkt in Österreich auch gerne noch gemeinsam diskutieren.

Diese Veränderung der Rot-Weiß-Rot-Card ist notwendig, weil die Rot-Weiß-Rot-Card – Herr Minister oder Ex-Minister Stöger weiß es ja – nicht funktioniert. Die Rot-Weiß-Rot-Card wäre eine Idee gewesen, um Facharbeiter, die die Industrie und die Wirtschaft in Österreich dringend brauchen, nach Österreich zu bekommen. Sie hat nie funktioniert. Zwischen 2 000 und 2 500 Rot-Weiß-Rot-Cards hat es jeweils gegeben. Das Ziel wäre gewesen, vor allem Industriefacharbeiter oder auch Facharbeiter im IT-Bereich, also wirklich höher qualifizierte Leute, zu bekommen. Das hat nie funktioniert! (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Jetzt kann man diskutieren: Kollege Muchitsch hat Angst, dass wir irgendwie Lohn­dumping betreiben, Kollege Loacker sagt, die Gehaltsgrenzen sind immer noch zu hoch. Das heißt, um das der Bevölkerung zu erklären, der Mindestlohn, um eine Rot-Weiß-Rot-Card zu bekommen, ist 2 500 Euro brutto. Also ich glaube, da kann man nicht von Lohndumping sprechen, Kollege Loacker hätte es aber gerne noch weiter unten angesiedelt. (Abg. Loacker: Das haben Sie angekündigt!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 102

Also ich glaube, um als Facharbeiter zu gelten, sind 2 500 Euro brutto eine gute Grenze. (Abg. Muchitsch: Bleibt es dabei?) Wir haben das Punktesystem auch vor allem im Hinblick auf eine Facharbeiterausbildung adaptiert. (Abg. Muchitsch: Bleibt es bei 2 500?) Also, Frau Minister, wieder eine sehr, sehr sinnvolle Geschichte von der Regierung, um den Facharbeitermangel in Österreich ein wenig zu bekämpfen. (Abg. Muchitsch: Bleibt es bei 2 500?) Das wird aber das Problem nicht lösen, das wissen wir auch, das ist für diese Situation ein kleiner Baustein.

Jetzt komme ich schon zum Problem, und da muss ich halt einfach doch wieder zur Sozialdemokratie schauen: Natürlich hat der Arbeitsmarkt in Österreich Riesen­prob­leme gehabt. Gott sei Dank spielt die Wirtschaft mit, wir haben Hochkonjunktur, aber die wird leider Gottes auch nicht ewig anhalten. Wir haben ein strukturelles Problem – das wissen Sie ganz genau, Herr Kollege Muchitsch, Kollege Stöger weiß es ja auch –, das ihr mitverschuldet habt. Ihr habt das Problem mitverschuldet! (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)

Wir haben Hunderttausende Arbeitslose in Österreich, die wir vermutlich auch zukünf­tig nicht in der Wirtschaft einsetzen werden können. Das Problem habt ihr mitver­schuldet. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Muchitsch.)

Parallel dazu haben wir das Problem, dass die Wirtschaft eigentlich händeringend Arbeitskräfte sucht, aber Facharbeiter. Die Wirtschaft sucht Facharbeiter und wir haben Hunderttausende unqualifizierte Arbeitslose. So! Wie sollen wir das Problem jetzt lösen? Ihr fahrt den Weg, das zu verteidigen. Auch du, Kollege Muchitsch, stellst dich hier heraus und verteidigst das System der Asylwerber und der Lehre noch einmal. (Abg. Muchitsch: ... Tausende Unternehmer ...!) Das war ja bitte schön der 17. Rohr­krepierer von der Sozialdemokratie. Das kann man nicht verteidigen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden extrem viel Geld und extrem viele gute Ideen brauchen, um die Menschen, die diese unqualifizierte Zuwanderung der letzten Jahre und Jahrzehnte nach Öster­reich gebracht hat, irgendwo am Arbeitsmarkt unterzubringen, um sie nicht lebenslang zu alimentieren, denn das kann keiner zahlen. – Das ist ein Problem.

Das zweite Problem – ich sage es noch einmal – ist: Wir werden Facharbeiter brauchen. Da haben wir natürlich, das sage ich auch ganz klar, Unterschiede zur ÖVP, denn mein Zukunftsmodell ist nicht, dass in Tirol in jeder Skihütte ein Pakistani serviert und ein Inder kocht. Das kann auch nicht der Tourismus in Tirol sein, das sage ich auch einmal ganz deutlich. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) So! Da haben wir unter­schiedliche Meinungen.

Also man wird auch im Tourismus, in der Hotellerie dazu kommen müssen, die ein­heimischen Arbeitskräfte gut zu bezahlen, gut auszubilden und zu schauen, dass der Nachwuchs funktioniert. Das sage ich auch ganz ehrlich.

Kollege Muchitsch! Noch einmal zur Erklärung für die Bevölkerung betreffend diese Asylwerbergeschichte, weil da sehr, sehr viele in Österreich mitschwimmen wollen: Von diesen sogenannten Asylwerbern in der Lehre haben 60 Prozent die Lehre ange­fangen, nachdem sie den ersten negativen Bescheid hatten. Das heißt, die haben die Lehre nicht unter Mithilfe von NGOs angefangen, weil sie die Lehre machen wollten, sondern die wollten das Asylverfahren umgehen. Das muss man klar festhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Bleiben wir kurz in diesem Bereich. Das sind alles nackte Zahlen, die stimmen – Sie wissen das alles, ansonsten soll jemand herauskommen und eine Berichtigung machen –: 50 Prozent dieser sogenannten Asylwerber arbeiten in der Gastronomie.


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Jetzt will ich das gar nicht abwerten, aber das sind nicht die Facharbeiter, die die Wirtschaft und die Industrie in Österreich brauchen.

Als dritter Punkt auch noch eine Zahl: 80 Prozent dieser Asylwerber in der Lehre sind Afghanen, auch eine sehr sonderbare Ansammlung einer Nationalität. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das heißt, da steckt System dahinter, und – ich sage es noch einmal – ich bin froh, dass wir dieses System gestoppt haben. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Wir haben das abgestellt, es wird auslaufen und das ist gut so! (Beifall bei der FPÖ.)

Mein Schlusssatz: Ich würde wirklich alle, von der Kirche angefangen bis zur Arbeiter­kammer, bis zu allen anderen Parteien, die sonst noch mitschwimmen, bitten: Helfen Sie mit, für die über 10 000 jungen Asylberechtigten, die beim AMS hängen, eine Lehrmöglichkeit zu schaffen! Das macht Sinn. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.07


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zarits. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Noll: Den größten Facharbeitermangel haben wir schon in der Regierung!)


13.07.31

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Am 15. Oktober letzten Jahres haben uns die Menschen ihr Vertrauen geschenkt und damit entschieden, in welche Richtung sich unser Land entwickeln soll. Das war unsere Richtung und nicht eure Richtung, und das ist auch gut so! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Österreich entwickelt sich prächtig. Die neue Bundesregierung schaut darauf, dass die Menschen, die arbeiten, mehr im Börserl haben, dass die Menschen entlastet werden. Wir sorgen natürlich auch für mehr Sicherheit und wir wollen natürlich auch den Wirtschaftsstandort Österreich stärken.

Was die Opposition anbelangt, gestatten Sie mir ein paar Worte aufgrund der heutigen Diskussion und der heutigen Debatte: Die SPÖ liegt am Boden, befindet sich in einem sehr, sehr kritischen Zustand, daher kommt auch diese Aggressivität in der Diskussion. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Ich habe mir immer gewünscht, dass sich die SPÖ einmal in diesem Zustand befindet – eine Woche vor Weihnachten bin ich zum ersten Mal wunschlos glücklich. Danke der lieben SPÖ!

Betreffend NEOS-Wähler: Die wünschen sich vor Weihnachten nur eines, nämlich Matthias Strolz wieder zurück. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Was die Liste Pilz oder Liste JETZT – oder wie sie nächste Woche heißen wird – betrifft, kann ich nur eines sagen: Der Parteigründer dürfte nicht im Parlament, sondern müsste vor Gericht sitzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer – in Richtung Präsidium –: Hallo! Bitte! Das lassen Sie durchgehen?)

Da heute auch der Name Klubobmann August Wöginger gefallen ist, möchte ich schon eines betonen: August Wöginger ist ein Arbeitnehmervertreter mit sehr, sehr viel Herz, mit sehr, sehr viel Leidenschaft, der schon mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeit­neh­mern geholfen hat, als die SPÖ Mitglieder hat, denn die werden natürlich auch immer weniger! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Wirtschaftsmotor läuft, die Unternehmen brauchen natürlich auch Fachkräfte und wir setzen mit der Regionalisierung der Mangelberufsliste die richtigen Zeichen, indem wir darauf schauen, dass Fachkräfte zu den Unternehmen kommen. Dass sich die SPÖ natürlich mit einer Regionalisierung der Mangelberufsliste nicht auskennt, zumin­dest die SPÖ-Spitze, ist ganz klar, denn die SPÖ-Spitze bewegt sich ja nur im 1. Wiener Gemeindebezirk. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Meine geschätzten Damen und Herren! Wir müssen die Rot-Weiß-Rot-Card entbüro­kratisieren und modernisieren, dadurch schaffen wir ein System, das praxisnah agiert, und wir ermöglichen damit zusätzliches Expertenwissen.

170 Millionen Euro investieren wir im nächsten Jahr in die Fachkräfteausbildung, in die überregionale Vermittlung von Arbeitslosen; insgesamt investieren wir im nächsten Jahr 1,2 Milliarden Euro in den Arbeitsmarkt.

Mit der Anpassung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes setzen wir einen richtigen Schritt, um Österreichs Wirtschaft weiter zu stärken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.10


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt die Frau Bundesminister. – Bitte.


13.10.56

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Für mich als Arbeits- und Sozialministerin geht es um Treffsicherheit: Treffsicherheit hinsichtlich dessen, was die Wirtschaft braucht und was der Arbeitsmarkt bietet. Wir brauchen Qualifikationen, und deshalb ist eine regionale Mangelberufsliste wichtig, sie bedeutet Treffsicherheit, weil die Unternehmer dadurch diese Fachkräfte, die sie brauchen, bekommen werden.

Herr Kollege Muchitsch! Sie reden von Lohndumping. (Abg. Muchitsch: Bleibt es bei 2 500?) Es ist schon klar, dass es auch den Kollektivvertrag gibt. Ich glaube schon, dass du das weißt. (Abg. Muchitsch: Bleibt es bei 2 500?)

Der dritte Punkt, die Berechnungsmethoden für die Mangelberufslisten: Du weißt schon, wer das eingeführt hat? – Es waren Hundstorfer und Stöger. (Abg. Muchitsch: Bleibt es bei 2 500?)

Eines möchte ich hier auch klarstellen: Wir sorgen für qualifizierte Zuwanderung, Sie haben für unqualifizierte gesorgt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dönmez. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.12.11

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Kollege Muchitsch, ich schätze Sie sehr, auch Ihre Arbeit, auch wenn ich inhaltlich nicht immer Ihrer Meinung bin. Eine gewisse Widersprüchlichkeit habe ich jetzt Ihren Zugängen und Ihrer Rede aber schon entnehmen können.

Auf der einen Seite war und ist es ja die SPÖ, die sich massiv dafür eingesetzt hat, dass der UN-Migrationspakt eingehalten wird. Sie haben, wenn ich das richtig in Erin­nerung habe, die Regierung kritisiert, weil sie dem Pakt nicht beitritt. Auf der anderen Seite stellen Sie sich jetzt her und kritisieren sozusagen diese Vorlage, weil durch sie Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen mit Migrationshintergrund und von Drittstaaten die österreichischen Beschäftigten verdrängen sollen. Das ist ein bisschen ein Wider­spruch in sich.

Prinzipiell – Sie wissen das, jeder weiß das – haben wir am Arbeitsmarkt ein Ersatz­kräfteverfahren. Bevor jemand als Drittstaatsangehöriger überhaupt einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommt, wird geprüft, ob nicht zuerst ein EU-Bürger, ein österreichi-


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scher Staatsbürger, die Migranten mit den unterschiedlichsten Aufenthaltstiteln Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Da gibt es das sicher nicht, dass ein Drittstaats­angehöriger einem Österreicher oder einem EU-Bürger den Arbeitsplatz wegnimmt. Das stimmt de facto nicht.

Eines muss und möchte ich an dieser Stelle auch sagen: Ich bin als Arbeiterkind nach Österreich gekommen. Mein Vater hat sich sein Kreuz auf der Baustelle kaputt­ge­arbeitet. Wenn wir draußen in der Kantine bedient werden, bedienen uns und richten unser Mittagessen sehr viele Mitarbeiter her, die Migrationshintergrund haben. Wenn ich auf die Baustelle schaue: Diejenigen, die die schwere, harte Arbeit verrichten, sind primär Leute mit Migrationshintergrund. Leute, die in der Gastronomie arbeiten, bei McDonald‘s, wo auch immer: Sehr viele von ihnen sind Menschen mit Migrationshinter­grund.

Diese Menschen arbeiten im Schweiße ihres Angesichts hart für ihr Geld. Wir sollten diesen Menschen auch den notwendigen Respekt und Dank entgegenbringen. Da ist es wichtig, ganz klar zu sagen: Niemand nimmt jemandem einen Arbeitsplatz weg.

Dass wir einen Facharbeitermangel haben, ist auch der Fehler – das sage ich in aller Deutlichkeit  jener Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, die hier sitzen und vor Jahren dafür gestimmt haben, dass die Übergangsfristen massiv ausgeschöpft wurden. Österreich war eines jener Länder, die die siebenjährige Übergangsfrist massiv ausge­schöpft haben, was dazu beigetragen hat, dass jene, die damals aus den osteuro­päischen Ländern ausreisewillig waren, eben nicht nach Österreich gekommen, son­dern in viele andere Länder gegangen sind.

Kollege Loacker hat vollkommen richtig gesagt, dass wir keine hoch qualifizierte Zuwanderung haben, weil wir eben schwierige Rahmenbedingungen haben, weil wir eben in einem internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe der Welt sind. (Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.) Da sind wir nicht auf einer Insel der Seligen, sondern da sind wir in einem internationalen Wettbewerb, und wir können nur dann die besten Köpfe an uns binden, wenn wir auch attraktive Rahmenbedingungen bieten. (Beifall bei den NEOS.) – Danke.

Wenn sich der gut qualifizierte Universitätsprofessor oder Techniker beim AMS oder bei sonstigen Beratungseinrichtungen genauso in die Warteschlange stellen muss wie der unqualifizierte Arbeiter, dann sind wir halt nicht attraktiv genug. Das heißt, wir müssen da massiv umdenken, damit unsere Wirtschaft die Facharbeiter, die sie be­nötigt, auch bekommt. Wir müssen uns auch darum bemühen, diese Leute an Öster­reich zu binden. Sich nur hinzustellen und zu warten, ob jemand kommt und wer kommt, ist zu wenig.

Da braucht es eine Strategie, es braucht auch Kooperation mit den Herkunftsländern, denn diese guten Leute – ob es die Ärzte sind, die wir abwerben, ob es Pflegepersonal ist, das zu uns kommt und die Pflege übernimmt – fehlen auch in den Herkunftslän­dern, und das stellt diese Länder vor massive Probleme.

Stichwort Pflege: Wir wissen, dass der Großteil der Pflege von Menschen unter sehr, sehr schwierigen Rahmenbedingungen durchgeführt wird und dass es natürlich schwie­rig ist, österreichische Personen, die arbeitslos sind, dafür zu gewinnen. Das heißt, wir müssen eine nationale Kraftanstrengung machen, um Österreich attraktiv für Personen darzustellen, die willig sind, ihr Herkunftsland zu verlassen.

Da gibt es meiner Meinung nach noch massiven Optimierungsbedarf. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall ÖVP und FPÖ.)

13.17

13.17.47



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 106

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Zunächst ist über den vorliegenden Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, BA abzustimmen.

Ich lasse gleich über den Antrag, den Gesetzentwurf in 417 der Beilagen nochmals an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zu verweisen, abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierfür sind, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 417 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Kirchbaumer, Wurm, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Kirchbaumer, Wurm, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 1a, 1b, 1c und 3a sowie Abänderungen der Ziffern 3 und 4 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

13.19.546. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (385 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Allgemeine Sozialversiche­rungs­gesetz und das Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (438 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Povysil. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 107

13.20.21

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie, vor den Medien! Als Ärztin und Politi­kerin freue ich mich besonders über den einstimmigen Beschluss der Ärztegesetz-Novelle im Ausschuss. Ich hoffe sehr, dass sich das hier im Plenum fortsetzt, denn er zeigt, dass Gesundheit und medizinische Versorgung nicht nur Thema Nummer eins in allen Umfragen sind, sondern dass es uns allen ein Anliegen ist: Jeder wünscht sich gute Gesundheit, und jeder wünscht sich einen guten Arzt.

Dann kann man sich die Frage stellen: Was ist denn eigentlich ein guter Arzt? – Nun, in jungen Jahren, in den ersten Jahren seiner medizinischen Tätigkeit, bedeutet das sicher einmal Kompetenz in Diagnostik und Therapie, denn das muss er sich ja erwerben. Auf längere Sicht bedeutet das: menschliche Zuwendung, Empathie und auch kommunikatives Geschick; und auf ganz lange Sicht hin auch die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, denn die Patienten wollen keine ausgebrannten Zyniker. Wir alle kennen die entsprechenden Fernsehserien; die sind unterhaltend, aber in der Realität hoffentlich nicht umgesetzt, denn es ist wichtig, dass sich Ärzte eine achtsame und respektvolle Haltung gegenüber ihren Patienten auch auf lange Sicht bewahren.

Um das den Ärzten zu ermöglichen, ist es jetzt wiederum wichtig, als Gesund­heitspolitiker diese Möglichkeit zu unterstützen. Daher haben wir auch das Ärztegesetz novelliert. Was gibt es nun Neues in diesem Gesetz? – Modernisierung und Sicherung der ärztlichen Notfallversorgung, die Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten, die Regelung der freiberuflichen Tätigkeit sowie auch eine Rechtssicherheit – sehr wichtig für Ärzte – beim Beistand für Sterbende.

Meine Damen und Herren! Wir haben zu wenige Notärzte, das heißt, die Notfallver­sorgung der Bevölkerung ist nicht gesichert. Daher war es uns wichtig und ein Anlie­gen, junge Ärzte mit einer sehr zielgerichteten, kurzen und qualitativ hochwertigen Ausbildung dorthin zu bringen, so schnell wie möglich als Notarzt zu fahren, und damit dieses Loch an Notärzten so bald wie möglich auffüllen zu können.

Es ist uns auch wirklich deutlich bewusst, dass es eine Balance für Ärzte geben muss, im privaten Bereich, im Berufsleben und im allgemeinen Umfeld, denn nur ein Arzt, der sich insgesamt in seinem Leben für alles Zeit nehmen kann, ist dann auch das, was wir zu Beginn gesagt haben, nämlich ein guter Arzt.

Daher können Ärzte nun Ärzte anstellen. Was hat das für einen Vorteil? – Der eine Vorteil ist, dass zum Beispiel ein Ärzteehepaar miteinander arbeiten kann. Der andere Vorteil ist: Wenn ein Arzt einen anderen Arzt anstellt, kann er die Öffnungszeiten variieren und damit den Patienten wieder mehr Flexibilität und positive Anreize geben, diese Ordination zu besuchen.

Ganz wichtig ist es aber nun auch, dass die Schmerz- und die Palliativmedizin explizit wieder in den Bereich der Ärzte gerückt ist. Das heißt, der Arzt kann das Risiko ab­schätzen, wenn er einen Patienten mit Schmerzmitteln in der Bekämpfung seiner Schmerzen, seiner Erkrankung unterstützt, und auch, ob ihm damit das Sterben erleichtert, vielleicht einfach besser und möglich gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede habe ich über den guten Arzt gesprochen. Sprechen wir nun auch noch über die Aufgabe einer guten Gesund­heits­politik! Diese hat nämlich zur Aufgabe, es einem Arzt möglich zu machen, gut zu arbeiten. Das haben wir mit dieser Novelle getan. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit den Worten von Ernest Hemingway schließen: „Glück, das ist einfach gute Gesundheit“, und wenn ich mir all diese Zwischenrufe heute bei den diversen Redebeiträgen noch einmal vergegenwärtige,


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dann ist Glück auch, so sagt er, „ein schlechtes Gedächtnis“. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Androsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.24.54

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuhörerinnen und Zuhörer! Das Ärztegesetz haben wir im Ausschuss einstimmig verabschiedet. Wir werden unser Stimmverhalten auch jetzt im Plenum nicht ändern, sondern wir werden diesem Gesetz zustimmen.

Trotzdem muss ich zwei Blickwinkel auf dieses Gesetz haben; einmal einen positiven: Durch das Ärztegesetz wird jetzt die Anstellung von Ärzten bei Ärzten geregelt. Das ist ein sehr positiver Zugang, schon angesichts der Herausforderungen, die wir in der Gesundheitspolitik und im gesundheitspolitischen Bereich zu meistern haben. Das gibt neue Chancen.

Das Wichtige dabei ist aber vor allem, dass wir unser Augenmerk darauf legen, dass es nicht zu einer Verdichtung der Versorgung durch Ärzte im urbanen Bereich kommt, sondern dass auch ein Versorgungsmehrgewinn in Bezug auf Ärztinnen und Ärzte für die Bevölkerung im ländlichen Raum entsteht. Da sehen wir grundsätzlich den Zugang im Ärztegesetz sehr positiv.

Der zweite Bereich sind die Notärzte: Die zukünftige Versorgung mit Notärzten ist uns ein Herzensanliegen. Da sehe ich sehr gute Aspekte drinnen, was die Ausbildung betrifft, was den Versuch betrifft, Turnusärzte auch in diese Notarztebene mithinein­zu­nehmen.

Ich habe es im Ausschuss schon angemerkt: Ein Wermutstropfen ist dabei vielleicht die Zahl der 20 Einsätze, die diese jungen Turnusärzte leisten müssen, um dann für den Notarztdienst durch den leitenden Arzt wohl freigegeben zu werden. So sehe ich da durchaus einen Ansatz gegeben, um ihnen mehr Sicherheit dafür zu geben, diese Zahl auf mehr zu steigern: zumindest 50 Einsätze zu fahren oder zumindest 20 do­kumentierte intensivmedizinische Notarzteinsätze zu haben. Das ist ein Diskussions­bereich, den wir im Ausschuss schon behandelt haben.

Ein bisschen einen Wermutstropfen sehe ich auch in der Frage der klaren Abgrenzung von angestellten Ärzten zu freiberuflichen Ärzten. Das ist mir zu unscharf, zu ungenau. Auch beim Thema der Gruppenpraxen, beim Thema der Abgrenzung zu den Kranken­anstalten hätte es schon etwas mehr an Klarheit bedurft.

Ich möchte auch das Thema der Vertretungsärzte noch einmal heranziehen. Sie haben darin nicht gut geregelt, ob diese freiberuflich angestellt sind. Es geht also darum, dies­bezüglich eine klare Regelung zu finden; vor allem geht es um folgenden Passus in den Erläuterungen: nicht überwiegend gleichzeitig tätig zu sein. – Ein Vertretungsarzt ist ein Vertretungsarzt, und nicht überwiegend gleichzeitig heißt nicht mehr als 50 Pro­zent, das heißt weniger. Das halte ich für einen nicht sehr guten Zugang, vor allem in der Hinsicht: Ein Vertretungsarzt soll vertreten, er soll nicht gleichzeitig da sein. Wir müssen uns also überlegen: Wollen wir einen angestellten Arzt oder einen Vertretungs­arzt?

Es ist wichtig, Klarheit in Gesetze hineinzubringen – das ist mir besonders wichtig –, dann kann es nicht zu unklaren Auslegungen kommen. Frau Minister, Sie haben im Ausschuss gesagt, Sie verstehen das ohnehin so, Sie verstehen das auch so klar. – Ja, das verstehen Sie so klar, aber wenn der Gesetzestext nicht so klar ist, dann


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kommt es zu einem Durcheinander, wie wir es heute schon bei der Debatte zu Tages­ordnungspunkt 1 gesehen haben, in der Sie davon geredet haben, dass es zukünftig fünf Kassen gibt, aber im Gesetz zehn Kassen stehen.

Das ist entbehrlich, das brauchen wir nicht! Ich denke also, wir brauchen klare Ge­setze, klare Ansagen, und das ist dann noch zu unterstreichen und abzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


13.28.15

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, das ist heute wirklich ein Tag der Freude für das österreichische Gesundheitswesen, für den Gesundheits­be­reich und vor allem für unsere Patientinnen und Patienten.

Wir haben es heute schon mehrmals gehört: Die Novelle zum Ärztegesetz wird die Möglichkeit bieten, dass Ärzte anstellen. Was heißt das konkret? – Das heißt, dass es nicht so wie jetzt ist. Sie waren sicher schon in den letzten Tagen oder Wochen einmal bei einem Arzt, das heißt: volle Wartezimmer, lange Wartezeiten. Wenn ein Arzt jetzt einen zweiten Arzt anstellen kann, dann kann man das wirklich gut verteilen, denn es wird auch für Berufstätige immer schwieriger, zu Ordinationszeiten zum praktischen Arzt zu kommen, vor allem im ländlichen Raum.

Es wurde vorhin auch erwähnt, man muss aufpassen, dass sich das nicht auf den urbanen Bereich konzentriert. Ich sehe die Chance vor allem in der regionalen Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die die Möglichkeit haben, eine Zweite oder einen Zweiten zu 40 Stunden in der Woche anzustellen. Bei Grup­penpraxen werden es zwei sein, wo man auch Teilzeitmöglichkeiten finden kann.

Wichtig ist es aber, mehr Zeit für die Patientinnen und für die Patienten zu haben und noch zusätzlich für junge Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit zu schaffen, unselbst­ständig zu arbeiten zu beginnen und dann möglicherweise später die Ordination zu übernehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Regional nahe Versorgung für unsere Patientinnen und Patienten! Für mich ist das im Gesetz ganz eindeutig geregelt, dass nämlich die Vertretungsmöglichkeit für Selbstständige so erhalten bleibt, wie sie ist.

Ein zweiter wichtiger Punkt wurde heute auch schon mehrmals angesprochen: die Versorgung durch die Notärzte. Da gab es wirklich große Sorge, auch beim Roten Kreuz, ob es möglich sein wird, auch in Zukunft die Versorgung rechtmäßig zu sichern. Das wird so sein: Turnusärztinnen und -ärzte, die früher einsteigen können. Selbst­verständlich liegt es aber auch an den betreuenden Ärztinnen und Ärzten mit Erfah­rung, festzustellen, ob die Jungen dazu schon imstande sind. Jeder Arzt mit Verant­wortungsbewusstsein wird das nicht nur für sich, sondern selbstverständlich auch für die Auszubildenden entscheiden.

Mir ganz besonders wichtig ist in der Novelle zum Ärztegesetz die Klarstellung bei der Begleitung und Betreuung der Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Worum geht es da? – Jeder, der schon einmal einen Menschen in den letzten Wochen, Monaten oder vielleicht sogar Tagen begleitet hat, weiß, da geht es um Schmerzlinderung bezie­hungsweise um Schmerzfreiheit. Es gibt nichts Schlimmeres auf dem Weg hinüber, als wenn man wirklich Schmerzen leidet.

Es ist wichtig für die Angehörigen, selbstverständlich in erster Linie für denjenigen, den es betrifft, es ist aber auch wichtig für mobile Palliativteams, es ist wichtig für ehren-


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amtliche HospizbegleiterInnen, da eine klare Sicherstellung zu haben, dass wir uns nicht im Bereich des Strafrechts befinden, sondern dass es lediglich um Schmerz­linderung und um Schmerzfreiheit geht. Wir leisten damit auf gar keinen Fall Vorschub für Euthanasie! Das möchte ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen.

Fazit: Alles in allem sind sehr, sehr viele sehr, sehr gute Punkte in der Novelle zum Ärztegesetz! Ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner bedanken, auch bei der Opposition, dass wir es schaffen, dieses Gesetz wirklich auf einen guten Weg zu bringen. Ich bin überzeugt davon, es ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und ganz viele werden noch folgen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.31.36

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Regierung macht es einem selten leicht, einer Regierungsvorlage zuzustimmen – diesmal können wir uns dazu durchringen. Man sieht auch, es hat einen Vorteil, wenn es eine Begutachtungsfrist gibt, denn dann kann man solchen Unfug wie dieses Homöopathiemonopol für die Ärzteschaft und andere Dinge rausstreichen, beispielsweise auch den Primararzt im Ruhestand. Sie können etwas also daraus lernen: Es zahlt sich aus.

Wir begrüßen vor allem auch die Änderung bei der Notarztausbildung, und dass es jetzt endlich möglich sein wird, dass ein Arzt einen anderen Arzt anstellen kann. (Beifall bei den NEOS.) Das ist etwas, was uns die ÖVP in der letzten Gesetzgebungsperiode gemeinsam mit den Roten immer niedergebügelt hat – jetzt ist es möglich; das ist schön!

Ich möchte noch darauf hinweisen, weil Kollegin Povysil auf die Gefahr hingewiesen hat, dass es im Arztberuf aufgrund der Umstände ja dazu kommen kann, dass man einen gewissen Zynismus entwickelt: Da sind wir gefordert, da ist die Politik gefordert, auch dafür zu sorgen, die ärztliche Arbeit möglichst wenig bürokratisch zu gestalten. Das betrifft die Kassen einerseits, das betrifft die Arbeitsabläufe in den Spitälern andererseits. Da gibt es noch viel zu tun. Das ist natürlich mit diesem Gesetz so nicht gelöst. (Beifall bei den NEOS.)

Weil Kollegin Schwarz jetzt das Thema Palliativmedizin angerissen hat: Ja, es ist gut, dass hier klargestellt wird, dass die Ärzte nicht mit einem Fuß im Kriminal stehen, wenn sie sagen, ich nehme dem Patienten Schmerzen ab und dafür nehme ich in Kauf, dass die gesetzte Maßnahme möglicherweise am Ende des Lebens zu einer Verkürzung führt, dass man diesbezüglich strafrechtlich auf der sicheren Seite ist.

Ich halte aber schon auch fest: Wenn der Arzt die Entscheidung trifft, ist man jetzt rechtlich auf der sicheren Seite, aber die Frage, ob das Individuum eine Entscheidung trifft und selbst entscheidet, wie er oder sie das Ende des Lebens gestalten will, ist nicht geklärt.

Die Wünsche am Ende des Lebens sind so unterschiedlich wie das Leben selbst. Diesbezüglich stehen wir vor der Aufgabe, die Tür zu eröffnen, dass ein assistierter Suizid unter strengen Regeln möglich ist, so wie es das in der Schweiz gibt, so wie es das in verschiedenen Bundesstaaten in den USA gibt, beispielsweise in Oregon; schau­en Sie sich das Modell einmal an. Da haben wir noch eine große, große Aufgabe vor uns. (Beifall bei den NEOS.)

13.33



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 111

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich jetzt die Frau Bun­des­minister. – Bitte schön.


13.34.05

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mit diesem Ärztegesetz sichern wir die medizinische Versorgung. Ich freue mich wirklich, heute hier durch Sie vier Gesetze beschließen zu können, denn wir haben von der Sozialver­sicherungsreform als Basis die Strukturreform als Fundament für eine Gesund­heits­reform, wir haben jetzt im Ärztegesetz einiges, wir haben das dann im Krankenanstal­ten­gesetz und last, but not least haben wir das Patientenverfügungs-Gesetz. Das heißt, in einem Jahr – sehr bald ist mein erster Geburtstag als Ministerin – haben wir wirklich viel bewegt. Danke an die Abgeordneten, an den Koalitionspartner für diese Unterstützung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was mir beim Ärztegesetz vor allem sehr wichtig war, war natürlich die notärztliche Ver­sorgung: die Ausbildung, die Qualitätsstandards sicherzustellen. Nur, dass die Zuschauer es wissen: Im Ausbildungsbereich wurde seit den Achtzigerjahren nichts gemacht. Daher sind wir das Thema Qualitätssicherung, Ausbildung, Versorgungs­sicherheit bei der notärztlichen Versorgung sofort angegangen.

Der zweite wesentliche Punkt – und das betrifft die Sicherung der ärztlichen Ver­sorgung im ländlichen Raum – ist die Anstellung von Ärzten bei Ärzten. Das ist ein sehr wesentlicher Meilenstein – neben den Lehrpraxen, neben den anderen Maßnahmen, die wir da noch setzen –, dass Ärzte anstellen können. Damit haben wir vor allem die Möglichkeit für Medizinerinnen – und die Medizin ist weiblicher geworden –, das heißt auch, wir schaffen damit mehr Anreize für die jungen Medizinstudentinnen, sich auch bei Allgemeinmedizinern, beispielsweise im ländlichen Raum, anstellen zu lassen und nicht gleich die Last einer freiberuflichen Tätigkeit auf sich zu nehmen.

Der dritte große Bereich im Ärztegesetz ist die Absicherung von Schmerz- und Pal­liativ­medizin. Da geht es um die rechtliche Absicherung der Ärzte und Ärztinnen – auch ein ganz wesentlicher Punkt, damit sie dem Leiden der PatientInnen Abhilfe schaffen können. Und wie Frau Kollegin Schwarz schon gesagt hat: Es ist keinesfalls eine Euthanasie oder Tötung auf Verlangen.

Ich danke Ihnen recht herzlich, ich danke auch der Opposition, dass Sie das hier mitbeschließen! Sie haben gesehen, dass das wirklich ein gutes Gesetz ist. Ich bedanke mich recht herzlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Berger. – Bitte schön.


13.36.59

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­minis­terin! Hohes Haus! Wir können im Zusammenhang mit der Novelle des Ärzte­gesetzes von einem wirklich wichtigen Meilenstein sprechen. Die Novelle enthält drei wesentliche Punkte für die Verbesserung der Versorgung:

Erstmals wird es die Möglichkeit einer Anstellung von Ärzten und Ärztinnen in Ordi­nationen und Gruppenpraxen geben; dabei handelt es sich um eine jahrzehntelange Forderung der Ärzteschaft, aber auch der Freiheitlichen Partei.

Weiters wird die Notarztausbildung modernen und internationalen Standards ange­passt.


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Ganz besonders wichtig ist – das hat auch die Frau Bundesministerin gerade vorhin erwähnt –, dass es eben mehr Rechtsicherheit im Rahmen der palliativmedizinischen Behandlungen von sterbenden Menschen geben wird.

Lassen Sie mich kurz auf die drei Punkte näher eingehen! Es ist erfreulich, dass es gelungen ist, die Notarztausbildung – was, wie gesagt, von vielen Experten schon jahrzehntelang gefordert wurde – zu reformieren. Es war auch höchst an der Zeit, diese zu reformieren, da sich seit den Achtzigerjahren im Wesentlichen nichts ver­ändert hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der zweite wesentliche Inhalt ist die Schaffung einer ausdrücklichen Regelung für die Anstellung von Ärzten bei Ärzten im niedergelassenen Bereich. Die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten bei Ärzten in Ordinationen und Gruppenpraxen soll den Arztberuf an sich attraktiver machen und insgesamt zu einer besseren Versorgung mit ärztlicher Hilfe vor allem im unterversorgten ländlichen Raum führen.

Rund 60 Prozent der Vertragsärzte werden im Jahr 2025 das 65. Lebensjahr erreichen. Vor allem im Hinblick auf die Altersstruktur sind diese Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgungslage notwendig. Die Anstellung eignet sich insbesondere hervorra­gend als Einstieg für jüngere Ärzte und bewirkt auch eine günstige Work-Life-Balance; deshalb ist da eine unselbstständige Beschäftigung einer freiberuflichen Beschäftigung vorzuziehen.

Wir wissen – die Frau Ministerin hat es schon gesagt –, die Medizin wird weiblicher. Wenn die Rahmenbedingungen passen – und sie werden sich durch diese Novelle verbessern –, wird es auch einfacher sein, Familie und Beruf besser zu vereinen, denn es darf kein Entweder-oder, sondern es kann nur ein Sowohl-als-auch sein.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Aufnahme der Bestimmungen zur ärztlichen Bei­standspflicht für Sterbende. Damit wird klargestellt, dass es zulässig ist, im Rahmen palliativmedizinischer Indikatoren Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlustes vitaler Lebensfunktionen überwiegt. Diesbezüglich sind diese klaren Rah­men­bedingungen ausdrücklich zu begrüßen.

Die vielen positiven Stellungnahmen zeigen, dass die Personen aus der palliativ­medizinischen Praxis sehr froh über diese Klarstellung sind, das ist auch ein Zeichen der Humanisierung. Es geht da, wie gesagt, um die rechtliche Absicherung, ist aber auch eine Klarstellung, dass wir Instrumente wie den assistierten Suizid oder die Sterbehilfe nicht brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Novelle bringt wesentliche Verbes­serungen für die Patienten und sichert auch die notärztliche Versorgung für die Zukunft ab. Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich bei Ihnen, Frau Ministerin Hartinger-Klein bedanken, aber auch bei den Oppositionsfraktionen dafür, dass sie dieser Regierungsvorlage zustimmen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Smolle. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.40.56

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die drei Punkte, die bei dieser Novelle des Ärztegesetzes im Vordergrund stehen, sind bereits erwähnt worden: Es geht um die Palliativmedizin, es geht um die


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Anstellung von Ärztinnen und Ärzten bei Ärztinnen und Ärzten, und es geht ganz we­sentlich um die Notarztausbildung.

Ich möchte mit der Palliativmedizin beginnen: Dazu stehen in diesem Gesetzentwurf nur wenige Zeilen, das Thema erscheint mir aber ganz, ganz wichtig. Schon ganz zu Beginn des Gesetzentwurfs steht nämlich explizit, dass „Schmerztherapie und Palliativ­medizin“ explizite Aufgaben unserer Ärztinnen und Ärzte sind. Das bedeutet, dass Palliativmedizin nicht etwas Defensives ist – da kann man nichts mehr tun, geben wir halt ein Schmerzmittel –, sondern dass Palliativmedizin mittlerweile ein eigenständiges, wesentliches Spezialgebiet geworden ist, in dem man viel Kompetenz benötigt: fachliche Kompetenz und ganz besonders auch zwischenmenschliche Kompetenz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Stöger.)

Gerade in diesen kritischen Situationen, wenn Menschen nur mehr eine beschränkte Zeit zu leben haben, ist es nämlich für alle, die in diesem Bereich tätig sind, eine besondere Herausforderung, sich tagtäglich darauf einzulassen. Ich möchte daher die Gelegenheit ergreifen, allen Ärztinnen und Ärzten und allen Kolleginnen und Kollegen der verschiedensten Gesundheitsberufe, die sich in der Hospiz- und Palliativbetreuung engagieren, ein ganz, ganz herzliches Danke zu sagen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Plessl.)

Die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten bei Ärztinnen und Ärzten ist etwas, das gerade der Lebensplanung unserer jungen Kolleginnen und Kollegen sehr entgegen­kommt, was aber insbesondere auch das Service für die Patientinnen und Patienten gerade in ländlichen Gegenden verbessern wird.

Was die notärztliche Versorgung betrifft, ist es so, dass nicht nur der notärztliche Lehr­gang von 60 auf 80 Einheiten ausgeweitet wird, sondern auch explizit die praktische Ausbildung, die unbedingt vorausgehen muss, entsprechend festgelegt wird. Die Ärzte­kammer wird da dann im übertragenen Wirkungsbereich noch Details auszuarbeiten haben.

Ein letzter Punkt noch – jetzt habe ich die drei Punkte erwähnt, die drinnen stehen, in den Erläuterungen steht aber auch noch ein schöner Ausblick –: In künftigen Novellen will man sich weiter um die Attraktivierung der Allgemeinmedizin bemühen, und da steht der Wunsch nach einer Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ganz oben auf der Wunschliste. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und NEOS.)

Ich möchte der Frau Ministerin, ihrem Team und allen, die daran mitgewirkt haben, herzlich für die Ausarbeitung des Gesetzentwurfes danken, und auch den Vertreterin­nen und Vertretern aller fünf Fraktionen dafür, dass wir das heute gemeinsam be­schließen werden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kaniak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.44.29

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Damit unser Gesundheitssystem all seinen Versicherten eine optimale Versorgungsleistung bieten kann, brauchen wir nicht nur schlanke und effiziente Strukturen in der Verwaltung, sondern wir brauchen auch für alle Gesundheitsberufe optimale gesetzliche Rahmenbedingungen. Mit der hier vorliegenden Novelle des Ärztegesetzes schaffen wir für die Ärzteschaft ganz wesentliche Maßnahmen, die ihr Berufsfeld attraktivieren und ihnen mehr rechtliche Sicherheit geben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 114

Mit dem ersten Punkt, der Novellierung der Notärzteausbildung, sorgen wir nicht nur für mehr Qualität, sondern auch dafür, dass junge Ärzte in Ausbildung schon früher die Tätigkeit als Notarzt aufnehmen können und somit die notärztliche Versorgung am Land und in der Stadt gewährleistet ist.

Der zweite Punkt ist die Schaffung rechtlicher Sicherheit für unsere Ärzte bei der Be­handlung von Sterbenden. Mit dieser Regelung stellen wir sicher, dass die Linderung von Schmerzen und Qualen am Ende des Lebens eines Patienten wichtiger als die Verlängerung von Leben und Leid ist – auch das ist aus meiner Sicht ein ganz wich­tiger und vor allem auch menschlicher Aspekt.

Der dritte Punkt ist mir persönlich besonders wichtig: die Möglichkeit der Anstellung von Ärzten durch Ärzte. Durch diese Maßnahme sorgen wir nämlich dafür, dass eines der zentralen Versprechen dieser Bundesregierung, die Stärkung des niedergelas­senen Bereichs und des Kassensystems, mit Leben erfüllt wird. Warum? – Lassen Sie mich das kurz erläutern!

Wir haben hier bei uns im Plenarsaal auch viele Bürgermeister: Sie kennen das Prob­lem, dass sie kaum Nachfolger für die Hausärzte in ihren Gemeinden finden. Der Grund ist, dass sich heutzutage kaum ein junger Arzt die hohe Belastung, die langen Ordinationszeiten und die Verfügbarkeit auch außerhalb dieser Ordinationszeiten für Nacht- und Wochenenddienste antun kann oder auch antun möchte. Das betrifft vor allem auch junge Frauen, die vielleicht kleine Kinder zu Hause haben und somit den Beruf als Ärztinnen nicht Vollzeit, sieben Tage die Woche ausüben können. Mit der Möglichkeit der Anstellung können diese nun relativ leicht und mithilfe von Kollegen, die sie anstellen können, diese Kassenstellen aufgreifen, deshalb wird es leichter sein, diese nachzubesetzen.

Auch der Schwerpunkt, den wir bei den Primärversorgungszentren gesetzt haben, die wir etablieren wollen, findet sich in diesem Gesetzentwurf. In Regionen, in denen eine Primärversorgung angedacht wird, sich aber nicht ausreichend Ärzte finden, um diese zu betreiben, kann über die direkte Anstellung von Ärzten das Versorgungsquorum erfüllt werden, damit diese Primärversorgungszentren auch zustande kommen. Ich denke, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt zur Stärkung der Primärversorgung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der familienpolitische Aspekt – meine Vorrednerin hat das schon angesprochen –, dass wir vor allem die jungen Ärztinnen mit Kindern in ein Berufsleben zurückholen können und diese nicht in die Kinderbetreuung oder das Spitalswesen verdrängen müssen, sondern ihnen Chancen im niedergelassenen Bereich bieten, sollte ebenfalls besonders erwähnt werden. Unter dem Strich werden wir mit dieser Gesetzesänderung die Versorgungssituation aller Versicherten in Österreich verbessern und gleichzeitig für die Ärzte bessere und sicherere Arbeitsbedingungen schaffen.

Abschließend darf ich noch eine kleine Korrektur dieses Gesetzentwurfes einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil

und Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Gesundheitsausschusses 438 der Beilagen über die Regierungsvorlage 385 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärzte­gesetz 1998, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Freiberuflichen-So­zialversicherungsgesetz geändert werden


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 115

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 2 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

Im § 5 Abs. 1 Z 17 in der Fassung der Z 1 wird der Ausdruck „Abs. 2 lit. c“ durch den Ausdruck „Abs. 2a Z 3“ ersetzt.

Begründung

Mit der vorgeschlagenen Änderung wird eine Zitierung richtiggestellt.

*****

Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.48

13.48.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 385 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Schwarz, Dr. Povysil, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Schwarz, Dr. Povysil, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Artikel 2 eingebracht.

Wer diesem zustimmt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

13.50.01 7. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (374 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuran­stalten geändert wird (KAKuG-Novelle 2018) (439 d.B.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 116

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen jetzt zum 7. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.50.24

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Thema ist die Änderung des Krankenanstalten- und Kur­anstaltengesetzes. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kennen diese Situ­ationen – dort oben auf der Galerie sitzen Schülerinnen und Schüler –: Wie schnell kann ein Unfall passieren, und wie oft ist es uns schon passiert, dass wir als Mutter oder Vater – auch die Väter werden das tun – in einer Ambulanz sitzen und geduldig warten?

Wir sitzen da, nicht gern, weil unser Kind leidet, aber wir warten. Dann kommt ein Herr in den Warteraum (Ruf: Ein SPÖler!): zu jung, zu schön, zu intelligent. Er wird freund­lich empfangen, darf sich seinen Arzt aussuchen und wird vorgezogen. Als Elternteil eines verletzten Kindes, sehr geehrte Damen und Herren, blutet das Herz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: ... das für Märchen!) Das macht diese Gesetzesänderung möglich, dass es eine Businessclass für Besserversicherte gibt, und dagegen sprechen wir uns aus!

Es braucht zweifelsohne eine echte Reform des Gesundheitswesens: Es braucht faire und transparente Entlohnung von Ärztinnen und Ärzten – also keine intransparenten Zusatzeinkommen, sondern angemessenes und leistungsgerechtes Grundeinkommen für das Gesundheitspersonal, dann könnten wir nämlich auch die Ärzteknappheit in diesem Bereich beseitigen.

In einem öffentlichen Krankenhaus, das von uns allen finanziert wird, sollen auch alle die gleiche bestmögliche medizinische Behandlung bekommen – das wird aber er­schwert. In Zukunft wird es besser werden? – Ja. Für alle? – Nein, nur für die, die es sich leisten können, und das werfe ich Ihnen vor! Diese Politik von Türkis und Blau unterscheidet zwischen Menschen, die es verdienen, besser behandelt zu werden, und solchen, die es nicht verdienen.

Ich möchte an dieser Stelle folgenden Abänderungsantrag einbringen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) – und Ihnen damit die Chance geben, dies doch noch zu korri­gieren –:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner MSc, Kucher, Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 374 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

Z 29 lautet:

„29. (Grundsatzbestimmung) § 27b Abs. 3 lautet:

„Durch die Landesgesetzgebung ist zu bestimmen, in welcher Form Leistungen im Nebenkostenstellenbereich und ambulante Leistungen an Patientinnen und Patienten gemäß Abs. 1 durch den Landesgesundheitsfonds abgegolten werden. Dabei ist


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 117

jedoch das Bepunktungsmodell für den spitalsambulanten Bereich (LKF-ambulant) anzuwenden. Dies kann durch die Landesgesetzgebung auch dem Landesgesund­heitsfonds übertragen werden. Jedenfalls ausgeschlossen ist die Einhebung von Sonderklassegebühren für jede Art von ambulanten Leistungen.“

*****

Nützen Sie die Chance, ermöglichen Sie eine gerechtere Zukunft für unsere Kinder und stimmen Sie dem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

13.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner MSc, Kucher, Holzinger-Vogtenhuber,

Genossinnen und Genossen

zur Regierungsvorlage 374 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (KAKuG-No­velle 2018)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die oben bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

Z 29 lautet:

„29. (Grundsatzbestimmung) § 27b Abs. 3 lautet:

„Durch die Landesgesetzgebung ist zu bestimmen, in welcher Form Leistungen im Nebenkostenstellenbereich und ambulante Leistungen an Patientinnen und Patienten gemäß Abs. 1 durch den Landesgesundheitsfonds abgegolten werden. Dabei ist jedoch das Bepunktungsmodell für den spitalsambulanten Bereich (LKF-ambulant) anzuwenden. Dies kann durch die Landesgesetzgebung auch dem Landesgesund­heitsfonds übertragen werden. Jedenfalls ausgeschlossen ist die Einhebung von Sonderklassegebühren für jede Art von ambulanten Leistungen.“

Begründung

Die vorliegende Regierungsvorlage lässt die Möglichkeit für die Landesgesetzgebung offen, dass im spitalsambulanten Bereich eine Sonderklasse eingeführt werden kann.

Dazu wird in den Erläuterungen zu § 27b Abs. 3 ausgeführt: „Mit 1. Jänner 2019 ist das spitalsambulante Abrechnungsmodell als Teil der leistungsorientierten Krankenanstal­ten­finanzierung verbindlich anzuwenden. Daher ist § 27b Abs. 3 entsprechend anzu­passen.

Zur Unterstützung der Umsetzung des spitalsambulanten Abrechnungsmodels haben die Länder die Möglichkeit, die Einhebung von Sonderklassegebühren für jene Leis­tungen vorzusehen, die bisher stationär erbracht und für die die Verrechnung von Sonderklassegebühren möglich war, die nunmehr auf Grund des spitalsambulanten Abrechnungsmodells ambulant zu erbringen sein werden. Der Einhebung solcher Sondergebühren haben adäquate Leistungen gegenüber zu stehen.“


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 118

Dies widerspricht eindeutig der geltenden Rechtslage des § 16 Abs. 2 KAKuG letzter Satz: „Die Sonderklasse hat durch ihre besondere Ausstattung höheren Ansprüchen hinsichtlich Verpflegung und Unterkunft zu entsprechen.“

Das Gesetz besagt somit eindeutig, dass lediglich die „Hotelkomponente“ und keines­falls die medizinische oder pflegerische Leistung für Sonderklassepatienten besser sein darf. Ein Anwendungsbereich für die Sonderklasse ist daher im ambulanten Spitalsbereich nicht gegeben.

Würde eine ambulante Sonderklasse geschaffen, obwohl eine Unterbringung und Verpflegung nicht erforderlich sind, wäre das der Weg in die 2-Klassen-Medizin in öffentlichen Spitälern und eine gesetzwidrige Diskriminierung der PatientInnen der allgemeinen Gebührenklasse.

Daher ist eine bundesgesetzliche Klarstellung erforderlich, dass für ambulante Leis­tungen keine Sondergebühren eingehoben werden dürfen.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete, Sie haben vorgelesen: „Kolle­ginnen und Kollegen“, da steht aber: „Genossinnen und Genossen“ – ich nehme an, Sie haben sich da nur verlesen? (Abg. Yildirim: Wie bitte?) – Sie haben vorgelesen: „Kolleginnen und Kollegen“, und in Ihrem Antrag steht: „Genossinnen und Genossen“ – ich nehme an, dass Sie sich da nur versprochen haben.

Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Povysil. – Bitte schön.


13.54.30

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie und vor den Fernsehbildschirmen! Im Unterschied zu meiner Vorrednerin wird mir als Ärztin und Politikerin jetzt wirklich warm ums Herz, wenn ich sehe, was die Frau Ministerin in diesem Jahr an Reformen und Neuerungen im Gesundheitssystem gebracht hat. Beginnend bei der Sozialversicherungsreform über das Ärztegesetz, das wir gerade besprochen haben, bis hin zum Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, das jetzt zur Diskussion steht. Österreich hat hochqualifizierte - - (Abgeordnete der SPÖ halten ein Transparent mit der Aufschrift: „Beste Medizin für alle statt VIP-Klasse für Reiche!“ in die Höhe sowie türkis-blaue Tafeln mit der Aufschrift „Statt Drei-Klassen-Medizin“, „Beste Medizin für alle!“ und einem Bild, das ein Gebiss zeigt, das in zwei unter­schiedliche Teile geteilt ist, wobei auf einer Seite gesunde Zähne und auf der anderen Seite verfärbte Zähne abgebildet sind.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete, darf ich Sie ganz kurz unter­brechen? Vielen Dank für die schönen Plakate (in Richtung SPÖ), die Sie sich Mühe gegeben haben zu entwerfen, aber wir haben sie schon einmal gesehen. Ich bitte darum, sie wieder einzupacken. – Danke schön. (Ruf bei der ÖVP: Das habt ihr schon gehabt! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Sie werden nicht besser! – Abg. Rädler: Höher halten! Höher! – Ruf: Der Vorteil ist, dass man den Krainer nicht sieht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist schon genug, es haben schon alle gesehen. Vielen Dank.


Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (fortsetzend): Wie die Frau Präsidentin gesagt hat, wäre es sehr schön, wenn Sie das wieder einpacken würden. Danke. Wir haben es


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gesehen und zur Kenntnis genommen. (Abg. Krainer: Es ist die Wahrheit, die tut Ihnen weh – das verstehe ich schon!)

Nun, wir sind auch bei der Spitalshäufigkeit Weltmeister, nicht nur in der Qualifikation unserer Spitäler. Das heißt, wir haben sehr viele Patienten, die zuerst ein Spital auf­suchen, bevor sie andere Gesundheitseinrichtungen in Anspruch nehmen. Die Medizin entwickelt sich allerdings weiter und die Spitalsaufenthalte werden kürzer. Es ist möglich, mehr medizinische Leistungen im ambulanten, im niedergelassenen Bereich durchführen zu lassen und nicht ins Spital zu gehen und dort Tage und Wochen zu verbringen. Diesem Umstand trägt die Novelle dieses Krankenanstalten- und Kuran­stal­ten­gesetzes Rechnung, und sie ermöglicht auch die Umsetzung des Österreichi­schen Strukturplans Gesundheit 2017.

Was hat dieser Gesetzentwurf in sich? Was will er bewirken? – Die Organisations­formen werden auf der einen Seite in den Spitälern flexibler, die Spitalsaufenthalte kürzer, die Öffnungszeiten sind flexibler, die Zusammenarbeit zwischen Spital und nie­der­gelassenem Arzt wird besser geregelt, die Aufenthalte werden planbar und dem regionalen Bedarf angepasst. Auf der anderen Seite werden über ambulante Erstversorgungseinheiten die Patienten im Krankenhaus mit einer schnellen Entschei­dung entweder aufgenommen, kurz beobachtet oder, wenn wirklich notwendig, ins Spital aufgenommen und dort auch behandelt.

Der Wandel der Medizin zeigt auch Folgendes: Früher haben viele Fächer vor sich hin gearbeitet – ich bin Radiologin, ein Radiologe ist früher vor einem Bild gesessen und hat das befundet –, heute hingegen arbeitet man interdisziplinär. Es kommen Radio­logen, Chirurgen, Internisten, viele Fächer zusammen, um sich das Krankheitsbild eines Patienten gemeinsam anzuschauen und dann gemeinsam für diesen Patienten zu arbeiten und zu handeln. Ihnen ist es jetzt auch möglich, Stationen interdisziplinär zu nutzen, das heißt, man kann einen Patienten mit einem chirurgischen Problem nicht mehr nur auf der Chirurgie aufnehmen, sondern auch auf anderen Abteilungen, je nachdem, wie es gerade notwendig ist.

Wir sprechen über Krankenhäuser und über Aufenthalte im Krankenhaus: Diese wer­den kürzer, wir achten aber auch darauf, dass bei einem längeren Krankenhaus­aufenthalt die Krankenhauskeime genau angezeigt und beobachtet werden, damit der Aufenthalt nicht durch einen Keim, den man sich im Krankenhaus holt, noch zusätzlich verlängert wird.

Das heißt, die Verlagerung von stationär nach ambulant, die Ermöglichung kürzerer Aufenthalte, die Möglichkeit für ältere Patienten, nach Hause gehen zu können, für Patienten, denen es gut geht, sind zum einen politischer Wille, zum anderen aber auch eine Entwicklung und eine medizinische Tatsache.

Da hat man nun in den Erläuterungen zum Gesetz die Zusatzversicherungen in die Pflicht genommen, ihre Leistungen, die sie vorher schon im stationären Bereich er­bracht haben, nun auch ambulant zu erbringen. Wie muss man sich das vorstellen? – Wenn Sie zum Beispiel früher wegen einer Operation des grauen Stars zwei Tage im Spital gelegen sind, so können Sie das jetzt ambulant durchführen lassen. Sie haben also eine halbe Stunde oder Stunde die Operation, ruhen sich dann aus, sind bei guter Gesundheit und können dann nach Hause gehen. Im einen Fall würde Ihre Zusatzversicherung, so Sie eine haben, zahlen, im anderen Fall zahlt sie nicht.

Wenn sie nicht zahlt, dann entgeht dem Spital ein unglaublich großer Kostenbeitrag. Zum Beispiel würde das für die Finanzierung der Krankenanstalten in Oberösterreich ein Defizit von 3 Millionen Euro bedeuten. Wir haben 1,8 Millionen zusatzversicherte Patienten, und diese zusatzversicherten Patienten finanzieren das Gesundheitssystem mit 880 Millionen Euro mit. Das heißt, allein bei den Krankenanstalten finanzieren


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10 Prozent der Patienten 30 Prozent aller Leistungen mit. Das können wir uns nicht entgehen lassen, das brauchen wir auch als finanzielle Leistung für die Kranken­anstalten.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich muss leider sagen, Sie haben Milliarden – 1,8 Milliarden Euro – im Bereich des Krankenhauses Nord einfach ver­schleudert, und in Ihren Ambulanzen warten die Patienten 8 Stunden lang. (Abg. Leichtfried: Aber keine Businessclass, wie Sie möchten! – Zwischenruf des Abg. Krainer.) Man wartet in Wien dank Ihrer sozialdemokratischen Gesundheitspolitik 8 Stunden (Abg. Krainer: Deshalb kommen alle aus den Bundesländern her!), und daher, meine Damen und Herren, gibt es überhaupt keine Kritik, die man in diesem Fall von Ihrer Seite annehmen kann. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Krainer: Wie viele Wiener fahren nach Niederösterreich?)

Sie haben 1,8 Milliarden Euro beim Krankenhaus Nord verschleudert! Meine Damen und Herren, stellen Sie sich das vor! 8 Stunden Wartezeit in der Ambulanz! (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Ist ja noch gar nicht eröffnet!) Uns ist es ein Anliegen, die Krankenanstalten in ihrer finanziellen Situation und ihrer Struktur so zu gestalten, dass sie wirklich dafür da sind, Patienten schnell, qualifiziert und gut zu behandeln. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da die Sozialdemokratie massive Verunsicherung der Patienten betreibt (Abg. Kucher: Das habt schon ihr gemacht! – Abg. Leichtfried: Jetzt verteidigen Sie endlich die Businessklasse! Wir möchten hören, warum ...!) – wie sie es ja schon bei der Sozial­versicherungsreform gemacht hat, wie sie es jetzt auch wieder bei den Kranken­anstalten macht –, möchte ich hier einen Entschließungsantrag einbringen (Abg. Leichtfried: Wieso machen Sie keine Gesetzesänderung?), der Ihnen noch einmal versichern soll, dass wir darauf achten, dass ein zusatzversicherter Patient – wie ich es jetzt schon drei Mal im Rahmen einer tatsächlichen Berichtigung gesagt habe – nicht besser behandelt wird als ein Patient der allgemeinen Versicherungsklasse. (Abg. Leichtfried: Der Herr Kurz hat gesagt, es kommt eine Gesetzesänderung!)

Daher bringe ich folgenden Antrag ein (Abg. Rendi-Wagner: Wo ist die Gesetzes­änderung?):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Benachteiligung von Patent/innen der allgemeinen Gebührenklasse beim Zugang zu medizinischen Leistungen in LKF-finanzierten Krankenanstalten“ (Abg. Leichtfried: Sagen Sie, warum das nur ein Unselbständiger Entschließungs­antrag ist, der keine Rechtswirkung hat? Das ist ein Fake-Antrag! – Abg. Gudenus: Ein Entschließungsantrag!)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, werden ersucht, im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit einschließlich eines geeigneten Monitoring sicherzu­stel­len, dass auch im spitalsambulanten Bereich in LKF-finanzierten Krankenanstalten keine Unterschiede bei der Behandlung (insbesondere Umfang und Qualität) sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung (insbesondere Terminvergabe und Warte­zeiten) zwischen Patient/innen der allgemeinen Gebührenklasse und Patient/innen mit Sondergebührenverrechnung gemacht werden und die Mitglieder des Gesundheitsaus­schusses über das Ergebnis zu informieren.


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Erforderlichenfalls soll eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgen.“ (Abg. Leichtfried: Und freuen Sie sich auf die Businessclass für Reiche?)

*****

Meine Damen und Herren! Lassen Sie sich nicht scheu machen! Lassen Sie sich nicht panisch machen! Wir achten darauf, dass es da keine Unterschiede gibt. Die Frau Ministerin wird das monitoren (Abg. Leichtfried: Das auch noch! Um Gottes willen!), darf und muss dann uns als Abgeordneten zur Verfügung stehen und uns berichten, wie es wirklich abgelaufen ist, sodass mit Sicherheit nichts passieren kann.

Es ist ein politisches Spiel, nicht mehr und nicht weniger, und es hat nichts, absolut nichts mit medizinischen Tatsachen zu tun. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabi Schwarz, Dr. Brigitte Povysil

Kolleginnen und Kollegen

Betreffend: Keine Benachteiligung von Patent/innen der allgemeinen Gebührenklasse beim Zugang zu medizinischen Leistungen in LKF-finanzierten Krankenanstalten

Eingebracht in der NR-Sitzung am 13. Dezember 2018 im Zuge der Beratungen zur Regierungsvorlage 374 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (KAKuG-Novelle 2018) idF des Ausschussberichts 439 d.B.

Mit der gegenständlichen Novelle des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (374 d.B.) wird einmal mehr die Patientenversorgung in Österreichs Kran­kenhäusern in den Mittelpunkt gestellt. So werden in Zukunft die Formen für Organi­sationseinheiten flexibilisiert und vereinfacht. Ein besonders wichtiger Schwerpunkt ist auch die Dokumentation und Bekämpfung sogenannter Krankenhauskeime, welche gerade für ältere und geschwächte Patientinnen/Patienten eine Gefahr darstellen kön­nen, da sie hoch infektiös sind und starke Resistenzen aufweisen.

Im Zuge der Begutachtung dieser Novelle wurde von einigen Bundesländern, der Stadt Wien, der Österreichischen Ärztekammer und dem Verband der Versicherungs­unter­neh­men Österreichs eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Einhebung von Sonderklassegebühren im ambulanten Bereich gefordert. Dies vor dem Hintergrund des ab 2019 verpflichtend anzuwendenden spitalsambulanten Abrechnungsmodells im Rahmen der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung. Dieses sieht vor, dass bisher stationär abgerechnete tagesklinische Fälle sowie Eintagesaufenthalte ab 1. Jänner 2019 ambulant erbracht und abgerechnet werden. Dadurch wird die medizi­nisch und gesamtwirtschaftlich begründete Verlagerung bisher stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich unterstützt, was ein wesentliches Thema der Zielsteuerung-Gesundheit ist.

Die genannten Stellungnahmen begründen den Vorschlag im Wesentlichen damit, dass Patientinnen/Patienten, die bisher im stationären Bereich durch Zuzahlungen Sonderklasseleistungen in Anspruch nehmen konnten, dies auch weiterhin bei ambu­lanter Behandlung nutzen können sollen. Ein Verbot von Sondergebühren würde dazu


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führen, dass zusatzversicherte Patientinnen und Patienten in den Bereich der privaten Krankenanstalten abwandern und so dem öffentlichen Gesundheitswesen wesentliche Einnahmen entgehen.

In rechtlicher Hinsicht ist dazu festzuhalten, dass § 27 Abs. 4 KAKuG in der seit 1996 geltenden Form, der durch die nunmehr vorliegende Novelle nicht geändert wird, schon bisher die Festsetzung von Sondergebühren für den spitalsambulanten Bereich ermög­lichte.

Im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über eine Zwei-Klassen-Medizin wird weiters ausdrücklich festgehalten, dass es gemäß § 16 KAKuG in öffentlichen oder gemeinnützigen Krankenanstalten keinen Unterschied bei medizinischen und pflegerischen Leistungen sowie beim Zeitpunkt der Behandlung zwischen Patient/innen der allgemeinen Gebührenklasse und Patienten mit Sondergebührenverrechnung ge­ben darf. Sowohl die medizinischen und pflegerischen Leistungen als auch der Zeit­punkt der Behandlung ergibt sich ausschließlich auf Grund des Bedarfs der/des jeweiligen Patientin/Patienten.

Auch in Zukunft muss gewährleistet sein, dass es für alle Patientinnen und Patienten keine Unterschiede bei der Behandlung sowie beim Zugang zur Behandlung (Zeitpunkt der Behandlung) im spitalsambulanten Bereich gibt.

Die Landesgesetzgebung als Ausführungsgesetzgeber wird demnach erforderlichen­falls sicherzustellen haben, dass die Benachteiligung von Patienten und Patientinnen der allgemeinen Gebührenklasse bei der Behandlung und beim Zugang zu medizi­nischen Leistungen auch im Ambulanzbereich von LKF-finanzierten Krankenanstalten zuverlässig vermieden wird. Jedenfalls ausgeschlossen müssen nicht medizinisch indizierte Differenzierungen (z.B. „fast lane“) oder dgl. in Unfall-, Notfall- bzw. Akutambulanzen sein.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, werden ersucht, im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit einschließlich eines geeigneten Monitoring sicherzu­stellen, dass auch im spitalsambulanten Bereich in LKF-finanzierten Krankenanstalten keine Unterschiede bei der Behandlung (insbesondere Umfang und Qualität) sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung (insbesondere Terminvergabe und Warte­zeiten) zwischen Patient/innen der allgemeinen Gebührenklasse und Patient/innen mit Sondergebührenverrechnung gemacht werden und die Mitglieder des Gesundheitsaus­schusses über das Ergebnis zu informieren.

Erforderlichenfalls soll eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 123

14.04.17

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Gesundheits­minis­terin! Hohes Haus! Kurz zur Novelle: Sie hätte die Organisationsformen von Krankenanstalten eigentlich ein bisschen erweitern und flexibilisieren sollen und hätte ihnen auch kleinere Fachabteilungen ermöglichen sollen, auf die Gefahr hin, dass wir nachher in Österreich in allen möglichen Regionalspitälern Miniherzchirurgien und Miniunfallchirurgien haben; aber das ist ein Austriacum, da hätte das Gesetz nichts dafür gekonnt.

Das betrifft nicht nur diesen, sondern auch andere Punkte: In dem vorher kurz von Kollegin Povysil angesprochenen Punkt haben die Länder noch etwas hineintheatert, nämlich diese schon in den Medien breit kolportierte Geschichte mit der Sonderklasse im ambulanten Spitalsbereich. Wie Kollegin Povysil gesagt hat, geht es ums Geld; es geht ums Geld, besonders um das der Primarärzte, es geht natürlich ums Geld der Länder als Träger der Krankenanstalten, und es geht ums Geld der Versicherungen; das ist natürlich klar.

Ich greife das Beispiel von Frau Dr. Povysil auf: Wenn Sie Ihre Graue-Star-Operation nicht mehr ein paar Tage stationär im Spitalsbett auskurieren, sondern diese ambulant machen lassen, dann fragen Sie sich als Zusatzversicherter, was die Zusatzleistung ist. Diese Frage habe ich auch im Ausschuss gestellt, und die Antwort der Ministerin, ebenso wie die des Abgeordneten Kaniak war: Das zeigt sich zum Beispiel an einem anderen Wartebereich!, und es wurde der Vergleich zum Flughafen gezogen. (Abg. Leichtfried: Das ist ja unerhört!)

Wenn ich sage, da – da ist es ein bisschen komfortabler, da sitzen sie ein bisschen weicher, da kriegen sie einen Kaffee – gehen die Zusatzversicherten hinein, und da geht die allgemeine Klasse hinein, ist das die institutionalisierte Zweiklassenmedizin. Man konnte nicht erklären, was dieser Unterschied bedeuten soll. Was ist jetzt die allgemeine Klasse im ambulanten Spitalsbereich und was ist die Sonderklasse? Wenn es Unterschiede gibt, die zu rechtfertigen sind, dann möchte ich diese bitte sehen.

Sebastian Kurz hat gesagt: Das kommt alles nicht, es kommt ein neues Gesetz! (Abg. Rendi-Wagner: Wo ist die Gesetzesänderung?) Ein neues Gesetz sehen wir nicht. Wir sehen einen Entschließungsantrag der Mehrheitsfraktionen. Der ist auch ganz nett, den kann man auch inhaltlich unterstützen, aber er ändert nicht das Gesetz und er ändert nicht die Erläuterungen zum Gesetz. Mir wurde einmal entgegengehalten, es seien ja nur die Erläuterungen zum Gesetz, in denen drinsteht, dass Sonderklasse im ambulanten Bereich verrechnet werden kann. Die Erläuterungen zum Gesetz sagen Ihnen als Leser aber, wie Sie das Gesetz verstehen müssen.

Verschiedene Länder haben diese Änderung verlangt, das Land Niederösterreich und das Land Vorarlberg ausdrücklich. Der Vorarlberger Landesrat, mit dem ich das über die Medien ausdiskutieren wollte, hat gesagt: Nein, da ist nichts geplant, gar nichts, also wir wollen es unbedingt drin haben, aber geplant ist gar nichts. Ich frage mich: Warum will er es unbedingt drin haben, wenn er eh nichts plant? – Natürlich plant er etwas. Es stimmt schon, es entgeht den Ländern als Spitalsträger Geld, wenn weniger Sonderklasseversicherte in den Betten liegen.

Aber da kommen wir zu einem anderen Punkt: Österreich hat im OECD-Vergleich besonders viele Spitalsbetten, die meisten Spitalsbetten pro 1 000 Einwohner. Wir haben vielleicht eine hypertrophe, eine zu große Spitalsstruktur, und die Länder als Spitalsträger wollen nicht über Reformen nachdenken, sondern nur darüber, wie sie weiterhin so viel Geld kriegen, damit sie die Strukturen so belassen können, wie sie immer waren.


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Das unterstützen Sie mit Ihrem Gesetz. Ihnen ist egal, wenn Sie mit unterschiedlichen Wartebereichen die Zweiklassenmedizin institutionalisieren, und dafür geniere ich mich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Povysil gemeldet. – Frau Abgeordnete, die Bestimmungen sind bekannt? – Bitte schön.


14.08.15

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Herr Abgeordneter Mag. Loacker hat gesagt, dass zusatzversicherte Patienten vor allem zur Finanzierung der Primarärzte beitragen. – Das ist unrichtig.

Tatsächlich richtig und wahr ist, dass zusatzversicherte Patienten zu 30 Prozent zur Spitalsfinanzierung, also zur Finanzierung der Krankenanstalten beitragen, und dass zusatzversicherte Patienten und ihre Sonderklassebeiträge Bestandteil der Gehälter aller Ärzte sind, die in einem Spital arbeiten. (Abg. Wittmann: Zum Großteil für Primare!) Das ist in Österreich der Fall. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Sieber. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.09.00

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren das Kranken­anstalten- und Kuranstaltengesetz und da im Speziellen das Thema der Spitals­ambulanzabrechnung.

Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie meinen, dass die Formulierung im Gesetz scheinbar Spielraum für Interpretationen lässt, kann man sich – gerade weil ich weiß, dass sich viele von Ihnen, Gerald (in Richtung Abg. Loacker), du im Besonderen, in diesem System sehr gut auskennen – des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie gegen besseres Wissen die überhaupt nicht betroffene klassische Notfallambulanz in dieses Gesetz hineininterpretieren. (Abg. Kucher: Sebastian Kurz hat versprochen, dass es geändert wird!)

Die Notfallambulanz war nie und ist nicht Teil dieses Gesetzesvorhabens. (Abg. Kucher: Er hat gesagt, es wird geändert!) Tatsächlich geht es um ausgewählte elektive, also geplante Behandlungen, die – wie bisher – von den Spitälern sowohl in der allgemeinen Klasse als auch in der Sonderklasse durchgeführt und als stationäre Fälle abgerechnet werden. Dabei geht es im Wesentlichen um Chemotherapien und Bestrahlungen. Diese Behandlungen wurden und werden auch künftig nicht im Rahmen der Ambulanzen abgewickelt. In Zukunft sollen diese Behandlungen als stationäre Fälle abgerechnet werden. Mit dieser Vorgehensweise soll auch der medizi­nischen Entwicklung und der besseren Vergleichbarkeit mit anderen Ländern Rech­nung getragen werden. (Abg. Yildirim: Aber so steht es nicht im Gesetz!)

Damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, wie wichtig dieses Thema für die Finanzierung des Systems ist, hier einige Zahlen: In Österreich sind 1,8 Millionen Personen betref­fend Krankenhauskosten privatversichert, davon sind 411 000 in Wien zu Hause. Deshalb hat auch die Stadt Wien in ihrer Stellungnahme zu diesem Gesetz ausdrück­lich festgehalten – ich zitiere –: Es muss gesichert sein, dass die Stadt Wien auch in Zukunft Sondergebühren verrechnen kann. – Zitatende.


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Geschätzte Kollegin Rendi-Wagner! Wir wissen ja, dass der Wiener Bürgermeister Sie in Ihrer Rolle als Parteiobfrau der SPÖ nicht uneingeschränkt unterstützt. (Abg. Rendi-Wagner: Da sind Sie nicht up to date!) Ich frage die Wiener Kollegen: Reden Sie nicht mit Ihrem Bürgermeister und Landeshauptmann, wenn das die Forderung ist und Sie hier heute dieses Theater aufführen? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Trotzdem haben wir diese Möglichkeit im Gesetz wie bisher belassen. Die Zielsteue­rungs­gruppe Gesundheit, in der Bund, Länder und Sozialversicherung zusammen­arbeiten, wird festlegen, für welche Leistungen, die jetzt vom Spital in den ambulanten Bereich kommen, auch in Zukunft Sondergebühren verrechnet werden können. Tun wir das nicht, wird dem Spitalsbereich zukünftig in etwa ein Betrag von 800 Millionen Euro fehlen, und das können wir alle miteinander nicht wollen. Durch Ihre Nichtzustimmung unterstützen und forcieren Sie die Zweiklassenmedizin. Wir stellen mit diesem Gesetz klar, dass die notwendigen Mittel für den Spitalsbereich zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren! Die Aufregung, die Sie hier produzieren, ist der berühmte Sturm im Wasserglas; aber wie so oft ist Ihr Glas ganz einfach leer. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Kucher: Warum hat Sebastian Kurz dann eine Gesetzesänderung versprochen? – Abg. Wittmann: Weil er draufgekommen ist, dass es schlecht ist! – Abg. Rendi-Wagner: Noch ein gebrochenes Versprechen! – Abg. Sieber – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Redet mit dem Ludwig!)

14.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.13.11

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Liebe Damen und Herren! Eigentlich sollte mit dieser Gesetzesnovelle einfach nur klargestellt wer­den, dass die bestmögliche medizinische Versorgung für alle Bürger und Bürgerinnen in diesem Land sichergestellt werden soll. Aber es gibt noch mehr: In den Erläu­terungen wurde nämlich zudem festgelegt – das ist in dieser Vorlage, die heute im Plenum unverändert zur Beschlussfassung kommt, unverändert festgeschrieben –, dass die Länder zukünftig die Möglichkeit haben sollen, die Einhebung von Sonder­klas­segebühren für jene Leistungen vorzuschreiben, die bisher stationär erbracht wurden.

Weiter: „Der Einhebung solcher Sondergebühren haben adäquate Leistungen gegen­über zu stehen.“ Jetzt ist meine Frage: Was sind diese adäquaten Sonderleistungen? (Abg. Belakowitsch: Einbettzimmer beispielsweise!) Was soll künftig in der Ambulanz ermöglicht werden, wenn eine stationäre Behandlung bisher die Hotelkomponente beinhaltet hat, das heißt zum Beispiel ein Einbettzimmer, frei wählbares Essen und freie Arztwahl? All das ist im ambulanten Bereich so nicht möglich. (Abg. Belakowitsch: Sicher! Na selbstverständlich!) Was ist Ihrer Meinung nach die adäquate Gegenleis­tung, für die die Einhebung der Sondergebühren im Ambulanzbereich möglich sein soll?

Es ist jetzt schon viel spekuliert worden, auch in den Referentenbesprechungen zwischen den Fraktionen sind viele Beispiele genannt worden, die jeglicher Grundlage entbehren: Fast Lane im Ambulanzbereich ist diskutiert worden; Sonderambulanzen am Nachmittag für die, die es sich leisten können; das Wort Kaffeejetons für Unfalloper ist gefallen; Rufbereitschaft für Wahlärzte nachts um 3 Uhr. – Das sind allesamt Vor­schläge, die ich – und ich denke, das sehen da draußen viele Bürgerinnen und Bürger auch so – zu 100 Prozent ablehnen kann, weil ich dagegen bin, dass wir in einem


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gesundheitsspezifischen Bereich – in einem Bereich, in dem Leute einen Bedarf ha­ben, weil sie krank sind, weil sie Hilfe brauchen – solch diametrale Ansprüche anlegen und dementsprechend auch unterschiedlich unterstützen.

Ich habe mich dann einmal schlau gemacht, was Sonderklasse bedeutet, und habe im Internet meine Daten eingegeben und mir eine dementsprechende Versicherung auswerfen lassen. Ich bin selbst nicht sonderklasseversichert, deshalb kenne ich mich auch nicht wirklich aus, was das alles bedeutet. Dann ist mir aufgeschlüsselt worden, was ich alles erhalte (eine Tafel mit der Überschrift „Produkte und Prämien“ in die Höhe haltend): Das sind auf der einen Seite die freie Arztwahl auch bei SpezialistIn­nen, flexible Behandlungs- und Operationstermine, Kostenübernahme der modernsten Behandlungsmethode und weitere Zusatzbausteine, frei wählbar für Privatpatienten im Krankenhaus.

Jetzt frage ich Sie – wenn Sie davon sprechen, in der Ambulanz überhaupt zum ersten Mal die Einhebung von Sondergebühren zu ermöglichen –: Was davon wird in diesem Bereich kommen? Was davon wird zukünftig möglich sein? Was davon wird zukünftig zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft beitragen? Die Patientenanwaltschaft warnt diesbezüglich, sie schreibt: Wir möchten darauf hinweisen, dass die Wartezeiten in den Ambulanzen – Kollegin Povysil hat es selbst ausgeführt – bereits jetzt 8 Stunden betragen. – Zitatende.

Es werden bereits Securitymitarbeiter eingesetzt, weil es dort eine emotionale, hoch­kochende Stimmung gibt. Sie wollen, wie die Patientenanwaltschaft schildert, noch weitere Ressourcen aus diesem Bereich abziehen.

Dann geht Bundeskanzler Kurz her und sagt, nein, das wird es mit ihm nicht geben. Jemand, der immer vorgibt, Economyclass zu reisen und jetzt vor der Herausforderung steht, plötzlich eine Businessclass in der Ambulanz vorzufinden, sagt, das wird es mit ihm nicht geben. Es wird eine gesetzliche Regelung geben, aber wir sehen keine gesetzliche Regelung. Uns liegt heute keine gesetzliche Regelung vor, die all das zurückschrauben würde, zurücknehmen würde. Sie wollen einen Entschließungsantrag beschließen, Sie bringen ihn heute ein: Das ist ein Wunsch ans Christkind – ganz ehrlich –, weil dieser Entschließungsantrag das Gesetz nicht abändert, weil dieser Ent­schließungsantrag die Bezeichnung Möglichkeit in den Erläuterungen nicht abän­dert.

Von unserer Seite wird es hierfür keine Zustimmung geben, weil ich mich strikt gegen eine Sonderklasse im Ambulanzbereich ausspreche. Ich finde, es ist ein Bruch mit dem aktuellen System. Wenn Sie nämlich sagen, dass es gesetzlich so festgelegt ist, dass es keine Bevorzugung geben darf, keine Sonderbehandlung geben darf, wie es auch im § 16 des KAKuG drinnen steht, dann frage ich Sie, warum Sie deshalb trotzdem diese Lücke in den Erläuterungen aufmachen. – Danke. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete, Sie wollten, glaube ich, einen Antrag einbringen.


Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (fortsetzend): Vielen Dank! Da ich weiß, dass bei der Sonderklasse betreffend die Finanzierung einiges im Argen liegt, bringe ich ganz zum Schluss noch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „intransparente und benachteiligende Sonderklasse in Spitälern“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 127

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das veraltete, intransparente und nicht mehr leistungsgerechte, sowie auch für einige Ärztegruppen und das sonstige Gesundheits­personal benachteiligende, System der derzeitigen Sonderklassen zu reformieren, und es – an modernen Gesichtspunkten eines allgemeinen hochwertigen Gesundheitssys­tems für alle Menschen orientiert neu aufzusetzen.“

*****

Ich bitte um Zustimmung, wenn Sie es mit einem Gesundheitssystem, das alle gleicher­maßen fördert, ernst meinen. – Danke. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

betreffend intransparente und benachteiligende Sonderklasse in Spitälern

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt  7: „Bericht des Gesundheitsaus-schusses über die Regierungsvorlage (374 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (KaKuG-Novelle 2018, 439 d.B.)

Begründung

Die Diskussion um einen Passus in den Erläuterungen der KAKuG-Novelle (374 der Beilagen), in dem ausdrücklich „adäquate Leistungen“ zu Sondergebühren in der Am­bulanz vorgesehen werden, um Spitäler mit zu finanzieren und Ärztegehälter aufzubes­sern, zeigt, dass das bestehende System der Sonderklasse in Spitälern fragwürdig ist.

Die Einnahmen aus Zahlungen von Privatversicherungen werden zu rund 15 Prozent als Zuschuss für Spitäler und zu rund 85 Prozent für die Ärztinnen und Ärzte verwendet. Den Einnahmenverlust aus dem Verlust von Sonderklassegebühren im stationären Bereich beziffert die niederösterreichische Landesregierung in einer Stellungnahme zur KaKuG-Novelle mit 600.000 Euro. Somit wird die Realität einer 2-Klassen-Medizin in den Stationen der Spitäler offensichtlich, die nicht nur die Hotel-Komponente mit Essensauswahl und Einzelzimmer beinhaltet, sondern auch den Wahlarzt und den Anspruch auf eine besondere Behandlung bei Untersuchungen.

Eine Sonderbehandlung im Ambulanzbereich bricht aber mit dem Grundsatz, dass es eine hochwertige medizinische Grundversorgung für alle Menschen geben soll. Freie Arztwahl, eine bessere Behandlung mit den modernsten Behandlungsmethoden und Geräten für Sonderklassezahler und kürzere Wartezeiten für einige wenige darf es im Ambulanzbereich – gleich welcher Art – nicht geben. Schließlich gilt die ethische Verpflichtung, jeden und jede ohne Ansehen der Person zu versorgen, für alle diejenigen, die Patientinnen und Patienten versorgen.

Von Seiten der Ärzte wird argumentiert, dass sie ihr teils recht karges Grundgehalt im Spital durch Sonderklassebehandlungen aufbessern müssen. Das ist aber nicht nach­haltig, weil Ressourcen, die der allgemeinen Krankenversorgung dienen, dadurch blockiert werden (Betten, Behandlungstermine, Geräte). Es braucht also ein faires Grund-Gehaltsschema für alle Ärztinnen und Ärzte, das auch öffentlich finanzierbar ist.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 128

Die Diskussion über die Sonderklassebehandlungen in den Ambulanzen hat aufge­zeigt, dass das bestehende Gehaltssystem für Ärzte – und für das Personal insgesamt – den heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht.

Aber auch die Spitalsfinanzierung krankt. Das Beispiel der medizinisch vertretbaren - und ökonomisch gebotenen - Verschiebungen von Leistungen aus dem stationären Bereich in den ambulanten Bereich der Spitäler führt zu einem Einnahmenentgang der Spitäler - und damit der Länder. Damit wird die bloße Verlagerung von Leistungen für sie offenbar zu einem wirtschaftlichen Problem. Die Bundesregierung ist also auch deshalb aufgefordert, eine Novelle der Spitalsfinanzierung vorzulegen.

Deshalb stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das veraltete, intransparente und nicht mehr leistungsgerechte, sowie auch für einige Ärztegruppen und das sonstige Gesundheits­personal benachteiligende, System der derzeitigen Sonderklassen zu reformieren, und es – an modernen Gesichtspunkten eines allgemeinen hochwertigen Gesundheitssys­tems für alle Menschen orientiert – neu aufzusetzen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte schön.


14.18.38

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­des­minister! Hohes Haus! Ich möchte von den angeblichen und unterstellten Inhalten des Gesetzes zu den tatsächlichen kommen. Der Hauptgrund für die Novelle des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes ist die Umsetzung des Österreichischen Strukturplans Gesundheit 2017.

Wir schaffen mit dieser Gesetzesnovelle eine ganz, ganz wichtige Flexibilisierung in unseren Spitälern, in der Organisation der Abteilungen. Wir vereinfachen beziehungs­weise reduzieren die bestehende gesetzliche Regulierung und ermöglichen interdis­ziplinäre Zusammenarbeit auf höchstem Niveau. Und, das ist mir ebenfalls besonders wichtig – Herr Kollege Loacker hat das leider verkehrt herum interpretiert –: Mit dieser gesetzlichen Regelung wird es möglich, die Bettenanzahl zu reduzieren, ohne dass es zu Verschlechterungen für die Patienten kommt; denn die bestehenden Bettensta­tionen können eben in Zukunft interdisziplinär genutzt und besser ausgelastet werden. Das wird die Kosten senken und gleichzeitig die Versorgungsqualität verbessern.

Wir haben in dieser Gesetzesnovelle aber noch weitere wesentliche Punkte drinnen, die heute kaum angesprochen worden sind.

Der zweite Punkt ist mir persönlich – auch als Pharmazeut – sehr, sehr wichtig: Das ist die Verpflichtung zur Dokumentation der immer häufiger auftretenden Infektionsfälle mit speziellen Krankenhauskeimen, die mehrfach antibiotikaresistent sind. Diese Keime sind wirklich eine Geißel in der Medizin. Sie treten leider Gottes immer häufiger auf und die therapeutischen Möglichkeiten werden immer geringer. Aus meiner Sicht ist deshalb eine genaue Dokumentation – sowohl der Vorbeugungsmaßnahmen als auch


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der Maßnahmen zur Beseitigung dieser Keime – zwingend erforderlich und sie wird mit dieser Novelle auch verschärft gefordert.

Ich denke, dass es ein wesentlicher Einsatzbereich für zukünftige klinische Pharma­zeuten sein kann und muss, in diesem Bereich der resistenten Krankenhauskeime die richtige Therapie und auch die richtigen Hygienemaßnahmen mitzubegleiten.

In den Psychiatrien findet eine weitere Dokumentationsverschärfung statt, dort, wo es um Freiheitseinschränkungen von Patienten und Patientinnen geht. Da wird in Zukunft zur leichteren Verfügbarkeit der Daten auch eine elektronische Dokumentation gefor­dert, welche die durchgeführten Maßnahmen auch zentral leichter nachvollziehbar machen und so einen besseren Überblick über die Gesamtsituation liefern wird.

Der letzte Punkt, der eben auch in der Novelle beschlossen wird, ist die Einführung eines transparenten, verpflichtenden und einheitlichen Abrechnungsmodells für alle ambulanten Leistungen. Dadurch wird ermöglicht, dass die von uns geforderte Leis­tungsverlagerung in den ambulanten Bereich stattfindet und auch zwischen den verschiedenen Krankenanstaltenträgern nachvollziehbar und vergleichbarer wird und so die Steuerungsmöglichkeiten für unser System besser werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Opposition! Wir waren im Gesundheits­ausschuss sehr knapp davor, diesen Antrag gemeinsam zu tragen. Hängen Sie sich nicht an fehlerhaften Interpretationen auf (Abg. Kucher: Eh nicht!), sondern tragen Sie diese wesentlichen Entscheidungen für das Spitalswesen mit! Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Loacker zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.22.01

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Kollege Kaniak hat gesagt, durch die neuen Organisationsformen käme es zu Einsparungen, weil kleinere Einheiten möglich sind.

Ich berichtige tatsächlich: In den wirkungsorientierten Folgeabschätzungen zu diesem Gesetz sind keinerlei Einsparungen ausgewiesen, weil es eben auch keine gibt. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Jarolim – in Richtung des das Rednerpult verlassenden Abg. Loacker –: Das haben wir uns auch gedacht! – Ruf: Ihr denkt euch schon lange nichts mehr!)

14.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kucher. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.22.30

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Gesundheitsministerin! Was lassen Sie heute zu? Was lassen Sie zu? Denken Sie an Ihr familiäres Umfeld! Ich weiß, wie es uns allen hier geht, wenn Menschen, die uns nahestehen und die wir gern haben, krank sind: Dann geht es uns allen gleich schlecht. Wir hoffen, dass sie möglichst schnell wieder gesund werden, dass sie die bestmögliche Versorgung bekommen, dass auch die Politik die Verantwortung trägt, alles besser zu machen.

Wenn wir heute ein Gesetz beschließen, wäre es doch unser Job, dafür zu sorgen, dass die Versorgung für alle Menschen gleich gut ist, bestmöglich ist, dass die Menschen, die tagtäglich im Krankenhaus arbeiten, ein bestmögliches Umfeld haben, in dem sie auch arbeiten können – die Ärztinnen und Ärzte, die Pfleger, all jene, die


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tagtäglich da sind. Genau das alles passiert eben in diesem Gesetz nicht, sondern ihr habt eine super Idee gehabt: Wir schaffen erstmals VIP-Bereiche und Sonderklasse­gebühren in Ambulanzen. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Wo steht das?) Ist das wirklich Ihr Ernst, Frau Ministerin? Ist das wirklich Ihr Ernst? (Beifall bei der SPÖ.)

Was Schwarz-Blau heute vorlegt, und die Pläne liegen bereits konkret am Tisch, ist, dass man das, was auf den Flughäfen dieser Welt super funktioniert – Erste-Klasse-Bereiche mit Ledersofas, Computerarbeitsplätzen, WLAN, Getränkeservice und Snacks bis hin zu einem eigenen privaten Parkplatz vor der Ambulanz –, einführt. Das soll in Österreich eingeführt werden?! Ist das euer Ernst?! Ist das euer Ernst?! Dieser Bereich ist unglaublich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Was ist hier los?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich vereinfache das jetzt, Familienpartei ÖVP: Die Mutter mit dem Kind soll warten, und der Herr Generaldirektor marschiert durch! – Das ist eure Politik, die ihr heute umset­zen wollt! (Abg. Zanger: Welche Märchen erzählst du denn da?! – Weitere Zwischen­rufe bei FPÖ und ÖVP.) Das ist unglaublich! (Beifall bei der SPÖ.)

Und dann kommt der Schmäh, dann kommt der große Schmäh! Weil es euch peinlich ist (anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) und ihr den Mut nicht habt, sagt ihr: Bei den Notfällen, wenn jemand einen schweren Autounfall hat, wenn jemand einen Herzinfarkt hat, dann wird jeder gleich behandelt. – So weit sind wir schon! So weit sind wir schon, dass diese Ausnahmen zählen, und in allen anderen Bereichen in der ambulanten Versorgung soll das so sein. – Unglaublich, was heute passieren soll, wirklich unglaublich!

Frau Ministerin, Sie sind Gesundheitsministerin. Es ist Ihr Job, dafür zu sorgen, dass alle Menschen die bestmögliche Versorgung haben. Sie sind nicht die Lobbyistin der Versicherungskonzerne. Das kann Kollege Löger besser als Sie, der kommt aus dieser Branche. Es wäre Ihr Job, für alle Menschen zu kämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Prozess ist ja peinlich genug gewesen. Ihr habt den Mut nicht gehabt, das offen zu sagen. Ihr habt es vertuscht und versteckt und heimlich das Gesetz geändert; dann ist die Opposition draufgekommen, dann hat sich Sebastian Kurz blöd gestellt (Zwi­schenruf des Abg. Sieber) und hat gesagt: Das wollten wir nie machen, das wird repariert! Und heute? – Gar nichts wird repariert! Ihr fahrt einfach drüber und ändert gar nichts! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Deswegen ist es so einfach: Ihr habt heute die Wahl. Ihr könnt diesen Murks verhindern, ihr könnt dagegenstimmen. Wenn ihr wollt, dass unsere Omas und Opas, unsere Eltern, unsere Freunde, all die Menschen, die uns wichtig sind, die gleich gute Versorgung haben, egal ob sie arm oder reich sind, dann stimmt ihr heute gegen dieses Gesetz. Wenn ihr hingegen das machen wollt, was Hartinger-Klein und Kurz heute vorgeben, dann könnt ihr dem Gesetz zustimmen und dann wird es in Zukunft VIP-Bereiche geben. – Es ist eure Entscheidung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer – in Richtung des das Rednerpult verlassenden Abg. Kucher –: Keine Ahnung haben Sie! – Weitere Rufe: Keine Ahnung! – Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

14.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Kucher und Obernosterer.)


14.25.43

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte liebe junge Gäste auf der Galerie! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kucher, dein Auftritt war wirklich


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schon fast ein medizinischer Notfall. Ich denke, wir sollten die Diskussion wieder dorthin lenken, wo sie hingehört! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Heute wurde im Zuge der bisherigen Diskussionen im gesamten Verlauf des Vormit­tags schon von vielen meiner Kolleginnen und Kollegen, auch von Vertretern der Oppositionsparteien, erwähnt, dass Österreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat. Dieses System – und da sind wir uns, glaube ich, aber alle einig – bedarf einer ständigen Weiterentwicklung, einer Anpassung, um zeitgemäß zu sein, um patientenorientiert arbeiten zu können, um die Effizienz und die Qualität insgesamt zu steigern und natürlich auch, um die Finanzen unter Kontrolle zu halten.

Im ÖSG 2017, im Österreichischen Strukturplan Gesundheit, haben eben Bund, Länder, die Sozialversicherungen gemeinsam mit vielen Partnern, den Patientenan­walt­schaften, der Ärztekammer und sonstigen betroffenen Interessenvertretungen, über mehrere Jahre hinweg dieses Grundsatzprogramm erarbeitet. Daraus resultiert eben auch die Weiterentwicklung des vorliegenden Krankenanstalten- und Kuranstal­tengesetzes. Änderungsbereich ist der, der heute diskutiert wird, und der beinhaltet dementsprechend Vereinfachungen und Flexibilisierungen in der Organisation der Spitäler.

Daher wird es zum Beispiel in Zukunft möglich sein, kleinere Einheiten als die bisherigen Abteilungen einzurichten. Es wird – wie mein Kollege bereits erwähnt hat –wichtige Aufzeichnungen geben, wenn Dinge im Zusammenhang mit der unmittelbaren Patientengesundheit stehen, wie eben Infektionen mit Krankenhauskeimen. Diese müssen in Zukunft auch laufend elektronisch dokumentiert werden. Es geht auch darum, die Spitalsstrukturen patientenorientiert auszurichten, um jedem Einzelnen  das sollte hier betont werden – eine kompetente und effiziente Behandlung zukommen zu lassen.

Nun zu der Aufregung, die in dieser Diskussion aufgeflammt ist: Die Möglichkeit, einzelne Serviceorganisationen oder Einrichtungen zu etablieren, gibt es seit dem Jahr 1996, seit Bundesminister Hums (Zwischenruf des Abg. Kucher), der, so denke ich, aus unserer Sicht unverdächtig ist, dass wir auf ihn Einfluss genommen haben. Seit 1996 steht das im Gesetz und wurde von uns in diesem Gesetz nicht verändert.

Sollten Sie etwas verwechseln: Unser Bundeskanzler Kurz hat gesagt, bei Bedarf wird das verändert werden. – Also: Seit 1996 im Gesetz, wird von uns nicht verändert. (Abg. Kucher: Warum macht der Kurz nicht das, was er versprochen hat?!) Sollte es aber Probleme geben, dann – das hat unser Bundeskanzler klargestellt – wird es verändert. Das ist der Punkt, den wir heute diskutieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Worum geht es wirklich? Es geht um die Möglichkeit, Ländern die Möglichkeit zu geben, Serviceeinrichtungen für ihre Patienten zu etablieren, die sie für notwendig erachten. Die oftmals zitierten und strapazierten Patientenvorreihungen wird es nicht geben, die sind nicht angedacht und aus unserer Sicht auch nicht wünschenswert. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Patienten sollten aber durchaus das Recht haben, sich wohlzufühlen, gut betreut zu sein und die beste medizinische Behandlung zu erhalten, die sie sich verdienen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

14.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Nussbaum. – Bitte. (Abg. Jarolim: Vielleicht können die Arbeiterkinder ...! – Abg. Nehammer: Der Jarolim schreit schon wieder!)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 132

14.29.28

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Um 9 Uhr in der Früh haben wir diskutiert und von den Regie­rungsparteien gehört, es wird keine Privatisierung geben, es wird keine Selbstbehalte geben. Jetzt ist es 14.30 Uhr und wir kommen zum ersten Schritt der Privatisierung in unserem Gesundheitssystem: Es soll die Sonderklasse in den Ambulanzen eingeführt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Ankündigung hat in der Bevölkerung für Empörung gesorgt. Die Reaktion des Bundeskanzlers war, zuerst alles abzustreiten. Jetzt sitzen wir hier im Plenum, und Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, werden genau das umsetzen, was auch die Frau Ministerin zuerst im Ausschuss geleugnet hat.

Abgeordneter Kaniak hat uns schon geschildert, wie die Sonderklasse ausschauen soll: Es wird Luxuswartebereiche mit Fast Lane und freier Arztwahl in den Ambulanzen für Patientinnen und Patienten mit Zusatzversicherung beziehungsweise mit großem Geldbörsel geben. Vielleicht wird es sogar so exklusiv, dass es auch einen Rauchersalon geben wird. (Beifall bei der SPÖ.Abg. Belakowitsch: Ja, vielleicht! – Abg. Leichtfried: Ja, genau! – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

All das wundert mich, denn noch im Mai hat Vizekanzler Strache betont, es werde keine Zweiklassenmedizin kommen, sieben Monate später fällt die FPÖ wieder einmal um und macht genau das Gegenteil. Sie verraten jene Menschen, die sich keine private Zusatzversicherung leisten können. Sogar ein pensionierter hoher Ärztekam­merfunktionär (Ruf bei der ÖVP: ... habt ja ihr pensioniert!) hat mir noch am Tag des Gesundheitsausschusses geschrieben, dass die Sonderklasse in Ambulanzen nichts verloren habe. (Abg. Schwarz: Die Ärztekammer sagt etwas anderes!)

Frau Bundesministerin, wenn Sie keine Luxusklasse in den Ambulanzen wollen, dann schieben Sie einen Riegel vor diese Ermächtigung für die Länder. Und auch wenn jetzt behauptet wird, es wird ein Monitoring eingeführt: Ja was bringt es denn den Patienten, wenn Sie im Nachhinein feststellen, dass sie ungerecht behandelt werden? Ist Ihnen klar, dass Sie mit dieser Regelung im Prinzip unser Krankenversorgungssystem ad absurdum führen?

Die Menschen müssen früher drankommen, wenn es medizinisch notwendig ist, und nicht, wenn sie es sich leisten können. Wir reden davon, dass jeder kranke oder verletzte Mensch die beste Behandlung bekommen muss. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Belakowitsch. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.32.12

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Werte Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, Sie versuchen wirklich etwas aufzubauschen, was es so nicht gibt! Es ist Genosse Szekeres gewesen, der am Wochenende mit einem Pressedienst rausgegangen ist, in dem er genau darauf hingewiesen hat, warum das so wichtig ist (Abg. Loacker: ... das Gehalt der Ärzte!) – Kollege Loacker, Sie können sich nachher noch einmal zu Wort melden –: Weil es nämlich genau darum geht, dass jetzt vieles ambulant durchgeführt wurde, was früher ja in Wahrheit stationär gemacht worden ist. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Ambulant durchführen bedeutet in Wahrheit ja tagesklinisch, das geht ja Hand in Hand. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Sie können doch jetzt nicht versuchen, den Menschen


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klarzumachen, dass auf einer Unfallambulanz das Unfallopfer bevorzugt wird, das eine Zusatzversicherung hat. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Das ist ja ein Blödsinn! Das wissen Sie doch auch. Wider besseres Wissen versuchen Sie, die Menschen wirklich zu verunsichern! – Punkt eins. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Kucher: Das hat uns der Kurz versprochen, dass das repariert wird!)

Punkt zwei ist, dass es der explizite Wunsch der Stadt Wien war, Kollege Kucher. Die schreiben nämlich: „Eine Regelung über eine ‚ambulante Sonderklasse‘ für ehemals stationär erbrachte Leistungen wurde ebenso nicht vorgesehen. Der damit verbundene Einnahmenentfall der Krankenanstalten wirkt sich negativ auf das Budget der Gemeinde Wien aus.“ (Abg. Kucher: Dann verbietet das!)

Daher wurde vonseiten des Landes Wien bereits im März bei Besprechungen mit dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz darauf hingewiesen, dass dies geändert werden muss. Und wenn ihr so viele Probleme habt: Fragt einmal eure Genossen, Altlandeshauptmann Voves! Wie schauen denn diese Versicherungsverträge in Wahrheit aus? Was wird denn in Wirklichkeit abgedeckt? (Abg. Kucher: Du hast es in der Hand!) Natürlich können wir schauen, dass wir die privat versicherten Patienten nur noch in Privatkrankenanstalten bringen, dann haben wir die Zweiklassenmedizin, die Entwicklung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat. Das wollen wir nicht. (Abg. Kucher: Das ist deine Entscheidung!) Die Privatver­sicherten sollen genauso im öffentlichen Bereich behandelt werden, und ob sie in einem Einbett- oder in einem Vierbettzimmer liegen, das ist die Entscheidung der Privatversicherung. (Abg. Wöginger: Genau!)

Genau darum geht es. Es geht vielleicht auch um einen Fernseher im Zimmer und es geht vielleicht um ein besseres Menü, das ist der Unterschied, nicht die Behandlung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn ihr das ablehnt, dann macht ihr genau das, was ihr vorgebt, verhindern zu wollen: Dann fördert ihr die Zweiklassenmedizin, denn ihr fördert damit Privatkrankenanstalten! (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

14.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­minister Hartinger-Klein: – Bitte, Frau Bundesminister.


14.34.41

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Abgeordnete der Sozial­demokratie! Also es ist wirklich unglaublich, welche Horrorszenarien hier ge­schil­dert werden. Diese Dinge würden mir nicht einmal im Traum einfallen, nämlich dass es eine Ungleichbehandlung von Menschen in Ambulanzen geben kann. (Abg. Kucher: Das ist dein Gesetz!) Das wird es nicht geben, und das garantiere ich! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nehmen Sie das zur Kenntnis! Es wird keine ungleiche Behandlung geben, und ich verwehre mich dagegen aufs Schärfste, ja, aufs Schärfste! Ich garantiere, dass es das nicht gibt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Er will es nicht verstehen! – Ruf bei der ÖVP: SPÖ – Zweiklassenmedizin! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

14.35

14.35.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren, ich bitte Sie darum, jetzt etwas zur Ruhe zu kommen, wir haben eine Abstimmung abzuwickeln.

Zu Wort ist zu diesem Tagesordnungspunkt niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.


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Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Abg. Kucher: Kurz hat versprochen, dass er das ändert! – Ruf: Im Ausschuss hat er noch die Wahrheit gesagt!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 374 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Rendi-Wagner, Holzinger-Vogtenhuber, Kollegin­nen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Rendi-Wagner, Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 29 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfs in der Fassung der Regierungsvorlage und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen. (Unruhe im Saal. – Präsidentin Kitzmüller gibt das Glockenzeichen.)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schwarz, Dr. Povysil betreffend „Keine Benachteiligung von Patent/innen der allge­meinen Gebührenklasse beim Zugang zu medizinischen Leistungen in LKF-finan­zierten Krankenanstalten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen. (E 46)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „intrans­parente und benachteiligende Sonderklasse in Spitälern“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, somit abgelehnt.

14.38.218. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (337 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018) (440 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Povysil. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.38.47

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie, von den Medien! Da nun viele Jahre und Jahrzehnte das Ende unseres Lebens tabuisiert und öffentlich kaum diskutiert wurde, begrüße ich es besonders, dass dieses Mal in zwei Gesetzen auf diesen Lebensabschnitt Bezug genommen wurde.

Zum einen in der  Ärztegesetz-Novelle: Damit kommt, wie wir schon besprochen haben, Palliativmedizin und Sterbebegleitung auch rechtlich in die Hände von Ärzten, um Patienten unnötiges Leid zu ersparen.

Zum Zweiten im Patientenverfügungs-Gesetz: Dieses Gesetz wurde novelliert, nach­dem eine parlamentarische Enquete zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ im Jahr 2014 stattgefunden hat.

Diese Novellierung des Gesetzes bringt nun die Möglichkeit, dass eine Patienten­verfügung – für den Patienten leichter zugänglich – durch Erwachsenenschutzvereine errichtet werden kann, und sie hat eine längere Gültigkeitsdauer, acht statt fünf Jahre. Die Kosten für den Patienten werden gesenkt, da keine weitere zwingende Rechts­beratung mehr stattfinden muss, und es ist über das Gesundheitstelematikgesetz möglich, dass diese Patientenverfügung, wenn der Wunsch des Patienten besteht,  nach dem Gesundheitstelematikgesetz aufgenommen wird.

Die Patientenverfügung, meine Damen und Herren, ist eine Willenserklärung einer Person für den Fall, dass sie ihren Willen nicht mehr erklären kann. Um den Patienten und Patientinnen Angst vor der Handlungsunfähigkeit zu nehmen, haben wir es als Aufgabe gesehen, hast du, liebe Ministerin, es als Aufgabe der Gesundheitspolitik gesehen, das zu regeln, damit man sich darauf verlassen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.40.55

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben nur ein Leben, einen Körper und über unseren Körper sollen wir frei verfügen können – auch dann, wenn es uns nicht mehr möglich ist, zu sagen, was wir wollen, weil wir etwa im medizinischen Bereich beeinträchtigt sind. Dafür steht die Patientenverfügung.

Wir können damit, dass in Österreich nur jeder 20. Mensch eine Patientenverfügung verfasst hat, nicht zufrieden sein. Wir haben vor drei Jahren in einer Enquete ge­meinsam darüber beraten und da gab es sehr gute Inputs. Mich hat besonders beeindruckt, was eine Palliativmedizinerin aus ihrer Erfahrung bei der Begleitung von sterbenden Menschen berichtet hat. Sie hat gesagt, dass die Menschen meist keine Angst vor dem Sterben haben, sondern vor dem Weg dorthin und dass sie natürlich möglichst lange zu Hause bleiben wollen, dass sie schmerzfrei sein möchten und dass sie auch autonom entscheiden wollen. Sie brauchen Unterstützung und vor allem Zeit, um Dinge zu erledigen, die ihnen wichtig sind. – Genau dafür ist diese Patienten­verfügung.

Ich denke, es ist sehr positiv, dass die Erstellung einer Patientenverfügung für diese medizinisch betreuten Fälle bei Patientenanwaltschaften kostenfrei ist, dass die Gültig-


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keitsdauer von fünf auf acht Jahre verlängert wird und dass die Gesundheitsanbieter über Elga auf die jeweils aktuellste Version zugreifen können.

Für all jene, die es benötigen, soll überhaupt die kostenlose Erstellung beziehungs­weise Verlängerung einer Patientenverfügung ermöglicht werden. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Übernahme der Kosten für Patientenverfügungen durch den Bund“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sund­heit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die vollständige Kostenübernah­me der Errichtung als auch der Verlängerung von Patientenverfügungen durch den Bund, vor allem für einkommensschwache Personen vorzusehen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Genossinnen und Genossen betreffend Übernahme der Kosten für Patientenverfügungen durch den Bund

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (337 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018) (440 d.B.)

Das Patientenverfügungs-Gesetz ist seit 1. Juli 2006 in Kraft und war Gegenstand einer intensiven Begleitforschung. Im Sommer 2014 wurde diese abgeschlossen und eine Studie präsentiert. Zwischen Sommer 2014 und Frühjahr 2015 hat die parla­mentarische Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ unter anderem über Maßnahmen zur Verbesserung von Patientenverfügungen diskutiert. Die Ergebnisse der Studie und Empfehlungen der Enquete-Kommission zeigen bei einigen Regelungen Änderungsbedarf.

Einige zentrale Empfehlungen der parlamentarischen Enquete- Kommission wurden nicht umgesetzt, insbesondere die finanzielle Entlastung der PatientInnen bei der Errichtung von Patientenverfügungen.

Eine vollständige Kostenübernahme der Errichtung als auch der Verlängerung von Patientenverfügungen durch den Bund, vor allem für einkommensschwache Personen, sollte vorgenommen werden, da diese einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des individuellen Willens von PatientInnen für Behandlungsentscheidungen leisten und die Frage der Errichtung jedenfalls nicht von den finanziellen Möglichkeiten der einzelnen PatientInnen abhängig sein sollte. Nach der derzeitigen Regelung werden nur Aufklä­rungsgespräche von PatientInnen finanziell über die Krankenversicherung abgedeckt, die in ärztlicher Behandlung und somit bereits erkrankt sind. Zweck der Patienten-


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verfügung ist aber jedenfalls auch die Absicherung des eigenen Willens bereits vor Eintritt einer konkreten Krankheit.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, die vollständige Kostenüber­nahme der Errichtung als auch der Verlängerung von Patientenverfügungen durch den Bund, vor allem für einkommensschwache Personen vorzusehen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.43.48

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Zu Beginn ein paar grundsätzliche Bemerkungen zur Patientenverfügung: Mit einer Patientenverfügung wird eine bestimmte medizini­sche Behandlung vorweg abgelehnt. Diese Erklärung gilt für den Fall, dass sich der Patient nicht mehr wirksam äußern kann, sei es, weil er nicht mehr reden kann oder sich auch sonst nicht mehr vermitteln kann oder weil er nicht mehr über die notwen­digen geistigen Fähigkeiten verfügt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ablehnung einer medizinischen Behandlung ist nicht zu verwechseln mit aktiver Sterbehilfe. Diese ist in Österreich verboten; das ist gut so und soll auch so bleiben. Warum? – Weil ein breiter gesellschaftlicher Konsens für ein Verbot der aktiven Sterbehilfe besteht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was wird mit dieser Novelle beschlossen? – Meine Vorrednerinnen haben schon darauf hingewiesen: Es geht um die Abfragemöglichkeit, das heißt darum, feststellen zu können, welche Patientenverfügung zu dem Zeitpunkt, zu dem es notwendig wird, den Inhalt zu kennen, rechtsgültig ist. Die Gültigkeit der Verfügung wird von bisher fünf Jahren auf acht Jahre verlängert; weitere Punkte wurden hier schon angesprochen.

Diese Novellierung stellt für mich eine klare Verbesserung der derzeitigen Situation dar. Sie klingt technisch und auch einfach. Als das Patientenverfügungs-Gesetz 2006 beschlossen wurde, war das inhaltlich jedoch nicht ganz so einfach. Eine Abge­ordnetenkollegin hat bei der damaligen Beschlussfassung ihre Rede mit folgenden Worten begonnen: „Es hat mich noch nie ein Gesetz dermaßen emotionell belastet wie die Patientenverfügung.“

Es gibt in diesem Zusammenhang unzählige Spannungsfelder, etwa für einen Arzt, dessen ureigenste Aufgabe, ja Verpflichtung es ist, Menschen möglichst lange am Leben zu erhalten.

Es galt damals auch zu verhindern, dass alten und kranken Menschen suggeriert wird, dass sie doch auf eine Behandlung verzichten sollen. – Damals war es so und auch heute ist es so: Wir wollen keine Entwicklung schaffen, dass Druck auf ältere Men-


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schen ausgeübt wird, frei nach dem Motto, sie würden ja nur zur Last fallen und viel kosten.

Letztendlich, sehr geehrte Damen und Herren, geht es aber um das Recht auf Selbst­bestimmung und auf Menschenwürde, und es ist unsere Aufgabe als Gesetz­geber, die Menschenwürde bis zuletzt zu schützen.

Es wurden 2006 daher einige allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen ins Gesetz geschrieben, etwa die geistige Fähigkeit des Patienten im Errichtungszeitraum, aber auch ein Widerrufsrecht durch den Patienten.

Klar ist, dass es notwendig war, strenge Anforderungen an eine solche Erklärung zu stellen. So ist beispielsweise die Aufklärung durch einen Arzt verpflichtend, auch braucht es davor eine entsprechende Rechtsberatung. Dem Patienten sollen ja die rechtlichen und auch die persönlichen Auswirkungen seiner Verfügung von vornherein klar sein.

Um diesen Aspekt zu stärken, darf ich noch folgenden Entschließungsantrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der PatVG-Novelle 2018“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, werden ersucht, die Effekte der geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen die PatVG-Novelle 2018 betreffend die Kostenentlastung einkommensschwacher Personen frühestens ein Jahr nach Kund­machung zu evaluieren. Bis dahin werden in Betracht kommende Interessen­vertretungen, insbesondere Senioren- und Behindertenorganisationen in die Ausar­beitung von Lösungsvorschlägen für allfällige Probleme in diesem Zusammenhang eingebunden. Die Ergebnisse einer Studie über die Auswirkungen des Patientenver­fügungsgesetzes auf einkommensschwache Bevölkerungsschichten, um deren Erstel­lung in diesem Zusammenhang unter einem der Budgetdienst des Nationalrats ersucht wird, sollen in diese Ausarbeitung und Evaluierung mit einfließen.“

*****

Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz soll den Zugang zur Pa­tientenverfügung erleichtern, das ist gut und richtig so. Danke an Sie, Frau Bun­desministerin, für diese Novelle. An den grundsätzlichen Zugangsvoraussetzungen werden wir aber freilich weiterhin festhalten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der PatVG-Novelle 2018


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eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018) (337 d.B.)

Das Patientenverfügungs-Gesetz ist seit 1. Juli 2006 in Kraft und war Gegenstand einer intensiven Begleitforschung. Im Sommer 2014 wurde diese abgeschlossen und eine Studie präsentiert. Zwischen Sommer 2014 und Frühjahr 2015 hat die parla­mentarische Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ unter anderem über Maßnahmen zur Verbesserung von Patientenverfügungen diskutiert. Die Ergebnisse der Studie und Empfehlungen der Enquete-Kommission zeigten bei einigen Regelungen Änderungsbedarf.

Basierend auf den Ergebnissen der Studie und Empfehlungen der Enquete-Kommis­sion, wurde die Patientenverfügungsgesetznovelle 2018 mit mehr Möglichkeit auf Selbst­bestimmung für Patientinnen und Patienten - unter besonderer Berücksichtigung gesundheits- und sozialpolitischer Gesichtspunkte - erarbeitet. Die Stärkung der Patientenrechte und nicht etwa verschiedener Konzepte unternehmerischen Handelns, war und ist im Zusammenhang mit der Errichtung von Patientenverfügungen von zentraler Bedeutung.

Es konnten endlich Verbesserungen der Rahmenbedingungen zur Errichtung und Bestimmungen zur zentralen Abfragemöglichkeit geschaffen werden. Durch die Ver­längerung der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen von fünf auf acht Jahre und dem grundsätzlichen Wegfall des zwingenden Erfordernisses der juristischen Beratung bei der Verlängerung, Erneuerung oder Ergänzung dieser Patientenverfügung, konnte außerdem eine Kostensenkung für Patientinnen und Patienten erreicht werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass durch die bei der Behandlung einer Patientin oder eines Patienten gebotene Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten und den Folgen der Unterlassung einer Behandlung auch die Aufklärung im Sinne des Patientenverfügungsgesetztes beinhaltet ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, werden ersucht, die Effekte der geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen die PatVG-Novelle 2018 betreffend die Kostenentlastung einkommensschwacher Personen frühestens ein Jahr nach Kundmachung zu evaluieren. Bis dahin werden in Betracht kommende Interes­senvertretungen, insbesondere Senioren- und Behindertenorganisationen in die Aus­arbeitung von Lösungsvorschlägen für allfällige Probleme in diesem Zusammenhang eingebunden. Die Ergebnisse einer Studie über die Auswirkungen des Patienten­verfügungsgesetzes auf einkommensschwache Bevölkerungsschichten, um deren Erstellung in diesem Zusammenhang unter einem der Budgetdienst des Nationalrats ersucht wird, sollen in diese Ausarbeitung und Evaluierung mit einfließen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag wurde ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Griss zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 140

14.49.27

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich meinem Vorredner und meinen Vorred­nerinnen nur anschließen: Es ist gut, dass es dieses Gesetz gibt, und es ist gut, dass es jetzt in einigen Punkten verbessert wird. Aber das ist noch nicht genug (Abg. Neubauer: Es ist nie genug! – Abg. Schimanek: Ein Schritt in die richtige Richtung!), denn wozu dient denn eine Patientenverfügung? – Eine Patientenverfügung dient dazu, dass Menschen das Selbstbestimmungsrecht erhalten bleibt. Und eine große Angst, die viele Menschen mit zunehmendem Alter haben – ich weiß, wovon ich spreche –, ist, dass sie eines Tages nicht mehr selbst bestimmen können, was mit ihnen geschieht, dass sie vielleicht an Schläuchen, an Apparaten hängen und es eigentlich gar nicht wollen.

Daher ist es gut, dass es eine Patientenverfügung gibt, und damit die Patienten­verfügung ihren Zweck auch erfüllen kann, muss sie sehr niederschwellig zugänglich sein, es darf vor allem keine finanzielle Barriere bestehen. Es muss sicher sein, dass der behandelnde Arzt auch davon Kenntnis erlangt, und sie soll auch noch gültig sein, wenn es darauf ankommt, dass sie angewendet wird.

Zum ersten Punkt: Es ist schon erwähnt worden, die Enquete hat einen Kostenbeitrag vorgeschlagen, und es wäre sinnvoll, hier auch einen Kostenbeitrag für die Beratung bei Errichtung einer Patientenverfügung vorzusehen. Es sollen ja nicht gerade die, die nicht die Möglichkeit haben, sich durch ihre Kontakte zu informieren, Hindernisse haben, die Informationen zu bekommen, und daher sollte man das finanziell unterstüt­zen.

Das Zweite: Es wird in Elga aufgenommen, aber es werden nicht die Inhalte der bestehenden Register – Notare, Anwälte – in Elga übernommen. Die Krankenanstalten sind nicht verpflichtet, auch die anderen Register abzurufen. Da muss man eine Lösung finden, bis man so weit kommt, dass man das verknüpfen kann, denn was hilft es, wenn jemand eine Patientenverfügung hat, aber der Arzt nichts davon erfährt?

Das Dritte: Als ich das Gesetz gelesen habe, habe ich nicht verstanden, warum das befristet ist, überhaupt befristet ist. Acht Jahre sind besser als fünf, aber wozu überhaupt eine Befristung? Wenn ich heute ein Testament mache, gilt es, bis ich ein neues mache, auch wenn ich 20 Jahre alt bin – ich bin darüber hinaus. Da hat man aber eine Befristung. Es kann das doch jeder wieder ändern und eine neue machen. Ich glaube, das sollte man daher überdenken. (Beifall bei den NEOS.)

Daher bringe auch ich einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ergän­zungen zur Patientenverfügungs-Novelle“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, folgende Maßnahmen bis Ende 2019 zu setzen: Zum einen soll für die verschiedenen Patientenverfügungsregister ein Konzept zur Daten-Verknüpfung und Daten-Integration erarbeitet werden. Zum anderen soll die Empfehlung 36 der parla­mentarischen Enquete-Kommission geprüft werden, in welcher Form Krankenkassen einen Kostenbeitrag zur Errichtung von Patientenverfügungen leisten können. Ergän­zend soll vorgesehen werden, dass eine unbefristete Verbindlichkeit der Patientenver-


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fügung zu einer finanziellen und bürokratischen Erleichterung sämtlicher Beteiligter führt.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ergänzungen zur Patientenverfügungs-Novelle

eingebracht im Zuge der Debatte in der 57. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (337 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Patientenverfügungs-Gesetz geändert wird (PatVG-Novelle 2018) (440 d.B.) – TOP 8

Die "Österreichische Rechtsanwaltskammer" hat bereits am 2. Oktober eine Stellung­nahme zum Ministerialentwurf zur Patientenverfügungs-Novelle eingebracht. Darin wer­den unter anderem folgende Punkte bedauert:

a) Die Empfehlung (36) aus der parlamentarischen Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ wurde nicht aufgenommen. Dabei ging es "um einen vertretbaren Kostenbeitrag" im Zusammenhang mit der Errichtung einer Patienten­verfügung durch die Krankenkassen.

b) Die Stellungnahme bezieht sich unter anderem auf die Daten-Verknüp­fung/Integration der verschiedenen Patientenverfügungs-Register. Dabei wurde festge­halten, dass durch die Speichermöglichkeit in ELGA ein zusätzliches Patientenver­fügungsregister entsteht und keine Regelungen zur Daten-Überführung in ELGA existieren. Auch nach dem Gesundheitsausschuss von 4.12. bestehen Unklarheiten bezüglich der Daten-Verknüpfung/Integration für die verschiedenen Patientenverfü­gungs-Register.

Aus der ÖRAK-Stellungnahme zu 70/ME

"Bedauerlich hingegen ist, dass der Vorschlag der Enquete-Kommission auf Definie­rung der ärztlichen Aufklärung als Kassenleistung nicht aufgegriffen wurde. Hier beste­hen, wie man aus der Praxis weiß, große Unterschiede in Umfang, Formulierung und Verrechnung der ärztlichen Aufklärungsleistung. Auch wäre es in diesem Zusam­menhang wünschenswert gewesen, eine vereinheitlichtes Formular zur ärztlichen Aufklärung dem Gesetz anzuschließen, zumal manche Ärzte die bestehenden Patien­tenverfügungsvorlagen des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ausfüllen, obgleich eine Patientenverfügung bereits individuell vom Rechtsanwalt textiert vorliegt und sodann diese „Verfügung“ in die bereits vom Rechtsanwalt errichtete mitaufzunehmen ist und hier das große Problem von Widersprüchen oder Überschneidungen besteht.“

"Kritisch beurteilt der ÖRAK allerdings die nunmehr vorgesehene Speicherung der Patientenverfügung in ELGA, wodurch nun ein dritter möglicher Speicherort der Verfügung zusätzlich zum Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsan­wälte und jenem der Notare geschaffen wird. Die aus dem Gesetzesentwurf ersicht­liche Priorität der Speicherung in ELGA schwächt andere Patientenverfügungsregister


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(der Rechtsanwälte und Notare) und wird vom ÖRAK daher abgelehnt. Offenkundig wird mit diesem Gesetzesentwurf auf die (bedenkliche) Praxis der Krankenanstalten Rücksicht genommen, die sich einer Einsichtnahme in die beiden bestehenden Patientenverfügungsregister verschließen. Allerdings haben nicht alle Patienten ihre Zustimmung zu ELGA erteilt (oder werden diese zukünftig erteilen), sodass die alternativen Registrierungsmöglichkeiten jedenfalls weiter bestehen müssen, was nicht nur zu einer Zwei- sondern vielmehr Dreigleisigkeit der Registrierung führt. Ungeachtet der Vorgabe des § 27 Abs. 5 Gesundheitstelematikgesetz (GTelG 2012) stellt sich die Frage, ob ELGA überhaupt der richtige Speicherort einer Patientenverfügung ist. Zudem stellt § 27 Abs. 5 GTelG 2012 eine Übergangsbestimmung dar und ist auch als solche tituliert. Eine „kleine Bühne“ für eine doch sehr einschneidende Veränderung in der Speicherungsmöglichkeit bzw. sogar Speicherungsverpflichtung!

Zur Gänze fehlen Regelungen zur Überführung der bestehenden Patientenver­fügungs­register in ELGA."

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_02337/imfname_711935.pdf

Aus den Empfehlungen der parlamentarischen Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“:

Empfehlung 36: "Unter Berücksichtigung bestehender Möglichkeiten sollten seitens der beteiligten Ministerien Gespräche mit den Krankenkassen aufgenommen wer-den, mit dem Prüfziel, dass die Krankenkassen einen vertretbaren Kostenbeitrag im Zusam­menhang mit der Errichtung einer Patientenverfügung übernehmen."

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/fname_386917.pdf

Befristete Gültigkeit

Wenig nachvollziehbar ist auch die zeitlich begrenzte Verbindlichkeit von Patien­tenverfügungen. Nicht nur ist beispielsweise auch eine letztwillige Verfügung zeitlich unbegrenzt gültig, bis sie widerrufen, geändert wird oder eine jüngere Verfügung errichtet wird. Auch ist die Patientenverfügung beispielsweise in Deutschland zeitlich unbefristet verbindlich. Gerade, weil ältere Menschen beispielsweise dement werden können, droht der selbstgewählte Inhalt der Patientenverfügung durch die vorgesehene Befristung nicht zur Geltung zu kommen. Selbstverständlich bedeutet der Wegfall der Notwendigkeit, die Patientenverfügung zu erneuern, dass Kosten und Administration verringert werden können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, folgende Maßnahmen bis Ende 2019 zu setzen. Zum einen soll für die verschiedenen Patientenverfügungsregister ein Konzept zur Daten-Verknüpfung und Daten-Integration erarbeitet werden. Zum anderen soll die Empfehlung 36 der parla­mentarischen Enquete-Kommission geprüft werden, in welcher Form Krankenkassen einen Kostenbeitrag zur Errichtung von Patientenverfügungen leisten können. Ergän­zend soll vorgesehen werden, dass eine unbefristete Verbindlichkeit der Patienten-


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verfügung zu einer finanziellen und bürokratischen Erleichterung sämtlicher Beteiligter führt."

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Auch dieser Entschließungsantrag wurde ord­nungs­gemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wagner. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


14.53.20

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen und hier im Hohen Haus! Das Patientenverfügungs-Gesetz ist ein sehr wichtiges Mittel, um die Selbst­bestimmung zu erhalten, auch dann, wenn man nicht mehr in der Lage ist, selbst zu entscheiden. Das ist ein wirklich gutes Gesetz, weil es Rechtssicherheit schafft.

Bisher wird die Patientenverfügung von der Bevölkerung nur mäßig angenommen. Das liegt zum einen an den Kosten und am Aufwand und zum anderen an der rechtlichen Unsicherheit bei der Bindungswirkung. Leider ist sie auch zu wenig bekannt und es wäre sicher zweckmäßig, die Patientenverfügung zu bewerben.

Durch die Anhebung der Laufzeit von fünf auf acht Jahre werden indirekt auch die Kosten gesenkt. Weiters ist für die Verlängerung von verbindlichen Patienten­ver­fügungen zukünftig eine juristische Aufklärung nicht mehr zwingend erforderlich. Zu­sätzlich wird die Errichtung einer Patientenverfügung erleichtert, da diese zukünftig auch über Erwachsenenschutzvereine möglich ist. Um für alle, vor allem aber für die Betroffenen Rechtssicherheit zu schaffen, wird die Bezeichnung „beachtliche Patien­tenverfügung“ als klares Signal abgeschafft. Damit wird der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, dass auch die nicht-verbindlichen Patientenverfügungen als abschließende Entscheidung des Betroffenen anzuerkennen sind.

Eine abschließende Sicherheit kann aber nur dann erreicht werden, wenn alle Patien­tenverfügungen, auch jene, die über Anwälte oder Notare errichtet werden, zentral und in einem Schritt abgefragt werden können. Daher wird vorgesehen, dass alle diese Register in Elga zusammengeführt werden und so eine komplette Abfrage aller Patien­tenverfügungen möglich ist. Wie man das technisch umsetzt, kann die Frau Bundes­minister per Verordnung festlegen. Somit besteht hier ein hohes Maß an Flexibilität, um den Ansprüchen der sich rasch verändernden Technik gerecht zu werden.

Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass wir das jetzt schon grundsätzlich gute Patientenverfügungs-Gesetz an die Anforderungen der Praxis anpassen und dadurch den Menschen die Möglichkeit geben, ihr Recht auf Selbstbestimmung leichter wahr­nehmen zu können und öfter zu nutzen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.55.53

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass das Patientenverfügungs-Gesetz ein ganz wichtiges Gesetz ist, um den Menschen Angst vor ihrer letzten Lebensphase zu nehmen, weil sie dadurch die


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Möglichkeit haben, vorweg eine eigenständige Entscheidung zu treffen, auch für die Zeit, in der sie selbst nicht mehr handlungs- und einwilligungsfähig sind.

Die Änderungen, die mit der vorliegenden Novelle durchgeführt werden, erleichtern die Angelegenheit erstens dadurch, dass die Laufzeit von fünf auf acht Jahre verlängert wird. Nach wie vor bedarf es zuerst sowohl einer medizinischen als auch einer recht­lichen Beratung. Ich halte das für wichtig, denn es geht dabei wirklich um eine kritische Entscheidung. Bei der Verlängerung genügt dann ausschließlich eine ärztliche, eine medizinische Beratung, was ich auch für vernünftig halte.

Ganz besonders wichtig bei dieser Novelle erscheint mir auch, dass die Rechts­sicherheit verstärkt wird, und zwar in zweifacher Hinsicht. Für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte wird klarer formuliert, dass eine Patientenverfügung verbindlich ist und dass eine Patientenverfügung der Einschätzung des Patientenwillens zugrunde zu legen ist, während in der alten Version noch der unklarere Begriff, sie sei „beachtlich“ zu lesen war. Das heißt, die Ärztinnen und Ärzte sind rechtlich auf der sicheren Seite, wenn sie sich an die Patientenverfügung halten. Damit gibt es natürlich ein erhöhtes Maß an Sicherheit für die Patientinnen und Patienten, dass im Falle eines Falles ihre Patientenverfügung auch berücksichtigt wird.

Entscheidend in der Praxis ist natürlich, dass die Patientinnen- und Patientenverfügung auch zugänglich ist, dass sich die Ärztinnen und Ärzte rasch darüber informieren können, ob eine solche vorliegt. Das über Elga zu machen ist sicher der ideale und auch künftige Weg, der hier beschritten werden soll.

Ich freue mich, dass diese Spezifikationen, diese Konkretisierungen in diesem Gesetz erfolgt sind, ich sage Danke für die Ausarbeitung und freue mich, wenn wir das heute gemeinsam beschließen können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Reifenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.58.36

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich darf vorwegschicken, dass ich beruflich schon sehr viele Patientenverfügungen errichtet habe und durch die rechtlichen Aufklärungen diesen Patientenverfügungen auch zu einer fünfjährigen Verbindlichkeit verholfen habe. (Präsident Sobotka über­nimmt den Vorsitz.)

In meiner Berufspraxis haben sich dabei zwei Problemfelder besonders heraus­kristallisiert: Das erste Problem ist die relativ kurze Dauer der Verbindlichkeit mit nur fünf Jahren. Nach fünf Jahren muss die komplette Patientenverfügung mit dem gesam­ten Aufwand wieder von Neuem errichtet werden, was natürlich auch mit entsprechen­den Kosten verbunden ist. Das zweite Problem ist das Problem der Auffindbarkeit im Ernstfall.

Beide Probleme sind durch die vorliegende Novelle sehr gut gelöst worden. Das erste Problem wurde gelöst, indem die Dauer der Verbindlichkeit von fünf auf acht Jahre verlängert wurde. Ganz wichtig und richtig ist, dass diese Verlängerung auf acht Jahre nicht nur für neue Patientenverfügungen gilt, sondern auch für alle bestehenden Patientenverfügungen der Vergangenheit.


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Weiters gibt es Vereinfachungen, wenn eine Patientenverfügung verlängert wird, näm­lich dass man nicht mehr den kompletten Aufwand betreiben muss, was wiederum Kosten erspart.

Das zweite Problem, das Problem der Auffindbarkeit, wurde durch eine Speicherung der Patientenverfügung mittels Elga gelöst.

Auch bisher gab es schon sehr gute Registrierungssysteme, nämlich zum Beispiel das Patientenverfügungsregister der Österreichischen Notariatskammer. In einer Koope­ration mit dem Österreichischen Roten Kreuz wurde eine Hotline eingerichtet, die 24 Stunden, also rund um die Uhr, besetzt war, und Ärzte und Krankenanstalten konnten bei dieser Hotline des Roten Kreuzes anrufen und nachfragen, ob es für diesen Patienten auch eine Patientenverfügung gibt. Das Problem daran war nur, dass es nicht nur ein solches Register gegeben hat, sondern eben mehrere, und die Ärzte und Krankenanstalten haben nicht ganz zu Unrecht gesagt: Einigt euch einmal unter­einander auf ein zentrales Register, wir sind nicht gewillt, mehrere verschiedene Regis­ter abzufragen!

Kurz gesagt, die bisherigen Register wurden in der Praxis nicht gut angenommen, und die Reaktion so mancher Bürger war daraufhin, dass sie ihre Patientenverfügungen zwar errichtet, aber gleich gar nicht registriert haben, weil die Auffindbarkeit in der Praxis durch diese Register ohnehin nicht gewährleistet war.

Das ist ein unbefriedigender Zustand, der jetzt mittels Elga gelöst wird. Notare und Rechtsanwälte werden in Zukunft zumindest verbindliche Patientenverfügungen in Elga zur Verfügung stellen, und nicht-verbindliche Patientenverfügungen können auf Verlan­gen des Klienten beziehungsweise Patienten in Elga gespeichert werden.

Abschließend ist festzuhalten, dass diese Novelle zum Patientenverfügungs-Gesetz einen großen Schritt und eine wesentliche Verbesserung für unsere Bürger darstellt und damit der Selbstbestimmung zum Durchbruch verholfen wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Fichtinger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.01.39

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist zum Patientenverfügungs-Gesetz schon alles gesagt und alles erläutert worden.

Erste Überlegungen dazu gab es ja schon Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre. Laut einer Studie hatten im Jahr 2014 nur 4,1 Prozent der Österreicher eine Patienten­verfügung und die Hälfte der Bevölkerung weiß heute eigentlich noch nicht, was eine Patientenverfügung überhaupt ist. Es wurde auch schon erwähnt, dass es wichtig ist, da vielleicht noch mehr Informationen zu geben und die Bevölkerung auch aufzuklären.

Dass diese schriftliche Erklärung eine Möglichkeit für eine bestimmte Krankheits­situation bietet, dass bestimmte lebenserhaltende medizinische Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden, ist, glaube ich, etwas zu dem Punkt in Würde altern und auch in Würde sterben können. Ich glaube, es ist etwas Gutes, dass sich jeder selbst dafür entscheiden kann. Es ist immer wichtig, sich mit dem Hausarzt abzureden, uns natürlich ist es dann wichtig, das entweder mit einem Rechtsanwalt oder Notar zu machen; es kann aber auch kostenlos über den Patienten- oder Pflegeanwalt gemacht werden, um die Kosten so gering wie möglich zu halten.


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Die Gültigkeit ist schon angesprochen worden: Sie wird von fünf auf acht Jahre verlängert. Es ist etwas Freiwilliges, und man kann es dann auch ganz einfach ver­längern.

Eigentlich sollte jeder Mensch darüber nachdenken, dass diese Situation sehr schnell kommen kann und man sich dazu entscheiden sollte, solange man noch gesund ist und selbst entscheiden kann, ob man diese Maßnahmen gesetzt haben möchte. Jeder Mensch hat nämlich das Recht auf beste medizinische Betreuung, von der Geburt bis zu seinem Lebensende.

Wichtige Schritte wurden heute schon mit dem Ärztegesetz, das wir beschlossen haben, gesetzt, und ein wichtiger Schritt ist auch dieser Punkt, der gleich beschlossen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.04

15.04.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 337 der Beilagen.

Ich darf die Damen und Herren, die mit dem Gesetzentwurf einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist die Einstimmigkeit.

Ich bitte die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung damit einverstanden sind, wieder um ein Zeichen der Zustimmung. – Damit ist es auch in dritter Lesung ange­nommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Übernahme der Kosten für Patientenverfügungen durch den Bund“.

Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher ist der Antrag abgelehnt.

Ich gelange nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schwarz, Dr. Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung der PatVG-Novelle“ – also der Patientenverfügungs-Gesetz-Novelle – „2018“.

Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 47)

Schlussendlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ergänzungen zur Patientenverfügungs-Novelle“.

Ich darf die Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

15.06.009. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 503/A(E) der Abgeordneten Maria Großbauer, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend einer für jeweils ein Jahr geltenden gemeinsamen Eintrittsmöglichkeit zu den Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek (402 d.B.)


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10. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 170/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Jahreskarte Bundesmuseen (401 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 254/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freier Eintritt für Studierende in den Bundesmuseen (403 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 369/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freier Eintritt für Lehrlinge in den Bundesmuseen (404 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 477/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Hunger auf Kunst & Kultur“ (405 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Drozda. Ich erteile ihm das Wort.


15.06.27

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Dezember hat es an sich, dass man eben zur Bilanzziehung kommt. Eine Bilanzziehung haben ja Kanzler und Vizekanzler kürzlich gemacht, und die hat nicht enden wollende Danksagungen beinhaltet: Der Kanzler hat dem Vizekanzler gedankt, der Vizekanzler hat dem Kanzler gedankt. Ich wünschte, ich könnte mich hierher stellen und dem Bundesminister für Kunst und Kultur danken – das ist nur leider nicht möglich, und ich werde das auch begründen. (Ruf bei der ÖVP: Strengen Sie sich an!)

Ich bemühe mich sehr, und ich werde mich auch anstrengen, keine Sorge, aber ich werde versuchen, das Ganze sehr sachlich und nüchtern zu begründen und über die Aktivitäten des Kulturausschusses dieses Jahres zu berichten.

Wir hatten 37 Punkte. Ein Bericht wurde erledigt, elf Anträge abgelehnt, 20 Anträge vertagt. Vertagt wurde – einmal mehr – die „Optimierung der Organisationsstruktur der Österreichischen Bundesmuseen“, vertagt wurde „Freier Eintritt für Lehrlinge in den Bundesmuseen“ – was immer man dagegen haben kann –, vertagt wurde das „Maß­nahmenpaket“ der Bundesregierung „zur Beseitigung der Ungleichstellung von Frauen im österreichischen Film“, vertagt wurde „Maßnahmen zur Verhinderung von Macht­missbrauch und sexueller Gewalt in Kulturinstitutionen“, und vertagt wurde natürlich auch die „Vorlage eines Reformprogramms für das Bundesdenkmalamt“.


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Angenommen wurde demgegenüber ein Antrag betreffend eine „für jeweils ein Jahr geltenden gemeinsamen Eintrittsmöglichkeit zu den Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek“. – Zu diesem Antrag ist in Form und Inhalt etwas zu sagen.

Zunächst zum Inhalt: Diese Karte soll 59 Euro kosten; sie ist auf einen einzigen Eintritt in jedem der acht Bundesmuseen beschränkt. Die Karte gilt nur im jeweiligen Haupthaus, sie gilt damit nicht im Unteren Belvedere, nicht im Belvedere 21 – die Liste könnte ich lange fortsetzen. Sie gilt vor allem auch nicht – und das finde ich besonders beschämend – im Haus der Geschichte. – Aber sei’s drum.

In dieser Frage gibt es eine ganze Reihe von herausragenden internationalen Beispielen: London, wo seit 2001 der Besuch der Dauerausstellungen kostenlos ist; oder Amsterdam, dort können Sie um 59 Euro, also um den gleichen Betrag der Wiener Karte, innerhalb eines Jahres 400 Museen besuchen, und zwar so oft Sie wollen. Das sind Beispiele für richtige und gute Kulturpolitik, ebenso wie der von uns vorgeschlagene und – erraten: vertagte – Antrag zum Museumssonntag, den ich als eigenständigen Antrag einmal mehr einbringen werde. Natürlich muss das politisch gewollt werden und finanziell abgegolten werden – im Unterschied zu dieser Karte, die jetzt vorliegt.

Abschließend aber noch etwas zur Form, lieber Herr Bundesminister, in der wir mit­einander umgehen. Ich zitiere da eine unverdächtige Zeugin aus den „Salzburger Nachrichten“ der vergangenen Woche – ich zitiere –:

„Das Verschweigen eines offenbar weit verhandelten Projekts im Kulturausschuss“ – bezogen auf die Museumskarte – „käme dem Verhöhnen der parlamentarischen Demokratie gleich.“ (Abg. Scherak: Na gut, da kennt er sich ja aus!) „Für ein Regierungsmitglied wäre das ein starkes Stück.“

Die Wahrheit ist, sie hat recht: Es war ein starkes Stück.

Du hast hier und heute die Gelegenheit, dich dafür zu entschuldigen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steger: Scheinheiligkeit ...!)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Großbauer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.10.25

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Drozda, ich glaube, Sie sind ja noch viel besser informiert, denn Sie haben ja am Tag des Kultur­ausschusses, am 28. November, schon um 14.19 Uhr eine Aussendung gemacht, in der Sie selber schreiben – ich zitiere –: „Offensichtlich plane der Kulturminister eine Karte, die nur den einmaligen Eintritt pro Museum und Jahr erlauben würde“. (Abg. Drozda: Das waren Zeitungsberichte!) Und Sie zeigen sich skeptisch, was den kulturpolitischen und sozialen Nutzen einer solchen „Streifenkarte“, so nennen Sie das (Abg. Drozda: Ja!), vorrangig für Touristen betrifft. Also Sie kritisieren eine Karte und wissen offenbar auch selber irgendetwas – also vielleicht sind Sie so nett und verraten mir einmal Ihre Quellen. (Abg. Drozda: Das war der Herr Zinggl! – Abg. Leichtfried: Das waren die „Salzburger Nachrichten“ und Zinggl!)

Und betreffend das Thema Verhöhnen des Parlaments: Herr Abgeordneter-Kollege, wie Sie mit Bildern, die sich in Staatseigentum befinden, umgehen, ist auch dem Parlament gegenüber nicht würdig und recht, würde ich meinen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Herr Kollege Drozda, über eine gemeinsame Karte der Bundesmuseen ist ja schon so oft und so lange gesprochen worden, aber passiert ist bis jetzt nichts. (Abg. Drozda: Ja!) In den letzten zehn Jahren unter sozialdemokratischen Kulturministern (Abg. Drozda: Gratis Eintritt für Jugendliche bis 19!) ist in diesem Bereich einfach nichts gekommen, höchstens heiße Luft. (Abg. Drozda: Gratis Eintritt für Jugendliche bis 19!) Bundesminister Blümel hat das in seinem ersten Jahr geschafft! Es stand im Regierungsprogramm, und seit Dienstag dieser Woche ist diese neue Karte, die neue Bundesmuseen Card, schon zu haben und zu kaufen. – Das ist Umsetzung, das ist aktive Kulturpolitik und keine Schwafelpolitik. (Abg. Drozda – erheitert –: Das ist lächerlich und das wissen Sie!) Umsetzen statt jammern!, das ist die Devise dieser Koalition. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Noch etwas ist wichtig bei der Umsetzung dieser neuen Bundesmuseen Card: Sie ist gemeinschaftlich und im Dialog mit den Museumsdirektorinnen und -direktoren ent­standen. Bundesminister Blümel ist nicht drübergefahren und hat alle Häuser vor vollendete Tatsachen gestellt, wie es in der Vergangenheit in der Kulturpolitik so oft der Fall war.

Auch das ist ein neuer Stil in der Kulturpolitik: Reden statt drüberfahren, heißt das nämlich. (Beifall bei der ÖVP.) Vielleicht haben Sie das schon bemerkt: Es macht durchaus Sinn und eine bessere Stimmung, wenn man seine Partner einbindet. Der aktuelle Vorsitzende der Bundesmuseenkonferenz, MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein, hat das auch in seinem Statement betont und die exzellente Zusam­menarbeit mit Minister Blümel gelobt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die neue Bundesmuseen Card ist eine intelligente Lösung, weil sie bestehende erfolgreiche Jahreskarten der einzelnen Häuser nicht verdrängt, sondern das bereits sehr, sehr gute Angebot ergänzen soll. Es muss für die Häuser auch finanziell machbar sein und es darf kein Schaden für sie entstehen. Die neue Bundesmuseen Card kostet 59 Euro (Zwischenruf der Abg. Yılmaz) und ist somit fast um die Hälfte günstiger, als wenn man alle Tickets einzeln kaufen würde – also ein wirklich attraktives Angebot, wenn man zum Beispiel die Lange Nacht der Museen, die es ja auch noch gibt, nicht besuchen kann oder will, weil es da in den Museen manchmal auch sehr voll ist.

Die neue Bundesmuseen Card berechtigt innerhalb eines Jahres zu je einem Eintritt in die acht beteiligten Institutionen, und es wird auch einen internen Schlüssel zur Ein­nahmenaufteilung geben.

Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie also noch ein Weihnachtsgeschenk suchen, schenken Sie Kultur! Kinder und Jugend­liche unter 19 Jahren – übrigens auch Lehrlinge, weil zwei Drittel alle Lehrlinge unter 19 sind; und ja, wir sind schon bereit, darüber zu diskutieren, das haben Sie leider vergessen zu erwähnen – haben ja bereits freien Eintritt in die Bundesmuseen und in die Nationalbibliothek. Nutzen Sie dieses neue Kulturangebot und gehen Sie nächstes Jahr gemeinsam mit Ihren Kindern in alle Museen! Es gibt sicher viel zu entdecken. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Zinggl ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.14.35

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Minister! Die von Ihnen vorige Woche vorgestellte Jahreskarte ist das Erste und Einzige, was die Bundesregierung in Sachen Kulturpolitik innerhalb eines Jahres


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gemacht hat – und diese Jahreskarte ist keine. Was ist eine Jahreskarte? – Das kann man sich bei den Wiener Linien anschauen oder auch bei den Bundesbahnen; das ist ganz einfach: einmal zahlen und alle Einrichtungen ein ganzes Jahr lang nutzen können. (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Ruf: So schaut es aus!) Genau das macht diese Jahreskarte nicht.

Wir schaut das in anderen Ländern aus? – In Deutschland zum Beispiel ist es betreffend die staatlichen Museen in Berlin so: Für 100 Euro können Sie alle Museen das ganze Jahr lang besuchen, alle Sonderausstellungen, alle Ausstellungen. In der Schweiz gibt es eine Jahreskarte für alle 500 Museen um 138 Euro.

Was ist der Sinn solch einer Jahreskarte? – Der Sinn solch einer Jahreskarte ist ganz einfach, dass diejenigen, die sich intensiver mit den Exponaten, mit den Materien der Kultur beschäftigen wollen, nicht gemolken werden, dass sie nicht jedes Mal den ganzen Eintritt zahlen müssen. Das macht auch niemand! Niemand zahlt jedes Mal 20 Euro, damit er in die Albertina gehen kann, und daher wäre solch eine Jahreskarte sehr sinnvoll. Ich versuche das tatsächlich schon länger – auch in dieser Legislaturperiode habe ich den ersten Antrag dazu im März eingebracht.

Sie haben sich jetzt zu einer schwachen und sehr unglücklichen Alternative entschlos­sen und haben – ja, das ist richtig – eine Streifenkarte entwickelt. Streifenkarte heißt, dass man halt achtmal in unterschiedliche Museen gehen kann; bei den Wiener Linien kann man wenigstens mit der gleichen Linie fahren. Das würde also auf die Wiener Linien übertragen bedeuten, dass man einmal mit dem D-Wagen fahren kann, einmal mit dem Bus 57A und ein anderes Mal mit der U4. (Heiterkeit der Abgeordneten Drozda und Heinisch-Hosek.)

Also wie auch immer. Wem hilft diese Streifenkarte? – Die Streifenkarte hilft den Touristen, sonst niemandem. (Beifall bei JETZT und SPÖ.) Die Touristen haben vor, dass sie jeden Tag in ein anderes Museum gehen und einmal so hineinschnuppern und sich damit Geld ersparen.

Leider haben Sie auch alle meine anderen Anträge vertagt beziehungsweise abge­lehnt. Abgelehnt haben Sie den freien Eintritt für Lehrlinge, Sie haben den freien Eintritt für die Studierenden abgelehnt, also für alle, die halt finanziell weniger bemittelt sind und auch gerne Kultur genießen und studieren wollen, den Kulturpass haben Sie sowieso abgelehnt, dafür haben Sie jetzt aber diese Streifenkarte entwickelt, und zwar am Kulturausschuss und damit am Parlament komplett vorbei.

Wir haben Sie im Ausschuss gefragt, wie es denn mit einer Jahreskarte ausschaut, und Sie haben gemeint, dass Sie das alles jetzt erst einmal durchrechnen und prüfen müssten – dafür hätten Sie, da ich den Antrag im März eingebracht habe, acht Monate Zeit gehabt –, und wollten auch auf Nachfrage nichts weiter dazu sagen. Sie haben damit aber den Ausschuss getäuscht, denn in der Zwischenzeit war diese Streifenkarte bereits fixiert, produziert und eine Homepage dazu eingerichtet.

Sie haben den Ausschuss getäuscht, und das Ergebnis ist danach. – Danke. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

15.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Neubauer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.17.57

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ja, wenn es nach den Vorstellungen der Liste JETZT oder der SPÖ geht, dann müsste in dieser Republik eigentlich immer alles für jeden frei


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und alles gratis sein. Dabei stellt sich für mich schon die Frage, wer denn dann in diesem Land das (Ruf: Na Sie!) für diejenigen bezahlt, für die das alles frei sein soll und die diese Vorstellungen haben.

Ich kann Ihnen eines sagen: Mein Verständnis von Kunst und Kultur ist schon, dass Kunst etwas kosten kann, und gerade die Künstlerinnen und Künstler haben es sich verdient (Zwischenruf des Abg. Noll), dass ihre Kunst wertgeschätzt wird und dass man es sich auch leisten muss (Zwischenruf der Abg. Bayr), wenn man gute Kunst und Kultur sehen will. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Das ist wohl ein Grundsatz der Wertschätzung, den wir der Kunst im Allgemeinen gegenüber aufbringen sollen.

Wir haben bereits sehr viele Angebote unter anderem im Themenbereich Kultur und Kunst: Wir haben das Unter-19-Ticket, das über fünf Millionen Menschen im letzten Jahr bereits genutzt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Drozda: Das musst du der Frau Großbauer sagen!) Wir haben in fast allen Museen, lieber Thomas Drozda, einen Tag pro Woche freien Eintritt, und wir haben für unter 19-jährige Lehrlinge in einem Klassenverband ebenfalls freien Eintritt. Das Angebot ist also bereits riesig; das heißt, ich als Leistungsdenker bin wirklich dagegen, immer nur alles frei herzugeben.

Ein Museum hat Aufgaben zu erfüllen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dazu gehören Sammeln, Bewahren, Forschen, das Ausstellen und das Vermitteln von den Objekten, die man im Bestand hat. Dazu gehört natürlich, dass damit Natur-, Kultur- und Kunstgeschichte gut abgedeckt werden sollen. Dadurch entstehen Kosten, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber die Ergebnisse, die wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sind es doch wert, dass wir diese Kosten auch tragen. Nur so kann ein Museum seinem entsprechenden Auftrag für die Bildung auch nachkommen.

Deshalb haben wir für heute einen eigenen Antrag vorbereitet und werden ihn auch zur Beschlussfassung bringen. Die anderen Anträge lehnen wir deshalb ab, und eines muss auch gesagt sein: Wenn wir heute von Bundesmuseen reden und Sie wollen für alle freien Eintritt, wie wollen Sie einem Vorarlberger, einem Tiroler, einem Salz­burger – Herr Kollege Schellhorn kommt aus Salzburg – erklären, warum alle anderen für die Bundesmuseen in Wien mitzahlen sollen, damit dort der Eintritt frei ist? – Da spielen wir sicher nicht mit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: Gratis­gesellschaft!)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schellhorn ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.21.09

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Eingangs sei erwähnt: Ja, wir sind für diesen Pass, wenn er auch nicht so gedacht wurde, wie wir ihn vorgeschlagen haben.

Kollege Zinggl hat gesagt, er sei nur für die Touristen. Herr Kollege Zinggl, den gibt es schon, den sogenannten Wien-Pass, die Wien-Card. Das gibt es also schon, dass man als Tourist alle Museen besuchen kann, wenn man auch eine Nächtigung vorweist.

Er sollte ja anders gedacht werden. Er sollte ja so gedacht werden, dass man sozusagen mit einer Jahreskarte dann über das Jahr auch alle anderen Museen be­suchen kann – und da haben die Direktoren zu Recht den Baum aufgestellt und gesagt, so kann es nicht gehen.


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Ich glaube, dass das jetzt vom Aufbau her vielleicht der richtige Gedanke war, aber nur nicht durchdacht. Das ist mein Kritikpunkt, wiewohl wir dem sehr gerne zustimmen werden.

Ich möchte aber noch einmal rekapitulieren, was Kollegin Großbauer von neuem Stil gesagt hat, und hier kann man auch ruhig zitieren, was die „Salzburger Nachrichten“ dazu schreiben – Herr Drozda hat es schon erwähnt –, nämlich: „Zum Hohn des Hohen Hauses“.

Es war wirklich so: Im Kulturausschuss war – das muss man sich einmal vorstellen! – der Tagesordnungspunkt noch nicht einmal besprochen, kam schon eine OTS von Kollegin Großbauer heraus, was geschafft wurde, nämlich die Jahreskarte. Dann hat Kollegin Hammerschmid gefragt, ob sie sich dessen bewusst ist, was das kostet. – Schweigen im Walde. – Dann wurde der Herr Minister gefragt: Welche finanziellen Auswirkungen hat das? Was macht man mit den Abgängen? – Schweigen im Walde.

Zufälligerweise wird elf Tage später eine fertige Homepage, eine fertige Karte in einer Pressekonferenz mit allen Museumsdirektoren präsentiert – die wurden vergattert, so wie früher beim Bundesheer, die mussten sich da aufstellen und mussten da mit­lächeln –, und man sagt, das ist jetzt schnell passiert – mit einer Homepage, mit einem Ticketing, mit allem Drum und Dran –, innerhalb von elf Tagen. Also Sie sind echt ein Wunderwuzzi! Sie sind ein Wunderwuzzi, Herr Minister! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Sie sind ein Wunderwuzzi vielleicht auch deshalb, weil Sie ein bissel schwindeln, glaube ich, und weil Sie das Hohe Haus hier verhöhnen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Sie verhöhnen es – genau wie Frau Kainberger in den „Salzburger Nachrichten“ schreibt –, und das finde ich schade, denn wir sind sehr gerne dabei, auch Kulturpolitik zu machen. Wir helfen Ihnen sehr gerne – das haben wir in der letzten Zeit auch bewiesen – mit unseren Ideen, die kann man zeitweise auch ganz gut umsetzen. Wir werden später noch einmal darüber sprechen. Eines aber lassen wir uns nicht gefallen: dass wir uns veräppelt fühlen müssen, und das ist der rote Faden. Das war gestern der rote Faden mit der ÖVP und das ist heute der rote Faden mit der ÖVP. Wir fühlen uns demokratiepolitisch sozusagen veräppelt – das andere Wort sage ich jetzt nicht, denn sonst kriege ich einen Ordnungsruf, aber so kann es nicht weitergehen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

15.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.


15.24.34

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich bin immer wieder überrascht wegen des Stils, der hier oft herrscht (Oh-Rufe bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS), vor allem bei diesem Thema, obwohl es eigentlich beim Thema der Kunst und Kultur so etwas wie traditionell viel Konsens gibt. Ich möchte das aber gerne in derselben Sachlichkeit auch beantworten.

Du, lieber Thomas Drozda, hast die Bilanz des Kulturausschusses kritisiert. Ein ehr­liches Wort: Wende dich an den Ausschussvorsitzenden des Kulturausschusses, wenn du mit seiner Bilanz unzufrieden bist! Da du das selbst bist, geht das auf kurzem Weg, und ich würde dich ersuchen, das zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)


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Abgeordneter Zinggl hat gemeint, bis auf die Bundesmuseenkarte sei kulturpolitisch wenig passiert. Ich darf das zum Anlass für eine Replik nehmen und ein wenig darlegen, was im letzten Jahr alles geschehen ist: zum Beispiel die Budgetverhand­lungen. (Abg. Drozda: Ihr habt ein Budget verhandelt? Das ist ja unglaublich!) Wir haben es geschafft, zum ersten Mal seit 1954 keine neuen Schulden zu machen, aber auch keine neuen Steuern einzuführen, und dennoch ist das Kulturbudget so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte der Republik. – Das ist einmal der erste Punkt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Kassegger und Kainz.)

Darüber hinaus habe ich auch viele Baustellen übernehmen dürfen und versucht, möglichst im ersten Jahr schon viele dieser Baustellen zu beseitigen. Ein Beispiel dafür ist das Volkstheater. Ich bin von Beginn an von dir und von vielen anderen gefragt worden: Ja, was ist denn jetzt mit dieser Zusage, die du gegeben hast, über 12 Millionen Euro für die Sanierung des Volkstheaters?

Nun ja, ich habe mir gedacht, wenn das zugesagt ist, dann wird das schon passen. Ich bin dann draufgekommen, dass die Zusage ein reiner Briefwechsel zwischen dir und dem Volkstheater war, aber budgetiert war nichts. Die Stadt Wien hat im Gegenzug die 12 Millionen Euro nicht nur zugesagt, sondern auch per Gemeinderatsbeschluss, übrigens mit Stimmen der ÖVP, budgetiert. Ich habe mir daraufhin angesehen, wie man es vielleicht trotzdem schaffen könnte, diese Zusage für die Renovierung dieses theaterpolitisch sehr wichtigen Hauses in Wien auch bewerkstelligen zu können, obwohl eben von dir kein Budget vorgesehen war.

Ich habe mir die Planungsunterlagen kommen lassen, weil mir an einer professionellen Arbeit sehr viel gelegen ist. – Und siehe da, wir sind draufgekommen, dass eine erste Gewerkeausschreibung im November 2016 stattgefunden hat, die 7 Millionen Euro umfasst hat, wo keines der drei Angebote, die gekommen sind, unter 14 Millionen Euro gelegen ist. Wenn wir einfach das, was du gefordert hast, nämlich die 12 Millionen Euro, überwiesen hätten, dann wären wir schnurstracks in den nächsten Steuer­geld­verschwendungsskandal dieser Republik hineingeschlittert – und das ist keine professionelle Arbeit, auch nicht im Kunst- und Kulturbereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das mit dem Steuergeld ist generell so eine Sache: Mir ist wichtig, dass möglichst viel Geld im Kunst- und Kulturbereich ankommt und nicht in der Verwaltung versickert oder durch mangelnde Planung irgendwo anders hinläuft. Mir ist auch daran gelegen, einen möglichst effizienten Umgang bei allen Projekten zu gestalten, zum Beispiel: Samm­lung Essl. Auch da ist oft kritisiert worden, dass die Kosten für die von dir fixierte Dauerleihgabe unverhältnismäßig waren, und auch der Rechnungshof hat das in ähnlicher Form festgehalten.

Ich bin deswegen froh, dass es gelungen ist, in Nachverhandlungen zu erreichen – da danke ich nicht nur Herrn Professor Essl, sondern auch dem Direktor der Albertina Klaus Albrecht Schröder –, dass Herr Professor Essl seinen Teil der Sammlung Essl der Republik schenkt. Das ist eine der größten Kunstschenkungen in der Geschichte der Zweiten Republik, und auch das zählt zur Bilanz der Kulturpolitik dieses Jahres. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Unesco-Weltkulturerbe: Wir alle kennen das Thema. (Abg. Kuntzl: Was hat das mit der Kulturpolitik dieser Debatte zu tun?) – Ein guter Punkt; gut, dass Sie das einwerfen: „Was hat das mit der Kulturpolitik dieser Debatte zu tun?“ – Es ist die Bilanz dieser Bundesregierung in der Kulturpolitik kritisiert worden, und ich arbeite derzeit auf, was in der Vergangenheit versäumt worden ist, unter anderem beispielsweise das Einhalten völkerrechtlicher Verträge durch die Stadt Wien. Es war einfach klar, dass, wenn die


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Stadtregierung in Wien mit dem Weltkulturerbe so umgeht, dieses irgendwann einmal aberkannt wird. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kuntzl.)

Dabei darf es doch nicht sein, dass Tradition und Weiterentwicklung einer Stadt nicht unter einen Hut passen. Das muss möglich sein, und dafür habe ich mich bei der Unesco eingesetzt. Wir haben mittlerweile wieder einen guten Gesprächsdialog instal­lieren können. Die Hoffnung besteht, dass das Weltkulturerbe für Wien durch diese Bemühungen dennoch erhalten bleiben kann.

Haus der Geschichte: ein weiterer Aspekt, den du selbst, lieber Thomas, vom Status her als Provisorium bezeichnet hast. Wir haben uns nicht nur genau angesehen, was getan werden muss, dass in diesem Jahr 2018 dieses Haus auch in einer ersten Ausstellung die Öffentlichkeit darüber informieren kann, was Geschichte und Zeitgeschichte in Österreich ist, sondern wir haben in Gesprächen mit Frau Direktor Sommer auch sichergestellt, dass es nicht dazu kommen muss, dass nächstes Jahr Personal entlassen werden muss, wie es das von dir eigentlich vorgesehene Budget implementiert hätte, sondern wir haben das so ausgestaltet, dass das Haus weiterarbeiten kann, ohne Mitarbeiter freisetzen zu müssen.

Ich danke auch dem Präsidenten des Hohen Hauses, dass wir es geschafft haben, auch die Perspektive so aufzuzeigen, dass dieses Haus eine feste Verankerung in der Republik (Abg. Wöginger: Sehr gut!) finden wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Ein kultureller Präsident!)

Zusammenarbeit mit den Bundesländern, etwas ganz, ganz Wesentliches: Wir haben den strukturierten Dialog zwischen dem Bund und den Bundesländern erstmals fixiert. Ich habe im Frühjahr zum ersten Mal im Bundeskanzleramt die Landeskulturreferenten empfangen, und wir haben darüber gesprochen, wie man den intensiven Austausch mit den Bundesländern intensivieren kann. Nicht umsonst ist das ein wichtiger Aspekt, denn 0,8 Prozent des BIPs Österreichs werden für Kunst und Kultur ausgegeben, ein Großteil davon in den Ländern.

Es gibt eine unglaubliche Fülle an Tätigkeiten, an Einzelinitiativen. Zur Herausfor­derung, zur Frage, die wir uns gestellt haben, nämlich: Wie kann man diese unter­schiedlichen Projekte gemeinschaftlich sichtbarer machen?, hat es einen eigenen Dialog gegeben. Ich bin froh, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Call für Kunst und Kultur im Jahr 2019 erstmals unter dem Thema Kunst im digitalen Raum zwischen Bund und Bundesländern ins Leben zu rufen. Fördertopf: bis zu 5 Millionen Euro; die Hälfte davon ist der Bund bereit zu übernehmen.

Biennale, eine der wichtigsten Kunstausstellungen der Welt: Österreich war de facto das einzige Land weltweit, wo der Kulturminister freihändig den Kurator, die Kuratorin herausgezogen hat. Alle anderen Länder weltweit haben entweder eine Ausschreibung oder eine Jury und damit eine professionalisierte Auswahl. Wir haben das jetzt so aufgesetzt, wie das nach internationalen Benchmarks auch üblich ist.

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Bilanz der Kunst- und Kulturpolitik dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Zusammenarbeit mit den Landeskulturreferenten, unter anderem auch mit der kulturpolitisch sehr wichtigen Bundeshauptstadt, funktioniert ausgezeichnet. Meine liebe Kollegin Veronica Kaup-Hasler und ich arbeiten ausgezeichnet zusammen, in ganz, ganz vielen verschiedenen Bereichen, egal, ob das die Sicherung der Fort­setzung für die Arbeit des Theaters in der Josefstadt, die Libellenerweiterung im Museumsquartier, die Sanierung der Secession oder die Entschuldung des Konzert­hauses ist. Überall da, wo man in der Sache gemeinsam für die Kunst und Kultur


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arbeiten kann, tun wir das auch gemeinsam. Das ist auch der Stil dieser Bundes­regierung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kumpitsch.)

Vielleicht jetzt zur Bundesmuseenkarte: Ich finde es schade, dass so intensiv auch der Umstand kritisiert wird, dass da so schnell gehandelt worden ist. Natürlich gibt es in vielen Bereichen langfristige Vorbereitungsarbeiten, aber nicht jede einzelne davon ist zu jedem Zeitpunkt präsentationsfähig; daher bitte das auch mir als politisch Verant­wortlichem zu überlassen, wann man mit welchen Informationen an die Öffentlichkeit gehen kann – nämlich erst dann, wenn die nötigen Leute informiert sind und eingebunden worden sind und letzte Probleme ausgeräumt worden sind.

Die sieben Bundesmuseen und die Nationalbibliothek sind ja so etwas wie Flaggschiffe der österreichischen Kunst- und Kulturszene, und ein Teil der Aufgaben ist es natürlich auch, dass die Kunstschätze dort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wir haben versucht, uns Gedanken darüber zu machen, wie dieser Auftrag noch besser erfüllt werden kann, obwohl das ehrlicherweise schon wirklich gut funktioniert. Nicht umsonst gibt es im Jahr 2017 einen Besucherrekord: insgesamt 5 629 138 Be­suche­rinnen und Besucher im Jahr 2017, das ist ein Plus von 7 Prozent gegenüber dem Jahr 2016. – An dieser Stelle ein herzliches Danke allen Verantwortlichen in den Bundesmuseen und der Nationalbibliothek für diese ausgezeichnete Tätigkeit! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Herbert.)

Wir haben uns aber auch überlegt, wie man weitere ergänzende Angebote schaffen kann, damit eben noch mehr Menschen in Österreich die Kunst- und Kulturschätze sehen können, und dabei war mir wichtig, erstens eine wirtschaftlich realisierbare Variante zu wählen und diese gemeinsam auch mit den Verantwortlichen der Bun­desmuseen zu erarbeiten. Da war ihnen auch wichtig, dass die neuen Angebote ergänzend und nicht verdrängend stattfinden müssen, und deswegen haben wir uns für dieses Modell entschieden, das Sie ja schon breit erörtert haben.

Ich darf noch einmal die Eckpunkte ergänzen: ein Eintritt pro Bundesmuseum und ÖNB; in den Haupthäusern Gültigkeit ein Jahr ab Kaufdatum; individualisiert, also nur mit Lichtbildausweis; Kosten: 59 Euro, also 44 Prozent billiger als alle Tagestickets miteinander; erhältlich in allen Bundesmuseen und der ÖNB ab jetzt – ein perfektes Weihnachtsgeschenk und eine super Ergänzung zu den Angeboten, die es bereits gibt. Ein herzliches Danke an alle, die daran mitgearbeitet haben, das realisieren zu können! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Diesner-Wais.

Zuvor erfolgt aber noch eine tatsächliche Berichtigung. – Bitte.


15.35.46

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Danke, Herr Präsident. Ich sehe mich nicht nur zu einer tatsächlichen Berichtigung, sondern letztendlich zu zwei tatsäch­lichen Berichtigungen veranlasst.

Herr Bundesminister! Du hast behauptet, ich hätte gefordert, dass 12 Millionen Euro an das Volkstheater überwiesen werden. – Das ist nicht richtig.

Tatsächlich habe ich gemeinsam mit meinem damaligen Regierungskollegen Hans Jörg Schelling einen Brief geschrieben und eine Zusage abgegeben. Wir konnten es budgetär nicht vorsehen, weil es zu diesem Zeitpunkt kein Budget gab, weil die ÖVP die Koalition aufgekündigt hat.


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Die zweite Berichtigung betrifft sozusagen das Budget des Hauses der Geschichte: Es gab kein Budget für das Haus der Geschichte. Dadurch konnte auch kein von mir vorgesehenes Budget zu Entlassungen geführt haben. Auch das ist eine Unterstellung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Eine gute Berichtigung! Eine Klarstellung!)

15.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


15.36.36

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Österreich ist ein reiches Land, reich an vielen Ressourcen, die wir haben. Das hebt uns auch von den anderen Ländern ab, und das besonders in der Kulturgeschichte und im kulturellen Reichtum. Ein beson­deres Angebot sind unsere Bundesmuseen und auch die Nationalbibliothek, wo es eine große Vielfalt gibt, die weltweit einzigartig ist.

Daher möchte ich das wirklich begrüßen, dass in Gemeinsamkeit von Ministerium, den Bundesmuseen und der Nationalbibliothek jetzt eine Kooperation entstanden ist, sodass es eben eine Eintrittskarte gibt.

Herr Kollege Drozda, es gibt immer etwas auszusetzen und es ist immer etwas zu wenig, aber ich denke, es ist einmal ein guter Anfang, und man kann das Ganze ja noch anschauen und auch noch verbessern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein wichtiger Punkt ist, glaube ich, dass es in den Häusern auch schon Jahreskarten gibt – wie etwa im Kunsthistorischen Museum –, die eigentlich sehr gut funktionieren, und da soll es jetzt nicht so sein, dass wir denen Konkurrenz machen und diese Erfolgsbilanz sozusagen zunichtemachen.

Der Herr Minister hat es ja schon angesprochen, das letzte Jahr war ein besonderes Jahr, denn die Besucherzahlen haben einen Rekord erreicht: über fünf Millionen Be­sucher – eine Zahl, die es bisher noch nicht gegeben hat, und das ist etwas ganz Gutes, dass die Menschen an unserer Geschichte, an unseren Museen so interessiert sind.

Ich darf noch einmal auf die neue Karte, die es jetzt für die Museen gibt, zu sprechen kommen: Das ist schon eine tolle Geschichte, denn man erhält mit einer Karte je einmal Zutritt zu acht Museen, und das kostet nur 59 Euro – das ist eine Ermäßigung um 44 Prozent gegenüber den Einzeleintritten. Und weil die Jugend und die Lehrlinge angesprochen wurden: Jugendliche bis 19 Jahre haben ohnedies freien Eintritt, und zwei Drittel aller Lehrlinge sind unter 19 Jahre und haben damit ebenfalls freien Eintritt.

Diese Karte ist ein besonderer Anreiz, sage ich einmal, für unsere Familien, denn dadurch, dass die Kinder so und so freien Eintritt haben, ist es natürlich auch für die Eltern attraktiv, mitzugehen. Es steht ja gerade Weihnachten bevor, und so kann ich Ihnen diese Karte allen ans Herz legen: Sie ist ein schönes Weihnachtsgeschenk. Machen Sie reichlich davon Gebrauch!

Ich möchte noch einmal wiederholen, dass es jetzt eine Testphase ist, dass man alles noch verbessern kann und dass auch hier diese Möglichkeit besteht. Zusammen­fassend möchte ich sagen, es ist ein erfolgreicher Beginn der Zusammenarbeit unserer Museen und der Nationalbibliothek unter dem Motto: eine Karte für alle. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.39

15.39.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.


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Wünschen die BerichterstatterInnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden einzelnen Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: die dem Ausschuss­bericht 402 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „einer für jeweils ein Jahr geltenden gemeinsamen Eintrittsmöglichkeit zu den Bundesmuseen und der Österreichischen Nationalbibliothek“ anzunehmen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 48)

Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 401 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer den Bericht zur Kenntnis nimmt, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen.

Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 403 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wiederum ersuche ich die Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 404 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist wiederum die Mehrheit, damit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Kultur­ausschusses, seinen Bericht 405 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist auch jetzt nicht einstimmig, das ist mehrstimmig. Angenommen.

Danke schön.

15.41.4014. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 502/A(E) der Abgeordneten Maria Großbauer, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Kunst und Kultur in Österreich durch Intensivierung des Aus­tauschs und verbesserte Abstimmung zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich (406 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 14.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


15.42.06

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Aus der Serie Verhöhnung des Parlaments diskutieren wir jetzt einen weiteren No-na-Antrag der Regierungsfraktionen. Was beinhaltet dieser Antrag? – Also in der Begründung wird der Minister gelobt, weil er den Dialog mit den Bundesländern und den dort verant­wortlichen Kulturinteressierten gesucht und geführt hat. Im Antrag selbst wird er aufgefordert, diesen Dialog weiterzuführen.

Dazu kann ich nur sagen: Bisher haben alle Minister und Ministerinnen – und ich bin lange genug im Parlament, um das bestätigen zu können – diesen Dialog geführt.


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Außerdem steht dieser Dialog im Regierungsprogramm, und ich glaube, es braucht keinen Entschließungsantrag seitens des Parlaments, dass Sie die Regierungs­auf­gaben, die Sie sich selbst gestellt haben, erfüllen. Sie brauchen es einfach nur zu tun, Sie brauchen dazu eigentlich überhaupt nichts vom Parlament zu hören. Wozu also diese No-na-Anträge?

Die Regierungsfraktionen haben im letzten Jahr vier lächerliche Anträge im Kultur­bereich eingebracht; einer nichtssagender als der andere, dabei wäre so viel zu tun.

Was sind die Baustellen? – Bundesdenkmalamt: nichts gemacht; Museumspolitik: nichts gemacht, wenn man jetzt von dieser Jahreskarte absieht; Baukultur: nichts ge­schehen; Urhebervertragsrecht: nichts passiert; soziale Absicherung der Kunstschaf­fenden: nichts geschehen. Wir brauchen nicht weiter aufzuzählen, Herr Minister, Sie haben ja selbst eine Bilanz gezogen, die für sich selbst gesprochen hat!

Sie haben nichts gemacht! Ich bin jetzt seit 14 Jahren Kultursprecher, aber ich muss sagen, ich habe noch nie eine Regierung erlebt, die im Kulturbereich so wenig gemacht hat. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

15.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stark. – Bitte.


15.44.03

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben in diesen Tagen die Katastrophenhilfe für den kleinen Ort Gasen in der Steiermark beschlossen (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Gut so!), weil Gasen wiederholt von Katastrophen heim­gesucht wurde und die Menschen dort wirklich verzweifelt waren. Zwei Mal gab es starke Hochwässer, die Menschen waren dort am Ende ihrer Kräfte. Aber die Regie­rung und das Parlament helfen, und das freut mich als regionalen Abgeordneten sehr, und die Menschen dort verlieren auch nicht ihren Mut.

Ich war vor Kurzem bei einem Adventkonzert in der kleinen Pfarrkirche in Gasen und habe dort ein Stück Kultur erleben dürfen und ich habe erleben dürfen, wie die Men­schen durch diese Kultur, durch dieses Angebot auch wieder Kraft geschöpft haben, wie sie daraus wieder Lebensfreude gewonnen haben – in einer Phase, in der sie diese Lebensfreude, diese Kraft sicher gut brauchen können. Gespielt haben übrigens Musikerinnen und Musiker aus Oberösterreich, also es hat auch da einen bundeslän­derübergreifenden Austausch gegeben.

Meine Damen und Herren, das ist nur ein Beispiel von Hunderten und wahrscheinlich Tausenden im ganzen Land, es unterstreicht aber, dass Kultur der Kleister des ge­sellschaftlichen Zusammenhalts ist, dass Kultur Nahrung für den Geist und Balsam für die Seele, Ansporn für die Fantasie, dass Kultur der Motor der Kritikfähigkeit ist und ein Turbo für die Empathie und ein Ausdruck der Vielfalt und so weiter und so weiter. Der Mensch ist ein kulturelles Wesen, und ohne Kultur wären wir unkultiviert; wie man bei der Diskussion zu Beginn der heutigen Sitzung hier in diesem Hohen Haus da und dort leider auch erkennen musste. (Zwischenruf des Abg. Drozda.)

Kollege Zinggl, Sie haben von einem No-na-Antrag gesprochen. Das zeigt vielleicht Ihr zentralistisches Wiendenken, ich aber finde es gut, wenn der Bundesminister vom Parlament einen kulturpolitischen Auftrag bekommt, um diesen länderübergreifenden Austausch zu forcieren. Das ist unser gutes Recht und das sollten wir auch tun und den Bundesminister bei dieser Arbeit unterstützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Österreich ist stolz auf seine Hochkultur, und das zu Recht. Wir brauchen diese Kultur von Bregenz bis zum Neusiedler See und von Litschau in Niederösterreich bis nach Vellach in Kärnten, durch die Bank. (Ruf bei JETZT: Gramatneusiedl!) Wenn wir wollen, dass dort Leben passiert, dann brauchen wir in all diesen Orten und Gegenden Arbeitsplätze, vitale Gemeinden mit guter Infrastruktur, Fachkräfte, das Ehrenamt, ärztliche Versorgung und so weiter, und wir brauchen dort auch Kultur. Wenn wir wollen, dass in diesem Land der gesellschaftliche Frieden forciert und gefördert wird, dass die Menschen miteinander gut leben können und wir in einem guten sozialen Klima leben dürfen, dann braucht es ein flächendeckendes kulturelles Angebot, ein österreichweites Verständnis zum kulturellen Dasein, kulturelle Initiativen, kulturelle Basisausbildungen in den Schulen und Musikschulen.

Das, meine Damen und Herren, muss das Ziel unseres Landes, muss das Ziel auch des Parlaments sein. Ich danke Kollegin Großbauer und Kollegen Rosenkranz für ihren Antrag, unseren Minister bei dieser Arbeit zu unterstützen. Ich bin auch froh, dass Kulturminister Blümel bereits erste Gespräche mit den Landeskulturreferenten geführt hat. Diese verstärkte kulturelle Zusammenarbeit ist gut, gut für das Klima in diesem Land, und auch wir, meine Damen und Herren, sollten Vorbild für dieses Klima in unserem Land sein. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Hammerschmid ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.48.34

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich ist eine Kunst- und Kulturnation – dank herausragender Leistungen unserer Kunst- und Kulturschaffenden, das möchte ich einmal explizit auch hier an dieser Stelle erwähnen, dank unserer Ausbildungsstätten, die weltweit zu den besten gehören, zum Beispiel die Musikuniversität hier in Wien, und natürlich dank des hohen finanziellen Engagements von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden, und das ist gut so.

Zu tun ist wahrlich viel, Kollege Zinggl hat es schon angesprochen. Ich möchte diese Zinggl-Liste weiter ergänzen, was alles eigentlich unter den Nägeln brennt und zu tun wäre.

Digitalisierung: Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrem Bericht selbst angesprochen, dass das auf Ihrer Agenda steht, deshalb erspare ich sie mir.

Soziale Situation der Kunst- und Kulturschaffenden: Da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben. Prekäre, diskontinuierliche Arbeitsverhältnisse, unsichere Einkommens­per­spektiven, mangelnde soziale Absicherung: Dass das alles gegeben ist, zeigt eine noch vom ehemaligen Kulturminister Thomas Drozda beauftragte aktuellen Studie zur sozialen Lage. Darin sind die Handlungsfelder für die öffentliche Hand ganz klar aufgespannt.

Filmwirtschaft – nächstes Thema –: Auch da besteht enormer Abstimmungsbedarf zwischen Bund und Ländern. Schon allein die Förderlandschaft ist unglaublich divers, was der Rechnungshof ja auch ganz, ganz klar aufgezeigt hat. Er mahnt eine genauere Abstimmung ein.

Aber damit nicht genug: Der neue Film Gender Report – und ich komme explizit auf dieses Genderthema zurück, weil wir hier das Frauenvolksbegehren unter ministerieller Ignoranz diskutiert haben; darum komme ich auf dieses Frauenthema zurück (Beifall bei der SPÖ – Abg. Zanger: Das hat ja sogar die Bevölkerung ignoriert!) – zeigt eklatante und in allen Bereichen ungleiche Geschlechterverhältnisse auf. Frauen erhal-


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ten weniger Filmförderungen, sie werden schlechter bezahlt. Nur jeder fünfte Kino­spielfilm wird von einer Frau inszeniert. Obwohl Filme von weiblichen Regisseurinnen überproportional häufig prämiert werden, erhalten sie weniger Preisgelder, et cetera, et cetera, et cetera.

Der Bund könnte mit den Ländern gemeinsam die Weichen für eine gendergerechte Filmförderung Neu stellen und sich Anleihen bei Vorzeigeländern wie Schweden, Irland, Spanien oder Frankreich nehmen. Es gibt wirklich genug zu tun.

Skurril finde ich diesen Entschließungsantrag. Es ist schon bemerkenswert, wie niedrig die Erwartungen Ihrer Fraktion, der ÖVP, an ihren Kulturminister sind, dass Sie ihn ersuchen – und das wörtlich! –, ersuchen müssen, mit den Landeskulturreferenten den Austausch voranzutreiben; da ist noch gar nicht die Rede von Strategie­ent­wicklung, von Maßnahmenentwicklung, von Harmonisierung von Förderungen zur weiteren Stärkung unserer Kunst- und Kulturschaffenden. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Herr Bundesminister! Das ist in der Job Description enthalten, das ist das Selbst­verständnis eines Bundesministers/einer Bundesministerin, dass er/sie den Austausch mit den Ländern sucht, pflegt und vorantreibt. Handeln Sie, tun Sie und machen Sie bitte! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

15.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Wassermann ist zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Zanger: Müssen wir dich jetzt auch gendern? Frau Wasser­frau?)


15.52.07

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Bundesländern ist ganz besonders wichtig. Wenn man sich aber die monetäre Entwicklung des Kunst- und Kulturbudgets im Bundesländervergleich ansieht – und da denke ich jetzt speziell an Kärnten –, dann muss man feststellen, es gibt eine Unterfinanzierung ohne Inflationsausgleich. Kärnten ist hier Schlusslicht mit nur 0,51 Prozent vom Gesamthaushalt, das sind 19 Millionen Euro, und das auch noch, wenn die Musikschulen und die Konservatorien nicht berücksichtigt sind. Dieses Budget ist einfach zu niedrig. Da hilft es auch nichts, wenn man, wie am vergangenen Montag, den Kunst- und Kulturpreis an einen Psychologen und – wenn ich das persönlich so nennen darf – einen FPÖ-Hasser, nämlich an Klaus Ottomeyer, verleiht. Das hilft auch nicht viel. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu Recht wird die Kunst- und Kulturpolitik des Landes Kärnten kritisiert, nämlich vom slowenischen Kulturverband, und da möchte ich heute eine Brücke bauen. Die Kolleginnen und Kollegen und Kunstschaffenden fordern mehr Einsatz, mehr Mut und nicht nur Brösel für freie Kulturinitiativen:

„Zahtevamo vetschneme vetschpoguma / Innele Drobtinize / Za svobodne kulturne initiative“

Diese Offenheit, die wir Freiheitlichen leben, würde ich mir auch von den Nachbarn wünschen, dass sie die deutschsprachige Minderheit auch anerkennen. Für diese Offenheit steht die FPÖ, und sie ist für uns auch selbstverständlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ohne Rücksprache mit dem Bund werden auch viele Projekte fixiert, worunter Österreichs Reputation zum Teil leidet. Ich denke da an das Projekt Wald im Stadion. Österreich gehört zu den waldreichsten Staaten Europas, wir haben viele, viele grüne


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Flächen, 47 Prozent österreichweit, 60 Prozent allein in Kärnten, und daher muss ich schon ganz klar sagen, dass wir von der FPÖ Nein zu dieser Steuergeld­ver­schwendung sagen. Wir geben keinen Cent Steuergeld für die Pflanzung von Laubbäumen im Wörthersee Stadion aus – das ist für uns Steuergeldverschwendung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe SPÖ, man kann nicht auf der einen Seite davon sprechen, dass man sich für den kleinen Mann einsetzt, und zum anderen 400 000 Euro Kunstförderung an einen Winkler-Vorlass, der ein Österreichbeschimpfer ist, überweisen und vielleicht 100 000 Euro Steuergeld für einen Wald im Stadion ausgeben. Das passt mit Ihren Werten offensichtlich nicht ganz zusammen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

In diesem Sinne kann ich nur an Sie appellieren: Ich würde mir wünschen, dass Sie alle die bevorstehende Weihnachtszeit dazu nützen, Bräuche, Sitten und Traditionen zu leben und auch wieder ein bisschen den Adventgedanken aufkommen zu lassen, sodass die stille Zeit auch Ihre Sinne wieder schärfen möge. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Blümel. – Bitte.


15.55.37

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Hohes Haus! So selbstverständlich wie das jetzt viele genannt haben, ist diese intensive Kooperation zwischen allen Bundesländern und dem Bund nicht. Es ist nicht unbedingt so, wie man da tut, denn nicht umsonst hat es bis dato noch nie so eine Initiative gegeben, wie wir sie dieses Jahr ins Leben gerufen haben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Was ist die Idee dahinter? – Die Idee dahinter ist, sich am Vorbild des Gedenk- und Erinnerungsjahres ein Beispiel zu nehmen. Was war dieses Modell? – Wir haben gewusst, dass in diesem Jahr sehr, sehr viele Veranstaltungen und Initiativen statt­finden, die sich mit dem Gedenk- und Erinnerungsjahr beschäftigen; über Österreich weit hinaus viele kleinteilige Initiativen in den verschiedensten Bereichen. Und dafür hat es einen eigenen Topf gegeben, einen eigenen Beirat unter dem Vorsitz von Bundespräsident außer Dienst Fischer, der das sehr großartig gemacht hat, wo all diese Initiativen zum Thema Gedenk- und Erinnerungsjahr ihre Projekte einreichen konnten. Dadurch ist der Effekt entstanden, dass diese kleinteiligen Initiativen, die sonst vielleicht untergegangen wären, eine erhöhte Sichtbarkeit und Visibilität bekom­men haben.

Wir haben uns gedacht, das könnte doch generell ein Vorbild für ganz Österreich sein. Es passiert extrem viel im künstlerischen Bereich, im kreativen Bereich oft sehr, sehr kleinteilig. Klar, dass die Medien nicht über jedes einzelne dieser Projekte berichten können, klar, dass es oft leider Gottes viel zu wenig beachtet wird, aber wir haben uns gedacht: Da hier ohnehin viel Geld ausgegeben wird – wieso nicht einen Teil davon bündeln, unter ein gemeinsames Motto stellen, einen gemeinsamen Beirat zwischen Bundesländern und dem Bund einrichten? Dann können Länder unter einem Thema darauf zugreifen.

Wir haben uns für das Thema Kunst im digitalen Raum entschieden. Warum? – Das ist ein Bereich, der noch bis zu einem gewissen Grad in den Kinderschuhen steckt, wenn ich beispielsweise an virtuelle Realitäten denke. Man kann mit sehr kleinen Geld­beträgen Kreativen, die in dem Bereich tätig sind, sehr stark weiterhelfen.


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Wenn wir es schaffen, durch diese Anschubfinanzierung, durch diese Förderungs­mög­lichkeiten die Initiativen so zu intensivieren und zu stärken, dass Österreich in diesem Bereich vielleicht ein Vorreiter werden könnte, dann hat sich das jedenfalls gelohnt.

Das ist die Initiative, und ich bedanke mich bei den Landeskulturreferentinnen und -referenten der Bundesländer, dass auch der gemeinsame Wille zur Umsetzung da ist. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.58

15.58.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann darf ich zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 406 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Förderung von Kunst und Kultur in Österreich durch Intensivierung des Austauschs und verbesserte Abstimmung zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich“ kommen.

Wer dem die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen dafür. – Das ist mehr­stimmig angenommen. (E 49)

Ich danke.

15.58.5515. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 476/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesmuseum Leopold (399 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 411/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haus der Kul­turen (400 d.B.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 15 und 16, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Frau Abgeordnete Kucharowits an das Rednerpult bitten.


15.59.32

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich spreche zu den beiden Anträgen des Kollegen Zinggl und würde gerne mit dem Antrag betreffend Leopold-Museum beginnen.

Letzte Woche gab es eine Bilanz vom Leopold-Museum, was das Jahr 2018 anbelangt: Bis zum Jahresende 2018 werden über eine halbe Million Besucherinnen und Be­sucher erwartet. Das ist ungemein erfolgreich und eine Steigerung im Vergleich zum letzten Jahr von rund 37 Prozent.

Wie schon im Ausschuss argumentiert, ist das Leopold-Museum derzeit als Privat­stiftung organisiert, die jährlich Förderungen erhält und in der der Bund natürlich auch im Vorstand vertreten ist. Mit dieser Organisationsstruktur läuft es unserer Meinung nach ganz gut und ganz erfolgreich, wie auch diese Bilanz zeigt, und wir sehen nicht


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wirklich einen Mehrwert darin, diese zu verändern – zum einen, weil das vielleicht auch ein Schritt für diverse andere Stiftungen wäre, das heißt, eine Art präjudizielle Wirkung für andere Stiftungen hätte; und zum Zweiten sehen wir nicht wirklich einen Mehrwert für die Besucherinnen und Besucher, dass dadurch für sie etwas besser werden sollte. Das ist das eine; deswegen haben wir den Antrag bereits im Ausschuss abgelehnt.

Zum zweiten Antrag, der jetzt auch zur Debatte steht, der Forderung nach einem eigenständigen Haus der Kulturen: den können wir sehr, sehr gut unterstützen. Die Vorstellung besteht darin, ein Haus der Kulturen auf die Beine zu stellen, das sich aus Beständen bestehender Museen und Sammlungen speist, wie des Weltmuseums, des Volkskundemuseums und diverser anderer Sammlungen. Das ist auch gut im Antrag angeführt. Wir denken, es ist eine sehr reizvolle Idee, ein eigenständiges Haus der Kulturen zu realisieren.

Es ist aber nicht nur reizvoll, sondern es ist unserer Meinung nach auch sehr wichtig, gerade in der heutigen Zeit und gerade angesichts der aktuellen Debatten rund um Migration, etwaige Stigmatisierungen, was die eigene Identität anbelangt. Wir halten es für ganz, ganz zentral, die unterschiedlichsten Kulturen in einem gemeinsamen, in einem eigenständigen Haus zu präsentieren, und unterstützen das. Herr Minister, vielleicht ändern Sie ja jetzt noch Ihre Meinung dazu, im Ausschuss haben Sie sich nicht so begeistert davon gezeigt.

Für das Haus der Kulturen gibt es auch internationale Beispiele, sowohl in Europa als auch außerhalb Europas, die zeigen, wie das gut gelingen kann. Es muss halt eine Einrichtung werden, die einen niederschwelligen Zugang für alle bietet, für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, und nicht unbedingt nur für jene, die womöglich wöchentlich oder monatlich Kunst und Kultur genießen. Also es soll wirklich niederschwellig erreich­bar sein und Kunst und Kultur für alle erlebbar machen.

Wir haben den Antrag bereits im Ausschuss unterstützt und tun das natürlich auch heute. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Engelberg ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.02.45

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Es geht jetzt um den Antrag, dass das Leopold-Museum, die Stiftung, in ein Bundesmuseum umgewandelt werden soll. In dieser vielleicht gar nicht so bedeutungsvollen Frage versteckt sich schon ein bisschen auch eine größere Frage. Ich denke, dass es da fast um eine kulturpolitische Diskussion geht.

Letztlich darf man nicht vergessen, es ist ja nicht ohne Grund so, dass die Sammlung Leopold in eine Stiftung eingebracht wurde. Man könnte sagen, es ist ein eigenes Kunstwerk für sich. Es umfasst die größte und bedeutendste Schielesammlung der Welt. Die Umwandlung in ein Bundesmuseum hätte ja einige Implikationen. Das, was mich oder uns wohl am meisten stört, ist folgender Aspekt: Bei einem Bundesmuseum geht es natürlich gleich um Einfluss, um Einflussmöglichkeit, um Macht, um die Möglichkeit, zum Beispiel auch Kunstwerke aus dieser Sammlung rauszunehmen und in andere Bundesmuseen zu verlegen. (Abg. Bösch: Ins eigene Büro!) Und das ist dem, was sich diese Bundesregierung und was sich auch der Herr Bundesminister vorgenommen hat, eigentlich genau entgegengesetzt.

Wir haben in der Regierungserklärung ganz klar gesagt, wir stehen zu dem Motto der Secession: Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit. Der Herr Bundesminister hat in seinen ersten Interviews wiederholt gesagt, dass er oder wir nicht Politik mit Kunst und


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Kultur machen wollen, sondern wir wollen Politik für Kunst und Kultur machen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das heißt, es geht uns nicht darum, eine eigenständige Stiftung, die, wie meine Vorrednerin auch gesagt hat, eigentlich sehr erfolgreich funktioniert, in den Einflussbereich der Politik zu ziehen; ganz im Gegenteil, wir wollen dafür sorgen, dass das möglich ist, dass Mäzenatentum gefördert wird und dass das unabhängig bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein bisschen versteckt im letzten Absatz findet sich die Andeutung, dass es da auch Probleme im Zusammenhang mit dem Kunstrückgabegesetz gegeben hat. (Abg. Neubauer: Das ist es! Das ist es!) Das hat schon auch seine Bewandtnis, das war tatsächlich ein Thema, allerdings ist das schon von vorgestern. Wir wissen, dass der Stifter, Herr Leopold senior, der nicht mehr lebt, vielleicht nicht die Offenheit hatte, sich diesem Thema zu stellen. Dazu muss man aber sagen, dass es in der Zwischenzeit, vor allem auch durch den Sohn Diethard Leopold, zu einer klaren Änderung in der Haltung des Museums gekommen ist. Es gibt eine ganz klare Willenserklärung des Leopold-Museums betreffend Provenienzforschung und auch betreffend Lösung aller problematischen Fälle.

In der Zwischenzeit, nach dieser Diskussion im Kulturausschuss, wo ich das auch schon argumentiert habe, habe ich mich noch einmal überzeugt: Es ist tatsächlich so, dass praktisch alle wirklich wichtigen problematischen Fälle gelöst sind, und dort, wo es noch Handlungsbedarf gibt, nimmt die Leopold-Stiftung ihre Aufgabe sehr verantwortungsvoll wahr, führt mit allen Beteiligten sehr sachliche Gespräche und sucht nach gemeinsamen Lösungen.

Es besteht hier ein bisschen der Verdacht, dass unter dem Deckmantel eines schein­baren Moralismus eigentlich ein kleiner Versuch gestartet wurde, in Richtung des Konzepts – sagen wir – Staatskultur versus Kulturliberalismus einen Akzent zu setzen, da vielleicht sogar ein Präjudiz zu schaffen. Ich denke, wir können daher dieses Ansinnen aus ganzem Herzen ablehnen und sind daher gegen diesen Antrag auf Umwandlung der Leopold-Stiftung in ein Bundesmuseum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Da meine Redezeit schon abgelaufen ist, nur noch kurz zu dem Antrag betreffend ein Haus der Kulturen: Wir sind der Meinung, dass das so wunderbar funktioniert und da nicht unbedingt eine zentrale Anstalt geschaffen werden muss. Es gibt das Welt­museum, es gibt das Volkskundemuseum, es gibt den Sammlungsbereich des Natur­historischen Museums, auch des Leopold-Museums. Es gibt also eigentlich jede Menge Gelegenheit für Beschäftigung mit den unterschiedlichen Kulturen, mit Volkskunde, Ethnologie. Die Gründung einer zentralen Institution, eines Hauses der Kulturen, würde unserer Meinung nach keinen Sinn machen und ist daher auch nicht geplant. – Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Zinggl ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.07.53

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Ja, seit Jahren liegen viele Anträge, Konzepte zum Thema Museumsreform von mir vor. Sämtliche Minister bisher – ich nehme an, auch Sie, Herr Minister – sind der Ansicht gewesen, dass da ein Reformbedarf besteht. Es sind ja auch viele Studien in Auftrag gegeben worden, zuletzt ist auch ein Weißbuch erstellt worden. Passiert ist nichts.


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Was sind die drei wichtigen Kapitel der Museumsreform? – Das sind erstens Synergien in der Verwaltung, deren Nutzung dringend notwendig wäre, zweitens handlungsfähige Aufsichtsräte, die fehlen, und drittens, und das ist das Wichtigste, die elende Ver­mischung der Aufgaben aller Bundesmuseen. Da wird gesammelt und präsentiert, jeder macht, was er will, längst schon wird das Bundesmuseen-Gesetz total ignoriert, wie zuletzt im Zusammenhang mit der Schenkung von Teilen der Sammlung Essl, die Sie selbst erwähnt haben, Herr Minister. Sie sind ja daran beteiligt, das Bundes­museen-Gesetz wird ignoriert. In § 13 der Museumsordnung wird ganz deutlich vorgeschrieben, was die Albertina zu sammeln hat. Die Schenkung ist okay, aber im falschen Museum gelandet – und dafür sind Sie leider mitverantwortlich.

So, und was fehlt jetzt? – Es fehlen ja wichtige Dinge. Wir haben vier Museen, die österreichische Gegenwartskunst sammeln, wenn wir jetzt das Leopold-Museum aus­klammern, weil es ja de facto kein Bundesmuseum ist – in Wirklichkeit ist es natürlich eines, weil es vom Bund finanziert wird und auch unter der rechtlichen Kontrolle steht; aber sollen es vier sein. Wir haben vier Museen, die österreichische Gegenwartskunst sammeln; dafür fehlt uns so etwas wie ein Haus der Kulturen, das es in fast jedem Land gibt, in dem kulturvergleichende Präsentationen stattfinden, die wir dringend notwendig haben.

Herr Kollege Engelberg, Sie sagen, das leistet das Weltmuseum. Das Weltmuseum steht unter der Kuratel des Kunsthistorischen Museums, und das geht einfach nicht! Auch um finanzielle Zuwendungen müssen sie jedes Mal betteln, wie zuletzt bei der wirklich tollen Ausstellung „Das Kopftuch“, da haben sie 160 000 Euro erbettelt. Dafür hat das Kunsthistorische Museum aber zur gleichen Zeit eine Ausstellung mit Wes Anderson, einem Gegenwartskünstler – das ist eigentlich gar nicht der Aufgaben­bereich des Kunsthistorischen Museums – um 700 000 Euro gemacht. Gehen Sie ein­mal in beide Ausstellungen hinein und vergleichen Sie!

Da fehlt es an einer leitenden Struktur, da fehlt es an den Konzepten, und da fehlt es an einer Kulturpolitik. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

16.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.


16.10.29

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist bemerkenswert, dass der Vorredner, Kollege Zinggl, zu seinem eigenen Antrag betreffend das Leopold-Museum gar nichts gesagt hat. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) Ich denke, das wäre schon wichtig gewesen. Nach den Vorwürfen, die Sie, Herr Kollege, im Ausschuss gegenüber dem Leopold-Museum erhoben haben, finde ich das bemerkenswert. Sie haben nämlich im Ausschuss gesagt, dass Sie diesen Antrag deshalb stellen, weil das Kunstrück­gabegesetz beim Leopold-Museum in Sachen Restitution und Provenienzforschung nicht angewendet werden kann, und haben damit dem Leopold-Museum quasi unter­stellt, man würde sich nicht ausreichend um diese Fragen bemühen. Wir haben uns das angesehen und sind der Meinung, dass das eine komplette Fehleinschätzung und Fehlbeurteilung ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben vielmehr feststellen können, dass das Leopold-Museum in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Provenienzen seiner Kunstwerke um größtmögliche Trans­parenz bemüht war und dass die Leopold-Museum-Stiftung auch der Washington Conference on Holocaust-Era Assets von 1998 gerecht wird. Bereits 2008 hat das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur mit dem Leopold-Museum eine


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gemeinsame Provenienzforschung eingerichtet, und die Ergebnisse werden permanent öffentlich gemacht, wodurch völlige Transparenz in dieser Provenienzforschung erzielt wird.

Ich hätte mir von Ihnen eigentlich nicht erwartet, dass Sie ein tolles Museum, eine tolle Kultureinrichtung der Republik Österreich hier an den Pranger stellen – zu Unrecht, wie ich meine. Deshalb werden wir Ihren Antrag auch ablehnen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Blümel. – Bitte.


16.12.44

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurz zur Kritik des Herrn Abgeordneten Zinggl, dass die Sammlung Essl im falschen Museum gelandet ist und dass das nicht mit dem Sammlungsauftrag zusammenpasst: Na ja, wenn ein Mäzen bereit ist, einen Gutteil seiner Sammlung der Republik zu schenken, aber sagt, weil er die Arbeit dieses besonderen Hauses so sehr schätzt, dass er möchte, dass sie in dieses Haus geht, dann kann man sich als Republik über­legen, ob man sagt: Sorry, wir wollen diese Kunstwerke von höchstem Wert nicht, circa 90 Millionen Euro, weil sie nicht zu hundert Prozent in den Sammlungsauftrag passen!, oder ob man dem Direktor – nachdem er die persönliche Beziehung zum Sammler aufgebaut hat, nachdem er sich darum bemüht hat, dass das zustande kommt – die Freiheit gibt, zu sagen: Ja, sowohl der Eigentümer als auch ich als Direktor und andere wollen gemeinsam daran arbeiten, dass die Republik diese Sammlung geschenkt bekommt! Da bin ich der Meinung, dass man das auch zulassen sollte. Ich akzeptiere es aber, dass Sie eine andere Meinung haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Noch kurz zu Ihrer Kritik, in Sachen Museumsreform tue sich nix, obwohl es da ein Weißbuch gebe, und so weiter; also vielleicht einmal ganz prinzipiell: Das Weißbuch ist eine gute Grundlage für eine strategische Weiterentwicklung der Bundesmuseen, es ist aber keine Entscheidungsgrundlage, denn für eine Entscheidungsgrundlage bräuchte man auch wirtschaftliche Zahlen. Im Weißbuch selbst steht hinten drinnen, dass die kurze Zeit für eine genaue Bezifferung von wirtschaftlichen Auswirkungen der einzel­nen Modelle nicht ausgereicht hat.

Da mir sehr viel daran liegt, eine möglichst professionelle Arbeit zu leisten, ist es für mich klar, dass wir zuerst diese Zahlen brauchen, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben. Das gestaltet sich herausfordernder, als ich das ursprünglich angenommen habe, denn was ich nicht gewusst habe, ist, dass wir zum ersten Mal seit der Ausgliederung diese Zahlen in der Tiefe, in der wir es brauchen, um eine wirtschaft­liche Entscheidungsgrundlage zu haben, prüfen und hinterfragen. Das nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch, dafür bitte ich Sie um Verständnis, aber bevor diese Zahlen nicht auf dem Tisch liegen, möchte ich keine so weitreichende Entscheidung treffen.

Die Zielsetzung, die ich bei dieser internen Zahlenrevision vorgegeben habe, ist klar: Erstens soll mehr Geld für die Kernaufgaben zur Verfügung gestellt werden, ohne das Budget zusätzlich zu belasten, und zweitens wollen wir auch weiterhin keine inhaltliche Einmischung und keine Einmischung in die wissenschaftliche Arbeit der Bundes­museen, denn das funktioniert sehr, sehr gut. – Vielen Dank.

16.15

16.15.39



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 167

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das erkenne ich nicht.

Daher gelangen wir zur getrennten Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 15 und 16.

Ich komme zuerst zu Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Kulturausschusses, sein­en Bericht 399 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Kulturaus­schusses, seinen Bericht 400 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrstimmig angenommen.

16.16.2317. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 350/A(E) der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Studie zur Evaluierung der Buchpreisbindung (407 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 17.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.16.42

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Herr Minister! Den Kolleginnen und Kollegen im Kulturausschuss ist die Diskussion eh bekannt; meine Redezeit ist etwas beschränkt, aber dennoch möchte ich darauf Bezug nehmen, auch auf die Presseaussendung.

Wir haben einen Antrag auf Durchführung einer Studie zur Evaluierung der Buch­preisbindung gestellt. Ich weiß nicht, ob du, lieber Herr Minister, einfach einmal kultur­politische Akzente setzen wolltest, weil du am nächsten Tag eine Presseaussendung hinausgedonnert hast: Die NEOS und der Schellhorn wollen die Buchpreisbindung abschaffen. – Stimmt nicht ganz!

Ich habe mir das Regierungsprogramm noch einmal angesehen: Darin findet sich 123 Mal das Wort Evaluierung. Unser Antrag bezieht sich nämlich auf eine Studie zur Evaluierung der Abschaffung der Buchpreisbindung. Das hat nämlich auch eine Auswirkung auf den Schutz des Kulturguts Buch, den wir auch verankern möchten, daher brauchen wir dazu eine umfassende Studie.

Wenn ich 123 Mal Evaluierung im Regierungsprogramm lese und das so interpretiere, wie das der Herr Minister gemacht hat, nämlich dass das jedes Mal Abschaffung bedeutet, dann kann ich davon ausgehen – Vorsicht jetzt, ÖVP! –, dass bei einer Evaluierung des AMA-Gütesiegels das Gütesiegel abgeschafft wird, dass bei einer Evaluierung der Klimaschutzauflagen die Klimaschutzauflagen abgeschafft werden, dass bei einer Evaluierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Verwaltungsgerichts­barkeit abgeschafft wird. – All das könnte man so interpretieren, wie du es interpretiert hast. Darum empfinde ich das als sehr polemisch und auch als die falsche Politik! (Beifall bei den NEOS.)


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Worum geht es? – Es geht um ein drohendes europäisches Gerichtsurteil bezie­hungsweise um ein Gutachten der deutschen Monopolkommission, das vielleicht in die Richtung geht, die Buchpreisbindung abzuschaffen. Wir haben uns aber darüber Sorgen zu machen und wir sollten vorausdenken und nicht erst handeln, wenn etwas vom Europäischen Gerichtshof zurückkommt. Wir sollten vorausdenken, wie wir das Kulturgut Buch vor allem in Österreich schützen können. Dazu brauchen wir eine Studie und dazu brauchen wir Richtlinien. Das ist das Ziel dieser Geschichte und nichts anderes. (Beifall bei den NEOS.)

Daher finde ich es verwerflich, dass die Wirtschaftskammer reflexartig, sofort ihren Geschäftsführer losgeschickt hat, um mich zu schimpfen. Ich habe dann einmal den Geschäftsführer gefragt: Haben Sie überhaupt den Text gelesen? – Nein, den hat er nicht gelesen, er ist nur aufgefordert worden. Das ist eine Wirtschaftskammer! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Loacker: So ein braver Kammerbeamter!)

Der war dann ganz erstaunt, was da drinnen steht, nämlich Folgendes: „Die Bun­des­regierung, insbesondere der Minister für EU, Kunst, Kultur und Medien, wird aufge­fordert, eine Studie zur Evaluierung der Buchpreisbindung im gegenwärtigen, durch den digitalen Wandel“ – ist auch eine Bedrohung – „veränderten Marktumfeld in Auf­trag zu geben, die auch eine Folgenabschätzung eines möglichen EuGH-Urteils, das die Buchpreisbindung mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit oder auch für mit dem unionsrechtlichen Loyalitätsgrundsatz in Verbindung mit den EU-Wettbewerbs­regeln unvereinbar erklären könnte, miteinschließt und eine konkrete Definition des ,Schutzziel ,Kulturgut Buch‘‘ erarbeitet, auf dessen Basis politische Entscheidungen getroffen werden können.“ – Konjunktiv!

Was macht der Herr Geschäftsführer der Wirtschaftskammer? – Er will mich schimpfen und sagt dann: Nein, Entschuldigung, ich habe den Text nicht gelesen! (Abg. Loacker: Der wird was in der ÖVP!) Also so funktioniert die Politik der ÖVP, und das, meine ich, ist falsch!

Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, das Kulturgut Buch zu schützen und für die Zukunft abzusichern – auch bei einem drohenden EuGH-Urteil. Darum und um nichts anderes geht es. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Noll: Du willst ja nur meine Bücher billiger machen! – Abg. Schellhorn – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz, erheitert –: Ja!)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Smodics-Neumann ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.20.49

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Ja, es ist schön, zu hören, wie sich Ihre Argumentation von der Ausschusssitzung bis zu Ihrer jetzigen Rede verändert hat, Herr Schellhorn. Es freut mich, dass es in diese Richtung geht, weil im Ausschuss schon der Eindruck entstanden ist, dass Sie die fünfspurige Autobahn asphaltieren wollen, damit Großkonzerne aus dem Onlinebereich direkt mitten ins Herz des kleinen Buchhändlers fahren können. (Abg. Schellhorn: Haselsteiner ... neoliberal! – Zwischen­ruf des Abg. Loacker.)

Ich möchte aber ausdrücklich dazusagen – und ich hoffe, ich konnte es Ihnen im Ausschuss auch vermitteln –: Ich schätze Sie als Unternehmer, und als Unternehmer Ihres Kalibers, das weiß ich, haben Sie Weitblick. Deswegen finde ich es auch schön, dass wir hier jetzt zu einer vernünftigeren Argumentation kommen. Das gefällt mir sehr, ich danke Ihnen auch dafür. (Abg. Rosenkranz: Applaus bei den NEOS!)


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Trotzdem würde ich das Ganze ganz gerne einmal kurz zu Ende denken: Ich glaube – so weit kann ich auch die Stimmung aus dem Ausschuss wiedergeben –, dass wir uns alle zur Buchpreisbindung bekennen (Abg. Neubauer: Offenbar nicht alle!), weil es wirklich ganz wichtig ist, dass damit auch Kunst- und Kulturgut geschützt wird. Damit haben wir im hiesigen Buchhandel auch die Möglichkeit, Mitarbeiter auszubilden (Abg. Loacker: ... machen die die Lehre bei Amazon!), die eine unglaubliche Beratungs­kapazität erlangen können, und sie auch dementsprechend zu entlohnen.

Es gibt nichts Schöneres, als wenn man mit einem Kind, das zu lesen beginnt, in einen kleinen Buchladen gehen kann, in dem einem die Verkäuferin – nicht mir als Mama, sondern dem Kind, das die Begeisterung am Lesen bekommen soll – vier, fünf ver­schiedene Buchserien, die sie alle selber gelesen hat, anbieten und dieses Kind mit Begeisterung davon überzeugen oder ihm dann die Wahl geben kann. Dadurch hat das Kind selber die Möglichkeit, sich für eine dieser Serien zu entscheiden. Das ist eine ganz schöne Sache, ist ein ganz anderer Zugang, als wenn die Mama ein Buch kauft und sagt: Da hast du, lies das einmal! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Trotzdem ist es hier ganz wichtig, sehr vorsichtig damit umzugehen. Mir hätte eigent­lich ein Antrag in der Form, dass wir sagen, wir bekennen uns ganz klar zur Buch­preis­bindung, besser gefallen. Wir wissen, wie schützenswert der Buch- beziehungsweise auch der kleinstrukturierte Musikalienhandel, die kleinen Verlage, die kleinen Buch­händler, die wichtig für uns sind, sind. Ein Antrag in der Form hätte mir ein bisschen besser gefallen.

Ich glaube, wir müssen sehr, sehr gut aufpassen, dass wir uns hier nicht vom durch Großkonzerne bestimmten Onlinehandel instrumentalisieren lassen. Ich halte auch nichts davon, dass man die Bundesregierung und im Besonderen Herrn Bundesminis­ter Blümel dazu verwendet, auch noch die Arbeit dafür zu verrichten, und dass man damit vielleicht eine Sache aufmacht, die wir nachher nicht mehr einfangen können.

Einen letzten Satz noch, der mir ein Anliegen ist, denn diese Chance hat man nur einmal: Ich möchte mich bei Ihnen fraktionsübergreifend – es ist mir vollkommen egal, von welcher Fraktion jemand ist – für dieses erste Jahr, das ich hier mit Ihnen im Hohen Haus erleben durfte, ganz herzlich bedanken.

Ich möchte Ihnen frohe Festtage, besinnliche Festtage wünschen. Manchmal muss ich mir überlegen, ob ich mich an den rauen Ton, der hier herrscht, auch wirklich ge­wöhnen will; deswegen sollten die Festtage vielleicht auch nicht nur besinnlich sein, sondern auch zur Besinnung dienen. – Ich wünsche Ihnen allen frohe Weihnachten! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, NEOS und JETZT.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Schatz ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.25.03

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich lese gerne, und ich lese sehr viel. Wenn ich in die Buch­handlung meines Vertrauens in Linz gehe, weiß der Alex meistens schon, was mir gefällt, und es kommt nicht selten vor, dass ich mit dem Gedanken an ein oder zwei Bücher in die Buchhandlung hineingehe und mit einem ganzen Sackerl wieder heraus­komme.

Sehr geehrte Damen und Herren, warum erzähle ich Ihnen das? – Buchhandlungen wie diese können in einem weitverzweigten Netz über das ganze Land bestehen, weil es eben die Buchpreisbindung gibt. Deshalb kann auch die individuelle Betreuung der


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Kundinnen und Kunden in kleinen Buchhandlungen stattfinden – und das halte ich auch für sehr gut und notwendig.

Die Buchpreisbindung im deutschsprachigen Raum bedeutet, dass es einen konkreten Preis für alle deutschsprachigen Bücher gibt, unter dem das Buch nicht verkauft werden darf. Übrigens haben wir im Jahr 2016 diese Buchpreisbindung auch auf den Onlinehandel und E-Books ausgeweitet – mit den Stimmen der NEOS, soweit ich weiß. (Abg. Scherak: Nicht von allen!)

Der deutschsprachige Buchmarkt ist der zweitgrößte Buchmarkt weltweit und ein Vorbild für Qualität und Vielfalt. Die Buchpreisbindung fördert das Netz der Buch­handlungen über das ganze Land, und das Kulturgut Buch kann deswegen auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Wenn wir ins benachbarte Ausland schauen, so können wir gleich feststellen, dass in der Schweiz, wo im deutschsprachigen Raum die Buchpreisbindung aufgehoben wurde, die Zahl der Buchhandlungen genau in diesem Bereich seither massiv zurück­ge­gangen ist und diese entsprechend geschlossen werden mussten. Das ist ein Schicksal, das auch den kleinen Buchhandlungen bei uns drohen könnte. Dann könnten nur mehr Onlineriesen oder Konzerne wie Amazon sozusagen in einen Wettbewerb treten, da kleine Buchhandlungen nicht mehr mitkönnen.

In dem erwähnten Gutachten der Monopolkommission steht unter anderem – ich zitiere –: „Aus rechtlicher Sicht ist der Schutz des Kulturguts Buch zwar ein grundsätzlich anzuerkennendes kulturpolitisches Ziel. Dieses kulturpolitische Interesse ist jedoch gegen das Interesse am unverfälschten Wettbewerb abzuwägen.“

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte schon ganz klar feststellen, diese kulturpolitische Bedeutung der Buchpreisbindung ist für uns alle von hohem Stellenwert; diese sollten wir dementsprechend auch nicht angreifen. Ich glaube, dass das Kulturgut Buch und die Kultur generell ein Teil der Daseinsvorsorge sind, den wir nicht dem öffentlichen Wettbewerb aussetzen dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen appelliere ich auch an Sie, Herr Minister, sich für die Buchpreisbindung am deutschsprachigen Buchmarkt einzusetzen, diese entsprechend zu vertreten und diese fest zu verankern, damit in Zukunft eben nicht nur mehr die Onlineriesen über die kleinen Buchhandlungen siegen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.


16.28.40

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kollege Schellhorn, im Jahr 2000 – wir haben das heute schon mehrfach gehört – wurde hier im Parlament die Buchpreisbindung verpflichtend festgelegt, und im Jahr 2014 wurde diese noch auf E-Books erweitert. Warum? – Zum Schutz des österreichischen Buchhandels.

Wenn man nun von Ihnen, von den Liberalen hört (Abg. Schellhorn: Neoliberal, bitte! – Ruf bei der ÖVP: Linksliberal!), dass ohnehin kaum mehr jemand in diesem Ausmaß Bücher kauft und dass wir uns der Zukunft widmen und öffnen sollen, weil ohnehin alles nur mehr über das Internet gekauft wird, dann halten wir als Freiheitliche das für abenteuerlich, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von ÖVP und JETZT.)

Jene, die fast bei jeder Sitzung nach Steuern für Amazon, für Google, für alle diese großen Riesen, rufen, machen mit diesem Antrag hier einen Kniefall vor diesen Riesen


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und schädigen den Buchhandel massiv. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Eines muss Ihnen schon klar sein, Kollege Schellhorn: Alleine das Signal, das Sie mit diesem Antrag (Abg. Loacker: Kennen Sie das Wort Evaluierung? Ist Ihnen das bekannt? – Zwischenruf des Abg. Rosenkranz), eine Studie in dieser schwierigen Phase des Buchhandels durchzuführen, aussenden, ist unverantwortlich. Das darf ich Ihnen sagen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Jetzt weiß ich, warum bereits 1848 die Leute in den Straßen sangen: „Hütet euch vor Liberalen“! – Jetzt weiß ich es, jetzt finde ich mich da schon auch bestätigt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Wenn unser Buchhandel auf diesem globalisierten Markt eine Überlebenschance haben soll - - (Abg. Schellhorn: Meine Mutter hat schon gesagt, ich soll mit FPÖlern nicht im Sandkasten spielen!) – Seien Sie nicht so nervös, ich weiß schon, das tut Ihnen ein bisschen weh! (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Einerseits Steuern für Amazon zu verlangen und andererseits den österreichischen Buchhandel in der Vor­weihnachtszeit, in der es um jedes Buch geht, das man verkaufen muss, damit man überleben kann, zu ruinieren, das ist das falsche Signal, Herr Schellhorn, das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben! (Beifall bei der FPÖ.)

Tatsache ist, ich wünsche im Namen meiner Freiheitlichen Partei den Buchhändlern in Österreich ein gutes Weihnachtsgeschäft. Frohe Weihnachten! Und eines noch: Ihren Antrag braucht weder der Buchhandel, noch brauchen ihn wir. (Beifall bei der FPÖ.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Zinggl ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.31.12

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Bei aller Wertschätzung, Herr Kollege Schellhorn, mit dem Antrag hast du jetzt wirklich dein neoliberales Gesicht in der Kulturpolitik gezeigt. (Abg. Loacker: Endlich sagt es einer! – Heiterkeit bei den NEOS.) – Ja, das sage ich ganz gerne.

Ich habe im Ausschuss darauf hingewiesen, dass wir die Unesco-Konvention unter­schrieben haben. Die erlaubt – ja verpflichtet sogar dazu – den regionalen Schutz der Kulturen auch mit finanzieller Unterstützung. Kollege Neubauer hat völlig recht, wenn er sagt, Amazon ist der größte Konkurrent. Amazon zahlt nicht nur keine Steuern, sondern beutet die Paketzusteller jetzt zu Weihnachten aus, zahlt für diese keine Krankenversicherungs-, keine Sozialversicherungsbeiträge. Das wollen wir hier nicht! (Beifall des Abg. Neubauer.)

Wenn du jetzt zurückruderst und sagst, du verlangst ja nur eine Studie (Abg. Schellhorn: Lies den ganzen Text!), dann erinnere ich an Klubobfrau Meinl-Reisinger, die gestern EU-Abgeordnetem Vilimsky Zynismus vorgeworfen hat, da er sinngemäß gesagt hat, er wäre nicht für den Austritt Österreichs aus der EU, sondern nur für eine Abstimmung darüber. Ich kann das jetzt sozusagen umdrehen: Schellhorn will keinen Ausstieg aus der Buchpreisbindung, er möchte nur eine Evaluierung. – Jetzt können wir uns alle gemeinsam – weil das öffentlich ist – die Begründung deines Antrages durchlesen, und da steht sehr wohl drinnen, was die Absicht ist, nämlich ein Aus­stieg. – Danke. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Schellhorn: Das Gutachten kommt zum Schluss!)

16.32



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 172

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gäste aus Sieggraben recht herzlich begrüßen, es sind Gäste des Abgeordneten Gödl. – Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.


16.33.11

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Ich habe jetzt genau gelauscht, wer welche Argumente ge­bracht hat; und auch dir, lieber Sepp Schellhorn, habe ich zugehört, als du über deinen Antrag gesprochen hast. Ganz zu Beginn hast du gesagt, wir insinuieren de facto alle, dass die NEOS die Buchpreisbindung abschaffen wollen, und das „stimmt nicht ganz“. – Also ein bisschen stimmt es anscheinend schon, denn du hast selbst gesagt, es „stimmt nicht ganz“.

Zweitens hast du gemeint, man sollte Texte lesen. Auch da nehme ich dich beim Wort, und ich lese nicht nur die Beschlussformel deines Antrages, sondern auch alles, was davor steht. Wenn man durchliest, wie er begründet ist, wird auch klar, wes Geistes Kind dieser Entschließungstext ist.

Da geht es einmal einleitend darum, dass die Wirtschaftskammer Österreich die Buchpreisbindung damals als Weitblick der heimischen Politik gelobt hat. Dann gibt es eine Studie der deutschen Monopolkommission, deren Ergebnis der Wirtschaftskam­mer widerspricht, es lautet nämlich: kein Weitblick der Politik. Dann geht es weiter mit einer wesentlichen Erkenntnis dieses Gutachtens – Zitat –: „Die Buchpreisbindung hat aus ökonomischer Sicht ambivalente und zum Teil unklare Wirkungen.“ – Was insinuiert das? – Es insinuiert, dass es wohl gescheiter wäre, sie aus wirtschafts­politischer Sicht nicht zu haben.

Weiter unten heißt es: „Ein freier Preiswettbewerb kann zu Entstehung und Ausbrei­tung effizienter Handelsstrukturen und Vertriebskonzepten beitragen.“ – Ja, das ist schon richtig, das sieht man ja bei Amazon und so weiter, aber das ist genau das Gegenteil von dem, was die Buchpreisbindung erreichen sollte, weil es dadurch eben zur Schädigung des heimischen Kreativpotenzials kommt.

Weiter unten heißt es dann noch: „Das Gutachten kommt zum Schluss: ‚Nach Ein­schätzung der Monopolkommission [...] stellen die Preisbindungsvorgaben (...) einen schwerwiegenden Markteingriff dar. Diesem Markteingriff steht ein nicht klar definiertes Schutzziel ‚Kulturgut Buch‘ gegenüber, dessen Auswirkungen ambivalent [...] sind“. (Abg. Schellhorn: Lies weiter!) – Also, ganz ehrlich, es ist vollkommen klar, was mit diesem Antrag insinuiert wird, nämlich die Abschaffung der Buchpreisbindung. – Dafür sind wir nicht zu haben!

Und weil du ausschließlich die Wirtschaftskammer zitiert hast, darf ich dir jetzt ein Zitat des Präsidenten des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels vorlesen (Abg. Schellhorn: Der hat sich auch entschuldigt!), der im Übrigen nicht in der Wirtschafts­kammer organisiert ist. Herr Föger, Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, sagt: „Der Antrag der Neos macht mich fassungslos, torpediert er doch eine der wichtigsten kulturpolitischen Errungenschaften in Österreich.“ – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Neubauer: Genau so ist es!)

16.36

16.36.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht jemand ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 173

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 407 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrstimmig angenommen.

Ich danke.

16.36.3418. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 472/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kulturscheck (408 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 18.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Becher. – Bitte.


16.36.57

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein kleines Land, eine große Kulturmacht, und das lassen sich die Österreicherinnen und Österreicher auch etwas kosten. Wir haben heute schon einiges über die Kulturbudgets gehört. Ich möchte nur darauf ver­weisen, dass die sozialdemokratische Vorgängerregierung mit Bundesminister Drozda das Kulturbudget um 12,8 Millionen Euro erhöht hat. Das ist eine große Leistung und eine große Vorgabe.

Es ist an der Zeit, dass Kunst und Kultur mithilfe dieser gesteigerten Mittel einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Über die Parteigrenzen hinweg sind wir uns einig, dass das Kulturangebot nicht nur Touristen und sogenannten Eliten anzubieten ist, sondern der breiten Bevölkerung. Der freie Eintritt für Jugendliche war ein Meilenstein, der damals im Jahr 2009 auf Initiative der SPÖ gesetzt wurde. Daher sollte es über einen erweiterten Zugang zu Bundeseinrichtungen auch eine breite Diskussion geben, die leider in der Form nicht stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein eigenes Kulturbudget, ein Kulturscheck, wie es Kollege Zinggl in seinem Antrag nennt, ist eine gute Möglichkeit, jungen Erwachsenen einen eigenständigen Einstieg in den Kulturbetrieb zu erleichtern und diesen manchen überhaupt erst zu ermöglichen.

Ich möchte an dieser Stelle einen Buchtipp geben: Didier Eribon hat in seinem Buch „Rückkehr nach Reims“ anhand seiner eigenen Biografie beschrieben, wie entschei­dend und wichtig für die Entwicklung junger Menschen die Möglichkeit ist, Zugang zum Kulturbereich zu bekommen. In diesem Sinne ist die Zustimmung zu diesem Antrag eine gute Möglichkeit, den Zugang zu Kultur zu begrüßen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rosenberger ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


16.39.17

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren Zuseher! Es gibt manchmal so kleine, unscheinbare Anträge, die die weltanschau-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 174

lichen Unterschiede zwischen den Parteien explizit an die Oberfläche spülen. (Abg. Bösch: So ist es!)

Es geht um den Kulturscheck; jeder Österreicher und jede Österreicherin ab 18 Jahren bekommt einen Gutschein über 100 Euro, so lautet der Antrag des Kollegen Zinggl. Das heißt, mit der Gießkanne nicht treffsicher verteilt, soll er zum Eintritt in jene Kulturbetriebe berechtigen, die an der Initiative teilnehmen – wer immer das auch sein mag. Ich gehe davon aus, dass es nicht so sein wird, dass jemand sagt: Ich bin ein Kulturbetrieb, bitte löse bei mir ein! – Das muss irgendwie etwas genauer geregelt werden.

Das heißt, es ist derzeit nicht genau definiert, wer das machen kann. Ich hoffe nicht, dass es dazu ein Gremium geben wird, das entscheidet, welcher Kulturbetrieb teilnimmt, das eine Geschäftsordnung hat, und jemanden, der entscheiden muss, wer in diesem Expertengremium sein kann.

Es ist budgetär auch nicht bedeckt, das ist auch symptomatisch. Es wird nicht gesagt, wo wir das Geld hernehmen sollen: vom Steuerzahler oder von einem anderen Eck des Kulturbudgets? Oder erweitern wir unsere Schulden? Dann zahlt es der Steuer­zahler der Zukunft. Das wird nicht der richtige Weg sein, dem wir zustimmen können.

Was ist unser Weg? – Es gibt verschiedenste Kulturinitiativen im regionalen, kommu­nalen Bereich, die Förderprogramme für Jugendliche haben, die vor Ort, vor der Haustüre sind. Es gibt den Gratiseintritt für unter 19-Jährige in die Bundesmuseen und in die Nationalbibliothek. Es gibt vielfältige Ermäßigungen für Schülerinnen und Schüler, für Studenten, und ich denke, es ist zumutbar und auch der Kultur ange­messen, dass ein Selbstbehalt im Gegenwert eines Wochenendgetränks für die Kultur aufgewendet wird. Ich erwähne auch das Schulkulturbudget des Bildungs­minis­teriums, das verwendet werden kann, um den jungen Damen und Herren, unseren Jugend­lichen – das Wichtigste – die Kultur in der Schule näherzubringen.

Daher: keine Gießkanne, die nicht treffsicher ist und die wir budgetär nicht im Griff haben! Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Zinggl ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.42.15

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Ich hätte es als Anreiz für Jugendliche empfunden, die normalerweise keinen guten Zugang zu kulturellen Ein­richtungen haben, wenn es so etwas wie einen Kulturscheck im Wert von etwa 100 Euro gäbe, der mit Vollendung des 18. Lebensjahres zur Verfügung gestellt wird. Es kostet nicht viel, wir haben uns das ausgerechnet: Das kostet ungefähr 5 Millionen Euro, wenn es wirklich gut genützt wird. Das könnten wir uns also, glaube ich, leisten.

Da Sie den Eintritt für Jugendliche unter 19 Jahren angesprochen haben, Herr Kollege: Na ja, auch damals war ich immer dran, dass da etwas passiert, und die Gegen­argu­mentation war immer: Wer zahlt das? – Das kostet heute viel, viel mehr und ist ein großer Erfolg.

Ich weiß nicht, es gäbe so viele Möglichkeiten, die Schwellenangst ein wenig zu redu­zieren; keine Ahnung, warum man es nicht angeht. Ich bemühe mich weiter. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

16.43



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 175

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Riemer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.43.25

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eines hat Abgeordneter Zinggl, das muss ich schon sagen, an sich: Er ist wenigstens kreativ und bringt immer wieder Vorschläge. Dafür gebührt ihm mein persönlicher Respekt. (Beifall bei JETZT.)

Was ist mit dem Kulturscheck? – Das ist schon von vielen angesprochen worden, das 18. Lebensjahr ist etwas Wesentliches dabei; es sind 100 Euro für Veranstaltungen. Das ist alles recht und gut. Ich habe mir den Antrag natürlich auch angesehen, da steht drinnen: „vor allem eine Frage der sozialen Herkunft, der Ausbildung und der finanziellen Möglichkeiten“. Ich denke nur – persönlich, aus meiner Sicht heraus –: Wenn bis zum 18. Lebensjahr nicht schon ein Kunst- und Kulturbegriff verfestigt ist, dann hat die Schule versagt, dann hat das Elternhaus versagt, dann hat die Gesell­schaft versagt.

Es ist schon von den Vorrednern angesprochen worden, dass man natürlich sagt: Was macht man im heimischen Bereich? – Da gibt es sehr viele Kulturveranstaltungen, es gibt Vereine, die Kultur produzieren – ob das im Bereich Theater ist, ob das im Bereich Musik ist, aber natürlich auch im Bereich der Museen. Ich denke auch, in diese Richtung bräuchten wir weniger den Kulturscheck, um einen Kulturschock zu pro­duzieren, wir bräuchten – nicht nur für die Materie Kunst und Kultur – Motivatoren, die die Jugendlichen abholen und begeistern, damit sie das für sich in Anspruch nehmen. Das wäre meiner Meinung nach so ein kleiner Gedanke dazu.

Die Kosten sind nicht budgetiert. Sie sagen 5 Millionen Euro, ich habe etwas anderes ausgerechnet. Es gibt 450 000 Jugendliche zwischen dem 15. und dem 19. Lebens­jahr. Wenn das für ganz Österreich ginge, dann nehmen wir einmal 100 000 mal 100 – da kommt schon etwas raus. Die Frage wäre dann, ob man das Geld – nicht abwer­tend – nicht wirklich für etwas anderes verwenden könnte, um eben diese Jugend­lichen zu begeistern.

Kollege Neubauer hat es gesagt: Kunst muss etwas wert sein. Wenn wir das nicht machen, dann, glaube ich, führen wir uns selbst ad absurdum. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.45

16.45.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, seinen Be­richt 408 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, der Antrag ist daher angenommen.

16.46.2319. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 329/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handlungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 4 B-VG (409 d.B.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 176

20. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 326/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handlungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 5 B-VG (410 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 19 und 20, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


16.47.08

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Vor fast zwei Jahren hat der Wiener Gemeinderat einen fatalen Beschluss gefasst. Er hat einer Flächenwidmung zugestimmt, durch die das Zentrum Wiens gefährdet ist, den Welterbestatus endgültig zu verlieren.

Das wollen viele Investoren, Spekulanten und Baulöwen in der Stadt. Sie wollen, dass nicht nur dieses eine Hochhaus gebaut wird, sondern auch andere, denn in dem Augenblick, in dem das Welterbe verloren gegangen ist, ist dieser Bauwut Tür und Tor geöffnet und sie können ihre Luxuswohnungen in Hochhäusern verwirklichen und daran verdienen – ganz egal wie die Stadt Wien aussieht. (Abg. Hafenecker: ... die Grünen!)

Die beschlossene Flächenwidmung widerspricht deutlich dem Völkerrecht. Die Bun­desregierung ist in so einem Fall nach Artikel 16 des Bundes-Verfassungsgesetzes verpflichtet – verpflichtet, bitte! –, darauf hinzuwirken, dass sämtliche Verträge, sämt­liche völkerrechtlichen Verträge eingehalten werden. Daher ist die Bundesregierung auch in diesem Fall verpflichtet, die Flächenwidmung ihrerseits durch Weisung oder durch eigene Gesetze zu korrigieren. Sie ist dazu verpflichtet, das ist keine Kannbe­stimmung.

Wenn ich mit meinen Anträgen die Regierung ersuche, das Gesetz zu erfüllen, dann ist das meiner Meinung nach ja schon peinlich genug. Den Antrag jetzt aber abzulehnen heißt in Wirklichkeit, die Erfüllung von Gesetzen abzulehnen, meine Damen und Herren. Das sollten Sie sich genau überlegen! (Beifall bei JETZT.)

Auch Sie, Herr Minister, sollten sich genau überlegen, dass Sie nicht nur davon sprechen sollten, etwas zu tun und zu verhandeln, sondern dass Sie dazu längst eine Verpflichtung haben. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

16.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Engelberg ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.49.02

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn ich Herrn Zinggl bei diesem Tagesordnungspunkt zuhöre, muss ich ein bisschen schmunzeln. Für alle, die das nicht gleich verstanden haben, versuche ich noch einmal nachzuvollziehen, welche politische Situation wir da haben: Herr Zinggl weist den Herrn Bundesminister darauf hin, dass er doch endlich durchsetzen möge, dass eine Flächenwidmung in der Stadt Wien, die von der früheren Partei des Herrn Zinggl beschlossen wurde, overrult oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten wird oder was auch immer.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 177

Also noch einmal: Die frühere Partei des Herrn Zinggl beschließt etwas. Die Regierung ist der Meinung – tatsächlich, laut Regierungsprogramm –, dass sie sich für die Erhaltung des Unesco-Weltkulturerbes einsetzen will, und wir haben dahin gehend auch einen Prozess begonnen. Jetzt stellt aber Herr Zinggl hier den Antrag, dass wir da noch nicht genug tun, um gegen seine frühere Partei vorzugehen. – Manchmal ist die Politik ein interessantes Gebiet. (Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Tatsache ist: Die Regierung hat sich im Regierungsprogramm bereits dazu bekannt, das Unesco-Weltkulturerbe für Wien erhalten zu wollen. Sie hat sich auch dazu bekannt, dass die Eingriffsmöglichkeiten des Bundes geprüft werden. In der Zwischen­zeit hat der Herr Bundesminister, das Bundeskanzleramt, einen strukturierten Prozess mit dem Ziel, den Welterbestatus für das historische Zentrum von Wien zu erhalten, begonnen.

Dieser Maßnahmenfahrplan wird ganz allgemein – auch bei der Unesco – begrüßt, die Stadt Wien ist in diesen Diskussions- und Arbeitsprozess eingetreten, es gibt einen positiven Verlauf, es sind auch schon die nächsten Schritte vorgesehen. Das heißt, man kann eigentlich sagen, es ist alles auf dem richtigen Weg.

Ich denke, wir sollten uns eigentlich alle darüber einig sein – wir waren es im Aus­schuss ja auch schon –, dass dieser verfassungsrechtliche Schritt letztlich die Ultima Ratio sein sollte.

In diesem Sinne: vielen Dank, Herr Bundesminister, für die Fortsetzung dieses Weges! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Kassegger und Stefan.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.


16.51.47

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rechtsgrundlage, auf der Kollege Zinggl argumentiert, ist ein bisschen abenteuerlich, finde ich. (Zwischenruf des Abg. Zinggl.)

Ich möchte aber zu den Fakten zurückkehren. Worum geht es eigentlich? – Es geht um den Heumarkt, um den legendären Heumarkt in Wien, es geht um den Wiener Eis­laufverein. Dazu ist zu sagen: Bis 2003 war dieses Grundstück im Eigentum der Republik, erst der Wiener Stadterweiterungsfonds, ein Fonds aus der Monarchie, angedockt beim Innenministerium, hat das Grundstück veräußert, und ein privater Investor hat es gekauft. Damit stand der Wiener Eislaufverein eigentlich vor dem Aus, er hat ja nur einen Pachtvertrag gehabt. Der private Investor hätte natürlich gebaut und den Eislaufverein abgesiedelt, denn mit dem Eislaufverein kann man nicht die Megakohle machen, das ist ja ganz klar.

Die Stadt Wien hat daraufhin natürlich Gespräche mit dem Investor geführt, um den Wiener Eislaufverein zu retten. Das ist gelungen, weil man mit dem Investor ge­sprochen hat. Es war eine der Voraussetzungen dafür, an dieser Stelle etwas zu entwickeln. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rossmann und Zinggl.)

Faktum ist jetzt, der Wiener Eislaufverein hat mit dem neuen Projekt eine Garantie von 99 Jahren. Die Höhe des Projekts ist bedenklich, da teile ich die Meinung des Kollegen Zinggl. Allerdings: Beim Siegerprojekt, das ja durch eine Fachjury aus Experten gekürt worden ist, musste um knapp 10 Meter, um drei Geschoße reduziert werden. Das heißt, auch in der Dimension ist da reduziert worden.

Zum Weltkulturerbe: Es ist klarzustellen, dass das Projekt selbst nicht in der Welt­kulturerbezone liegt, sondern knapp außerhalb. Es gibt einen konstruktiven Dialog der


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 178

Stadt Wien mit der Unesco, und auch Bundesminister Blümel ist da einbezogen. Ich glaube, da zieht man wirklich gemeinsam an einem Strang, um eine Lösung zu finden.

Faktum ist: Wien ist natürlich eine dynamische Stadt. Wien muss weiterentwickelt werden und sich weiterentwickeln, und das ist mit seiner Architektur, seiner Ge­schichte, seiner Kultur natürlich auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Zum Projekt selbst sei noch gesagt: In Zukunft wird es dort im Winter fünf Monate lang eine Eislauffläche geben, sieben Monate lang wird das eine öffentliche Fläche sein, die ähnlich wie das Museumsquartier bespielt werden kann. Es wird freien Zugang vom Beethovenplatz zu diesem Areal geben, die hässliche Ladenzeile, die es dort gibt – für alle, die den Wiener Eislaufverein kennen –, wird abgerissen werden und der Beethoven­platz wird schön erweitert werden. Ich glaube, in diesem Sinne ist das eine gute Geschichte.

Wir werden da nicht die Bundesregierung bemühen müssen, glaube ich, sondern wir werden an einer Sachlösung arbeiten. Wien braucht nicht unter Kuratel eines Ein­greifens der Bundesregierung gestellt zu werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Braucht man ja gar nichts hinzuzufügen!)

16.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.


16.55.00

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Es freut mich, dass jetzt auch die SPÖ diesen struk­tu­rierten Dialog mit Icomos und Unesco lobt, der ausschließlich von dieser Bun­des­regie­rung angestoßen worden ist, denn davor hat es leider Gottes keine Gesprächs­basis mehr zwischen der rot-grünen Stadtregierung und Unesco und Icomos gegeben.

Das war auch ein großes Problem, weil in den letzten Jahren – das ist uns von internen Kreisen berichtet worden – eben nicht auf die Rahmenbedingungen eingegangen worden ist, die für den Erhalt des Weltkulturerbestatus notwendig sind. Das ist sehr schade, weil ich glaube, dass es kein Widerspruch sein darf, das kulturelle Erbe und die Zukunftsentwicklung in einer Weltstadt wie Wien unter einen Hut zu bekommen. Deswegen war es mir als zuständigem Bundesminister für Kunst und Kultur von Anfang an wichtig, alles Mögliche zu tun, um den Status des Weltkulturerbes für Wien zu erhalten. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich freue mich sehr, dass jetzt auch die Stadt Wien und die Wiener Stadtregierung an diesem strukturierten Prozess teilnehmen, der von Icomos und Unesco ausdrücklich begrüßt worden ist. Ich hoffe, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt. Wir als Bundesregierung stellen jedenfalls sicher, dass es diesen strukturierten Dialog gibt, und ich hoffe, dass wir damit den Weltkulturerbestatus für unsere Hauptstadt erhalten können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.56


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Dr. Walter Rosenkranz ist der nächste Redner. – Bitte.


16.56.32

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, wenn sich zu diesem Tagesordnungspunkt Kollege Noll hierhergestellt hätte. Herr Kollege Zinggl, ich habe es Ihnen auch im Aus­schuss schon gesagt; Sie sind herausgegangen und haben gesagt: Die Bundes­regie-


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rung hat jetzt diese Verpflichtung – Art. 16 Abs. 4, Art. 16 Abs. 5 –, da etwas zu tun, eine Weisung zu erteilen! – Und warum? Sie haben es selber vorgelesen. (Abg. Zinggl: Lesen Sie doch ...!) – Hören Sie mir bitte zu!

Sie haben gesagt: Ich habe juristische Gutachten in der Hand, die das sagen. – Dann habe ich gesagt: Legen Sie mir das auf den Tisch, zeigen Sie sie endlich her! (Zwi­schenruf des Abg. Zinggl.) Die Regierung, wir alle würden darauf warten! – Nichts haben Sie getan! Dann haben Sie gesagt: Alle Juristen sagen das! – Dann zeigen Sie mir einen von diesen Juristen, die das sagen würden! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Zinggl.)

Jetzt kommt nämlich der Teufel im Detail, und Kollege Noll wird es Ihnen wahr­scheinlich außerhalb meiner Redezeit auch noch erklären können. Sie haben es vorge­lesen: Der Bund ist verpflichtet, wenn die Länder etwas Schlechtes machen. Wissen Sie, wer in Wien den Flächenwidmungsplan beschließt? – Die Gemeinde! Das ist ver­fas­sungsrechtlich, auch wenn die Grenzen dieselben sind, leider etwas anderes. Sie können nicht sagen: Nur weil das die gleichen Grenzen hat, kann die Bundesregierung der Gemeinde irgendetwas hineinpfeifen.

Wenn Sie schon so weit sind – Sie haben ja beides beantragt –, dass Sie sagen: Wenn die Länder gegen einen Staatsvertrag verstoßen – das ist dann Absatz 5 –, dann muss die Republik einschreiten (Abg. Zinggl: ... völkerrechtlicher Vertrag!), und ebenso, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen nicht eingehalten werden, dann stellt sich die Frage: also was jetzt? Was ist es jetzt? Beides geht nicht! Wird gegen einen Staatsvertrag verstoßen? – Dieser Meinung würde ich, wenn es ein Bundesland wäre, zuneigen, weil die Unesco-Welterbekonvention ein Staatsvertrag ist, aber dann passt Absatz 5 nicht.

Bitte, Herr Zinggl, Sie haben die Chance, legen Sie uns endlich Ihre Gutachten vor! (Abg. Zinggl: Ja, ja, ja!) Seit der letzten Sitzung des Kulturausschusses haben Sie gar nichts vorgelegt, aber nicht einmal irgendetwas, und auch jetzt haben Sie nichts da. Sie wollen damit nur ganz billiges Kleingeld wechseln, nur hat das keinen Sinn.

In Wirklichkeit wissen wir eines: Mit dem Prozess, den der Herr Bundesminister schon vor seiner Ministerschaft angestrengt hat, eigentlich auch im Interesse der Stadt Wien, versucht man einmal, mit der Unesco und der Stadt Wien eine gedeihliche Lösung zu finden. In letzter Konsequenz – keine Sorge! – wird es auch die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten geben, dass diese Bundesregierung handelt, aber nicht einfach so, indem Sie einfach Ihre verfassungsrechtliche Expertise wie Kraut und Rüben von diesem Rednerpult aus oder im Kulturausschuss abgeben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.59

16.59.09


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Kultur­aus­schusses, seinen Bericht 409 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Kultur­ausschusses, seinen Bericht 410 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genom­men.

17.00.0121. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (384 d.B.): BESCHLUSS (EU, Euratom) 2018/994 DES RATES vom 13. Juli 2018 zur Änderung des dem Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 beigefügten Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments (466 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler. – Bitte.


17.00.32

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, heute in fünf Monaten befinden wir uns in der Intensivphase des Wahlkampfes hinsichtlich der EU-Wahlen. Europaweit werden wir wieder Plakate, Fernsehauftritte, Konfrontationen sehen. Es werden durch­aus interessante Wahlen sein. Vom 23. bis zum 26. Mai finden diese Wahlen europaweit statt. In Österreich – wir wählen traditionell an einem Sonntag – werden diese so wichtigen Wahlen am 26. Mai stattfinden. Es sind mittlerweile die sechsten EU-Wahlen, die wir in Österreich durchführen. Wir haben bislang ja 18 Abgeordnete gestellt. Wenn es dann doch zum Brexit kommt, wird es dadurch ein Abgeordneter mehr seitens Österreichs sein; es werden dann 19 von 705 sein. Lieber wäre es mir anders, lieber wäre mir, wenn Großbritannien nach wie vor bei der Europäischen Union bliebe, aber das liegt nicht in unserer Hand, sondern das haben die Kolleginnen und Kollegen dort und das britische Volk selbst in der Hand.

Sie werden sich fragen, worum es bei dieser Vorlage geht. Es ist ein recht sperriger Titel, aber es ist recht schnell erklärt: Es wurde auf EU-Ebene ein Beschluss gefasst, wodurch die rechtlichen Grundlagen für die Direktwahl zum Europäischen Parlament geändert wurden. Für uns hier in Österreich hat das keinerlei Auswirkungen, unsere Wahlen werden gleich durchgeführt wie immer, im Ablauf und auch von den Stimm­zetteln her.

Damit aber dieser Beschluss in allen EU-Mitgliedstaaten Wirkung erlangt, müssen alle EU-Mitgliedstaaten diesem zustimmen. Unsere Verfassung sieht vor, dass diese Genehmigung durch den Nationalrat und durch den Bundesrat mit erhöhtem Quorum geschehen soll.

In einigen Eckpunkten will ich diese Änderungen darlegen: Der Beschluss sieht vor, dass diese Wahl nun europaweit in einem Verhältniswahlsystem zu erfolgen hat. Vorzugsstimmen und eine landesweite Einzugshürde von maximal 5 Prozent der Stimmen sind zulässig. Auch können die Mitgliedstaaten gestatten, den Namen und/oder das Logo der europäischen politischen Partei, der die jeweilige wahlwer­bende nationale Partei angehört, am Stimmzettel anzuführen. Neben der herkömm­lichen Urnenwahl sind grundsätzlich auch Vorwahltage, die elektronische Stimm­ab­gabe über das Internet sowie die Briefwahl erlaubt.

Zudem sollen EU-BürgerInnen, die ihren Hauptwohnsitz in einem anderen EU-Staat haben, dadurch ermuntert werden, ihre Stimme dort abzugeben. Dies alles soll vor allem dazu dienen, einen transparenten Wahlprozess sowie den Zugang zu verläss-


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lichen Informationen zu gewährleisten und schlussendlich – was unser aller Ziel sein muss – eine Steigerung der Wahlbeteiligung zu erlangen.

Ich bedanke mich für die einhellige Zustimmung, die es schon im Ausschuss gegeben hat und wohl auch heute geben wird, und auch für die Aufmerksamkeit. Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.03


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Maximilian Unterrainer ist der nächste Redner. – Bitte.


17.03.48

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Mit diesem Beschluss gibt Österreich seine Zustimmung zu der vom Rat beschlossenen Änderung des EU-Wahlakts. Der Beschluss ist einer der ange­nehmen Beschlüsse des heutigen Tages, würde ich einmal sagen. Es gibt zum einen nichts auszusetzen, und für die österreichischen innerstaatlichen Vorschriften ergeben sich durch diese Änderungen auch keine Anpassungsnotwendigkeiten. Somit gehe ich davon aus, dass dieser Beschluss von allen befürwortet wird. Überdies ist er im Gegensatz zu dem, was wir heute zum Sozialversicherungs-Organisationsgesetz ge­hört haben, auch garantiert verfassungskonform.

Es geht da um uns alle: Es geht um die EU, und es geht darum, die Wahlen unserer Vertreterinnen und Vertreter in der EU entsprechend abhalten zu können. Es geht um die Transparenz des Wahlprozesses. Es geht um den Zugang zu verlässlichen Infor­mationen. Es geht darum, das europäische politische Bewusstsein zu stärken. Es geht um Wahlbeteiligung und auch darum, dass die Unionsbürger und -bürgerinnen, in diesem Fall wir Österreicherinnen und Österreicher, auch vorzeitig wählen können.

Damit dieser Beschluss in Kraft treten kann, müssen die einzelnen Mitgliedstaaten zustimmen, im Einklang mit den jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften. Es warten ganz große Herausforderungen auf uns: die Senkung der Jugendarbeits­losigkeit, der Klimaschutz, Euratom, ein gerechtes Sozialsystem, ein gerechtes Steuer­system. Ein faires Miteinander muss ganz einfach das Ziel sein, damit auch auf EU-Ebene alle Bürger und Bürgerinnen Rahmenbedingungen vorfinden, um den Alltag zu meistern. Es geht darum, dass wir als Bürger und Bürgerinnen Europas darauf stolz sein können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Susanne Fürst. – Bitte.


17.05.27

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Beschluss des Rates vom 13. Juli 2018 nimmt einige Änderungen und Konkretisierungen der Grundsätze für das allgemeine und unmittelbare Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament vor, die einheitlich in den Mitgliedstaaten etabliert werden sollen.

Es geht hier vor allem darum, dass die Abgeordneten nach dem Verhältniswahlsystem gewählt werden, auf der Grundlage von Listen oder von übertragbaren Einzelstimmen. Es kann auch eine Vorzugsstimmenvergabe nach innerstaatlichen Vorschriften zuge­las­sen werden, und es können Einzugshürden, also Mindestschwellen, von maximal 5 Prozent der abgegebenen Stimmen geschaffen werden. Die Mitgliedstaaten sind


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angehalten, die Möglichkeiten der vorzeitigen Stimmabgabe, der Briefwahl, der elektro­nischen Stimmabgabe und so weiter auszudehnen und als Alternative zur herkömm­lichen Urnenwahl anzubieten.

Diese Maßnahmen dienen alle einer größeren Transparenz des Wahlprozesses. Es sollen die Bürger besseren Zugang zu Informationen über die Kandidaten und auch die Zugehörigkeit der nationalen politischen Partei zu einer europäischen Fraktion haben, und natürlich soll vor allen Dingen auch die Teilnahme an der Wahl angeregt und die Wahlbeteiligung erhöht werden.

Bei der letzten EU-Wahl, jener im Jahr 2014, gab es eine durchschnittliche Wahl­be­teiligung von 42,6 Prozent, mit natürlich unterschiedlichen Beteiligungen in den einzel­nen Mitgliedstaaten. Wenn man das mit der Beteiligung in Österreich bei der ersten EU-Wahl 1996 vergleicht: Da waren wir noch mit 67,7 Prozent dabei. Ich denke also, wir sollten danach trachten, die Wahlbeteiligung wieder zu erhöhen.

Es ist im Interesse von uns allen, dass das Europäische Parlament eine sehr starke Legitimation hat, wobei ich den Frust der Wählerinnen und Wähler sehr gut verstehen kann. Es wäre aber wichtig, sich jetzt wieder zu beteiligen, um vor allem die auch durch den österreichischen EU-Ratsvorsitz eingeleitete Wende in Brüssel in Richtung mehr Vernunft zu verstärken und zu unterstützen, denn es soll sich jetzt doch etwas in der EU in Richtung weniger Zentralismus bewegen.

Wir brauchen keine Überregierung, die sich in alles und jedes einmischt und alles für uns regelt, noch dazu gegen unsere Interessen, begleitet von einem EuGH, der den nationalen Spielraum in vertragsrechtswidriger Weise Stück für Stück einengt. Wäre das schon vor einigen Jahren berücksichtigt worden, hätte es vielleicht in Groß­britannien gar kein Referendum gegeben. Daher trachten wir danach, die EU wieder zu den ursprünglichen Zielsetzungen zurückzuentwickeln. Sie soll sich auf die großen Dinge, auf die Wirtschaftsgemeinschaft, die Zollunion, den Binnenmarkt beschränken. Man soll also wieder mehr Subsidiarität – auch eines der großen Themen dieses EU-Ratsvorsitzes – walten lassen.

Daher, sehr verehrte, liebe Österreicherinnen und Österreicher, geht bitte zur EU-Wahl, und schauen wir gemeinsam, dass dieses historisch ungemein positive und konstruktive Projekt wieder seinem ursprünglichen Sinn zugeführt wird! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.09

17.09.05


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den gegenständlichen Beschluss des Rates in 384 der Beilagen gemäß Art. 23i Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz zu genehmigen.

Gemäß § 82 Abs. 2 Z 1a der Geschäftsordnung stelle ich zunächst die für die Ab­stimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die dieser Genehmigung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.


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17.10.0222. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundes­forstegesetz 1996, das Datenschutzgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen geändert werden (463 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.10.45

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Reformminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben ja, dass sich die Bundesregierung regelmäßig in Superlativen überschlägt. Wir haben heute gehört: die größte Sozialversicherungsreform aller Zeiten. Im Zusammenhang mit der Kom­petenzbereinigung spricht der Bundeskanzler von der größten Verfassungsreform seit 1929. Und Sie, Herr Bundesminister, sprechen von einer Jahrhundertreform. Ich sage Ihnen etwas: Man kann sich selbst gerne loben, das steht jedem zu, aber ein Selbstlob macht aus einem Reförmchen noch lange keine Reform, schon gar keine Jahrhundert­reform. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Wir sind uns beide darin einig, und das haben Sie immer wieder, auch die letzten Jahre als Rechnungshofpräsident, gesagt, dass eines der Kernprobleme in Österreich die Zersplitterung der Kompetenzen ist. Sie wollen diese Kompetenzen heute entflechten. Jetzt muss man sich anschauen, Herr Bundesminister, was Sie denn da konkret ent­flechten. Es wurden sechs Tatbestände verländert – einen lasse ich jetzt bewusst weg, und zwar die Kinder- und Jugendhilfe; darüber rede ich nachher. Das heißt, abgesehen davon wurden fünf Tatbestände verländert, zum Beispiel die Volkspflegestätten – die Anforderungen an Kurorte und Kuranstalten sowie Kureinrichtungen –, die natürlichen Heilvorkommen – das sind Regelungen über Thermalwasser –, die Bodenreform – Regulierung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen –, der Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge. – Das sind die Dinge, die Sie jetzt hinsichtlich der Kompetenzbestimmungen verländert haben.

Sie haben drei Tatbestände dem Bund zugewiesen, nämlich die Bevölkerungspolitik, zum Beispiel Maßnahmen zur Hebung der Geburtenzahl, öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten und den Arbeiter- und Angestell­ten­schutz im land- und forstwirtschaftlichen Bereich. – Na, Herr Bundesminister, Gratu­lation! Wenn das eine große Verfassungsreform sein soll, dann will ich gar nicht wissen, wie bei Ihnen kleine Verfassungsreformen ausschauen. Das ist das, was Ihrem eigenen Reformeifer nicht einmal ansatzweise Genüge tut. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die großen Fragen sind die, die Sie ausgelassen haben – das ist das, was Sie hier nicht entflochten haben, das wissen Sie selbst auch –: die Mindestsicherung, das Spitalswesen, das Elektrizitätswesen. Das bedeutet, dass die wichtigsten Bereiche dieses Artikels 12, den wir hier alle gemeinsam nicht mögen, nicht Teil dieser von Bundeskanzler Kurz als solche bezeichneten größten Verfassungsreform seit 1929


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sind. Herr Bundesminister, wenn man diese großen Brocken nicht angeht, dann kann man zwar über eine Reform diskutieren, aber es ist weder eine Jahrhundertreform, noch ist es in irgendeiner Art und Weise die größte Verfassungsreform seit 1929.

Herr Bundesminister, was mich so ärgert, ist: Sie sehen das ja grundsätzlich auch so, dass man insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens, des Spitalswesens ent­sprechend Änderungen braucht. Sie haben immer gesagt, es braucht da bundes­ein­heitliche Regelungen, das heißt, das sollte eigentlich zum Bund gehen, und, na ja, wenn Sie das nicht angegangen sind, dann halte ich es auch für schwierig, das als so großen Erfolg zu verkaufen, weil das kein großer Erfolg ist.

Es ist ein lustiger Marketingschmäh. Das ist das, was die Bundesregierung kann: Sich hinstellen, kleine Brötchen backen und sagen, es ist die größte Reform aller Zeiten. Das ist es schlichtweg nicht, und es wird auch nicht besser, wenn Sie es oft genug sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Schlimmste ist meiner Meinung nach, dass Sie bei dieser Minireform auch bei dem einzigen Bereich, bei dem es wirklich wichtig gewesen wäre, ihn dem Bund zuzuordnen, nämlich bei der Kinder- und Jugendhilfe, genau das Falsche gemacht haben: Sie haben die Kinder- und Jugendhilfe verländert, und das Ganze – und das macht es noch viel schlimmer –, ohne dass wir die Ergebnisse der Evaluierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes jemals bekommen haben. Die sind seit Ewigkeiten versprochen, wir warten alle darauf. Sie ändern etwas, ohne dass wir die Ergebnisse der Evaluierung kennen. Das heißt, wir wissen noch gar nicht, wo es eigentlich am besten aufgehoben wäre.

Die Frage, wieso die SPÖ da mitmacht, lässt mich einigermaßen ratlos zurück, aber in Wirklichkeit sollte niemand hier im Raum ein Interesse daran haben, dass wir unterschiedliche Standards bei der Kinder- und Jugendhilfe haben. Ja, es gibt jetzt die 15a-Vereinbarung, die ein bissl etwas regelt. Sie wissen aber ganz genau, dass das nicht genügt. Sie wissen ganz genau, dass alle Einrichtungen, die etwas mit Kinder- und Jugendhilfe zu tun haben, damit nicht einverstanden sind, und Sie wissen ganz genau, dass wir die Evaluierung immer noch nicht in Händen halten, und eine solche Reform ohne eine vorangegangene Evaluierung halte ich für falsch. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein, damit wir die Evaluierung endlich bekommen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Veröffentlichung Evaluierung B-KJHG 2013“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, die Ergebnisse der Evaluierung zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 unverzüglich zu veröffentlichen.“

*****

Herr Bundesminister, Sie haben als Rechnungshofpräsident 599 Vorschläge gemacht. Sie haben, glaube ich, gesagt, Sie wollen Österreich neu bauen. Sie hatten eine Vision für ein zukunftsfähiges Österreich. Sie wollten die Verwaltung enkelfit gestalten. Herr Bundesminister, das, was Sie jetzt gemacht haben, ist visionslos, das ist nicht enkelfit,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 185

und das ist nicht einmal eine echte Reform. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten von JETZT.)

17.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Veröffentlichung Evaluierung B-KJHG 2013

eingebracht im Zuge der Debatte in der 57. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundesforstegesetz 1996, das Datenschutz­gesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstraf­sachen geändert werden (463 d.B.) – TOP 22

Die Kompetenzverschiebung der Kinder- und Jugendhilfe hin zur Landeskompetenz ist nach wie vor in der Öffentlichkeit umstritten. Entgegen der Einwände sämtlicher Expert_in­nen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wurde im Verfassungsausschuss am 6.12.2018 eine Kompetenzverschiebung hin zu den Ländern beschlossen.

Fest steht, dass es aufgrund der schon heute zwischen Bund und Ländern geteilter Aufgabenbereiche große Unterschiede, insbesondere bei Qualitätsstandards, Aus-bildungsniveaus von Beschäftigten und auch der Unterbringung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen in KJH-Einrichtungen, gibt. Einheitliche Qualitätsstandards und eine Weiterentwicklung dieser sollen nun per 15a-Vereinbarung zwischen den Ländern sichergestellt werden.

Eine entsprechende Evaluierung des 2013 beschlossenen Bundes-Kinder- und Jugend­hilfegesetzes (B-KJHG) hätte zu einer Verbesserung der aktuellen Lage an-hand wissenschaftlicher Evidenz führen können. Diese Studie hätte am 22. November - kurz nach dem Verfassungsausschuss, in dem die Kompetenzentflechtung be­schlossen werden hätte sollen (am 14.11.2018), vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) präsentiert werden sollen. Nachdem der Beschluss der Kompetenzbereinigung verschoben wurde, wurde die Präsentation der Evalua­tionsergebnisse ebenso abrupt (zwei Tage vor der Veranstaltung) „aus organisato­rischen Gründen“ auf unbestimmte Zeit verschoben:


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Auf die Frage, warum sich die Veröffentlichung der Evaluierung des 2013 beschlos­senen Gesetzes, die lt. der ehemaligen Familienministerin Sophie Karmasin schon Mitte 2018 präsentiert hätte werden sollen (siehe dazu 11406/AB zu 11890/J, XXV. GP), noch einmal verzögert hat, hat Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß in einer neuerlichen Anfragebeantwortung (1522/AB zu 1527/J, XXVI.GP) folgendermaßen geantwortet:

„Die Fertigstellung der Evaluierungsstudie hat sich verzögert, da nach intensiven Diskussionen im Sounding-Board zur fachlichen und wissenschaftlichen Begleitung und Beratung, in dem das Österreichische Institut für Familienforschung, das Bun­deskanzleramt (BKA), die Universitäten Wien und Linz, die Bundesländer, die Kinder und Jugendanwaltschaften, der Salzburger Kinder- und Jugendrat, SOS-Kinderdorf und der Dachverband der Österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen ver­treten waren, das Evaluationsdesign um zwei Zielgruppen erweitert wurde. Zusätzlich wurden nunmehr auch Eltern befragt, die freiwillig Erziehungshilfe der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen, sowie Jugendliche in voller Erziehung. Durch diese Erweiterung sollten die Umsetzung der Partizipation und der Verschwiegenheitspflicht, insbesondere im Hinblick auf Mitspracherechte bei Entscheidungen und die per­sönliche Zufriedenheit damit, abgefragt werden.“ Die Evaluierung werde „im Herbst 2018 fertiggestellt und sodann dem Nationalrat vorgelegt“, hat man weiters angegeben.

Die Ergebnisse der Evaluierung können zweifelsohne wichtige Anhaltspunkte für eine Weiterentwicklung des derzeit herrschenden Systems bieten. Eine Veröffentlichung dieser Evaluierung ist daher unerlässlich und sollte unverzüglich erfolgen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, die Ergebnisse der Evaluierung zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 unverzüglich zu veröffentlichen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl– Bitte.


17.15.45

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lieber Niki Scherak! Es ist doch eine Änderung eingetreten bei den NEOS: Zur Zeit des lieben Freundes Strolz war es so, dass ihr auch noch Wert­schätzendes geäußert habt. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Ihr wisst ganz genau, dass man da sehr differenziert handeln müsste. (Abg. Loacker: Der Abgeordnete Gerstl war immer ein großer Strolz-Fan!) Das habe ich jetzt von dir überhaupt nicht verstanden: Du bist jetzt hier herausgekommen und hast dich in die Gruppe derer eingereiht, die für Fundamentalopposition sind (Abg. Scherak: Na geh!), um alles schlechtzumachen.

Herr Kollege Scherak, liebe NEOS, das ist nicht der Stil, den sich die Wählerinnen und Wähler erwarten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Zwischenrufe


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bei den NEOS.) Gehen wir gerne, damit es die Wählerinnen und Wähler verstehen, auch ein bisschen ins Detail: Ja, die Punkte, um die es hier geht, sind nicht diejenigen, die die ganze Republik bewegen. (Abg. Scherak: Dann sollte man’s auch nicht sagen!) – Ja, das habe ich auch nie gesagt – nie! Das habe ich nie gesagt, aber: Das Großartige und auf der anderen Seite auch das wirklich Befremdliche ist, dass es fast 100 Jahre gedauert hat, bis diese kleinen Dinge nun verändert werden. In diesem Sinn ist es eine Besonderheit, und es gilt auch, unserem Verfassungsminister einen besonderen Dank auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Loacker: 32 Jahre haben Sie das nicht zusammengebracht!)

Wir gehen weit zurück: Es gab einen Österreichkonvent – ihr wisst es alle –, es wurden all die Dinge versucht, in den vergangenen 30 Jahren, 20 Jahren, 10 Jahren. Jetzt ist es ein Stück weitergegangen. Jetzt haben wir es geschafft, dass wir in Österreich nicht mehr zehn Gesetze beschließen müssen, um eine Sache zu vervollständigen, sondern es genügt nur mehr eines. Früher war es so, dass wir in den meisten Fällen, um die es hier geht, einmal im Nationalrat einen Beschluss fassen mussten, dann im Bundesrat und danach noch in allen neun Landtagen. Das hört sich jetzt ein für alle Mal auf.

Meine Damen und Herren, das ist eine Erleichterung hinsichtlich der Bürokratie, und das bringt auch mehr Klarheit. Ich habe mich lange gefragt: Warum ist das eigentlich so? Das ist doch verrückt, dass man da ein Bundesgesetz braucht und noch neun Landesgesetze. Der einzige Grund, den ich gefunden habe, ist ein historischer, näm­lich das mangelnde Vertrauen zwischen den Bundesländern und dem Bund. (Abg. Schellhorn: Ja!) Und dieses mangelnde Vertrauen hat dazu geführt, dass wir 100 Jahre lang auf eine Lösung warten mussten. In diesem Sinne ist es eine groß­artige Leistung, dass heute die Bundesländer und der Bund viel mehr Vertrauen zueinan­der haben, dass sie unabhängig voneinander agieren können und dass jeder seine Kompetenzen, ohne sie vom anderen noch genehmigt zu bekommen, erfüllen kann.

Meine Damen und Herren! Das ist ein großartiger Schritt im neuen Zusammenleben zwischen den Bundesländern und dem Bund. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Um das noch zu verdeutlichen: Wir haben ja noch ein zweites Gesetz, in dem wir sehr viele Punkte aufheben, nämlich dieses berühmte Übergangsgesetz. Sie müssen sich vorstellen, dieses Übergangsgesetz wurde 1920 geschaffen, in dem Sinne, dass man die staatliche Verwaltung von der Monarchie in die Republik überführt, und das gibt es heute noch. So lange hat es gedauert, bis wir das jetzt endlich auch reduzieren und sehr, sehr verschlanken; wir bekommen fast alles davon weg.

Da ging es auch um Misstrauen zwischen den Bundesländern und dem Bund. Das ist abgeschafft. Herr Bundesminister, meinen ganz besonderen Dank auch dafür. Und ich möchte auch sagen: Danke der Oppositionspartei SPÖ, denn ohne sie könnte das heute nicht beschlossen werden – Ehre, wem Ehre gebührt. (Abg. Noll: Das habts gebraucht!) In diesem Fall sage ich: Vielen, vielen Dank, und ich freue mich auf weitere Verhandlungen für noch mehr Verfassungsreformen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Leichtfried: Das hätte jetzt nicht sein müssen! Abg. Scherak: Ich glaube, die SPÖ sollte sich das noch einmal überlegen! Abg. Leichtfried: Wenn uns jetzt noch wer lobt - -!)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Alfred Noll. – Bitte.


17.20.01

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich ersuche die Abgeordneten der FPÖ und der ÖVP, sich jetzt entweder still zu beschäf-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 188

tigen oder auf einen Kaffee zu gehen. Ich habe mit der SPÖ etwas zu bereden. (Allge­meine Heiterkeit.)

Ihr seid alle wahnsinnig!


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! (Abg. Noll: Ich erläutere das!) – Nein, auch wenn Sie es erläutern, macht es das nicht besser. (Abg. Noll: Ich nehme das zurück!) – Gut, danke.


Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (fortsetzend): Ich nehme das zurück und sage: nicht ganz bei Sinnen. Erstens, das ist eine Verfassungsreform, da wird das B-VG geändert. Die SPÖ steht da in der Tradition eines Mannes wie Robert Danneberg, der sich genau gegen das gewehrt hat, was hier heute und aktuell passiert.

Der 7. November dieses Jahres hat eine Bundesratsenquete gebracht, bei der es ausgerechnet und mit guten Gründen die SPÖ war, die gegenüber den jetzigen Plänen ausgesprochen skeptisch gewesen ist. Ich muss inhaltlich gar nicht viel sagen, alles, was Nikolaus Scherak gesagt hat, ist völlig richtig. Ich bin immer wieder skeptisch gegenüber den NEOS, wenn sie quasi ihrer Erwerbsgeneigtheit nachkommen, aber ihren Prinzipien sind sie wenigstens treu. Ich weiß von vielen persönlichen Gesprächen mit vielen SPÖlerinnen und SPÖlern, dass das niemand von ihnen will, und trotzdem werden sie heute hier einer Verfassungsreform zustimmen.

Was man damit macht, ist ganz klar: Erstens einmal zeigt man, dass man keine Haltung hat, denn Sie, wie Sie hier sitzen, ihr, wie ihr hier sitzt, ihr wollt das überhaupt gar nicht, und trotzdem werdet ihr es beschließen. Zweitens zeigt man sich verfas­sungspolitisch wirklich unklug. Wenn man in der Verfassung etwas ändert, dann sollte man etwas davon haben. Niemand in der SPÖ hat davon irgendetwas.

Dann gibt es noch etwas: Wenn man gegen die eigene Haltung auf diese Art und Weise verstößt, dann zerstört dies das kämpferische Herz genau jener Anliegen, die ihr hier unter dem Namen Opposition vertretet. Ihr habt heute Vormittag gesehen, wie die mit euch Schlitten fahren! Von denen kriegt ihr gar nichts! Beim 12-Stunden-Tag, bei der Krankenkasse, in allen möglichen Bereichen bekommt ihr nichts – nicht einmal ein Gespräch. Jetzt ändert ihr die Verfassung, das Heiligtum der Republik Österreich, wegen nichts. Wenn ihr das macht, dann sagt bitte nie wieder in der Öffentlichkeit, dass ihr in diesem Land die Opposition bildet. (Beifall bei JETZT und NEOS.)

17.22


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte. (Abg. Rosenkranz: Ich glaube, Kollege Noll wird jetzt bald einmal bei der Fraktionssitzung der SPÖ auftauchen! – Abg. Leichtfried: Das glaube ich nicht! – Abg. Noll: Kaffee kriege ich keinen!)


17.22.52

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich einmal für die Redebeiträge bedanken, unter anderem bei Herrn Abgeordnetem Noll, der von Haltung gesprochen hat. Gleichzeitig möchte ich erwähnen, dass ich mit ihm auch Gespräche geführt habe und er in persönlichen Gesprächen avisiert hat, dass er dieser Reform zustimmen wird und eigentlich überhaupt keine Gründe hat, dem nicht zuzustimmen. Heute ist es anscheinend anders, als es damals noch gewesen ist. Haltung schaut meines Erachtens anders aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Also nur aus Opposition zur SPÖ!)

Wir haben – Abgeordneter Scherak hat das richtig gesagt – kein Föderalismusproblem, wir haben ein Strukturproblem, das dazu führt, dass es Doppelgleisigkeiten und Ineffi-


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zienzen gibt, dass das Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht ankommt, weil es in den Strukturen versickert. Das ist mittlerweile auch schon seit mehr als 30 Jahren bekannt. Was heute beschlossen wird, ist auch so ein Punkt, der schon 30 Jahre lang diskutiert wird.

Ich habe in den letzten 25 Jahren die Chance gehabt, das aktiv mitzuverfolgen und zu sehen, wohin das Ruder läuft. Das heißt, wir haben das Problem: Wir haben im Jahr 1989 bereits eine Aufgaben- und Verwaltungsreformkommission gehabt, die die Aufgabe gehabt hat, die Kompetenzen in Österreich neu zu verteilen. Das Ergebnis in dem Zusammenhang war eine Studie zur Neuverteilung der Kompetenzen in Öster­reich. Passiert ist gar nichts.

Wir haben in der Folge dann die nächste Gruppierung gehabt, das war eine Struk­turreformkommission – auch wieder: Kompetenzen sollen neu geordnet werden –, das war im Jahr 2001. Ergebnis: Es ist nichts herausgekommen beziehungsweise es wurde nichts umgesetzt.

Wir haben in der Folge dann das Perchtoldsdorfer Paktum gehabt, das auch eine Neuverteilung der Kompetenzen vorgesehen hat, unter anderem auch eine Zuweisung der Grundsatzkompetenz entweder zum Bund oder zu den Ländern. Es ist nicht umgesetzt worden.

Wir haben von 2003 bis 2005 einen Österreichkonvent gehabt, der unter anderem auch die Aufgabe gehabt hat, die im Artikel 12 vorgesehenen Elemente beziehungs­weise Materien – nämlich Grundsatzgesetzgebung: Bund; Ausführungsgesetzgebung: Land – klar zuzuweisen. Es war nicht möglich. Die Materien, über die wir heute reden, sollten in einer dritten Säule aufgefangen werden, in der Gesetzgebung und Vollzie­hung Bundessache und Landessache sind, weil man sich nicht einigen konnte, ob man das dem Bund oder den Ländern zuweist. So einfach ist es also nicht, zu sagen: Das ist die Materie oder die Materie. – Man hat es probiert, man hat es aber nicht ge­schafft.

Es gab im Jahr 2007 die nächste Arbeitsgruppe zur Staats- und Verwaltungsreform: Da hat man sich auch damit beschäftigt, da wollte man das auch zuweisen. Man hat es nicht geschafft.

Jetzt ist es passiert. Deshalb ist das meines Erachtens sehr wohl, was eine systema­tische Kompetenzbereinigung betrifft, die größte Reform seit 1929. Auch Fakten und Zahlen sind immer bestechend: Im Jahr 1974 wurde Artikel 15a geschaffen, das heißt, dass es Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gibt. Im Jahr 1983 wurden die Umweltkompetenzen nur in Randbereichen neu geordnet. Im Jahr 1985 hat man den UVS, den Unabhängigen Verwaltungssenat geschaffen. Im Jahr 2012 hat man die Bundesverwaltungs- beziehungsweise Landesverwaltungsgerichte geschaffen. – Das war es. Das heißt, man hat 30 Jahre darüber diskutiert, etwas zuzuweisen, aber man hat es nicht geschafft.

Aus diesem Grund bin ich dagegen, das zu sagen, was Sie gesagt haben, nämlich dass das eigentlich nichts sei. Für das, was heute am Tisch liegt, haben Leute im Bund und in den Ländern Hunderte Stunden benötigt. Es sind alle Betroffenen, auch im Bereich der Kinder- und Jugendfürsorge, miteingebunden worden, damit man den Stein einmal ins Rollen bringt und Österreich in eine neue Zukunft führt, das heißt mit einem klaren Föderalismus, mit einer klaren Aufgabenverantwortung. Das passiert mit dieser Reform. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Deshalb möchte ich mich in diesem Zusammenhang auf das Herzlichste bedanken, insbesondere bei den Mitarbeitern des Verfassungsdienstes, die Außerordentliches geleistet haben, bei meiner Stabsstelle, bei den Landesamtsdirektoren und allen übri-


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gen Bediensteten, die mitgewirkt haben, dass es dazu gekommen ist. Ich bedanke mich in dem Zusammenhang auch bei den Landeshauptleuten, in diesem Fall insbe­sondere bei Landeshauptmann Niessl und beim vormaligen Bürgermeister Häupl. Sie haben möglich gemacht, dass wir zusammen, über die Parteigrenzen hinweg, ein gemeinsames Ergebnis, einen Kompromiss erzielt haben, der Österreich weiterent­wickelt. Ich würde auch sagen, wenn man in der Opposition ist, soll man von einem Verhalten nach dem Motto: Das ist Opposition und das ist Regierung!, weggehen und in die Richtung gehen, dass man fragt: Was braucht Österreich? – Was Österreich braucht, ist ein klarer Föderalismus, eine klare Aufgabenverantwortung und eine klare Ergebnisverantwortung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie haben im Ausschuss auch darauf hingewiesen, dass ich dagegen sei, dass Kom­petenzen überhaupt zu den Ländern kommen, das würde man bei der Kinder- und Jugendhilfe sehen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Kinder- und Jugendhilfe in den Händen der Länder ist. Auch wenn man sich das derzeitige Grundsatzgesetz anschaut, sind die Länder die Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Was haben wir bisher gehabt? – Mit dem Grundsatzgesetz hat der Bund die Aufgaben zugewiesen, auf der anderen Seite war die Ausführung beziehungsweise Durchführung bei den Ländern, finanziert hat es der Steuerzahler.

Sie haben ja auch angesprochen, dass es in diesem Fall eine enorme Zersplitterung gibt, was die einzelnen Standards betrifft. Wenn etwas nicht funktioniert hat, dann hat der Bund darauf verwiesen: Die Verantwortung für die Ausführung liegt bei den Ländern! Die Länder wiederum haben darauf hingewiesen: In diesem Fall werden die Aufgaben ja vom Bund festgelegt, ich kann nichts dafür! – Der eine hat also die Verantwortung dem anderen zugewiesen. Deshalb ist man jetzt in die Richtung gegangen, klare Verantwortlichkeiten festzulegen, damit man in Zukunft weiß, ob die Aufgabe erfüllt oder nicht erfüllt wird, und gleichzeitig, wer die Verantwortung dafür hat.

Man hat in der Vergangenheit sehr viel diskutiert: Wie können wir – in diesem Fall – die Kinder- und Jugendhilfe stärken? Wie können wir harmonisieren? Geschehen ist nichts. Durch die Novellierung, die jetzt eben vorgenommen wird, geht es nun in eine Richtung, dass sich die Länder sehr wohl bei den Zielsetzungen dazu bekennen, eine Harmonisierung der Standards herbeizuführen, und sich gleichzeitig auch zu Folgen­dem bekennen – ich zitiere Artikel 4 –: Die Länder verpflichten sich bei Änderungen, insbesondere der Umstände bei Vorliegen von neuen wissenschaftlichen Erkennt­nissen und Expertisen aus Fachkreisen, Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, diese rechtzeitig in Kraft zu setzen. – Zitatende.

Jetzt haben wir es schriftlich zwischen Bund und Ländern, dass endlich das passiert, was in der Vergangenheit nicht passiert ist. Das heißt, diese Reform, diese Verlän­derung führt genau die Kompetenz zu den Ländern hin. Die Länder haben die Verantwortung und haben sich dazu bekannt, die Standards weiterzuentwickeln. Ich glaube, das ist der richtige Weg, und man kann nicht sagen, dass das in diesem Fall zu einer Verschlechterung führt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Scherak: Einheitliche Standards, nicht unterschiedliche!)

Ich möchte erwähnen, dass auch die ganzen Blockademöglichkeiten endlich wegfallen. Wenn man Bezirksgerichte zusammenlegen wollte – Frau Präsidentin Griss, die ja anwesend ist, kennt dieses Beispiel –, war es bisher so, dass ein Übergangsgesetz aus dem Jahr 1920 vorgesehen hat, dass das nur im Einvernehmen mit den Ländern geht. Wohin hat das geführt? – Man hat die Bezirksgerichte nicht so zusammengeführt, dass das tatsächlich den Betroffenen, den Bürgerinnen und Bürgern dient, nein, man hat sie zusammengeführt, weil das Land das Bezirksgericht in einer bestimmten Stadt haben wollte.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 191

Ein Beispiel dazu, und ich kann mehrere Beispiele anführen: Hartberg ist ein großes Bezirksgericht, das gut ausgestattet ist. In Fürstenfeld haben wir ein kleines Gericht, das nicht gut ausgestattet ist. Es ist nicht gegangen, im Rahmen der Zusammenlegung das Bezirksgericht Fürstenfeld nach Hartberg – wo man die ohne Weiteres aufnehmen hätte können – zu verlegen, nein, man hat das Bezirksgericht Hartberg nach Fürstenfeld verlegt, in Fürstenfeld einen Zubau mit Kosten in Millionenhöhe errichtet. Das Land hat darauf hingewiesen: Wir haben schon die Bezirkshauptmannschaft nach Hartberg verlegt, jetzt können wir nicht auch noch das Bezirksgericht dorthin verlegen, wir verlegen das Bezirksgericht nach Fürstenfeld. Das war der Punkt. So hat man bisher Reformen durchgeführt: zulasten der Steuerzahler, ohne Verbesserung der Zustände für die Bürgerinnen und Bürger. Das fällt jetzt weg.

Genauso war es, wenn sich ein politischer Bezirk beziehungsweise eine Bezirks­hauptmannschaft verändert hat. Da ist es auch in die Richtung gegangen, dass es nicht möglich war, dass beispielsweise die Stadt Steyr in dem Fall mit Wels zusam­menarbeitet, weil die eine Stadt eine Stadt mit eigenem Statut ist und ein Magistrat hat, die andere eine Bezirkshauptmannschaft. Das ging nicht, jetzt geht es.

Das heißt, in dem Zusammenhang ist man in der Lage, tatsächlich Synergien zu nutzen und Kooperationen einzugehen, damit bessere Qualität für die BürgerInnen und schnellere Erledigungen gewährleistet werden können. Das ist auch eine Folge dieses Paketes.

Wir hatten bisher zehn Datenschutzgesetze, neun in den Ländern, eines im Bund. Mit der Novelle geht es in die Richtung: nicht zehn Gesetze, sondern ein Gesetz, das durchgeführt wird.

Sie sehen also, dass dieses Reformpaket mehr ist als das, was Sie erwähnt haben. Es ist ein Paket, das tatsächlich in die Zukunft führt und ein Meilenstein in der Richtung ist, dass man endlich vom Misstrauensprinzip weg hin zum Vertrauensprinzip gekommen ist. Wie Sie gesagt haben, muss der nächste Schritt folgen, damit man nicht stehen bleibt, sondern Österreich neu baut. Auch da bin ich so weit, dass wir mit den Landeshauptleuten bereits eine Vereinbarung getroffen haben, dass die von Ihnen angesprochenen Projekte, beispielsweise Heil- und Pflegeanstalten, Elektrizitäts­wesen, Armenwesen, in dem Fall bis zum 18. Mai abgearbeitet werden. Wir sind gerade mit den Ländern dabei, auch in diesem Bereich den Artikel 12 aufzulösen.

Das heißt, wir hören jetzt nicht auf und sagen nicht, wir sind fertig, sondern wir arbeiten weiter und haben den ersten Schritt, den wesentlichen Schritt erreicht: weg vom Misstrauen, hin zum Vertrauen, zu mehr Bürgernähe und zu mehr Effizienz. Dieses Paket wird bis Mai fertiggestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. –Ruf bei den NEOS: Viel Glück!) – Danke! Wenn Sie in dem Bereich mitwirken, sind wir auch in der Lage, das umzusetzen. (Abg. Rosenkranz: Er braucht kein Glück, sondern Ihre Unterstützung!)

Zu den anderen Paketen, die Sie angesprochen haben – Bildung, Pflege und der­gleichen –: Pflege ist der erste Schritt, der jetzt in Angriff genommen wird. Auch da haben wir mit den Ländern vereinbart, dass wir die Pakete Pflege und gleichzeitig auch Gesundheitswesen – wir haben eine Strukturreform, die Gesundheitsreform steht aus – im Jahr 2019 in Aussicht nehmen. Das wurde mit den Ländern fixiert. Das heißt, Sie sehen, wir stoppen nicht. Wir nehmen das, was wir tun, auch ernst, und wir versuchen, das Mögliche möglich zu machen.

In dem Zusammenhang möchte ich mich beim Vorsitzenden des Verfassungs­ausschusses Dr. Wittmann bedanken, dass er und die SPÖ nach ursprünglichen Bedenken und nach Einwänden – im Zusammenhang mit der Frage, wie sichergestellt werden soll, dass es bei Kinder- und Jugendhilfe in keiner Art und Weise zu Ver-


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schlechterungen kommt – nunmehr zustimmen. Damit stehen eben nicht die Partei­taktik und das Tageskalkül im Vordergrund, sondern die Verantwortung für Österreich. Deshalb möchte ich mich herzlich bedanken, dass es in diese Richtung geht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Thema ist vielleicht noch zu erwähnen, weil man daran sieht, was passiert ist. Das Übergangsgesetz, das von Abgeordnetem Gerstl angesprochen worden ist, ist im Frühjahr 1920 mit dem Ziel eingerichtet worden, mit der endgültigen Verfassung am 1.10.1920 dieses Gesetz wieder wegfallen zu lassen, das heißt, zu löschen. Dieses Übergangsgesetz ist nunmehr 98 Jahre alt. 1920 hat Kelsen, der Vater der öster­reichischen Verfassung, in dem Zusammenhang schon darauf hingewiesen: Es ist einfach eine bundesstaatliche Anomalie, dass selbst die innere Geschäftsordnung eines Amtes der Landesregierung der Zustimmung des Bundes bedarf. Es hat 98 Jahre gebraucht, um das zu beseitigen.

Bisher musste der Bund zustimmen, wenn ein Land seine Geschäftsordnung ändert. Wie schaut eine diesbezügliche Änderung aus? – Derzeit ist es so: Es gibt einen Beschluss der Landesregierung, der Beschluss der Landesregierung geht dann weiter zur Verständigung der Bundesregierung, von der Bundesregierung kommt er zum Verfassungsdienst, der Verfassungsdienst ersucht die Ministerien, dazu Stellung zu nehmen, die Bundesministerien nehmen Stellung, die Änderung wird dann im Minister­rat eingebracht, der Ministerrat stimmt der Änderung zu, dann wird die Landes­regierung verständigt, und dann tritt sie in Kraft. – Statt dieser sieben Schritte gibt es in Zukunft einen.

Sie sehen, es ist mehr, als Sie erwähnt haben, es ist wert, darüber zu reden. Ich hoffe daher, dass es uns in Zukunft, und ich werde Sie so wie in der Vergangenheit auch mitein­binden, gemeinsam – da das eine Zweidrittelmaterie ist – gelingen wird, das weiterzubringen und Österreich gemeinsam neu zu bauen. Das ist ein Anliegen von uns allen, es ist nicht einer Partei zuordenbar, es ist nicht einem Parteiinteresse zuordenbar, sondern es ist der Verantwortung zuordenbar, die jeder Politiker hat, wenn er sieht, es ist etwas zu tun, und dementsprechend auch die nötigen Maßnahmen beziehungsweise Lösungen in Aussicht nimmt.

Ich möchte mich daher auf das Herzlichste für die Diskussion bedanken. Ich möchte mich auch bei Ihnen, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner – ich weiß, es ist nicht einfach –, dafür bedanken, dass Sie diesen meines Erachtens verantwortungsvollen Schritt mit­tragen und wir damit einen Schritt in die Zukunft weitergehen.

Weil Abgeordneter Noll auch den Bundesrat angesprochen hat und dass es bei der Bundesratsenquete Bedenken gegeben hat: Der Bundesrat hat im Jahr 2015 einen von zwei Gesetzesanträgen in dieser Zweiten Republik gestellt und dabei gesagt, dass genau diese Zustimmungsrechte, dieses Übergangsgesetz aufgehoben gehört. Der damalige Bundesratspräsident Kneifel hat darauf hingewiesen, dass das Steinzeit­föderalismus ist. Mit dieser Beschlussfassung nehmen wir heute auch eine Gesetzes­initiative des Bundesrates auf, der das auch so gesehen hat. Es kann also nicht so falsch sein.

Herr Abgeordneter Noll, ich schätze Sie. Vielleicht wird das nächste Mal das, was Sie sagen, auch durch Taten bewiesen, was heute leider nicht der Fall ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.36


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann zu Wort ge­meldet. – Bitte.



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17.36.25

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Noll, es ist natürlich leicht zu sagen, wir alle wollen Artikel 12 nicht, aber wenn man etwas macht, ist es falsch. (Abg. Noll: Nein! Ich will was kriegen dafür!) – Nein. In Wirklichkeit ist es die einfachste Geschichte: nur Opposition der Opposition willen, das ist ein bisschen zu wenig. Wir sind nämlich auch dafür, dass Artikel 12 wegkommt, und wir bringen einmal sozusagen eine Vorleistung, weil wir glauben, dass Artikel 12 wirklich weggehört. Das ist unsere grundsätzliche Einstellung zu dem Ganzen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ.)

Faktisch glauben wir auch, dass die Kinder- und Jugendhilfe bei den Ländern besser aufgehoben ist als bei dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Noll: Bravo! Genau!) Diese Bundesregierung ist sicher nicht in der Lage, viel für die Kinder- und Jugendhilfe zu machen, daher glauben wir auch, dass sie bei den Ländern besser aufgehoben ist. (Abg. Scherak: Auch in Oberösterreich?)

Ich muss aber ganz ehrlich sagen, es sind auch viele andere Kleinigkeiten enthalten. Ich glaube, bei diesen Zustimmungsrechten, die es gegeben hat, haben Sie voll­kommen recht, das ist wirklich anachronistisch und nicht mehr notwendig. Man kann sich nicht immer nur das Gute heraussuchen und darauf achten, wie gut ich in den Medien oder sonst wo rüberkomme. Freunde, wenn wir Artikel 12 wirklich abschaffen, muss jeder irgendwann über seinen Schatten springen. Das wird auch der Bundes­regierung noch bevorstehen, wenn sie eine Mehrheit in einem anderen Bereich will, und da werden wir auch in dieser Richtung verhandeln müssen.

Es wird aber zum Beispiel doch niemand sagen können, dass es falsch oder nicht richtig ist, dass man nicht mehr zehn Datenschutzgesetze hat, sondern eines. Was aber beim Datenschutzrecht vergeigt wurde, ist schon, dass wir jetzt ein Grundrecht haben, das nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung übereinstimmt. Ich verstehe nicht, warum man das nicht gleich gelöst hat. (Abg. Noll: Ihr stimmt trotzdem zu!) Das ist mir vollkommen unerklärlich.

Daher bringe ich einen Abänderungsantrag ein, da diese Möglichkeit ja auch auf euro­päischer Ebene in der Datenschutz-Grundverordnung enthalten ist, dass Institu­tionen eine Klage gegen diese Riesen wie Facebook, Google und andere einbringen können. Ich weiß nicht, warum man die schützen muss. Ich weiß es nicht! Ich weiß es beim Bundeskanzler, weil der grundsätzlich die Linie hat: die Reichen schützen, die Kon­zerne schützen und beim Einzelnen möglichst abkassieren (Beifall bei der SPÖ – Abg. Winzig: So ein Blödsinn! So ein Blödsinn!), ich verstehe es aber bei der FPÖ über­haupt nicht! Ich verstehe es bei der FPÖ überhaupt nicht! (Abg. Rosenkranz: Vielleicht ist das der Grund, warum Kollege Wittmann nicht die FPÖ wählt!)

Ich muss ganz ehrlich sagen, 60 Prozent von dem, was Sie da jetzt verändern oder abschaffen, ist totes Recht. Das ist so wie bei den 2 500 Bestimmungen, davon waren auch 2 400 totes Recht. Ein bisschen kommen Sie mir jetzt so vor, als wären Sie der Verwalter des toten Rechts. Da müssen Sie aufpassen, denn nur totes Recht zu verwalten ist als Justizminister ein bisschen zu wenig.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen

In Art. 5 wird folgende Z 4a. eingefügt:


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„4a. In § 28 wird folgender Satz angefügt:

„Solche Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen können auch unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person bei der Datenschutzbehörde Beschwerden einreichen oder die oben genannten Rechte mit Ausnahme des Rechts auf Schaden­ersatz im Sinne des § 29 wahrnehmen, wenn eine Person in ihren Rechten nach der DSGVO in Folge einer Verarbeitung rechtlich verletzt erscheint.““

*****

Springen Sie über Ihren Schatten, schützen Sie den Einzelnen im Sinne von 1848 und erteilen Sie den Reichen, den Konzernen endlich einmal eine Absage! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Winzig: Jetzt ist er aber bös!)

17.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann,

Genossinnen und Genossen

zum Top 22 Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäfts­führung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundesforstegesetz 1996, das Datenschutzgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen geändert werden (463 d.B.)

1. In Art. 5 wird folgende Z 4a. eingefügt:

„4a. In § 28 wird folgender Satz angefügt:

„Solche Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigungen können auch unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person bei der Datenschutzbehörde Beschwerden einreichen oder die oben genannten Rechte mit Ausnahme des Rechts auf Schaden­ersatz im Sinne des § 29 wahrnehmen, wenn eine Person in ihren Rechten nach der DSGVO in Folge einer Verarbeitung rechtlich verletzt erscheint.““

Erläuterung:

Gemäß Art. 80 Abs. 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass jede der in Abs. 1 des vorliegenden Artikels genannten Einrichtungen, Organisationen oder Vereinigun­gen unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat das Recht hat, bei der gemäß Art. 77 zuständigen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einzulegen und die in den Art. 78 und 79 aufgeführten Rechte in Anspruch zu nehmen, wenn ihres Erachtens die Rechte einer betroffenen Person gemäß dieser Verordnung infolge einer Verarbeitung verletzt worden sind.

Gemäß Abs. 1 der zitierten Normen müssen solche Einrichtungen ohne Gewinn­erzie­lungsabsicht tätig sein, deren satzungsmäßige Ziele müssen im öffentlichen öffent­lichem Interesse liegen und sie müssen im Bereich des Schutzes von personen­bezo­genen Daten tätig sein.


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Es wäre daher im Nachteil aller Bürgerinnen und Bürger, wenn Österreich von diesem Eintrittsrecht keinen Gebrauch machen würde.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan zu Wort. – Bitte. (Abg. Jarolim: Man kann unsere Jugend nicht Herrn Kurz ausliefern! – Zwischenruf bei der ÖVP.)


17.40.20

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fange vielleicht gleich mit dem letzten Redner vor mir an. Herr Kollege Wittmann hat hier ja klar­gemacht, dass die SPÖ Artikel 12 auch weghaben möchte (Zwischenruf des Abg. Hammer) – ich werde dann noch darauf eingehen –, und hat auch einen Antrag zum Datenschutzrecht gestellt und gemeint, die FPÖ müsste dem im Sinne von 1848 zustimmen.

Ich würde meinen, genau im Sinne von 1848 werden wir nicht zustimmen. Denn: Was ist denn das Wesentliche an diesem Antrag? – Es gibt gewisse Institutionen, die solche Art Sammelklagen einbringen können – das ist die Arbeiterkammer, der Verein für Konsumenteninformation, der ÖGB und so weiter –, allerdings bisher nur mit Zustimmung des Betroffenen. Der Antrag des Kollegen Wittmann sieht vor, dass diese Institutionen auch ohne Zustimmung des Betroffenen Beschwerden einbringen könnten. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Das heißt, es könnte durchaus sein, dass ein Betroffener das nicht will – aus welchen Gründen auch immer. Im Sinne von 1848, und daher im Sinne der Freiheit des Ein­zelnen, stimmen wir dem nicht zu, weil wir eben nicht wollen, dass ohne die eigene Zustimmung eine Beschwerde eingebracht wird, die vielleicht dem Einzelnen einen Nachteil bringt oder was auch immer. Jedenfalls sollte er selbst in der Lage sein, das zu entscheiden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun aber zum wesentlichen Inhalt dieses Gesetzes: Es wurde ein bisschen herunter­gespielt, was das heute bedeutet. Kollege Scherak hat sich ein bisschen lustig ge­macht – die größte Veränderung oder Reform der Verfassung. Ich habe nur erwartet, dass er uns sagt, welche größer war, wenn er sagt, es ist nichts. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Es hat tatsächlich seit 1929 keine größere gegeben. Das ist jedenfalls ein absolut richtiger Befund. Ich glaube, Kollege Scherak kann nun auch nichts dazu sagen, weil es einfach stimmt.

Dann muss man schon eines sagen: Wenn es einen Minister gibt – er ist ja auch Deregulierungsminister –, der sich um diese Dinge kümmert, der die Persönlichkeit hat, das voranzutreiben, und es dann Partner in der Regierung gibt, die auch gewillt sind, das umzusetzen, dann kann so etwas eben geschehen. Das ist schon eine außer­gewöhnliche Leistung, sonst wäre es ja in den letzten hundert Jahren schon längst passiert; das muss man anerkennen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Man kann dann natürlich sagen, das ist nicht weit genug und man hat nicht alles im Artikel 12 geregelt, man hätte sich vielleicht eine andere Zuteilung gewünscht. Darüber kann man ja diskutieren, nur: Unter der Maßgabe, dass man sich eben eine andere Zuteilung zwischen Bund und Ländern wünscht, kommt es nie zu einer neuen Deregulierung, es kommt nie zu einer Aufteilung der Kompetenzen, zu einer Ent-


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flechtung. Das ist ja bisher genau das Problem gewesen. Irgendwann muss man eine Entscheidung treffen, und dann ist eben das eine beim Bund und das andere bei den Ländern.

Das ist die Tatsache, und wir haben diese Entscheidung nun – auch gemeinsam mit den Landeshauptleuten – getroffen. Ich bin sehr froh, dass uns das gelungen ist, weil das doch ein erster und auch nicht unwesentlicher Schritt ist, diesen Beginn einer – man kann das Wort ja schon oft nicht mehr hören – Verwaltungsreform im Sinne der Deregulierung nun einmal in der Verfassung umzusetzen.

Ganz amüsant fand ich auch, dass Kollege Wittmann gesagt hat, er ist froh, dass die Jugendfürsorge jetzt bei den Ländern ist, weil er dem Bund das nicht zumuten würde. Bisher habe ich vonseiten der SPÖ genau das Gegenteil gehört. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Ich nehme an, Frau Kollegin Yildirim aus Tirol wird uns heute das Gegenteil sagen, nämlich dass sie große Bedenken hat, wenn die Länder für die Jugendfürsorge zuständig sind. Ich teile diese Bedenken nicht.

Ich glaube, es geht grundsätzlich auch immer um die Frage, ob man Föderalismus oder Zentralismus will. Auf EU-Ebene sagen wir immer ganz bewusst – auch diese Bundesregierung –, es geht uns um Subsidiarität: Das, was der einzelne Staat besser regeln kann, soll er regeln, und nur das, was er nicht besser regeln kann, soll die über­geordnete Institution machen.

So ist es in diesem Fall auch: Die Länder sind grundsätzlich einmal näher am Men­schen, und daher traue ich ihnen sehr wohl zu, dass sie gerade auch in der Jugend­fürsorge Regelungen treffen, die den Menschen zugutekommen. Wie gesagt, ich finde es schon sehr eigenartig, wenn man seinen eigenen Landeshauptleuten nicht zutraut, dass sie die Jugendfürsorge zumindest so gut gestalten, wie es bis jetzt der Bund gemacht hat. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

In diesem Sinne bedanke ich mich auch, dass es möglich war, dass es die Ab­stim­mung zwischen dem Bundesminister einerseits und den Ländern andererseits gegeben hat, und dass wir damit gewisse gegenseitige Blockaden auflösen konnten. Es wurde zum Teil schon angemerkt, es geht – abgesehen von Artikel 12, dieser klaren Auftei­lung der Kompetenzen zu Bund und Ländern – auch um ein paar andere Blockade­möglichkeiten zwischen Land und Bund. Das hat man nun endlich auch gelöst. Das hat in Wahrheit fast hundert Jahre gebraucht, um gelöst zu werden.

Das ist also ein sehr erfreulicher Schritt. Ich bedanke mich bei der SPÖ, dass sie ebenfalls zustimmt, und hoffe, dass man nun erkennt, dass es diese Regierung tatsächlich ernst damit meint, den Staat neu zu strukturieren und zu deregulieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.45


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer ist der nächste Redner. – Bitte.


17.46.01

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr verehrten Zuseherinnen und Zuseher! Ganz herzlich begrüßen darf ich heute hier bei uns im Parlament die Vertreter und Vertreterinnen der Schülerunion Niederösterreich. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ihr erlebt hier eine sehr intensive und spannende Debatte, anhand deren man vielleicht ein wenig nachvollziehen kann, wie diese Debatten rund um Kompetenzen in der Verfassung und so weiter vor fast hundert Jahren vor sich gegangen sind.


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Entscheidungsgrundlagen sind immer wieder auch Studien. Es wird in Entschließungs­anträgen gefordert, dass das Ergebnis der Kinder- und Jugendhilfestudie – diese Evaluierung – vorgelegt wird. Meinen Informationen nach ist das nicht mehr notwendig, weil diese Evaluierung der Kinder- und Jugendhilfe in den nächsten Tagen veröffentlicht werden wird. (Abg. Scherak: Na, dann kannst du eh zustimmen, Fritz!) – Ja, aber die Zustimmung erübrigt sich, weil sie sowieso veröffentlicht wird. Dieser Antrag ist dann an und für sich nicht mehr notwendig.

Zurück aber zum eigentlichen Thema, zur Verfassung, die ja bald hundert Jahre alt wird – Bundes-Verfassungsgesetz von 1920 in der Fassung von 1929 –: Hans Kelsen hatte damals nach der Gründung der Republik den Auftrag, eine neue Verfassung für die junge Republik zu erarbeiten. Er hat sich damals zwei politischen Grundprinzipien verschrieben, das eine war die parlamentarische Demokratie und das andere die Dezentralisierung, ausgehend von der Tatsache, dass es schon autonome Länder gab, allerdings mit der Einschränkung, dass diese die Zentralregierung nicht allzu sehr einschränken durften.

Schon damals also waren die Länder sehr wichtig. Ausgehend von einem gewissen Misstrauen, das heute schon angesprochen wurde, hat man damals allerdings Zu­stimmungsrechte vorgesehen, und es wurden auch die Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern verteilt – das alles allerdings vor dem Hintergrund der damaligen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse von 1918 bis 1920. Mit diesem Konsens leben wir heute noch.

Hundert Jahre hat es gedauert, bis wir diese damaligen Regelungen aufbrechen konnten. Wir können heute einen ersten Schritt in Richtung einer solchen Reform setzen, indem wir im Artikel 12 Kompetenzen entweder dem Bund oder den Ländern zuordnen, zum Beispiel die Bevölkerungspolitik dem Bund und die Jugendfürsorge oder die Bodenreform den Ländern, wobei klar ist, dass die Regelung der Einfors­tungsrechte weiterhin bei den Agrarbehörden in den Ländern bleiben soll.

Es werden des Weiteren wechselseitige Zustimmungsrechte gestrichen: Grenzziehung von politischen Bezirken, Verleihung des Stadtrechtes an Städte mit über 20 000 Ein­wohnern, Bezirksgerichtssprengel. – Der Herr Minister hat das alles bereits im Detail angeführt.

Klar ist für mich, dass das bundesstaatliche Prinzip einer der Grundpfeiler für ein erfolgreiches Österreich ist. Starke Länder sind kein Widerspruch zu einem starken Bund.

Gerade Verfassungsgesetze, denke ich, sollten auf breite Zustimmung stoßen. Des­halb ist auch dieses Gesetzespaket in enger Abstimmung mit den Ländern erarbeitet worden. Ich möchte mich daher auch bei der SPÖ bedanken, dass sie, nach intensiver Debatte zu Beginn, dieser Reform auch zustimmen wird.

Ich denke und bin mir auch sicher, dass diese Reform ein wichtiger Schritt, ein wich­tiger Anfang war und dass das eine nachhaltige Reform unserer bald hundert­jährigen Bundesverfassung ist. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.49


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag.a Selma Yildirim ist die nächste Rednerin. – Bitte.


17.49.51

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es ist ge­lun­gen, den ersten Teil des Kompetenzbereinigungspaketes zwischen Bund und Län-


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dern auf Schiene zu bringen. Das ist ein Anliegen, das wir als SPÖ im Sinne einer Modernisierung des Verfassungsrechts auch forciert haben und mittragen werden.

Es stimmt, es hat sich am Thema Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe gespießt. Wir hatten sehr heftige Diskussionen im Verfassungsausschuss, und ich behaupte: zu Recht. Es war wichtig, auf die Einwände der Praktikerinnen und Praktiker einzugehen. Wir haben uns das nicht einfach gemacht, wir haben viele intensive Gespräche geführt und Pros und Kontras abgewogen. Es kommt heraus: Den VertreterInnen in der Praxis ist die Vereinheitlichung ein Herzensanliegen. Sie haben große Sorge, dass die Stan­dards, die seit 2013 halbwegs vereinheitlicht wurden, in Mitleidenschaft gezogen wer­den. Deswegen mussten wir als SPÖ auf die Bremse steigen; im Grunde genommen mussten wir die Notbremse ziehen.

Ich verwehre mich – wenn ich an diese Wochen denke – gegen das, was uns von ÖVP und FPÖ unterstellt wurde, nämlich dass wir quasi aus Jux und Tollerei Blockadepolitik betreiben und unsere Zustimmung verweigern würden. Das Gegenteil ist der Fall! Es geht um Kinderrechte, es geht um Kinder- und Jugendschutz und damit um einen hochsensiblen Bereich. In diesem Punkt waren die Einwände aus der Praxis so groß, dass wir unsere Zustimmung von Verbesserungen des ursprünglichen Regierungs­vorhabens abhängig gemacht haben. Sie werden verstehen, dass wir da ganz genau hinschauen, denn: Welches Thema kann wichtiger sein als der Schutz von Kindern und Jugendlichen?

Die nun vorliegende 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern legt fest, dass die Leistungen und Mindeststandards von den Bundesländern zwar weiterentwickelt, nicht aber nach unten gedrückt, jedenfalls nicht verschlechtert werden können. Es war uns sehr wichtig, dass in allen Bundesländern gleich gute Standards sichergestellt werden. Geändert oder aufgelöst werden kann diese Vereinbarung nur mehr im Einver­nehmen – das ist uns zumindest versichert worden, und uns liegt diese 15a-Verein­barung auch schriftlich vor –, ein einzelnes Bundesland kann also nicht mehr aus­scheren. Eine Verschlechterung der Situation ist damit auf unser Bestreben hin ausge­schlossen.

Nur weil wir uns aktiv im Vorfeld eingebracht haben, ist nun zumindest einmal gewähr­leistet, dass das Niveau der Kinder- und Jugendhilfe in Österreich nicht sinkt. Das ist gerade keine Blockadepolitik, sondern es beweist nur, dass uns dieses Thema sehr wohl sehr wichtig ist. Zuerst die Verfassungsänderung zu beschließen und dann erst die Spielregeln in Form einer Bund-Länder-Vereinbarung festzulegen, wäre nicht seriös gewesen.

Kompetenzbereinigung – ja! Die Modernisierung der Verfassung in diesem Bereich ist eine gute Sache, die die SPÖ auch immer verfolgt und mitverhandelt hat. Trotzdem schauen wir natürlich sehr genau auf die Details und geben keine Blankozustim­mun­gen. Wir lassen uns nicht drängen und bemühen uns um Qualität, und wie man sieht, mit Erfolg. Das Ergebnis ist nun besser, als es vorher war – im Sinne der Kinder und Jugendlichen im Land. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.53


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger ist der nächste Redner. – Bitte.


17.53.32

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Lieber Alfred Noll, ich hätte mir in Kenntnis deines tiefgreifenden, profunden Wissens betreffend das öffentliche Recht erhofft, hier fachlichen Input von dir zu bekommen. (Abg. Scherak: Das kannst ja du machen!) Stattdessen aber hast du der


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Sozialdemokratie vorgehalten, dass sie staatspolitische Verantwortung wahrnimmt und diese Verfassungsreform mitträgt (Beifall bei ÖVP und FPÖ), gerade so, als täte sie damit etwas Unsittliches und würde die Prinzipien der allerheiligsten Bundesverfassung verraten (Zwischenruf des Abg. Noll); was sie selbstverständlich nicht tut. Sie stimmt zu, und zwar einem ersten Schritt einer Reform der Bundesverfassung.

Es gibt ein klares Commitment aller Parteien in diesem Haus, dass die Reform notwendig ist. Wie immer geht es unseren Freunden von den NEOS nicht schnell genug, denn sie hätten gerne sofort alles gemacht und den Föderalismus gekippt. Das geht aber nicht ganz so einfach, denn wir haben Grundregeln, die wir uns gegeben haben, und es ist im Übrigen auch nicht notwendig.

Ich beende meinen Redebeitrag mit dem Dank an dich, Herr Minister Moser. Du bist Sachverständiger für dieses ganze Thema. Wenige in Österreich wissen besser, wo wir mittels Deregulierung und Entflechtung Einsparungspotenzial heben können. Du hast diesen ersten, sehr guten und auch bemerkenswerten Schritt – der mehr ist als das, als was er hier dargestellt worden ist – gut gemacht. Ich wünsche dir, dem Verfassungsdienst und allen, die guten Willens sind und daran beteiligt sind, viel Glück und viel Produktivität auf dem Weg zu den nächsten Schritten, diese Entflechtung der Kompetenzen umzusetzen. Ich bin überzeugt, wir werden uns noch öfter damit be­schäftigen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.55


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits ist die nächste Rednerin. – Bitte.


17.55.27

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vor einigen Wochen hat hier in diesem Raum eine super Enquete stattgefunden, und zwar eine Enquete zum Thema Kinder- und Jugendhilfe. Das war ungemein wichtig, weil man dieser Thematik endlich den Raum gegeben hat, den sie sich auch verdient hat und den sich vor allem die Kinder und Jugendlichen verdient haben.

Das ist ein Themenbereich, über den Politikerinnen und Politiker nicht immer so gerne sprechen, weil es da nämlich um Jugendliche geht, mit denen man sich nicht immer rühmen kann, um Jugendliche, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren sind, die einfach nicht in die perfekte Familie hineingeboren sind und daher einfach Unterstützung brauchen, eine Unterstützung, die wir als öffentliche Hand gewährleisten müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jedes Kind hat das gleiche Recht auf den gleichen Schutz, jedes Kind hat das Recht auf kindgerechtes Aufwachsen, auf die beste Begleitung, auf die beste Unterstützung und auf die beste Förderung. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es ist wurscht, ob das Kind bei den Eltern aufwächst oder in sogenannter voller Erziehung, also nicht bei den Eltern, aufwächst. Das muss vom Bodensee bis zum Neusiedler See gelten. Von dem haben wir uns nicht verabschiedet und werden wir uns nicht verabschieden. Es ist unsere Pflicht, genau auf das zu schauen – Stichwort UN-Kinderrechtskonvention, Stichwort BVG Kinderrechte. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir auch brauchen – Kollege Scherak hat darüber gesprochen –, ist endlich die Evaluierung, die im Rahmen des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 mitbe­schlossen wurde.

Deshalb darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 200

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluierung zum B-KJHG“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird aufgefordert, die Evaluierungsergebnisse zum Bundes- Kinder- und Ju­gendhilfegesetz 2013 zu veröffentlichen und zugänglich zu machen.“

*****

Abschließend, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Jedes Kind hat das Recht auf den gleichen Schutz. Wir müssen diesen Kinderschutz gewähren, egal ob auf Gemein­de­ebene, Landesebene oder Bundesebene. Das gilt für die gesamte Bundesregierung, für uns Abgeordnete und für alle Landeshauptleute im Sinne der Kinder und Jugend­lichen. Wir werden genau darauf schauen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Katharina Kucharowits

Genossinnen und Genossen

betreffend „Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluierung zum B-KJHG“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 22 Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (301 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des B. G. Bl. Nr. 368 vom Jahre 1925, das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, das Bundesforstegesetz 1996, das Datenschutzgesetz, das Bundesgesetzblattgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstraf-sachen geändert werden (463 d.B.)

Im Zuge der Beschlussfassung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 wurde als Begleitmaßnahme eine Evaluierung mit dem Ziel beschlossen, das Gesetz und dessen Inhalte für die betroffenen Kinder bestmöglich weiterzuentwickeln und zu analysieren. Für die Umsetzung wurde im Familienministerium unter der ehemaligen Ministerin Karmasin eine Steuerungsgruppe eingerichtet, welche sich aus Expertinnen und Experten zusammensetzte.

Bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode wurde eine Anfrage zur Steuerungs­gruppe und der Evaluation gestellt – es wurde schriftlich die Einhaltung des vorge­sehenen Zeitplanes und die Fertigstellung bis Mitte 2018 bestätigt.1 

Nachdem in diesem Jahr die Diskussion um die Kinder- und Jugendhilfe durch die geplante Kompetenzbereinigung wieder entfachte, wurden auch die fertiggestellten Ergeb­nisse der Evaluierung erneut thematisiert und eingefordert.

Auch im Ausschuss für Familie und Jugend am 9. Oktober 2018 wurden in der aktu­ellen Aussprache die Evaluierungsergebnisse angesprochen und Ministerin Bogner-Strauß sicherte zu, dass diese mit spätestens Ende Herbst veröffentlicht werden. Um Potenziale für die Weiterentwicklung dieser wichtigen Materie zu nutzen ist die Evalu-


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ierung des 2013 eingeführten Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes umgehend zu veröffentlichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird aufgefordert, die Evaluierungsergebnisse zum Bundes- Kinder- und Ju­gend­hilfegesetz 2013 zu veröffentlichen und zugänglich zu machen.“

1 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_11408/imfname_629432.pdf

*****

17.57.58


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung und zur Abstimmung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 463 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kolle­gen vor.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und anschließend über den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes, Änderungen von Bundesverfassungsgesetzen sowie Verfassungsbestimmungen ent­hält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl an Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel 5 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Nun ersuche ich jene Damen und Herren, die für den gegenständlichen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest. 

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Veröffentlichung Evaluie­rung B-KJHG 2013“.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den Entschließungsantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den Entschließungsantrag aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.00.4023. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 512/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forcierung des Konzepts „Haft in der Heimat“ unter anderem durch konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen und Rechtsgrundlagen in der EU und verstärkte bilaterale Abkommen (437 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Gudrun Kugler. – Bitte.


18.01.16

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf als Erste über den Antrag betreffend Forcierung der Haft in der Heimat sprechen. Zuerst möchte ich einmal Danke sagen. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, allen Parteien, die gemein­sam daran gewirkt haben und einen einstimmigen Antrag für ein doch wichtiges Thema zustande gebracht haben.

Ich möchte kurz erklären, warum wir uns gemeinsam für die Forcierung des Konzepts Haft in der Heimat einsetzen, sodass jemand, der zu einer Haftstrafe verurteilt und nicht österreichischer Staatsbürger ist, diese Haft auch im Heimatland antreten kann. Es gibt hierfür drei Gründe.

Der erste Grund: Es ist wichtig, die Gefängnisse in Österreich zu entlasten. Ich darf ein paar Zahlen nennen. Es gibt circa 9 000 Gefangene in Österreich, davon sind 54 Pro­zent nicht österreichische Staatsbürger, von diesen 54 Prozent sind ein Drittel aus EU-Ländern und zwei Drittel aus Drittstaaten. Die österreichischen Gefängnisse sind an ihrer Kapazitätsgrenze.

Der zweite Grund ist, dass wir die Gefangenen unterstützen können, wenn sie in der Heimat die Haft antreten, weil die Resozialisierung leichter ist und es leichter ist, zu Verwandten und Bekannten Kontakt zu halten, denn auch das ist wichtig.

Ein dritter Grund ist – dieser betrifft ganz besonders den Ausschuss für Menschen­rechte –, dass wir die Haftbedingungen in den osteuropäischen EU-Ländern, aber auch in Drittländern verbessern wollen – aus menschenrechtlichen Gesichtspunkten und aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten. Dabei geht es vorwiegend um den Artikel 3 der EMRK, der besagt, dass unmenschliche und erniedrigende Behandlung verboten ist. Was das genau bedeutet, lesen wir in der Judikatur des EGMR. Ich sage Ihnen ein paar Beispiele, damit Sie wissen, worum es geht.

Das betrifft zum Beispiel die Zellengröße. Dazu sagt der EGMR, 4 Quadratmeter pro Person wären notwendig. Es geht um Hygiene, es geht um medizinische Versorgung, um die Regulierung der Isolationshaft und auch um so einfache Dinge wie dass man


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den Fernseher ausschalten kann. Es geht um separate Institutionen für Jugendliche und so weiter und so fort. Österreich wird sich für Menschenrechtsstandards auch in anderen Ländern einsetzen.

Ich möchte Ihnen jetzt noch ein Beispiel dafür geben, wie das aussehen kann. Es ist vielleicht kein typisches Beispiel für die Fragen, die wir uns in diesem Antrag gestellt haben, aber es ist wichtig, weil es um Europa und um Menschenrechtsverletzungen auf europäischem Boden geht. Einige Abgeordnete dieses Hauses haben gestern Vormittag einen ukrainischen Professor kennengelernt, Igor Kozlovsky, der Religions­wissenschaftler ist. Igor Kozlovsky hat uns gestern hier im Haus erzählt, dass er im Jahr 2015 in Donezk in der Ostukraine von prorussischen Milizen verhaftet und in ein Kellergefängnis gesteckt wurde, wo er zwei Jahre lang ohne Anklage gesessen und fast jeden Tag gefoltert worden ist – er hat gesagt, mit dem Sack über dem Kopf. Der Toilettengang war 2 Minuten in der Früh und 2 Minuten am Abend erlaubt. Er hat gesagt, er hat oben ein kleines Fenster gehabt – ohne Scheiben, aber dass der Schnee hereingefallen ist, hat ihn eigentlich gefreut, weil es für ihn ein willkommenes Zeichen der Welt da draußen war.

Im Dezember 2017 ist er mit 72 anderen Gefangenen ausgetauscht worden und freigekommen. Er hat gesagt, dass fast alle dieser Gefangenen eine umfassende Zahnwiederherstellung gebraucht haben, dass sie von Folter und sexueller Gewalt traumatisiert waren. Er erzählt, er ist jetzt seit fast einem Jahr wieder frei, aber Hunderte von Menschen sitzen weiterhin in diesen Kellergefängnissen. Das ist euro­päischer Boden, und da wollen wir nicht zusehen. Unter diesen Gefangenen sind zum Beispiel auch Verwandte der Verfolgten, auf die man eigentlich Druck ausüben möchte.

Niemand von diesen Menschen ist verurteilt worden. Österreich muss und wird sich mit diesem Antrag für Menschenrechte auch in Haftanstalten in EU-Ländern und in Dritt­ländern engagiert einsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abge­ordneten Kitzmüller und Rosenkranz.)

18.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Harald Troch. – Bitte.


18.05.55

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die „Salzburger Nachrichten“ berichten, Bundesminister „Moser will ‚Haft in der Heimat‘ auf den Weg bringen“. Ich halte das für sehr, sehr lobenswert, es ist allerdings keine neue Geschichte.

Es gibt da die Rahmenbeschlüsse des Rates der Europäischen Union zur Rückführung von Häftlingen in ihre Heimatländer. Von wann sind diese drei Rahmenbeschlüsse? – Wir können gerne ein Quiz machen, um zu schauen, wie aktuell das Thema ist. Diese drei Rahmenbeschlüsse sind aus dem Jahr 2008. 2008 hat die EU die Vorgabe gegeben, dass genau daran zu arbeiten ist. (Abg. Rosenkranz: So spät erst!) – Na, wir sind noch später dran! (Ruf bei der FPÖ: Na, ihr habt das ja nie gemacht, in den zehn Jahren!) Gleichzeitig muss dieser Beschluss von den EU-Mitgliedsländern bis zum 5. Dezember 20 - - (Abg. Lopatka: Elf!) 2011 umgesetzt werden. – Absolut richtig! Kollege Lopatka weiß das und ist damit besser informiert als die fünf Justizminister, die von der ÖVP in dieser Zeit nominiert waren und diese Vorgabe der Europäischen Union eigentlich hätten abarbeiten müssen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die ÖVP-Bundesminister in dieser Periode waren Johannes Hahn – fast schon vergessen –, Claudia Bandion-Ortner, Beatrix Karl, Wolfgang Brandstetter und jetzt Josef Moser – von der ÖVP nominiert oder ÖVP-Bundesminister.


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Im Entschließungsantrag lautet es „verstärkte bilaterale Übereinkommen“. Da denke ich mir: Verstärkte bilaterale Übereinkommen wären doch eine Aufgabe für die EU-Ratspräsidentschaft gewesen. Heute haben wir die Leistungsbilanz der EU-Rats­präsidentschaft gehört, aber in Bezug auf Rückführung von Häftlingen in ihre Heimat ist diese Bilanz leider sehr, sehr leer. Davon haben wir heute von Kanzler Kurz nichts gehört. Allerdings erwarte ich mir, Herr Justizminister, keine Schönwetteranträge, wie dieser Antrag heute einer ist. Die SPÖ wird dem zustimmen, aber es muss schon geliefert werden.

Was ich mir nach zehn Jahren EU-Rahmenbeschluss erwarte, ist, dass die Voraus­setzungen geschaffen werden, das heißt: Es muss Personal da sein, das den Trans­port, also die Rückführung dieser Häftlinge, überhaupt möglich macht, und auch da schaut die Bilanz mager aus. Wir haben bei der Justizwache 230 Planstellen nicht besetzt. Dies bedeutet eine zusätzliche Aufgabe, was man jetzt entdeckt – Frau Kugler weist darauf hin, als ob das Rad neu erfunden worden wäre –, und wir haben nicht einmal das Personal. Das heißt, die ÖVP-Justizminister waren auch in diesem Bereich nachlässig, überhaupt daran zu arbeiten. Stattdessen haben wir eine Riesenlücke von 230 nicht besetzten Planstellen bei der Justiz. Das heißt, man wird das Ziel der Rückführungen gar nicht auf den Weg bringen können, weil das zusätzliche Personal für die neue Aufgabe von mehr Rückführungen gar nicht da ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr.in Fürst gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


18.09.25

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Troch! Die Namen der sozialis­tischen Bundeskanzler, die für die unkontrollierte Masseneinwanderung (Ah-und Oh-Rufe bei der SPÖ) und den unglaublichen Kriminalitätsanstieg in unserem Land verant­wortlich sind, sind, glaube ich, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wer waren denn die Innenminister?!) Nur aufgrund dieser Politik ist die Haft in der Heimat jetzt ein derartig großes und drängendes Thema.

54,1 Prozent der Insassen der österreichischen Haftanstalten sind Ausländer. Da wird wohlgemerkt an die Staatsbürgerschaft angeknüpft, das heißt, bei dem verbleibenden österreichischen Staatsbürgeranteil von 45,9 Prozent sind auch noch unsere Mitbürger mit Migrationshintergrund dabei.

Die Zahlen sind die Folge der Masseneinwanderung, der Kriminalitätswelle, die gerade in den letzten Jahren über uns hereingebrochen ist, und sind die Folge der weit über­proportionalen kriminellen Neigung der zu uns Gekommenen, vor denen wir uns jetzt schützen müssen.

Ich greife nur ein Delikt heraus – tagesaktuell –, die Gewaltdelikte unter Einsatz von Hieb- und Stichwaffen – da haben Sie auch wieder eine Zahl, Herr Abgeordneter Troch –, 2008: 272 Vorfälle, 2017: 1 060. Wir haben also eine Vervierfachung. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Natürlich, weit über die Hälfte der Tatverdächtigen bei diesem Delikt sind ausländische Tatverdächtige und unangefochten an der Spitze sind (Abg. Troch: Das sind unter­schiedliche Zahlen!) unsere minderjährigen männlichen afghanischen Herzchen. Sie kommen als Kinder zu uns. (Abg. Greiner: Was heißt „Herzchen“?!) Wir müssen sie voll versorgen, wir müssen ihnen einen besonderen Schutz angedeihen lassen (Abg.


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Plessl: Das sind ja ganz andere Zahlen, die Sie da sagen!) und sie danken es uns auf diese Weise. Auf dem zweiten und dritten Platz sind: Türkei, Irak – andere Länder, andere Sitten.

Warum ist dieses Thema nun so wichtig? – Wir haben es im Regierungsprogramm, wir haben diesen Entschließungsantrag gefasst, der Herr Justizminister hat es auch im EU-Ratsvorsitz zu einer Initiative gemacht, es wird sicher auch Thema beim Straf­vollzug bleiben: Wir haben unglaublich viele Konflikte unter den Häftlingen in den Gefängnissen, eine unglaublich große Zunahme an Übergriffen auf die Justizwache­beamten und ungeheure Kosten für die österreichischen Steuerzahler, die das alles finanzieren müssen.

Frau Abgeordnete Kugler hat schon Artikel 3 EMRK angesprochen: Wir setzen uns auch dafür ein, dass die Haftbedingungen in Drittstaaten besser werden, das ist grund­sätzlich eine gute Sache. Allerdings: Wenn wir nun unsere doch etwas verweichlichten westeuropäischen Maßstäbe an die Gefängnisse im arabischen und afrikanischen Raum anlegen (Abg. Greiner: Geht’s noch?!), ist sehr schnell etwas unmenschlich oder erniedrigend. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Plessl und Bernhard.) Das führt zu dem absurden und wirklich wenig befriedigenden Ergebnis: Je schwerer kriminell ausländische Tatverdächtige werden, desto weniger können wir sie abschieben. (Ruf: Gehen S’, hören S’ auf!) Das müssen wir, denke ich, ändern.

Auch wieder ein aktuelles Beispiel: Unser 17-jähriger afghanischer Schutzsuchender, der seine 16-jährige Freundin ermordet hat – oder unter diesem Verdacht steht –, hat gesagt, er hat halt zugestochen, es ist ein Streit, so löst man halt Konflikte in Afghanistan, wenn Frauen ein bisschen übermütig werden. Im Moment stellt er wieder eher eine Unfallversion in den Raum. Dieser Mord und der Mord, den er nach seinen eigenen Angaben schon in Afghanistan begangen hat, sind für ihn der beste Schutz, der beste Garant, dass er nicht abgeschoben wird, weil die Gefängnisse in Afghanistan nun einmal offensichtlich unmenschlich sind und er dort erniedrigend behandelt wird. Das heißt, wir müssen ihn hierbehalten.

Insofern denke ich, die Bundesregierung ist angetreten, die Interessen der öster­reichischen Staatsbürger – die, die schon länger hier wohnen – wirklich wieder vor­rangig zu vertreten. Ein Baustein davon ist die Haft in der Heimat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Plessl: Die Zahlen so zu vermischen!)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr.in Irmgard Griss gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.


18.14.17

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich fasse nur kurz zusammen: Es ist eine gute Sache. Ich wünsche Ihnen, dass es gelingt, alle notwendigen Abkommen zu schließen. Ich wünsche Ihnen, dass es möglich ist, das notwendige Geld aufzutreiben, damit die Fahrzeuge angeschafft werden können und Personal eingestellt werden kann, um die Leute auch überstellen zu können. Ich hoffe, es gelingt, sicherzustellen, dass es nicht einer vorzeitigen Entlassung gleich­kommt und die Leute gleich wieder zurückkommen. Das ist mein Wunsch an Sie, denn es ist eine gute Sache. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Moser zu Wort ge­mel­det. – Bitte, Herr Minister.



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18.14.58

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich dafür bedanken, dass dieser Antrag eingebracht worden ist und dass darauf hingewiesen wurde – unter anderem von Herrn Abgeordnetem Troch –, dass wie gesagt ein Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2008 vorliegt, der bis zum Jahr 2011 hätte umgesetzt werden sollen.

Es gibt mehrere Rahmenbeschlüsse in dem Zusammenhang, unter anderem auch zum Europäischen Haftbefehl, gleichzeitig auch zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen. Es gibt natürlich in dem Zusammenhang auch Rechtsinstrumente seitens des Europa­rates, die vorsehen, dass man sehr wohl Überstellungen von Häftlingen in den Heimat­staat durchführt.

Leider ist die Problematik – da es angesprochen worden ist: 2008 bis 2011 umsetzen ‑, dass in letzter Zeit das Vertrauen in einzelne Staaten verloren gegangen ist. Dies wurde dadurch bewirkt, dass Justizreformen durchgeführt worden sind beziehungs­weise dass in den einzelnen Ländern die Rechtsvorschriften nicht so umgesetzt wurden, wie man das erwartet hätte, beziehungsweise dass auch in EU-Staaten immer noch Probleme in Blickrichtung der Umsetzung der EMRK, der Europäischen Men­schenrechtskonvention, bestehen.

Nicht zuletzt hat vor Kurzem auch der EuGH in einem irischen Vorabentschei­dungs­verfahren festgehalten, dass die Unabhängigkeit eines gesamten mitgliedstaatlichen Justizsystems gänzlich infrage gestellt ist, indem ausgeführt wurde: Im Fall von systematischen oder allgemeinen Mängeln besteht im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz eine begründete Gefahr der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, sodass Überstellungen auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls nicht mehr möglich sind.

Das heißt, wir sehen die Problematik, dass wir derzeit – wenn man jetzt die öster­reichische Sicht hernimmt – mehr als 9 000 Häftlinge in unseren Haftanstalten zählen, davon über 54 Prozent, das heißt mehr als 4 800, ausländische Straftäter, und Prob­leme haben, diese rückzuführen oder in ihre Heimatländer zu überstellen. Letzteres wäre der Resozialisierung der Straftäter sehr dienlich, auf der anderen Seite könnten wir dem Steuerzahler dadurch Geldmittel ersparen.

Wir können das nicht tun, weil diesbezüglich die EMRK-Standards und damit das Vertrauen in gewisse Länder, was die Rechtsstaatlichkeit betrifft, nicht vorliegen. Deshalb ist es ein Anliegen, das nicht nur den einzelnen Staat beziehungsweise in dem Fall den Staat mit der Kommission betrifft; es ist ein Anliegen der Staaten unter­einander und der Kommission, dass wir die nötigen Rahmenvoraussetzungen dafür schaffen.

Das war auch der Grund – das hat Herr Abgeordneter Troch angesprochen –, weshalb wir das Thema Rechtsstaatlichkeit zum Kern, zum Themenschwerpunkt der Ratspräsi­dentschaft gemacht haben und ich ein Rechtsstaatlichkeitsprojekt in die Wege geleitet habe. Dieses Rechtsstaatlichkeitsprojekt hat mich bis zum letzten Justiz- und Innen­ministerrat verfolgt, wo einstimmig von allen 28 Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen verabschiedet worden sind, die konkrete Maßnahmen vorsehen, dahin gehend, was wir tun können, um das Vertrauen wiederherzustellen, denn Vertrauen ist die Grund­lage für gegenseitige Anerkennung und die Grundlage für Europa als Raum von Freiheit, Sicherheit und Recht. Es ist ein Meilenstein in diese Richtung, den wir in die Wege geleitet haben. Wir werden dieses Thema auch vorantreiben, weil es für das Funktionieren Europas insofern wichtig ist, als dass Urteile und Entscheidungen auch von anderen Staaten innerhalb der Mitgliedstaaten tatsächlich anerkannt werden. Das treiben wir voran.


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Gleichzeitig sind in dem Zusammenhang die Ressourcen angesprochen worden: Wir haben bereits Überstellungsfahrzeuge angeschafft, das heißt, eines wurde gerade in Betrieb genommen. Ich habe in diesem Jahr bereits über 200 Justizwachebeamte aufgenommen. Wir haben eine Rekrutierungsoffensive, damit wir genau die Lücke, die bestanden hat, schließen können. Wir brauchen Justizwachebeamte, weil wir im Rahmen des Strafvollzugs nicht nur die Straftäter auf das Unrecht ihrer Tat hinzu­weisen haben, sondern sie auch zu resozialisieren und zu integrieren haben, damit sie wiederum in die Gesellschaft eingegliedert werden können, ohne rückfällig zu werden.

Abgeordneter Troch hat in dem Zusammenhang noch angesprochen, dass man gestern eine Debatte gehabt habe, bei der man aber nichts darüber gehört habe, was im Justizbereich passiert ist. Dazu möchte ich Folgendes erwähnen: Im Justizbereich haben wir fünf Treffen sowie 13 Veranstaltungen auf Beamtenebene mit insgesamt 1 200 Teilnehmern abgehalten. Es wurden 25 Dossiers in Angriff genommen und der größte Teil davon wurde abgeschlossen. Wir haben dazu 30 Ratsarbeitsgruppen abge­wickelt, über 130 Sitzungstage hinter uns gebracht und 20 Trilogverhandlungen ge­führt.

Da gesagt wurde, die Ratspräsidentschaft sei in dem Fall kein Erfolg, oder dass man sich fragt, was wir weitergebracht haben: Dazu möchte ich erwähnen, dass die öster­reichischen Beamten – ich beziehe mich jetzt auf die Beamten, insbesondere auf die Ressortchefs des Justizministeriums – im ganzen Jahr enorm gearbeitet haben, um diese 24 Dossiers voranzutreiben und auch zum Abschluss zu bringen.

Für mich war beim letzten Justiz- und Innenministerrat – da sind eben drei Dossiers teilweise einstimmig angenommen worden – bemerkenswert, dass der Sektionschef, der sozusagen schon ein höheres Alter hat, die Tasche in die Höhe schmeißt und sagt: Endlich! Es macht mir große Freude, die Arbeit hat sich ausgezahlt! (Zwischenruf des Abg. Drozda), oder dass mir ein Abteilungsleiter in die Arme fällt und sagt: Es war so schön, endlich hat das, was wir getan haben, auch zu einem Erfolg geführt!

Gestern gab es die Diskussion – Abgeordneter Krainer hat es auch angesprochen –: Gebt ein Beispiel, was passiert ist, ein Erfolgsbeispiel des österreichischen Rats­vor­sitzes! – Es sind schon einige genannt worden, aber gestatten Sie mir, dass ich jene, die den Justizbereich betreffen, kurz ausführe, denn jedes dieser Themen ist auch Grundlage für das gegenseitige Vertrauen, das wir für eine Haft in der Heimat brauchen.

Wir diskutieren Hass im Netz und Kinderpornografie. Wenn wir das bekämpfen wollen – das ist heute auch angesprochen worden –, dann brauchen wir einen Zugang zu elektronischen Beweismitteln. Wir haben derzeit das Problem, dass mehr als 50 Prozent der Beweismittel im Ausland gelagert sind und dies einen Zugang zu elektronischen Beweismitteln erforderlich macht. Es wurde seitens der Europäischen Kommission im Mai ein diesbezüglicher Entwurf, eine Richtlinie vorgelegt, und wir haben das zum Abschluss gebracht. Wir haben uns da beispielsweise beim letzten Ratstreffen auch gegen Deutschland durchgesetzt. Der Rat hat eine allgemeine Ausrichtung vorgenommen, sodass wir womöglich noch in diesem Jahr diese E-Evidence, wie sie so schön heißt, zum Abschluss bringen werden. Das hat uns keiner zugetraut, dass wir das schaffen.

Die Bekämpfung der Geldwäsche: Bis jetzt hatten wir in Europa ein Forum Shopping, das heißt, die Straftäter haben sich jeweils die unterschiedlichen Strafsysteme aus­gesucht, wo sie dementsprechend ihre Maßnahmen setzen konnten. Wir haben die Geldwäscherichtlinie abgeschlossen, die Richtlinie wurde im Oktober 2018 angenommen. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Es geht um die gegenseitige Aner­kennung – bitte zuhören! – bei der Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus


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Straftaten. Da haben wir grenzüberschreitend immer das Problem: Wie kommen wir zu dem aus den Straftaten sozusagen erwirtschafteten Erfolg? Wie kommen wir auch grenzüberschreitend dazu? – Auch diesbezüglich haben wir Verhandlungen geführt, die Verordnung wurde im November angenommen.

Eurojust: Es geht, wie Sie wissen, darum, dass man grenzüberschreitend Straftäter verfolgt. Auch diese Verordnung, die die Strukturen von Eurojust stärkt, die operative Tätigkeit verbessert und den Mitgliedstaaten mehr Befugnisse einräumt, wurde angenommen.

Wir haben in dem Zusammenhang das Europäische Strafregisterinformationssystem: Wir haben das Problem, dass wir ein Strafregisterinformationssystem für EU-Staats­bürger haben, aber nicht für Doppelstaatsbürger und Staatenlose. Das heißt, da ist eine Lücke, das heißt, die werden nicht erfasst und können dementsprechend nicht beurteilt werden. Wir haben das Ecris-TCN, dieses einheitliche Strafregisterinfor­ma­tionssystem, umgesetzt. Das ist auch etwas, was gerade vor zwei Tagen im Euro­päischen Parlament die Zustimmung gefunden hat.

Es geht um eine Richtlinie zur Bekämpfung der Fälschung unbarer Zahlungsmittel und des Betruges mit unbaren Zahlungsmitteln, Bitcoin und dergleichen, für die man keine Definitionen hat, bei denen man nicht weiß, wie man mit diesen Strafen umgeht. Wir haben in dem Zusammenhang die Verhandlungen mit dem Rat, mit der Kommission, mit dem Europäischen Parlament abgeschlossen, sie sind fertig.

Wir haben die Europäische Staatsanwaltschaft auf jeder Tagesordnung als Tages­ordnungspunkt gehabt. Das hat auch dazu geführt, dass alle Maßnahmen nunmehr gesetzt worden sind, dass die Ausschreibungen vom interimistischen Verwaltungs­direktor über den Europäischen Generalstaatsanwalt bis hin zu den Staatsanwälten durchgeführt worden sind. Die Staatsanwaltschaft wird daher wie vorgesehen im Jahr 2020 ihre volle Tätigkeit aufnehmen.

Wir haben auch im Bereich der Unternehmen Maßnahmen gesetzt, unter anderem betreffend die Restrukturierungsrichtlinie, die äußerst schwer zu verhandeln war. Dabei geht es darum, dass in Europa mehr als 200 000 Firmen pro Jahr insolvent werden und dadurch 1,7 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Man hat geschaut, was wir in einem vorinsolvenzlichen Rahmen, mit einem Restrukturierungsverfahren tun können, damit die Unternehmen, die redlich sind, die allenfalls noch in der Lage wären, sehr wohl weiterzuwirtschaften, eine zweite Chance bekommen. Auch diese Richtlinie wurde angenommen.

Betreffend Urheberrechtsschutz und Rundfunkverordnung: Die Rundfunkverordnung wurde angenommen. Was das Urheberrecht betrifft, wissen Sie, dass wir die Ver­handlungen mit Nachdruck betrieben haben, weil wir wollen, dass geistiges Eigentum in Europa in entsprechender Abwägung mit einem freien Internet beziehungsweise mit der Meinungsfreiheit geschützt wird.

Wir haben im Gesellschaftsrecht Maßnahmen gesetzt. Es gibt zwei Produkte: die Digitalisierungsrichtlinie, die vorsieht, dass während des gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens – von der Gründung bis zur Auflösung – digitale Mittel zur Verfügung stehen; das wurde abgeschlossen. Wir haben die Mobilitätsrichtlinie – über die Gren­zen hinweg, Spaltungen, gleichzeitig Umgründungen –: Auch in diesem Zusammen­hang möchte ich darauf hinweisen, dass wir das voraussichtlich noch unter unserem Ratsvorsitz zum Abschluss bringen werden.

Wir haben – und das ist ein Herzensprojekt von mir gewesen – die Brüssel-IIa-Ver­ordnung: Da geht es darum, dass Verfahren zu Kindesentführungen in Zukunft nicht mehr Jahre dauern, sondern sehr kurz sein werden. Auch diese Richtlinie wurde im


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Rat einstimmig angenommen. Das heißt, dass in Zukunft Verfahren zu Kindes­entfüh­rungen nicht länger als 18 Wochen dauern, die Vollstreckung nicht länger als sechs Wochen dauert, den Kindern ein Anhörungsrecht zukommt. Gleichzeitig werden Ob­sorge- und Fürsorgeentscheidungen bevorzugt, damit eben die Eltern und die Ver­wandten schneller zu ihren Kindern kommen. Auch das wurde einstimmig ange­nommen.

Auch betreffend Verbandsklagen – das wird die SPÖ interessieren – habe ich ver­sprochen, dass wir das dementsprechend vorantreiben. Ich möchte nur darauf hin­weisen, dass wir mehrere Sitzungen durchgeführt haben, dass wir zu einem großen Teil davon bereits ein redraft erstellt haben, die Vorlage fertiggestellt haben und betreffend die Punkte, die noch offen sind, die Mitgliedstaaten ersucht haben, Stellung zu nehmen, damit unter dem rumänischen Vorsitz auch diese Richtlinie weiterverfolgt werden kann. Ich habe diesbezüglich auch ein Schreiben an den Justizminister von Rumänien, der Ratsvorsitzender sein wird, gerichtet, damit dieses Projekt auch weiter­betrieben wird und allenfalls noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss kommt.

Wir haben auch die Warenhandelsrichtlinie und die Richtlinie zu digitalen Inhalten, die erstmals auch einen Konsumentenschutz vorsehen, beispielsweise auch eine Update­verpflichtung seitens der Unternehmen, und gleichzeitig eine klare Regelung betreffend die Beweislastumkehr, die harmonisiert wurde, verhandelt. Auch diese beiden Richt­linien werden unter unserem Ratsvorsitz noch zum Abschluss gebracht werden.

Sie wissen, dass mir ein Digitalisierungsprojekt, das ich auch auf EU-Ebene weiter vorangetrieben habe, ein besonderes Anliegen ist: E-Justice – ihr (in Richtung SPÖ) kennt das –, bei dem es auch darum gegangen ist, dass wir für die Jahre 2019 bis 2023 sowohl die Strategie als auch den Aktionsplan verabschiedet haben, der 26 Projekte vorsieht, um die Bürger näher zur Justiz zu bringen.

Damit ich das noch beenden kann: Wir haben auch die Verordnung zum Datenschutz für die EU-Organe angenommen, damit wurden den EU-Organen die gleichen Daten­schutzbestimmungen auferlegt, wie sie die Mitgliedstaaten haben. Wir haben auch das Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten sehr wohl weitergebracht und abgeschlossen.

Wir haben mit den Nachbarländern, sprich: mit der östlichen Partnerschaft und mit den Westbalkanländern, mehrere Verhandlungen geführt, wir haben eine Westbalkan­konferenz durchgeführt, wir haben eine Rule-of-Law-Konferenz durchgeführt, bei der sich alle dazu bekannt haben, ihre Standards im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit weiterzuentwickeln.

Sie sehen, Österreich kann sich sehen lassen. Das ist nicht mein Erfolg, das ist der Erfolg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ressorts, die schon seit 1. Jänner mit vollem Nachdruck daran gearbeitet haben, dass Österreich im Bereich der Justiz Sicherheit bietet, dass Österreich im Bereich der Justiz auch den Nehmern eine bessere Chance gibt und gleichzeitig einen Beitrag dazu leistet, dass Europa von den Bürgerinnen und Bürgern und gleichzeitig auch von den Unternehmen verstanden wird, dass verstanden wird, dass wir gerade im Justizbereich ohne Europa nicht leben können, genauso Europa ohne uns nicht leben kann.

Das ist der Weg in diese Richtung, und deshalb danke ich nochmals meinen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern. Ich hoffe, dass Sie dieses Anliegen und diese Ideen auch weitertragen, damit wir alle gemeinsam Europa vielleicht doch stärken. Wir brauchen es! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Griss.)

18.28


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka ist der nächste Redner. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 210

18.28.25

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bedanke mich herzlich für die umfassende Information. Es ist ganz ruhig geworden in den Reihen der Opposition. Hätte jeder Minister das gemacht oder das noch vor, würden wir morgen auch noch da sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sehen, wie viel gearbeitet wurde. Ich bitte Sie, das schon zu bemerken, denn das war ja gestern Ihr Kritikpunkt, als Sie das Gegenteil von dem behauptet haben, was jetzt von Minister Moser eindrucksvoll dargestellt worden ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Manchmal frage ich mich betreffend Europäische Union schon, was einzelne Länder in ihrer Ratspräsidentschaft schaffen können. (Ruf bei der SPÖ: Versemmelt!) Da bin ich hundertprozentig der Meinung des Abgeordneten Troch. (Ruf bei der SPÖ: Ewig schade!) Es war immerhin das Jahr 2008, als hier dieser Rahmenbeschluss gefasst worden ist. (Ruf bei der SPÖ: Katastrophal!) Jetzt, im Jahr 2018, beschäftigen wir uns mit einer Frage, für deren Klärung es eine Frist im Jahr 2011 gab. Die Nationalstaaten haben zugestimmt, diesen Rahmenbeschluss bis 2011 mit Leben zu erfüllen.

Bis zum Jahr 2008 waren es dann tatsächlich auch 24 der 28 EU-Mitgliedstaaten, die gesagt haben: Ja, das ist eine vernünftige Lösung, wenn Häftlinge in ihren Heimat­ländern ihre Strafe verbüßen.

Das ist ein Beitrag zur Resozialisierung und für uns, aus österreichischer Sicht, natür­lich auch ein Beitrag dazu, unser Budget zu schonen, denn immerhin geben wir für die mehr als 5 000 ausländischen Häftlinge mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr aus. Das muss man an dieser Stelle auch sagen.

Bis 2011 waren es dann vier Staaten, die dem Rahmenabkommen nicht zugestimmt haben. Es waren Bulgarien, Griechenland, Luxemburg und Portugal. Bei den anderen müsste es funktionieren, aber es funktioniert nicht. Der Herr Minister hat es schon ausgeführt, es gibt eine Reihe von Einrichtungen auf europäischer Ebene, die dafür Sorge tragen, dass die Standards im Justizvollzug stimmen: der Europäische Ge­richtshof für Menschenrechte oder der Ausschuss zur Verhütung von Folter, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, um nur zwei Einrichtungen zu nennen.

Da finde ich es schon schade – ich sage das ganz direkt –, dass zum Beispiel Rumänien, das ab Jänner den Ratsvorsitz übernimmt, da immer wieder in der Kritik steht. Ich werde dieses Thema bei den parlamentarischen Tagungen, bei denen ich unser Parlament vertreten darf, ansprechen, denn es ist auch eine Aufgabe der natio­nalen Parlamente, dafür zu sorgen, dass multilaterale Verträge, die wir auf euro­päischer Ebene haben, dann nationalstaatlich auch entsprechend umgesetzt werden. Das ist die Grundvoraussetzung, damit diese Überstellungen erfolgen können.

Weil ich Rumänien erwähnt habe: Wir haben 650 Rumänen, die in österreichischen Gefängnissen einsitzen, mit 1. Oktober waren es 658, und noch mehr Serben, nämlich 695. Die Serben sind auf dem Weg in die Europäische Union, denen muss man das auch sagen: Schaut, dass eure Gefängnisse in Ordnung kommen, dass wir ent­sprechende Überstellungen vornehmen können! – Darum geht es. Ich bedanke mich für die Arbeit und bitte Sie, Herr Justizminister, da weiter am Ball zu bleiben. Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Renate Gruber. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 211

18.32.13

Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Abgeordnete! Ich mag die Wortwahl der Abgeordneten Kollegin Fürst gar nicht kommentieren, aber nur so viel: Jemanden, einen jungen Menschen „Herzchen“ zu nennen ist schon eine Zumutung. Das muss man hier schon auch sehr klar und ausdrücklich sagen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Gudenus: Schlimm! Böse!)

Auf der anderen Seite gibt es das Problem schon sehr viel länger. Wie wir gehört haben, wurde schon 2008 – und nicht erst in den letzten Jahren ein Rahmen­be­schluss gefasst (Abg. Rosenkranz: Wenigstens haben Sie jetzt wieder ein Herzchen, über das Sie sich empören können! Meine Güte! Abg. Gudenus: Politisch inkorrekt!), aber das übersteigt offensichtlich die Wahrnehmung Ihrer Partei. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, wir alle sind uns einig, dass Haft keine Luxusunterbringung mit sich bringt, aber dass eine menschenrechtskonforme Unterbringung eine Notwendigkeit und ein Muss darstellt. Großes Augenmerk wird von uns auch auf die Mitarbeiter und Mitar­beiterinnen gelegt, welche tagtäglich mit erschwerten Bedingungen zu tun haben, sei es die Überfüllung und damit hohe Zahl an Häftlingen im Verhältnis zu den Bediens­teten oder auch Schwierigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Nationalitäten der Insas­sen und Insassinnen.

Über 54 Prozent sind ausländische Insassen – ein Wahnsinn auch im Hinblick auf die Gewährleistung des dementsprechenden fachlichen Beistandes und des Umfelds für Resozialisierung. Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass wir uns im Menschenrechtsausschuss einstimmig für die Haft in der Heimat ausgesprochen haben. Dabei muss jedem bewusst sein, dass hinter jedem einzelnen Fall eine müh­same juristische Prozedur mit unendlich viel Arbeitsaufwand, Verwaltungsaufwand, Geduld und Zeit steckt. Die Haft in der Heimat wird nur funktionieren, wenn Österreich diesbezüglich intensive, zielorientierte Gespräche führt und es andererseits auch EU-weit durchführbare Regelungen gibt. International mag es schwierig sein, aber inner­halb der Europäischen Union sollten transnationale Vollstreckungen leichter realisier­bar sein.

Mag sein, dass manche Häftlinge kein Interesse daran haben, in ihre Heimatländer überstellt zu werden. So die menschenrechtskonforme Unterbringung aber möglich ist, ist es mit Sicherheit zielführend. Es ist erwiesen, dass die Resozialisierung im Heimat­land aufgrund der gewohnten Sprache, des gewohnten Umfelds und durch die Nähe der Familien besser umsetzbar ist.

In diesem Sinne ist der heutige Beschluss wichtig, erfordert aber noch einige Anstren­gungen, um dies auch so bald als möglich im wünschenswerten Rahmen umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


18.34.57

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Worum es beim gegenständlichen Antrag geht, wurde von allen bisherigen Rednern angerissen, das braucht nicht weiter erläutert zu werden. Es wurde von allen angesprochen, weshalb dieser Antrag wichtig ist, alle haben sich dazu bekannt. Das war auch im Menschenrechtsausschuss so.

Was ich aber jetzt bei der Rednerin und beim Redner der SPÖ nicht verstehe: Kollege Troch, warum versteifen Sie sich darauf, dass es das schon seit 2008 gibt? (Zwi-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 212

schenruf des Abg. Troch.) Das haben Sie gesagt. Es hat niemand von den Regie­rungsparteien behauptet, dass wir das erfunden haben. Ich kann mich erinnern, vor gar nicht allzu langer Zeit waren Sie an der Regierung beteiligt, haben sogar jahrelang den Regierungschef gestellt und haben in dieser Sache nichts weitergebracht. Wir haben nicht behauptet, dass wir das erfunden haben (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Troch), aber wir arbeiten daran, dass dieses Konzept jetzt umgesetzt wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Auch an die Kollegin der SPÖ – es tut mir leid, es soll nicht respektlos sein, aber Ihr Name ist mir jetzt nicht geläufig –: Sie sind auf den Redebeitrag der Kollegin Fürst eingegangen und haben sich ein bisschen über den Begriff Herzchen empört. Ich muss Ihnen sagen, wenn man den Hintergrund kennt und die Rede angehört hat, in der es um Afghanen, vorwiegend männliche Afghanen, geht (Zwischenruf bei der SPÖ), die nach Österreich kommen, um Schutz und Hilfe in einem fremden Land zu bean­spruchen, und schwerste Straftaten – bis hin zum Mord an unseren jungen Mädchen, an jungen unschuldigen Bürgerinnen – begehen (Abg. Gudenus: Pfui!), dann war das ein harmloser Ausdruck, den ich noch viel, viel schärfer gewählt hätte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir kennen die Problematik, wir haben es mehrmals gehört: Deutlich mehr als die Hälfte der Insassen in unseren Haftanstalten, in unseren Gefängnissen, die ohnehin überbelegt sind, sind ausländischer Herkunft. Es gibt das Konzept Haft in der Heimat. Das gilt es, zu forcieren. Es gilt, die bestehenden multilateralen Abkommen innerhalb der Europäischen Union mit den Mitgliedstaaten zu vertiefen, mit Leben zu erfüllen und nachzuschärfen. Es gilt zusätzlich, bilaterale Ab­kommen mit Drittstaaten zu schließen, damit wir Kosten sparen und damit diese Menschen, die sich im Gastland Österreich nicht ordentlich benehmen können, bitte wieder nach Hause fahren können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Martin Engelberg ist der nächste Redner. – Bitte.


18.37.26

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sigmund Freud hat einen wunderbaren Begriff geprägt, der heißt: Narzissmus der kleinen Differenzen. Das heißt, es gibt immer wieder Situationen, in denen man eigentlich einer Meinung ist, eigentlich findet, dass das, was man tut, gut ist, aber der kleine narzisstische Antrieb es sozusagen gebietet, dass man eine Differenz findet, dass man nicht einer Meinung sein kann.

Ich finde es großartig, dass wir einmal einen Antrag haben, dem wir eigentlich aus dem gesamten Spektrum dieses Hohen Hauses zustimmen können. Ich war ein bisschen fasziniert, dass es aber trotzdem notwendig war, die Differenzen herauszuarbeiten.

Ich finde das vom Standpunkt der Menschenrechte, der Situation in den öster­reichi­schen Gefängnissen, der Entwicklungszusammenarbeit, in jeder Hinsicht einen wichti­gen und richtigen Antrag und möchte die Zeit jetzt auch nicht mehr weiterverwenden, um irgendwie auch noch dazu beizutragen, eine Differenz zu finden.

In diesem Sinne: vielen Dank, Herr Justizminister, ich freue mich, wenn das relativ rasch zur Durchsetzung kommt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 213

18.38.52

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wir haben am 10. Dezember dem Ereignis 70 Jahre Menschenrechte gedacht und dies als Sozialdemokratie auch gebührend gefeiert. Ob die Regierungs­parteien diesen Gedenktag der Menschlichkeit auch aufrecht und in Würde begehen konnten, bezweifle ich.

Meine Damen und Herren! Das höchste Gut der Demokratie ist die Würde des einzelnen Menschen. Für die Ideale der Freiheit, der Gleichheit der Menschheit gilt es spätestens seit Ende der Aufklärung, aufzutreten und einzustehen, egal woher der Wind des Zeitgeistes weht.

164 Staaten nahmen den Migrationspakt der Vereinten Nationen an. Österreich war nicht einmal anwesend (Ruf bei der FPÖ: Gott sei Dank!) und damit im Konzert mit den Nationalisten Ungarn, Tschechien, Polen und den USA (Abg. Rosenkranz: Austra­lien! – Rufe bei der FPÖ: Australien!) – exemplarisch. Österreich präjudizierte damit während seiner EU-Präsidentschaft wahrhaft ein trauriges Bild des offiziellen Öster­reich, das ja zu seiner immerwährenden Neutralität steht, mit unzweifelhaft hoher Ge­schichtsverantwortung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf die Frage, ob der Dialog mit den Neinsagern ausreichend geführt worden war, antwortete ein UNO-Sonderbeauftragter, es wäre ein Dialog mit Leuten gewesen, die hinsichtlich einer so wichtigen Agenda taub seien. – Ich denke, diese Aussage be­schreibt die Mentalität der Nationalisten treffend. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Der zu behandelnde Entschließungsantrag des Men­schenrechtsausschusses betreffend Haft in der Heimat mit dem Ziel des Strafvollzuges im Heimatland für EU-Bürgerinnen und -Bürger und durch Einsatz finanzieller Mittel für Angehörige von Drittstaaten außerhalb der EU bewegt viele Österreicherinnen und Österreicher, und zwar zu Recht. Bei mehr als 50 Prozent ausländischen Häftlingen in unseren Gefängnissen ist natürlich die Frage nach den Steuerleistungen der Öster­reicherinnen und Österreicher für den Strafvollzug in Österreich zu stellen.

Justizministerin Dr. Berger war da schon weiter und hat schon vor mehr als einem Jahrzehnt diese Materie, dass Häftlinge zur Haftverbüßung in ihre Heimatstaaten kom­men sollen – natürlich, wo notwendig, unter Verbesserung der Haftbedingungen ent­sprechend den Forderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention –, behan­delt. Unerklärlich blieb für mich daher, dass sich die Regierungsparteien nur zu einem Entschließungsantrag in dieser Agenda, Haft in der Heimat, durchringen konnten und die Aktivität zur Verstärkung der Materie mittels Regierungsvorlage unterblieb.

Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, von Absichtserklärungen in das Tun, in das Handeln zu kommen, gerade auch bei diesem sensiblen Thema Haft in der Heimat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Efgani Dönmez. – Bitte.


18.42.01

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dieses Thema mit dem damaligen Justizminister Brandstetter erörtert. Eines unserer allerersten Gespräche hat sich genau mit dieser Thematik befasst, und es freut mich, dass das jetzt auch so umgesetzt wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 214

Ein großer Dank gilt Ihren Mitarbeitern. Ich weiß, wie schwierig es ist, dass diese entsprechenden Übereinkommen zustande kommen, weil diese Länder nicht das geringste Interesse daran haben, dass insbesondere diese Straftäter, diese Verurteil­ten wieder in die Herkunftsländer kommen.

In diesem Kontext stellt sich für mich die Frage – und ich glaube, nicht nur für mich, sondern für jeden Steuerzahler in Österreich –: Wie viel kosten uns diese Vereinbarun­gen? Wie viel kostet es pro Kopf, dass wir wieder nach Rumänien überstellen können, dass wir nach Serbien, in die Drittstaaten überstellen können? Ich glaube, dass es interessant ist, das zu wissen, und dass darauf auch ein Fokus gelegt werden sollte.

Der geschätzte Kollege Lopatka hat es auch in seinem Schlusssatz erwähnt: Wir dürfen bei den EU-Beitrittsverhandlungen, die jetzt mit den Balkanländern geführt und von Österreich ja massiv forciert werden, nicht die gleichen Fehler machen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben! Es darf doch bitte nicht sein, dass Länder der Europäischen Union beitreten und dann Mindeststandards nicht einhalten, sodass wir, wenn wir Straftäter in diese Länder rücküberstellen möchten, die Antwort bekommen: Dort werden die Menschenrechte nicht eingehalten. – Das ist doch ein Scherz, ein Witz der Sonderklasse!

Deswegen ist es wichtig, dass wir gegenüber den Balkanländern und allen anderen, mit denen wir jetzt in Gesprächen darüber stehen, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden sollen, genau auf diesen Bereich den Fokus legen, damit sich die Probleme, die sich in der Vergangenheit ergeben haben, nicht mehr wiederholen. – Danke vielmals. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

18.44

18.44.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 437 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Forcierung des Konzepts ‚Haft in der Heimat‘ unter anderem durch konsequente Anwendung der bestehenden multilateralen Übereinkommen und Rechtsgrundlagen in der EU und verstärkte bilaterale Abkom­men“.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 50)

18.45.1124. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den GREVIO-(Basis)Evaluie­rungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnahmen zur Umsetzung des Über­einkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-163/462 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.45.50

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 215

und Zuseher! Einer der letzten Tagesordnungspunkte vor Weihnachten betrifft ein Thema, das gar nicht weihnachtlich ist, aber das uns gerade zu Weihnachten drama­tisch aktuell begegnet.

Grevio, das Komitee unabhängiger Expertinnen und Experten des Europarates, hat die Aufgabe, die Umsetzung der Konvention des Europarates zur Prävention und zur Be­kämp­fung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul­konvention, zu überwachen. Meine Damen und Herren, der nun vorliegende Grevio-Bericht stellt uns allen in Österreich ein sehr gutes Zeugnis aus und lobt die absolute Vorbildrolle Österreichs in Europa im Kampf gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, diese Vorbildrolle ist mehr als berechtigt. Bereits 1997 wurde das erste Gewaltschutzpaket im österreichischen Nationalrat beschlossen und kontinuierlich weiterentwickelt. Wegweisung und Betretungsverbot wurden als wirksame Instrumente erkannt und europaweit erstmals gesetzlich verankert. Öster­reich war aber auch eines der ersten zehn Länder, die die Istanbulkonvention ratifiziert haben. Meine Damen und Herren, dieser Grevio-Bericht bestätigt uns nun, dass die rechtlichen Voraussetzungen in Österreich auf hohem Niveau sind und dass wir Gewaltschutz sehr ernst nehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Aber – und ich komme schon zum Aber – er bestätigt auch unsere Überlegungen: Wir müssen uns den neuen Herausforderungen, die nicht nur, aber auch durch die Migrationsentwicklung entstanden sind, stellen, zum Beispiel den Themen Vergewal­tigung, sexuelle Gewalt, Zwangsheirat oder auch weibliche Genitalverstümmelung. Wir müssen uns diesen Herausforderungen stellen, und wir müssen mit wirksamen Gewaltschutzmaßnahmen reagieren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, dass die bestehende Taskforce unserer Staatssekretärin Karoline Edtstadler unter Beteiligung vieler Expertinnen und Experten der goldrichtige Weg ist, weil sie sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Es geht einerseits um Sanktionen, Sanktionen im Strafrecht, es geht aber ebenso wichtig um Opferschutz und um Täterarbeit, und es geht – noch wichtiger! – um die Vernetzung aller Partner bei der Bekämpfung von Gewalt an Frauen und bei der Bekämpfung von Gewalt in der Familie.

Ganz wichtig ist diesbezüglich die Weiterentwicklung der notwendigen Fallkonferen­zen. Ich wünsche von hier aus Staatssekretärin Edtstadler und allen Experten bei ihrer Arbeit, die voraussichtlich in mehreren Etappen bis Mitte nächsten Jahres abgeschlos­sen sein wird, viel Erfolg! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine der Empfehlungen möchte ich aber noch herausgreifen, weil mich das besonders angesprochen hat: der Ausschluss der Anwendung des außergerichtlichen Tataus­gleichs für Fälle von Gewalt gegen Frauen. Damit würden wir ein wirklich wichtiges Signal setzen. Gewalt gegen Frauen ist kein Kavaliersdelikt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte gegen Ende meiner Rede noch gerne meinen Respekt und meine Anerken­nung für die zwei Auskunftspersonen zum Ausdruck bringen, die uns im Gleichbe­handlungsausschuss zur Verfügung gestanden sind: Mag. Maria Rösslhumer und Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Ich kenne ihre Arbeit und die Arbeit vieler Frauen, die um dieses Thema bemüht sind, seit vielen Jahren und aus jahrelanger Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren! Die Erfahrung dieser Zusammenarbeit und ganz beson­ders – das habe ich im heurigen Jahr kennenlernen dürfen – der persönliche Einsatz unserer Bundesministerin Dr. Juliane Bogner-Strauß für dieses Thema bestätigen mich in meiner Überzeugung: Es ist betreffend dieses Thema unendlich viel getan worden,


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aber es ist noch unendlich viel zu tun. Wir werden den Gewaltschutz – und ich hoffe, gemeinsam – wirksam weiterentwickeln!

Wir wollen nicht mehr länger von einer von fünf sprechen! Derzeit, meine Damen und Herren, ist jede fünfte in Österreich lebende Frau körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Das bedeutet für viele, viele Frauen und Kinder Tränen! Das bedeutet seelische und körperliche Qualen, und das bedeutet für manche von ihnen den Tod. Daher ist das für mich ganz entscheidend: Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt dürfen nie mehr tabuisiert oder verharmlost werden. Meine Damen und Herren, unsere gemeinsame Devise kann daher nur lauten: Hinschauen und nicht wegschauen!

In diesem Sinn wünsche ich allen friedliche Weihnachten! (Allgemeiner Beifall.)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.51.47

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Die Worte meines Vorredners haben sicher uns allen gutgetan und gefallen. Ich glaube, dass Österreich da wirklich Vorbildwirkung hat, und wenn ich hier den Hashtag #EUToo in Händen habe (eine Karte mit der entsprechenden Aufschrift auf EU-blauem Hintergrund in die Höhe haltend), mit dem dazu aufgefordert wird, dass europäische Staaten oder Mitglieder des Europarates, die noch nicht unterzeichnet haben, unter­zeichnen mögen, so können wir wirklich beruhigt sagen, dass wir 2013 bei den Ersten waren, die ratifiziert haben. Jetzt haben wir 2018, und ich denke, es ist Zeit, ein bisschen Bilanz zu ziehen.

(In Richtung Galerie:) Rosa Logar ist heute da: Herzlich willkommen! Danke noch einmal! Wir haben dich, liebe Rosa, damals, 2013, als unsere Expertin in den Euro­parat, in die Grevio-Kommission, entsandt, damit du dort auch andere Staaten mit prüfen kannst. Wir haben hier heute eine erste Bilanz vorliegen, die wir auch im Gleichbehandlungsausschuss diskutiert haben, und wir haben viele Ableitungen daraus gezogen, die wir umsetzen wollen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich müssen den Absichten auch Taten folgen, das ist klar. Deswegen ist es wichtig, dass wir heute einen Allparteieneintrag einbringen werden, dass wir wirklich beabsichtigen, nicht nur Bewusstseinsarbeit zu leisten, sondern auch Präventionsarbeit zu leisten und uns gemeinsam für mehr Mittel für den Gewaltschutz einzusetzen. Das ist ganz wichtig, denn – Kollege Mahrer hat es gesagt – jetzt um Weihnachten herum sind die Leute enger beieinander, und das ist nicht immer nur die friedlichste Zeit für die und in den Familien. Da ist es wichtig, dass Schutzeinrichtungen gut ausgestattet sind, dass ExpertInnen, die mit Opfern, auch mit Kindern arbeiten, auch über die Feiertage – und besonders da – die nötige Unter­stützung erhalten.

Wie gesagt: Den Worten müssen aber Taten folgen. Wir – meine Fraktion – haben elf Anträge formuliert, die wir unter anderem im Sozialausschuss, im Innenausschuss, im Gleichbehandlungsausschuss, auch im Justizausschuss deponieren wollen, um sie dort zu diskutieren, um wirklich die einzelnen Forderungen der Grevio-Kommission und des Schattenberichts zu diskutieren. Ich darf mich an dieser Stelle auch bei allen, die den Schattenbericht verfasst haben, bei allen Nichtregierungsorganisationen ganz herzlich bedanken! Das ist uns hier im Parlament auch ein Spiegel, mit dem wir gut arbeiten können und arbeiten müssen, damit wir da auch Verbesserungen erzielen – ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 217

So können wir diese Anträge einzeln in einer guten Art und Weise diskutieren, um den Gewaltschutz in Österreich, den Schutz für Frauen und Kinder im Besonderen, aus­zubauen, auszuweiten, ganz unabhängig davon, ob es einheimische Frauen, zuge­wanderte Frauen, Frauen mit Fluchthintergrund, Frauen mit Behinderungen sind. Alle Frauen sind uns gleich viel wert! (Beifall bei SPÖ, ÖVP, FPÖ und JETZT.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte.


18.54.44

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich freue mich, dass wir heute diesen Grevio-Bericht im Plenum diskutieren können; wir haben es schon gehört: die Evaluation des Basisberichts der Istanbulkonvention. Da werden die Daten aus den Jahren 2014 und 2015 genauer unter die Lupe genommen, und diesbezüglich stellt uns Grevio ein sehr gutes Zeugnis aus.

Der Bericht erwähnt besonders positiv die starke Führungsrolle, die Österreich im Bereich Gewaltschutz eingenommen hat; das haben sowohl Herr Kollege Mahrer als auch Frau Kollegin Heinisch-Hosek schon gesagt. Darauf können wir stolz sein, gerade auch deshalb, weil knapp 30 Prozent der EU-Länder diese Istanbulkonvention noch nicht ratifiziert haben. Da haben wir noch viel zu tun, um auch Länder wie Irland davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, der Istanbulkonvention beizutreten.

Mein Dank gilt natürlich auch den Auskunftspersonen Rosa Logar und Mag. Maria Rösslhumer für die ausführliche Stellungnahme im Ausschuss. An dieser Stelle möchte ich mich aber auch bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Interventionsstellen, der Beratungseinrichtungen in Frauenhäusern bedanken, die das ganze Jahr über unermüdlich für die Frauen und Kinder in Österreich arbeiten. (Allgemeiner Beifall.)

Das größte Problem in Österreich ist nach wie vor die häusliche Gewalt, und dies betrifft wirklich alle Gesellschaftsschichten. Wir müssen den Frauen Mut machen – ich glaube, auch darauf ist Herr Kollege Mahrer eingegangen –, das öffentlich zu machen und den gewalttätigen Partner eventuell auch zu verlassen. Das ist ein großer und schwerer Schritt. Dramatisch wirkt sich diese Gewalt ja auch auf die Kinder aus, weil dieses Verhalten meistens auch von den Eltern übernommen wird. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es freut mich sehr, dass wir es heute schaffen, hier einen Allparteienantrag einzu­bringen. Fernab von allen ideologischen Gräben, die uns ab und zu trennen, eint es uns doch, als eine Gegengewalt in Österreich aufzutreten und den Gewaltschutz hoch­zuhalten; deshalb freue ich mich, folgenden Antrag einbringen zu können:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Schimanek, Barbara Krenn, Gabriele Heinisch-Hosek, Claudia Gamon, MSc (WU) und Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau des Opferschutzes für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder sowie Präventionsmaßnahmen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird ersucht, neben den zusätzlichen Betreuungsplätzen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder den Opferschutz weiterhin bedarfsorientiert auszubauen und auch weiterhin Maßnahmen –


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 218

beginnend schon im Kindesalter – im Bereich der Prävention und Bewusstseinsbildung zu setzen.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

18.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbstständiger Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Carmen Schimanek, Barbara Krenn, Gabriele Heinisch-Hosek, Claudia Gamon, MSc (WU), Stephanie Cox, BA

betreffend Ausbau des Opferschutzes für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder sowie Präventionsmaßnahmen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den GREVIO-(Basis)Evaluierungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnah­men zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Be­kämp­fung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-163/462 d.B.) (TOP 24).

Der GREVIO’s (Basis-)Evaluierungsbericht zeigt, dass Österreich eine Vorreiterrolle in Bezug auf die gesetzten Maßnahmen im Bereich des Gewaltschutzes einnimmt und führt in seiner Zusammenfassung aus:

„Der Bericht hebt zahlreiche positive Maßnahmen im Bereich der Gesetzgebung und Politik in Österreich hervor und begrüßt das langjährige politische Engagement zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. GREVIO schätzt insbesondere die starke Führungsrolle, die Österreich in den letzten 20 Jahren durch die Einführung von Betretungsverboten und einstweiligen Verfügungen zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt eingenommen hat. Heute ist dieses System weithin anerkannt und wird im Allgemeinen als erfolgreich angesehen.“

Dennoch ist es wichtig, in diesem Bereich weiterhin alle Maßnahmen zu setzen, um Frauen vor Gewalt zu schützen. 77 Prozent der Opfer von Sexualdelikten sind Frauen. Und das obwohl die Zahl der Gewaltdelikte generell rückläufig ist. Seit 2012 steigt der Anteil von weiblichen Opfern. Dies schlägt sich auch bei den Beratungseinrichtungen nieder, die seit diesem Zeitpunkt einen stetigen Anstieg bei den Betreuungszahlen zu bewältigen haben.

Im Regierungsprogramm sind deshalb der österreichweite Ausbau von Akutinter­ven­tionen bei Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie der weitere Ausbau von Notunter­künften vorgesehen. Unser Ziel muss es sein, Frauen und Kindern Stabilität, Sicherheit und Vertrauen zu geben. Um das zu gewährleisten muss auch das Angebot für weibliche Gewaltopfer sowie Kinder, die Gewalt erfahren haben, erweitert werden.

Maßnahmen zur Prävention sind ebenso wichtig wie die Bewusstseinsbildung, die schon im Kindesalter stattfinden muss. Es ist daher nur von Vorteil, wenn schon im Kindesalter begonnen wird, den Kindern zu vermitteln, dass Gewalt in unserer Ge­sellschaft keinen Platz hat.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 219

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird ersucht, neben den zusätzlichen Betreuungsplätzen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder den Opferschutz weiterhin bedarfsorientiert auszubauen und auch weiterhin Maßnahmen – beginnend schon im Kindesalter – im Bereich der Prävention und Bewusstseinsbildung zu setzen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


18.58.20

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Gewalt­schutz und die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist unser Thema. Wir haben den Grevio-Bericht vorliegen, an dem wir eindeutig erkennen, dass Österreich, was die gesetzlichen Maßnahmen betrifft, als Vorbild gilt, dass Österreich einer der ersten Staaten war, die dieses Abkommen unterzeichnet haben – und dennoch ist es erschüt­ternd!

Es ist deswegen erschütternd, weil, obwohl wir im gesetzlichen Bereich vorbildlich handeln, 20 Prozent aller Frauen ab ihrem 15. Lebensjahr Gewalt oder sexuelle Gewalt erfahren haben. Jede fünfte Frau ist also in einem Staat, der vorbildlich handelt, betroffen! Das müsste ein Thema sein, das jede Regierung – egal wie sie ausgeprägt ist – zum Handeln bewegt, nicht nur zum Hinschauen.

Ich darf daher für meine Kollegin Claudia Gamon den folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend „Information und Prävention vor sexualisierter Gewalt und Belästigung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung ein Maßnahmenpaket auszuarbeiten, das (Bewusstseins-)Bil­dung, Information und Sensibilisierung von jungen Frauen und Männern bezüglich sexualisierter Gewalt zum Ziel hat. Außerdem sollen genügend Ressourcen für Informations- und Bildungsmaßnahmen im Querschnittsbereich Medienkompetenz und Sexualpädagogik bereitgestellt werden.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was wir zusätzlich zu den gesetzlichen Maßnahmen brauchen, ist ein Umdenken in der Gesellschaft, eine Wandlung der Werte hin zu einer tatsächlich gewaltfreien Gesellschaft. Das schaffen wir nur, wenn wir den Bildungsbereich mit dem Informationsbereich verschränken und allen zukünf-


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tigen Generationen das richtige Werkzeug in die Hand geben, damit wir nicht mehr von 20 Prozent, sondern von 0 Prozent betroffenen Frauen in unserer Gesellschaft sprechen. Jeder Wert darüber ist nicht akzeptabel! – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

19.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

betreffend Information und Prävention vor sexualisierter Gewalt und Belästigung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 57. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den GREVIO-(Basis)Evaluierungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnahmen zur Um-setzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-163/462 d.B.)– TOP 24

Die österreichische Bundesregierung hat angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigung/sexualisierte Gewalt vor allem auch im Netz stärker zu ahnden. Laut Vertreter_innen der Bundesregierung stünden derzeit keine ausreichenden Rechts­mittel zur Verfügung, um auf Hasskommentare und sexuelle Belästigung oder Belei­digung im Netz vorzugehen.

Die Anzahl von Betroffenen, die mit sexualisierter Gewalt oder sexueller Belästigung zu tun haben, wird immer größer, vor allem "Hass im Netz" nimmt stetig zu. Übergriffe passieren aber nicht nur unter Erwachsenen, sondern auch unter Kindern und Jugendlichen. Einer repräsentativen Umfrage von SOS Kinderdorf zufolge sind beispielsweise rund 30% aller Kinder und Jugendlichen schon einmal online sexuell belästigt worden. Nur ein Drittel der Kinder und Jugendlichen wird über die Gefahren sexueller Übergriffe im Internet informiert. Der Großteil wünscht sich mehr Aufklärung, und das vor allem in der Schule. Expert_innen schlagen vor, dass ab dem 10. - 12. Lebensjahr Jugendliche über die Themenbereiche Sexueller Missbrauch, Kinderporno­graphie, Grooming, Cyberbullying (als Opfer wie Täter), Hassbotschaften und Betrugs­fallen des Internets aufgeklärt werden müssen.

Was jedenfalls notwendig ist, ist Bewusstseinsbildung und präventives Wirken. Ohne entsprechende Sensibilisierung und Empowerment von jungen Frauen und Männern wird es nämlich keine wesentliche Änderung des Verhaltens und der Diskussionskultur im Netz und außerhalb geben. Dafür sind ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Sowohl Medien- und Digitalkompetenz, als auch Sexualerziehung müssen mehr Stellenwert erhalten, in Schulen - aber auch außerhalb sowie im Erwachsenenbildungsbereich - muss es Raum für diese Inhalte geben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ein Maßnahmenpaket auszuarbeiten, das (Bewusstseins-)Bildung, Information und Sensibilisierung von jungen Frauen und Männern bezüglich


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sexualisierter Gewalt zum Ziel hat. Außerdem sollen genügend Ressourcen für Informations- und Bildungsmaßnahmen im Querschnittsbereich Medienkompetenz und Sexualpädagogik bereitgestellt werden."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Mag. Dr. Bogner-Strauß. – Bitte.


19.00.46

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Ich komme gerade aus Straßburg, wo ich die letzten drei Tage im Parlament verbracht habe. Ich war mittelbar von dieser Gewalttat betroffen und habe gesehen, wie direkt Gewalt zu Solidarität führen kann. Gewalt gegen Frauen trifft Frauen jeden Alters, jeder Nationalität und jeder sozialer Herkunft – ich freue mich daher heute über den Antrag, der gemeinsam eingebracht wurde!

Auch häusliche Gewalt findet in allen Gesellschaftsschichten statt, und da sind wir gefordert, diesen Frauen Mut zu machen, ihr Schweigen zu brechen, sie zu unter­stützen, ihnen unsere Hilfe anzubieten und sie vor allem auch aus dieser Gewalt­spirale, in der sie sich oft befinden, herauszuholen.

Die Istanbulkonvention ist international gesehen sicherlich das weitreichendste Instrument gegen Gewalt gegen Frauen, und ich freue mich, dass Österreich zu den Ländern gehört, die als erste dieses Dokument unterschrieben und ratifiziert haben, bereits 2014 ist es in Kraft getreten.

Wir und Monaco waren daher gemeinsam die ersten beiden Länder, die da geprüft worden sind, und der Grevio-Prüfbericht stellt uns ein gutes Zeugnis aus: Vor allem, was den Umgang mit häuslicher Gewalt angeht, nimmt Österreich eine Vorreiterrolle ein, da sind wir wirklich sehr gut aufgestellt. Es gibt aber natürlich auch Themen, mit denen wir uns noch viel intensiver beschäftigen müssen: sexuelle Gewalt, Genital­verstümmelung, Zwangsheirat – das sind die drei Problembereiche, die in diesem Bericht besonders herausgestrichen werden, um die wir uns noch mehr und noch intensiver kümmern müssen.

In Österreich gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen den Ministerien, es gibt eine gute Zusammenarbeit zwischen den Ländern, es gibt eine gute Zusammenarbeit mit NGOs und mit Communitys, die sich vor allem um zwangsverheiratete Frauen und Genitalverstümmelung kümmern, aber auch da können wir gemeinsam noch mehr machen. Mein großer Dank gilt all jenen, die sich da so engagieren! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was mir auch ganz wichtig ist: Man weiß, individuelle Gewalt hat einen haupt­säch­lichen Auslöser, und das ist strukturelle Gewalt. Das bedeutet, der Machtunterschied, der oft zwischen Mann und Frau herrscht, führt zu Gewalt, weil diese Frauen oft in ihrer Existenz nicht abgesichert sind, weil sie oft wirtschaftlich nicht abgesichert sind. Auch der Grevio-Bericht weist ja darauf hin beziehungsweise veranlasst uns auch die Istanbulkonvention dazu, dass wir uns darum kümmern müssen, dass Frauen wirt­schaftlich gleichgestellt sind, dass es wirklich zu einer Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen kommt. Das ist nämlich die Voraussetzung beziehungsweise eine starke Verbesserung, um Gewalt vorzubeugen.


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Mir ist auch die Lohnschere ein wichtiges Thema. Da sind wir auf dem Weg dahin, Verbesserungen einzuleiten. Wenn Frauen arbeiten gehen möchten, um sich eine Existenz zu sichern, braucht es oft Kinderbetreuung, und auch da sind wir auf einem guten Weg – aber ich sage, das Gesamtpaket braucht Unterstützung von uns allen!

Der heutige fraktionsübergreifende Antrag freut mich, und er zeigt, dass wir bei diesem Thema eines sind: vereint im Denken, wie wir Frauen und Mädchen gegen Gewalt unterstützen und Österreich gewaltfrei machen können. Das können wir nur, wenn wir das über die Bundesländergrenzen hinweg und vor allem auch über die Parteigrenzen hinweg tun, und dafür möchte ich mich heute herzlich bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte Ihnen ebenfalls schon jetzt schöne Weihnachtsfeiertage und vor allem ein gesundes neues Jahr wünschen; ich freue mich schon auf eine gute Zusammen­arbeit! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Zadić.)

19.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krenn. – Bitte.


19.06.21

Abgeordnete Barbara Krenn (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Minister! Liebe Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede dritte Frau weltweit ist von Gewalt betroffen: physisch, psychisch, sexuell – häufig im familiären Umfeld, häusliche Gewalt ist die häufigste Form. Be­denken Sie aber: In 37 Ländern ist diese häusliche Gewalt noch immer straffrei!

Die krasseste Form der Gewalt ist der Mord: 2018 wurden bisher – und das Jahr ist noch nicht um – in Österreich 33 Frauen ermordet; 33 tote Frauen, umgebracht vom Partner oder Ex-Partner. Wir sind mit dieser Zahl leider Gottes in Europa führend.

Gewalt wird oft umschrieben, schöngeschrieben – Stichwort Beziehungsdrama – oder als Tradition schöngeredet, wie die weibliche Genitalverstümmelung.

Vergewaltigungen sind in Krisenregionen eine häufige Form von Gewalt, die in der langen Geschichte der Kriege weltweit bisher tabuisiert wurde: Vergewaltigung als Form der Kriegsführung. Auch die Ausbeutung des weiblichen Körpers, denken Sie an die Prostitution – Zwangsprostitution, sexuelle Versklavung von Frauen, die soge­nannten Trostfrauen –, ist zurückzuweisen.

Gewalt ist abzulehnen! Bei jeder Form von Gewalt entsteht viel psychisches Leid, eine Menschenrechtsverletzung, die sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Bedenken wir: Von der verbalen Gewalt zur körperlichen Gewalt ist es oft nur ein kleiner Schritt!

Ich wünsche mir, dass wir, die wir heute hier sind, etwas mitnehmen. Wenn es um Gewalt gegen Frauen geht – egal in welcher Form –: Sensibilisieren wir uns dahin gehend, dass wir den Mut haben zu handeln, auf die Betroffenen zuzugehen, den Betroffenen zu helfen – Frauen und deren Kindern, aber auch den Männern! Hinschauen statt wegschauen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Das ist ein sehr ernstes und sensibles Thema, aber trotzdem möchte ich heute Ihnen allen noch ein friedvolles Weihnachtsfest und ein gesundes und glückliches neues Jahr wünschen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.



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19.09.54

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Der Grevio-Evaluierungsbericht zur Istanbulkonvention stellt Österreich tatsächlich ein gutes Zeugnis aus. Vor allem das Gewaltschutzgesetz von 1997, das die damalige Frauen­ministerin Barbara Prammer auf den Weg gebracht hat, wird da besonders hervor­gehoben. Österreich hat damit eine Vorreiterrolle eingenommen, und das Betretungs­verbot und die einstweiligen Verfügungen im Gewaltschutzgesetz waren Vorbild für viele andere Länder, die diese Maßnahmen übernommen haben. Da muss man – das steht auch im Grevio-Bericht – auch einmal der Exekutive danken, die das Betre­tungsverbot in dieser Form auch konsequent umsetzt: Das ist die beste Schutz­maßnahme, die von Gewalt betroffenen Frauen zugutekommt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Ich glaube, es ist aber auch wichtig, konsequent darauf hinzuweisen, dass es noch einiges zu tun gibt. Grevio merkt explizit an, dass es bestimmte Gruppen gibt, die einen besseren Zugang zu Schutz- und Präventionsmaßnahmen brauchen: Das sind behin­derte Frauen, das sind Asylwerberinnen und Frauen mit ungeklärtem Aufent­halts­status, das sind Frauen, die von psychischer Gewalt betroffen sind, sowie Opfer von sexueller Gewalt und Vergewaltigungen. Bei diesen Personengruppen müssen wir speziell darauf achten, dass es rasch dazu kommt, dass diese Frauen einen entsprechenden Zugang zu Schutz- und Präventionsmaßnahmen bekommen können. Speziell wurde da auf Frauen hingewiesen, die von Zwangsheirat oder Genitalver­stümmelung betroffen sind, das ist auch schon erwähnt worden.

Ich möchte noch auf einen Punkt konkret eingehen, was die von Grevio angeregten Maßnahmen im Bereich der Exekutive und Strafverfolgung betrifft. Ich habe schon erwähnt, das Betretungsverbot wird sehr gut umgesetzt; es gibt aber einen Punkt, bei dem die Exekutive Aufhol- und Sensibilisierungsbedarf hat, nämlich bei der Sicherung von Beweismitteln. Beweismittel, die im Fall eines Gewaltaktes sichtbar sind, müssen sofort gesichert werden, damit es bei der Strafverfolgung letztlich nicht ausschließlich auf die Aussage des Opfers ankommt, sondern diese Beweismittel entsprechend vorhanden sind. Es werden auch spezielle Sensibilisierungsmaßnahmen für die Exe­kutive angeregt, was Opfer von sexueller beziehungsweise psychischer Gewalt betrifft.

Eines ist auch schon von Kollegen Mahrer angesprochen worden: die Fallkonferenzen der Interventionsstellen mit der Exekutive, um in schweren Fällen von Gewalt fest­zustellen, ob Wiederholungsgefahr besteht und wie das Opfer besten Schutz erhalten kann. Diese Maracs, also Fallkonferenzen, wurden ja leider durch den Innenminister eingestellt – ich ersuche da, im Sinne der Opfer, im Sinne der Frauen schnellstmöglich entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um den bestmöglichen Schutz wieder zu ermöglichen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Zadić.)

19.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lintl. – Bitte.


19.13.15

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir freuen uns sehr, dass der Grevio-Bericht Österreich so ein positives Zeugnis ausstellt. Ich habe mir den Begriff der häuslichen Gewalt ein bisschen näher angeschaut und dabei eine sehr gute Definition der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser gefunden: Diese definieren nämlich häusliche Gewalt nicht nur als physische und sexuelle, sondern auch als psychische Gewalt. Besonders Isolation, Einschüchterung und Missbrauch von Abhängigkeiten fallen unter den Begriff


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der häuslichen Gewalt. Ökonomische Gewalt, also die finanzielle Abhängigkeit von einem Mann, oder gar das Arbeitsverbot, das ein Mann gegenüber seiner Frau ausspricht – auch das ist Gewalt.

Die Situation hat sich bei uns in den letzten Jahren verändert: Einerseits ist ein großes Bewusstsein für die Selbstbestimmung der Frau, für Genderthemen und für Gleichberechtigung entstanden, aber andererseits sind Frauen massiv mit Gewalt konfrontiert, und da gibt es leider steigende Zahlen. Meine Kollegin hat es schon gesagt: Heuer sind leider bereits 33 Frauen in Österreich ermordet worden – eine unfassbare Zahl. Nicht nur zu Hause, sondern auch in Parks und auf Straßen sind wir nicht mehr sicher.

Unter der steigenden Zahl von Muslimen im Land gibt es Frauen, die leider unter un­vorstellbar rückständigen Bedingungen leben: Kopftuchzwang, Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung schon kleiner Mädchen findet nicht nur in fernen Ländern statt, sondern jetzt auch schon bei uns.

Wie die Expertinnen uns im Ausschuss dankenswerterweise berichtet haben, gibt es in Österreich aber nur ein Haus, in das solche von Zwangsheirat bedrohte Mädchen flüchten können. Es ist aber natürlich in Österreich so, dass das für uns eine neue Situation ist und wir uns in unserer aufgeklärten, liberalen Gesellschaft schwer vorstellen können, dass Mädchen überhaupt von Zwangsverheiratung bedroht sind. Es werden dafür in nächster Zeit sicher mehr Einrichtungen geschaffen werden, denn diese Frauen und Mädchen brauchen jede Art der Hilfeleistung und Unterstützung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Wichtigste ist, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir Frauen stärken: stärken in die Richtung, dass sie Mut fassen und sich gegen gewalttätige Übergriffe zur Wehr setzen, dass sie Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie mit häuslicher Gewalt jedweder Art konfrontiert sind. Wir müssen Frauen in ihrem Selbstbewusstsein stärken, dass sie nicht in ihrer persönlichen und körperlichen Integrität bedroht werden dürfen, und wir müssen vor allem Männern klarmachen, dass Gewalt gegen Frauen absolut inakzeptabel und nicht tolerierbar ist. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Großbauer. – Bitte.


19.16.43

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln den Grevio-Bericht und haben schon sehr, sehr viel dazu gehört – vielen Dank für all die Ausführungen.

Vielleicht noch ganz kurz ein Aspekt, den wir schon öfters besprochen haben, der aber heute noch nicht behandelt wurde: Hass im Netz. Dazu möchte ich gerne unseren Bundeskanzler Sebastian Kurz zitieren: „In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien gelten wie in der real gelebten Welt.“ – Das ist natürlich völlig richtig! Immer öfter kommt es nämlich online zu Grenzüberschreitungen, Herabwürdigungen, Demü­tigungen und Übergriffen auch gegen Frauen, und das zeigt, dass wir ganz klare Spielregeln im Netz brauchen.

Beim Gipfel gegen Hass im Netz hat die Bundesregierung mit Expertinnen und Exper­ten sowie mit Betroffenen über mögliche Maßnahmen gegen Angriffe im Netz – vor allem gegen Frauen – diskutiert, und klar ist natürlich, dass solche Taten nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfen. Der Gipfel gegen Hass im Netz war also der Start-


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schuss, und die Bundesregierung möchte mit einem digitalen Vermummungsverbot für mehr Transparenz und klare Regeln im Internet sorgen.

An dieser Stelle möchte ich noch unserer Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend danken: Sie sieht sich viele Einrichtungen persönlich vor Ort an, sie ist bei den Menschen, ist sehr engagiert und weiß auch, dass der Schutz von Frauen Geld kostet, deshalb hat sie auch zugesagt, dass es zu keinen Mittelkürzungen kommen wird.

Unsere Frauenministerin ist ein empathischer Mensch, sie ist viel unterwegs, wie gesagt, bei den Menschen vor Ort. Sie hat im letzten Jahr schon sehr, sehr viel bewegt und sie hat auch einen neuen Stil in die Frauenpolitik gebracht, der mit einem sehr positiven Spirit verbunden ist, so wie ich das empfinde. Vielen Dank dafür! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Loacker: Also sie ist super, kurz gesagt!)

Da ich vermutlich heute die letzte Rednerin unserer Fraktion bin, möchte ich zum Schluss Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Zuseherinnen und Zuseher, daran erinnern, dass das berühmteste Weihnachtslied der Welt, das in diesem Jahr den 200. Geburtstag feiert, aus Österreich kommt, aus Oberndorf in Salzburg: „Stille Nacht, heilige Nacht“ – das ist ein in über 300 Sprachen und Dialekte übersetztes Kulturgeschenk aus Österreich an die ganze Welt.

Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen hier im Hohen Haus eine stille Nacht und eine stille Zeit! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


19.19.33

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte auch noch einmal dem Komitee und den ExpertInnen für die Erstellung des Grevio-Berichts und des NGO-Schattenberichts Danke sagen. Beide Berichte zeigen ganz ausführlich, welch wertvolle Arbeit die NGOs, die Gewalt­schutzzentren, die Frauenhäuser, die Jugendämter und die Kinderschutzzentren im Bereich Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen leisten. Vielen Dank an dieser Stelle an diese Einrichtungen für ihre wertvolle Arbeit, die sie leisten. (Allge­meiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen, dass die Folgekosten von Gewalt enorm hoch sind. Der persönliche und gesundheitliche Schaden für die Betroffenen, vor allem für die Frauen und für die Kinder, ist aber noch um ein Vielfaches höher. Nach wie vor ist ein verbesserter Schutz der Frauen und Kinder anzustreben und der Ausbau der Opferhilfe dringend notwendig.

In der Konvention wird auch darauf hingewiesen, dass es für die Prävention betreffend Gewalt an Frauen eine tiefgreifende Veränderung des Verhaltens und eine Sensi­bilisierung der Bevölkerung braucht. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Regelmäßige Kampagnen und Programme zur Bewusstseinsbildung sowie die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen werden empfohlen, und Angehörige bestimmter Berufsgruppen, wie Bedienstete der Justiz- und der Strafverfolgungsbehörden und Fachkräfte aus den Bereichen Gesundheit, Sozialarbeit und Bildung, sollten möglichst eine verpflichtende Aus- und Fortbildung über Ursachen, Erscheinungsformen und Auswirkungen von Gewalt an Frauen erlangen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein besonders wichtiges Anliegen muss uns auch der Schutz von Kindern sein. Die Berichte bestätigen, dass es unbedingt notwendig wäre, die Gründe für Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu analysieren und Maß-


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nahmen zu überlegen, wie es gelingen kann, Kinder und Jugendliche vor Gewalt zu schützen.

Ein Beispiel dazu: Bisher wird in Österreich leider noch immer nicht ausreichend aner­kannt, wie sehr Kinder darunter leiden, wenn sie wiederholt erleben, wie einem Elternteil – dabei handelt es sich fast immer um die Mutter – Gewalt angetan wird. Der Rechtsschutz für Kinder, die Gewalt gegen nahe Angehörige miterleben, muss drin­gend verbessert werden, und es muss sichergestellt werden, dass die zuständigen Gerichte die bereits bestehenden rechtlichen Möglichkeiten nutzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Empfehlungen der ExpertInnen verdienen unsere Anerkennung und sollten im Sinne der betroffenen Frauen und Kinder rasch umgesetzt werden. Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

19.22

19.22.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, den vorliegenden Bericht III-163 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die das tun, um ein Zeichen der Zustimmung er­suchen. – Das ist die Einstimmigkeit.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Schimanek, Krenn, Heinisch-Hosek, Gamon, Cox, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbau des Opferschutzes für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder sowie Präventionsmaßnahmen“.

Ich bitte auch diesbezüglich jene Damen und Herren, die dem Antrag die Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Einstimmigkeit. (E 51) (Unruhe im Saal.) Ich darf Sie wirklich ersuchen, die wenige Zeit, die uns noch bleibt, einigermaßen durchzuhalten.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gamon, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Information und Prävention vor sexu­alisierter Gewalt und Belästigung“.

Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

19.24.1625. Punkt

Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses über den Antrag 318/A der Abgeord­neten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundes­verfassungsgesetze, mit denen das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz und das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffent­licher Funktionäre geändert werden (472 d.B.)

19.24.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet. – Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unvereinbarkeitsausschusses, seinen Bericht 472 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig.

Ich weise den Antrag 318/A dem Verfassungsausschuss zu.

19.25.1226. Punkt

Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses über den Antrag 298/A(E) der Abge­ordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Trans­parenz von Abgeordnetenbezügen (473 d.B.)

19.25.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es ist dazu niemand zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unvereinbarkeitsausschusses, seinen Bericht 473 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte die Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein dement­sprechendes Zeichen. – Das ist die Einstimmigkeit.

Ich weise den Antrag 298/A(E) dem Verfassungsausschuss zu.

19.25.5527. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft St. Pölten (Zl. 11 St 81/18h -3) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA (474 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Feichtinger. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Ruf bei der FPÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Klaus Uwe Feichtinger –: Na geh bitte!)

19.26.22

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe soeben rechter Hand eine Unmuts­äußerung vernommen. Das verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz, es liegt mir nichts daran, eine Debatte zu zünden. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil wir gestern keinen konsensualen Beschluss im Immu­nitätsausschuss zustande gebracht haben. Ich würde gerne begründen, warum. Es steht den Regierungsparteien frei, dann auch zu begründen, warum sie gegen die Auslieferung des Kollegen Hafenecker stimmen.

Wir erachten es im Rahmen der Immunität in diesem Fall nicht mit der politischen Tätigkeit als Abgeordneter dieses Hauses in Zusammenhang stehend, wenn Kollegen Hafenecker von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, er habe – und die Un­schulds­vermutung gilt natürlich für den Kollegen, keine Frage – jemanden durch ein SMS gefährlich bedroht.


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Das kann ich folgendermaßen begründen: Der Zeitungsartikel (ein Schriftstück in die Höhe haltend), auf den Kollege Hafenecker mit dieser SMS offensichtlich repliziert hat, nimmt keinerlei Bezug auf seine Tätigkeit als Abgeordneter dieses Hauses – Kollege Rosenkranz schüttelt den Kopf, ich weiß das –: Da steht Generalsekretär, da steht Administrator einer WhatsApp-Gruppe, da steht Bezirksobmann, und das, was hier vorgefallen ist, Herr Kollege Rosenkranz, hat mit seiner unmittelbaren Tätigkeit als Abgeordneter dieses Hauses nichts zu tun.

Wir vertreten eine enge Auslegung der Immunität – Kollege Noll vertritt eine ähnliche Auslegung –, deswegen werden wir den Ausschussbericht ablehnen. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

19.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Pilz. – Bitte. (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


19.28.40

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Wenn Sie so laut dazwischenschreien, kann das ganz schlecht für Ihre Stimme sein! Dann krächzen Sie bei den Weihnachtsliedern, und das kann Ihnen die ganze Feier verderben. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich würde sagen: Besprechen wir jetzt in großer Ernsthaftigkeit die Frage, wie mit Immunität in einem derartigen Fall umgegangen werden soll! (Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Sie sind auch wirklich ein Profi ... Immunitäts...!) Steht die Frei­heitliche Partei auf dem Standpunkt, dass, wenn ein Mandatar oder ein FPÖ-Gene­ralsekretär eine gefährliche Drohung gegen einen Geschäftsmann ausstößt, er das als Abgeordneter getan hat?

Dazu muss man ganz kurz über den Sachverhalt reden. Es gibt einen Asylgeschäfts­mann, den kennen wir von Drasenhofen bis Lilienfeld, und es gibt die Asylunterkunft namens Lolita. Da hat es eine Hausdurchsuchung, einen Polizeieinsatz gegeben, um das genauer zu sagen. Details dieses Polizeieinsatzes sind verraten worden, und die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, dass sich Details und Informationen darüber in einer WhatsApp-Gruppe unter dem Titel FPÖ Lilienfeld wiederfinden.

Das hat mit dem Kollegen Hafenecker überhaupt nichts zu tun und hat zu einem Verfahren nach § 310 des Strafgesetzbuches gegen einen Polizeibeamten geführt, da die Staatsanwaltschaft der Meinung ist, er stünde im Verdacht, in dieser freiheitlichen WhatsApp-Gruppe ein Geheimnis verraten zu haben. Der Administrator dieser WhatsApp-Gruppe, behauptet die Staatsanwaltschaft, ist Kollege Hafenecker; und dann gibt es dieses SMS, von dem sich im Akt offensichtlich eine Kopie, ein Screenshot findet, worauf steht: Hallo Herbert – das ist der Geschäftsmann –, was du gegen unsere Bezirksgruppe abgezogen hast, ist an Niedertracht kaum zu überbieten. Du hast in mir nun einen richtigen Freund gefunden. Ich werde mich nun gerne und intensiv natürlich auch medial mit deinen verschiedenen Geschäften auseinandersetzen. Liebe Grüße, Christian. – Zitatende.

Herr Kollege Hafenecker, falls Sie dieser Christian sind (Abg. Steger: Ist es das, was ...? – Abg. Bösch: Sind Sie dieser Pilz?), ersuche ich Sie dringend, über diese Geschäfte im niederösterreichischen Asylbereich nicht nur Ihrer WhatsApp-Gruppe, sondern auch der Öffentlichkeit und der Staatsanwaltschaft zu berichten. (Beifall bei JETZT.) Das wäre höchst an der Zeit. Wir wissen, dass in Niederösterreich mit Steuergeldern im Asylwesen von Freiheitlichen und der FPÖ nahestehenden Personen dubiose Geschäfte unter dem Schutz eines freiheitlichen Landesrates gemacht werden. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Das wird doch wohl die Staatsanwaltschaft


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und auch das Parlament interessieren; aber wir wollen auch wissen, was war die Rolle des - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Pilz, nehmen Sie „dubiose Geschäfte“, so Sie sie nicht beweisen können, zurück! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schimanek: Bravo! – Ruf bei der ÖVP: Genau!)


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Machen Sie mir einen anderen Formu­lierungsvorschlag! Machen Sie einen besseren Formulierungsvorschlag, Sie kennen die niederösterreichische FPÖ ja besser als ich! (Abg. Rosenkranz: Das ist unglaub­lich! – Abg. Wöginger: Soll der Präsident Ihre Rede schreiben?!)

Letzter Punkt: Kollege Hafenecker und nicht wir haben zu erklären, wem er da warum möglicherweise gedroht hat. Die Staatsanwaltschaft hat zu klären, ob es sich dabei um ein strafbares Verhalten handelt, das angeklagt werden soll, aber dazu muss sie die Chance kriegen. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Wenn jetzt die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP den Standpunkt vertritt (Abg. Deimek: Als Laienjurist sollten Sie wissen, dass ...!), dass es beruflich nicht im Zusammenhang mit der Position des freiheitlichen Generalsekretärs steht, dann ich mische mich nicht ein, ob gefährliche Drohungen zu dessen Handwerkszeug gehören. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gefährliche Drohungen, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, gehören aber mit Sicherheit nicht zum normalen Handwerkszeug von Abgeordneten! (Anhaltende Zwischenrufe von ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Redezeit ist erschöpft, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Wenn das die ganz normale berufliche Tätigkeit eines Abgeordneten ist, dann ist es eine Art und Weise, das Parlament zu diskreditieren, die außergewöhnlich ist. Ich ersuche Sie, das zu überdenken und Kollegen Hafenecker eine Chance im österreichischen Rechtsstaat zu geben. (Beifall bei JETZT. – Abg. Gudenus: Das ist unglaublich! – Abg. Martin Graf: Ist das eine gefährliche Drohung? – Ruf bei der FPÖ: Die solltest du ...! – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

19.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Rosenkranz. – Bitte.


19.33.44

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Ich werde mich nicht vom Kollegen Peter JETZT in irgendeiner Form provozieren lassen. (Abg. Noll: Das glaube ich nicht, dass er ...! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von JETZT und FPÖ.) Peter Pilz hat jetzt einiges behauptet. Er ist mit Sicherheit derjenige, der seit Beginn seiner parlamentarischen Tätigkeit mit Immunitätssachen in diesem Haus überhaupt die meiste Erfahrung hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Noll.)

Er ist an sich derjenige, der eines weiß: Nur hier, auf diesen zwei Quadratmetern, bin ich vor dem Gefängnis sicher!, was man aufgrund dessen, was er sich bisher an Immunitätsfällen angeschafft hat, annehmen kann. Und egal ob außerberufliche oder berufliche Immunität: Manche Dinge sind ja nur aufgeschoben. Sobald Sie irgendwann einmal Ihre Immunität verlieren, wird der Justizminister – er ist nicht da, aber wir haben über die Bezirksgerichte und Landesgerichte gesprochen – eigene Richterdienstposten finden müssen, damit Ihre Verfahren dann einmal zügig abgearbeitet werden können. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung, 13. Dezember 2018 / Seite 230

Die Staatsanwaltschaft hat – und von Zeitungsartikeln (ein Schriftstück in die Höhe haltend), auch in Richtung des Kollegen Feichtinger, steht in einem Akt nichts drinnen, was Strafbares oder Ähnliches sein soll; da geht es um Hintergründe, Motive, was auch immer – den Verdacht, dass eine gefährliche Drohung passiert ist, und die gefährliche Drohung hat mit einem Zeitungsausschnitt nichts zu tun, denn wenn das so wäre, dann würden alle Zeitungen sofort vor den Kadi gezerrt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger, Heinisch-Hosek und Wittmann.)

Es geht um eine Aussage, die ein Christian – und das ist Christian Hafenecker – auch auf seiner Homepage gemacht hat, in Richtung eines Unternehmers, der durchaus mit Steuergeldern arbeitet. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Übrigens, Herr Kollege Pilz: nicht in Drasenhofen! Sie sind schon wieder einmal schief gewickelt, Ihre ganzen Informationen lassen zu wünschen übrig. Am Anfang haben Sie mit: Ich habe alle Akten von den Eurofightern!, oder sonst etwas ja noch ein bisschen blenden können, Sie lassen aber nach. (Abg. Steger: Das war immer nur Show!) Woran kann das liegen, Kollege Pilz? Was kann das sein, dass Sie in Ihrem Wissen derartig schwächeln, dass Sie glauben, immer vorschießen zu müssen? Es ist einfach falsch. Ihre Seiten kann man auch alle weglassen.

Es geht darum, dass Kollege Hafenecker an diesen Unternehmer, der mit Steuer­geldern arbeitet – nicht im Auftrag der FPÖ oder eines FPÖ-geführten Ressorts –, Folgendes geschrieben hat: Ich werde mich nun gerne und intensiv natürlich auch medial mit deinen verschiedenen Geschäften auseinandersetzen. – Zitatende. (Ruf: Das ist die Drohung!) – Das entscheidet die Staatsanwaltschaft oder das Gericht, ob das eine Drohung ist.

Aber, Herr Kollege Pilz: Gehört es nicht zu Ihren Aufgaben, zu hinterfragen, zu kontrollieren, sich intensiv – natürlich auch medial – mit verschiedenen Geschäften im Bereich von Steuergeld auseinanderzusetzen? Ist das nicht das Geschäftsmodell Ihrer Hoheit Peter Pilz? – Das ist genau das, was Sie machen. Sie sagen: 182 Abgeordnete sind nichts, nur Peter Pilz hat die Weisheit mit dem Löffel gefressen! – Nein, so funk­tioniert Immunität nicht, Eure Hoheit Peter Pilz! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Noll.)

Kollege Feichtinger hat gesagt: Das hat er ja wahrscheinlich als Bezirksparteiobmann gemacht! – Kollege Feichtinger (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), ich empfehle allen 183 Abgeordneten, in Zukunft bei jeder Tätigkeit, ob Sie einen Straßen­bahnfahrschein lösen oder etwas anderes tun, zu sagen: Ich mache das als Nationalratsabgeordneter! (Abg. Wöginger: Ja!), weil sonst nämlich irgendjemand einmal draufkommen könnte, dass man das vielleicht, ich weiß nicht, als Portier, als Liftwart oder Ähnliches, wo man sich gerade beschäftigt sieht, gemacht hat. (Zwi­schenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Die Staatsanwaltschaft hat nur eines gesehen, sie hat offensichtlich einen politischen Zusammenhang erkannt, denn sonst hätte sie das nämlich überhaupt nicht hier herein­schicken dürfen. Die Staatsanwaltschaft erkennt, dass es einen politischen Zusam­menhang geben kann, Kollege Feichtinger erkennt das aber nicht – und auf Kollegen Pilz lasse ich mich jetzt überhaupt nicht mehr ein. Diese Person braucht eigentlich gar kein Gericht mehr, denn diese Person richtet sich im Zuge der nächsten Wahlen von selbst, ganz von selbst. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist nur folgerichtig, dass ein politischer Zusammenhang besteht, weil es Aufgabe eines Abgeordneten ist, dass er sich intensiv und auch medial mit verschiedenen Geschäften auseinandersetzt, wenn es um Steuergeldmissbrauch geht. (Zwischenruf


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des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Das ist die Aufgabe! Politischer Zusammenhang – keine Auslieferung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Fürlinger. – Bitte.


19.38.56

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.– Herr Ausschussvorsitzender Kollege Feichtinger, ich danke für den ersten Einwurf. Ich möchte mich auch nur mit deinen Einlassungen beschäf­tigen, denn die anderen Einlassungen, die vom Kollegen Pilz gekommen sind, lasse ich links liegen, denn es muss jeder in diesem Haus für sich entscheiden, wer die moralische Hoheit hat und wer sie nicht hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Wir haben uns gestern in diesem Ausschuss ganz klar dazu bekannt, Herr Kollege Feichtinger, keine materiell-rechtlichen Wertungen zu treffen (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Hab ich auch nicht gemacht!), und dann stellst du dich heraus und sagst: Es gilt die Unschuldsvermutung. – Heute Mittag nagelst du dann in der APA-OTS eine Presseaussendung hinaus: „Feichtinger zu Immunitätsfall Hafenecker: Gefährliche Drohung gehört nicht zur Tätigkeit von Abgeordneten“. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Ja ist das nicht so?!) – Was bitte, Herr Kollege Feichtinger, ist das für eine Wertung? Das ist Vorverurteilung – das ist Vorverurteilung! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das wird ja immer besser!)

Dann muss ich als Anwalt euch sagen: Wählt eine andere Formulierung, denn das hier ist die Unterstellung, dass er es begangen hat, und das gehört sich nicht! Sagen Sie nicht im Ausschuss etwas anderes als hier heraußen, das ist nicht in Ordnung. So können wir auch im Immunitätsausschuss nicht miteinander arbeiten. Leute, so geht es nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.40

19.40.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 474 der Beilagen (Unruhe im Saal) – ich bitte Sie um Ruhe, sonst geht in dieser Sache noch etwas unter –, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 27. November 2018, Zl. 11 St 81/18h -3, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA, wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 107 Abs. 1 StGB wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA, besteht; einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Christian Hafenecker, MA, wird nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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19.41.51Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 534/A(E) bis 558/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 19.42 Uhr, also im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.42.17Schluss der Sitzung: 19.42 Uhr

 

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