Titel: Logo des Parlaments der Republik Österreich

Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

117. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 8. Juli 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

117. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                      Donnerstag, 8. Juli 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 8. Juli 2021: 9.05 – 23.44 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2021) erlassen und das Bundes­schatzscheingesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichs­gesetz 2017, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Kommunalinvestitions­gesetz 2020 und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1744/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend Fristverlängerung für die Beantragung der Mittel aus dem Kommunalen Investitionsprogramm

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1778/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Elisa­beth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz genehmigt wird, erlassen wird und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wer­den, geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheits­polizeigesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungsge­setz 1972 geändert werden

6. Punkt: Zweite Lesung: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den An­trag 1086/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Han­nes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­ge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wer­den (Verfassungsgesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Bundes­amtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Fachhochschul­ge­setz, das Privathochschulgesetz, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Hoch­schulgesetz 2005, das Bundesgesetz über die „Diplomatische Akademie Wien“ und das COVID-19-Hochschulgesetz geändert werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 2

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1223/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Verhandlungen für den geförderten Aus­tausch mit Großbritannien

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1732/A(E) der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung der Hochschulen

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1737/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft

11. Punkt: Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR betreffend Durchführung des Verlangens der Abge­ordneten Mag. Karin Greiner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kolle­gen auf Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschafts­standort, des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Lan­desverteidigung sowie der im Eigentum des Bundes stehenden Bundesbeschaffung GmbH hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge und Auftragsvergaben im Zusammen­hang mit der COVID-19-Pandemie seit März 2020 bis dato

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1731/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1689/A(E) der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Welterbe im Denkmalschutz­gesetz

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenver­kehrs­ordnung 1960 geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

19. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz

20. Punkt: Bericht über den Antrag 759/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ortskerne als Begegnungszonen

21. Punkt: Bericht über den Antrag 760/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entlastung für Carsharing Unternehmen

22. Punkt: Bericht über den Österreichischen Forschungs- und Technologie­be­richt 2021

23. Punkt: Bericht über den Antrag 1637/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende und niederschwellige Kurse für digitale Kompetenz

24. Punkt: Bericht über den Antrag 1608/A(E) der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Overhead-Finanzierung von Forschungsprojekten

25. Punkt: Bericht über den Antrag 1719/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildung als zentrale Säule in der FTI-Stra­tegie 2030


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 3

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensserviceportalgesetz geändert wird

27. Punkt: Bericht über den Antrag 1615/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mittelverwendung Digitalisie­rungsfonds

28. Punkt: Bericht über den Antrag 1666/A(E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Götze, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung von Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen“

29. Punkt: Bericht über den Antrag 1750/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Eli­sabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert wird

30. Punkt: Bericht über den Antrag 1751/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Eli­sabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird

31. Punkt: Bericht über den Antrag 1628/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlastungsoffensive für unsere Betriebe

32. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert wird (1729/A)

33. Punkt: Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschafts­strafsachen und Korruption um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abge­ord­neten zum Nationalrat Mag. Michaela Steinacker

*****

Inhalt

Nationalrat

Schlussansprache des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka ............................    288

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      20

Ordnungsrufe .............................................................................................  106, 126

Geschäftsbehandlung

Wortmeldung des Abgeordneten Alois Stöger, diplô betreffend die Achtung der Würde des Hohen Hauses .................................................................................      21

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 1025 und 1028 d.B. gemäß § 44 (2) GOG .....................................      45

Wortmeldungen des Abgeordneten Herbert Kickl im Zusammenhang mit der Abhaltung von Gedenkminuten .....................................................................  46, 47


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 4

Feststellung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka betreffend Abhaltung von Gedenkminuten .........................................................................................................      46

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ..............................................................................................................      47

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ..............................    181

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................    181

Fragestunde (9.)

Finanzen ...................................................................................................................      21

Gabriel Obernosterer (107/M); Erwin Angerer, Alois Stöger, diplômé

MMag. DDr. Hubert Fuchs (105/M); Mag. Yannick Shetty, Mag. Karin Greiner

Dr. Elisabeth Götze (116/M)

Mag. Gerald Loacker (111/M)

Mag. Andreas Hanger (108/M); Dr. Astrid Rössler, Petra Bayr, MA MLS

Nurten Yılmaz (114/M)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (106/M); Michael Bernhard, Hermann Weratschnig, MBA MSc

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (117/M); Angela Baumgartner

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (112/M); Martina Kaufmann, MMSc BA

Peter Haubner (109/M); Mag. Philipp Schrangl

Maximilian Lercher (115/M); Carina Reiter

Franz Leonhard Eßl (110/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      20

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  45, 287

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend „Völliges Versagen der ÖVP in der Asylpolitik“ (7292/J) .....................................................................................................................    129

Begründung: Herbert Kickl ......................................................................................    138

Bundesminister Karl Nehammer, MSc .................................................................    143

Debatte:

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................    154

Karl Mahrer ..............................................................................................................    158

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................    160


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 5

Mag. Georg Bürstmayr ...........................................................................................    161

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................    162

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................    164

Dr. Christian Stocker ..............................................................................................    166

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................    167

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    168

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................    169

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................    170

Mag. Johanna Jachs ...............................................................................................    172

Dr. Harald Troch ......................................................................................................    173

Mag. Meri Disoski ...................................................................................................    175

Michael Schnedlitz ..................................................................................................    176

Mag. Klaus Fürlinger ..............................................................................................    178

Robert Laimer ..........................................................................................................    179

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte“ (namentliche Abstimmung) – Ablehnung ..............  156, 181

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................    182

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (891 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an inter­nationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2021) erlassen und das Bun­desschatzscheingesetz geändert wird (952 d.B.) ....................................................      48

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichs­ge­setz 2017, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Kommunalinvestitions­ge­setz 2020 und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.) .............      48

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1744/A(E) der Abge­ordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fristverlängerung für die Beantragung der Mittel aus dem Kommunalen Investitionsprogramm (954 d.B.) ..................................................................................................................      48

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1778/A der Abgeord­neten Karlheinz Kopf, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz genehmigt wird, erlassen wird und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermäch­tigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird (955 d.B.) ..................................................................................................................      48

RednerInnen:

Maximilian Lercher .................................................................................................      48

Karlheinz Kopf .........................................................................................................      52

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................      53

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................      54

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................      57

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................      61

Erwin Angerer .........................................................................................................      64

Ing. Manfred Hofinger .............................................................................................      66


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 6

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................      67

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA .................................................................................      69

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................      70

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................      71

Henrike Brandstötter ..............................................................................................      72

Gabriel Obernosterer ..............................................................................................      74

Angela Baumgartner ..............................................................................................      74

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................      75

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................      76

Klaus Köchl (tatsächliche Berichtigung) .................................................................      76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Unterstützung für Gemeinden in der Krise“ – Ab­leh­nung ..........................................................................................................  50, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuersenkung für die Menschen, statt Steuergeschenke für Millionäre!“ – Ablehnung ................................................................................  59, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Mehr Transparenz für die Transparenz­daten­bank“ – Ablehnung ........................................................................................  62, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Sicherstellung der Finanzierung der Feuerwehren“ – Ablehnung  65, 78

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 952, 953 und 955 d.B. ..................................      77

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 954 d.B. ..................................................      78

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (937 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutz­gesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeß­ord­nung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (963 d.B.) ...................      79

6. Punkt: Zweite Lesung: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 1086/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bun­desgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungs­gesetz 1975) geändert werden (Verfassungsgesetz zur Stärkung der parlamen­tarischen Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämpfung) (1025 d.B.) ..........................................................................................      79

RednerInnen:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................      79

Karl Mahrer ..............................................................................................................      80

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................      82

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................      83

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................      85

Mag. Georg Bürstmayr ...........................................................................................      87

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc .............................................      88

Dr. Christian Stocker ..............................................................................................      90

Robert Laimer ..........................................................................................................      91

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................      92

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................      93


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 7

Mag. Wolfgang Gerstl .............................................................................................      94

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) ..........................................      95

Sabine Schatz ..........................................................................................................      95

Ing. Manfred Hofinger .............................................................................................      96

Annahme des Gesetzentwurfes in 963 d.B. .............................................................      97

Annahme des Gesetzentwurfes in 1025 d.B. in zweiter Lesung .............................      97

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (945 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Fachhoch­schul­gesetz, das Privathochschulgesetz, das Hochschul-Qualitätssicherungs­ge­setz, das Hochschulgesetz 2005, das Bundesgesetz über die „Diplomatische Aka­demie Wien“ und das COVID-19-Hochschulgesetz geändert werden (990 d.B.) ..............      98

8. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 1223/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Verhandlungen für den geförderten Austausch mit Großbritannien (991 d.B.) ..................................................................................................................      98

9. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 1732/A(E) der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digita­lisierung der Hochschulen (992 d.B.) .......................................................................      98

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................      98

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................      99

Mag. Dr. Martin Graf ...............................................................................................    100

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    102

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    103

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................    104

Katharina Kucharowits ...........................................................................................    105

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    106

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek .....................................................................................    107

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................    108

Nico Marchetti .........................................................................................................    109

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................    110

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ......................................................................    111

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................    112

Mag. Johanna Jachs ...............................................................................................    113

Annahme des Gesetzentwurfes in 990 d.B. .............................................................    120

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 991 und 992 d.B. ..........................    120

10. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 1737/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ab­schaffung der Zwangsmitgliedschaft in der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (993 d.B.) ............................................................................    113

RednerInnen:

Mag. Dr. Martin Graf ...............................................................................................    114

Nico Marchetti .........................................................................................................    115

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    116

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................    117


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 8

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................    118

Ralph Schallmeiner ................................................................................................    119

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 993 d.B. ..................................................    120

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Stän­di­gen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR betreffend Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Geba­rung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­ten­schutz, des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, des Bun­desministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Landes­verteidi­gung sowie der im Eigentum des Bundes stehenden Bundesbeschaffung GmbH hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge und Auftragsvergaben im Zusam­menhang mit der COVID-19-Pandemie seit März 2020 bis dato (1/URH2/1024 d.B.) ............    121

RednerInnen:

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................    121

Laurenz Pöttinger ...................................................................................................    123

Wolfgang Zanger ....................................................................................................    124

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    126

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................    127

Andreas Kühberger ................................................................................................    183

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    184

Mag. Andreas Hanger .............................................................................................    185

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................    186

Kenntnisnahme des Berichtes des Ständigen Unterausschusses des Rechnungs­hofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG in 1024 d.B. ........................................    188

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1024 d.B. ................................................    188

12. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1731/A der Abgeord­neten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geän­dert wird (956 d.B.) ...........................................................................................    188

RednerInnen:

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    188

Gabriele Heinisch-Hosek .......................................................................................    189

Maria Großbauer .....................................................................................................    190

Henrike Brandstötter ..............................................................................................    191

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ....................................................  192, 194

Katharina Kucharowits ...........................................................................................    193

Martina Diesner-Wais .............................................................................................    195

Annahme des Gesetzentwurfes in 956 d.B. .............................................................    201

13. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1689/A(E) der Abge­ordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Welterbe im Denkmalschutzgesetz (957 d.B.) ............................................    196

RednerInnen:

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    196

Dr. Harald Troch ......................................................................................................    197

Ing. Mag. Volker Reifenberger ...............................................................................    198

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................    199

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................    200


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 9

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 957 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Welterbe im Denkmalschutzgesetz“ (196/E) ......................    201

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (940 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (994 d.B.) ....................    201

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (942 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird (995 d.B.) ....    201

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek .....................................................................................    201

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................    202

Alois Stöger, diplômé .............................................................................................    203

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................    204

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    204

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. .........................................................    206

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................    208

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................    209

Christoph Stark .......................................................................................................    210

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................    211

Franz Hörl ................................................................................................................    212

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 994 und 995 d.B. .....................................    244

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (946 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsord­nung 1960 geändert werden (996 d.B.) ....................................................................    213

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek .....................................................................................    213

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................    214

Dietmar Keck ...........................................................................................................    215

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................    215

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    216

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    217

Mag. Meri Disoski ...................................................................................................    219

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................    220

Lukas Brandweiner .................................................................................................    221

Annahme des Gesetzentwurfes in 996 d.B. .............................................................    245

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (938 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (997 d.B.) ..................................................................................................................    222

18. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (936 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (998 d.B.) ..................................................................................................................    222

RednerInnen:

Alois Schroll ............................................................................................................    222

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    225

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................    227

Michael Bernhard ....................................................................................................    228

Klaus Köchl .............................................................................................................    229


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 10

Walter Rauch ...........................................................................................................    230

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................    231

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    232

Hermann Gahr .........................................................................................................    233

Joachim Schnabel ..................................................................................................    234

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“ – Ablehnung ................................................  223, 245

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölke­rung“ – Ablehnung .....................................................................................  226, 246

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 997 und 998 d.B. .....................................    245

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (932 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Ober­österreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz (999 d.B.) ..................................................................................................................    236

20. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 759/A(E) der Abge­ordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ortskerne als Begegnungszonen (1000 d.B.) ...........................................................................    236

21. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 760/A(E) der Abge­ordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entlas­tung für Carsharing Unternehmen (1001 d.B.) .........................................................    236

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé .............................................................................................    236

Clemens Stammler .................................................................................................    237

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    237

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................    238

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    239

Mag. Felix Eypeltauer .............................................................................................    240

Johann Singer .........................................................................................................    241

Lukas Hammer ........................................................................................................    242

Walter Rauch ...........................................................................................................    243

Christoph Stark .......................................................................................................    243

Genehmigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG in 999 d.B. .......................    246

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1000 und 1001 d.B. ......................    246

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundes­minis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-329/1018 d.B.) ........    246

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1637/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 11

und Kollegen betreffend flächendeckende und niederschwellige Kurse für digitale Kompetenz (1019 d.B.) .............................................................................................    246

24. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1608/A(E) der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend Overhead-Finanzierung von Forschungsprojekten (1020 d.B.) ................................................................................................................    246

25. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1719/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Bildung als zentrale Säule in der FTI-Stra­tegie 2030 (1021 d.B.) ..............................................................................................    246

RednerInnen:

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................    247

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    248

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek .....................................................................................    249

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................    250

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    251

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ......................................................................    252

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    253

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................    254

Peter Weidinger ......................................................................................................    255

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    256

Carina Reiter ............................................................................................................    256

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................    257

Kenntnisnahme des Berichtes III-329 d.B. ...............................................................    263

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1019, 1020 und 1021 d.B. .................    263

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (944 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Unterneh­mensserviceportalgesetz geändert wird (1022 d.B.) ................................................    258

27. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1615/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mittelverwendung Digitalisierungsfonds (1023 d.B.) ................................................................................................................    258

RednerInnen:

Maximilian Köllner, MA ..........................................................................................    258

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................    259

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................    260

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................    261

Süleyman Zorba ......................................................................................................    262

Annahme des Gesetzentwurfes in 1022 d.B. ...........................................................    263

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1023 d.B. ................................................    264

28. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 1666/A(E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Götze, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung von Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen“ (984 d.B.) ...............    264


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 12

RednerInnen:

Edith Mühlberghuber ..............................................................................................    264

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ..........................................................................    265

Mag. Christian Ragger ............................................................................................    266

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................    267

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................    268

Henrike Brandstötter ..............................................................................................    269

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................    270

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 984 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Prüfung von Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen“ (197/E) ................................................................    283

Gemeinsame Beratung über

29. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 1750/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungs­ge­setz 2014 geändert wird (985 d.B.) ..........................................................................    271

30. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 1751/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreu­hand­berufsgesetz 2017 geändert wird (986 d.B.) ............................................................    271

RednerInnen:

Laurenz Pöttinger ...................................................................................................    271

Cornelia Ecker .........................................................................................................    272

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 985 und 986 d.B. .....................................    283

31. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 1628/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlas­tungsoffensive für unsere Betriebe (987 d.B.) ..........................................................    273

RednerInnen:

Erwin Angerer .........................................................................................................    273

Mag. Maria Smodics-Neumann .............................................................................    275

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................    277

Maximilian Lercher .................................................................................................    279

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................    281

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................    282

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................    282

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „finanzielle Soforthilfe für von abgesagten Veranstaltungen massiv betroffene Marktfahrer, Schausteller und Wirte“ – Ablehnung .................  274, 284

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kampf gegen Spekulation und Preistreiberei an den Welt­märkten“ – Ablehnung ...............................................................................  280, 284

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 987 d.B. ..................................................    283

32. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 13

vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert wird (1729/A) ...................................    284

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................    284

Johann Höfinger .....................................................................................................    285

Alois Schroll ............................................................................................................    286

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................    286

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................    287

Zuweisung des Antrages 1729/A an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie ......................................................................................................................    287

33. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (GZ 43 St 2/21g) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Michaela Steinacker (1028 d.B.) ..........................................    287

Annahme des Ausschussantrages ...........................................................................    288

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Unterstützung für Gemeinden in der Krise (1815/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Magistrale Zubereitung von Cannabis (1816/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend freie Endgerätewahl beim Internetzugang (1817/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem Warten auf das Kinderbetreuungsgeld (1818/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spielzeug muss frei von schädlichen Chemikalien sein (1819/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spielzeug muss frei von schädlichen Chemikalien sein (1820/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spielzeug muss frei von schädlichen Chemikalien sein (1821/A)(E)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Lagergesetz geändert wird (1822/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1823/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1824/A)

Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Linienbus-Kapazitäten für die Beförderung von Schüler*innen (1825/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 14

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschäftigungs­politi­sche Maßnahmen gegen die Corona-Langzeitarbeitslosigkeit (1826/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesgenos­sen­schaft für Pflege und Betreuung (1827/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesgenossen­schaft für Pflege und Betreuung (1828/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Diskriminierungs­ver­bot gegen das Zwangsregime „Grüner Pass“ (1829/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung des türkisen Skandals „Hygiene Austria“ (1830/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung des türkisen Skandals „Hygiene Austria“ (1831/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung des türkisen Skandals „Hygiene Austria“ (1832/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Rehkitz­rettung (1833/A)(E)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend transparente Auswertun­gen der Regierungsinserate durch die RTR (1834/A)(E)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konvent für Medienfreiheit und Transparenz: Inseratenvergabe auf neue Grundlage stellen (1835/A)(E)

Dr. Gudrun Kugler, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ver­schlechterung der politischen Lage in Nicaragua vor den Wahlen (1836/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschließung des Natio­nalrates vom 20. November 2020 Facharztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich (1837/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Kom­plementärmedizin in Österreich (1838/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung und Ausbau einer psychologischen Versorgung als Kassenleistung (1839/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung und Ausbau einer psychologischen Versorgung als Kassenleistung (1840/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend unabhängige und weisungs­freie Stadtrechnungshöfe ermöglichen (1841/A)(E)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kampf gegen Spekulation und Preistreiberei an den Weltmärkten (1842/A)(E)

Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG geändert wird (1843/A)

Anfragen der Abgeordneten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 15

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7209/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netz­werken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7210/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7211/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7212/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Zielgruppen und Wer­be­ausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7213/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7214/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netz­werken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7215/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7216/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7217/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidi­gung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7218/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7219/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7220/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netz­werken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7221/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7222/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien im ersten Halbjahr 2021 (7223/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Spesen und Repräsen­tationsausgaben der Bundesregierung (7224/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 16

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bun­desregierung (7225/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7226/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7227/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesvertei­di­gung betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7228/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7229/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundes­regie­rung (7230/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7231/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7232/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7233/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bun­desregierung (7234/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundes­regie­rung (7235/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7236/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundes­regierung (7237/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Spesen und Repräsentationsausgaben der Bundesregierung (7238/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7239/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7240/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7241/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 17

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7242/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidi­gung betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7243/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bun­desregierung im ersten Halbjahr 2021 (7244/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7245/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregie­rung im ersten Halbjahr 2021 (7246/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7247/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7248/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7249/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7250/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Werbe- und PR-Aus­gaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7251/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7252/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbe- und PR-Ausgaben der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2021 (7253/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten der Kabinette im Bundeskanzleramt im 2. Quartal 2021 (7254/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7255/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Kosten der Ministerbüros im 2.Quartal 2021 (7256/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7257/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 18

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7258/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidi­gung betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7259/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7260/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7261/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7262/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7263/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7264/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7265/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7266/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Kosten der Minister­büros im 2. Quartal 2021 (7267/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2021 (7268/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Rechtswidrige Weisung: Anzeige in Bagatellfällen (7269/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Leistung der Rettungsorganisationen bei Covid-Transporten (7270/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Österreichs Einsatz gegen LGBTIQ-feindliche Gesetze in Ungarn (7271/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Österreichs Einsatz gegen LGBTIQ-feind­liche Gesetze in Ungarn (7272/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend Österreichs Einsatz gegen LGBTIQ-feindliche Gesetze in Ungarn (7273/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in der Steiermark (7274/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 19

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Salzburg (7275/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei im Burgenland (7276/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Oberösterreich (7277/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Niederösterreich (7278/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Kärnten (7279/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Tirol (7280/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Vorarlberg (7281/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Wien (7282/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Flächenfraß durch neuen Autobahnrastplatz in Weibern (7283/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Pensionskassen II (7284/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Prävention und Bekämpfung von Cyberkriminalität – Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes (7285/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Prävention und Bekämpfung von Cyberkriminalität – Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes (7286/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zukunft hdgö (7287/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­pä­ische und internationale Angelegenheiten betreffend Auswirkungen des neuen Standort­gesetzes für INGOs und Quasi-Internationale Organisationen (7288/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Hilfe ohne Plan: Evaluierung der Covid-Wirtschaftshilfen (7289/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Das Bundesheer ist keine Hilfspolizei (7290/J)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sozialversicherungsnummer – Diver­genz von Geburtsdatum und Sozialversicherungsnummer insbesondere bei Asylwer­bern und Asylberechtigten (7291/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Völliges Versagen der ÖVP in der Asylpolitik (7292/J)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen (6511/AB zu 6589/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 20

09.05.12Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.14*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordneten! Die Sitzung ist eröffnet. Ich darf Sie ganz herzlich zu unserem zweiten Plenar­tag, zur 117. Sitzung des Nationalrates begrüßen.

Mein Gruß gilt auch den Damen und Herren auf der Galerie beziehungsweise der Jour­nalistik.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Melanie Erasim, MSc, Eva Maria Holzleitner, BSc, Andreas Kollross, Kai Jan Krainer, Dr. Christoph Matznetter, Rainer Wimmer, Christian Hafenecker, MA, Alois Kainz, Christian Ries, Bedrana Ribo, MA, Heike Grebien, David Stögmüller, Mag. Nina Tomaselli, Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Stephanie Krisper, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES und Josef Schellhorn.

Ich darf auch noch die Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten ent­schul­digen (Heiterkeit bei der ÖVP) – ich meine begrüßen. Warum entschuldigen? – Ich muss mich entschuldigen: Gestern war das Mikrofon nicht ausgeschaltet, und ich habe eine unpassende Äußerung zur Abgeordneten Yılmaz gemacht. Wir haben das vorhin schon besprochen. Ich darf mich in aller Form dafür entschuldigen. Das war etwas im Spaß gemeint, aber es sollte nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein.

Aufgrund der Diskussion in der Präsidiale darf ich noch einmal in Erinnerung rufen: Wir haben gemeinsam vereinbart, dass wir beim Herein- und Herausgehen in den bezie­hungsweise aus dem Saal Masken tragen. Den Mitarbeitern, wenn sie über eines der 3G verfügen, also getestet, genesen oder geimpft sind, ist am Sitzplatz das Abnehmen der Maske gestattet. Es steht aber jedem frei, die Maske auch dort zu tragen. Ich sage das deshalb, weil es auch in der Öffentlichkeit eine Diskussion gegeben hat: Was ist jetzt los?

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab wird durch Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc vertreten.

Ferner werden Mitglieder der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt vertreten:

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher durch Bundesministerin für Landes­verteidigung Mag. Klaudia Tanner.

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung wie üblich von ORF 2 bis 13 Uhr, in ORF III bis 19.15 Uhr und anschließend in der TVthek kommentiert übertragen wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 21

09.07.30Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Sie kennen die Praxis: Die Fragen werden von den Damen und Herren Abgeordneten von den beiden Rednerpulten aus gestellt. Für die Anfrage und die Zusatzfrage ist je­weils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute nicht übersteigen.

Es ist ein bisschen schwierig durch das Plexiglas, aber ich werde darauf hinweisen, dass die Zeit vorbei ist.

Abgeordneter Stöger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

*****


9.08.00

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Präsident hat sich bei der Ab­geordneten Nurten Yılmaz entschuldigt. Das nehmen wir gerne und auch mit Respekt zur Kenntnis. Das ist die richtige Umgangsweise, aber ich bitte trotzdem, dass man gerade seitens der Vorsitzführung darauf achtet, dass man die Würde des Hauses auch ernst nimmt – auch dann, wenn die Sitzung zu Ende ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Unsere Abgeordneten haben sich das nicht verdient. Trotzdem nehmen wir das zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

9.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bin absolut deiner Meinung und habe das auch eindeutig klargestellt.

*****

Finanzen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage. Ich darf den Herrn Bundesminister ans Rednerpult bitten.

Die 1. Anfrage stellt Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.

09.08.58


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanzminister! Vor über 15 Monaten, am 15. März letzten Jahres, sind wir in den ersten Lockdown gegangen. Sie haben damals als Finanzminister gesagt, Sie werden sehr, sehr viel Geld in die Hand nehmen, um der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt, den Mit­arbeitern praktisch über diese Krise zu helfen. Es sind auch in diesem Haus hier viele Hilfspakete geschnürt worden. Noch im Spätherbst, als wir das Budget beschlossen haben, waren wir gerade nicht so optimistisch, wie das weitergeht. Man hat das noch nicht genau abschätzen können – nicht nur wir, sondern auch die Experten. In letzter Zeit hören wir ja sehr viele positive Signale vom Arbeitsmarkt, von der Wirtschaft.

107/M

„Warum haben sich die Wirtschaftsprognosen für Österreich zuletzt so deutlich verbessert?“



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 22

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Die Feststellung, dass sich da viel geändert hat, ist in der Tat richtig. Wir haben das ganze letzte Jahr hindurch eine hohe Volatilität im Bereich der Prognosen für die volkswirtschaftliche Entwicklung Öster­reichs erlebt – das ist auch hier im Parlament immer wieder diskutiert worden –, das hat auch dazu geführt, dass Budgetvorschläge, die bereits eingebracht waren, dann de facto durch die neuen Prognosen über den Haufen geworfen worden sind.

Wir haben in diesem Jahr de facto eine sehr ähnliche Situation. Man sieht, wie hoch auch da die Volatilität ist, denn wir haben vor rund zwei, drei Monaten hier im Hohen Haus eine Abänderung zum Budget 2021 beschlossen, und zwar auf Basis einer Wifo-Prognose von einem Wachstum von 1,5 Prozent für das Jahr 2021. Jetzt, wenige Wochen später, hat dasselbe Wirtschaftsforschungsinstitut aufgrund der sehr guten wirtschaft­lichen Entwicklung eine neue Prognose für dieses Jahr von rund 4 Prozent Wachstum und für das nächste Jahr von etwa 5 Prozent Wachstum verlautbart. Das wären Zahlen, die noch höher sind als jene von Deutschland oder der Schweiz in manchen Prognosen, und das ist natürlich sehr, sehr erfreulich.

Dafür gibt es natürlich verschiedenste Gründe. Ein Grund ist, dass der Impffortschritt auch in Österreich einer ist, der dazu führt, dass die Pandemie Schritt für Schritt be­kämpft wird und dass wir durch unsere Teststrategie auch früher Öffnungen als andere Länder vollzogen haben. Dadurch ist natürlich das Wirtschaftsleben schneller zurückge­kommen, und was man, glaube ich, auch sagen kann, ist, dass die Rettungsmaßnahmen für die Unternehmen und für die Arbeitsplätze auch ihren Teil dazu beigetragen haben, denn jetzt gibt es die Unternehmen und die Arbeitsplätze in den Unternehmen inklusive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch. Das führt dazu, dass diese Unterneh­men jetzt schnell den Aufschwung mitnehmen können und dadurch also vielleicht ein wenig schneller zurückkommen als jene in anderen Ländern. Das ist sehr erfreulich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Obernosterer? – Bitte.


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Natürlich haben diese Hilfspakete auch dementsprechend Geld gekostet. Die Schuldenquote von Österreich hat sich, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, erhöht. Es gibt natürlich jetzt auch eine gewisse Diskussion von Experten und Nichtexperten: Wie werden wir diese Schulden einmal zurückzahlen?

Wie sehen Sie das, Herr Finanzminister?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Es ist völlig richtig: Das war ein sehr, sehr großes Volumen, das in Anspruch genommen worden ist, um in der Not zu helfen.

Wir haben ja als ÖVP immer einen sehr klaren Budgetkurs verfolgt und haben es in der vorletzten Bundesregierung auch gemeinsam geschafft – zum ersten Mal seit Jahr­zehnten –, einen Überschuss im Bundeshaushalt zu erwirtschaften. Das ist genau die Art von Politik, die uns jetzt in die Lage versetzt hat, ausreichend helfen zu können: in guten wirtschaftlichen Zeiten den Haushalt in Ordnung zu bringen und die Schulden­quote sukzessive zu reduzieren, damit man dann in schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt gehabt haben, ausreichend helfen kann. Genau das muss auch unser Rezept für die Zukunft sein, genau so werden wir weiterhin haushalten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 23

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Herr Finanz­minister, die durchaus erfreuliche Erholung der Wirtschaft in Österreich ist wohl auf die Krisenresilienz zurückzuführen, die unsere Unternehmen haben, und nicht auf das Management dieser Regierung, das wir immer kritisiert haben und das aus meiner Sicht auch ein schlechtes Management war.

Es stimmt: Sie haben sehr viel Geld in die Hand genommen. Trotzdem haben Sie im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern damit in Österreich den größten Wirt­schaftseinbruch produziert, und viele Unternehmen haben aus den undurchsichtigen und vielfältigen Paketen, die Sie geschnürt haben, bis heute kein Geld oder keine adäquate Unterstützung bekommen.

Die Betroffenheit bei den Unternehmen ist sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die gut durch die Krise gekommen sind – dazu zählen die Großen, dazu zählen die Konzerne, dazu zählt die Industrie –, die KMUs und EPUs aber sind großteils auf der Strecke ge­blieben. Aktuell haben wir wieder das Problem, dass viele Festveranstaltungen abgesagt worden sind, in Kärnten zum Beispiel der Villacher Kirchtag, der Bleiburger Wiesen­markt, der Wiesenmarkt in Sankt Veit. Alle Schausteller und Fieranten sitzen jetzt wieder zu Hause, können sich nicht aufstellen und auch keinen Umsatz generieren.

Was werden Sie konkret tun, um dieser Branche zu helfen, Herr Minister?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sie haben natürlich völlig recht. Die Pandemie ist noch nicht gänzlich vorüber. Wir erleben ja viele Debatten auf­grund neuer Mutationen, die in anderen Ländern dazu führen, dass neue Einschrän­kungen umgesetzt werden.

Ich hoffe, das wird in Österreich nicht der Fall sein, klar ist aber natürlich, dass es manche Wirtschaftsbereiche gibt, die weiterhin von der Pandemie betroffen sein werden. Da geht es vor allem um den Veranstaltungsbereich, um den Kongresstourismus, um den Städte­tourismus, und genau aus diesem Grund haben wir uns in der Bundesregierung dafür entschieden, die verschiedenen relevanten Hilfsinstrumente auch zu verlängern.

Wir haben beispielsweise den Ausfallsbonus, der in sehr wenigen Tagen nach Bean­tragung bereits am Konto ist, bis in den September hinein verlängert. Wir haben gerade den Härtefallfonds für die Kleinsten verlängert. Wir haben genauso auch die Möglichkeit verlängert, staatlich garantierte Kredite in Anspruch zu nehmen, denn was jetzt nicht passieren darf, ist, dass am Ende der großen Krise, wo einige noch hart betroffen sind, diese wenigen ein Liquiditätsproblem bekommen, wie das am Anfang der Krise gedroht hat. Mit den Maßnahmen, die wir jetzt in der Bundesregierung gemeinsam verlängert haben, werden wir hier zielgerichtet und treffgenau entgegenwirken können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stöger. – Bitte.


Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Bundesminister, guten Morgen! Die ÖVP hat gestern mit der Abschaffung der Mindeststrafen für Lohn- und Sozialdumping bewiesen, dass sie für ein ungerechtes Steuersystem eintritt. Die ÖVP will die Steuern für Konzerne senken, während die Dividenden, die Boni explodieren und alle inter­nationalen Experten über unser Steuersystem sagen: Die Steuern auf Arbeit sind zu hoch, die Steuern auf Kapital und Vermögen sind zu niedrig und der Beitrag von Konzer­nen und Millionären in Österreich im Steuersystem ist zu niedrig. Das Steuersystem ist ungerecht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 24

Daher meine Frage: Wieso wollen Sie den Steuerbeitrag der Konzerne durch eine Sen­kung der Körperschaftsteuer weiter absenken, obwohl die Konzerne heute schon viel zu wenig beitragen? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter, wenn Sie der Meinung sind, dass ich die Steuern in diesem Land senken möchte, dann muss ich sagen: Sie haben recht. Genau das ist unser Ziel: die Steuern in diesem Land zu senken.

Warum? – Weil wir wissen, dass die Abgabenquote in Österreich relativ hoch ist und weil wir den Menschen mehr zum Leben lassen wollen. Wir haben das bereits im letzten Jahr gemacht, indem wir die erste Stufe der Lohn- und Einkommensteuer gesenkt haben. Das sind 1,6 Milliarden Euro, die den Kleinstverdienern – und allen anderen auch – mehr im Geldbörsel bleiben. Das ist der richtige Weg, und den wollen wir auch weitergehen.

Darüber hinaus: Ja, wir leben in Österreich von vielen guten Arbeitsplätzen, und diese Arbeitsplätze werden durch Unternehmen geschaffen. Das heißt, wir müssen auch eine Politik machen und wollen eine Politik machen, die es den Unternehmen erleichtert, hier zu gründen, zu wachsen, Profite zu generieren, Arbeitsplätze zu schaffen, von denen wir alle profitieren und leben können, und einer der wesentlichen Standortfaktoren ist natürlich die Frage, wie viel Steuern diese Unternehmen zahlen. Im internationalen Vergleich – das sagt ja auch die OECD – ist die Körperschaftsteuer einer der wesent­lichen standortrelevanten Faktoren.

Deswegen: Ja, wir haben auch im Regierungsprogramm eine Evaluierung der Senkung der Körperschaftsteuer verankert, und das werden wir auch tun. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die zweite Frage kann nicht zum Aufruf gelangen, da Abgeordneter Krainer entschuldigt ist.

Die nächste Frage stellt Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

09.17.51


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Der erste Teil der ökosozialen Steuerreform hat ja zu einer massiven Erhöhung der NoVA, um 400 Millionen Euro bis 2024, geführt. Es ist wohl ein erster Vorgeschmack auf ein künftiges Sparpaket unter dem Mäntelchen des Klimaschutzes, und wenn man sich den Aufbau- und Resilienzplan anschaut, dann weiß man, wer möglicherweise die nächs­ten Opfer der ökoasozialen Steuerreform sein werden: Unternehmer, Autofahrer, insbeson­dere die Pendler.

Meine Frage:

105/M

„Wann kommt es zu einer steuerlichen Entlastung der Leistungsträger?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Vielen Dank für die Frage, Herr Staatssekretär! Ich habe ja bereits bei der letzten Frage versucht, darauf hinzu­weisen, ich tue das aber sehr, sehr gerne nochmals.

Wir haben die erste Stufe der Lohn- und Einkommensteuer bereits gesenkt – das ist ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro. Wir haben aber darüber hinaus auch in dem Bereich, den Sie angesprochen haben – wobei ich Ihnen recht gebe, dass in manchen Bereichen die Erhöhung der NoVA, die aus meiner Sicht auch im Sinne der nachhaltigen Entwicklung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 25

unserer Gesellschaft und unseres Landes ein zwar nicht immer populäres, aber, ich glaube, auch kompromissfähiges Mittel war – Maßnahmen gesetzt, hinsichtlich Absetz­barkeit und um die Steuerbemessungsgrundlage zu reduzieren, mit der degressiven Ab­schreibung beispielsweise.

Genau diesen Weg wollen wir auch weitergehen. Wir wollen es auf der einen Seite durch konkrete Maßnahmen wie eben diese seit Jahrzehnten diskutierte degressive Abschrei­bung den Unternehmen erleichtern, wollen aber auch durch andere Maßnahmen, wie vielleicht eine steuerlichen Gleichstellung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital, einen Anreiz setzen, in diesem Land zu investieren, in das eigene Unternehmen zu investieren. Gleichzeitig wollen wir auch die Lohn- und Einkommensteuer weiter senken.

Das ist eine Empfehlung, die auch der Internationale Währungsfonds abgegeben hat, der der Meinung ist, dass wir den fiskalischen Spielraum haben, um das zu tun, auch aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Frau Bundesministerin Gewessler plant ja einen automatischen Anstieg der Steuern auf fossile Energieträger, was zu einer massiven Mehrbelastung für den Wirtschaftsstandort, aber natürlich auch für die Auto­fahrer führen würde. Sie selbst, glaube ich, haben sich dahin gehend schon kritisch geäußert. Die Wirtschaftskammer hält den Entwurf des Klimaschutzgesetzes für – ich zitiere – „untragbar“, „überambitioniert“, manche sprechen gar von „ideologiegetriebenen Bestrafungsfantasien“.

Im Aufbau- und Resilienzplan steht auch die Ökologisierung des Pendlerpauschales. Meine Zusatzfrage lautet: Wie stehen Sie zur Ökologisierung des Pendlerpauschales? Wann wird diese in Kraft treten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Das ist eine sehr gute Frage. Wir arbeiten bereits auf Hochtouren daran, dass das Konzept der ökosozialen Steuerreform möglichst bald in Umsetzung kommt. Wir haben uns ja auch im Wieder­aufbauplan dazu verpflichtet, dass CO2 ab 2022 einen Preis erhält. Ich halte das auch für richtig, denn wir wollen, dass auch auf den Märkten die entsprechenden Preise gebil­det werden können, um Anreize entstehen zu lassen, auf nachhaltigere Energie­nut­zungsformen umzusteigen. Das muss natürlich mit einer entsprechenden Erleichterung in den anderen Bereichen einhergehen.

Das heißt, wir wollen, dass für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Leis­tungsträger in diesem Land unterm Strich mehr überbleibt, um auch den Anreiz zu haben, auf klimafreundliche Technologien umzusteigen, und einen – ich würde einmal sagen – Schritt für Schritt auch anpassungsfähigen Pfad hin zu einer entsprechenden Bepreisung, die auch international üblich sein wird und in den nächsten Jahren in ganz Europa Einzug halten wird, zu betreten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Kol­lege Fuchs hat nach einer steuerlichen Entlastung für Leistungsträger gefragt, und speziell junge Erwerbstätige sind oft mit einer Mehrfachbelastung konfrontiert. Sie schaf­fen sich eine Wohnung an, sind mit der Familiengründung beschäftigt, haben aber aufgrund des jungen Alters oft ein niedrigeres Einkommen, daher bräuchte es gerade in diesem Bereich dringend eine steuerliche Entlastung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 26

Meine Frage mit der Bitte um eine konkrete Antwort: Welche steuerlichen Maßnahmen werden Sie bis zum Jahresende setzen, um vor allem junge Erwerbstätige finanziell zu entlasten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sie haben völlig recht in Ihrer Analyse, deswegen haben wir auch zu Beginn der Pandemie bereits Maßnahmen gesetzt, um die Kaufkraft zu stärken. Von diesen haben gerade auch kleine Einkom­mensbezieher massiv profitiert. Wir haben die erste Stufe der Lohn- und Einkommen­steuer gesenkt, das ist ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro. Diesen Weg wollen wir auch weitergehen, das heißt, gerade jene, die arbeiten gehen und die erwerbstätig sind, wer­den von diesen Maßnahmen weiter profitieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Greiner. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Ist das gerecht? – Wenn Sie von Leistungsträgern sprechen, denken Sie an Großkonzerne, an große Unternehmen, an Ihre Großspender. Wenn wir von Leistungs­trägerInnen sprechen, dann meinen wir jene Leute, die jeden Tag hart arbeiten, aber wenig dafür verdienen, in der Industrie, auf der Baustelle, in den Spitälern und in den Supermärkten – wir alle haben während der Krise gesehen, was diese Personen geleistet haben –, und wir sprechen auch von Frauen, die oftmals in Teilzeit arbeiten müssen. Diese profitieren rein gar nicht von Ihrer geplanten Senkung der Körperschaft­steuer; davon haben sie nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum senken Sie die Steuern ausschließlich für Konzerne, wie Sie das mit der Kör­perschaftsteuer tun wollen? Warum vergessen Sie auf all die genannten Personen, die Teilzeit arbeitenden Frauen, die bis dato gar nichts von Ihren Reformen haben? Wann sind Sie bereit, für diese Personengruppen mit Einkommen zwischen 1 000 und 2 500 Euro Steuersenkungen auf ihre Arbeitseinkommen durchzuführen? (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Was sind Ihre Budgetpläne für 2022? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Ich glaube, die Kollegin hat geschlafen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Ich habe ein wenig das Gefühl, dass wir in dieser Bundesregierung bereits so viele Maßnahmen umgesetzt ha­ben, dass einige schon in Vergessenheit geraten sind (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen): nicht nur eine teilweise Refundierung von Sozialversicherungs­beiträgen für die Bezieher kleinster Einkommen, sondern auch die Senkung der untersten Lohn- und Einkommensteuerstufe. Außerdem haben wir in dieser Krise sehr, sehr viel Geld ausgegeben: für den Erhalt von Arbeitsplätzen und für die Kleinstunternehmer, über den Härtefallfonds. – All diese Maßnahmen haben natürlich dazu beigetragen, dass die Leistungsträger in dieser Gesellschaft, die einen Beitrag leisten, die arbeiten gehen, die am Ende des Tages auch etwas davon haben wollen, besser durch diese Krise gekommen sind und mit vielen Maßnahmen auch nach dieser Krise nachhaltig mehr haben werden.

Darüber hinaus gebe ich Ihnen völlig recht, wie schon Ihr Kollege Stöger das ange­kündigt hat: Ja, wir sind für die Senkung von Steuern, weil wir der Meinung sind, dass die Unternehmen in diesem Land die sind, die die Arbeitsplätze schaffen. Und wir wollen gute Arbeitsplätze in Österreich haben. Wir sehen jetzt, dass der Wirtschaftsaufschwung sehr stark zurückkommt, und es ist bereits so, dass viele offene Stellen da sind. Gleich­zeitig wollen wir natürlich Qualifikationsmaßnahmen setzen, damit diese Stellen auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 27

besetzt werden können, damit wir gute Arbeitsplätze haben. – Das ist die Arbeit dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Götze. – Bitte.

09.25.23


Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Die Wirtschaftshilfen werden zum Teil verlängert – ich nenne: der Härte­fall­fonds verlängert bis Herbst, der Ausfallsbonus, der Verlustersatz bis Jahresende –, die Kurzarbeit tritt auch in eine neue Phase ein – in zwei neue Phasen sogar –, die Steuerstundungen enden mit einer Safetycarphase und das Wifo hat ganz gute Prognosen für uns.

Die Frage an Sie: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie im Herbst? Wie, glauben Sie, wird es hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung und auch hinsichtlich der Arbeitslosen­zahlen weitergehen, sofern Sie das sagen können?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 116/M, hat folgenden Wortlaut:

„Mit Ende Juni endeten die Steuerstundungen und die Kurzarbeit tritt in (zwei) neue Phasen ein. Das Wifo sieht Österreich inzwischen wieder auf Vorkrisenniveau, warnt aber auch vor einem zu frühen Ende der Hilfen. Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie durch die Änderungen bei den Stundungen und der KUA für die Wirtschaft und Unter­nehmen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Wenn man Optimist ist – und ich bin generell Optimist –, dann glaube ich, dass wir auch im Herbst und auch in den nächsten Jahren einen sehr guten wirtschaftlichen Aufschwung erleben werden. Die Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, dass wir im Umgang mit der Pandemie nicht sorglos werden. Das Wichtigste ist, dass wir den Impffortschritt weiter vorantreiben, dass es genügend Angebot gibt, das es ja mittlerweile in Österreich Gott sei Dank gibt, und darüber hinaus die Menschen zu motivieren, sich impfen zu lassen, denn das ist die einzige Möglichkeit, wie wir die Pandemie nachhaltig bekämpfen können. Darüber hinaus, glaube ich, tun wir gut daran, nicht zu früh die 3G-Regel aufzuheben. Es gibt weiterhin die Möglichkeit, dass sich die Bevölkerung gratis testen lassen kann. All das führte dazu, dass wir in den letzten Monaten schneller und früher öffnen konnten, als das in anderen Ländern der Fall war. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass der wirtschaftliche Aufschwung weitergehen wird.

Wir haben natürlich in manchen Sektoren weiter Herausforderungen, deswegen haben wir auch gemeinsam in einigen Bereichen die Wirtschaftshilfen verlängert, aber auch die Möglichkeit für Kurzarbeit, gerade für die Unternehmen, die immer noch über 50 Prozent Umsatzeinbruch haben. Klar ist natürlich schon auch, dass der Ausstieg aus den Hilfen genauso schwierig ist wie der Einstieg in die Hilfen. Wir wollen ja, dass die Unternehmen, wenn sie im Wirtschaftskreislauf wieder normal wirtschaften können, das auch tun und nicht zu sehr Anreize haben, staatliches Geld in Anspruch zu nehmen. Deswegen ist dieser schrittweise Ausstieg, den wir gemeinsam beschlossen haben, glaube ich, ein richtiger und guter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Ich habe eine Frage zu diesem schritt­wei­sen Ausstieg. Insbesondere kleine und kleinste Unternehmen profitieren vom Härtefall­fonds und vom Ausfallsbonus, der, so ist vorgesehen, Ende September ausläuft. Die Frage ist: Unter welchen Bedingungen können Sie sich eine Verlängerung vorstellen? Ich glaube, ein abrupter Stopp, gerade im Herbst, wäre schwierig. Wie ist da Ihre Heran­gehensweise?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: So wie auch in den letzten 15 Monaten der Pandemie, immer zu schauen: Was ist notwendig, um Arbeitsplätze und Unternehmen durch diese Krise zu bekommen?, aber nicht falsche Anreize zu setzen.

Ich glaube, wir haben bis dato einen sehr guten Weg gefunden, indem wir eine schritt­weise Verlängerung in Anspruch nehmen, wenn eben die Situation so ist, dass es weiter Unterstützung braucht. Wir haben aber zum Beispiel bei den Steuerstundungen einen rechtzeitigen Ausstieg, diesen aber gleichzeitig mit einer Safetycarphase und einer sehr langen Ratenzahlungsphase, eingeführt, die sehr treffsicher ist – damit es die Unter­nehmen bekommen, die es brauchen. Das wird auch der Zugang sein, den wir im Herbst und darüber hinaus anwenden wollen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr.

09.28.44


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Sie haben schon darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren bei den Beziehern niedriger Einkommen viel gemacht worden ist. Sie verdienen steuerfrei, sind von der Arbeitslosen­versicherung befreit und bekommen Sozialversicherungsbeiträge rückerstattet.

Wenn nun aber jemand ein Bruttoeinkommen von 31 000 Euro und ein bisschen mehr erwirtschaftet, liegt der Grenzsteuersatz bei 42 Prozent. Das heißt eigentlich, wir besteu­ern jeden Facharbeiter, als ob er ein Großverdiener wäre. Daher meine Frage: Welche konkreten steuerlichen Maßnahmen sind für diese Facharbeiter vorgesehen, um auch im Bereich Facharbeitermangel steuerlich gegenzusteuern?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 111/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten steuerlichen Reformen zur Entlastung von Leistungsträger_innen sind heuer noch geplant, um den massiven Facharbeitermangel, bei gleichzeitiger Re­kord­arbeitslosigkeit, entgegenzuwirken?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sie haben völlig recht. Aus unserer Sicht gehört im Bereich der Einkommen weiter entlastet. Deswegen wollen wir in dieser Legislaturperiode ja auch die zweite und dritte Stufe der Einkommensteuer reduzieren – wie wir es auch mit der ersten Einkommensteuerstufe gemacht haben –, um Anreize zu setzen, dass sich Arbeitengehen wirklich lohnt und auszahlt. Darüber hinaus, glaube ich, haben es sich die Menschen in diesem Land verdient, dass ihnen mehr zum Leben bleibt.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Wenn jetzt also der zitierte Facharbeiter mit den 31 000 Euro eine Gehaltserhöhung bekommt, dann bleibt ihm davon nicht einmal die Hälfte, weil er zuerst 18 Prozent Sozialversicherungsbeitrag zahlt und dann vom Rest noch 42 Prozent Steuern zahlen muss, also auf eine Gesamtbelastung von mehr als der Hälfte kommt.

Was würden Sie für richtig halten: Ab welcher Einkommensstufe sollte der Staat das Recht haben, zu mehr als der Hälfte in die Taschen der Bürger zu greifen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Ich glaube, wir haben ein etabliertes System, und das ist ein progressiv ausgestaltetes. Deswegen können wir auch sehr genau und treffsicher in den mittleren und unteren Einkommensbereichen dafür sorgen, dass die Menschen weiter entlastet werden. Wir haben das bereits getan. Ich würde einmal sagen, die untersten drei Einkommensteuerstufen sind wirklich welche, an denen zu drehen ist. Das ist die Breite der Bevölkerung, das ist der Mittelstand, das sind jene, die sehr knapp kalkulieren müssen. Ich glaube, da haben wir eine Verant­wortung für die gesamte Bevölkerung, auch dafür zu sorgen, dass diesen Menschen mehr zum Leben bleibt. (Abg. Loacker: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 6. Anfrage stellt Abgeordneter Hanger. – Bitte sehr.

09.30.54


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanz­minister! Kurz und bündig:

108/M

„Wie sehen Sie die Diskussionen zur Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstums­paktes?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Das ist aus meiner Sicht eine sehr heikle Debatte. Wir haben in Europa eine Situation, bei der de facto alle Länder im letzten Jahr sehr, sehr viel Geld für die Bekämpfung der Pandemie in die Hand ge­nommen haben, was aus meiner Sicht auch richtig war. Das hat natürlich dazu geführt, dass sich bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen die Staatsverschuldungen massiv erhöht haben. Das bewegt nun offensichtlich einige, dafür zu plädieren, dass man eigentlich nicht mehr darauf achten sollte, wie viel Schulden man wirklich hat. Nur: Das ist natürlich ein Fehler, denn nur weil alle mehr Schulden haben, heißt das nicht, dass Schulden auf einmal kein Problem mehr sind, es heißt nur, dass das Problem insgesamt größer geworden ist. Und man darf sich nicht darum herumdrücken.

Ich bin eher dafür, dass man beim Stabilitäts- und Wachstumspakt genauer hinsieht, an welchen Schrauben zu drehen ist, damit vielleicht auch die Sanktionen besser wirken können. Ich bin aber nicht dafür, dass man Schuldenregeln generell aussetzt, wie das manche wollen, denn das würde dazu führen, dass die Budgetdisziplin in vielen Ländern zu wünschen übrig lässt. Und was passiert, wenn die nächste Krise kommt? – Jetzt in Zeiten niedriger Zinsen können wir uns noch eine gute Staatsfinanzierung leisten. Das gilt im Übrigen auch für Länder, die sehr hoch verschuldet sind, wie Italien, Spanien, Griechenland oder auch Frankreich. Nur was, wenn das zu Ende ist? Was, wenn die Zinsen steigen – bei hohen Staatsverschuldungen? Dann bekämen diese Länder und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 30

damit die gesamte Eurozone ein großes Problem. Deswegen bin ich weiterhin dafür, dass wir in wirtschaftlich guten Zeiten versuchen müssen, die Schuldenquoten zu redu­zieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Finanzminister, Sie haben es erwähnt: Wir sind ja Gott sei Dank in der Lage, unsere Schulden aufgrund unserer hohen Bonität zu sehr günstigen Konditionen zu finanzieren. Wir gehören damit zu den besten Ländern in Europa. Ist zusätzlich auch geplant, dass wir EU-Anleihen aufnehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Also wenn diese einen Zinsvorteil für Österreich bedeuten würden, dann wäre ich sehr dafür. In den letzten drei Tagen – und wir monitoren täglich die diversen Yield Spreads für die Staatsanleihen im Vergleich zu Deutschland – war es aber so, dass die österreichischen Staatsanleihen besser notieren als die europäischen. Im Zehnjährigen-Vergleich beispielsweise waren die ganze letzte Phase, oder seitdem es europäische Anleihen gibt, Österreich und die Europäische Union sehr, sehr nahe beieinander mit Spreads von ein, zwei Basispunkten. In den letzten Tagen war Österreich sogar besser als die zehnjährigen europäischen Anleihen; das heißt, da gäbe es keinen finanziellen Vorteil für Österreich, auf euro­päische Anleihen umzusteigen. Falls es diesen einmal gäbe, würden wir natürlich auch das erwägen. Alles andere wäre absurd.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Finanzminister! Nachhaltigkeit kann man in zweifacher Weise verstehen, also im Sinne von Verschuldung, aber auch im Sinne des Klimaschutzes. Meine Frage ist nun: Wenn es bereits eine beachtliche Inves­titionslücke in der Eurozone gibt, die wahrscheinlich durch die Klimakrise eher noch größer wird, wie könnte man diese beiden Faktoren im Sinne der Budgetregeln kom­binieren? Es gibt Vorschläge für sozusagen eine grün-goldene Regel, dass man diese beiden Ziele verbinden kann. Wo sehen Sie da Spielraum im Budget?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Also ich glaube, dass der Staat in Übergangsphasen und Transformationsphasen natürlich Anschubfinan­zierun­gen leisten soll. Mittel- und langfristig werden wir eine Transformation der gesamten Wirtschaft in Europa aber nur schaffen, wenn der Kapitalmarkt mit dabei ist. Das ist wohl der Bereich, der in Österreich noch zu wünschen übrig lässt.

Wir brauchen Risikokapitalgeber, auch um die grüne Transformation nachhaltig um­setzen zu können, um die Investitionslücke, von der Sie sprechen, schließen zu können. Der Staat kann nicht die gesamten Investitionsnotwendigkeiten auch im Risikobereich durchführen. Das wäre ein sorgloser Umgang mit Steuergeld. Deswegen: Ja, wir wollen die Anschubfinanzierung von staatlicher Seite machen. Ich glaube, das tun wir auch. Darüber hinaus braucht es aber private Kapitalgeber, um auch den letzten Schritt gehen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Bayr. – Bitte.


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Guten Morgen! Wir wissen alle, dass Kon­zerne weltweit viel zu wenig Steuern zahlen – auch aufgrund der Politik der ÖVP oder anderer Schwesterparteien, denen das Wohl der Reichen besonders am Herzen liegt. Jetzt ist es gelungen, auch aufgrund der Anstrengung von Sozialdemokraten, etwa der SPD, von Finanzminister Olaf Scholz, dass es einen Schritt hin zu einer globalen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 31

Mindeststeuer von 15 Prozent für Konzerngewinne gibt. Wir wissen natürlich alle, dass 15 Prozent viel zu wenig sind. In Österreich etwa zahlen die ArbeitnehmerInnen 80 Pro­zent des Steueraufkommens und der Abgaben. Das ist ungerecht, das ist auch eine vollkommene Fehlverteilung im Steuersystem.

Meine Frage ist: Was werden Sie auf europäischer Ebene unternehmen, damit Konzerne mehr als 15 Prozent Steuern zahlen, damit ArbeitnehmerInnen entlastet werden können und das Steuersystem auch endlich gerecht werden kann? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Österreich setzt sich ja seit Langem, spätestens seit der österreichischen Ratspräsidentschaft, für ein gerechtes Steuersystem im internationalen Vergleich, vor allem auch im digitalen Bereich, ein. Ich bin froh, dass es aufgrund der gemeinsamen Anstrengungen jetzt gelungen ist, auf zunächst G7-Ebene, aber dann auch auf Ebene der erweiterten Arbeitsgruppe, in der Österreich für die Europäische Union federführend mitverhandelt hat, eine Einigung auf eine globale Mindestkörperschaftsteuer zustande zu bringen. Ich bin sehr froh, dass das gelungen ist. Die Kommission wird ja im Herbst die ersten konkreten Umsetzungsdetails vorschlagen; ich bin schon sehr gespannt darauf.

Das ist aber nicht der einzige Aspekt. Der zweite Teil ist mindestens genauso wichtig, nämlich dass ein Teil der Gewinne, über einer Marge von 10 Prozent, auch dort anfällt und besteuert wird, wo sie entstehen. Das ist die sogenannte erste Säule in diesem Zweisäulenmodell. Das halte ich auch für sehr, sehr wesentlich, denn wir leben in einem digitalen Zeitalter.

Das heißt, dass digitale Großkonzerne, unabhängig vom Firmensitz natürlich, wirt­schaf­ten können, und das heißt, dass dort, wo die Gewinne anfallen und gemacht werden, auch entsprechend besteuert werden kann. Das ist ein wichtiger zweiter Schritt, der vor allem auch auf österreichische Initiativen zurückzuführen ist. Darauf bin ich sehr stolz.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.

09.37.26


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanz­minis­ter! Sie sind der erste Finanzminister, der bei der Fragestellung meiner Kollegin Greiner derart zynisch gesagt hat, dass die Steuersenkung eben nur den Reichen und Millio­nären zusteht. Das ist bemerkenswert. (Beifall bei der SPÖ.) Aber nichtsdestotrotz: Die Bewältigung der Pandemie hat Milliarden gekostet. Die wesentliche Frage für die kom­menden Jahre ist nach wie vor: Wer zahlt die Krise? Heute zahlen die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, die Pensionistinnen und Pensionisten über 80 Prozent der Steuern und Abgaben. Die Vermögenden, Milliardäre und Multimillionäre zahlen fast keine Steuern und Abgaben. Das ist ungerecht.

114/M

„Werden Sie in Österreich endlich einen gerechten Beitrag der Multimillionäre und Milliar­däre durch die Einführung einer Millionärssteuer sicherstellen?“

(Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Auch da habe ich wieder das Gefühl: Aufgrund der vielen Maßnahmen, die wir gesetzt haben, gerät einiges in Vergessenheit. Die Antwort, die ich vor einigen Minuten gegeben habe, hat ja vor allem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 32

darauf abgezielt, dass die untersten Lohn- und Einkommensteuerstufen gesenkt wer­den. Wir haben die erste bereits reduziert. Dass es der SPÖ immer um die Frage geht, wie man Steuern erhöhen kann, das ist jetzt auch nichts Neues. Ich bin aber nicht dafür, dass wir in der Bewältigung der Krise den Menschen jetzt zusätzlich etwas wegnehmen. Ich bin der Meinung, dass die Menschen in Österreich schon sehr viel Steuern zahlen. Deswegen bin ich dafür, dass wir die Steuer- und Abgabenquote Schritt für Schritt reduzieren.

Wie finanzieren wir die Notwendigkeiten, die wir in der Krise gehabt haben? – Aus meiner Sicht über eine gute Standort- und Wirtschaftspolitik. Das heißt, wir brauchen Menschen, die hier investieren, die in diesem Land Risiko auf sich nehmen, die Arbeitsplätze schaffen, denn das schafft gute Arbeitsplätze, das schafft gute Einkommen und das schafft auch Steuereinnahmen.

Wir haben es gesehen: Seit der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir einen Höhepunkt der Staatsverschuldung bei rund 84 Prozent im Jahr 2015 gehabt. Wir haben es geschafft, dass wir die Staatsverschuldung Richtung 70 Prozent im Jahr 2019 ge­drückt haben, ohne dass wir auf Ihre Vorschläge eingegangen sind, die Steuern zu erhöhen, sondern indem wir gesagt haben, wir wollen die Steuern senken, gerade für arbeitende Menschen, gerade für Familien. Und das hat sich ausgezahlt, denn das hat die Kaufkraft gestärkt, das hat den Konsum angekurbelt und das hat letztlich dazu geführt, dass auch die Schulden gesunken sind.

Das ist auch der Weg für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Es gibt also keine Maßnahmen, die die Millionäre und Milliardäre betreffen werden, und nach wie vor werden ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen 80 Prozent der Steuern und Abgaben leisten – stimmt das?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Auch da habe ich das Gefühl, dass viele Maßnahmen in Vergessenheit geraten sind. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Wir haben beispielsweise den Spitzensteuersatz für Millionäre – über 55 Pro­zent – in dieser Bundesregierung gemeinsam verlängert, das ist also eine sehr, sehr relevante Maßnahme in diesem Bereich. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass die SPÖ weiter Steuern erhöhen will (Abg. Yılmaz: Für Millionäre!), aber das ist jetzt keine rasend neue Erkenntnis. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur nächsten Anfrage, jener des Abgeordneten Deimek. – Bitte.

09.40.53


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich stelle mit Freude fest, Sie wollen Steuern senken oder daran festhalten. Reden wir aber davon, was in Wirklichkeit im Parlament beschlossen wurde, denn seit 1. Juli ist die Erhöhung der NoVA in Kraft. Sie beträgt in Prozenten je nach Fahrzeug bis zu 500 Pro­zent, und sie bewirkt vor allem eine Verteuerung bei Familienfahrzeugen mit bis zu sieben Sitzen, wie dem Sharan Family, oder auch bei Firmenfahrzeugen, Klein-Lkws, Prit­schenfahrzeugen und Ähnlichem, mit denen die Unternehmen auf die Baustellen fahren, Betriebe servicieren, interne Logistik betreiben.

Die sind also davon betroffen, und deswegen hat ja die Wirtschaftskammer, konkret die Bundessparte Gewerbe und Handwerk, mit ungefähr 1,8 Millionen Euro mehr Steuern gerechnet und spricht – ich zitiere – von einem „Angriff auf [...] Klein- und Mittelbetriebe“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 33

Darum hat auch der steirische Wirtschaftsbund, wie Sie sicher wissen, eine Petition da­gegen aufgelegt.

Meine konkrete Frage lautet: Wann werden Sie, wie von der Wirtschaftskammer gefor­dert, die mit 1.7. in Kraft getretene NoVA-Reform zurücknehmen, oder werden Sie die Kammer im Regen stehen lassen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 106/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann werden Sie – wie von der Wirtschaftskammer gefordert – die mit 1.7.2021 eingeführte exorbitante Erhöhung der Nova zurücknehmen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Zunächst einmal freue ich mich sehr, dass Sie Vorschläge der Wirtschaftskammer ernst nehmen. (Abg. Deimek: Immer!) Ich finde, die machen eine ausgezeichnete Interessenvertretung im Sinne der österreichischen Unternehmen. Faktum ist aber, dass wir auch Maßnahmen gesetzt haben, die Steuerbemessungsgrundlage gerade für diese Unternehmen bei Investitio­nen zu reduzieren, und das heißt natürlich auch: Je höherpreisig das Gut ist, das ich anschaffe, desto mehr kann ich auch meine Steuerbemessungsgrundlage reduzieren.

Wir alle wissen, dass die degressive Abschreibung in den letzten Jahrzehnten eine lang diskutierte Forderung unter anderem auch der Wirtschaftskammer war, weil sie massiv dazu beiträgt, Investitionsanreize zu setzen, und flexibel genug ist, um auch die Steuer­bemessungsgrundlage der Unternehmen so zu reduzieren, wie es eben den Unter­nehmen entspricht. Ich glaube, in der Kombination mit einer Nachhaltigkeits­maß­nahme, die wir in Zukunft auch weiterführen wollen, und einer Steuerreduktions­maß­nahme ist es eine wirkungsvolle Umsetzung für den österreichischen Standort.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Wenn wir uns jetzt die Verwendung der Steuermittel ansehen: Wir haben die NoVA erhöht, die motorbezogene Versiche­rungssteuer wird erhöht, die MÖSt ist in Planung und so weiter. Auf der Verwen­dungsseite hören wir gerade: Frau Bundesministerin Gewessler von den Grünen hat für ungefähr ein halbes Jahr eine sogenannte Evaluierung geplant, das heißt, das Bundes­straßenbauprogramm wird um mindestens ein halbes Jahr verzögert. In diesem halben Jahr werden die Kosten sicher mehr, wir kennen die Baukostenerhöhung der letzten Zeit.

Was werden Sie machen, damit die in der Zwischenzeit mehr oder weniger zweck­ge­widmeten – nicht dem Gesetz nach zweckgewidmeten – Mittel wirkungsvoll einge­setzt werden, damit wir auf der anderen Seite – sozusagen auf der Straßenbauseite – in der Zwischenzeit nicht unheimlich viel Zeit und Geld verlieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Ich glaube, das wäre eine konkrete Frage an meine Kollegin, denn das bezieht sich nicht auf den Vollziehungs­bereich des Finanzministeriums. Ganz generell darf ich auf Ihre Frage aber so antwor­ten: Ja, wir werden natürlich weiter Schritte gehen, um in Österreich die nachhaltige Trans­formation von Gesellschaft und Wirtschaft zu vollziehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 34

CO2 wird ab 2022 einen Preis bekommen. Wir wollen aber gleichzeitig Maßnahmen setzen, die den Standort nach vorne bringen. Dass wir in den verschiedensten Bereichen viele Investitionen vornehmen – unter anderem im Infrastrukturbereich mehr als jemals zuvor –, das ist völlig richtig. Prinzipiell habe ich nichts gegen eine Evaluierung von bestehenden oder angedachten Projekten. Ich glaube auch, dass die Evaluierung zum Ergebnis kommen wird, dass gerade die in Rede stehenden Themen sehr, sehr wichtig für die Infrastruktur für die gesamte Ostregion, aber auch darüber hinaus sind – und deswegen bin ich guten Mutes, dass diese Projekte auch umgesetzt werden können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Herr Finanzminister! Wir bleiben gleich bei der NoVA-Reform: Wie Sie wissen, habe ich dem Budgetdienst des Nationalrates die Frage gestellt, wie er die NoVA-Novelle beurteilt. Das Ergebnis der umfassenden Beantwortung war, dass kurzfristig aus ökologischer Sicht sehr geringe Lenkungseffekte und mittelfristig geringe, also jedenfalls keine bedeutenden Effekte eintreten, es aber zu Mehreinnahmen kommt.

Zentrale Frage: Die Ökologisierung des Steuersystems und auch des Abgabensystems muss ja darauf aufbauen, dass Sie das, was Sie durch die Ökologisierung mehr einnehmen, auf der anderen Seite wiederum den Menschen zurückgeben, damit auch wirklich eine Lenkung und nicht nur eine Erhöhung der Abgabenlast stattfindet. Die NoVA-Novelle war kein gutes Beispiel dafür. Wie können Sie als Finanzminister in Zukunft sicherstellen, dass da die Balance gehalten wird? Welche Maßnahmen planen Sie zur Ökologisierung des Steuer- und Abgabensystems ganz konkret?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Zunächst: Wenn Sie die Maßnahmen der letzten eineinhalb Jahre aufaddieren, sehen Sie, dass wir natürlich ein Vielfaches von dem zurückgegeben haben, was auch an Steuereinnahmen lukriert worden ist. Sie haben völlig recht: Bei der NoVA, bei der Flugticketabgabe und in an­deren Bereichen hat es Erhöhungen gegeben. Das ist auch Teil des Regie­rungs­pro­gramms, zu dem stehen wir auch. Ich glaube, es sind wichtige, kleine Teilschritte auf dem Weg hin zu einer Umsteuerung im Sinne der Nachhaltigkeit in Österreich. Wir haben aber ein Vielfaches davon durch Steuersenkungen im Bereich der Lohn- und Einkom­mensteuer und beispielsweise der degressiven Abschreibung zurückgegeben. Das ist auch genau der Weg, den wir weiter gehen wollen.

Ja, ich habe es heute schon mehrere Male gesagt: CO2 wird ab 2022 einen Preis bekom­men. Der wird sukzessive ansteigen, um auch in marktwirtschaftlicher Hinsicht eine Preisbildung zu ermöglichen, wodurch man sich darauf einstellen kann, dass man Schritt für Schritt auf andere, in Bezug auf CO2-Emissionen weniger intensive Technologien umsteigen soll. Gleichzeitig wollen wir aber in vielen Bereichen einerseits durch Direkt­förderungen, andererseits auch durch steuerliche Anreize Investitionsschritte ermög­lichen. Ich glaube, die Kombination wird sich auch im Sinne des österreichischen Standortes, der uns gemeinsam am Herzen liegt, wirklich sehen lassen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Abgeordneter Weratschnig. – Bitte.


Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Intention der neuen NoVA-Sätze ist ja vor allem, die CO2-Ziele zu erreichen und auch für die Republik drohende Zertifikatskäufe


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 35

zu vermeiden. Andererseits ist der Lenkungseffekt, glaube ich, auch schon bei den Förderanreizen, was E-Autos betrifft, gegeben. Wir sehen das: Im März und im April gibt es bei den Neuzulassungen ein Plus von bis zu 10 Prozent. Immer mehr Menschen pro­fitieren also von der NoVA-Befreiung und der Befreiung von der motorbezogenen Ver­sicherungssteuer bei der Anschaffung von E-Fahrzeugen.

Konkrete Frage: Werden diese Anreize bei den E-Autos ab 2022 weiterhin bestehen bleiben und kann der NoVA-Ausfall durch diese Förderanreize bei den E-Autos für das laufende Jahr beziffert werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Zunächst einmal: Natürlich werden wir Förderschienen, mit denen wir erreichen können, dass Menschen incentiviert werden, auf klimafreundliche Technologien umzusteigen, weiter fortsetzen – in den ver­schiedensten Bereichen. Beispielsweise ist der Ölkesseltausch eine der wesentlichen Maßnahmen, mit der wir CO2-Emissionen reduzieren können, und zwar nachhaltig und langfristig.

Festzustellen, wie man jetzt den Steuerausfall beziffern würde, ist vielleicht ein bisschen schwierig, weil man dann genau gegenüberstellen müsste, welches Auto man gekauft hätte, wenn es die neue NoVA oder die Förderung für Elektrofahrzeuge nicht gegeben hätte, und wie viel die NoVA betragen hätte. Insofern ist das eine etwas schwierige Rech­nung. Ich glaube aber, die Neuzulassungszahlen bei Fahrzeugen, die einen Antriebs­motor mit reduzierten CO2-Emissionen haben, lassen sich sehen. Die steigen nach wie vor, und das heißt, glaube ich, wir sind da am richtigen Weg.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schwarz. – Bitte sehr.

09.49.07


Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanzminister! Ich hätte eine Frage zu Green Finance im weiteren Sinne und speziell zu den Green Bonds, zu den grünen Anleihen. Da könnte man sich ja fragen: Warum sollte man auf der Mittelaufbringungsseite auch noch irgendeine Zweckwidmung durchführen? Man kann das ja auf der Mittelverwendungsseite über das Regierungs­programm und so weiter festlegen.

Ich bin aber der Meinung: Gerade wenn man Schulden macht, sollte man gute Gründe dafür haben. Zukünftige Generationen profitieren davon, wenn man das Geld zum Bei­spiel speziell für Investitionen in den Klimaschutz aufnimmt, und sie sind dann auch nicht beleidigt, wenn sie Schulden zurückzahlen müssen, Zinsen zahlen müssen, wenn es ihnen nützt. Insofern ist das für mich ein wichtiges Thema.

Man sieht jetzt, dass zum Beispiel in Deutschland und in Dänemark diese grünen Anlei­hen bisher relativ erfolgreich sind. Es gibt auch andere Länder, wo sie schon zum Einsatz gebracht werden. Ich wollte fragen – jetzt, da es auch die EU-Verordnung gibt –, wie der Zeitplan für Österreich diesbezüglich ungefähr ausschaut.

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 117/M, hat folgenden Wortlaut:

„Während andere Staaten wie Deutschland und Dänemark bereits Green Bonds aus­geben – mit laut Medienberichten erheblicher Nachfrage – hat sich eine Ausgabe von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 36

Green Bonds in Österreich verzögert. Gibt es inzwischen einen Zeitplan für eine Umsetzung?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Zunächst einmal: Wir arbei­ten im Finanzministerium seit einigen Monaten an der Auflegung und Emission von Green Bonds. Am Dienstag dieser Woche, also vor zwei Tagen, hat die Kommission die kon­krete Richtlinie mit der exakten Taxonomie für eben sogenannte Green Bonds heraus­gebracht, damit es kein Greenwashing gibt, sondern damit das wirklich Finanzierungen von Projekten sind, die im Nachhaltigkeitsbereich anzusiedeln sind.

Im Vorfeld habe ich mir auch einige Gedanken darüber gemacht und mir angesehen, welche Länder bereits Sovereign Green Bonds emittieren und welchen Zinsvorteil sie daraus lukrieren. Und das ist aus meiner Sicht schon eine wesentliche Frage dabei, denn am Ende des Tages, glaube ich, haben wir nichts davon, wenn wir höhere Zinsen zahlen, nur weil das Ganze ein anderes Mascherl hat. Da wäre es besser, wir schauen, dass wir möglichst viel an Zinsvorteilen erhalten und das dann entsprechend gut investieren.

Die Einzigen, bei denen der Zinsvorteil nachvollziehbar ist, sind derzeit die Deutschen, die haben einige Basispunkte Unterschied. Dort gibt es den Vergleich, denn sie emit­tieren die Green Bonds mit denselben Laufzeiten wie die normalen Staatsemissionen. Das machen andere Länder nicht. Es gibt atypische Laufzeiten, angeblich auch um die Vergleichbarkeit geringer zu halten, weil die Zinsvorteile nicht entsprechend sind.

Aber ja, wir wollen das tun – und vor allem, wenn es einen Zinsvorteil für Österreich bringt. Wir haben jetzt mit der entsprechenden Richtlinie der Kommission auch die Mög­lich­keiten, genau zu sortieren, in welchen Bereichen wir nachschärfen müssen.

Generell ist aber zu sagen, dass österreichische Staatsanleihen bereits in vielen grünen Portfolios zu finden sind, weil wir in Österreich die Mittelaufbringung für die Verwendung von sehr, sehr nachhaltigen Investitionen bereits tätigen. Das macht die Evaluierung noch ein Stück schwieriger, weil wir schon so weit sind. Andere Staaten haben es vielleicht leichter, wenn sie Kohlekraftwerke haben et cetera. In Österreich gibt es das alles zum Glück nicht mehr, und deswegen sind wir bereits sehr, sehr nachhaltig in den Ratings für die staatlichen Emissionen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Es ging eh schon ein bisschen in die Richtung, nämlich: Es gibt sie ja nicht nur in Deutschland und Dänemark, wo das eher gut läuft – ich weiß nicht, Dänemark wird wahrscheinlich auch einen Zinsvorteil daraus generieren, andere Staaten weniger. Diesen Unterschied haben Sie schon an­gesprochen, aber haben Sie auch sonst irgendwelche Lehren aus den Unterschieden bei den verschiedenen grünen Anleihen, die es in europäischen Staaten schon gibt, gezogen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Ja, wir evaluieren das regelmäßig. Dänemark hat noch nicht emittiert; mein Wissensstand ist, sie wollen in diesem Jahr noch emittieren. Aus meiner Sicht könnten wir das Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres auch tun, aber da müssen wir uns die Preisbildung genau ansehen. Das ist einiges an administrativem Aufwand. Wir brauchen ein regelmäßiges Reportingsystem, wir brauchen eine externe Evaluierung – das alles tun wir. Und wenn


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 37

die Märkte einen Zinsvorteil hergeben würden, dann werden wir das natürlich machen, denn alles andere wäre absurd. Es wäre absurd, wenn Österreich einen Zinsvorteil ge­rade im Nachhaltigkeitsbereich nicht nutzen würde.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Baumgartner. – Bitte.


Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanz­minister! Sie haben eben die nachhaltigen Ratingagenturen angesprochen. Wie bewerten diese die Republik?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr, sehr gut. Wir haben in vielen weltweiten Rankings, die über 100 Staaten in die Evaluierung aufnehmen, sehr, sehr gute Platzierungen, teilweise unter den Top Ten, und das heißt natürlich, dass wir bereits jetzt in vielen Anlageportfolios, die auf Nachhaltigkeit Wert legen, mit unseren staatlichen Anleihen vorkommen. Das macht es für uns einerseits sehr, sehr leicht, auch unsere Anleihen am Markt zu platzieren. Die letzte Anleihe, die wir emittiert haben, war doppelt überzeichnet. Das heißt, daran sieht man, dass wir auch einen nachhaltig guten Ruf auf den Märkten haben.

Wir haben ja generell einen Zinsvorteil im Vergleich zu vor zehn Jahren. Der gesamte Zinsendienst der Republik beträgt momentan, ich glaube, rund 3,7 Milliarden Euro. Vor etwa zehn Jahren waren es 6 Milliarden Euro, und das, obwohl wir jetzt einen höheren Schuldenstand haben – absolut und relativ zum BIP – als davor.

Das heißt, wir sind da in einem sehr, sehr guten Fahrwasser mit einer sehr nachhaltigen Verschuldungsstrategie, und das macht es einerseits nicht leichter, grüne Anleihen zu emittieren, aber umso spannender, vor allem wenn sich dadurch noch ein Zinsvorteil ergibt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.

09.54.27


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Vielleicht kurz zur Einführung zu meiner folgenden Frage: Es gibt jetzt von der Kommission wieder einen neuen GDP-Level-Vergleich zum Quartal 4 2019, wonach Österreich entgegen den Aussagen der österreichischen Bundesregierung an fünftletzter Stelle liegt. Also das zeigt sehr stark, dass wir im letzten Drittel sind, was die BIP-Entwicklung der letzten zwei Jahre, wenn man sich das im gesamten Bereich anschaut, betrifft.

Das heißt, ich würde darum bitten, dass man hier ein bisschen differenzierter sozusagen mit den großen Zahlen, die die Wirtschaft und das Land und die Republik beschäftigen, umgeht, wenn ich von den Kollegen von der ÖVP als Einziges höre, dass Österreich ja viel toller ist und sich alles so toll entwickelt. Ich würde hier ein bisschen um Diffe­renzierung bei Ihren Aussagen bitten. Ja, es ist ganz wichtig, dass wir uns gut aus dieser Krise herausbewegen, aber ich denke, man muss einfach auch die Zahlen so anschauen, wie sie sind, und die sind ja hier sehr klar.

Deswegen, basierend auch darauf, wie wir eben aus dieser Krise wieder herauskom­men, herausgehen und neu starten wollen, würde mich interessieren – in Ihrer Fraktion ist es schon ein paar Mal angesprochen worden –, ob wir jetzt sehr schnell und sehr rasch in eine Evaluierung der Wirtschaftshilfen gehen sollten, weil wir natürlich wissen müssen, wie effizient diese einzelnen Tools eben waren beziehungsweise was wir daraus gelernt haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 38

Dazu wäre meine Frage: Wann genau soll denn das starten, und wie stellen Sie sich das vor – weil man ja vor allem auch unabhängige ExpertInnen gemeinsam mit dem Finanz­ministerium evaluieren lassen möchte?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 112/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie genau soll die Treffsicherheit und Effizienz von Covid-Wirtschaftshilfen von unab­hängigen Expert_innen, gemeinsam mit dem Finanzministerium, evaluiert werden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Zunächst zu den Wachs­tumsprognosen: Mich würde sehr interessieren, von wann genau diese Prognose ist, denn die ändern sich de facto täglich. Wir haben mittlerweile die Situation, dass wir von der Statistik Österreich wissen, dass der Wachstumseinbruch in Österreich im letzten Jahr mit 6,3 Prozent unter dem Schnitt in der Eurozone war, und das hat lange als etwas gegolten, was nicht stimmt. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Das heißt, täglich ändern sich auch da die Bewertungen.

Ich habe mich ein wenig darüber geärgert – weil Sie gesagt haben: undifferenzierte Be­handlung von Prognosen –, als im vierten Quartal letzten Jahres der Einbruch vom vier­ten Quartal gegenüber dem dritten Quartal letzten Jahres herangezogen worden ist, und das nicht einmal von allen Ländern, ohne dass eine Differenzierung in der volks­wirtschaftlichen Auswirkung durch die Coronakrise vorgenommen worden ist. Wir wissen ganz genau, Österreich ist ein Tourismus- und Freizeitland, 15 Prozent des BIPs werden in diesem Bereich erwirtschaftet. Jeder zweite Wintersporturlaub findet in Österreich statt, das heißt, 50 Prozent aller Wintersporturlaube in Europa finden in der Wintersaison bei uns statt. Wenn die ausfällt und gleichzeitig das dritte Quartal im touristischen Be­reich ein sehr, sehr gutes war, ist natürlich klar, dass der Vergleich massiv hinken muss. Und wenn das jetzt ein ähnlicher ist, dann würde ich sagen, schauen wir uns den genauer an.

Faktum ist, dass die Wirtschaftsforschungsinstitute – alle, nicht nur das Wifo – und auch die Kommission die Prognosen für Österreich in den letzten Tagen massiv erhöht haben. Gestern, glaube ich, hat die Kommission 3,8 Prozent für heuer, 4,5 Prozent für nächstes Jahr bekannt gegeben. Also da würde ich gerne am Ende des Tages im Nachhinein über die Fakten sprechen und nicht über Prognosen, die jetzt schwer zu verifizieren sind.

Darüber hinaus zur Frage der Wirtschaftshilfen und der Evaluierung: Nun, wir tun das natürlich ständig. Wir sind in Kontakt mit den Experten des Wifo, mit anderen Experten und natürlich auch in Diskussion hier im Hohen Haus. Wir haben im letzten Jahr die Wirtschaftshilfen regelmäßig adaptiert, auch nach Anregungen von Ihrer Fraktion und anderen. Das heißt, hier wird eine ständige Beobachtung gemacht, und sie laufen ja zum Teil auch aus.

Wenn ich Ihnen eine Maßnahme nennen darf, die aus unserer Sicht belegt, wie treff­sicher sie mittlerweile ist, dann sind das die Steuerstundungen und die Art und Weise, wie wir auch die Ratenrückzahlungsmodelle aufgesetzt haben. Wir haben ja insgesamt über 5 Milliarden Euro an Steuervolumen gestundet oder herabgesetzt – aufgrund der Coronakrise war das auch notwendig, um Liquidität in den Unternehmen zu halten. Wir haben diese Steuerstundungsmöglichkeiten Mitte, Ende Juni auslaufen lassen, gleichzeitig


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 39

aber eine sehr lange und sehr großzügige Ratenzahlungsvereinbarung möglich ge­macht; plus einer Safetycarphase für die ersten drei Monate.

Wir haben insgesamt über 330 000 Bescheide an natürliche und juristische Personen ausgeschickt, die Steuerstundungen beantragt haben, um zu fragen, wer denn diese Ratenzahlung in Anspruch nehmen möchte. Das Ergebnis war, dass nur rund 10 Prozent von dieser Ratenzahlung Gebrauch gemacht haben. Wir haben auch mit dem Wirt­schaftsforschungsinstitut gesprochen und gefragt, wie viel Prozent der Unternehmen ungefähr aufgrund der Krise derzeit noch Liquiditätsschwierigkeiten haben könnten, und dort kommt man auf einen sehr ähnlichen Wert: rund 10 Prozent.

Das heißt – das ist jetzt eine Korrelation, keine Kausalität, aber ich würde das einmal so sagen –, der Verdacht liegt nahe, dass das eine sehr treffsichere Maßnahme ist, die genau den Unternehmen unter die Arme greift, die es noch brauchen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Zuerst vielleicht noch einmal eine Klarstellung: Ich habe hier nicht von einer Prognose gesprochen, sondern vom Zeitraum der letzten acht Quartale, in dem die Kommission sich das BIP genau angesehen hat. Das heißt, es war keine Prognose, sondern das sind die Fakten, und die belegen, dass wir im letzten Drittel sind, was die BIP-Entwicklung innerhalb der letzten zwei Jahre betrifft. Das heißt, mir wäre einfach nur wichtig – das meine ich auch mit Differenziert­heit –, diese Fakten schlicht und einfach auch Fakten sein zu lassen und sich eben genau nicht auf das zu beziehen, was Sie gerade gesagt haben, nämlich dass sich das täglich ändert, denn das ist ja ganz klar. Faktum ist also, was in den letzten zwei Jahren passiert ist. Das war die Differenziertheit, die ich mir wünschen würde.

Vielleicht eine Nachfrage konkret zu den Evaluierungen: Sie haben die Steuer­stundun­gen angesprochen, diese waren sicher ein gutes Mittel. Was uns aber abgeht oder was wir uns wünschen würden, wäre, dass man jetzt im Nachhinein eben alle Mittel neben­einanderstellt, sie genau evaluiert und dann sagt, was bei einer nächsten Krise wirklich wieder Sinn macht, die ja de facto durchaus kommen kann, auch wenn wir uns alle wün­schen, dass das nicht passieren wird.

Ganz konkret zu den Steuerstundungen – wir haben das ja öfter diskutiert –: Das war uns zu breit, das war uns nicht zielgerichtet genug. Das heißt, unser Blick wäre ja schon darauf gerichtet, dass man sagt, man muss in Zukunft einfach ganz zielgerichtet auch gewissen Branchen helfen können.

Deswegen nochmals meine Fragen: Wird es eine gesamtheitliche Evaluierung geben, die dann natürlich auch mit dem Nationalrat geteilt werden wird? Wer ist da dabei? Vielleicht sogar der Budgetdienst? Und wie können wir das dann auch parlamentarisch sozusagen kontrollieren? – Vielen Dank.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Zunächst noch zur Frage der Ergebnisse, der Wirtschaftsdaten: Es würde mich trotzdem interessieren, ob das alle Länder im Vergleich sind, ob Rücksicht auf die wirtschaftliche Zusammensetzung und auf die Betroffenheit von Corona genommen wird, denn wir wissen beide – Sie können das Sepp Schellhorn jetzt nicht mehr fragen, aber er wird Ihnen das auch sagen kön­nen –, dass Österreich ein sehr touristisch geprägtes Land ist und dass diese Länder natürlich – vor allem in den Bereichen, in denen sehr enger persönlicher Kontakt not­wendig ist, im Dienstleistungsbereich, im touristischen Bereich – durch die Coronakrise härter getroffen sind als andere. Dennoch hat Österreich einen unterdurchschnittlichen Wirtschaftseinbruch im Vergleich zur Eurozone gehabt, und das lässt sich natürlich auch auf die Maßnahmen im Wirtschaftsbereich zurückführen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 40

Zur Frage der Evaluierung: Ja, es gibt die regelmäßigen Berichte, die wir ständig – auch nach Anregungen aus dem Hohen Haus – verfeinern. Ich glaube, im Nachhinein wird man feststellen, dass wir in einigen Bereichen sehr, sehr rasch die richtigen Maßnahmen gesetzt haben, aber natürlich nehme ich gar nicht in Anspruch, dass man am Beginn einer noch nie da gewesenen Krise alles richtig machen kann. Auch seitens der Euro­päischen Kommission sind viele Möglichkeiten erst im Nachhinein entstanden. Ich kann mich daran erinnern: Die zu 100 Prozent garantierten Kredite, die die Schweiz sofort aufgelegt hat, waren aus wettbewerbsrechtlicher Sicht innerhalb der Eurozone gar nicht möglich. Darüber hinaus war der Verlustersatz, der, glaube ich, eine sehr langfristige und vielleicht auch für die nächste Krise wirksame Maßnahme sein kann, ein Rechen­modell, das erst im November letzten Jahres von der Kommission präsentiert worden ist.

Also ja, ich glaube, wir haben alle viel daraus gelernt. Das wird natürlich dazu beitragen, dass die nächste Krise – hoffentlich kommt sie nicht so bald! – sicherlich adäquater und schneller bewältigt werden kann als die letzte.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kaufmann. – Bitte sehr.


Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Die Wirtschaftshilfen sind und waren richtig und wichtig für die Unternehmerinnen und Unter­nehmer. Meine Nachfrage: Wie kann sichergestellt werden, dass sogenannte Zombie­unternehmen nicht unterstützt werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Das ist eine breite und wichtige Diskussion, dass Produktionsmittel natürlich am besten dort einzusetzen sind, wo sie auch die höchste Produktivität bewirken. Wir haben eine Debatte über die Frage geführt, warum die Produktivität in vielen Industrieländern in den letzten Jahren zu wün­schen übrig gelassen hat. Ein mögliches Erklärungsmodell sind die sehr, sehr niedrigen Zinsen, und dadurch rechnen sich natürlich auch Geschäftsmodelle, die sehr geringe Margen haben.

Natürlich stellt sich auch im Bereich der Wirtschaftshilfen in einer Krise die Frage, wie man diese aufsetzt, damit sie dort ankommen, wo sie auch wirklich gebraucht werden. Wir haben möglichst alles dafür getan, um das sicherzustellen. Wir haben in den Richt­linien für alle Hilfen darauf Wert gelegt, dass sie nur den Unternehmen gewährt werden, die vor dem 31.12.2019 ein funktionierendes Geschäftsmodell gehabt haben und eben nicht in den Insolvenzbereich gefallen sind. Das ist, glaube ich, auch nach Sicht der Europäischen Union und Kommission eine adäquate Einschränkung gewesen.

Kann man in jeder Hinsicht ausschließen, dass man das eine oder andere Unterneh­men – unter Anführungszeichen – „zu viel“ gerettet hat? – Nein, kann man natürlich nicht. Ich glaube aber, das war eine Abwägung, über die eine gute und wichtige Ent­scheidung getroffen worden ist, denn – ich habe das schon im letzten Jahr gesagt – mir ist es lieber, wir retten das eine oder andere Unternehmen, das vielleicht nicht mehr wirtschaftlich überlebensfähig ist, zu viel, als ein Unternehmen, das eigentlich ein gut funktionierendes Wirtschaftsmodell hat, zu wenig.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Haubner. – Bitte sehr.

10.04.32


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Ja, die Unternehmen haben eine schwere Zeit hinter sich, aber die Unterstützungsleistungen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 41

die hier erbracht wurden, wurden von den Unternehmen geschätzt. Vor allem die Kurz­arbeit war ja auch eine wichtige Maßnahme, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer in Beschäftigung zu halten. Das ganze Paket, denke ich, war ein guter Mix, um die Unternehmen, ob groß oder klein, durch diese Krise zu begleiten.

Jetzt ist es so, dass einige Hilfen auslaufen, so sind zum Beispiel die Steuerstundungen mit 30. Juni ausgelaufen. Was tun Sie jetzt, Herr Bundesminister, um die Unternehmen weiter zu unterstützen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 109/M, hat folgenden Wortlaut:

„Die Steuerstundungen sind mit 30. Juni ausgelaufen – was tun Sie, um die Unter­nehmen weiter zu unterstützen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Vielen Dank für die Frage. Zunächst möchte ich mich bei den österreichischen Unternehmerinnen und Unterneh­mern für das Durchhalten in dieser sehr, sehr schwierigen Zeit bedanken. Ich glaube, sie haben es sich verdient, dass der Staat hilft, wenn es schwierig wird. Das ist auch mein Verständnis davon, was der Staat tun soll, und ich hoffe, wir haben das auch in adäquater Weise gemacht.

Die Steuerstundungen waren eine der ersten und auch sehr breit akzeptierten Hilfs­maßnahmen, um Liquidität im Unternehmen zu behalten. Insgesamt lag das Stundungs­volumen bei weit über 5 Milliarden Euro; da geht es um Vorauszahlungsherabsetzungen genauso wie um generelle Stundungen.

Wir haben auch das Ratenzahlungsmodell so gestaltet, dass es jetzt nach Covid vor allem für jene Unternehmen, die über 50 Prozent der Rückstände durch Covid aufgebaut haben, ein sehr, sehr großzügiges, langfristiges ist. Im Normalfall ist ja die Rückzah­lungsmöglichkeit nur ein Jahr bei einem 4-Prozent-Aufschlag auf den Basiszinssatz. Wir haben die Möglichkeit der Rückzahlung bei lediglich 2 Prozent Aufschlag auf den Basis­zinssatz auf insgesamt drei Jahre verlängert.

Wir haben jetzt auch die ersten Zahlen dazu, wie viele Unternehmen das beansprucht haben: 335 000 Bescheide sind ausgesandt worden und 31 000 Unternehmen haben das in Anspruch genommen, das heißt, eine relativ geringe Zahl, würde ich einmal sagen, was sehr, sehr erfreulich ist. Wir sehen aber, dass das Volumen, das diese Unter­nehmen gestundet haben, doch relativ hoch ist, nämlich über 800 Millionen Euro. Das heißt natürlich, dass in manchen Branchen auch die Flaggschiffe noch ein großes Prob­lem haben – im Städtetourismus beispielsweise, im Kongresstourismus –, und deswe­gen, glaube ich, ist es wichtig und gut, dass wir diese flexible Variante gewählt haben und darüber hinaus die Maßnahmen in anderen Bereichen, wie Härtefallfonds oder Ausfallsbonus, noch einmal verlängert haben. (Abg. Haubner: Danke vielmals!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Meine Zusatzfrage hat der Herr Bundesminister schon beantwortet. Ich wollte wissen, wie viele Unternehmer die Ratenzahlungen in Anspruch genommen haben. – Danke, Herr Bundesminister.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Dann stellt Abgeordneter Schrangl eine Zusatz­frage. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Finanzminister! Die Wohnkosten steigen immer mehr, Experten warnen uns davor. Bei der Frage des Kollegen Shetty haben Sie auch bejaht, dass vor allem Junge und junge Familien darunter leiden. Auch ÖVP-Bundeskanzler Kurz hat das erkannt und im Wahlkampf 2019 meine Forderung – eine gemeinsame Forderung aus dem türkis-blauen Regierungsprogramm – übernommen: Die Steuer auf das erste Eigen­heim sollte bis zu 20 000 Euro erlassen werden.

Neben dem gemeinnützigen Wohnbau, der auch unter Türkis-Blau nachhaltig abge­sichert wurde, sind Eigentumswohnungen die beste Möglichkeit, um die steigenden Wohnkosten abzufedern. Der Bundeskanzler hat jetzt erneut Steuerentlastungen angekündigt, deswegen wollte ich Sie Folgendes fragen: Können junge Menschen, können junge Familien hinsichtlich der Steuerentlastung bei Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr auf Sie zählen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Vielen Dank für die Frage. Ich gebe Ihnen völlig recht, dass in der damaligen Bundesregierung viele Maßnahmen gesetzt worden sind, die nachhaltig gerade junge Familien auch in die Lage versetzen, mehr vom verdienten Einkommen zu haben, beispielsweise mit dem Familienbonus, einer der größten steuerpolitischen Entlastungsmaßnahmen für Familien, die es jemals gegeben hat, und das hält auch weiter an.

Darüber hinaus haben Sie völlig recht: Wir bleiben dabei, dass wir die Einkommensteuer senken wollen. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass den Menschen mehr zum Leben bleibt, und wir nehmen auch diese Forderungen gerne wieder mit.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Lercher. – Bitte sehr.

10.08.46


Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben heute schon von zahlreichen beschlossenen Maßnahmen gesprochen; wir haben ja auch bei vielen mitgestimmt. Wir haben in der Pandemie wirklich Milliarden an Konzerne ausbe­zahlt: Förderungen für Kurzarbeit, direkte Hilfen, Verlustersatz, Haftungen und so weiter.

Heute erfahren wir, dass Konzerne, die mit Steuergeld gefördert wurden, an Eigentümer und Manager Boni und Dividenden in Millionenhöhe auszahlen. Das ist nicht gerecht, Herr Minister, und das wollen wir in dieser Art auch nicht haben: dass die Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler, die ja dieses Geld für die Rettung der Betriebe – eigentlich zur Rettung und Überbrückung ihrer Geschäftsleistung – einbringen, dann miterleben müssen, dass Konzerne, Betriebe dieses Geld nehmen und Boni in dieser Höhe an Eigentümer und Manager ausbezahlen. Deswegen lautet meine ganz konkrete Frage:

115/M

„Was werden Sie tun, um die Auszahlung von Dividenden und Boni von Konzernen für das Geschäftsjahr 2020 zu beschränken?“

(Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 43

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Also zunächst einmal: Die Frage ist so allgemein gestellt, dass ich sagen muss, ich will die Profitmöglichkeiten von Unternehmen natürlich überhaupt nicht beschränken, außer – und das haben wir getan – wenn sie staatliche Hilfen in Anspruch genommen haben. Wir haben hier auch diskutiert und beschlossen, dass es eine starke Einschränkung für diesen Bereich gibt, wenn Unternehmen Staatshilfen in Anspruch nehmen. Das gilt nach wie vor, und ich glaube, das ist auch ein richtiger Weg in dem Sinne, wie Sie das gemeint haben.

Wenn Sie die Frage aber dahin gehend formulieren, was ich generell dafür tun möchte, dass Unternehmen insgesamt keine Dividenden auszahlen, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist nicht mein Verständnis von Wirtschaften. Natürlich sind Unternehmen dazu da, um auch Gewinne und Profite zu generieren und diese auch ausschütten zu können. Deswegen arbeiten sie auch sehr hart, sehr innovativ, schaffen Arbeitsplätze, schaffen Steuereinnahmen, schaffen Wohlstand im Land – und das wollen wir natürlich nicht einschränken.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Ich habe das nicht allgemein formuliert, Herr Minister, und ich glaube, Sie wissen das. Es geht uns nicht weit genug. Es ist bis dato immer noch möglich, dass Betriebe, die Staatshilfen bekommen, auch entsprechend Boni und Dividenden auszahlen dürfen. Das wollen wir nicht, und das wollte ich auf den Punkt bekommen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie diesbezüglich nichts Weiteres tun werden.

Ich habe noch eine Frage, weil es mich persönlich interessiert: Sie haben gesagt, Sie wollen in der Krisenbekämpfung niemandem etwas wegnehmen. Das stimmt ja nicht: Sie haben bereits die Hacklerregelung abgeschafft und haben bei der Krisenfinanzierung de facto bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land begonnen. Finden Sie das fair? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Wir haben in der Bundes­regierung bewiesen, dass wir gerade in der Krise den Menschen ausreichend helfen. Wir haben im Bereich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit über 8 Milliarden Euro, was die Kurzarbeit betrifft, den größten Bereich der Ausgaben getätigt. Deswegen glaube ich, dass Ihre Frage ein wenig ins Leere läuft.

Insgesamt: Ja, wir brauchen auch eine nachhaltige Finanzierung unseres Wohlfahrts­staates, und daran werden wir an allen Ecken und Enden arbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Reiter. – Bitte.


Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben jetzt be­treffend Auszahlung von Dividenden und Boni schon einiges ausgeführt. Meine Frage wäre: Wie konkret wird die Einhaltung der Beschränkungen, die Sie erwähnt haben, gewährleistet?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Ganz generell gibt es bei den Wirtschaftshilfen, bei denen wir, wenn diese in Anspruch genommen werden, auch Beschränkungen bei Boniauszahlungen und Dividendenausschüttungen verankert haben, sehr harte Kontrollen. Das läuft über die Finanzverwaltung. Das kann weiter beantragt werden über die auszahlende Stelle, nämlich die Cofag, und geschieht natürlich im Wege


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 44

der entsprechenden Betriebsprüfungen, die stichprobenartig gemacht werden – oder, wenn es eben konkrete Verdachtsmomente gibt, wird die Einhaltung sehr hart und sehr konsequent überprüft.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

10.12.54


Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Finanzminister! Die Bundesregierung hat während der Coronapandemie eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt – Kurzarbeit als Vorzeigemodell oder den Härtefallfonds, um nur einige zu nennen –, eine ganze Palette.

Daher die konkrete Frage:

110/M

„Wo stehen wir aktuell bei den Wirtschaftshilfen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Wir haben rund 37 Milliar­den Euro entweder rechtsverbindlich zugesagt oder bereits ausbezahlt. Der größte Brocken ist mit Sicherheit die Kurzarbeit, wo bis zu 11 Milliarden Euro rechtsverbindlich fixiert wurden beziehungsweise über 8 Milliarden Euro ausbezahlt worden sind. Die Steuerstundungen sind bereits erwähnt worden: derzeit über 5,6 Milliarden Euro, die sukzessive abgebaut werden.

Insgesamt wissen wir, dass wir im internationalen Vergleich relativ zu unserer Wirt­schaftsleistung innerhalb der Europäischen Union sehr, sehr weit vorne sind, was die Hilfen betrifft – Platz zwei in der Rechnung der Kommission, soweit ich das in Erinnerung habe –, und darüber hinaus auch weltweit den Vergleich nicht scheuen müssen. Ich glaube aber, dass es nicht allein um das Volumen geht, sondern auch um die Frage der Treffsicherheit, und auch da, glaube ich, sind wir ganz weit vorne mit dabei.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Minister! Die Opposition und vor allem die SPÖ kritisiert die Hilfen, ohne selbst konkrete Vorschläge zu haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Menschen in anderen Ländern beneiden uns um diese Hilfen. Daher noch einmal die konkrete Frage: Wie stehen wir jetzt wirklich im internationalen Vergleich mit unseren Hilfen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Wir sind auf Platz zwei, was das Volumen im Vergleich zur Wirtschaftsleistung betrifft. Und wenn ich mir die Wachs­tumsprognosen des Wifo ansehe – 4 Prozent für heuer, 5 Prozent für nächstes Jahr –, dann überflügelt das viele vergleichbare Länder, und das ist, glaube ich, auch ein Signal dafür, wie gut die Wirtschaftshilfen gewirkt haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären und mich beim Herrn Finanzminister herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 45

10.14.54Einlauf und Zuweisung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegen­stände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 7209/J bis 7292/J

2. Anfragebeantwortung: 6511/AB

B. Zuweisung in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz und das Digitalsteuergesetz 2020 geändert werden (1026 d.B.)

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um die Punkte 6 und 33 der Tagesordnung in Ver­handlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfor­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzusehen.

Bei den Punkten 6 und 33 handelt es sich um den Bericht des Geschäftsord­nungs­aus­schusses über den Antrag 1086/A der Abgeordneten Krisper, Einwallner, Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfassungsgesetz zur Stärkung der parlamen­tarischen Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismus­bekämp­fung in 1025 der Beilagen und den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Kor­rup­tion um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker in 1028 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Aus­schussberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das scheint einstimmig zu sein. Damit ist auch die erforderliche Zweidrittelmehrheit gege­ben.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schrift­liche Anfrage 7292/J der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Inneres betreffend „Völliges Versagen der ÖVP in der Asylpolitik“ dring­lich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 46

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 bis 4, 5 und 6, 7 bis 9, 14 und 15, 17 und 18, 19 bis 21, 22 bis 25, 26 und 27, 29 und 30 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. (Abg. Kickl hebt die Hand.)

Zur Geschäftsbehandlung? – Bitte, Herr Abgeordneter Klubobmann Kickl, zur Ge­schäftsbehandlung.

*****


10.17.09

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident, für das Wort. Ich hoffe, Sie drehen mir nicht heute wieder das Mikrofon ab, so wie gestern.

Ich habe letzte Woche am Freitag via Austria Presseagentur einen Appell an Sie als Nationalratspräsidenten gerichtet, einen Appell dahin gehend, die Plenartage, den gestrigen oder den heutigen, dafür zu benutzen, auch eine Gedenkminute für die brutal ermordete Leonie im Nationalrat abzuhalten. Ich glaube, dass das ein symbolischer Akt ist, den wir dem ermordeten Mädchen schuldig sind, den wir den Hinterbliebenen schul­dig sind, und dass es auch ein Zeichen der Entschlossenheit dieses Hauses wäre, alles zu unternehmen, damit so etwas nicht mehr vorkommen kann.

Der Appell ist offensichtlich von Ihnen nicht angenommen worden. Wir haben weder gestern eine Schweigeminute gehabt, noch hat es heute eine solche gegeben. Damit entsteht ein seltsamer Eindruck. Man hat den Eindruck, als solle der Mantel des Schwei­gens über dieses grausame Verbrechen gelegt werden. Und es entsteht noch ein selt­samer Eindruck, wenn man sich ansieht, wofür wir in diesem Haus schon Gedenk­minu­ten abgehalten haben. Ich darf nur ein paar Beispiele bringen: Wir haben Gedenk­minuten für einen Flugzeugabsturz, für ein Flugzeugunglück in Frankreich gehabt. Wir haben Gedenkminuten für die Todesopfer im Mittelmeer angesichts der Massenmig­ra­tion aus Nordafrika gehabt. Wir haben Gedenkminuten im Nationalrat für die ge­schlepp­ten Toten im burgenländischen Schlepper-Lkw gehabt. Wir haben Gedenkminuten im Nationalrat für die Opfer eines Massakers in einem Homosexuellenklub in Orlando, USA, gehabt. – Das sind nur einige Beispiele.

Was aus unserer Sicht fehlt, ist eine Gedenkminute für die zahlreichen Opfer von Gewaltverbrechen, begangen durch Asylwerber, durch Asylberechtigte und andere Schutz­berechtigte in diesem Land, Gewaltverbrechen von der Vergewaltigung bis hin zum grausamen Mord. Das ist etwas, was fehlt.

Herr Präsident, ich möchte Ihnen einfach die Anregung geben und Sie darum ersuchen, die Sitzung jetzt kurz zu unterbrechen und vielleicht eine Stehpräsidiale einzuberufen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Freiheitliche Partei die einzige Partei in diesem Haus ist, der eine solche Gedenkminute ein Anliegen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

10.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäfts­ordnung? – Nein. Dann darf ich vielleicht anmerken, dass es für uns natürlich selbst­verständlich ist, jedes tragisch zu Tode gekommenen Opfers zu gedenken. Sie haben es selbst aufgezählt: Dort, wo es eine Katastrophe gab, eine Masse betroffen ist, hat sich der Nationalrat auch immer wieder bereit erklärt, diese Gedenkminute in gesamt­heitlicher Art abzuhalten. Sie zu instrumentalisieren halte ich für falsch. Wir haben viele


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 47

tragische Fälle, und ich denke, dass es für uns ganz wesentlich ist, auch hier mit der nötigen Bedachtsamkeit vorzugehen und nicht eine politische Instrumentalisierung des einzelnen sehr, sehr tragischen Vorfalls letzten Endes vorzunehmen. Aus diesem Grund haben wir uns nach reiflicher Überlegung entschlossen, diese Gedenkminute nicht abzuhalten.

10.20.35Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart (Abg. Kickl hebt die Hand), sodass sich die folgenden Redezeiten ergeben (Abg. Kassegger – in Richtung Abg. Kickl weisend –: Zur Geschäftsordnung!) – Sie können dann etwas sagen –: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95 sowie NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 38 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Kickl zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


10.21.31

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident, ich kann Ihre Argumentation nicht nachvollziehen, denn sie läuft darauf hinaus, dass die Abhaltung einer Gedenkminute davon abhängig ist, dass es eine Mehrzahl an Opfern gibt. Eine Mehrzahl an Opfern in dem von mir genannten Zusammenhang gibt es selbst­verständlich, ich erspare Ihnen aber jetzt eine Aufzählung aller Österreicherinnen, der jungen Mädchen und der Frauen, die in den letzten Jahren in diesem Land Opfer von Gewaltverbrechen durch Asylwerber und Asylberechtigte geworden sind. Wir alle wis­sen, dass die Gedenkminute in diesem Fall auch stellvertretend für alle diese Opfer hätte stattfinden sollen.

Von einer politischen Instrumentalisierung kann hier überhaupt keine Rede sein, diesen Vorwurf weise ich zurück. Eine politische Instrumentalisierung dieses Themas liegt nach meiner Sichtweise dann vor, wenn man versucht, ein unangenehmes Thema, das aber der Bevölkerung unter den Nägeln brennt, im Parlament – das heißt in der Volks­vertretung – zu tabuisieren. Das ist das, was hier stattfindet, und ehrlich gesagt be­schämt mich auch das Schweigen der anderen Fraktionen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich glaube, unser Parlament legt auf Transparenz und Offenheit sehr viel Wert, und in unserem Parlament wird – das darf ich für die Öffentlichkeit sagen – nichts tabuisiert. Jedes Thema ist hier zu diskutieren, und ich denke, das ist auch gut so, und wir werden diesen Weg in dieser Form auch fortsetzen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 48

10.23.081. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (891 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2021) erlassen und das Bundesschatz­scheingesetz geändert wird (952 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (948 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1744/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fristverlängerung für die Bean­tragung der Mittel aus dem Kommunalen Investitionsprogramm (954 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 1778/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz genehmigt wird, erlassen wird und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Ver­fügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird (955 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 4 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lercher. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


10.24.32

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tagesordnungspunkt 1 gibt uns heute die Möglichkeit, über ein wichtiges Fundament, über unsere Städte und Gemeinden, zu sprechen, und ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig, denn die haben sich viel, viel mehr Wertschätzung von uns und viel mehr Raum in diesem Haus verdient, weil ja bei den Städten und Gemeinden letztlich eines passiert ist – ich kann es Ihnen nicht ersparen, obwohl wir das schon mehrmals thematisiert haben –: Ihre Hilfspakete greifen dort nicht!

Politik heißt ganz oft, viel Zeit und Geld in die Hand zu nehmen, um einfache Dinge kompliziert zu machen. (Abg. Kühberger: ... Steiermark!) Die Regierungsparteien tun das mit ihren Gemeindepaketen unglaublich eindrucksvoll. Ich sage es Ihnen ganz offen: Wir machen es heute ganz, ganz einfach: Ich bringe hier, an dieser Stelle, einen Antrag ein, der es den Gemeinden ermöglichen soll, dass sie Geld bekommen (Beifall bei der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 49

SPÖ), das heißt, dass das Darlehen, das sie sich ab 2023 selbst bezahlen müssen, ein Zuschuss wird. Das haben sich die Städte und Kommunen redlich verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben in Wahrheit für Sie die Krisenpolitik vor Ort gemacht, sie haben die Impfungen organisiert, wenn die Regierung nicht geliefert hat, sie sind eingesprungen und haben Sie vor den Bürgerinnen und Bürgern verteidigt, und ich glaube, sie haben es sich bei all den Milliarden, die wir hier ausschütten, jetzt auch verdient, dass wir das Darlehen, das Sie ihnen gewähren, in einen Zuschuss verwandeln, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Da muss man schon ein bisschen darauf eingehen, weil wir da eine Systematik erken­nen: Die Österreichische Volkspartei findet immer komplizierte Gründe, dass etwas nicht geht, außer bei den eigenen Spenderinnen und Spendern: Dort geht alles relativ einfach. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Ich sage es Ihnen ganz offen: Auch Verteilungs­gerechtig­keit erkennt man an dieser Debatte, denn wir haben ganz, ganz viel Geld für Konzerne, die hier keine Steuern zahlen, aber wir haben keine wirklichen Zuschüsse für unsere Städte und Gemeinden, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist nicht gerecht. Das ist nicht gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man das weiterspinnt, dann sieht man das ja auch! In Österreich haben die Manager letztes Jahr 4 Prozent mehr verdient, die normalen Beschäftigten aber 2 Pro­zent verloren. Die Besitzer großer Unternehmen zahlen sich die Boni, haben wir heute schon gehört, aber die Gemeinden bekommen kein Geld von Ihnen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Der Bundeskanzler sagt ja immer: „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“; mit dieser Politik sind aber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land die Dummen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Und es ist kein Witz, sondern leider die bittere Realität, dass Sie nicht bereit sind, einen Wandel im Alltag dieser Leistungsträgerinnen und Leistungsträger einzuleiten. (Zwischen­ruf des Abg. Eßl.) Der Druck da draußen bei den Familien, bei den Gemeinden, bei den Kommunen, die alles für uns hier richten, die alles verteidigen und umsetzen müssen, wird Tag für Tag größer. Die Leute spüren das, sie haben Sorgen, sie haben Angst, und wir sind verpflichtet, jenen, die diesen Staat, diesen Sozialstaat erhalten und groß gemacht haben, jetzt das Geld zu geben, das ihnen zusteht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, vor allem bei den Gemeinden sieht man, dass es Ihnen das einfach nicht wert ist. (Abg. Baumgartner: ... auch keine Ahnung davon!) Wir haben unzählige Debat­ten geführt, ganz, ganz viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sitzen unter Ihnen, und ich sage Ihnen ganz offen: Ihre Kolleginnen und Kollegen da draußen haben es sich verdient, dass wir ihnen heute Geld geben, das sie nicht zurückzahlen müssen (Beifall bei der SPÖ), denn das KDZ – weil Sie sich immer gerne auf Statistiken ausreden – hat eindringlich davor gewarnt, dass das, wenn Sie das, was Sie heute vorgelegt haben, durchziehen – nämlich ein Darlehen zu geben, das die Gemeinden ab 2023 zurückzahlen –, unsere Städte und Kommunen ab 2023 in massive Finanznöte bringt.

Das dürfen wir nicht zulassen für die Entwicklung dieses Landes, das dürfen wir nicht zulassen für die Überwindung dieser Krise, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das dürfen wir auch nicht zulassen für die gesamte Kommunalpolitik, für die ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter, die das Rückgrat der Demokratie in diesem Land sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringe ich an dieser Stelle folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 50

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Unterstützung für Gemeinden in der Krise“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit welcher das an die Gemeinden gewährte und ab 2023 rückzuzahlende Darlehen von 1 Mrd. € (BGBl. I Nr. 29/2021) in einen nicht rückzuzahlenden Zweckzuschuss umgewandelt wird, der den Gemeinden jedenfalls verbleibt, um die kommunalen Leistungen für die Bevölkerung ab dem Jahr 2023 erhalten zu können.“

*****

Sehr verehrte Damen und Herren, wenn Ihnen die Gemeinden etwas wert sind, nehmen Sie den Antrag an! (Beifall bei der SPÖ.) Bezeichnen wir die normalen Leute nicht als Tiere, sondern arbeiten wir wie die Tiere für sie, dann geht etwas weiter! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: ... wieder ein paar Tausender!)

10.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Lercher,

Genossinnen und Genossen

betreffend finanzielle Unterstützung für Gemeinden in der Krise

eingebracht im Zuge der Debatte zu Bericht des Finanzausschusses über die Regie­rungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastro­phenfondsgesetz 1996, das Kommunal­investitionsgesetz 2020 und das Transparenz­datenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.) (Top 2)

Die aktuell größte Gesundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkungen auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, weder sind derzeit die gesundheitlichen noch die wirtschaftlichen Folgen abschätzbar. Bereits im Frühjahr des vorigen Jahres hat die SPÖ auf die prekäre Situation der Gemeindefinanzen hingewiesen und mehrfach Anträge eingebracht, die eine Problemlösung aufzeigen. Das von der schwarzgrünen Regierung beschlossene Kommunalinvestitionspaket hilft nur jenen Gemeinden, die über eine entsprechende Finanzkraft verfügen um den 50%igen-Eigenanteil der Inves­titionen finanzieren zu können. Die Einnahmenausfälle bei den Ertragsanteilen durch das einbrechende Steueraufkommen, der Kommunalsteuer und den lokalen Touris­musabgaben haben vielerorts ein Niveau erreicht, dass die Finanzierung selbst der laufenden Gemeindeausgaben nicht mehr zur Gänze sicherstellt – an regionale Kon­junkturmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise ist gar nicht zu denken. Nicht nur der gut ausgebaute Sozialstaat, sondern auch die Leistungen der Gemeinden und deren Ange­bote für die Bürgerinnen und Bürger haben in der Krise eine wesentliche stabilisierende Funktion. Gemeinden und Städte brauchen eine 100%ige Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Coronakrise. Kommunen sind für Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuer­wehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasser- und Wasserversorgung und vieles mehr zuständig.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 51

Da das kommunale Investitionsprogramm der Bundesregierung (KIG 2020) insbe­son­dere von den finanzschwachen Gemeinden nicht angenommen werden konnte, weil sie den 50%-igen Kofinanzierungsanteil nicht aufbringen konnten, wurde von der ÖVP/Grüne-Bundesregierung Anfang des Jahres 2021 die gesetzliche Grundlage beschlossen, den Gemeinden „Sonder-Vorschüsse“ iHv 1 Mrd. € auf die Ertragsanteile als Darlehen zu gewähren, die ab 2023 wieder an den Bund zurück zu zahlen sind. Das heißt den Gemeinden werden nach der Krise die ihnen zustehenden Ertragsanteile gekürzt. An­gesichts steigender Ausgaben stellt das die Gemeinden vor ein kaum lösbares Finan­zierungsdilemma, denn sie mussten in der Krise investieren um die gemeinde­funk­tionalen Leistungen aufrecht erhalten zu können, und zahlen den Preis dafür ab 2023, da ihnen die Einnahmen dafür fehlen werden.

Das KDZ hat im Juni 2021 auf die kritische Situation der Gemeinden durch diese Vorgangsweise der Bundesregierung hingewiesen, und vorgeschlagen, dass die Rückzahlung des Darlehens zumindest ausgesetzt werden muss um den Gemeinden wieder etwas finanziellen Spielraum zu geben.

In der Grafik des KDZ wird dargestellt, dass die Gemeinden vor der Krise finanzielle Spielräume hatten, die sie für Investitionen nutzen konnten, welche sich durch das Darlehensmodell der Bundesregierung auf 6,4% mehr als halbieren würden. Würde die Darlehensrückzahlung ausgesetzt, könnten die Spielräume auf zumindest 9,6% ange­hoben werden – was aber immer noch unter dem Wert des Jahres 2019 liegt.

Grafik: KDZ, „Kritische mittelfristige Perspektive der Gemeindefinanzen“, https://www.kdz.eu/de/aktuelles/blog/mittelfristige-prognose-der-gemeindefinanzen-bis-2024

Es geht um 1 Milliarde Euro, sehr viel Geld, das vor allem den finanzschwachen Ge­meinden helfen würde ihre mittelfristige Finanzsituation bewältigen zu können. Die ÖVP/Grüne-Bundesregierung hat den wohldurchdachten Vorschlag der SPÖ aus dem Jahr 2020 (574/A), der den Gemeinden schon im Jahr 2020 2,2 Mrd. € Finanz­unterstützung gewährt hätte, nach einem Jahr de facto Nichtbehandlung im Ausschuss (Vertagung) schlussendlich am 19.5.2021 abgelehnt. Mit diesem Geld würden sich die Gemeinden heute nicht in dieser kritischen mittelfristigen finanziellen Situation befinden. Bleibt das Darlehensmodell der Bundesregierung aufrecht, werden den Gemeinden in den kommenden Jahren Ausgabeneinsparungen aufgezwungen, die das Leistungs­an­gebot für die Bevölkerung nachhaltig verschlechtern werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 52

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit welcher das an die Gemeinden gewährte und ab 2023 rückzuzahlende Darlehen von 1 Mrd. € (BGBl. I Nr. 29/2021) in einen nicht rückzuzahlenden Zweckzuschuss umgewandelt wird, der den Gemeinden jedenfalls verbleibt, um die kommunalen Leistungen für die Bevölkerung ab dem Jahr 2023 erhalten zu können.”

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


10.30.28

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! In der Regel geht es den Menschen dort gut, wo es auch der Wirtschaft gut geht (Abg. Köchl: Das haben wir in der Krise gesehen! – weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ), aber, meine Damen und Herren – ich bin ja noch nicht fertig mit dem Satz, ich habe schon erwartet, dass das kommt –, besonders vielen Menschen kann es dann gut gehen, wenn die Wirtschaft in ein Konzept der sozialen Markt­wirt­schaft – nein, ich sage sogar der ökosozialen Marktwirtschaft – eingebettet ist. (Zwi­schenruf des Abg. Jakob Schwarz.) Dann kann es nämlich an einem gut gehenden Wirtschaftsstandort sehr, sehr vielen Menschen gut gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Österreich ist der beste Beweis dafür, dass ein solches Konzept funktioniert: Wir haben eines der höchsten Wohlstandsniveaus, und wir haben in unserem Land auch ein sehr, sehr hohes Niveau an sozialer Absicherung. Gerade in der Krise, die wir nun hinter uns zu lassen versuchen, hat unser Sozialsystem bestens funktioniert, die automatischen Stabilisatoren haben funktioniert, und wir haben noch ein paar Maßnahmen zusätzlich zu den schon vorher existierenden eingeführt. All das hat dazu geführt, dass die Men­schen in unserem Land gut – weitestgehend gut – durch diese schwere, schwere Krise gekommen sind. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Die Menschen in Österreich sind auch gesundheitlich weitestgehend gut durch die Krise gekommen, auch da haben wir – wir hier im Parlament, aber natürlich insbesondere gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und auch mit den Ländern und mit vielen, die da mitgewirkt haben – wirkungsvolle Maßnahmen gesetzt. Eine Maßnahme steht jetzt ganz oben auf der Liste dessen, was wir zu tun haben: impfen, impfen, impfen, damit wir nachhaltig und langfristig aus dieser Krise herauskommen können.

Dem widmet sich jetzt auch der erste Antrag von mehreren, die unter diesen Tages­ordnungspunkten behandelt werden. Wir schaffen jetzt die gesetzliche Grundlage und budgetäre Vorsorge für die Beschaffung der Impfstoffe für die Jahre 2022 und 2023 in beträchtlicher Größenordnung, aber angelehnt an unseren Bevölkerungsanteil innerhalb der Europäischen Union.

Ein reiches Land wie Österreich, meine Damen und Herren, hat aber schon auch die Verpflichtung, Menschen in anderen Ländern, in anderen Regionen – in armen Ländern und armen Regionen – zu helfen. Darauf bezieht sich der zweite Antrag, den wir hier


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 53

behandeln, nämlich die Mittelauffüllung in zwei Hilfsfonds: auf der einen Seite im Fonds für die ärmsten Länder in Asien und im Pazifik und auf der anderen Seite auch in Richtung der Kleinbauern in Afrika. Ich denke, es steht einem reichen Land wie Öster­reich gut an, selbst in Krisenzeiten, in denen man selbst Schwierigkeiten hat, trotzdem nicht auf die Menschen in diesen Regionen und auf diesen Kontinenten zu vergessen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Herr.)

Ich glaube, wir können hier in Österreich insgesamt optimistisch in die Zukunft blicken. Wir haben mit viel Disziplin die Pandemie in den Griff bekommen. Wir werden weiterhin viel Disziplin brauchen, um sie im Griff zu behalten. Ich habe es schon gesagt: impfen, impfen, impfen als Gebot.

Weil ich zu Beginn gesagt habe, dass eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass es den Menschen gut gehen kann, eine gut gehende Wirtschaft ist: Wir haben uns in der Krise selbstverständlich auch um die Unternehmen und um die Wirtschaft in diesem Land gekümmert. Wir haben vielen Unternehmen, die es sonst nicht geschafft hätten, mit Maßnahmen über die Krise geholfen. Wir haben mit Kurzarbeit viele Jobs gerettet. (Abg. Hauser: ... die zuerst vernichtet ...!) Es zeigt auch Wirkung, dass es uns gelungen ist, diese Strukturen weitgehend zu erhalten. Wir sind im Wochenvergleich der letzten Wochen mit der Vorkrisenzeit schon wieder auf dem wirtschaftlichen Niveau, auf dem wir 2019, vor der Krise, waren.

Jetzt gilt es Wiederaufbau zu leisten und Strukturen anzulegen, die auch in der Zukunft geeignet sind, uns da weiterzubringen. Die EU hat einen Aufbau- und Resilienzfonds aufgelegt. Österreich arbeitet an Standortstrategien und Konzepten für das Recovery.

Auch viele Organisationen in diesem Land – die Wirtschaftskammer, die Industriellen­vereinigung, viele andere – haben Konzepte vorgelegt, wie wir wirtschaftlich wieder stark werden können, damit auch alle davon profitieren können. Dem widmet sich auch der dritte Antrag, den wir hier behandeln. Wenn man als öffentliche Hand Hilfen gewährt, dann muss man natürlich auch deren Verwendung kontrollieren. Das heißt, wir schaffen hier eine Voraussetzung für einen Zugang zur Transparenzdatenbank, damit die Finanz und andere Stellen die Mittelverwendung auch tatsächlich ordentlich kontrollieren können. Ich denke, das ist ein Gebot der Stunde und das sind wir auch den Steuer­zahlerinnen und Steuerzahlern schuldig.

Das Resümee am Ende: Wir schaffen die budgetären Voraussetzungen für die Beschaf­fung des Impfstoffes, den wir auch in den nächsten Jahren brauchen werden, wir helfen Menschen in ärmeren Regionen, wir attraktivieren die Rahmenbedingungen für den Wirt­schaftsstandort, und wir schaffen die Grundlagen für die Kontrolle von Hilfsmaßnahmen. Ich denke, all das sind geeignete Maßnahmen, mit denen wir Österreich in eine gute Zukunft führen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr.


10.37.00

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Zwei Anmerkungen zu meinem Vorredner, zu Kollegen Kopf: Es stimmt schon, ihr habt viele Jobs gerettet, aber du hast einen Nebensatz vergessen: das sind auch die Jobs, die ihr vorher vernichtet habt. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine weitere Anmerkung zu deinem Abänderungsantrag: Wir hatten am 22.6. eine Sit­zung des Finanzausschusses. Seither sind 16 Tage vergangen, und in diesen 16 Tagen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 54

seid ihr draufgekommen, dass man offenbar 75 Millionen Euro mehr Geldbedarf für die Impfstoffbeschaffung hat und außerdem acht Millionen zusätzliche Impfstoffdosen be­nötigt. Man kann also nicht wirklich von einer Planung sprechen, wenn man innerhalb von 16 Tagen draufkommt: Jessas, es fehlen ja acht Millionen Impfstoffdosen! – Das fördert nicht wirklich das Vertrauen in diese Bundesregierung.

Ich darf zu Tagesordnungspunkt 4 sprechen: Mit diesem Bundesgesetz wird der Ge­sund­heitsminister ermächtigt, Covid-19-Impfstoffe für die Finanzjahre 2022 und 2023 um rund 916,5 Millionen Euro zu beschaffen. Das sind laut dem Abänderungsantrag in Summe 50 Millionen Impfstoffdosen. Die budgetierten Kosten für 2020 und 2021 betragen rund 335 Millionen Euro für 30,5 Millionen Impfstoffdosen.

Bis dato hat eine Impfstoffdose durchschnittlich 11 Euro gekostet, aber mit dem heutigen Gesetzesbeschluss zahlen wir nicht 11 Euro je Impfstoffdose, sondern über 18 Euro. Das ist eine Preissteigerung von rund 67 Prozent, und wir haben natürlich auch im Finanzausschuss den Gesundheitsminister gefragt: Wodurch ergibt sich diese unver­schämte Preissteigerung?, aber der Gesundheitsminister konnte uns keine Erklärung geben. Vielleicht bekommen wir heute eine entsprechende Erklärung. (Abg. Kassegger: „Koste es, was es wolle“!) Für mich gibt es nur folgende Erklärung: Entweder zahlt die EU zu viel an die Impfstoffproduzenten, oder wir zahlen der EU mehr, als der Impfstoff tatsächlich kostet. Beides ist nicht zulässig. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist auch nicht nachvollziehbar, und der Gesundheitsminister konnte es uns auch im Finanzausschuss nicht erklären, warum wir 50 Millionen Impfstoffdosen für zwei Jahre benötigen. Bei einer Einwohnerzahl Österreichs von 8,93 Millionen – und davon lassen sich nicht alle impfen – haben wir pro Jahr 25 Millionen Impfstoffdosen zur Verfügung. Das sind fast drei Impfstoffdosen im Jahr für jeden Einwohner in Österreich, und zwar vom Baby bis zum Greis.

In Wirklichkeit kaufen wir viel mehr Impfstoffdosen, als wir benötigen, weil offenbar schon jetzt geplant ist, diese Impfstoffdosen an Drittstaaten zu verschenken. Der Herr Bun­deskanzler hat bereits auf der Westbalkankonferenz am 18. Juni 2021 vollmundig ange­kündigt, dass Österreich eine Million Impfstoffdosen spenden wird. So großzügig geht unser Herr Bundeskanzler mit dem Geld der österreichischen Steuerzahler um. Das kostet uns über 18 Millionen Euro. In Anbetracht der derzeitigen Wirtschaftslage – wir haben immer noch 350 000 Arbeitslose – ist das ein falscher Zugang. Wir brauchen je­den Euro in Österreich.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Herr Bundeskanzler diese Spende ohne rechtliche Grundlage getätigt hat, denn die rechtliche Grundlage zur Verfügung über Bundesvermögen schaffen wir erst mit dem heute zu beschließenden Gesetz.

Abschließend noch ein budgetrechtliches Problem, das auch der Budgetdienst ange­sprochen hat: Der Gesetzesantrag führt aus, dass die Kosten dieses Bundesgesetzes durch zusätzliche Vorsorgen im Bundesfinanzrahmengesetz bedeckt werden. Es lässt sich allerdings nicht nachvollziehen, dass die Mittel bereits im geltenden BFRG 2021 bis 2024 eine ausreichende Bedeckung finden. Da ist auf jeden Fall Nachschärfungsbedarf gegeben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort.


10.42.28

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Finanzausschuss: Wir diskutieren hier ver­schiedene Themen und ich möchte besonders zu zweien Stellung nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 55

Das erste ist mir persönlich ein großes Anliegen, nämlich die Finanzierung der Ge­mein­den. Wir haben letztes Jahr bereits das kommunale Investitionspaket beschlossen, das sicherstellt, dass Gemeinden ihre laufenden Investitionen trotz coronabedingter Einnah­menverluste weiterhin tätigen können. Das passiert auch. Ich habe ein paar aktuelle Zahlen: Ende Mai wurden von 1 Milliarde Euro, die den Gemeinden insgesamt zur Verfügung stehen, bereits mehr als 690 Millionen Euro ausbezahlt – also fast 70 Prozent wurden bereits ausbezahlt. Eine besonders erfreuliche Tatsache ist, dass 30 Prozent der Investitionen in Klimaschutzprojekte gehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch beim Finanzministerium bedanken, weil die Transparenz dieser Zahlungen wirklich sehr vorbildlich ist. Man kann sehen, welche Gemeinde einen Antrag auf wie viel Geld für welches Projekt eingereicht hat, bereits ausbezahlt bekommen hat et cetera. Das ist aus meiner Sicht wirklich vorbildlich gelöst.

Warum diskutieren wir das heute? – Weil die Baubranche, wie wir wissen, unter Druck ist. Es kommt zu Verzögerungen, die Baustoffpreise sind gestiegen, manche Firmen können gar nicht liefern beziehungsweise nicht bauen, und daher wollen wir be­schließen, dass wir die Fristen des KIP trotz dieser guten Inanspruchnahme verlängern, und zwar um ein Jahr. Fristen verlängern heißt, die Gemeinden können ein Jahr länger ansuchen, also nicht nur bis Ende dieses Jahres, sondern bis Ende nächsten Jahres, und darüber hinaus haben sie auch ein Jahr länger Zeit, um die Projekte zu bauen, also bis Ende Jänner 2025. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Ferienbetreuung für Kinder, die ja für letztes Jahr angesetzt war, wird ausgeweitet. Die Gemeinden können sie auch heuer in Anspruch nehmen und zusätzlich auch nächsten Sommer – eine umfassende Erweiterung also. Das geht über den Antrag der FPÖ hinaus, die nur eine Verlängerung der Antragsfrist um ein Jahr gefordert hat. Diesem Antrag kommen wir daher nicht nach.

Abschließend möchte ich aber noch zum zweiten Thema, zum großen Thema Impfstoff­beschaffung Stellung nehmen und ein paar Punkte anmerken. Wir wissen, dass wir viel Impfstoff brauchen, auch vorsorglich. Vorsorglich heißt, wir planen jetzt schon für nächs­tes und übernächstes Jahr. Wir wissen nicht genau, wie sich die Varianten entwickeln, daher ist es sinnvoll, viele unterschiedliche Impfstoffe anzuschaffen, und das tun wir auch.

Deshalb bringe ich folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses, 955 der Beilagen, über den Antrag 1778/A

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzestext wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz genehmigt wird) wird wie folgt geändert:

In § 1 wird der Betrag „841,8 Millionen“ durch den Betrag „916,484 Millionen“ ersetzt.

*****

Ja, richtig, wir reservieren noch mehr Geld, damit wir Impfstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung haben werden. Gleichzeitig beschließen wir auch, dass wir Impfstoffe, die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 56

wir nicht brauchen, bevor sie ablaufen, an Länder, die sie brauchen, verschenken kön­nen. Wir werden nicht alles brauchen, aber wir wissen halt derzeit noch nicht genau, was wir brauchen, und das ist nicht planbar. So können wir sie, bevor sie ablaufen, an Länder, die sie brauchen, verschenken. Das ist aus meiner Sicht eine absolut richtige Ent­scheidung.

Einerseits kann man jetzt sagen, das passiert aus Solidaritätsgründen – das würde mir schon als Begründung reichen –, andererseits glaube ich aber auch, dass es eigennützig ist, weil wir wissen, dass das Virus nicht vor Grenzen halt macht. Insofern macht es absolut Sinn, auch in den Nachbarländern zu schauen, dass das Virus dort bekämpft wird. Ich bitte also um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dr. Elisabeth Götze,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses (955 d.B.) über den Antrag 1778/A der Abge­ordneten Karlheinz Kopf, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz genehmigt wird, erlassen wird und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzestext wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz genehmigt wird) wird wie folgt geändert:

In § 1 wird der Betrag „841,8 Millionen“ durch den Betrag „916,484 Millionen“ ersetzt.

Begründung

Um einen bestmöglichen Schutz aller Personengruppen garantieren zu können und etwaigen Entwicklungen im Hinblick auf COVID-19 Varianten bestmöglich begegnen zu können, ist die Verfügbarkeit von ausreichenden Kapazitäten aller verfügbarerer Tech­nologien zu gewährleisten. Insbesondere ist auch auf bisher nicht zugelassene Protein basierte Impfstoffe Bedacht zu nehmen.

Auf Basis dieser Ausgangslage konnte die Europäische Kommission mit BioNTech/Pfizer einen dritten Vertrag über insgesamt 900 Mio. Impfstoffdosen, mit einer Option auf weitere 900 Mio. Impfstoffdosen, sicherstellen. Dieser soll einen Teil des europäischen Bedarfs bis 2023 abdecken. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, aus bereits bestehenden Verträgen optionale Dosen abrufen zu können, für den Fall, dass diese von der Europäischen Kommission aktiviert würden. Diese optionalen Dosen würden eben­falls zur Deckung des zukünftigen Bedarfs für 2022/2023 beitragen und hätten ein Ausmaß in Höhe von bis zu 150 Mio. Impfstoffdosen von Moderna und bis zu 200 Mio. Impfstoffdosen von Johnson & Johnson. Zudem besteht die Möglichkeit, aus dem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 57

bestehenden Vertrag mit Sanofi GSK EU-weit 300 Mio. Dosen abzurufen, sowie die Abrufsumme beim Hersteller Valneva auszuweiten.

Um entsprechende Mengen an COVID-19-Impfstoffen für die kommenden Jahre 2022 und 2023 aus dem EU-weiten Portfolio rechtzeitig zu sichern und auch alle Optionen bei Bedarf, abhängig von der pandemischen Situation und den wissenschaftlichen Erkennt­nissen, ziehen zu können, soll Österreich seinen vollen Anteil aus allen Vertragsoptionen abrufen können, mindestens jedoch den pro rata Bevölkerungs-Anteil von 2%. Mit diesen möglichen zusätzlichen Dosen für die Jahre 2022 und 2023 würde das österreichische Impfstoffportfolio um 50 Mio. Dosen erweitert werden und damit auf in Summe 80,5 Mio. Dosen anwachsen, sofern alle Vertragsoptionen abgerufen und jeweils auch in vollem Ausmaß ausgeschöpft würden. Von diesen 50 Mio. Dosen entfallen 36 Mio. Dosen auf BioNTech/Pfizer, 3,2 Mio. Dosen auf Moderna, 4 Mio. Dosen auf Johnson & Johnson, 0,8 Mio. Dosen auf Valneva und 6 Mio. Dosen auf Sanofi.

Für die Aufrüstung des österreichischen COVID-19 Impfstoffportfolios um in Summe zu­sätzliche 50 Mio. Dosen für die Jahre 2022 und 2023, sowie die Entscheidung, die optionalen Mengen nach Bedarf abrufen zu können, werden insgesamt zusätzlich bis zu 916,484 Mio. Euro benötigt.

Es ist daher notwendig, die Ermächtigung zur Begründung von Vorbelastungen auf 916,484 Mio. Euro zu erhöhen.

Diese zusätzlichen Kosten werden aus dem Budget der UG 24 durch entsprechende Vorsorgen im Bundesfinanzrahmen bedeckt. Nach derzeitigem Informationsstand wer­den diese Kosten im Jahr 2022 in der Höhe von 521,984 Mio. Euro und im Jahr 2023 in der Höhe von 394,5 Mio. fällig.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


10.47.45

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Werte Herren Minister! Sehr geehrtes Hohes Haus! Wir haben gerade gehört: Den Gemeinden geht es eh so gut! – Ja, wir wissen, die, die finanzstark waren, haben es vielleicht gut durch die Krise ge­schafft, für jene aber, die schon zu Beginn finanzschwach waren, schaut es nicht so rosig aus. Genosse Lercher hat das schon ausgeführt und ich schließe an: Für viele geht es sich nicht aus.

Deshalb will ich heute darüber reden, welche Art von Steuerpolitik wir eigentlich brauchen, um gerecht durch diese Krise zu kommen – wirklich gerecht! (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Ich weiß schon, da werden sich jetzt viele denken – man hört es ja auch in den Reden der Kollegen und Kolleginnen aus den Regierungsfraktionen –: Nein, es ist eh alles super! Wir kommen so gut und so gerecht durch diese Krise! (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.)

Aber: Ist es gerecht – auch an Sie gefragt, Herr Minister –, wenn sich jemand aufgrund der Krise bereichern kann, wenn er aufgrund der Krise sein Vermögen vermehrt, während andere in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen, quasi ins Nichts stürzen? – Das ist doch nicht gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch mehr Fragen mit: Ist es gerecht, wenn ein großes Unternehmen wie Amazon aufgrund der Krise – wiederum – seine Gewinne unglaublich erhöht (Zwischenruf des


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 58

Abg. Gerstl), während kleine, regionale Buchgeschäfte zusperren? – Nein. (Beifall der Abgeordneten Lercher und Lindner.) Ist es gerecht, dass Amazon in der EU de facto nicht einmal Steuern zahlt, während die anderen, die kleinen, regionalen Bücher­ge­schäfte, ein Vielfaches, mehr als zehnmal so viel, an Gewinnsteuern zahlen müssen? Ist das für Sie, Herr Finanzminister, gerecht? – Nein, das ist es doch nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ist es okay, ist es gerecht, wenn Sie uns dann immer erzählen – auch gestern wieder Kanzler Kurz –, dass man ja eh die mächtige Digitalsteuer eingeführt hat, obwohl wir genau wissen, dass das vor allem ein PR-Gag ist und überhaupt nicht so viel bringt, wie wir da eintreiben müssten? – Nein, das ist nicht okay, und ja, da werden wir grantig. Es ist Zeit, dass auch jene endlich einen Beitrag leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch mehr Fragen: Ist es in Ihrer aller Augen gerecht, dass 80 Prozent der Steuereinnahmen in unserem Haushalt von den arbeitenden Menschen gezahlt werden, von Arbeitnehmern, Arbeitnehmerinnen, Konsumenten, Konsumentinnen, Pensionisten, Pensionistinnen, und nur 20 Prozent durch Steuern auf Gewinne und Vermögen eingetrieben werden? Im Vergleich mit anderen Ländern, wenn wir uns anschauen, wie das dort ist: Ist das gerecht?

Nächste Frage: Wenn wiederum 80 Prozent der Coronahilfsmittel genauso von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen finanziert werden, obwohl sie nicht einmal zu einem Drittel quasi direkt davon betroffen sind – ist das gerecht, Herr Finanzminister? Ist das okay? Ist das gerecht? Ich hoffe, Sie beantworten diese Fragen jetzt alle für sich.

Wenn Unternehmen staatliche Unterstützungsgelder in Millionenhöhe in Anspruch nehmen, die von den Steuerzahlern, Steuerzahlerinnen bereitgestellt werden, wenn die das Geld nehmen und auf der anderen Seite Bonizahlungen für den Vorstand und Dividenden für die Aktionäre und Aktionärinnen ausschütten, vorher das Geld der SteuerzahlerInnen nehmen und dann die Gewinne an die AktionärInnen ausschütten – ist das gerecht, Herr Finanzminister? (Beifall bei der SPÖ.)

Offensichtlich ist es das in Ihren Augen, denn Sie haben sich ja genau dafür eingesetzt, dass das so bleibt, dass die Vorstandsmitglieder auch jetzt in der Krise noch ihre Gewinne und Boni bekommen.

Ich könnte die Liste noch lange fortführen, aber vielleicht noch ein Beispiel – eines gönnen wir uns noch –: Ist es gerecht, wenn das Unternehmen eines Milliardärs wie jenes des Herrn Pierer, auch ein guter Freund und Spender der ÖVP, 11 Millionen Euro an Coronahilfen bekommt und dann 7 Millionen Euro an Dividenden ausbezahlt werden? Die Rechnung geht doch nicht auf! Nein, das ist nicht gerecht, und deshalb müssen wir unser Steuersystem umbauen. Tun wir das nämlich nicht, zahlen die arbeitenden Menschen diese Krise, und das ist nicht gerecht – nicht schon wieder! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns die Zahlen an: Die Vermögen der reichsten Menschen in diesem Land haben sich durch die Krise erhöht – um fast 30 Prozent! Und da geht es um Milliar­denbeträge! Das kann sich ein normaler Mensch gar nicht vorstellen, was das für Summen sind. Das ist mehr, als bei uns ganze Ministerien an Budget haben, diese Gelder, über die wir hier sprechen.

Die Managerbezüge sind im Coronakrisenjahr gestiegen – überdurchschnittlich! Ein Vorstand von einem börsennotierten Unternehmen kassiert das 60-Fache eines Durch­schnittsunternehmers. Für die einen wurde in der Krise geklatscht: Ihr seid ja so super!, aber kassieren tut jemand anderer. Ist das gerecht, Herr Finanzminister? Ich hoffe, Sie beziehen dazu endlich Stellung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir finden das nicht gerecht, und daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 59

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuer­senkung für die Menschen, statt Steuergeschenke für Millionäre!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Gesetzespaket zur Abfederung der sozialen und finanziellen Folgen der Coronakrise mit folgenden Inhalten vorzulegen:

1. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letztbezugs.

2. Eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von 5 Mrd. €

3. Eine unbefristete Solidaritätsabgabe für Millionäre

4. Die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Millionenerbschaften.

5. Eine befristete Solidaritätsabgabe für große Onlinekonzerne (wie z.B.: Amazon) im Ausmaß von 10% des Jahresumsatzes bis zur vollständigen Umsetzung der globalen Mindeststeuer und Digitalsteuer im Rahmen des OECD Vorschlags.“

*****

Das wäre tatsächlich gerecht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend Steuersenkung für die Menschen, statt Steuergeschenke für Millionäre!

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Finanzausschusses über die Regie­rungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Kommunal­investitionsgesetz 2020 und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.)

Die Coronakrise hat riesige Budgetdefizite in den Staatshaushalt gerissen. Milliarden wurden zur Unterstützung für Unternehmen ausgegeben. Während viele EPUs und KMUs noch immer auf ausreichende Unterstützungsleistungen warten und am Rande ihrer Existenz stehen, wurden Millionen an Steuergelder an Menschen verteilt, die diese gar nicht brauchen. Der Glückspielkonzern Novomatic erhielt mehrere Millionen Euro an staatlicher Unterstützungsleistung. Seinen Besitzer finden wir auch nach Corona auf der Trend-Reichenliste mit einem Vermögen von mehreren Milliarden Euro – wofür braucht so ein Mensch staatliches Steuergeld, das zu 80% von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommt? Novomatic ist leider kein Einzelfall. Von Media-Markt bis zu Luxus-Hotels aus dem Kreise der Tiroler Adlerrunde reichen die Beispiele für wenig rühmliche Hilfszahlungen an Menschen, die sie in Wahrheit nicht brauchen.

Auf der anderen Seite sitzen hunderttausende Menschen mit einem Arbeitslosengeld von 55% des Letzteinkommens zu Hause. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen erreicht jeden Monat einen neuen Rekordstand. Die Betroffenen haben die Ersparnisse aufgebraucht,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 60

können sich teilweise die Mieten nicht leisten, am Monatsende müssen sie jeden Euro zweimal umdrehen, oft kommt in diesen Familien am Monatsende nur noch Toastbrot auf den Tisch.

Lt. der Trend-Reichenliste haben die zehn reichsten ÖsterreicherInnen ihr Vermögen im Corona-Jahr um fast 30%(!) steigern können. Eine Studie der Arbeiterkammer hat jüngst belegt, dass die Managerbezüge auch im Corona-Jahr überdurchschnittlich gestiegen sind. Ein Vorstand eines ATX-Unternehmens kassiert im Schnitt das 57-fache eines Durchschnittseinkommens. Die ersten Daten zeigen ein erschütterndes Bild – die Corona-Krise hat die Vermögens- und Einkommensungleichheit in Österreich nochmal verstärkt.

Die Krise sollte uns eigentlich deutlich vor Augen geführt haben, wer die echten Leis­tungsträgerinnen und Leistungsträger in Österreich sind. Es sind die Pflegekräfte, es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Supermärkten und in der Lebensmittel­pro­duktion, bei der Straßenreinigung, bei der Müllabfuhr, die Reinigungskräfte, die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen – um nur einige hier zu nennen.

Wir können nach dieser Krise nicht zur Tagesordnung übergehen. Ohne gravierende Änderungen in unserem Steuersystem ist eine gerechte Finanzierung der Krisenkosten einfach nicht machbar.

Seit einem Jahr verweigert die türkis-grüne Regierung jenen Menschen, die aufgrund der Coronakrise arbeitslos geworden sind, die Erhöhung des Arbeitslosgengeldes (von derzeit nur 55%) auf 70% des Letztbezugs. Betriebe, die Staatshilfe in Millionenhöhe erhalten, können ihren Spitzenmanagern noch immer Boni (in halber Höhe) in Millio­nenhöhe auszahlen. Die Regierung schließt bis heute dezidiert die Einführung von Millionärsabgaben aus, obwohl Multimillionäre in Österreich ihr Vermögen im Coronajahr teilweise deutlich vermehren konnten. Im Finanzministerium werden stattdessen Pläne zur Senkung der Körperschaftssteuer sowie zur Einführung einer fiktiven Eigenkapital­verzinsung gewälzt. Von diesen Plänen profitieren wieder nur die großen Betriebe – just jene Betriebe, deren EigentümerInnen ihr Vermögen auch während Corona ohnehin deutlich steigern konnten.

Es braucht endlich wieder mehr Gerechtigkeit und Solidarität in Österreich. Deshalb braucht es gerade jetzt eine echte Änderung im Steuersystem, wo große Vermögen statt kleiner Arbeitseinkommen stärker zur Finanzierung von Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten herangezogen werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Gesetzespaket zur Abfederung der sozialen und finanziellen Folgen der Coronakrise mit folgenden Inhalten vorzulegen:

1.          Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% des Letztbezugs.

2.          Eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer für kleine und mittlere Ein­kommen im Ausmaß von 5 Mrd. €

3.          Eine unbefristete Solidaritätsabgabe für Millionäre

4.          Die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Millionenerb­schaf­ten. 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 61

5.          Eine befristete Solidaritätsabgabe für große Onlinekonzerne (wie z.B.: Amazon) im Ausmaß von 10% des Jahresumsatzes bis zur vollständigen Umsetzung der globalen Mindeststeuer und Digitalsteuer im Rahmen des OECD Vorschlags.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


10.53.56

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Grüß Gott, Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, ich bin noch immer etwas sprachlos ob meiner Vorrednerin (Heiterkeit des Abg. Taschner) und ihrer Kampfrede für Gerechtigkeit. Ich frage mich dann auch immer: Ist es gerecht, dass einer glaubt, Gerechtigkeit für sich definieren zu können? – Ich weiß es nicht. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Vielleicht sollten wir auch einmal sagen, dass es durchaus Menschen gibt, die ein unternehmerisches Risiko tragen, und ja, auch das muss abgegolten werden. Auch das finde ich persönlich gerecht – aber gut! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Es hat sich gerade nicht so angehört.

Ich will auch über die Finanzthemen sprechen, die wir verhandelt haben, und da gibt es ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, das wissen, glaube ich, auch schon viele in diesem Raum: die Transparenzdatenbank. Ein Punkt dieser Novelle, die jetzt diskutiert wird, ist, dass Förderungen aus dem EU-Aufbaufonds jetzt auch in die Transparenz­datenbank eingetragen werden sollen. Das finden wir natürlich richtig. Machen wir aber einen Schritt zurück: Was ist denn die Transparenzdatenbank eigentlich? Diese hat nach wie vor wirklich grobe Strickfehler, obwohl wir sie jetzt schon seit mehr als zehn Jahren in Österreich haben.

Was sind diese Strickfehler? – Erstens: Es ist nicht so, dass alle in die Transparenz­datenbank einmelden. Der Bund meldet ein, das ist gut und richtig, und die meisten Länder melden ein, aber vor allem die roten Länder melden eben noch nicht ein, und das muss geändert werden. Ebenso betrifft das die Gemeinden, das möchte ich auch ganz ausdrücklich sagen: Auch die Gemeinden müssen in die Transparenzdatenbank einmelden. Das ist der erste große Strickfehler, der behoben werden muss, bevor man die Transparenzdatenbank überhaupt als solche betrachten kann.

Der zweite Fehler, der natürlich auch ganz spannend ist, dreht sich um die Frage: Wer kann denn die Daten eigentlich einsehen? Man könnte durchaus meinen, dass man in eine Transparenzdatenbank reinschauen kann. – So ist es aber nicht: Nicht einmal der Nationalrat oder der Budgetdienst kann die Daten einsehen, die in der Transpa­renz­datenbank enthalten sind. Der Kreis der Einsichtsberechtigten ist also wirklich sehr, sehr klein. Auch der Wissenschaft werden keine Daten zur Verfügung gestellt. Das könnte man ja anonymisiert machen, was sehr wichtig wäre.

Und der dritte Punkt, ich habe es schon kurz angesprochen: Die Öffentlichkeit hat über­haupt keine Information. Das heißt, wenn man als Bürgerin oder Bürger auf diese Seite, auf das Transparenzportal geht, dann kann man sehen, welche Förderungen es gibt – okay. Man findet auch die Gesamtsummen der einzelnen Förderbereiche – auch gut. Wer aber die Förderungen warum kriegt, das steht nicht drinnen, und das ist die ganz große Krux, wozu ich sage: Das verdient den Namen Transparenzdatenbank eigentlich nicht. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 62

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich will nicht, dass einzelne Personen vor den Vorhang geholt werden, ich will keinen gläsernen Bürger. Das ist nicht unsere Intention. Was ich aber schon will, ist: Wenn eine Firma oder ein Verein Geld für Tätigkeiten kriegt – das kann ja durchaus gerechtfertigt sein –, dann soll das in dieser Transparenz­datenbank stehen. Es muss sich ja keiner um Förderungen bewerben, wenn er das nicht will. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Deswegen möchte ich auch einen Antrag einbringen, Kollege Hanger, weil mir eines besonders wichtig ist, nämlich dass wir hier kein Geld verschwenden. Wenn es wo steht und man es nicht unbedingt braucht, dann ist es so, das wissen wir aus internationalen Erfahrungen, dass sich ganz viele nicht um diese Förderungen bewerben, weil das dann eben transparent ist. Deswegen: Licht in das Dunkel bringen – das ist das, was wir da brauchen. (Beifall bei den NEOS.)

Mein Kollege Strolz hat es immer so ausgedrückt: Licht ist das beste Desinfek­tions­mit­tel! – Deswegen auch dieser Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Transparenz für die Transparenzdatenbank“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, für eine größere Transparenz der Transparenzdatenbank zu sorgen, zum Beispiel in dem der Kreis der Einsichtsberechtigten deutlich erweitert wird (unter anderem auch auf den Österreichischen Nationalrat) und Förderungen an Unternehmen und Vereine bereits ab einer Fördersumme von 2.000 EUR öffentlich einsehbar gemacht werden.“

*****

Setzen wir also das um, was die Länder bereits machen! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Mehr Transparenz für die Transparenzdatenbank

eingebracht im Zuge der Debatte in der 117. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastrophen­fondsgesetz 1996, das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 und das Transparenzdaten­bankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.) – TOP 2

In der österreichischen Transparenzdatenbank wird derzeit ein großer Teil der Förde­rungen von Bund, Ländern und Gemeinden erfasst. Sie verfehlt jedoch nach wie vor ihr Ziel, einen vollständigen Überblick über das staatliche Förderungsangebot zu bieten und zur Steuerung und Kontrolle dieser Förderungen beizutragen. Darüber hinaus ist auch die Transparenz bei der Transparenzdatenbank nicht ausreichend gewährleistet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 63

Der Österreichische Rechnungshof (Prüfbericht 2021 zur Transparenzdatenbank; https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/home_7/Transparenzdatenbank.pdf) und der Budgetdienst des Parlaments (https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/BUDGETBERICHTE/FOERDERUNGEN/index.shtml) identifizieren folgende Defizite bei der Transparenzdatenbank:

•             Förderzahlungen werden nur unvollständig von den abwickelnden Stellen ein­gemeldet;

•             indirekte Förderungen werden nur teilweise in der Transparenzdatenbank be­rücksichtigt;

•             kein Gesamtkonzept, wie die Daten der Transparenzdatenbank zu Steuerungs­zwecken genutzt werden könnten;

•             Leistungsgeber und Abwicklungsstellen sind nur unzureichend mit den (techni­schen) Einsatzmöglichkeiten der Transparenzdatenbank vertraut

Mit einer Novelle des Transparenzdatenbankgesetzes und einer neuen Transparenz­datenbank–Abfrageverordnung sollte sichergestellt werden, dass Förder-Abwick­lungs­stellen ab Ende 2019 umfassende Einsicht auf Informationen erhalten konnten. Zudem sollen die Daten in anonymisierter Form auch anderen Institutionen (z. B. Wirtschafts­forschungsinstitutionen, Universitäten, Gebietskörperschaften) für alle Zwecke der TDB und des Transparenzportals überlassen werden können. Unklar ist jedoch, wie diese gesetzliche Möglichkeit dann in der Praxis gehandhabt wird.

Unverständlich ist generell, warum bei der Transparenzdatenbank der Kreis der Ein­sichtsberechtigten so klein gehalten wird und zum Beispiel der Österreichische Natio­nalrat (Abgeordnete und Budgetdienst) als parlamentarisches Kontrollorgan keinerlei Einsichtsrechte besitzt. Hier wäre dringend für eine entsprechend Konkretisierung der einsichtsberechtigten Institutionen zu sorgen.

Was den Zugang der Öffentlichkeit zu den Informationen in der Transparenzdatenbank betrifft, so beschränkt sich dieser derzeit auf die Möglichkeit zum Aufruf eines Leistungs­angebots am Transparenzportal (inkl. entsprechende Auszahlungssummen pro Jahr). Zudem können Auswertungen zu den jährlichen Auszahlungs-summen je Leistungs­angebot abgerufen werden. Zudem können Förderungsbezieher ihre bezogenen Förder­leistungen abfragen.

Im Sinne einer höheren Transparenz sollten die Informationen in der Transparenz­daten­bank auch der Öffentlichkeit zur Einsichtnahme zugänglich gemacht werden und zwar deutlich über die derzeitig eher allgemeinen Informationen zur Förderprogrammen und Fördersummen hinaus. Im EU Transparency Award Module (TAM) müssen Förderungen über 100.000 EUR eingemeldet werden und können öffentlich abgefragt werden (https://webgate.ec.europa.eu/competition/transparency/public?lang=en). Im Sinne einer höheren Transparenz und eines sorgsamen Umgangs mit Fördermitteln sollte dem­entsprechend auch in der österreichischen Transparenzdatenbank Förderungen an Un­ternehmen und Vereine ab einer Fördersumme von 2.000 EUR öffentlich einsehbar gemacht werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, für eine größere Transparenz der Transparenzdatenbank zu sorgen, zum Beispiel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 64

in dem der Kreis der Einsichtsberechtigten deutlich erweitert wird (unter anderem auch auf den Österreichischen Nationalrat) und Förderungen an Unternehmen und Vereine bereits ab einer Fördersumme von 2.000 EUR öffentlich einsehbar gemacht werden."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


10.58.41

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren und vor allem geschätzte kleine und mittlere Unter­nehmer! Herr Wirtschaftskammergeneralsekretär Kopf hat heute wieder einmal den Spruch ver­wendet: Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut! – Die Frage ist für mich: Was versteht die ÖVP noch unter Wirtschaft? Wer zählt für die ÖVP noch zur Wirtschaft?

Ich würde sagen, mittlerweile müsste man den Spruch aus Sicht der ÖVP etwas abän­dern: Wenn es der Wirtschaftskammer gut geht, geht es uns allen gut! (Abg. Hörl: Hör auf!) Oder: Wenn es den Großspendern der ÖVP gut geht, geht es uns allen gut – von Wirecard bis zu Novomatic! (Beifall bei der FPÖ.)

Den kleinen und mittleren Unternehmen und den EPUs geht es definitiv nicht gut, sie wurden auf der Strecke gelassen, wie wir jetzt wieder sehen. Auch die Antwort des Herrn Minister in der heutigen Fragestunde auf die Frage, ob er den Fieranten und den Schaustellern helfen wird, da keine Veranstaltungen stattfinden, weil alle abgesagt werden, war mehr als dürftig. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die zweite Gruppe der Kleinen, die man auf der Strecke gelassen hat, sind die Ge­meinden. Ich habe einen Antrag auf Fristverlängerung für die Beantragung der Mittel aus dem kommunalen Investitionsprogramm eingebracht, den wir auch heute hier ver­handeln, weil genau das eingetreten ist, was wir gesagt haben: Die Gemeinden werden nicht in der Lage sein, dieses Geld abzuholen. Es ist auch so. Jetzt muss die Frist bis Ende 2022 verlängert werden, damit die Gemeinden vielleicht nächstes Jahr das Geld abholen können.

Zum Antrag der SPÖ: Das haben wir auch von Anfang an gesagt, dass die Milliarde, die man den Gemeinden zusätzlich als Kredit zur Verfügung gestellt hat und die ab 2023 zurückgezahlt werden kann, der nächste Fehler ist, und das auch entsprechend in einen verlorenen Zuschuss umgewandelt werden muss. Sonst wird es einfach nicht gehen, dass die Gemeinden sich in Zukunft finanzieren können, ihre Hausaufgaben machen können und auch entsprechend in die regionale Wirtschaft investieren können. Das wird nicht funktionieren, und deshalb werden wir auch diesen Antrag unterstützen.

Die dritte kleine Gruppe – die ist gar nicht so klein, die ist sehr groß –, die man auch völlig vergessen hat – und das behandeln wir heute auch im Finanzausgleichsgesetz und im Katastrophenfondsgesetz –, sind über 300 000 Frauen und Männer bei unseren freiwilligen Feuerwehren, die bei der Finanzierung ihrer Ausrüstung, die sie im täglichen Einsatz brauchen, völlig im Stich gelassen werden. Da geht es um den Schutz und um unsere Verantwortung, diesen Schutz sicherzustellen, damit die Ausrüstung der Feuerwehrmänner und -frauen in Österreich gewährleistet ist.

2013 wurde die Finanzierung so umgestellt, dass man einen Deckel nach unten hin, mit 95 Millionen Euro, definiert hat. Wenn man das auf die heutige Situation hochrechnen würde – alleine die Indexerhöhung –, dann wären wir bei circa 120 Millionen Euro. Dieser


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 65

Wert ist aber nicht indexgesichert und auch nicht festgelegt worden, sondern ist immer von den Einnahmen aus der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer abhängig – und die sind natürlich im letzten Jahr eingebrochen. Also sind auch die Einnahmen bei den Feuerwehren österreichweit um circa 15 Millionen Euro eingebrochen, und die gilt es einmal auf jeden Fall für das letzte Jahr auszugleichen, damit Planungssicherheit besteht, damit sie ihre Ausrüstung beschaffen können, damit wir unseren Feuerwehr­kameradinnen und ‑kameraden draußen die notwendige Ausrüstung zu Verfügung stel­len können. Das ist unbedingt erforderlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann ist dieses völlig falsche Finanzierungsmodell auch entsprechend umzustellen und auch darauf abzustellen, dass man einen Fixbetrag definiert und auch wertgesichert für die Zukunft zur Verfügung stellt. Damit haben die Feuerwehren österreichweit Planungs­sicherheit und können dafür sorgen, dass sie unsere jungen Leute, dass sie unsere Frauen und Männer draußen entsprechend ausrüsten. Deshalb stelle ich einen ent­sprechenden Antrag dazu:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der Finanzierung der Feuerwehren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, die Finanzierung der Feuerwehren durch den Katastrophenfonds für 2022 in aus­reichender Höhe sicherzustellen und zudem für diese Mittel in Zukunft eine jährliche Indexanpassung vorzusehen.“

*****

Danke, ich hoffe auf Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

11.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, MMag. DDr. Hubert Fuchs

und weiterer Abgeordneter

betreffend Sicherstellung der Finanzierung der Feuerwehren

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2, Bericht des Finanzausschusses über Regie­rungsvorlage (948 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Kommunal­investitionsgesetz 2020 und das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert werden (953 d.B.) in der 117. Sitzung des Nationalrates am 08. Juli 2021

Die österreichischen Feuerwehren leisten einen wichtigen und entscheidenden Beitrag zum Schutz der heimischen Bevölkerung: Neben den täglichen zahllosen Einsätzen zur Brandbekämpfung sind sie im technischen Hilfsdienst wie bei Unfällen im Einsatz und leisten zudem im Katastrophenfall wertvolle Hilfe. In Österreich gibt es ein weltweit einzigartiges und flächendeckendes Netz mit rund 4.800 Feuerwehren und rund 260.000 aktiven Feuerwehrfrauen und -männern, die seit Jahrzehnten rasche, unbürokratische,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 66

professionelle und vor allem ehrenamtliche Hilfe bei der Bewältigung von Natur­katastrophen leisten. Katastrophenhilfe durch die Feuerwehren passiert immer direkt in der betroffenen Region und das sofort. Das haben die Feuerwehren u.a. bei den großen Hochwasserkatastrophen und Schneedruckeinsätzen der vergangenen Jahre bewiesen.

Die notwendige Finanzierung für die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft und Durchführung der Hilfeleistungen wird aber immer schwieriger und ist derzeit nicht zuletzt durch die finanziellen Folgen der Covid-Krise massiv bedroht.

Bislang haben die Feuerwehren einen großen Teil der benötigten Gelder, insbesondere für die Finanzierung der Einsatzgeräten, aus dem Katastrophenfonds (UG 44, Finanz­ausgleich) erhalten. Gerade diese Gelder sind derzeit bedroht und nicht zuletzt aufgrund der Dotierung des Katastrophenfonds aus Anteilen an der Einkommen- und Körper­schaftsteuer im Sinken begriffen. Laut Budgetbericht 2021 gibt es im Vergleich zum BVA 2020 aufgrund der durch die COVID-19-Krise gesunkenen Dotierung des Katastro­phenfonds (-71,5 Mio. €) geringere Auszahlungen, was auch die Feuerwehren trifft.

Der Österreichische Bundesfeuerwehrverband fordert beispielsweise seit Jahren die dringend notwendige Aufstockung der Finanzmittel für die Feuerwehren (Katastrophen­fonds) und fürchtet, dass die ohnehin schon prekäre Finanzsituation künftig verstärkt wird.

Im Jahr 2010 haben die Feuerwehren aus dem Katastrophenfonds 93 Millionen Euro erhalten. Hätte man bereits im Jahr 2010 eine jährliche Inflationsanpassung vorgesehen, stünden den Feuerwehren mittlerweile rd. 120 Mio. Euro im Jahr zur Verfügung, eine Summe die dringend benötigt wird – ganz abgesehen von der Planungssicherheit für künftige Investitionen.

Zur langfristigen finanziellen Absicherung der Feuerwehren stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­for­dert, die Finanzierung der Feuerwehren durch den Katastrophenfonds für 2022 in aus­reichender Höhe sicherzustellen und zudem für diese Mittel in Zukunft eine jährliche Indexanpassung vorzusehen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


11.03.10

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Regie­rungs­mitglieder! Ein paar Worte zu meinen Vorrednern: Herr Angerer hat die Feuer­wehren entdeckt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich kann nur für Oberösterreich sprechen, Oberösterreichs Feuerwehren sind sehr gut aufgestellt, werden durch die Gemeinden finanziert, und durch den NPO-Fonds bekommen die Feuerwehren auch in der Krise Gelder. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Da sehe ich also nicht den ganz großen Handlungsbedarf, wobei natürlich die Feuerwehren für die Gemeinden ganz wichtige Institutionen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 67

Zu meiner Vorrednerin Julia Herr fällt mir nur eines ein: Das ist oberflächliche Klassen­kampfrhetorik gewesen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was mich am meisten geärgert hat, war eigentlich der Vorvorredner, Herr Maximilian Lercher, der, glaube ich, noch nie in einem Gemeinderat gesessen ist und heute, wie man es von der SPÖ kennt, die große Gießkanne ausgepackt hat. (Abg. Greiner: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Damit helfen wir den Gemeinden sicher nicht. Wir sind da zielgerichtet, wir ver­sorgen vor allem und nehmen – vor allem im zweiten Gemeindepaket mit dem Struktur­fonds – bedacht auf die finanzschwachen Gemeinden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meiner Ansicht nach ist es jetzt wichtig, dass die Gemeinden Flexibilität und Planbarkeit haben. Das ist jetzt für die Gemeinden extrem wichtig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben ja wirklich Hervorragendes bei der Bekämpfung der Pandemie geleistet. Sie sind trotzdem ein ganz großer Wirtschaftsmotor, der größte Arbeitgeber in den Regionen, und sie sind ein Anker im ländlichen Raum – und das ist ganz wichtig. Was momentan wirklich entscheidend ist und was sich in den Gemeinden momentan abspielt, ist, dass einfach die Entwicklung nach der Öffnung eine große Wohltat für jeden Gemeindebürger ist, da man wieder Veranstaltungen machen kann, die Vereine wieder zusammen­kom­men können. Auch wir in unserer Kleingemeinde Lambrechten hatten vergangenen Sonntag trotz 3G-Regel einen Kirtag, der hervorragend besucht war. Die Menschen freuen sich also wieder auf die Öffnungsschritte. (Zwischenruf des Abg. Köchl.)

Was aber schon jetzt, in der momentanen Situation, eine Schwierigkeit darstellt, ist, dass der Bauboom dafür sorgt, dass manche Gemeinden aufgrund der Hilfsgelder aus dem KIP 2020 die Projekte nicht bis Ende des Jahres umsetzen können. Das Problem ist, dass manche Baufirmen einfach nicht die Möglichkeit haben – obwohl sie den Auftrag schon haben –, bis Ende 2021 den Baustart zu machen. Daher bemühen wir uns und beschließen auch heute, dass wir die Antragstellung, den Beginn der Bauprojekte, um ein Jahr verlängern, und auch die Fertigstellung – also den Punkt, an dem die End­ab­rechnungen kommen müssen – von 2024 auf 2025 verlängern. Damit schaffen wir Flexibilität und Planbarkeit für unsere Gemeinden, und ich sage es immer wieder: Wir von der Volkspartei, wir schauen auf unsere Gemeinden. Die Gemeinden können sich auf uns verlassen, wir helfen nämlich immer dann, wenn es notwendig ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir werden den Gemeinden auch in Zukunft helfen, und ich freue mich über jedes Pro­jekt, das Gemeinden in den vergangenen eineinhalb Jahren aufgrund unserer Hilfs­gelder umgesetzt haben: ob das ein Kindergarten oder ein Spielplatz ist, Rad- und Gehwege und so weiter und so fort – Sie kennen das alle von Ihren Gemeinden, und es freut mich wirklich, das zu sehen.

Wir werden uns auch in Zukunft für unsere Gemeinden verantwortlich zeigen, und ich bin mir sicher, dass vor allem das zweite Gemeindepaket jetzt unbürokratisch bei den Gemeinden ankommt und da auch dafür sorgt, dass der Ausfall der Ertragsanteile aus­geglichen werden kann. – In diesem Sinne: Herzlichen Dank dem Herrn Bundesminister! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.07


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Selma Yildirim zu Wort. – Bitte.


11.07.17

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu meinem Vorredner möchte ich anmerken – das wird nämlich gerne übersehen, zu erwähnen –, dass dieses Hilfspaket an die Gemeinden in Wahrheit ja nur den starken, den finanzkräftigen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 68

Gemeinden hilft und nur eine Kofinanzierung ist. Kleinere Gemeinden, die keine Mittel haben, profitieren da gar nicht bis ganz, ganz wenig, und ich würde mir wünschen, dass Sie, wenn Sie sich schon rühmen, alle Bereiche, auch die Schwachpunkte, erwähnen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich meine, da fällt Ihnen keine Perle aus der Krone, wenn Sie sagen: Aber auf die Kin­dergärten haben wir vergessen, es bräuchte ja so viele Kinderbetreuungseinrichtungen, und da könnten wir als Bund Rahmenbedingungen schaffen, die Gemeinden beim Per­sonal unterstützen, damit es da den Familien besser geht und es nicht den Familien, die es eh schwer haben, in der Krise noch einmal schwerer gemacht wird!

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte aber unter diesem Tagesordnungspunkt einen Bereich herausheben, weil er mir wichtig erscheint – nämlich die Änderung des Bundesgesetzes zur Auffüllung der internationalen Finanzinstitutionen, also Entwick­lungshilfe für ärmere Länder. Das kam jetzt einige Male zur Sprache, aber ich denke, es ist wichtig, über dieses Thema noch einmal zu reden, weil wir seit eineinhalb Tagen im Parlament und all die vergangenen Wochen sehr intensiv über Migration reden – egal aus welchen Beweggründen.

Ich denke, Migrationsbewegungen – da sind wir uns einig – entstehen, wenn die Arbeits­bedingungen und die Lebensbedingungen von Menschen vor Ort schlecht sind. Deshalb ist auch Entwicklungshilfe in Form von fairen Handelsbeziehungen wichtig, und es ist wichtig, diese fairen Handelsbeziehungen als ein starkes Instrument friedensstiftender Elemente zu erkennen und auch zu verfolgen. Das heißt, mit diesem Beschluss würden wir die rechtlichen Grundlagen für eine Auffüllung der österreichischen Beiträge an inter­nationale Finanzinstitutionen beschließen. Unser Fokus sollte liegen und liegt – im Sinne einer nachhaltigen, weltweiten Entwicklungszusammenarbeit – darauf, unter dem Credo Hilfe zur Selbsthilfe die Lebenssituationen von Menschen zu verbessern. Akut geht es darum, Hungersnöte zu vermeiden und zu bekämpfen, das bedeutet in erster Linie, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern unser Know-how zur Verfügung zu stellen, damit sie bei der Produktion von Lebensmitteln unterstützt werden. Da Klimaschutz global also weltweit gesehen werden sollte, hilft das natürlich auch den Klimaschutzzielen. Die Gelder sollen aber natürlich auch bei der Bekämpfung der Folgen der Covid-19-Krise helfen, die ja auch eine Gesundheits- und Nahrungsmittelkrise ist.

Wichtig, finde ich, ist in diesem Zusammenhang eben nicht nur finanzielle Mittel zur Ver­fügung zu stellen, sondern in dieser Phase der Unterstützungsleistungen zur Halbzeit einen Zwischenbericht vorlegen zu lassen, um Ziele zu überprüfen, denn es kann ja nicht Geld zur Verfügung gestellt werden, ohne zu überprüfen, ob es denn auch zweckgerecht verwendet wird oder womöglich in irgendeinem korrupten Sumpf, der ja leider in vielen Ländern vorhanden ist, verschwindet. Das ist eine positive Entwicklung.

Was mir bei dem Ganzen aber fehlt, das bei der Armutsbekämpfung aber zentral und bei einer nachhaltigen Entwicklungshilfe wichtig ist, ist der Zugang zu Bildung. Das ist das, was ich in der Ausschussdebatte eingebracht habe und einfordere: Wenn wir schon Gelder zur Verfügung stellen, sollten wir auch darauf achten, dass sie für die Bildung – als wichtiges Instrument – verwendet werden, damit die Leute einmal selbst auf die Beine kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend – nicht nur, weil es die Gewerkschaft in der Stellungnahme zu diesem Gesetz eingebracht hat –: Na ja, selbstverständlich müssen die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation eingehalten werden, das bedeutet, von Zwangs- und Kinderarbeit Abstand zu halten, Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivver­hand­lungen sowie das Verbot der Diskriminierung im Beruf. Aus Sicht der SPÖ kann das eigentlich nur unterstützt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 69

Zusammenfassend halte ich fest: Ja zu Entwicklungszusammenarbeit und internatio­naler Solidarität, aber auch ja zum Zugang zu Bildung und zu Arbeitneh­merIn­nen­rechten. Da haben wir noch Aufholbedarf. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.12


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz, Sie sind zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


11.12.25

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Minister! Hohes Haus! Liebe Damen und Herren! Frau Abgeordnete Yildirim hat es schon angesprochen: Im ersten Tagesordnungspunkt geht es um eine Frage der internationalen Solidarität. Österreich leistet mit dieser Regierungsvorlage einen Beitrag zur multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, ein Thema, das auch aufgrund der Klimakrise und ihrer globalen Auswirkungen zunehmend von Bedeutung sein wird. Die Regierung kommt ihrer Verantwortung nach und stellt Mittel für den Asiatischen Entwicklungsfonds und den Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung entsprechend zur Verfügung.

Vor allem möchte ich aber auch auf ein Instrument europäischer Solidarität eingehen – das ist das Thema und der Anlass für Tagesordnungspunkt 2 und die Novelle, die dahintersteckt –, und zwar deshalb, weil es natürlich national wichtig ist, dass wir diesen Wiederaufbau gut gestalten und auch in die Transformation investieren – das tun wir. Gleichzeitig aber ist es wichtig, dass das auch in Europa, in der EU passiert, da wir wollen, dass wir in der Europäischen Union quasi solidarisch handeln, aber natürlich auch, dass unsere Bestrebungen hin in Richtung nachhaltige Entwicklung und Erholung unterstützt werden, wenn die gesamte Europäische Union in diese Richtung zieht.

Es hat natürlich auch wirtschaftlich Vorteile für uns, wenn Staaten, die große Nachfrager unserer Produkte sind, sich gut erholen. Ich glaube, dass das mit dem europäischen Wiederaufbauprogramm, mit dem europäischen Wiederaufbaufonds RRF gut gelingen wird, und zwar weil es, wie ich meine, in vielfacher Hinsicht ein vielversprechendes Instrument ist.

Zum einen ist es eine klare Botschaft für europäische Solidarität: Die EU-Staaten neh­men über die Kommission gemeinsam Mittel auf, um den Wiederaufbau zu finanzieren. Zweitens wird nicht gespart, sondern massiv in den Wiederaufbau investiert. 700 Mil­liarden Euro werden aufgenommen, das ist quasi kein Kleckern, sondern das ist tat­sächlich ein echter Investitionsturbo.

Drittens: Es ist entscheidend, dass man nicht einfach Geld willkürlich verteilt, sondern dass das zielgerichtet und treffsicher ist. Auch das ist beim RRF gewährleistet: Es wird in Richtung Ökologisierung und in Richtung Digitalisierung investiert, auch da haben wir die Rückmeldung von der Kommission, dass der österreichische Beitrag, der österreichi­sche Wiederaufbauplan in dem Sinne, dass er sowohl die Digitalisierungsquote als auch die Klimaquote übererfüllt und damit diesen Beitrag verstärkt, beispielgebend ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Viertens, und damit möchte ich wirklich sozusagen beim Tagesordnungspunkt 2 ins De­tail gehen, ist es natürlich wichtig, dass nicht nur in der Planung treffsicher und ziel­gerichtet gearbeitet wird, sondern dass es auch bei der Umsetzung so ist und dass die Mittel entsprechend verwendet werden. Abgeordneter Kopf hat es vorhin schon ange­sprochen, das wurde in Österreich mit der Einmeldung in die Transparenzdatenbank realisiert. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Das steht sozusagen jetzt zum Be­schluss an. Es gibt natürlich noch Verbesserungsnotwendigkeiten hinsichtlich Transpa­renz­datenbank, da bin ich bei Ihnen, aber es ist eine gute Sache, dass diese Mittel unter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 70

einem eigenen Titel in die Transparenzdatenbank eingemeldet werden und ent­sprechend nachvollzogen werden kann, ob die Mittel tatsächlich so verwendet werden, wie sie ursprünglich intendiert sind.

Letzter Punkt: Der RRF und das mehrjährige Budget der EU müssen natürlich auch finanziert werden. Darum greifen wir jetzt auch noch mit einer kleinen Novelle ins Finanz­ausgleichsgesetz ein. Da wird klargestellt, wie sich die Finanzierung – zu der Österreich einen großen Beitrag, einen fairen Beitrag leistet – zwischen den Ländern und dem Bund aufteilt. In diesem Sinne bitte ich um breite Unterstützung für diese Regierungs­vorla­gen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.16


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.16.29

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir debat­tieren hier eine Reihe von unterschiedlichen Gesetzentwürfen, und ich möchte zu eini­gen Punkten kurz Stellung nehmen.

Zunächst zum IFI-Beitragsgesetz: Der vorliegende Gesetzentwurf schafft ja die Rechts­grundlage dafür, dass wir die Mittel für zwei internationale Finanzinstitutionen im Bereich der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen können, nämlich einerseits den Asiatischen Entwicklungsfonds und andererseits den Internatio­nalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung.

Beim Asiatischen Entwicklungsfonds leistet Österreich in den nächsten zehn Jahren einen Beitrag von 18,9 Millionen Euro, und beim Internationalen Fonds für landwirt­schaftliche Entwicklung sind es 16 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2024. Der österreichische Anteil an diesen beiden Fonds bleibt also in etwa gleich hoch, und wir leisten damit nachhaltig einen verlässlichen Beitrag zur Erreichung der UN-Klimaziele.

Sie wissen ja, die Entwicklungszusammenarbeit in Österreich ist in die multilaterale und die bilaterale aufgeteilt, beide sind wichtige Säulen der internationalen Zusammenarbeit, die bilaterale hat sicherlich die Möglichkeit, höhere direkte Sichtbarkeit von Österreich bei einzelnen Projekten zu erwirken. Andererseits muss man aber schon sagen, dass die multilaterale Seite natürlich durch die gemeinsame internationale Herausforderung und Einzahlung einen größeren Hebel darstellt.

Vom Sammelgesetz, von TOP 2, möchte ich zwei Gesetzesänderungen herausgreifen, nämlich einerseits die Änderungen im Zusammenhang mit der Transparenzdatenbank und andererseits das Kommunalinvestitionsgesetz. Zur Transparenzdatenbank ist zu sagen, dass Österreich – wie von meinem Vorredner angesprochen – Geld aus dem Wiederaufbaufonds der Europäischen Union erhalten wird. Es ist noch nicht ganz klar, wie viel genau, das hängt ein bisschen von den Wachstumsraten in diesem Jahr ab, aber es werden wohl rund 3,5 Milliarden Euro sein. Klar ist natürlich, dass für die Verwendung der Mittel entsprechend Transparenz gewährleistet sein muss. Alle Leistungen, die über den Wiederaufbaufonds finanziert werden, werden daher auch in die Transparenzdatenbank eingemeldet.

Um gewährleisten zu können, dass die entsprechenden Behörden Zugriff haben und die Daten notwendigenfalls dort, wo es erlaubt und notwendig ist, weitergeben können, braucht es eine Änderung der Bundesabgabenordnung, um auch die Abgabenbehörde in die Lage zu versetzen, Einsicht in die Daten der Transparenzdatenbank nehmen zu


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 71

können. Es ist ja schon einiges darüber gesprochen worden, dass wir die Transparenz­datenbank Schritt für Schritt weiterentwickeln müssen. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, Frau Kollegin, wir sind da noch nicht am Ziel angelangt.

Ich habe aber in der letzten Ausschusssitzung vernommen, dass auch Kollege Kollross ein Verfechter davon ist, dass man den Gemeinden einen Impetus gibt, auch einzu­mel­den. Das habe ich wohltuend zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Es gibt auch Verbesserungen im Rahmen des Kommunalinvestitionsgesetzes. Vom ersten Gemeindepaket steht ja rund 1 Milliarde Euro für Investitionsprojekte, für Kom­munen zur Verfügung. Wir haben nun Gott sei Dank eine sehr, sehr gute konjunkturelle Lage, aber das heißt, dass viele Unternehmen eine gute Auftragslage haben. Damit sich die Fristen für Aufträge weiterhin ausgehen, haben wir uns in der Koalition unter Einbindung des Gemeindebundes entschlossen, die Fristen, die im heurigen Jahr aus­laufen würden, zu verlängern, damit es auch wirklich möglich ist, dass alle Gemeinden das Geld entsprechend abholen können. Neu ist daher, dass die Zuschüsse des Bundes nunmehr auch für Kinderbetreuung im Sommer 2021 und 2022 verwendet werden kön­nen und die Frist für die Einreichung der Endabrechnung entsprechend bis Ende 2025 verlängert wird.

Abschließend: Im aktuellen Monatsbericht haben ja am aktuellen Stichtag rund 1 635 Ge­meinden beziehungsweise Gemeindeverbände mit bisher über 700 Millionen Euro be­reits die Möglichkeit bekommen, das Geld zu verwenden. Das heißt, drei Viertel der zur Verfügung stehenden Mittel aus dem KIP sind genehmigt oder ausbezahlt worden und lösen damit Investitionen von 2,6 Milliarden Euro aus.

Zum Schluss noch ein Wort zum Ermächtigungsgesetz für den Gesundheitsminister: Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf inklusive Abänderungsantrag geht es natürlich auch darum, die Möglichkeit zu schaffen, dass Vorbelastungen zur Beschaffung von weiteren Covid-19-Impfstoffen in der Höhe von fast 1 Milliarde Euro für die Jahre 2022 und 2023 begründet werden können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


11.21.38

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese vier Tagesordnungspunkte geben uns heute Vormittag die Möglichkeit, über Finanzen und Steuern zu sprechen. Das ist eine gute Gelegenheit, weil es auch sichtbar macht, wie die Positionen in diesem Haus sind, wenn es um Steuergerechtigkeit geht. Meine Damen und Herren, eines muss uns klar sein: Die Bewältigung dieser Krise ist eine Frage der Gerechtigkeit, und diese Frage stellt sich vollkommen zu Recht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben aufgezeigt, dass das Thema Steuergerechtigkeit ein vielschichtiges ist. Das geht von der Finanzierung der Gemeinden bis dorthin, wie es den ganz kleinen Unter­nehmen, den Kleinstunternehmerinnen und -unternehmen in unserem Land gegenüber den Konzernen, den Onlinekonzernen geht. Auch das ist eine Frage der Steuer­ge­rechtigkeit: Wie geht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in unserem Land, meine Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 72

Wenn wir darüber sprechen, wie die Positionen hier im Haus sind, zeigt sich etwas Enttäuschendes, nämlich dass von den Grünen nichts zum Thema Steuergerechtigkeit kommt. Da gibt es McKinsey-Sprech von Herrn Schwarz, aber nichts zur Steuerge­rech­tig­keit. Keine einzige Frage wird beantwortet! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Michael Hammer und Loacker.)

Die Grünen haben sich in dieser Frage offenbar aufgegeben, und das ist schon mehr als enttäuschend. Sie haben sich nicht nur in der Frage der Kontrolle, sondern offenbar auch in der Frage der Steuergerechtigkeit aufgegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Loacker echauffiert sich schon wieder: Meine Damen und Herren, das Thema Gerechtigkeit ist offenbar für ÖVP und NEOS ein ganz schwieriges. Das haben Frau Doppelbauer und Herr Kopf bewiesen. Wenn es um Gerechtigkeit geht, wird es schwierig für euch, weil ihr offenbar das Gefühl verloren habt. Ihr habt das Gefühl verloren, wie es den Menschen draußen geht, wie es jemandem geht, der am Ende des Monats nicht genau weiß, wie er die Miete zahlt. Dieses Gefühl habt ihr verloren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dabei helfen auch keine Prognosen, auf die Sie sich stützen, denn keine Prognose zahlt eine Miete. Wir müssen die Menschen entlasten und in diesem Land für Steuerge­rech­tigkeit sorgen, meine Damen und Herren. Dazu braucht es mehr als Ankündigungen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Strasser: Hoffentlich zahlt ihr eure Mitarbeiter ordentlich!)

Von Kollegen Kopf ist heute wieder der Spruch gekommen: Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut! – Geht es der Wirtschaft gut, geht es der Wirtschaft gut! Das ist schon alles. Wenn es den Menschen gut geht, geht es der Wirtschaft gut, Herr Kopf. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Verwechseln Sie doch die Wirtschaft nicht mit der Wirtschaftskammer! Es kann schon sein, dass es der Wirtschaftskammer gut geht, weil diese ja offenbar mit der Abwicklung der Gelder und Förderungen auch von dieser Krise profitiert hat. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.)

Meine Damen und Herren, abschließend noch ein Satz zu den Gemeinden: Frau Kollegin Götze – ich weiß nicht, ob sie noch hier ist –, es ist schon schön und gut, wenn die Gemeinden transparent auf der Homepage des Finanzministers sehen, wie viel Geld schon geflossen ist. Das ist aber nicht das Problem, das Problem ist ja ein ganz anderes, das ihr aber noch nicht am Schirm habt: Das Problem ist, dass diese Gelder wieder zurückbezahlt werden müssen – das ist das Problem für die Gemeinden in unserem Land. Daran müssen wir etwas ändern! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lindinger.)

Sie haben heute die Chance, entscheidend gegenzulenken, indem Sie den Antrag unserer Fraktion unterstützen, dass die Gelder wieder zu den Gemeinden zurückfließen und nicht wie ein Kredit behandelt werden. Jetzt ist die Stunde gekommen, in der es endlich den Zeitpunkt für Steuergerechtigkeit in diesem Land gibt. Nutzen wir diese Gelegenheit und schaffen wir Gerechtigkeit in unserem Land! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


11.25.49

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute die Finanzie­rung internationaler Finanzorganisationen, und wer uns kennt, weiß, wir werden nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 73

dagegenstimmen, weil gerade für kleine Geber wie uns das Poolen von Mitteln bei großen Organisationen in vielen Fällen effizienter ist, als selbst kleine Eigenprojekte zu initiieren.

Wir sprechen uns schon lange für eine Erhöhung der Mittel für die EZA aus, und wir sprechen uns schon lange für eine Umschichtung der Mittel der EZA aus. Ich habe schon viele Anträge eingebracht, die ein Neudenken bei der Entwicklungszusammenarbeit einfordern. Was mich dabei aber wirklich stört, ist dieses sture und starre Weitermachen, auch wenn völlig klar ist, dass wir in unseren Schwerpunktländern sehr oft nicht jene Wirkung erzielen, die wir erzielen wollen.

Zwei Länder fallen da besonders auf: Uganda zum Beispiel, wo das Museveni-Regime vor Kurzem bei den letzten Wahlen wieder einmal massiv die eigene Bevölkerung unterdrückt hat. Noch schlimmer ist es jetzt in Äthiopien, dort herrscht Bürgerkrieg, es droht eine Hungerkatastrophe. Auch dazu haben wir schon mehrere Anträge einge­bracht, die das Ziel haben, unsere Entwicklungszusammenarbeit neu zu bewerten und dafür zu sorgen, dass die Gelder den Opfern von Gewalt und Konflikten und nicht jenen Regimen, die die Gewalt erzeugen, zugutekommen. (Beifall bei den NEOS.)

Diese Anträge wurden wie üblich immer wieder vertagt. Was mich dabei aber besonders stört, ist, dass Kollege Reimon – ist er heute hier? – zu der Nichtbehandlung dieses Antrages gemeint hat: Österreich gibt ja viel zu wenig Geld her, als dass das jetzt irgendeinen Unterschied in Uganda oder in Äthiopien machen würde! Die Debatte ist den Aufwand überhaupt nicht wert!

Vielleicht hat er damit ja auch recht, vielleicht ist unsere Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der in den Empfängerländern über­haupt nicht auffällt. Gerade dann muss man sich aber neu orientieren. Das bedeutet, entweder wir poolen unsere gesamten EZA-Mittel bei größeren Organisationen, die das Geld dann auch zielgerichteter einsetzen, oder wir denken eben unsere Entwicklungs­zusammenarbeit völlig neu.

Dafür braucht es aber natürlich auch einen Unterausschuss, und dieser tagt in wirklich guten Jahren maximal einmal pro Jahr. Uns Mitgliedern des Unterausschusses ist ver­sprochen worden, dass wir bei der Ausarbeitung der ADA-Strategie mitarbeiten können, dass wir eingebunden werden. Das ist nicht passiert – Versprechen gebrochen.

Auch Sitzungen des Außenpolitischen Ausschusses und des EZA-Unterausschusses noch vor der Sommerpause wurden uns versprochen. Das ist nicht passiert. Ver­sprochen ist es worden, aber es ist nicht passiert.

Der Minister ist nämlich wahnsinnig beschäftigt und hat überhaupt keine Zeit, sich mit diesen Kleinigkeiten zu beschäftigen. Wenn das Rote Kreuz aber Geld braucht, wird innerhalb von sechs Tagen eine Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses einberufen, denn da hält dann die Familie ganz gut zusammen.

So wird aus der Entwicklungszusammenarbeit nichts werden. Es ist wirklich besser, wenn wir unser gesamtes Budget, das ohnehin sehr knausrig ist, an große Organisa­tionen geben. Wir müssen dann auch aufhören, so zu tun, als hätten wir überhaupt eine eigene Strategie. Dann gäbe es natürlich auch keine ADA mehr und damit keine Posten für die Familie, es wäre aber zumindest ehrlicher und zielgerichteter. (Beifall bei den NEOS.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 74

11.29.34

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister für Finanzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich habe nur wenig Redezeit. Ganz kurz: Wenn man sich die Argumentation und die Reden der Oppositionsparteien, ganz schwerpunktmäßig von den Freiheitlichen und von der SPÖ, angehört hat und wenn man vorher während der Fragestunde beim Herrn Finanzminister aufgepasst hat, der uns erklärt hat, wie man die Pandemie bis zum jetzigen Zeitpunkt überstanden hat: Ich glaube, ihr wollt einfach nicht akzeptieren, dass der Finanzminister und diese Regierung und wir hier im Parlament einfach gute, nachhaltige Hilfspakete geschnürt haben (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), die Österreich wirklich top aus dieser Krise herausführen. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Meine Redezeit ist zu kurz, Herr Kollege Angerer, um darauf einzugehen. Die Gemeinde­hilfen kennen wir alle. Es gibt nichts, was stehen bleibt. Du kennst die Situation mit dem Schnee heuer. Du weißt, wie man wartet, wenn das Land zuständig ist, wie lange das dauert, und du weißt, wie schnell das Geld geflossen ist, wenn man etwas eingereicht hat, wenn es vom Bund gekommen ist, wenn es vom Finanzministerium gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Weil heute die Gerechtigkeitsdebatte seitens der SPÖ so ins Schaufenster gestellt wird: Schaut, wer im Finanzausschuss oder im Budgetausschuss sitzt, und hört, was eure Leute dort sagen! Wisst ihr, was ihr gesagt habt, was eure Vertreter dort gesagt haben, als es den Umsatzersatz gegeben hat, wenn der kleine Wirt auf dem Land oder das kleine Kaffeehaus oder sonst jemand im November und Dezember einen hohen Um­satzersatz gekriegt hat? – Sie haben gesagt: Es wird überfördert!

Wisst ihr aber auch, dass die Unterstützung für die großen Hotels und die großen Betriebe nach oben hin gedeckelt ist? Das hat es, als ihr in der Regierung wart, nie gegeben, dass die kleinen Familienbetriebe, die kleinen Tschecherln, die kleinen Be­triebe die volle Förderung ausschöpfen können, dass aber nach oben hin gedeckelt ist. Das ist Fairness, das ist Unterstützung dort, wo Not am Mann ist. Das Geld, das in Österreich – im Gegensatz zum Ausland – für diese Krise hergenommen worden ist, ist in diesem Land geblieben, und deshalb sind wir jetzt auf einem Erfolgskurs und werden top aus dieser Krise herauskommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte.


11.32.23

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Die Regierungsmaßnahmen helfen. Obwohl die Unsicherheit betreffend den Pandemieverlauf und das Konsumentenverhalten noch hoch ist, erleben wir mo­mentan einen Wirtschaftsaufschwung.

Im Jahr 2020 haben alle europäischen Staaten ein negatives Wachstum verzeichnet. Laut OECD-Prognose erholt sich das BIP bereits 2021, und für das Jahr 2022 wird eine Steigerung von 4,8 Prozent erwartet. Was bedeutet das? – Das bedeutet, die Auftrags­bücher sind voll. Wir Gemeinden tragen wesentlich dazu bei.

Eben weil die Auftragsbücher voll sind, Herr Kollege Angerer von der FPÖ, verlängern wir die Fristen für die Antragstellung für Mittel aus dem Kommunalinvestitionsgesetz,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 75

und nicht deshalb, weil die Gemeinden es sich nicht leisten können, ihre Projekte um­zusetzen. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Dadurch wird natürlich den Gemeinden ermöglicht, die Projekte umzusetzen und sich ein bisschen länger Zeit zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir Gemeinden sind es, die zur Stärkung des Standortes beitragen. Wir investieren in die Infrastruktur, in die Bildung, in die Sicherheit. Als Bürgermeisterin weiß ich, wie wichtig dieses Paket für die Gemeinden und für unsere Bürgerinnen und Bürger ist, eben weil das Geld direkt in der heimischen Wirtschaft ankommt. Es werden Arbeitsplätze gesichert, und der ländliche Raum wird gestärkt, was für uns sehr wichtig ist.

Liebe Kollegen von der SPÖ, manchmal glaube ich, ihr wohnt auf einem Stern und lasst euch immer nur zur Sitzung herbeamen (Beifall bei der ÖVP), speziell Frau Kollegin Yildirim, Kollegin Herr und Kollege Lercher. Frau Kollegin Yildirim, glaube ich, war einmal im Gemeinderat. Kollegin Herr und Kollege Lercher, glaube ich, waren noch nie in einem Gemeinderat und stellen sich da her und wollen uns das Gemeindebudget erklären.

Ich sage Ihnen eines: Ich bin seit sieben Jahren Bürgermeisterin. Sie dürfen sich aus­rechnen, wie oft ich schon ein Gemeindebudget erstellt habe. Wenn ich dann höre, was alles über uns ausgeschüttet wird, schnürt es mir wirklich fast die Kehle zu. Meine Gemeinde ist wirklich keine finanzstarke Gemeinde, aber wir haben es geschafft, wirklich gut aus der Krise zu kommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt, und ich wiederhole es noch einmal (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek): Wir, die ÖVP, sind die Bürgermeisterpartei. Wir wissen, wo der Schuh drückt und wie wir helfen können (Zwischenrufe bei der SPÖ), nämlich mit diesen zwei Gemeindepaketen und mit der Verlängerung der Frist für die Antragstellung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte.


11.35.43

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Da­men und Herren! Ich rede heute über das Bundesgesetz über österreichische Bei­träge an internationale Finanzinstitutionen. Diese Beiträge dienen dem Zweck der Ent­wicklungszusammenarbeit. Das sind die Mittel, um diese Fonds aufzufüllen: Wir reden erstens vom Asiatischen Entwicklungsfonds. Österreich ist da mit 18,9 Millionen Euro für die Jahre 2021 bis 2031 beteiligt. Das sind 0,74 Prozent des Gesamtvolumens. Diese Mittel fließen in die ärmsten Länder in Asien und im pazifischen Raum.

Der zweite Fonds ist der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung. Da ist Österreich mit 1,64 Prozent und insgesamt 16 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2024 beteiligt. Die Mittel dieses Fonds kommen insbesondere Kleinbäuerinnen und Klein­bau­ern in benachteiligten Gebieten weltweit mit Schwerpunkt Afrika zugute. Dies passiert über Zuschüsse oder langfristige Kredite mit geringen Zinsen.

Wir schaffen mit diesem Gesetz die rechtlichen Grundlagen dafür, dass Maßnahmen wie Stärkung der Gesundheitssysteme, Entwicklung von Infrastruktur oder Verbesserung der Bildungssysteme in diesen Ländern vorangetrieben werden. Gerade jetzt sind diese Mittel zur Bewältigung der Pandemie, zur Abmilderung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sehr, sehr wichtig.

Vor allem wenn wir die Hilfe vor Ort im Zusammenhang mit den stattgefundenen Flücht­lingsbewegungen in den letzten Jahren sehen, dann wissen wir, dass diese Mittel gut eingesetzt sind, denn tatsächliche Hilfe für die Leute vor Ort ist das beste Mittel, dem entgegenzuwirken.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 76

Stabile Verhältnisse in den ärmeren Ländern dieser Welt helfen nicht nur den Menschen dort, sondern kommen indirekt natürlich auch den Geberländern zugute. Darum: Stim­men Sie diesem Gesetz bitte zu! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

11.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


11.38.25

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir hier heute das Kommunalinvestitionspaket diskutieren, geht es vor allem um Liquidität, geht es vor allem um Planungssicherheit in den Gemeinden. Wir schaffen mit den 2,5 Mil­liarden Euro die Basis für die Umsetzung vieler Projekte und Maßnahmen und Inves­titio­nen draußen.

Warum müssen wir diese Fristen jetzt verlängern? – Weil die Bauwirtschaft boomt, weil die Auftragsbücher voll sind. Das ist zum einen gut, die Konjunktur wird angekurbelt, aber wir erreichen mit der Fristverlängerung, dass die Gemeinden das Geld auch wirklich voll abholen können. Insgesamt sind ja mittlerweile drei Viertel aller Mittel auf Basis dieses Kommunalinvestitionsgesetzes abgeholt.

Warum ist dieses Geld gut und richtig investiert? – Weil die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Funktionärinnen und Funktionäre draußen wissen, wo der Schuh drückt, bei welchen Projekten die Umsetzung jetzt wichtig ist. Sie haben es in der Hand.

Ich denke an meinen Bezirk, daran, wie vielfältig die Projekte und Investitionen angelegt werden, von Radwegen über Kinderbetreuungseinrichtungen, Gebäude für Vereine und Organisationen bis hin zu Freizeiteinrichtungen. In meiner Gemeinde investieren wir in zwei Spielplätze. Der eine wird erneuert und erweitert, und ein weiterer wird neu gebaut. Das ist eine Möglichkeit für die Kinder und Jugendlichen, sich zu treffen, aber auch dafür, dass Jung und Alt voneinander lernen – ein Generationenpark.

Ich möchte eines festhalten – weil ich in vielen Gesprächen mit meinen Bürgermeis­terkolleginnen und -kollegen darüber diskutiert habe –: dass dieses Geld einfach und unkompliziert abgeholt werden kann. Sie haben gesagt: Selten, dass so ein Gesetz wirklich so ausgezeichnet funktioniert! – Deshalb möchte ich die Anschuldigungen von der Opposition auch dementsprechend aufs Schärfste zurückweisen. Diese 2,5 Milliar­den Euro sind gut investiert. Die Verlängerung ist wichtig, und ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.40


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Klaus Köchl zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.40.35

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bürgermeister­kollegin Baumgartner hat behauptet, dass die Gemeindegelder ausreichend sind. – Das ist unwahr.

Ich berichtige tatsächlich, dass ich aus meiner Erfahrung als Bürgermeister sagen kann (Widerspruch bei der ÖVP – Abg. Wöginger: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!), dass ich mit den Geldern in den letzten 18 Jahren immer ausgekommen bin und wir jetzt 300 000 Euro nicht im Budget haben können. Herr Minister, ich bitte Sie – und ich habe Sie schon öfter ersucht –: Gleichen Sie das bitte aus, ansonsten werden die Gemeinden das Ganze nicht stemmen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

11.41

11.41.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 77

Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war natürlich keine tatsächliche Berichtigung, weil es sozusagen eine politische Meinung war. Ich würde wirklich darum ersuchen, dass wir uns darauf konzentrieren, dass eine tatsächliche Berichtigung einen berichtigenden Sachverhalt beinhalten muss.

Jetzt ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet, und damit schließe ich diese Debatte.

Ich frage, ob seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht ist. – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, frage ich die Klubs, ob wir gleich fortfahren kön­nen. – Gut, dann gehe ich so vor.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an inter­natio­nale Finanzinstitutionen erlassen und das Bundesschatzscheingesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 891 der Beilagen.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung, das Finanzausgleichsgesetz, das Katastrophenfondsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, in 953 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Angerer, ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Yildirim sowie ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Doppelbauer vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über den Artikel 4 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer hierfür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über den Artikel 5 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer stimmt dem zu? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 78

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Unterstüt­zung für Gemeinden in der Krise“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuersenkung für die Menschen, statt Steuergeschenke für Millionäre!“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Transparenz für die Transpa­renzdatenbank“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der Finanzierung der Feuerwehren“. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Es ist die Minderheit, abge­lehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 954 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme des Berichtes? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz genehmigt wird, erlassen wird und das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird, in 955 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Kopf, Götze, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Änderungsantrag betroffen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Kopf, Götze, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Wer sich für diesen Abänderungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 79

11.47.285. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (937 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (963 d.B.)

6. Punkt

Zweite Lesung: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über den Antrag 1086/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (Verfassungsgesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kon­trolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) (1025 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Karl Nehammer im Hohen Haus.

Als erster Redner ist Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.48.41

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Wir beschließen heute hier im Hohen Haus eine Neuordnung des Verfassungs­schutzes, des Staatsschutzes. Das ist eine Reform, die dringend notwendig ist, Herr Bundesminister, wie wir auch aufgrund der Vorgänge rund um den Terroranschlag vom 2. November leider sehr anschaulich miterlebt haben.

Der Verfassungsschutz ist in Österreich schon sehr lange eine riesige Baustelle, das hat auch der Bericht der unabhängigen Zerbes-Kommission noch einmal sehr augen­schein­lich dargelegt. In diesem Kommissionsbericht waren einigermaßen erschreckende Ergeb­nisse, und deswegen haben sich alle Parteien hier im Parlament – und das ist etwas, was ich als sehr positiv angesehen habe – geeinigt, dass wir uns gemeinsam überlegen, wie wir das BVT komplett neu aufstellen können.

Diese Verhandlungen sind aus meiner Sicht – und ich habe das im Geschäftsord­nungsausschuss gestern schon gesagt – ein wirklich positives Beispiel, ja ein Parade­beispiel dafür, wie gelebter Parlamentarismus funktionieren kann, wie man gemeinsam an Gesetzesvorhaben arbeiten kann, wie unterschiedliche Standpunkte, die es zweifel­sohne auch geben soll, gemeinsam diskutiert werden können, wobei man versucht, das Bestmögliche für alle Parteien und vor allem für den Staat Österreich herauszuholen. Dafür will ich mich noch einmal ganz ausdrücklich bei allen, die da mitverhandelt haben, bedanken. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Trotzdem ist es so, dass wir als NEOS am Schluss der Reform, so wie sie jetzt vorliegt, eben nicht vollinhaltlich zustimmen können. Wir wollen – und das ist, glaube ich, das Anliegen von allen hier im Parlament –, dass der Verfassungsschutz, der Staatsschutz seiner Arbeit nachgehen kann und dass er dieser Arbeit gut nachgehen kann. Was wir uns aber wünschen würden und was aus unserer Sicht nicht ausreichend gewährleistet ist, ist, dass er auch umfassend und begleitend vom Parlament kontrolliert werden kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 80

Es sind wirklich massive Verbesserungen in der Reform drinnen, das ist etwas, das wir auf jeden Fall sehen; was aber aus unserer Sicht nicht vorgesehen ist, ist diese umfassende, echte Kontrolle durch das Parlament.

Geheimdienste, Nachrichtendienste, Behörden wie das BVT agieren grundsätzlich im Dunkeln. Das ist ihnen wesensimmanent, das müssen sie, sonst könnten sie ihre Arbeit nicht machen. Wenn eine Behörde im Dunkeln agiert, braucht es aber umso mehr ein starkes Parlament mit einer größtmöglichen Kontrollmöglichkeit, weil nur so gewähr­leistet werden kann, dass der Verfassungsschutz, der leider über Jahre eine ziemliche Blackbox war – in mehrerlei Bedeutung des Wortes –, auch entsprechend kontrolliert wird.

Die Kontrollkommission, die jetzt eingeführt wird, ist weitaus besser als der Status quo, und sie gibt auch die Möglichkeit, dass über Ersuchen des entsprechenden Ausschusses im Parlament entsprechend kontrolliert werden kann. Das geht uns aber, wie schon gesagt, nicht weit genug. Ich bin davon überzeugt, dass die Kontrollbefugnisse der Kom­mission weiter gehen müssen und sich nicht nur auf abgeschlossene Ermittlungen beziehen können. Das kann aus meiner Sicht nicht reichen. Mir ist auch voll und ganz bewusst, dass es einigermaßen komplex wäre, eine Lösung zu finden, wie man auch bei laufenden Ermittlungen entsprechend nebenbei kontrollieren kann; aber ich bin auch überzeugt davon, dass wir uns dieser Herausforderung noch mehr hätten stellen müssen und eine Lösung gefunden hätten.

Überlegen Sie am Beispiel des Terroranschlags vom 2. November: Eine Kontrollkom­mission könnte nicht tätig werden, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Ich bin überzeugt davon, dass eine während der Ermittlungen stattfindende Kontrolle etwas Positives ist. Solche Beispiele gibt es, man braucht sich das nur in Deutschland anzuschauen. Dort gibt es bei besonderen Einzelfällen, die Gegenstand politischer Dis­kussionen sind, die Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung sind, die Möglichkeit, dass das Parlament, die Kontrollinstanzen auch begleitend kontrollieren. Das ist hier nicht der Fall, deswegen gibt es auch keine Zustimmung von uns NEOS.

Trotzdem erachte ich, wie ich vorhin schon gesagt habe, die Art und Weise, wie wir es gemeinsam als Parlament hier geschafft haben, sinnvolle unterschiedliche Standpunkte zu einer gemeinsamen Reform zu bringen, als etwas ganz Besonderes. Das ist leider nicht immer so im Nationalrat beziehungsweise im Parlament, und ich glaube, wir sollten uns das als ein positives Beispiel nehmen und insgesamt schauen, dass wir unter­schiedliche Standpunkte besser miteinander diskutieren und vielleicht zu insgesamt besseren Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land kommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte.


11.53.32

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zu­seher! Ja, heute ist ein besonderer Tag, ich würde sagen, im Sinne des Verfassungs­schutzes in Österreich ein historischer Tag, und alles ist doch eigentlich so einfach.

Sie alle wünschen sich Schutz und Sicherheit. Sie alle wünschen sich, friedlich in Öster­reich leben zu können, geschützt durch einen funktionierenden Verfassungsschutz. Sie alle, die Menschen in Österreich, wünschen sich auch noch etwas: Sie wünschen sich, dass wir in der Politik endlich vom Gegeneinander zum Miteinander kommen – deshalb ist der Tag heute besonders wichtig. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 81

Erinnern Sie sich noch an die Worte von Karl Nehammer? – Er hat damals, Anfang 2020, davon gesprochen, „dass die Schutzmauer der Republik Risse bekommen hat“. Genau deshalb hat er Anfang 2020 den Auftrag zur Neuaufstellung des alten BVT gegeben.

Ich erinnere mich heute noch an die vielen, vielen Stunden, die wir zunächst in Ge­sprächen mit dem Koalitionspartner verbracht haben. Ich möchte hier ganz explizit meinem Pendant als Sicherheitssprecher bei den Grünen, Mag. Georg Bürstmayr, und Mag. Agnes Sirkka Prammer danken, die mit hoher Expertise und großem Feingefühl stundenlang mit uns diskutiert haben. Wir haben dann eine Basis geschaffen, weil wir wussten, dass es wesentlich ist, eine möglichst breite Basis für die umfassende Verfassungsschutzreform der Zweiten Republik zu erreichen.

Wir alle wissen, wie wichtig es gerade beim Thema Sicherheit ist, dass wir zusam­menarbeiten, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten, daher freut es mich als Obmann des Innenausschusses besonders – Niki Scherak hat es angesprochen –, dass wir es zu einem großen Teil gemeinsam geschafft haben.

Wir gründen mit 1. Dezember eine neue Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst. Wir schaffen eine klare Trennung zwischen dem Nachrichtendienst und dem Staats­schutz innerhalb einer Behörde mit einer rund um die Uhr funktionierenden Schnittstelle. Wir schaffen eine unabhängige, weisungsfreie Kontrollkommission zur Überprüfung des organisatorischen und personellen Funktionierens dieser neuen Behörde, dieser neuen Direktion, samt Berichterstattung an den Innenminister, an das Parlament und an die Öffentlichkeit.

Auch erweitern wir – das ist mir besonders wichtig und das war auch der Opposition besonders wichtig – wie noch nie zuvor die parlamentarische Kontrolle des Verfas­sungsschutzes durch umfassende gesetzliche Regelungen im neuen Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz und im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates. Meine Damen und Herren, wir stellen eine professionelle, transparente, qualitätsvolle Auswahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der neuen Direktion künftig sicher.

Ich danke an dieser Stelle allen Fraktionen. Den Grünen habe ich schon gedankt. Der Opposition möchte ich es ebenfalls noch ausdrücklich sagen: Reinhold Einwallner, wie oft haben wir telefoniert! Wie weit waren wir auseinander, und wie sehr haben wir beide versucht, aufeinander zuzugehen! Das Gleiche gilt für Hannes Amesbauer von den Frei­heitlichen. Wir waren weit auseinander, wir haben mit viel Emotion diskutiert, aber wir haben letztlich zu einer gemeinsamen Lösung gefunden.

Ich danke auch den NEOS für ihre Vorschläge, auch wenn sie als Fraktion am Ende nicht völlig dabei sind. Aber verzeiht mir, die Forderung von Frau Dr. Krisper, eine operative Kontrolle von Einzelfällen während laufender Ermittlungen zu schaffen – das geht einfach nicht. Das würde das Vertrauen der internationalen Partnerdienste beein­trächtigen, und es würde unter Umständen auch das Leben einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährden, wenn hier Informationen ungezügelt hinausgingen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Das Regierungsprogramm war schon ein guter Start für den Verfassungsschutz und für die Verfassungsschutzreform. Die Regierungsvorlage war eine gute Basis, aber hier im Parlament haben wir durch ge­lebten Parlamentarismus noch vieles erreicht, und die heutigen Abänderungsanträge zeigen: Jetzt haben wir ein ausgewogenes Paket für einen funktionierenden Verfas­sungs­schutz und für eine funktionierende parlamentarische Kontrolle in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend, meine Damen und Herren, und zum eigentlichen Thema zurückkom­mend: Das Thema Sicherheit und Verfassungsschutz hat uns aus meiner Sicht wieder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 82

zu den guten Tugenden der Politik zurückgeführt, vom Gegeneinander zum Miteinander. Das ist gut im Dienste der Demokratie, im Dienste des Parlamentarismus und im Dienste der Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Scherak.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


11.59.11

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Ich glaube, und das haben die Vorredner schon aufge­zeigt, dass es durchaus in vielen Punkten Einigkeit darüber gibt, was ein Verfassungs­schutz können muss. Auch glaube ich, dass gerade der Prozess, den wir Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen in den letzten Monaten geführt haben, durchaus vorbildlich war.

Nachdem ich das Thema Vertagung und Umgang mit der Opposition gestern zum Thema gemacht habe, möchte ich aber an dieser Stelle generell den Innenausschuss hervorheben, weil wir dort über die letzten Monate wirklich zu einer sehr konstruktiven Arbeitsweise gefunden haben. Auch der Ausschussvorsitzende hat immer sehr intensiv daran gearbeitet, dass wir möglichst gemeinsam agieren, insbesondere beim Vorgehen rund um den Terroranschlag und so weiter, wo wir durchaus versucht haben, das Ge­meinsame vor das Trennende zu stellen. Das wäre auch für andere Ausschüsse vorbildlich.

Ein Verfassungsschutz – davon sind wir überzeugt – muss immer die aktuelle Gefähr­dungslage im Blick haben. Er muss immer dafür sorgen, dass die Sicherheit in diesem Land gewährleistet ist. Er muss sowohl im Inland als auch im Ausland mit den Nach­richtendiensten kooperieren, bestmöglich zusammenarbeiten und die Informatio­nen zusammenführen. Er muss die Mittel bekommen, die er braucht, um das tun zu können. Ich glaube, auch da sind wir viele Schritte weitergegangen, gerade auch mit einem gewissermaßen transparenten Budget durch den Unterausschuss, schon in der Vergangenheit, aber er muss diese Mittel, die er bekommt, auch effizient und gut nutzen.

Zuallerletzt – und das ist auch der Grund, warum wir uns heute sehr schwertun, hier mitzustimmen, weswegen wir nicht mitstimmen werden – muss natürlich Kontrolle gewährleistet sein: Kontrolle, die permanent auch vom Parlament gewährleistet und ausgeübt und begleitet wird. (Abg. Lausch: Kontrolle in der ÖVP ist ein Widerspruch! Das geht nicht zusammen!)

Es gibt in diesem Vorschlag durchaus Verbesserungen, die man hervorheben muss: Es kann nun eine Minderheit den Ständigen Unterausschuss einberufen, und auch die Kontrollkommission ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung. Kollege Scherak hat es aber schon angesprochen: Die Kontrollkommission alleine hilft nicht, wenn sie die möglichen Kontrollmechanismen nicht wirklich entfalten kann, um permanente Kontrolle durch das Parlament gewährleisten zu können.

Sie, Herr Kollege Mahrer, haben auch schon die Einzelfälle angesprochen. Wir erachten es für notwendig, dass auch diesbezüglich die Kontrolle permanent und auch während des Verfahrens laufend gewährleistet sein muss, insbesondere wenn sie im öffentlichen Interesse stehen und auch tagespolitisch ein Thema sind. Es wurde zweimal von beiden Vorrednern das Thema Terroranschlag vorgebracht. Das zeigt genau dieses Thema ja auch perfekt auf: Der Terroranschlag hat stattgefunden. Wir haben dann relativ schnell die Zerbes-Kommission zum Arbeiten gebracht, die parallel Erkenntnisse berichtet und aufgezeigt hat.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 83

Ich weiß, das kann man nicht mit einer Kontrollkommission gleichsetzen, aber es zeigt, dass man parallel politische Schlüsse ziehen und schauen kann, was hier politisch pas­siert und wie es passiert. Genau das wäre auch ein Vorbild, diesen Prozess so zu starten, um dann permanente politische Kontrolle im Ausschuss durch das Parlament zu haben und auch die notwendigen Schlüsse ziehen zu können.

Das zweite Argument, das kommt, ist das Thema Geheimhaltung, es wäre gefährlich für Mitarbeiter et cetera. Ich verstehe diesen Grundgedanken, aber man darf nicht verges­sen: Für alle Beteiligten gilt die Amtsverschwiegenheit. (Abg. Gerstl: Kontrolle ...! – Ruf bei der ÖVP: Untersuchungsausschuss ...! – Abg. Pfurtscheller: Die Verschwiegenheit der NEOS, die kennen wir schon!) Die Kontrollkommission ist über die Amtsver­schwie­genheit daran gebunden, mit diesen Maßnahmen nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.

Kontrolle heißt ja nicht, Dinge in die Öffentlichkeit zu tragen, sondern heißt, sich intensiv parlamentarisch mit den Themen auseinanderzusetzen, wie wir das auch in der Ver­gangenheit im Unterausschuss sehr oft getan haben. Gerade auch in dieser Hinsicht ist der Umgang mit dem Terroranschlag ein Paradebeispiel dafür, wie das sehr gut funktio­niert, weil Dinge da nicht nach außen gedrungen sind. Wir haben im Unterausschuss sehr gut analysiert und auch überfraktionell, glaube ich, zusammengearbeitet.

Genau das wären die Schritte gewesen, die wir auch für das neue BVT, für die Neu­aufstellung gebraucht hätten, damit wir heute hier mitgehen können. Ich glaube trotz­dem, dass viele richtige Schritte dabei sind, das Thema Kontrolle wäre aber noch besser abzubilden gewesen, denn Kontrolle schafft Transparenz, schafft Prävention und schafft auch Legitimität. Genau das wären Schritte gewesen, die noch notwendig gewesen wä­ren. (Beifall bei den NEOS.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


12.03.57

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich glaube, dass eine Reform des BVT und des Verfassungsschutzes ganz, ganz dringend notwendig war. Das steht außer Frage. Wir alle kennen die Vorfälle der letzten Jahre im BVT und wissen, welch großen Schaden der österreichische Verfassungsschutz genommen hat. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Ich glaube, die Analyse dessen, was in der Vergangenheit alles schiefgelaufen ist, können wir uns heute hier an diesem Tag ersparen, weil wir uns von Anfang an – es war von allen Parteien im Parlament eine breite Beteiligung angekündigt – die Reform des Verfassungsschutzes und der Nachrichtendienste auf die Agenda geschrieben haben. Es stimmt schon, dass wir eingebunden waren, ich muss allerdings dazusagen: Das war nicht von Anfang an so. Man muss ehrlicherweise auch sagen, dass der Terroranschlag vom 2. November das Prozedere auch betreffend die Reformschritte, die Reform­bemü­hungen und die Einbindung der Fraktionen deutlich beschleunigt hat.

Wir als Sozialdemokratie haben einen Vorschlag vorgelegt, wie wir uns eine moderne Sicherheitsarchitektur inklusive eines modernen Nachrichtendienstes und Staatsschut­zes vorstellen können. Es waren für uns zwei Punkte ganz wichtig und entscheidend: auf der einen Seite eine starke parlamentarische Kontrolle, auf der anderen Seite eine strikte Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatspolizei beziehungsweise Staats­schutz. Das waren unsere zwei großen Punkte, sage ich jetzt einmal.

Wir hätten uns natürlich auf der einen Seite bei der Trennung der beiden Dienste ein konsequenteres Vorgehen gewünscht, sodass diese Organisationseinheiten tatsächlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 84

voneinander getrennt sind. Sie sind jetzt zwar organisatorisch getrennt, aber noch unter einem Dach. Das sehen wir nach wie vor durchaus kritisch.

Jetzt aber zu den sehr, sehr positiven Aspekten dieser Vorlage und dieser Gesetze, die heute hier vorliegen: Es ist ein Meilenstein hinsichtlich parlamentarischer Kontrolle, der uns hier gelungen ist – und der ist uns wirklich parteiübergreifend gelungen. Wir ermög­lichen in den Unterausschüssen für die Nachrichtendienste – für Inneres sowie für Lan­desverteidigung – einen Paradigmenwechsel und erreichen, dass es eine Berichtspflicht gibt, dass es strukturierte Abläufe gibt, dass es regelmäßige Lagebilder gibt und dass es ein Minderheitsrecht gibt, sodass ein Viertel der Abgeordneten Sitzungen und Berichte einfordern und auch der neu geschaffenen Kontrollkommission Prüfaufträge erteilen kann.

Ich glaube, das ist ein Herzstück dieser Reform. Ich verstehe teilweise die Kritik der NEOS, aber ich glaube, es ist uns da ganz, ganz viel gelungen. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn wir hier eine Fünfparteieneinigung erzielt hätten. Ich weiß, dass ihr viele dieser Punkte natürlich auch positiv seht.

Diese Stärkung der Kontrollrechte ist eine große Veränderung gegenüber dem ersten Entwurf, weil wir so die Kontrollkommission ganz, ganz klar im Hauptausschuss mit Zweidrittelmehrheit wählen, auch hier im Plenum wählen und weil die Kriterien für die Mitglieder dieser Kommission auf einem hohen Niveau sind, damit wir wirklich eine gute Basis für eine starke Kontrolle haben, um wieder Vertrauen in unsere Nachrichtendienste zu schaffen.

Meine Damen und Herren, jetzt haben wir die Grundlage im Gesetz. Es wird die Frage und die Herausforderung sein, wie wir das mit Leben erfüllen. Es ist jetzt die Verant­wortung und Aufgabe des Ministers, alles, was jetzt da ist, personell so auszustatten, dass es dann in Zukunft gut funktioniert. Da wird es, Herr Minister, gelingen müssen, von einer Personalpolitik abzukehren, wie sie in den letzten Jahrzehnten im BVT war. (Beifall bei der SPÖ.) Wir brauchen Qualität. Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen; Vertrauen ist die Währung in den Nachrichtendiensten. Wir brauchen auch die internationale Anbin­dung wieder.

Es freut mich, dass es gelungen ist, eine Evaluierung zu vereinbaren, um das alles schlussendlich auch noch kontrollieren zu können. Das ist eine neue Konstruktion: die Kontrollkommission und die Stärkung der Ausschüsse. Jetzt müssen wir schauen, ob das dann auch so funktioniert, darum ist die Evaluierung so wichtig, die wir mit ange­stoßen haben, in einem Zeitfenster, das realistisch ist, das uns dann aber auch Auf­schlüsse geben wird. Kollege Scherak, dann wissen wir, ob das Zusammenspiel mit der Kontrollkommission funktioniert oder nicht. Ich glaube, das ist auch ein ganz entschei­dender Punkt betreffend die Qualität dieses Gesamtpaketes.

Lassen Sie mich zum Abschluss allen Verhandlungspartnern aller Parteien auch noch einmal kurz Danke sagen, weil es sehr intensive, aber sehr konstruktive Verhandlungen waren. Ich danke ganz besonders Karl Mahrer, weil er sehr hartnäckig an dieser gemein­samen Lösung gearbeitet und immer wieder eine Brücke gebaut hat. Auch wenn es einmal so ausgeschaut hat, als kämen wir nicht mehr zusammen, sind wir wieder einen Schritt aufeinander zugegangen. Das war eine hohe parlamentarische Qualität, die wir da alle miteinander bewiesen haben. Ich glaube, auf einen solchen parlamentarischen Prozess können wir auch sehr, sehr stolz sein. – Das ist das eine. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Das Zweite: ein Dank an die Referentinnen und Referenten, die immer im Hintergrund arbeiten – sie sind auch heute wieder im Hintergrund. Erlauben Sie mir, von unserer Seite Christian Schießer ausdrücklich zu danken, der im Hintergrund ganz, ganz viel Arbeit geleistet hat – ein herzliches Dankeschön in diese Richtung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 85

Es ist an der Zeit, dass wir die Basis, die wir jetzt haben, mit Leben erfüllen. Wir haben jetzt eine gute Grundlage, das BVT und die Nachrichtendienste in einer neuen Orga­nisation gut aufzustellen, damit wir auch international entsprechendes Vertrauen wieder­gewinnen, was wir dringend brauchen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und NEOS.)

12.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.10.50

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die heutigen Beschlüsse sind gut für das Vertrauen der Bevölkerung in den Nachrichtendienst. Das ist ein guter Tag für die öffentliche Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Die dringend notwendige BVT-Reform, um das ein bisschen klarzustellen, ist nicht eine Folge des Terroranschlags, wie das medial in den letzten Tagen oft dargestellt wurde. Das ist ein längerer Prozess, der in Wahrheit schon unter Herbert Kickl in seiner Zeit als Innenminister angestoßen wurde. Peschorn hat das weitergeführt, Nehammer hat es aufgegriffen. Ich muss dazusagen, die Gründe, die die Reform notwendig gemacht haben, sind vielfältig: das Problem mit den Informations­abflüssen aus dem BVT, dubiose Kontakte zu Wirecard – Marsalek – und so weiter, immer wieder der Versuch der politischen Einflussnahme, parteiische Postenbesetzun­gen und einige Probleme mehr, die auch im Bericht des Berner Klubs gut nachlesbar sind.

Meine Damen und Herren! Es geht jetzt aber nicht darum, wieder einmal, zum x-ten Mal zu diskutieren: Wer trägt genau die Schuld woran? – Das haben wir schon gemacht. Ich denke, was die Vergangenheit betrifft, haben wir unterschiedliche Versionen dieser Geschichte, das wird sich auch nicht ändern. Wir schauen jetzt aber in die Zukunft, und wir bauen diesen Verfassungsschutz jetzt für die Zukunft gemeinsam neu auf. Das Hauptproblem war der Vertrauensverlust der internationalen Partnerdienste, aber auch der Bevölkerung. Gerade im sensiblen Bereich der Nachrichtendienste ist Vertrauen eine der wichtigsten Währungen überhaupt.

Ich möchte gleich zu Beginn mit Dankesworten nicht sparen. Das gilt für alle Fraktionen, die da beteiligt waren. Wir haben zu fünft wirklich gut zusammengearbeitet. Es war am Anfang ein bisschen schleppend, als aber die Regierungsvorlage auf dem Tisch gelegen ist, haben wir den Termin im BMI gehabt, und da hat es das Angebot der Regierungs­fraktionen zur Zusammenarbeit gegeben, das Angebot, während des Begutachtungs­verfahrens und darüber hinaus Vorschläge einzubringen, zu diskutieren und auch anzu­nehmen.

Da war ich natürlich ein bisschen skeptisch, aber es hat sich dann recht schnell heraus­gestellt, dass das gut funktioniert. Wir haben sowohl innerhalb der Oppositionsparteien, insbesondere mit Kollegen Einwallner, aber auch mit Kollegin Krisper sehr gut zusam­mengearbeitet, als auch mit den Regierungsparteien. Ich möchte mich ausdrücklich bei Kollegen Bürstmayr für die guten Gespräche bedanken, vor allem aber auch bei dir, lieber Karl Mahrer. Es stimmt, was Reinhold gesagt hat: Du warst wirklich hartnäckig. Wir haben oft telefoniert, oft auch hier gesprochen. Man hat gemerkt, es ist dir ein Anliegen, dass wir da Einigkeit zustande bringen, und das war auch uns wichtig.

Wir haben von Beginn an gesagt: Wir schalten jetzt nicht auf Frontalopposition, wir schlucken natürlich nicht alles, aber im Sinne der staatspolitischen Verantwortung, die man als Abgeordneter nun einmal hat, egal ob Regierungspartei oder Oppositionspartei,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 86

ist es uns wichtig, zu einer guten Lösung zu kommen, und ich denke, das ist uns gelun­gen.

Ich möchte mich auch ausdrücklich, so wie es Kollege Einwallner gemacht hat, bei den Referenten bedanken, die ja die Knochenarbeit gemacht haben – in unserem Fall war das Bernhard Rochowanski, der wirklich großartige und wertvolle Arbeit geleistet hat –, und auch bei Ihnen, Herr Innenminister, stellvertretend für die Spitzenbeamten Ihres Ressorts, die uns in einer Qualität und in einer Form, wie sie es ja nicht hätten müssen, Rede und Antwort gestanden sind. Sie waren wirklich immer offen für unsere Anliegen und haben uns mehrfach bis ins kleinste Detail alle Reformschritte erklärt.

Meine Damen und Herren, zum Inhalt nur kurz – ich will das nicht alles wiederholen –: Neuaufstellung des BVT, jetzt unter dem Namen Direktion Staatsschutz und Nach­richtendienst, kurz DSN – es wird ein bisschen dauern, bis wir das Kürzel alle intus haben –, mit dem Terminus Verfassungsschutz als Überbegriff. Es ist uns auch wichtig, dass es im Vergleich zur ersten Version der Regierungsvorlage gelungen ist, diese Trennung noch stärker herauszuarbeiten. Das ist ganz wichtig, und es ist vielleicht auch wichtig, das für die Zuseherinnen und Zuseher zu erklären: Die Personen, die im Nachrichtendienst arbeiten, sind dann keine Polizisten mehr. Das ist wichtig, weil es da immer Interessenkonflikte gibt. Das war in Wahrheit auch ein bisschen der Geburtsfehler des alten BVT, dass die Aufgaben des Nachrichtendienstes und die polizeilichen Auf­gaben so eng verknüpft waren. Das ist also eine wichtige Geschichte.

Es gibt den aus meiner Sicht ernst gemeinten Versuch einer Entpolitisierung der Füh­rung. Als gelernter Österreicher weiß man natürlich, dass es das in Österreich niemals vollständig geben wird – das muss es auch nicht geben, denn es kann nicht sein, dass man, wenn man einmal irgendwo politisch tätig war, in einer Spitzenposition überhaupt nichts mehr werden darf. Es gibt aber eine Abkühlphase, und es gibt den ernst gemeinten Versuch, die Führungspositionen zu entpolitisieren.

Es kommt eine Verschärfung der Nebenbeschäftigungsregelungen – das war uns als Freiheitlicher Partei besonders wichtig, das haben auch die Erfahrungen der Vergan­genheit gezeigt – und eine stark verbesserte interne Kontrolle der Tätigkeit des Verfas­sungsschutzes durch eine verpflichtende Einführung von entsprechenden Qualitäts­sicherungssystemen.

Es werden Fallkonferenzen für den Aufgabenbereich Staatsschutz nach dem Vorbild der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen eingeführt. Da geht es im Wesentlichen darum, dass Maßnahmen und Informationen verschiedener Akteure zur Vorbeugung verfas­sungsgefährdender Angriffe möglichst effizient abgestimmt werden. Das ist ja auch eine Lehre aus den Vorkommnissen im Vorfeld des Terroranschlages, dass Informationen, die da sind, auch dementsprechend verwertet werden.

Es kommt zu einer massiven Stärkung im Nachrichtendienst, was die Bereiche Analyse und Informationsgewinnung betrifft, und – jetzt kommen wir zu dem für uns für die Zu­stimmung entscheidenden Punkt, das ist der Ausbau der parlamentarischen Kontrolle – es gibt, jetzt neu, die Berichtspflicht des Bundesministers gegenüber dem Parlament, konkret gegenüber dem Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses, dem soge­nannten Geheimdienstausschuss. Das war ja bisher nicht der Fall, da haben wir dem Minister die Dinge immer mühsam aus der Nase ziehen müssen, und jetzt gibt es eben diese Berichtspflicht, insbesondere über wesentliche Änderungen von die innere Sicher­heit betreffenden Lagebildern. Es wird weiters die jetzt schon mehrfach angesprochene unabhängige und weisungsfreie Kontrollkommission zur Kontrolle der Tätigkeit des gesamten Verfassungsschutzes geschaffen. Die Mitglieder dieser Kontrollkommission werden hier im Haus mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Das ist eine Verfassungsbestimmung,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 87

das heißt, eine künftige Regierung kann das nicht einfachgesetzlich zu ihren Gunsten ändern.

Was die Geschäftsordnung betrifft, ist es aus meiner Sicht ein wirklich großer Wurf, der uns hier gemeinsam gelungen ist, dass das Minderheitsrecht verwirklicht wird. Das heißt, wir Freiheitlichen könnten gemeinsam sowohl mit der SPÖ als auch mit den NEOS diese Kontrollkommission damit beauftragen, gewisse Sachverhalte zu prüfen.

Ein bisschen schade ist es, dass die NEOS nicht dabei sind. Ich muss aber sagen, die NEOS haben wertvolle Inputs geliefert, vor allem im Zusammenhang mit unserem ursprünglichen gemeinsamen Oppositionsantrag betreffend Geschäftsordnung. Mehr kann man immer haben, aber es ist klar: In einer Verhandlung bekommt man niemals 120 Prozent, in Wahrheit auch nicht 100 Prozent, man muss aber schauen, dass man möglichst viel herausverhandelt. Ich denke, das ist gelungen, und gerade das, worum es den NEOS geht, nämlich die Kontrolle während laufender Ermittlungsverfahren, ist ein sehr heikles Thema. Da bin ich auch skeptisch. Ich bin der Meinung, wir hier sind Abgeordnete und keine Ermittler und deshalb ist das grundsätzlich einmal so in Ordnung. Meiner Meinung nach ist die parlamentarische Kontrolle jetzt wirklich ein Meilenstein in diesem Komplex.

Weiters gibt es – das darf man nicht vergessen – auch eine Evaluierung nach spätestens fünf Jahren, neben der Qualitätssicherung. Das heißt, das ist ja ein laufender Prozess, es wird sicher da oder dort Verbesserungsbedarf erkannt werden, und das kann dann auch dementsprechend repariert werden. Wir werden natürlich auch von unseren Möglichkeiten der Minderheitsrechte entsprechend Gebrauch machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir fassen heute gute Beschlüsse. Das ist gut und wichtig, einerseits für die Menschen, die dann in dieser neuen Behörde arbeiten, das ist aber insbesondere wichtig für das Vertrauen der internationalen Partnerdienste und das Vertrauen der Bürger in jene Behörde, die für die öffentliche Sicherheit dieses Landes zuständig ist und einen großen Beitrag für die innere Sicherheit des Landes leistet. – Ich danke allen Beteiligten. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr zu Wort. – Bitte.


12.20.18

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz auf die Worte meines Vorredners, von Kollegen Amesbauer von der FPÖ, eingehen. Diese waren ausgesprochen sachorientiert, ruhig und respektvoll gegenüber allen anderen Parteien. So habe ich Sie, Herr Kollege Amesbauer, in den Verhandlungen zu dieser Reform auch kennengelernt, und ich finde es bedauerlich, dass das bei so vielen anderen Themen nicht geht. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Vielleicht bringen Sie das öfters zusammen! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

Ich möchte weiters darauf eingehen, was uns da gelungen ist und wie das gelungen ist, denn beides ist außergewöhnlich: dass wir einen modernen Staatsschutz und Nachrich­tendienst, der international wieder Respekt erfährt, aufstellen, solcherart, dass wir die zwei grundverschiedenen Aufgaben, die dieser Dienst zu erfüllen hat, deutlich vonei­nander trennen, nämlich einerseits das Gewinnen und Auswerten von Nachrichten – und zwar nicht mit Doppelnullagenten, sondern in aller Regel sind das frei zugängliche Infor­mationen, die man nur verstehen und aufbereiten muss – und andererseits die klas­sische polizeiliche Strafverfolgung unter Anleitung der Staatsanwaltschaft. Das war im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 88

alten BVT vereint, jeweils in einer Person vereint, die sich permanent zwei Hüte aufset­zen musste. Das war ein Konzept des 20. Jahrhunderts, und nun haben wir einen Dienst nach den Regeln des 21. Jahrhunderts geschaffen.

Meine VorrednerInnen haben es schon erwähnt: Unvereinbarkeitsregelungen für das Personal, Cooling-off-Perioden für das Spitzenpersonal, mehr Prävention und – was uns Grünen sehr wichtig ist – Erhalt der Grundrechte der Menschen in Österreich. In anderen Staaten, gerade bei den deutschsprachigen Nachbarn, beobachten wir derzeit den Trend, dass Nachrichtendienste und Polizei immer tiefer in die Grundrechte der Bürge­rinnen und Bürger eingreifen. Wir haben das nicht getan, sondern stattdessen die Kon­trolle ausgeweitet, nicht nur im Unterausschuss des Innenausschusses, nicht nur mit einer eigenen, unabhängigen und weisungsfreien Kontrollkommission, sondern auch mit einer deutlichen Stärkung der Position des Rechtsschutzbeauftragten und – Florian Klenk, wenn du uns zuhörst: du musst jetzt sehr stark sein! – einer eigenen Stelle für Whistleblower. Wenn sich jemand über Mängel in diesem Dienst beschweren will, muss er nicht mehr unbedingt den „Falter“ anrufen, wobei ich sonst nichts Schlechtes über den „Falter“ sagen möchte. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit bei ÖVP und NEOS.)

Wie haben wir das getan? – Im Parlament, durch die Abgeordneten. Wir haben gemein­sam festgelegt, was wir kontrollieren wollen. Alle haben dabei Ideen eingebracht, und Kritik wurde aufgegriffen. Ich erinnere daran, dass im Begutachtungsentwurf zum Bei­spiel eine kleine Stelle zur Frage von Hausdurchsuchungen bei Behörden enthalten war, und daran hat es berechtigte Kritik gegeben. Wir haben sie gehört, wir haben sie aufgegriffen, und wir haben das repariert. Auch das ist nicht selbstverständlich, aber es ist grün – so versuchen wir Grüne, zu regieren.

Es wurde schon erwähnt, dass diese Reform ohne die Mitarbeit und die umfangreiche Arbeit von ganz, ganz vielen Menschen nicht möglich gewesen wäre, nicht nur von uns Abgeordneten, sondern auch von Menschen in Ministerien und vor allen Dingen der Referenten und Referentinnen in unseren Klubs, ohne die wir überhaupt ganz, ganz viele Gesetze nicht einmal im Ansatz vorlegen und beschließen könnten. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen ReferentInnen aller Parteien herzlich für ihre Arbeit bedanken. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS sowie des Abg. Einwallner.)

Wir Grüne haben eine eigene Referentin für Grundrechte und Sicherheit, denn das ist grüne Sicherheitspolitik: zwei Ziele, die andere als Widerspruch sehen, zusammen zu denken und zusammen zu gestalten, Sicherheit für unsere Grundrechte und unser Grundrecht auf Sicherheit. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

12.25


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Karl Nehammer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.25.25

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde viel darüber gesprochen, was sein wird, wenig darüber, was war, und alles zusammen betrachtet können wir hier heute gemeinsam feststellen: Es ist die größte Verfassungsschutzreform in der Zweiten Re­publik, und sie ist der unglaublichen Zusammenarbeit unter den Fraktionen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums für Inneres geschuldet – ihnen allen gemeinsam von meiner Seite ein großes Danke dafür. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die Geschichte des Verfassungsschutzes war lange Zeit von einem sehr starken Fokus auf den staatspolizeilichen Charakter geprägt. Es gab dann mehrere Änderungsversuche,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 89

unter anderem das alte BVT; das alte BVT ist auch die alte Schutzmauer der Republik, und ja – Sie haben es auch in Befunden festgestellt –, sie hat Risse bekommen, sie hat poröse und brüchige Steine. Die Aufgabe war es und ist, dass wir der Republik eine neue Mauer bauen. Der Verfassungsschutz schützt die Grundfundamente der Republik: Freiheit, Sicherheit und Demokratie. – Das ist das Selbstverständnis eines modernen und neuen Verfassungsschutzes.

Die Aufgabe war komplex. Es war schon bei den Koalitionsverhandlungen Ziel von uns – sprich der Volkspartei und der Grünen –, da große Zustimmung zu bekommen. Das hat sich im Regierungsprogramm manifestiert, bis hin zum Aufsetzen des Projekts von mir als Innenminister gemeinsam mit dem Projektverantwortlichen und dem Projektleiter, bei denen ich mich namentlich bedanken möchte, nämlich dem Generalsekretär Helmut Tomac und vor allem dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Franz Ruf, der als Projektleiter die Hauptlast der Organisation des neuen Projekts zu erarbeiten hatte.

Es war ganz klar: Wir brauchen eine große Zustimmung im Hohen Haus, im Parlament, unter den Fraktionen, weil das größte Problem des alten BVT der Vertrauensverlust war. Der Vertrauensverlust war national, aber genauso auch international gegeben. Das heißt, die Herausforderung war: Wie können wir bestmöglich dieses Vertrauen zurück­gewinnen, bei Ihnen als Parlament, als Kontrolleure der operativen Verwaltung, der Sicherheitsbehörden auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch bei unseren Partnerdiensten? Ein funktionierender Verfassungsschutz kann nur so gut sein wie seine Kontakte, Beziehungen und operative Zusammenarbeit mit internationalen Partner­diensten. Daher war es wichtig, Sie alle auf den Weg mitzunehmen.

Ich kann mir vorstellen, aus der Sicht der Opposition war es am Anfang zu wenig. Ich kann Ihnen sagen, es war für das Innenministerium völlig neu. Die Transparenz, die wir von vornherein im Ständigen Unterausschuss haben walten lassen, war einzigartig in der Zweiten Republik, aber nicht deshalb, weil wir uns so super fühlen, sondern weil wir es als unerlässlich empfunden haben, weil ein neuer Verfassungsschutz nur funktio­nieren kann, wenn die Transparenz gegeben ist, von der Sie heute auch schon oft gesprochen haben.

Der sehr geschätzte Kollege Georg Bürstmayr, Bereichssprecher für Sicherheit, hat ge­rade etwas gesagt, was für die Polizei schon lange kein Gegensatz mehr ist: Men­schen­rechte und Sicherheit bedingen einander in einer Demokratie. Polizei macht Menschen­rechte: Das ist schon jahrzehntelang ein Projekt innerhalb des Bundesministeriums für Inneres, weil wir nur dann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger haben können, zu deren Schutz wir ja berufen und verpflichtet sind, wenn der Grundrechtsschutz, wenn die Menschenrechte die obersten Parameter unseres Tuns und Handelns sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Es wurde aber auch angesprochen, dass diese Freiheit, das Zusammenwirken der demokratischen Kräfte auch Sicherheit braucht, und diese Sicherheit stellt diese Reform auch mit sicher. Durch die Trennung von Nachrichtendienst und Staatspolizei, durch die Fokussierung beider Teile auf das, wozu sie da sind – der Nachrichtendienst zur Gefahrenaufklärung, die Staatspolizei zur Gefahrenabwehr –, und das Zusammenführen in eine Organisationseinheit, um eben nicht Parallelentwicklungen unkontrollierter Art und Weise zu haben, wie wir sie im internationalen Vergleich begutachten und sehen durften, stellt diese Einheit sicher, dass die Informationen zusammenlaufen und dass wir – und das muss das gemeinsame Ziel sein – das Risiko, wenn denn dann die neue Schutzmauer errichtet ist, eines neuerlichen Terroranschlags von extremistischen Kräften reduzieren können.

Das, was ich heute als Minister erleben darf und das Hohe Haus heute beschließt, ist das Fundament für diese neue Schutzmauer. Gestatten Sie mir da auch einen Widerspruch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 90

zu den NEOS, die in den Verhandlungen sehr konstruktiv waren: Die neue weisungsfreie Kontrollkommission im Parlament hat umfassende Rechte. Die Zerbes-Kommission, die Sie auch erwähnt haben, Herr Kollege Scherak, hat es erst recht bewiesen, denn die Zerbes-Kommission hat einen Zeitabschnitt unter die Lupe genommen, aber nicht laufende Ermittlungen; das hätte zum einen die Kommission völlig überlastet und den Fokus auf das Falsche gelegt, denn uns war wichtig, durch die Zerbes-Kommission die Fehler aufzuspüren, aufzuzeigen und daraus die Lehren für den neuen Verfassungs­schutz zu ziehen, und zum anderen hätte es die operative, die unmittelbare Arbeit der Ermittler behindert.

Auch die neue Kontrollkommission des Parlaments kann natürlich solche Zeitabschnitte kontrollieren. Einer neuerlichen Zerbes-Kommission, sollte sie denn notwendig sein, steht überhaupt nichts im Wege, denn Transparenz ist auch für die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, abgekürzt DSN, ein Eckpfeiler einer besseren Arbeit als zuvor; nur dann, wenn kein Misstrauen gegen jemandes Arbeit herrscht, ist er erfolgreich und kann nachhaltig auch in dunkle Bereiche vordringen, wie es vorher nicht möglich gewesen wäre. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das heißt also, heute wird das Fundament gelegt, die neue Mauer errichtet. Das Gesetz tritt mit 1.12.2021 in Kraft. Es gilt jetzt, die notwendigen Ressourcen sicherzustellen, das tun wir: einerseits durch mehr Budget, andererseits durch mehr Personal; vor allem können wir jetzt auch endlich die Struktur bilden und dann auch personell besetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben Ihren MitarbeiterInnen in den Klubs sehr viel gedankt, und das zu Recht. Gestatten Sie mir als Innenminister, meinen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern im BMI besonders zu danken. Die Legisten haben eine herausfordernde Arbeit, sie ist umfassend, sie erfordert unendlich viel Flexibilität, Genauigkeit und Präzision. Allen, die im Innenministerium mitgewirkt haben, vom Gene­raldirektor für die öffentliche Sicherheit über den Generalsekretär bis zum Kabi­nettschef, der in der Koordinierung mit unserem Koalitionspartner gemeinsam mit seinem Gegen­über viel geleistet hat, sei ein großes Danke gesagt. Ich freue mich auf eine erfolgreiche und starke Zukunft einer neuen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abg. Oberrauner.)

12.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Christian Stocker zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.33.36

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause! Heute ist ein guter Tag, ein guter Tag für den Verfassungsschutz und für die Sicherheit in unserem Land. Ich darf dir, sehr geehrter Herr Innenminister, sehr herzlich für deine Worte danken, aber noch mehr für dein Engagement, das du in diese Reform gelegt hast, stellvertretend auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deines Hauses, denn aus deinen Worten war erkenn­bar, dass dir diese Reform auch ein persönliches Anliegen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Verfassungsschutz und namentlich das BVT hat dieses Haus ja mehrfach beschäf­tigt, unter anderem auch im Rahmen eines Untersuchungsausschusses, und letztlich haben die traurigen Ereignisse des Terroranschlags auch gezeigt, dass dort Reform­bedarf besteht. Es hat parteiübergreifend Einigkeit darüber gegeben, dass der Verfas­sungsschutz auf neue Beine zu stellen ist, dass eine moderne Ablauforganisation, eine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 91

moderne Aufbauorganisation notwendig ist, um die Arbeit einerseits zu professiona­lisie­ren, aber andererseits auch international auf eine Ebene zu heben, auf der wir wieder vertrauensvoll mit unseren Partnerdiensten zusammenarbeiten können.

Diese moderne Organisation hat vieles mit sich gebracht, und das ist ja von meinen Vorrednern auch schon weitgehend dargestellt worden: Es gibt eine Trennung der Auf­gabenbereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst, die Analysefähigkeit und die Infor­mationsgewinnung sind verbessert worden, Fallkonferenzen sind eingeführt worden, und es ist personell dafür Sorge getragen worden, dass Unvereinbarkeits­bestimmungen eingehalten werden.

Letztendlich ist es auch ein sehr guter Tag für den Parlamentarismus: Es ist nicht nur die Einbindung aller Fraktionen und letztlich auch das Konsensuale, das hier in der Diskussion zum Ausdruck gekommen ist, hervorzuheben, sondern es ist auch gelungen, eine Anbindung des Verfassungsschutzes an das Parlament, insbesondere in Form der Kontrollkommission, die an den Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses berichtet, vorzunehmen, was in Zukunft eine ganz neue Qualität bieten wird, samt Evalu­ierung.

Ich komme damit schon zum Schluss: Es ist nicht nur für den Verfassungsschutz, für die Sicherheit und für den Parlamentarismus ein guter Tag, es ist ein besonders guter Tag für die Menschen, die hier leben, weil ihnen mehr Sicherheit durch den Verfassungs­schutz gegeben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.


12.36.40

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister – im Moment nicht anwesend! Meine Damen und Herren! Zuerst kommt das Land, dann die Partei: Den Eindruck hat man bei der ÖVP jedoch nicht, vor allem wenn es um das Thema Sicherheit geht. (Abg. Prinz: Der Einzige von den ganzen Rednern, der danebenhaut!) Ich gestehe der Kurz-ÖVP zu, dass sie Weltmeister im Vermarkten von wohlklingenden Botschaften ist. Mit einer Heerschar von PR-Beratern und Unsummen an Steuergeldern gaukeln Sie uns die harte Hand vor. In Wahrheit handelt es sich jedoch um Slogans, die in jedem Praxistest gnadenlos durchfallen würden.

Seit 35 Jahren ist die ÖVP durchgehend an einer Regierung beteiligt. Seit mehr als 20 Jahren stellt sie den Innenminister und ist damit für die Sicherheit in Österreich haupt­verantwortlich. Österreich ist nicht sicherer geworden, ganz im Gegenteil. Das sollte uns alle sehr nachdenklich stimmen. 20 Jahre ÖVP-Herrschaft – und ich kann das wirklich belegen – in den Sicherheitsapparaten hat zahlreiche Schwächen und offene Flanken offenbart. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) Als Mahnmal dafür steht der kaputte Nachrichtendienst BVT. Nun müssen wir alle gemeinsam die systematischen Miss­stände – ausgehend von Herrn Strasser, gefolgt von den ÖVP-Innenministern, die es zu verantworten haben – beseitigen.

Das unterscheidet uns auch von der Kurz-ÖVP: Wir stellen das Land in den Vordergrund und nicht die Partei. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Daher tragen wir als Sozial­demokraten diese Reform mit, aber nur als erste Etappe in der Neuausrichtung der öster­reichischen Sicherheitspolitik. Ich hoffe inständig, Herr Minister, dass aus der Terror­nacht wirklich und aufrichtig gelernt wurde. Das BVT Neu unterliegt einer parlamenta­rischen Kontrolle, zugleich hat der Innenminister eine ständige Berichtspflicht betreffend das aktuelle Lagebild. Das hat es in der Terrornacht leider nicht gegeben. Die Einrich­tung einer Kontrollkommission, die unter anderem diese Reform überwacht und bis spätestens 2026 an einer Evaluierung der Umsetzbarkeit und Wirksamkeit des BVT Neu


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 92

federführend mitarbeitet, ist ein großer Erfolg – danke in diesem Zusammenhang unse­rem Sicherheitssprecher Einwallner. Sollte sich herausstellen, dass die organisatorische Trennung von Nachrichtendienst und Staatsschutz nicht funktioniert, dann wird das Parlament darüber entscheiden, welche Schritte eingeleitet werden müssen.

Eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Sicherheitspolitik beginnt aber be­reits bei der Prävention, bei der präventiven Bekämpfung von strukturellen und sozialen Ungleichheiten sowie bei der Bekämpfung von Parallelgesellschaften, deren Systeme kriminelles Handeln und Extremismus sind. Das kann durchaus auch von außen ge­steuert und hereingetragen werden. Deshalb umfasst eine von uns erarbeitete Strategie auch Handlungsfelder im internationalen Kontext, um bewaffnete Konflikte, Kriege und Fluchtursachen zu verhindern oder zumindest zu minimieren, sowie darauf abgestimmte Maßnahmen des Staates im Inneren.

Ein starker, ein verantwortungsvoller Staat schützt seine Bürger. Politik und Günstlings­wirtschaft wie im alten BVT haben in diesem Zusammenhang keinen Platz. Es braucht dazu die Stimme der Vernunft, und die kommt von der SPÖ. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.40


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philipp Schrangl. – Bitte.


12.40.27

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Innenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Kollege Bürstmayr schon den „Falter“ erwähnt hat, möchte ich jetzt ein anderes Nachrich­tenmagazin erwähnen, das mein Vater wöchentlich am Sonntagstisch gelesen hat; das habe auch ich als 15-Jähriger einmal gelesen. Da hat – das hat mich sehr beeindruckt, das ist mir in Erinnerung geblieben – also das „Profil“ mit einem Rolling-Stones-Titel geworben. Da stand: „I see a red door / And I want it painted black“. – Also wenn Kollege Laimer jetzt plötzlich so tut, als ob die SPÖ nie irgendetwas eingefärbt hätte: In diesem Artikel stand damals auch: die rote Polizei und die schwarze Gendarmerie. Es gab auch rote Innenminister, die ihre Skandale hatten, einer wurde sogar verurteilt. Also bitte sich jetzt nicht selbst zu überhöhen, vor allem nicht an diesem Tag von diesem Podium aus! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)  

Eine Demokratie braucht einen funktionierenden Nachrichtendienst. Die Bevölkerung nimmt heutzutage einen Nachrichtendienst Gott sei Dank immer mehr als Garant ihres unversehrten Lebens und nicht mehr als Gefährdung ihrer Freiheit wahr. Terrorismus, Cyberangriffe, asymmetrische Bedrohungen, organisierte Kriminalität fordern aber einen anderen Nachrichtendienst als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Internationale Spionagefälle, Snowden, NSA, aber auch die heimische BVT-Affäre haben dem Image des Nachrichtendienstes in Österreich – in der Bevölkerung, aber auch hier im Hohen Haus – geschadet, daher hoffe ich, dass wir mit dieser gemeinsamen Reform das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen können.

Während Kollege Bürstmayr mit Argwohn nach Deutschland blickt, sehe ich die deut­schen Dienste schon wieder einen Schritt weiter. Der Geheimdienstausschuss im Deutschen Bundestag hat umfassende Kontrollrechte, denen wir jetzt unsere Regelun­gen nachempfinden, nachbilden. Trotzdem geht noch ein bisschen mehr. Ich hoffe, dass das schon zu mehr Vertrauen führt.

Und: In Deutschland gibt es noch etwas, das auch ein Vorbild für uns in Österreich sein könnte: An der Universität der Bundeswehr München gibt es nämlich mittlerweile einen neuen Studiengang: Intelligence and Security Studies – letztlich ein Forschungsfeld wie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 93

andere auch im Bereich des Staatswesens. Vielleicht ist das auch für uns ein Weg, um über die unabhängige und universitäre Wissenschaft, über den öffentlichen und freien Austausch für Nachrichtendienste für dauerhafte Qualität zu sorgen. Lassen Sie diese Reform hier für uns ein Anstoß sein! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.


12.43.43

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir schaffen mit dieser Reform heute einen funktionierenden und zuverlässigen Dienst, dessen Arbeit vor unzulässigen Zugriffen geschützt ist, dessen Arbeitsweise aber transparent ist. Das ist etwas sehr, sehr Wertvolles, und ich bin sehr froh, dass wir das so geschafft haben. Es ist schon sehr viel über die gemeinsame Arbeitsweise gesprochen worden. Ich kann auch nur betonen, dass das wirklich ein sehr angenehmes, konstruktives und zielorientiertes, zweck­orientiertes Arbeiten war, aber unsere Arbeit ist jetzt noch nicht zu Ende.

Wir haben jetzt die erste große Etappe geschafft, es geht jetzt weiter. Ich hoffe, dass wir auch so konstruktiv zusammenarbeiten, wenn es darum geht, die Kontrollkommission zu besetzen, und wenn es darum geht, im Unterausschuss zusammenzuarbeiten und der Kontrollkommission auch die entsprechenden Aufträge zu erteilen, denn das ist natürlich die Art und Weise, wie wir diese Reform zum Leben erwecken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wurde schon ganz viel den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gedankt, und da kann ich mich natürlich nur anschließen. Es gibt aber auch noch eine sehr, sehr große Gruppe an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auf die jetzt ganz viel Arbeit zukommt, das sind diejenigen, die im jetzigen BVT, in der späteren Direktion, beschäftigt sein werden. Das sind diejenigen, auf die diese Aufbauarbeit jetzt zukommt. Das sind diejenigen, die diese Aufbauarbeit leisten, denn ein solcher Dienst schafft sich nicht von allein, ein solcher Dienst lebt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort angestellt sind. Auch für sie ist diese Reform geschaffen.

Es ist schon sehr viel von Vertrauen – Vertrauen aufbauen, Vertrauen schaffen – ge­sprochen worden. Auch da ist es notwendig, sehr viel Vertrauen wiederherzustellen. Der Herr Bundesminister ist da, denke ich, schon sehr stark in Vorleistung getreten und hat den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dieser Reform ein entsprechendes Umfeld ge­schaffen. Wir haben hier ein Gesetz gemacht, das wirklich sicherstellen soll, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Amt ihre Arbeit wieder konzentriert machen können, für die Sicherheit und für den Schutz, wie wir schon gehört haben, unserer Gesellschaft, unseres Zusammen­lebens und nicht zuletzt, als Allerwichtigstes, unserer Demokratie arbeiten können, ohne dass sie vor Beeinflussungen oder irgendwelchen Instrumentalisierungen Angst haben müssen. Das ist sehr, sehr wichtig. Das haben wir mit dieser Reform sichergestellt. Ich hoffe, dass wir jetzt auch weiterhin genauso konstruktiv zusammenarbeiten können, wenn es darum geht, die Reform mit Leben zu erfüllen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 94

12.46.50

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Bevor ich zu dieser weitreichenden Vorlage komme, möchte ich gerne noch ein Wort zu meinem Vorredner von der SPÖ sagen: Herr Kollege Laimer, Otto Pendl und Rudi Plessl hätten sich hierhergestellt und sich zuerst bei den Beamten bedankt. Das unterscheidet Ihre Vorgänger von Ihnen, eindeutig! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Loacker.  Ruf bei der SPÖ: Das hat der Einwallner ...!)

Daher: Der Ausschussvorsitzende Karl Mahrer hat hier einen Satz gesagt, der heute über allem stehen sollte, nämlich: „vom Gegeneinander zum Miteinander“. Und dies sollten wir heute hochhalten, das Zweitere, nicht nur die Vergangenheit beleuchten, die dazu geführt hat. (Abg. Leichtfried: Ja, genauso ... angefangen! Da kannst du dir was ...!) Da gäbe es viele Punkte – auch für Sie, Herr Kollege Leichtfried, weil Sie mich gerade ansprechen –: Wenn ich nur an den sozialdemokratischen Rechtsanwalt Lansky denke, der damals gemeinsam mit Kollegen Kickl eine illegale Hausdurchsuchung beim BVT veranlasst hat (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch– Herr Kollege Leichtfried, davon sollten wir uns verabschieden. Wir sind jetzt beim Miteinander, das ist mir das Wichtigere. (Beifall bei der ÖVP.)

Da sind mir zwei Worte ganz wichtig, beide Worte wurden schon genannt: das eine ist Vertrauen und das andere ist Kontrolle. Vertrauen in zweierlei Hinsicht: einerseits das Vertrauen der Partnerdienste untereinander, die wichtig sind, dass die Staaten eine nationale Souveränität und Sicherheit sicherstellen können; andererseits das Vertrauen der Mitarbeiter eines Staatsschutzes und Nachrichtendienstes in die parlamentarischen Kontrollgremien. Beide Vertrauenspositionen werden durch diese Reform jetzt gestärkt. Die Kontrolle ist daher nicht nur eine, die in Richtung der Nachrichtendienste und des Staatsschutzes geht, sondern – ich sage das auch, weil der Satz heute noch nicht gesagt wurde – die Kontrolle dient auch dazu, mit diesem Kontrollgremium sicherzustellen, dass die Beamtinnen und Beamten im Staatsschutz und im Nachrichtendienst vor unge­rechtfertigten Angriffen geschützt sind, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren kann oder passieren soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich ganz zum Schluss auch im Namen unseres Fraktionsvorsitzenden Karl Mahrer noch besonders bei Uli Jedliczka, unseren Referenten, bei allen Beamtinnen und Beamten des Innenressorts und bei allen Referenten der anderen Parteien ganz, ganz besonders bedanken.

4,5 Parteien stimmen diesem Antrag jetzt eigentlich zu. Ich möchte daher noch einen Satz zu den NEOS sagen, weil diese eine Hälfte gerade noch fehlt und es vielleicht noch ein Argument ist: Ihnen ist die Gewaltentrennung immer ein besonderes Anliegen, also darauf zu achten, dass auf der einen Seite die Exekutive und auf der anderen Seite die Legislative mit ihrem Kontrollgremium arbeitet. Wenn Sie ganz bewusst dabei bleiben, dass unsere Aufgabe nur Kontrolle und nicht operative Mitarbeit ist, dann ist es Ihnen vielleicht auch leicht möglich, von Ihrer bis jetzt noch vorhandenen Ablehnung dorthin zu kommen, dass Sie diesem Vorschlag zustimmen können, denn in dem Punkt sind wir uns, glaube ich, einig: Kontrolle und keine operative Fallübernahme vonseiten des Parla­ments. Damit könnten Sie auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dafür, dass eine Reform möglich wird, braucht es, glaube ich, immer zwei Dinge: Es braucht erstens einen Ermöglicher – da möchte ich den Bundesminister für Inneres besonders hervorheben, weil er es ermöglicht hat, dass die Beamtinnen und Beamten, dass wir alle zu einer Lösung kommen konnten und dass wir hier in dieser Einigkeit stehen können –; und es braucht jemanden, der mit Leidenschaft für diese Gemein­samkeit kämpft – und das war Karl Mahrer.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 95

In diesem Sinne: Vielen Dank! Glück auf, der DSN! Alles Gute für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.51


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


12.51.24

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Der Vorredner, Abgeordneter Gerstl, hat hier behauptet, der rote Anwalt – was auch immer er damit meint – Gabriel Lansky hat gemeinsam mit Innenminister Kickl eine illegale Hausdurchsuchung angeordnet. – Herr Abgeordneter Gerstl, das ist falsch.

Es gibt auch eine Gewaltentrennung. Das wird immer von der Justiz, in diesem Fall von einem unabhängigen Richter, angeordnet. (Beifall bei der FPÖ.)

12.51


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte.


12.52.01

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Gerstl, wir lernen hoffentlich aus den Fehlern der Vergangenheit. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Wir haben uns den Spiegel vor die Nase gehalten und geschaut, was im alten BVT nicht funktioniert hat.

Als Mitglied des BVT-Untersuchungsausschusses in der letzten Gesetzgebungsperiode war mir relativ rasch klar, dass wir in diesem Amt ein Problem haben. Neben den vielen strukturellen Problemen, die es im BVT generell gegeben hat – und da muss ich Ihnen auch den Spiegel vorhalten –, gab es auch ein Problem infolge von fast 20 Jahren ÖVP-Herrschaft und Personalpolitik in diesem Amt. (Beifall bei der SPÖ.) Das resultiert natürlich in der rechtswidrigen Razzia des Bundesinnenministers Kickl, in deren Folge letztlich jegliches internationale Vertrauen in unser BVT verwirkt war. Drastisch vor Augen geführt – und auch das haben wir heute schon mehrfach gehört – wurde uns der dies­bezügliche Reformbedarf letztlich auch durch das dramatische Terrorattentat im Novem­ber des letzten Jahres.

Die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes liegt uns nun vor. Dass wir dringend einen gut funktionierenden Verfassungsschutz brauchen, zeigen uns auch die letzten Monate und Jahre, in denen uns drastisch vor Augen geführt wurde, dass es nicht nur durch den islamistischen Terror, sondern auch durch den organisierten Rechtsextremismus eine Gefahr für die innere Sicherheit gibt. Herr Innenminister, ich halte es für gut und richtig, dass Sie diese Gefahr jetzt auch öffentlich so benennen, denn wir haben ja schon allein aufgrund der vielen Waffenfunde in den letzten Monaten gesehen, dass es in diesem Bereich tatsächlich eine Gefahr für die innere Sicherheit gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Als SPÖ – ich glaube aber, dass ich da für alle Parteien reden kann – war uns in den Verhandlungen zu dieser Neuaufstellung des Verfassungsschutzes eine wirkliche und echte parlamentarische Kontrolle von Anfang an wichtig. Ich glaube, was uns hier gelungen ist, ist wirklich eine parlamentarische Kontrolle in einer noch nie da gewesenen Form. Deshalb möchte ich herzlich Danke sagen und allen gratulieren, die zu diesem Verhandlungserfolg beigetragen haben. Ich meine, darauf können wir tatsächlich stolz sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Gödl.)

Alles in allem stehen wir vor großen Herausforderungen für die innere Sicherheit, wir brauchen Maßnahmen in vielen Bereichen. Ein gut ausgestatteter, vertrauenswürdiger


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 96

und funktionierender Verfassungsschutz ist dabei ein ganz wesentlicher und wichtiger Baustein. Herr Innenminister, Sie sind jetzt bei der Umsetzung sozusagen am Zug. Wir unterstützen Sie, wo es notwendig ist und wo wir unterstützen können.

Ich möchte aber meinen heutigen Redebeitrag auch noch nutzen, um auf ein anderes historisches Ereignis hinzuweisen: Heute vor 30 Jahren, am 8. Juli 1991, hat Bundes­kanzler Dr. Franz Vranitzky hier im Parlament eine wirklich historische Rede gehalten. Er hat sich erstmals zu unserer Verantwortung als Österreicherinnen und Österreicher für die Beteiligung an den Verbrechen des Nationalsozialismus bekannt. Diese Verant­wortung, sehr geehrte Damen und Herren, heute aufzunehmen, wahrzunehmen, alles dafür zu tun, damit sich Derartiges nicht wiederholt, und das Nie-wieder großzu­schrei­ben, ist unsere Aufgabe. – Herzlichen Dank und alles Gute. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


12.55.57

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Innenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Neuausrichtung des Verfassungs­schut­zes in der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst ist dir, Herr Sicherheitsminister Karl Nehammer (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), ein Meilenstein für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gelungen, und dazu möchte ich dir recht herzlich gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Du hast es gemeinsam mit allen Fraktionen hier im Parlament geschafft, im Sinne der verstärkten Gefahrenaufklärung Konstrukte zu schaffen, die genaue Zuweisungen ha­ben. Es ist sehr erfreulich, dass alle Fraktionen so konstruktiv daran mitgewirkt haben und wirklich zusammengehalten haben, dass dieser Meilenstein der Sicherheitspolitik in Österreich gelungen ist. Ich möchte hier auch den Ausschussvorsitzenden Karl Mahrer als Brückenbauer noch einmal herausheben, der zu diesem gelungenen Werk Hervor­ragendes beigetragen hat. (Beifall bei der ÖVP. – Bravoruf des Abg. Taschner.)

Einer der wesentlichsten Punkte vor allem für die Oppositionsparteien war die parlamen­tarische Kontrolle; diese ist in Form der Kontrollkommission eindeutig dargestellt: Drei Personen müssen unabhängig und unparteilich agieren. Sie berichten dann dem Unter­ausschuss des Ausschusses für Inneres und natürlich dem Innenminister. Damit ist, glaube ich, die Verbindung zwischen Parlament und Verfassungsschutz sehr gut gegeben. Es ist insgesamt sehr wichtig, wenn es um die Sicherheit des Landes geht, dass wir den Verfassungsschutz auf neue Beine stellen. In der Direktion, die ja die Verantwortung für die zwei getrennten Bereiche innehat, kann dann auch die Verbindung hergestellt werden, und es besteht für sie natürlich auch eine Berichtspflicht gegenüber der Kontrollkommission. In diesem Sinne hat die Kontrollkommission auch die Möglichkeit, Mängel aufzuzeigen, aber genauso, Vorschläge einzubringen, welche Verbesserungen es im Verfassungsschutz geben kann.

Ich bin mir sicher, dass dieses Konstrukt gut wirken wird. Es gibt natürlich auch eine Begutachtungsfrist, um entsprechende Veränderungen herbeizuführen, wenn dies notwendig sein wird. Insgesamt ist heute, glaube ich, für die Sicherheit unserer Men­schen, für die Bevölkerung in Österreich ein guter Tag. – Herzlichen Dank für die Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.58

12.58.23



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 97

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Ich frage die BerichterstatterInnen, ob sie ein Schlusswort möchten? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, frage ich die Klubs, ob wir gleich damit beginnen können? – Dann werde nicht ich, sondern wird Präsident Hofer die Abstimmung jetzt gleich vornehmen. Ich übergebe den Vorsitz.


Präsident Ing. Norbert Hofer (den Vorsitz übernehmend): Wir kommen jetzt zur Ab­stimmung, die über jeden Ausschussantrag getrennt vorgenommen wird.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheits­polizei­gesetz, das Strafgesetzbuch sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 963 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordne­ten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustim­men, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Ich stelle wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1025 der Beilagen.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um eine Änderung des Geschäfts­ord­nungsgesetzes handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 2 der Ge­schäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Natürlich ist damit die Zweidrittelmehrheit automatisch gegeben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gemäß § 108 der Geschäftsordnung kann die dritte Lesung des vorliegenden Gesetz­entwurfes frühestens 24 Stunden nach Abschluss der zweiten Lesung stattfinden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 98

13.01.307. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (945 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Fachhochschulgesetz, das Privathochschulgesetz, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Hoch­schul­gesetz 2005, das Bundesgesetz über die „Diplomatische Akademie Wien“ und das COVID-19-Hochschulgesetz geändert werden (990 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 1223/A(E) der Abgeord­neten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Verhandlungen für den geförderten Austausch mit Großbritannien (991 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 1732/A(E) der Abgeord­neten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung der Hochschulen (992 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.02.30

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das Parlament hat vor einiger Zeit den Herrn Bun­desminister für Wissenschaften beauftragt, eine Neuordnung im Weiterbildungsbereich vorzunehmen – das Ergebnis liegt uns heute vor. Es ist aus unserer Sicht kein großer Wurf geworden, verbunden mit einer Verlängerung der Zugangsbeschränkungen.

Zu den Neuerungen im Weiterbildungsbereich: Aus unserer Sicht ist zwar eine neue Möglichkeit entstanden, den Bachelor in einer Weiterbildungsschiene an den Univer­sitäten zu machen – kostenpflichtig, wahrscheinlich mit höheren Kosten verbunden –, allerdings ist so etwas wie eine neue Unübersichtlichkeit dadurch entstanden, dass das auch mit europaweit weitgehend unbekannten neuen Titeln verbunden ist, die hier in Österreich vorgesehen sind.

Das eigentliche Bedenken aber, das wir haben, gilt der Entwicklung, zu der es auf Basis dieser Neuerungen kommen könnte. Wir haben ja an den Universitäten zunehmend das Problem, dass sich viele Studierende das Studium finanzieren müssen und daher arbeiten oder eigentlich neben der Arbeit studieren, weil sie sich den Lebensunterhalt verdienen müssen. Es könnte jetzt dazu kommen, dass es an den Universitäten, die zum Teil nur schleppend Rahmenbedingungen für berufstätige Studierende geschaffen ha­ben, die es wirklich ermöglichen, neben dem Beruf ein Studium zu absolvieren, dann heißt: Das klassische Studium an der Universität machen zukünftig die, die es sich leisten können, ein Vollzeitstudium zu machen, und die, die arbeiten müssen und neben der Arbeit studieren, werden auf die Weiterbildungsschiene geschickt, wo sie sich das Studium dann auch noch teuer finanzieren müssen. Das ist eine Entwicklung, die wir keinesfalls befürworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Fortführung der Zugangsbeschränkungen ist zu sagen, dass gleichzeitig ein Evalu­ierungsbericht vorgelegen ist. Dieser zeigt, wenn man genauer hinschaut: Dort, wo


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 99

Aufnahmeverfahren sind, die selektiv sind, wo wirklich viele ausscheiden, stellen wir auch fest, dass die Zugangsbeschränkungen dazu führen, dass sie sozial selektiv sind, also dass diejenigen, die aus einem Elternhaus kommen, die nicht Akademiker sind, die bei der Vorbereitung nicht so unterstützen können, auch finanziell nicht so unterstützen können, bei diesen Aufnahmeverfahren die schlechteren Chancen haben. – Also eine Entwicklung, die nicht zu befürworten ist. Nichtsdestotrotz – das wurde nicht berück­sichtigt sollen die Zugangsbeschränkungen heute einfach in der gleichen Art und Weise fortgeführt werden, was wir ablehnen.

Besonders eklatant ist diese Entwicklung im Bereich der Medizin. Das ist ja ein Studium, bei dem – wenn man es jetzt ein bisschen zugespitzt formuliert – wir alle nicht dafür sein können, dass sozusagen die Hauptqualifikation dafür ist, dass der Papa Arzt ist, sondern die Hauptqualifikation sollte die sein, dass man geeignet ist, den Beruf des Arztes später auch gut auszuüben. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir in diesem Zusammenhang – um auch einen der positiven Punkte aus diesem Gesetz herauszugreifen; ich habe leider nicht viel Zeit – sehr befürworten, ist die drin­gend notwendige kostenfreie Unterstützung seitens der Universitäten für die Aufnah­meverfahren in der Medizin. Wir würden befürworten, dass das in anderen Bereichen auch angeboten wird, wenn eine derartige Vorbereitung auf ein Aufnahmeverfahren notwendig ist und diese soziale Selektion stattfindet.

Abschließend, Herr Bundesminister: Ich habe in der letzten Zeit natürlich mit vielen Stu­dierenden gesprochen und möchte jetzt sozusagen die Bitte, das Ersuchen, die Erwar­tung der Studierenden an Sie weiterleiten – in der Covid-Zeit haben sie nicht viel an Unterstützung von Ihnen erfahren –, auch für die Studierenden eine unterstützende Lobby zu sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Dr. Rudolf Taschner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.07.08

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Kuntzl, dankenswerterweise haben Sie doch noch ein paar gute Teile gefunden; viele Haare in der Suppe, kommt mir vor, aber ich glaube, das ist eine Sache des Blickpunktes.

In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine sehr gute Initiative, dass wir eine Struktur für den Quereinstieg geschaffen haben. In vielerlei Hinsicht wird das ermöglichen, neue Berufsfelder zu eröffnen. Ich möchte sagen, dass sich das Ministerium in diese Richtung auch außerordentlich bemüht hat; namentlich erwähnen möchte ich Frau Sandra Allmayer und Maximilian Richter. Man hat wirklich dafür gesorgt, dass den Universitäten eine Möglichkeit für den Quereinstieg geboten wird, in der Art und Weise, dass er international auch Beachtung finden wird.

Egal, ob diese Titel jetzt international genauso lauten oder nicht, das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir, insbesondere auch was das Lehramt anlangt, große Hoffnungen haben, dass diese Initiative für viele Menschen eine Möglichkeit zu einer besseren Karriere darstellen wird; wiewohl natürlich das Arbeitsfeld, wenn man nicht Akademiker ist, ja in keiner Weise irgendwie abträglich ist. Also ich würde sagen, dass ein gut aus­gebildeter Herrenschneider unter Umständen ein weitaus höheres soziales Ansehen genießt, abgesehen vom Finanziellen, als irgendein Bachelor of irgendeine adminis­tration. Wie dem auch sei. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf doch noch ganz kurz auf die Titel zurückkommen: Es ist vielleicht auch ganz gut, dass diese Titel Bachelor Professional, Master Professional hinter den Namen gesetzt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 100

werden. Titel haben zweierlei Funktionen: Die eine Funktion ist die wesentliche, dass man weiß, bei dieser Person kann man dieses Vorwissen, diese Kenntnisse voraus­setzen. Die andere Funktion des Titels ist, dass man eine gewisse Distinktion in gesell­schaftlicher Hinsicht hat, und der vorgesetzte Titel erlaubt viel besser, diese Distinktion durchzuführen als der nachgesetzte Titel. Insofern sind die nachgesetzten Titel vielleicht ein Weg in die Zukunft, wiewohl wir in einem barocken Land natürlich die vorgesetzten Titel lieben und ihr langsames Verschwinden bedauern werden. Dieses Bedauern hält sich bei mir aber in gewisser Hinsicht in Grenzen.

Es ist viel besser, dass wir hier ein gutes Gesetz für den Quereinstieg schaffen, ein gutes Gesetz dafür schaffen, dass Strukturen vorhanden sind, dass wir wissen, dass die Senate bestimmen können, wie das Curriculum aussehen wird, dass wir wissen, dass diejenigen Personen, die diesen nachgestellten Titel haben, auch wirklich ein weites Feld an erfolgversprechenden Berufen ins Auge fassen können.

Ein gutes Gesetz, ich sehe keine Haare in der Suppe – wir werden mit Begeisterung zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Dr. Martin Graf. – Bitte schön.


13.10.04

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Gleich zu meinem Vorredner: „Keine Haare in der Suppe“ ist vielleicht ein bisschen in die andere Richtung übertrieben. (Abg. Taschner – auf seine Haare deutend –: Schauen Sie, was ich habe!)

Nennen wir es einmal so: Ich versuche, mich jetzt positiv kritisch zu diesem Punkt zu äußern. Herr Bundesminister, eine kleine – oder größere – Enttäuschung liegt bei der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Materie schon vor, weil es offensichtlich nicht wirklich den Willen gegeben hat, sich mit den Argumenten auch der Opposition ausei­nanderzusetzen und eine dringend notwendige Reform – und zwar eine nicht erst seit gestern, sondern am Titelsektor schon länger notwendige, speziell im Weiterbildungs­bereich – Platz greifen zu lassen. Es liegt ein Paket vor, bei dem man sagen kann: Besser ein schlechtes Gesetz – wenn man es jetzt negativ sehen will –, das versucht, eine Regelung vorzunehmen, als gar keines.

Teile sind auch durchaus ansprechend. Wir haben gesagt, es ist auch das Beschreiten eines neuen Weges, es geht um eine neue Materie und dem wollen wir Vorschuss­lorbeeren geben. Man hat eigentlich nur eines verlangt, nämlich dass man es nicht mit fremden Materien verknüpft – eine Unart in diesem Haus –, etwa mit der Verlängerung von Covid-Bestimmungen, was eigentlich nicht notwendig gewesen wäre, oder mit Zulassungsvoraussetzungen – das wäre auch nicht notwendig gewesen. Wenn man uns mit an Bord hätte holen wollen, hätte man eigentlich nur eines machen müssen, nämlich allein den Weiterbildungssektor ordentlich zu lösen – von mir aus auch in dieser Art und Weise, mit allen Kritikpunkten.

Bei Neueinführungen wird man sich nach einiger Zeit ansehen müssen, wie es sich entwickelt. Da verlangen wir, dass das Parlament nicht außen vor gelassen wird. Ich habe mir selbst auch immer wieder gesagt: Ich werde keinem Gesetz mehr die Zu­stimmung erteilen, bei dem das Parlament nicht in die weitere Entwicklung eingebunden ist, wenn es darum geht, eine Evaluierung oder Ähnliches zu machen. Es soll also eine Berichtspflicht – mindestens alle drei Jahre – verankert werden, wie sich diese neue Materie entwickelt hat: Wo muss man nachschärfen?, Wo muss man etwas weglassen?, und so weiter. Dazu gab es keine Bereitschaft. (Abg. Taschner: Sie bekommen den Universitätsbericht, Herr Kollege Graf!) Sie kommen dann immer damit: Das kann man


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 101

in die Evaluierung allgemein einbauen. (Abg. Taschner: Selbstverständlich!) Dann geht das aber bei der Verknüpfung unter und man behandelt diese Materie hier im Haus nicht mehr ordentlich. Das ist ein einfacher Punkt. Wenn man über einen solchen Punkt als Regierung nicht drüberspringen möchte, dann will man die Opposition gar nicht mit einbinden. Das ist einmal ein Kritikpunkt.

Vieles wurde von Frau Kollegin Kuntzl schon gesagt, man könnte einiges anmerken. Dass Sie es mit der Verlängerung der Covid-19-Hochschulgesetzgebung verknüpfen, ist ein zusätzliches Foul, weil Sie wissen, dass wir ganz und gar nicht damit einverstanden sind, wie im universitären Sektor damit umgegangen wird. Wir brauchen den Dialog an den Universitäten und wir müssen alles daran setzen, dass es einen Präsenzunterricht wieder als Regel und nicht als Ausnahme gibt. Wir brauchen das nicht mit einer Verlängerung in diese Richtung festzuschreiben. Man kann den Universitäten, weil sie unterschiedliche Größen, unterschiedliche Zugänge haben – eine medizinische Univer­sität braucht keine Vorgabe vom Parlament –, in diesen Belangen durchaus Freiheiten im Rahmen der Autonomie geben. Da braucht man gar nicht so einzugreifen.

Was haben Sie aus dem schlanken Gesetz in den letzten Jahrzehnten gemacht? – Es hat früher einmal effektiv 59 Paragrafen umfasst und die Autonomie geregelt, und heute hat es mit Verwaltungen, Unterordnungen und, und, und schon wieder weit über 200 Paragrafen. Das ist auch schon wieder ein Zug drüber.

Der letzte Grund, warum Sie keine Zustimmung bekommen werden, ist, wie Sie die Zugangs­beschränkungen regeln wollen, und zwar vom Prinzip her. Da sind wir ideolo­gisch meilenweit auseinander. Darüber kann man diskutieren, aber Sinnlosigkeiten muss man nicht mittragen, Herr Kollege. Ich nenne nur ein Beispiel: Das Pharmazie­studium war bis jetzt auf 1 370 Plätze österreichweit beschränkt. Diese wurden nicht ausgenutzt, weil es nur 1 082 Studierende gegeben hat, die neu angefangen haben. Man hat also die Anzahl um knapp 300 unterschritten.

Was macht man? – Man geht her und sagt: Die Zugangsbeschränkung liegt zu hoch, wir reduzieren sie, damit wir möglichst wieder aussuchen können!, obwohl es gar nicht notwendig ist. Dann reduzieren Sie das Angebot aber auch noch auf 1 150 Plätze, das sind immer noch 70 Plätze mehr, als es überhaupt Studienanfänger gibt. Also sinnloser geht es nicht, und genauer kann man einen Beweis gar nicht führen, dass es Ihnen bei der Zugangsbeschränkung nicht primär um Steuerung geht, sondern um das Prinzip, österreichische Studenten von Universitäten fernzuhalten und in andere Bereiche hineinzudrängen. Da spielen wir einfach nicht mit. (Beifall des Abg. Amesbauer.)

Es gibt eine Zugangsvoraussetzung für uns, und das ist die Matura. Wenn Sie alle der Meinung sind, dass die Matura an sich keinen Wert mehr hat, dann müssen Sie das ändern, nicht aber dann bei der Zielbildungseinrichtung beginnen, die Schrauben zu drehen. Da müsste man aber Initiativen setzen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Alles in allem: keine Einbindung des Parlaments ins Berichtswesen, um ordentlich für eine Weiterbildung zu sorgen. Ich weiß schon, dass man Fälle wie Annalena Baerbock regeln muss, national wie international, damit so etwas nicht mehr passiert. So etwas wird vielleicht einmal Bundeskanzler, das muss man sich einmal vorstellen! Welchen Titel sie trägt? – Na ja, die Qualität sei mehr als dahingestellt. (Abg. Taschner: Nach­gesetzt!) Das wollen wir in Österreich gar nicht zulassen.

Vielleicht ist das Gesetz dazu tauglich, daher wollten wir diesem Gesetz eine Chance geben. Sie aber haben mit Ihrer Vorgehensweise jede Einbindung der Opposition in diese Belange verhindert. Das ist schade so, weil das eigentlich nicht der Stil im Wissenschaftsausschuss in den letzten 30 Jahren gewesen ist. Offensichtlich ändert sich aber mit dem Eintritt der Grünen alles, da gibt es nur mehr eines: Wir bestimmen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 102

was für euch gut ist, und fahren drüber, aus, danke, auf Wiederschauen! (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.17.07

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wundert mich schon immer wieder, was da über Universitäten ge­sprochen wird, von Personen, die sich eigentlich seit Jahren – um nicht zu sagen: Jahr­zehnten – damit beschäftigen, offensichtlich aber noch immer nicht tiefer in die Materie eingedrungen sind. (Abg. Deimek: ... Deckel ...! Das ist ein Wahnsinn!) Natürlich geht es bei der Beschränkung der Studienplätze überhaupt nicht um die Frage, ob Öster­reicher oder nicht, sondern um die Frage der Kapazitäten. Ja, wir waren immer gegen diese Beschränkung, ich bin es auch nach wie vor, das ist aber eine Frage des Kom­promisses.

Was die Medizin betrifft, muss da sehr wohl die Evaluierungsstudie in den Blick ge­nommen werden. Es müssen verpflichtend vor den Zulassungsprüfungen Angebote – und zwar kostenfreie Angebote – zur Vorbereitung auf die Medizinzulassungsprüfung gemacht werden.

Es ist mir schon ein großes Anliegen, zwei Punkte zu erwähnen – und das finde ich wieder typisch, dass die Sozialdemokratie das nicht einmal erwähnt –: Der zentrale Kern ist nämlich einerseits der Weiterbildungsbereich im Sinne des lebenslangen beziehungs­weise lebensbegleitenden Lernens und andererseits der Bereich des Quereinsteiger­studiums für Pädagogen und Pädagoginnen, weil das tatsächlich ein Wechsel in der Perspektive, eine Erhöhung der Durchlässigkeit aus dem Beruflichen heraus ist; das wird meine Kollegin Hamann noch genauer ausführen.

Zum lebensbegleitenden Lernen: Nein, es ist nicht verwirrender geworden. Wir haben mit diesem Schritt – nämlich diesen zwei Wegen des Bachelor Professional und des Bachelor of Continuing Education mit dem Master dazu – für die Konsumentinnen und Konsumenten, für die potenziellen Studierenden eine wesentlich höhere Übersicht­lich­keit geschaffen, die qualitätsgesichert ist. Heute kann man um ein paar Tausend Euro irgendeinen Titel erwerben, der einem aber letztendlich gar nichts bringt, weil er nicht anerkannt ist. Das heißt, damit ist eine Sicherheit für potenzielle Studierende gegeben.

Keine Sorge, es wird auch nicht auseinanderdriften! Die Weiterbildung erhöht sozusagen die soziale Durchlässigkeit, insbesondere was den Bachelor Professional betrifft. Da wird es ja darum gehen, dass Menschen mit Berufserfahrung, die aber weder einen Lehr­abschluss noch eine Reifeprüfung oder Vergleichbares haben, dennoch die Möglichkeit haben sollen, einen Bachelor zu machen.

Wer das ablehnt, gerade aus der Sozialdemokratie, und da von Unübersichtlichkeit spricht, den darf ich daran erinnern: Da geht es genau um Leute, die in der Bildung benachteiligt worden sind, die dann mit diesem Bachelor die Möglichkeit haben, einen ganz normalen, grundständigen Master, und wenn sie Lust haben, sogar ein Doktorat oder einen PhD, zu machen. Es ist mir daher überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb man sagt, es wird unübersichtlicher.

Vielleicht noch ein, zwei Worte, weil es auch diese Anträge zum Thema Mobilität nach Großbritannien gegeben hat: Ja, das ist ein Problem. Wir würden das gerne machen, das Wissenschaftsministerium hat sich auch wirklich sehr darum bemüht, vonseiten Englands gibt es aber keine große Kooperationsbereitschaft, wiewohl die Unis es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 103

wahnsinnig gerne hätten, dass es diese Kooperationen gibt. Das ist im Prinzip auf bilateralem Weg gelöst, im Sinne von Universität mit Universität, und mit den Mobilitäts­programmen 2021 bis 2027 ist es eben bis zu 20 Prozent möglich, auch mit Dritt­staaten – und ein solcher ist England dann nun einmal – solche Mobilitäten auszuführen.

Der zweite Bereich war der Antrag von Kollegin Kuntzl, dass der Bundesminister dafür sorgen soll, dass sich die Studienpläne gewissermaßen den Entwicklungen, die während der Coronapandemie stattgefunden haben, anpassen, im Sinne eines digitalen Lehr­angebots. Auch da verweise ich darauf, dass die Universitäten seit 2004 – oder eigent­lich seit 2002, umgesetzt seit 2004 – autonom sind, und ich bin froh und glücklich darü­ber, dass kein Minister und keine Ministerin mehr in Studienpläne eingreifen kann und dass diesbezüglich die Autonomie bei den Universitäten liegt. Die Zeit des AHStG, des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes, in der hier im Hohen Haus noch die Studien­pläne beschlossen worden sind, ist Göttin sei Dank vorbei. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das ist auch meine Perspektive, was die Berichtspflicht betrifft. Selbstverständlich gibt es eine Berichtspflicht an das Parlament – es gibt den Hochschulbericht, es gibt den Universitätsbericht, und da müssen ohnedies all diese Dinge hinein. Ich verstehe daher überhaupt nicht, wovon Herr Kollege Graf da spricht. Das ist alles gesichert, und ich freue mich sehr, dass es in dieser guten Zusammenarbeit gelungen ist, die beiden Bereiche lebensbegleitendes Lernen und Quereinstieg in der UG-Novelle zu normieren.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Mag. Martina Künsberg Sarre. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.22.50

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Minister, Sie machen es uns mit so einer Sammelnovelle, mit einem Potpourri von verschiedenen Themen, die teilweise überhaupt nichts miteinander zu tun haben, einfach nicht leicht. Sie machen es für uns sehr, sehr schwierig, Ihnen die Zustimmung zu geben.

Ich möchte mit den positiven Bereichen – oder mit den Punkten, die wir für wichtig halten und bei denen es auch positive Bereiche gibt – beginnen.

Zunächst zur Weiterbildung: Wir NEOS sind natürlich ganz klar für Weiterbildung und für lebenslanges Lernen – das möchte ich hier ausdrücklich festhalten –, und wir sehen auch sehr positiv, dass es da jetzt eine Vereinheitlichung gibt, dass es eine Gleich­wertigkeit der Abschlüsse gibt, dass eine Durchlässigkeit gegeben ist und dass auch die berufliche Bildung irgendwie abgebildet wird. Die Teilung – nach wie vor – in außer­ordentliche und ordentliche Studien ist, glaube ich, ein österreichisches Spezifikum. Positiv ist auch noch, dass Sie die Titel bei den Weiterbildungslehrgängen sehr, sehr stark eingeschränkt haben. Dass Sie da auch aus der Begutachtung Kritik aufgenommen haben und das noch einmal reduziert haben, finde ich gut. Diese Hintennachstellung mit „Continuing Education“, das ist wieder etwas typisch Österreichisches, das findet man sonst nirgends, und wir werden damit unserem Ruf gerecht, dass wir ein Land der Titel sind. (Abg. Taschner – erheitert –: Das ist ja schön!) – Ja, Sie sagen, es ist wurscht, aber es ist international oft ein bisschen fragwürdig.

Bei der Professional-Schiene ist es aus meiner Sicht gut, dass Sie sich durchgesetzt haben und dass jetzt die Hochschule zuständig ist und nicht die Kammer. Das ist, glaube


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 104

ich, sehr, sehr wichtig für die Qualität. Was diese Hybrid-Form – gemeinsam mit der Wirtschaft –, die dann kommen wird, betrifft, so wird man sehen, wie das funktioniert und ausgestaltet ist. Und auch da finde ich – um jetzt noch einmal auf die Titel zu sprechen zu kommen –: In Deutschland gibt es den Meister, und der kann beantragen, dass er den Titel Bachelor Professional führen darf. Wir haben jetzt einen Bachelor Professional, den man sozusagen studieren soll. Eine Vergleichbarkeit oder Klarheit – was ist in Deutschland ein Bachelor Professional und was ist in Österreich ein Bachelor Professional? – ist also nicht gegeben. Das ist sehr verwirrend, finde ich. Man wird sehen – Sie haben dazu auch keine Abschätzungen getroffen –, in welchem Ausmaß überhaupt Bedarf danach besteht und welche Auswirkungen es auf die berufs­beglei­tenden FH-Studiengänge haben wird.

Die Industrie – das finde ich auch ganz spannend – hätte sich natürlich etwas Größeres gewünscht, nämlich dass man auch die private Weiterbildung – ich weiß schon, dass das nicht so sehr bei Ihnen angesiedelt ist, da sind auch noch andere Ministerien beteiligt – miteinbezieht; sie findet, dass man das in einem größeren Zusammenhang hätte sehen können. Es ist natürlich auch lustig, dass wir so ein großes Weiter­bildungspaket zu einem Zeitpunkt verabschieden, zu dem die LLL-Strategie 2030 nach wie vor nicht vorliegt. Sie machen da also etwas, aber wir wissen überhaupt nicht, was für Ziele es eigentlich bis 2030 in der LLL-Strategie gibt, das ist nach wie vor ausständig.

Was das Ghostwriting betrifft, so ist die Anpassung dahin gehend, dass sich die Bestim­mung auf alle Hochschulen bezieht, gut und richtig.

Zum Quereinstieg noch ganz kurz: Wir haben einen Riesenmangel. Sie machen jetzt einen kleinen Schritt – ja, gut, es ist besser als nichts, anstatt das aber nur für den Kindergarten zu ermöglichen, wäre es notwendig, dass Sie sich einmal hinsetzen und sagen: Wir brauchen nicht nur beispielsweise im Kindergarten Quereinsteiger aus der Bildungswissenschaft, sondern auch in der Volksschule oder Sonderschule! – Das ist einfach viel zu klein gedacht. Sie sollten das einmal größer denken und das auch für den Schulbereich vorsehen. Die Volksschule ist überhaupt ausgeklammert, da gibt es offen­sichtlich in den nächsten Jahren überhaupt keinen PädagogInnenmangel – was ja jetzt schon nicht stimmt.

Insofern: Es geht ein bisschen etwas weiter, aber eigentlich haben Sie die Chance verpasst, viel größer, gerade auch was den Quereinstieg betrifft, zu denken. (Beifall bei den NEOS.)

13.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Martina Kaufmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.27.26

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Ja, Frau Kollegin Kuntzl, das Gesetz ist ein großer Wurf, und zwar aus einem einfachen Grund: Wir schaffen es mit der Lehre auf die Hochschule, und damit schaffen wir Zukunfts­per­spektiven für viele, viele junge Menschen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

Die Schwierigkeit des Zustimmens, Frau Kollegin Künsberg Sarre von den NEOS, kann ich auch nicht verstehen, denn genau bei diesem Gesetzespaket wäre es eigentlich im Interesse von euch NEOS – Bildung, Wirtschaft, das sind eure Themen! –, diesem zuzustimmen, weil wir darin Klarheit schaffen, eine Anrechenbarkeit von Ressourcen vorsehen, weil wir es mit diesem Gesetzespaket schaffen, Bildungswege für junge Menschen zu skizzieren, aufzuzeigen und zu ermöglichen. Und das, werte Kolleginnen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 105

und Kollegen, ermöglicht es uns, den Wohlstand unseres Bildungs- und Wirtschafts­standortes Österreich auch nachhaltig zu sichern. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Als Lehrlingssprecherin der ÖVP – wobei wir auch im eigenen Unternehmen seit Jahr­zehnten junge Menschen in der Lehre ausbilden – finde ich es wichtig, in der Berufs­orientierung gerade diese Karriereperspektiven aufzuzeigen, zu zeigen – im Gespräch mit den jungen Menschen, mit den Eltern gemeinsam –, welche Möglichkeiten es gibt. Mit dem vorliegenden Gesetzespaket schaffen wir die Einführung des Bachelor Profes­sional und des Master Professional, wodurch es möglich ist, sich Qualifikationen, die sowohl schulisch als auch beruflich erworben wurden, anrechnen zu lassen, sich in seinem Berufsbild weiter zu qualifizieren, und wodurch man als Unternehmen, als Wirtschaft die Besten der Besten auch stärken kann – womit wir insgesamt auch den Standort Österreich weiterbringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Sinne, werte Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, aber auch von der SPÖ: Überlegen Sie sich noch einmal, ob zu dieser Zukunftsperspektive, die wir hier für viele junge Menschen schaffen, nicht auch Ihre Zustimmung notwendig wäre, um genau diesen Weg zu gehen, damit wir in Österreich eine gute Zukunft haben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits gelangt zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.30.17

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie haben schon gehört, dass wir jetzt sozusagen etliches auf der Tagesordnung haben: Es geht um ein Sammelgesetz, in dem es um neue Titel geht – Kollegin Kuntzl ist im Detail darauf eingegangen –, in dem es um die Weiterführung von Zugangsbeschränkungen geht, in dem es aber auch um QuereinsteigerInnen für pädagogische Berufe geht – und außerdem geht es eben um zwei Anträge, die vonseiten der Sozialdemokratie einge­bracht wurden, und denen möchte ich mich jetzt gern widmen.

Der eine betrifft den Brexit. Sie wissen, diese Entscheidung fiel eigentlich vor vielen Jah­ren, und auch heute – vor allem auch heute – sind wir immer noch mit den Folgen kon­frontiert, zum einen klarerweise auf einer übergeordneten Ebene – denken wir an den Handel, denken wir an Jobsituationen, denken wir an Aus- und Einreise –,der Austritt hat aber auch sehr, sehr individuelle Auswirkungen, auch im Bildungsbereich.

Sie wissen, Großbritannien ist ein sehr, sehr beliebtes Land für SchülerInnenaustausch, Studierendenaustausch, aber auch Lehrlingsaustausch, ob für Sprachaufenthalte, Uni­aufenthalte oder Ausbildungsaufenthalte. Erasmus und Erasmus plus haben es in den letzten Jahrzehnten, möchte ich sagen, vielen Jugendlichen ermöglicht, diesen geför­derten Austausch auch wirklich zu leben.

Nun ist der geförderte Austausch vorbei, diese Möglichkeit ist weg. Und wer soll sich das künftig noch leisten können? – Es ist vermutlich eine sehr, sehr kleine Gruppe von Jugendlichen, und ich finde es halt einfach sehr schade, dass diese Chancen allen Jugendlichen genommen werden. Deshalb haben Kollegin Holzleitner  – und die Sozial­demokratie  den Antrag gestellt, um eben eine Lösung auf die Beine zu stellen.

In diesem Antrag haben wir Sie, Herr Bundesminister, aufgefordert, zum einen mit Kolle­gen und Kolleginnen in der österreichischen Bundesregierung, vor allem aber auf euro­päischer Ebene Gespräche zu führen und einfach Lösungen auf die Beine zu stellen – es gibt ja auch mit anderen Ländern bilaterale Abkommen: Ich denke an die Türkei oder an Norwegen. Das heißt, diese Optionen gibt es, und ich finde es deshalb sehr, sehr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 106

schade, dass die ÖVP und die Grünen diesem Antrag ganz einfach nicht zugestimmt haben. Es ist sehr, sehr traurig für viele Jugendliche. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch interessant ist, dass Sie dem Antrag zur Digitalisierung von Hochschulen Ihre Zustimmung nicht gegeben haben.

Frau Kollegin Blimlinger, ich würde Sie bitten, Ihre Gestik einfach ein bisschen einzu­stellen. Ich habe gerade gesehen, dass Sie den Vogel gedeutet haben, und ich halte das sozusagen - - (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Blimlinger tippt sich an die Schläfe.)

13.32.48*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Blimlinger, ich erteile Ihnen für diese Geste einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

*****

Bitte, Frau Abgeordnete.


13.32.54

Abgeordnete Katharina Kucharowits (fortsetzend): Danke. – Zurück zur Digitalisie­rung von Hochschulen: Wir haben, glaube ich, seit Covid-19 bemerkt, wo es bei der Digitalisierung hinkt und wo wir in Österreich vor allem auch nachhinken. Das eine ist die Ebene der Infrastruktur – vom Recht auf Internet für alle sind wir noch sehr weit entfernt; denken wir an den noch nicht so weit fortgeschrittenen Breitbandausbau –, wir haben aber im Rahmen der Digitalisierung der Lehre auch bemerkt, dass es da großen Aufholbedarf an den Universitäten und Hochschulen gibt. Das liegt bitte nicht an den Lehrenden, das möchte ich an dieser Stelle dezidiert sagen, es liegt ganz einfach an den zu geringen Ressourcen, und ich hätte, wir hätten uns da ganz einfach auch von Ihnen, Herr Wissenschaftsminister, eine extra Finanzspritze, zweckgewidmet für den Ausbau der Digitalisierung, vorgestellt.

Wir fordern in unserem Antrag – nämlich im Sinne der Studierenden –, dass Lehrver­anstaltungen weiterhin hybrid stattfinden, das heißt digital und physisch – nicht nur Lehrveranstaltungen, sondern auch Prüfungen. Ja, Unis sind Sozialräume, und das soll auch weiterhin sozusagen möglich sein, aber wir haben ja auch die Vorteile der digitalen Anwesenheit erfahren – Stichwort Vereinbarkeitsgeschichten; wenn ich ein Kind zu Hause zu betreuen habe oder pflegende Angehörige bin, habe ich trotzdem an der Lehrveranstaltung oder der Prüfung teilnehmen können –, und ich denke mir, diese positiven Aspekte, die wir durch Covid auch erfahren konnten, was eben mit diesen Hilfsmitteln möglich ist, die sollten wir beibehalten.

Das sowie die Zurverfügungstellung von digitalen Endgeräten fordern wir in diesem Antrag, weil halt nicht alle Studierenden sich das Studieren auch in dem Umfang leisten können. Es ist traurig, dass Sie auch da nicht zugestimmt haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Sibylle Hamann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.34.45

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Lieber Herr Bundes­minister! Ich freue mich, dass ich ein paar Worte über ein Thema verlieren darf, das mir ganz besonders am Herzen liegt, über das wir heute abstimmen werden. Das ist der Quereinstieg in den Lehrerberuf. Wir wissen ja, wie der Einstieg normalerweise geht:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 107

aus der Schule ins Lehramtsstudium, zurück in die Schule; und das ist eigentlich völlig okay. Es gibt Menschen – ich schaue jetzt (in Richtung Abg. Salzmann blickend) Ger­traud an –, die von klein auf wissen, dass sie Lehrerin, Lehrer werden wollen – das ist völlig klar, das ziehen sie durch. Das ist ein super Weg und viele machen das ganz großartig. Das ist aber nicht der einzige Weg, der möglich ist.

Man kann auch auf vielen anderen Wegen seine Bestimmung und den Weg in die Schule finden, auch später im Leben, auch ohne ein Lehramtsstudium, wenn man andere Aus­bildungen gemacht hat und Wissen und Erfahrungen in anderen Berufsfeldern erworben hat. Und auch solche Menschen mit solchen Biografien brauchen wir in den Schulen, wir brauchen sie mit ihrer Lebenserfahrung, mit ihrem Wissen auch über verschiedene Aspekte der Arbeitswelt draußen, und darum machen wir für diese Leute die Tür in die Schulen jetzt ganz weit auf.

Wie schaut das konkrete Angebot aus, das wir potenziellen Quereinsteigern, Quer­ein­steigerinnen machen können? – Sie bringen normalerweise ein Studium in einem anderen Fach mit, drei Jahre Berufserfahrung, durchlaufen dann, und das ist recht wichtig, ein Auswahlverfahren und absolvieren danach einen Hochschullehrgang. Ja, und dann werden sie dienstrechtlich mit Kolleginnen und Kollegen in der Schule, auch was ihre Vordienstzeiten betrifft, gleichgestellt.

Auch in der Elementarpädagogik haben wir uns einen neuen Weg überlegt: Da wird es für Menschen, die einen pädagogischen Bachelor mitbringen oder einen aus fach­ver­wandten Studien, einen eigenen Hochschullehrgang geben. Wenn sie diesen Lehrgang machen, dürfen sie Gruppen in elementarpädagogischen Einrichtungen leiten, auch ohne Bafep-Abschluss, was bisher notwendige Voraussetzung war.

All das sind Schritte in Richtung Vielfalt und in die Akademisierung auch im elementar­pädagogischen Bereich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was mir da jetzt aber noch ganz wichtig zu betonen ist: Das alles hat natürlich einen Zusammenhang mit dem Lehrer- und Lehrerinnenmangel und wird immer in einem solchen gesehen. Das Ganze ist aber kein Pflaster für die Aufhebung dieser Notsituation, sondern das ist auch inhaltlich und pädagogisch wichtig und gut. Das wird einen frischen Wind in die Schulen bringen, das wird neue Begegnungen im Lehrerzimmer ermög­lichen, das wird neue Themen und Diskussionen in die Klassenzimmer und in den Unterricht bringen, und insgesamt wird es die Durchlässigkeit und die Vielfalt in unseren Bildungs­einrichtungen erhöhen, was ihnen allen nur guttun kann, und darum freue ich mich über eine breite Zustimmung zu dieser Novellierung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.38.08

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wird heute eine Anpassung im Universitätsgesetz beschlossen, und Kollege Graf hat schon im Detail ausgearbeitet, wo das Gesetz zwar einerseits gut ist, wo wir aber auch einige, sagen wir einmal, Schwächen entdeckt haben, wo man mehr Mut haben könnte, als das Gesetz jetzt gezeigt hat. Die Universitäten­konferenz hat sich ja auch dazu geäußert, und der Bereich der Titel hätte sich schon eine etwas straffere Überarbeitung verdient.

Ich möchte aber auch auf einen Antrag der Kollegin von der SPÖ eingehen, nämlich jenen betreffend den Studentenaustausch mit England: Gut, der Antrag wurde abge­lehnt, und man hat gesagt: Na ja, was nicht mit der EU geht, ist nicht möglich, und die Briten hätten ja beschlossen, dass sie nicht mit der EU wollen. – Ja, mit der ganzen EU,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 108

und wir haben nach der Ausschusssitzung, in der Kollege Marchetti das erwähnt hat, noch einmal nachgefragt. Die sagen: Ja, mit der ganzen EU wollen sie nicht, aber sie sind natürlich jederzeit für bilaterale Vereinbarungen offen.

Natürlich ist England ein sehr interessantes Land für unsere Studierenden, für unsere Studenten in den diversesten Fächern, und es gibt auch gute Universitäten dort, also meine Aufforderung: Bitte, das geht! Bitte schaffen Sie die bilateralen Möglichkeiten für einen Studentenaustausch! Die Alternative nämlich, dass die EU natürlich sagt: Wir wollen das gar nicht, dass einzelne Länder ein bilaterales Abkommen machen!, die kennen wir auch, nur das interessiert uns bitte normalerweise, wenn wir ein ordentlicher Staat sind, eigentlich überhaupt nicht. Herr Bundesminister, bitte treffen Sie Verein­ba­rungen mit England!

Dann kommt dazu, dass, während da die Debatte läuft, Kollegin Blimlinger hinten vorbei­geht und so ein bisschen nonchalant kommentiert: Na ja, das stimmt ja alles gar nicht! – Frau Kollegin Blimlinger, erkundigen Sie sich in England, was nicht stimmt oder was stimmt! Die Engländer wollen die bilateralen Vereinbarungen, und sie wollen sie natürlich auch mit uns. Da können Sie den Kopf schütteln, wie Sie wollen. Wenn Sie schon den Kopf schütteln: Eines ist schon auch interessant. Mir ist bei den diversen Rektoren und Vorständen und so weiter an unseren Universitäten die Ideologie wirklich vollkommen egal, aber das sind Fachleute im Bildungsbereich – das sind wirklich Fachleute. Wenn diese von einer Abgeordneten, die schon lang weit weg vom Bildungsbereich ist, abge­kanzelt werden wie das letzte kleine Kind, das es sich nicht verdient hat, dann ist das auch eine Frage von Würde, Moral und Anstand in diesem angeblich Hohen Haus. – Frau Blimlinger, so geht das nicht! (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Nehmen Sie Ordnung, Manieren und Anstand an! Die Universitäten haben sich Ihre Antworten nicht verdient. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.41.32

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir hatten im Ausschuss eine konstruktive Diskussion. Wir haben, glaube ich, auch im Plenum eine interessante und durchaus kon­sensorientierte Diskussion mit unterschiedlichen Sichtweisen, mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Wir haben insgesamt lange und mit vielen Stakeholdern über dieses Gesetz diskutiert. Mut hin oder her, Herr Deimek: Kompromiss ist das Wesen des parlamentarischen und demokratischen Prozesses, und dazu bekenne ich mich weiterhin. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Martin Graf: Wo ist denn der Kompromiss bei den Zugangsbeschränkungen?)

Mit der vorliegenden Neufassung gibt es im Wesentlichen drei Schwerpunkte: die hoch­schulische Weiterbildung, die Weiterentwicklung der Studieneingangs- und Orientie­rungs­phase und das Modell des Quereinstiegs. Ich halte die hochschulische Weiter­bildung, so wie sie jetzt hier vorliegt, für sehr wichtig – extrem wichtig. Es ist ein wach­sender Bereich gewesen, und es gibt jetzt eine klare Struktur, angelehnt an die Bologna­architektur, mit einer Reduktion der Titel, aber mit einsichtigen Titeln. Dass vielleicht in manchen Nachbarstaaten das (CE), Continuing Education, noch nicht verstanden wird, ist kein Argument dagegen – es wird schon verstanden werden. Es ist eine Neufassung der hochschulischen Weiterbildung, die tatsächlich für Transparenz und für eine Durch­lässigkeit sorgt, für eine Durchlässigkeit auch im Bereich jener Personen, die eine berufliche Erfahrung mitbringen. Ich halte es für ein wirklich gut gelungenes Modell. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 109

Der zweite Punkt betrifft die Zugangsregelungen, insbesondere aber auch die Steop. Frau Abgeordnete Kuntzl, wir haben im Ausschuss darüber diskutiert. Wir haben das ja auch gemacht, weil das Institut für Höhere Studien dazu einen entsprechenden Evalu­ierungsbericht vorgelegt hat. Die Frage von Steop und Zugangsregelungen ist sozusa­gen auch in diesem Gesetz nicht endgültig normiert, sondern befristet bis 2027. Wir werden weiterhin darüber sprechen. Wir werden weiterhin beobachten, wie Steop und Zugangsregelungen umgesetzt werden. Dass wir darauf achten, dass die soziale Wirkung dieser Zugangsregelungen nicht so ist, wie wir wahrscheinlich alle befürchten, habe ich Ihnen auch im Ausschuss schon gesagt. Darauf werden wir großen Wert legen. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Der dritte Punkt ist eben die Neuordnung des Quereinstiegs: frischen Wind in die Schu­len durch Menschen, die eine berufliche Vorqualifikation mitbringen und nicht dauerhaft mit einem Sondervertrag schlechter beschäftigt werden wollen, als es notwendig wäre. Ich glaube auch, das wird, wie Sibylle Hamann gesagt hat, für einen frischen Wind in den Schulen sorgen. Es wird meiner Ansicht nach leider auch ein quantitativ begrenztes Instrument sein, aber die positiven Effekte sind ganz eindeutig.

Ich möchte vielleicht zum Schluss noch Frau Kucharowits etwas zum UK sagen. Es ist klar, dass die derzeitige Situation nicht das Ende der Fahnenstange ist. Wir alle haben bedauert, auch von hochschulischer Seite, dass es zu diesem Brexit gekommen ist, aber das ist letztlich eine nationale Entscheidung des UK gewesen. Ich persönlich habe eine Reihe von Gesprächen geführt, sowohl mit Regierungsvertretern des UK als auch mit den Botschaftern hier in Österreich. Derzeit ist tatsächlich das Interesse des UK an einer Fortführung eines Mobilitätsmodells, welches Erasmus nachempfunden ist, nicht groß. Das UK hat ein eigenes Mobilitätsprogramm aufgesetzt, das Turing-Programm, das ist ein reines Outgoing-Programm. Warum ist das UK mäßig – um nicht zu sagen gar nicht – interessiert? – Weil das Wesen von Erasmus ja immer war, dass die aufnehmende Institution im UK auf die Studiengebühren verzichtet hat, und die Studiengebühren im UK sind hoch und eine wesentliche Einnahmequelle für die dortigen Universitäten.

Ich sage aber auch, mit oder ohne Antrag, Frau Kucharowits: Ich weiß, dass wir in Europa zwei offene Probleme haben, im Bereich von Mobilität, aber auch hinsichtlich der Frage, wie das hochschulische System insgesamt in die Europäische Union integriert wird. Das ist das UK, und das ist die Schweiz. Bei beiden werde ich, wie gesagt mit oder ohne Antrag, schauen, dass wir in diesem Bereich eine viel stärkere Integration be­kommen, als sie derzeit vorhanden ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Martin Graf: Eine Lösung könnte der Ritterschlag sein!)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Nico Marchetti. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.46.57

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch etwas zum Themenkomplex UK sagen und noch einmal genau sortieren, wie der Ablauf war, weil ich glaube, dass das im Ausschuss ein bisschen verkürzt war. Darum ist es, glaube ich, ein bisschen zu einem Missverständnis gekommen.

Herr Deimek, ich will da auch explizit auf Sie eingehen. Sie haben natürlich schon recht: Es gibt die eine Geschichte, Erasmus, und die andere ist bilateral. Was Erasmus betrifft, gab es ja leider die Entscheidung – der Herr Bundesminister hat es gesagt –, dass das UK mit dem Turing-Programm ein eigenes reines Outgoing-Programm macht und nicht mit der EU-Kommission zusammenarbeitet. Wir haben sogar während der Ratspräsidentschaft


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 110

versucht – sogar in Person des Herrn Bundesministers –, doch noch einen Kompromiss hinzubekommen, es hat aber nicht funktioniert. – Das ist das eine.

Das andere – und da haben Sie recht, dass das zwei Paar Schuhe sind – ist eben diese bilaterale Zusammenarbeit. Da, um das noch ein bisschen zu konkretisieren, hat das UK auch gesagt, es ist nicht wirklich der große Vorteil, jetzt 27 MOUs abzuschließen, die ein bisschen unterschiedlich sind, mit jedem Land. Es ist ihnen lieber, wenn das auf Ebene der Universitäten passiert. Dazu gibt es ja auch Gespräche.

Konkret haben wir trotzdem versucht, einen Rahmen zu schaffen, wir wollten dieses Kul­turabkommen aus dem Jahr 1953 wieder aufleben lassen – da ist auch das Außenminis­terium weiterhin dran – und das dann quasi mit diesen Austauschprogrammen verknüp­fen, aber leider gibt es da eben – der Herr Bundesminister hat es gesagt – kein Interesse des UK, das jetzt einmal voranzutreiben. Wir werden dranbleiben und schauen, dass wir da etwas zusammenbekommen.

Ich möchte wirklich klarstellen, auch in Richtung der Kolleginnen Kucharowits und Holzleitner: Es gibt keinen Dissens. Wir wollen die Zusammenarbeit mit dem UK, nur ist das eben eine beidseitige Geschichte. Es gibt wirklich auf so vielen Seiten Bemühun­gen – von der Kommission, vom Außenministerium, vom Herrn Bundesminister. Im Moment sind wir gesprächsbereit, UK ist zögerlich. Wir bleiben weiter gesprächsbereit, das steht absolut außer Frage, aber im Moment sind nicht wir diejenigen, die sich bewegen müssen – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen.

Abschließend, auch für alle Studierenden, die sich dafür interessieren, einen Austausch in Richtung UK zu machen: Für nächstes Jahr sind noch Mittel da, weil sie ja in Corona­zeiten nicht aufgebraucht wurden – da geht es noch. Danach sind ja 20 Prozent der Mittel für Drittstaaten blockiert – da ist halt im Moment ganz viel für die USA und China, jetzt aber auch für das UK. Es ist quasi kein vollständiges Programm, aber es gibt zumindest ein bisschen eine Chance. Ich wollte auch klarstellen, dass diese sehr wohl noch besteht. Für jene, die sich dafür interessieren, hoffe ich, dass wir bald bessere Nachrichten haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Dr. Petra Oberrauner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.49.50

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschir­men und auf der Galerie! Die vorliegende Gesetzesvorlage weist grundsätzlich eine Reihe guter Intentionen auf. Die einheitliche Regelung und Systematisierung eines doch schwer überschaubaren Weiterbildungsangebotes sowie kostenlose Unterstützungs­ange­bote der Universitäten für StudienbewerberInnen zur Vorbereitung auf das Aufnah­meverfahren in den medizinischen Fächern und in Psychologie sind zwei positive Punkte, die ich gefunden habe. Allerdings erfüllt die Gesetzesvorlage nicht den An­spruch, den sie sich gegeben hat, weil sie an einigen Stellen noch wirklich unausgereift wirkt und die soziale Selektion an Hochschulen leider fortschreibt.

Wir können diesem Gesetz in der vorliegenden Form nicht zustimmen, wofür ich drei Punkte anführen möchte: Der vorliegende Entwurf versucht, ein attraktives und für die Hochschulen auch finanziell interessantes Weiterbildungsangebot zu schaffen. Er gibt aber keine Antwort darauf, wie verhindert werden soll, dass zukünftig das Angebot für berufstätige Studierende im regulären und kostenfreien Studium nicht ausgedünnt wird und die berufstätigen Studierenden zunehmend in kostenpflichtige Lehrangebote ge­drängt werden. Ein weitgehend gebührenfreies und qualitativ hochwertiges Studium


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 111

muss weiterhin für alle faktisch sichergestellt sein, auch für Berufstätige und für Per­sonen mit alternativen Hochschulzugangsberechtigungen, wie zum Beispiel Lehrlinge oder Facharbeiter. Über diese Studienmöglichkeiten muss auch breit informiert werden, damit sich die Menschen, wenn sie sich für diese Sachen interessieren, auch aus­ken­nen.

Zweitens sieht das Gesetz nur eine nachträgliche Qualitätsprüfung der Lehrgänge vor, und das auch nur, wenn es begründete Zweifel gibt. Ich halte das für nicht akzeptabel, weil die Studierenden, die sich für die Lehrgänge eingetragen haben, viel Geld bezahlen müssen, kostbare Lebenszeit investieren, diese Lehrgänge meistens auch berufs­beglei­tend absolvieren und nicht wissen, ob die Qualität passt und ob am Ende des Tages auch die Akzeptanz der Abschlüsse vorhanden ist. Ich glaube, das ist ein gravierender Nachteil in dieser Vorlage, der korrigiert werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Der vorliegende Gesetzesvorschlag sieht zudem die Fortsetzung sozial selektiver Zugangsbeschränkungen bis 2027 vor. Wie sozial selektive Zugangsbeschränkungen wirken, hat die jüngste Evaluierung des IHS deutlich gezeigt: Der Anteil an Personen, deren Eltern keinen Hochschulabschluss besitzen, hat im Studienjahr 2019/20 im Durch­schnitt über alle Studienfächer abgenommen, von 53 auf 51 Prozent der Inskribierten. Besonders groß ist die Selektion in der Humanmedizin, wo der Anteil um 10 Prozent fällt, aber auch beim Studiengang Business and Economics an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo von 28 StudienbewerberInnen, deren Eltern keinen Hochschulabschluss besit­zen, letztlich nur 22 inskribieren konnten. Ich glaube, das ist nicht gerechtfertigt, das ist keine Gleichbehandlung.

Angesichts dieser Zahlen reichen die im Gesetz vorgesehenen kostenlosen Unterstüt­zungs­angebote für Aufnahmeverfahren in medizinischen und psychologischen Fächern nicht aus, sondern sie müssten für alle breit aufgestellt werden. Sollen die Zugangs­be­schränkungen bis 2027 aufrechterhalten werden, dann müssen die Unterstützungs­angebote flächendeckend auch in dieser Zeit vorhanden sein, und zwar für alle Fächer.

Deshalb erscheint mir das Gesetz insgesamt noch nicht ausgereift und wir können nicht zustimmen. Wir würden Sie aber bitten, über die Korrekturen nachzudenken und viel­leicht nachzuschärfen, sodass es wirklich ein gerechtes Gesetz für alle Studierenden, berufstätig oder nicht, wird.

Ich würde bitte gerne anregen, dass man sich, da wir in einer internationalen Welt ange­kommen sind, endlich auch einmal in der EU um die gegenseitige Anerkennung der Studienabschlüsse kümmert, denn das ist noch immer nicht geregelt und Nostrifizie­rungsverfahren sind ziemlich schwierig. Die Lehrlinge sind da besser beraten, weil es da zumindest Abkommen für einige Lehrberufe gibt, die in den Ländern der EU gegenseitig angerechnet werden. Im Endeffekt hat es auch Auswirkungen auf die Bezahlung in je­nem Land, in dem man dann arbeitet, und das ist in einer Zeit wie heute nicht gerecht­fertigt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag.a Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.54.35

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­herinnen und Zuseher! Ich bin eine große Befürworterin von Diversität. Ich bin eine Befürworterin von Diversität, weil diverse Teams erfolgreicher sind. Deswegen befür­worte ich Diversität in der Wirtschaft, in der Politik, aber eben auch in der Schule.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 112

Der zweite wichtige Punkt in dieser Gesetzesnovelle, neben dem wichtigen Thema der hochschulischen Weiterbildung, ist, dass wir den Quereinstieg in die Schule ermög­lichen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man unterschiedliche Sichtweisen in die Schulen bringt, dass man Lebenserfahrung in die Schulen bringt, dass man, wie meine Kollegin Hamann gesagt hat, auch frischen Wind in die Schulen bringt, und dass man Leuten, die nicht gleich nach der Schule gesagt haben, dass sie in einen Lehrberuf gehen, diesen Traum auch später einmal erfüllt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was machen wir genau? – Wir ermöglichen motivierten Leuten, die vorher schon prak­tische Erfahrung gesammelt haben, dass sie nach einem Auswahlverfahren direkt in die Klasse kommen, dort unterrichten und parallel eine Ausbildung vor allem im pädago­gischen Bereich machen. Das heißt beispielsweise, dass ein Chemiker, der für drei Jahre in einem Labor gearbeitet hat, direkt in die Klasse kommt und dort nicht nur sein Wissen, sondern auch seine Erfahrung und seine Begeisterung einbringen kann. Ich erwarte mir dadurch auch, dass wir mehr junge Leute beispielsweise für technische Berufe begeistern können. Ich beispielsweise hätte mir das gewünscht.

Wir wissen, dass der Quereinstieg funktioniert. Wir haben das beispielsweise bei der so erfolgreichen Initiative Teach For Austria gesehen. Das begrüßen alle, die Direktoren, die anderen Lehrer, also sozusagen welche, die gleich nach der Schule in den Lehrberuf gegangen sind, aber natürlich auch die Schüler. Diesen Quereinstieg wollen wir nun breiter ermöglichen.

Meine Damen und Herren, nicht nur die Politik lebt vom Austausch, sondern vor allem auch die Schule lebt vom Austausch. Das ist mir wichtig, das ist dem Herrn Minister wichtig, das ist der ÖVP wichtig. Mit dieser Gesetzesnovelle wollen wir das ermöglichen. Profitieren werden davon vor allem unsere Kinder, und das ist gut so. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


13.57.02

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt eine Legende, die sich um die Universitäten rankt, das ist die Legende vom abgehobenen Elfenbeinturm. Ich weiß nicht, ob diese Legende je zugetroffen hat, ich kann aber sagen, für die letzten Jahrzehnte trifft sie ganz sicher nicht zu.

Ein ganz wesentliches Handlungsfeld, mit dem die Universitäten zeigen, wie sie über ihren unmittelbaren Wirkungsbereich hinausstrahlen, ist das lebensbegleitende Lernen, das sind die Aktivitäten der Universitäten und Hochschulen in der Weiterbildung. Ich finde es extrem positiv, dass diese Weiterbildungsaktivitäten mit dieser Gesetzesnovelle nun auch einen entsprechenden einheitlichen Rahmen bekommen, damit auch jeder weiß, wenn man einen Weiterbildungsbachelor oder Weiterbildungsmaster absolviert, dann ist das gleichwertig wie ein Master in einem Regelstudium. Das ist für die Durch­lässigkeit entscheidend.

Das Zweite, was mir ganz, ganz wichtig erscheint, ist die Einführung des Bachelor Pro­fessional und des Master Professional. Das heißt, dass die Universitäten da ein Angebot legen, dass die große Erfahrung und Kompetenz, die viele Menschen aus der Berufs­erfahrung, aus dem Berufsleben mitbringen, auch eine akademische Anerkennung findet und dass das mit einer akademischen Ausbildung verbunden werden kann. Damit schaffen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 113

wir einen weiteren Weg des Bildungsaufstiegs, etwas, das für unsere Gesellschaft ganz, ganz wichtig ist.

Ich möchte allen Hochschullehrenden ein explizites Danke für die großen Aktivitäten, die sie in der Weiterbildung setzen, sagen – großes Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend darf ich Ihnen allen einen schönen und entspannten Sommer wünschen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen. )

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.59.25

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen wir uns einmal kurz vor, dass in Zukunft Sportstudierende automatisch wählen könnten, ob sie Gymnastik in Präsenz oder digital lernen möchten. Ich glaube, wenn wir dieses Gedankenexperiment anstellen, dann fällt uns ein, dass sogar unser Kollege Franz Hörl wahrscheinlich noch einmal liebend gerne Gymnastik vom Bildschirm von zu Hause aus lernen und studieren möchte. (Heiterkeit, Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Dieses Beispiel war jetzt vielleicht ein bisschen überzeichnet, was ich aber damit sagen will, ist, dass nicht jedes Fach digital und online studierbar ist. Ich glaube, Ihr Antrag, liebe SPÖ, liebe Kollegin Kucharowits, würde auch zu stark in die Freiheit der Lehre eingreifen.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie geben mir vermutlich auch recht, wenn ich sage, dass Studierende und Lehrende in den letzten 16 Monaten stark herausgefordert und gefor­dert waren und dass daher die Verschränkung von digital und Präsenz vor allem auch in Präsenzstudiengängen die Zukunft sein wird.

Digitalisierung der Hochschule heißt aber nicht automatisch Laptops für alle, so wie es die SPÖ vorschlägt. Wir wissen, liebe SPÖ, dass ihr immer gerne etwas verschenkt, in diesem Fall halt Laptops, in 500 000 anderen Fällen Staatsbürgerschaften. Das wird es mit uns als ÖVP nicht geben, und daher lehnen wir auch Ihren Antrag ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist wie meistens nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Wissenschaftsausschusses und fahre in der Erledigung der Tages­ordnung fort.

14.01.2710. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 1737/A(E) der Abgeord­neten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hoch­schü­ler­schaft (993 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 114

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Mag. Dr. Martin Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.02.02

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Wir – zumindest ich – stehen, immer noch unter dem Eindruck der letzten ÖH-Wahl – wenn man überhaupt sagen kann, dass das eine Wahl war.

Es gibt immer zwei bedenkliche Szenarien, bei denen der Gesetzgeber eigentlich auf­gerufen ist, tätig zu werden. Das eine ist, wenn bei Wahlen 100-prozentige Zustim­mun­gen herauskommen, wie in Nordkorea beispielsweise. Wenn das passiert, dann wissen wir, wir sind auf jeden Fall im falschen System. Oder das zweite: Es geht keiner mehr zur Wahl hin, eine Wahl dient offensichtlich bloß mehr dem Selbstzweck der jeweiligen Funktionäre.

Das ist ungefähr das Szenario, das wir heute an Österreichs Hochschulen, im tertiären Bildungsbereich generell, vorfinden. Zur Erinnerung: Bei der letzten Wahl waren, glaube ich, überhaupt nur noch rund 15 Prozent der Wahlberechtigten an den Urnen. Warum das so ist, lässt sich vielleicht da und dort auch erklären.

Wir haben einen Zug, der in die Richtung geht, dass an vielen Universitäten tatsächlich nur mehr Einheitslisten zur Wahl angeboten werden. Alle anderen Listen werden ent­weder aus ideologischen Gründen hinausgekickt oder haben keinen Bestand oder wer­den als sinnlos et cetera angesehen. Und dort gehen dann die Wahlen mit 100 Prozent für die Einheitsliste aus.

Auf der anderen Seite haben wir Institutionen, in denen schon bald weniger Leute wählen gehen, als es wählbare Personen gibt. So zum Beispiel die Webster Universität: Dort waren fünf Leute wählen und sieben Mandate wurden vergeben. Es hat eine andere Institution gegeben, da war überhaupt niemand bei der Wahl. Und dann gibt es eine Reihe von Institutionen, die eine Wahlbeteiligung zwischen 0,6 und 1,5 oder 2 Prozent haben. Da wählen dann 29 Mitglieder sieben zur Verfügung stehende Mandatare. Also man kann fast sagen, man wählt sich selbst als Funktionär und fühlt sich dann vielleicht sogar noch saupudelwohl in diesem System, weil man vermeint, demokratisch legitimiert zu sein.

Ich fühle mich da überhaupt nicht wohl. Ich glaube, da geht die Reise in eine falsche Richtung. Es ist kaum mehr Demokratie zulässig. Es wird ein Mitte-rechts-Gesinnter, sagen wir es einmal vorsichtig, letztlich als Faschist gebrandmarkt, für sein Leben, und versucht, ihn in seiner bürgerlichen Existenz zu erledigen, sodass es tatsächlich so ist, dass keine anderen Listen mehr zustande kommen, außer Einheitslisten oder linke und linkslinke Listen.

Die Zwangsmitgliedschaft, die dort herrscht, wird dann auch noch ausgenützt und sorgt dafür, dass von 100 Prozent der Studierenden die Beiträge zwangsweise eingehoben werden – Geld, das dann gegen einen Teil der Studenten, nämlich die, die eine andere politische Gesinnung haben, eingesetzt wird, um diese zu bekämpfen und sie in ihrer bürgerlichen Existenz letztlich zu beschädigen. Da kann man einfach nicht zuschauen.

Dort, wo es noch stärkere Mitte-rechts-Gruppierungen auf Universitäten gibt, sehen wir, dass die Wahlbeteiligung bei 40, 50 und 60 Prozent der Stimmberechtigten liegt. Das ist eine Analyse, die man ja vielleicht auch einmal machen kann. Auf den Universitäten, wo es noch eine Demokratie, eine echte Demokratie, verschiedene Auswahlmöglichkeiten gibt, haben wir relativ hohe Wahlbeteiligungen, und dort, wo die Antifa in den Büros und Referaten sitzt und gegen Lehrende, gegen die Freiheit der Lehre, gegen Lernende,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 115

gegen alle, die nicht die gleiche Gesinnung haben, massiv vorgeht, dort gibt es fast keine Wahlbeteiligung.

Daher, glauben wir, ist es höchst an der Zeit, über das System der Zwangsmitglied­schaf­ten nachzudenken. Wir sind nicht dafür, dass es gar keine studentische Vertretung geben soll, aber dann soll sie sich freiwillig organisieren. Ich nehme als gutes Beispiel den Österreichischen Gewerkschaftsbund her. Da gibt es keine Zwangsmitgliedschaft, die müssen sich bewähren, machen auch einen guten Job in breiten Bereichen, sind notwendig und wichtig, werden anerkannt und sind ein wesentlicher Spieler, wenn man so will, in der Sozialpartnerschaft – ohne Zwangsmitgliedschaft! Ich glaube, dahin muss man an den Hochschulen, wo Freiheit noch gelebt werden soll, kommen, und jetzt ist die Zeit dafür reif.

Wir haben einen Antrag auf Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft eingebracht – viel­leicht verbunden mit einem Umstieg auf ein Freiwilligensystem –, der von den Regie­rungsparteien, aber auch von der SPÖ rundweg abgelehnt wurde. Man ist offensichtlich nicht einmal bereit, über das Ganze nachzudenken.

Eines noch: Wenn gesagt wird, die Studierenden sollen selbst in ihrem eigenen Wir­kungsbereich eine Abstimmung dazu machen, dann entspricht das vielleicht dem Zug der Zeit in der ÖVP; ich erinnere aber daran, dass es dann am Ende so ist, dass wieder nur der Kader hingeht  das hatten wir schon einmal , und diese Funktionäre sich natürlich bestätigen, dass die Zwangsmitgliedschaft bleiben soll, weil sie ja sonst um ihre eigenen Jobs bangen müssten.

Das ist nicht das richtige System, und ich glaube, es ist an der Zeit, über eine Änderung nachzudenken, sowohl im Ministerium als auch im österreichischen Nationalrat, und wir werden hier nicht lockerlassen, dass diesbezüglich etwas vorangeht. Wenn es nämlich einmal gar keine Wähler mehr gibt, dann werdet auch ihr Linken aufwachen, dann ist vielleicht schon alles vorbei, dann ist die Demokratie eh schon total abgeschafft. So weit wollen wir es doch nicht kommen lassen, oder? (Beifall bei der FPÖ.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.08.57

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt vier Jahre im Wissen­schaftsausschuss und ich weiß, dass Kollegen Graf zwei Themen extrem wichtig sind: die Zusammenlegung der beiden Kunstunis und die ÖH. Damit werde ich Sie immer assoziieren. Letzteres ist auch heute wieder Ihr Thema.

Sie von der FPÖ sprechen da schon einen Punkt an: Die Wahlbeteiligung von 15 Prozent ist ein Drama. Ich möchte gar nicht wissen, welche Diskussionen man über dieses Haus führen würde, wenn die 183 Abgeordneten nur mit 15 Prozent Wahlbeteiligung gewählt worden wären. Das ist ein massives Problem. Egal, von welcher Richtung oder von welcher Fraktion man kommt, da kann doch niemand sagen, das ist super. – Das ist das eine.

Das andere ist, dass ich der Meinung bin, dass es extrem wichtig ist – das haben wir in der Coronakrise gemerkt –, dass wir Politiker auch ein Gegenüber haben, die Studie­renden an den Unis, an den Standorten, aber auch auf Bundesebene, weil wir so natür­lich besser zu Lösungen kommen.

Wie führt man diese beiden Gegensätze zusammen? – Mein Vorschlag war schon im Aus­schuss, dass wir uns mit der neuen Exekutive, mit den ÖH-Vorsitzenden, zusammensetzen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 116

und sie einmal fragen, wie sie denken, dass man da weiterkommt. Ich finde, das wäre einmal ein guter erster Schritt. Das Vorsitzendenteam hat ja auch an uns geschrieben – ich glaube, an alle Fraktionen –, dass es gerne einen Antrittsbesuch machen würde. Kollege Taschner und ich werden das im August machen.

Ich würde sagen, reden wir nicht über die ÖH, reden wir mit der ÖH, geben wir ihr einmal eine Chance, zu Lösungen zu kommen. Unter dem Strich muss aber schon klar sein, wohin das führen muss, und zwar zu einer höheren Wahlbeteiligung.

Ich muss auch sagen, ich fand es ein bisschen schade, dass jetzt bei der ersten Bun­desvertretungssitzung von der ÖH zum Beispiel der Vorschlag der Aktionsgemeinschaft, noch einmal das E-Voting zu probieren, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, gleich abgelehnt wurde. Ich glaube, das ist durchaus ein konstruktiver Vorschlag, aber wie gesagt: Wir können einmal mit der ÖH reden und dann können wir in weiterer Folge noch einmal in diesem Haus darüber diskutieren.

Weil es ja die letzte Sitzung vor der Sommerpause ist, ein vielleicht nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: Im Sinne des lebenslangen Lernens könnten Sie, Kollege Graf, sich ja auch noch einmal einschreiben und bei der ÖH-Wahl kandidieren. Ich glaube, Sie wären ein super Faktor, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, denn ich weiß schon, dass viele Fraktionen dann sehr motiviert wären und mehr Personen zur Wahl gehen würden. Das wäre ja etwas, und wenn Sie bei diesem Thema ohnehin solch große Leidenschaft haben, wäre das sicher auch in Ihrem Sinne. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

14.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Yannick Shetty. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.11.38

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Kollegen von der FPÖ, helfen Sie mir: Wieviel Prozent haben Sie bei der letzten Wahl erreicht? – 16, so ungefähr? (Abg. Martin Graf: 20 Prozent ...!) – Nein, nein, ich meine bei der Nationalratswahl, die FPÖ – 16 Prozent, glaube ich. Es liegt ein bisschen über dem Ergebnis der FPÖ im Nationalrat, ein bisschen über der Gesamtwahl­be­teiligung bei den ÖH-Wahlen. Was würden Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sagen, wenn die FPÖ jetzt den Anspruch erheben würde, dass sie hier die gesamte österreichische Bevölkerung vertritt? – Sie würden vermutlich zu Recht sagen: Das ist ja ein Wahnsinn, die sind da mit 16 Prozent gewählt, die 16 Prozent haben sie gewählt, aber mehr auch nicht! (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Bei den ÖH-Wahlen ist es genauso: 15,8 Prozent war die Wahlbeteiligung, wir haben es heute mehrfach gehört, aber da ist überhaupt keine Selbstreflexion in der ÖH und über­haupt kein Bewusstsein dafür da, dass das katastrophal ist, sondern der Anspruch besteht: Wir sind die Interessenvertretung der Studierenden!, und das halte ich für unfassbar.

Die neue alte ÖH-Exekutive, die linke Mehrheit, hat knapp über 50 Prozent der Mandate. Das heißt, sie vertritt oder hat hinter sich 8 Prozent der Studierenden. Und das sind diejenigen, die dort in Verantwortung sind, also die die Verantwortung in der Bundes-ÖH tragen. Ich frage mich – ich kann die Frage von Kollegen Graf noch einmal unter­streichen –: Wo ist da auch nur ansatzweise eine demokratische Legitimation? – Die ist nicht gegeben (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Martin Graf), und deswegen müssen wir darüber sprechen, wie wir die Legitimation der ÖH erhöhen können, und die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft ist eine Möglichkeit dazu. Dazu sage ich gleich noch etwas.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 117

Schauen wir uns aber vielleicht noch an, wie sich die Wahlbeteiligung entwickelt hat: Exponentielles Wachstum oder in diesem Fall ein exponentieller Sinkflug, das ist ja zurzeit in aller Munde. Schauen wir uns die Wahlbeteiligung bei den ÖH-Wahlen an: 1965 lag sie bei 70 Prozent, 1975 bei 40 Prozent, 1985 bei 30 Prozent, 2013 bei 27 Pro­zent, 2017 bei 25 Prozent und jetzt sind wir bei 15 Prozent. Ich frage mich: Wie tief muss die Wahlbeteiligung sinken, dass Sie bereit sind, sich darüber Gedanken zu machen? Wie schaut es denn bei einer Wahlbeteiligung von 5 Prozent oder von 3 Prozent oder von 1 Prozent aus? Ist das dann auch noch demokratisch legitimiert? (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Martin Graf.)

Eine Institution, die so sehr von ihren Mitgliedern verachtet wird, darf nicht mittels Zwangsmitgliedschaft am Leben erhalten werden. Eine gute Interessenvertretung braucht keinen Zwang, eine gute Interessenvertretung bemüht sich um ihre Mitglieder und eine gute Interessenvertretung überzeugt durch ihre gute Arbeit. Wir sehen das auch in anderen Bereichen, bei der Wirtschaftskammer und bei der Arbeiterkammer: Dort, wo Zwang notwendig ist, sind die Mitglieder unzufrieden. Um vielleicht ein Gegenbeispiel zu bringen: Der ÖGB ist eine Institution, die uns nicht nahesteht, aber dort gibt es keine Zwangsmitgliedschaft, und ich glaube schon, dass Sie sagen würden, dass er für seine Mitglieder gute Arbeit macht. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Abschließend: Wir unterstützen diesen Antrag der FPÖ, die Zwangsmitgliedschaft in der ÖH abzuschaffen, weil wir glauben: Wenn sich die ÖH wieder um ihre Mitglieder be­mühen müsste, dann würde sie auch bessere Arbeit machen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Martin Graf.)

14.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Andrea Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.15.05

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Wie das Amen im Gebet kommt nach einer ÖH-Wahl der Antrag auf Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei der ÖH. Unser Zugang ist da ganz einfach und klar: Wir wollen eine starke Interessenvertretung der Studie­renden und wir wollen auch die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür schaffen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Polemik bringt uns da überhaupt nicht weiter, denn dass die Wahlbeteiligung in diesem Jahr besonders niedrig war, das ist nicht abzu­streiten, das ist so. Wir sprechen aber auch von einem außergewöhnlichen Jahr! Wir sprechen von einer Wahl nach drei Semestern, in denen die Studierenden Covid-bedingt ihre Universität gar nicht von innen gesehen haben, wo es vielen Studierenden schwer­gefallen ist, den Kontakt zur Universität aufrechtzuerhalten, die Motivation aufrecht­zuer­halten, wo sehr viel Energie und Kraft hineingeflossen sind. Insofern würde ich es einmal positiv finden, dass in einem derartigen Ausnahmejahr überhaupt so viele teilgenommen haben.

Nichtsdestrotrotz: Natürlich muss man sich das anschauen, keine Frage, und ich be­grüße die Gesprächsbereitschaft. Man soll sich mit dem neuen Vorsitzteam der ÖH zusammensetzen. Die haben ja auch Interesse, sie bemühen sich ja auch um eine Steigerung der Wahlbeteiligung. Unser Zugang sollte sein, wie wir die Interessen­vertretung der Studierenden auf diesem Weg unterstützen können.

Sehr geehrter Herr Kollege von den NEOS, dass die Mitglieder der Arbeiterkammer unzufrieden sind, das widerlegt Ihnen jede Umfrage, oder reden Sie einfach nur mit Betroffenen, denn die Unterstützung und Serviceleistung der Arbeiterkammer wird von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 118

allen, die diese jemals in Anspruch genommen haben, breit geschätzt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.17.20

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an die Rede des Kolle­gen Yannick Shetty direkt anschließen – eine ausgezeichnete Rede, die wir aus frei­heitlicher Sicht zu 100 Prozent inhaltlich unterstützen können, nicht nur können, sondern auch tun. Diese Frage muss ja bei einer vermeintlichen Vertretung der Studierenden, die eine 15-prozentige Wahlbeteiligung zustande bringt, legitim sein.

Kollege Shetty hat es schon gesagt: Die jetzige Regierung – sozusagen – der Öster­reichi­schen Hochschülerschaft hat das Mandat von ganzen 8 Prozent der Studierenden. Es ist aus unserer Sicht nicht einzusehen, warum die 85 Prozent der Studierenden, die ganz offensichtlich kein Interesse daran haben, was in der Funktionärsschaft der Hochschülerschaft passiert, dazu genötigt werden, diese auch noch zu finanzieren – deshalb der Antrag von Kollegen Graf, diese Mitgliedschaft auf eine freiwillige Basis zu stellen. Das entspricht im Übrigen auch dem freiheitlichen Grundgedanken und gilt auch für andere Organisationen, die mit Zwangsmitgliedschaft abgesichert sind, wie etwa die Kammern.

85 Prozent interessiert das offensichtlich nicht, und das Argument, das ja auch bei den Kammern immer wieder vorgebracht wird – nein, nein, das ist nicht so!, dort haben wir auch Wahlbeteiligungen von 35, 40 Prozent (Zwischenruf des Abg. Scherak–, dass die übrigen 60 Prozent so zufrieden seien mit der Arbeit der Kammerfunktionäre (Zwischen­ruf des Abg. Scherak), dass sie keinen Anlass hätten, zur Wahl zu gehen, also dieses Argument überzeugt mich nicht wirklich – ich sage es so, wie es ist.

Ganz offensichtlich ist es so, dass 85 Prozent der Studierenden das nicht interessiert, und ich habe Verständnis dafür, dass sie kein Interesse haben. Wenn man sich den Koalitionsvertrag (ein Exemplar zeigend) der neuen ÖH-Exekutive zwischen VSSTÖ, Gras und den Fachschaftslisten anschaut, dann sieht man: Dort steht sehr, sehr viel drinnen, nur nicht das, was man eigentlich als Studentenvertretung machen sollte, näm­lich sich auf der inhaltlichen, fachlichen Ebene für die Studierenden einzusetzen. Das beginnt mit dem Selbstverständnis dieser Koalition: „Vertretungsarbeit ist politisch.“ (Beifall und Bravorufe bei den Grünen.)

Ich zitiere jetzt, natürlich punktuell, aus diesem sehr interessanten Programm. Da sind so Schmankerl: „Die hochschulpolitische Situation in Österreich wird immer drama­tischer. Sie ist geprägt von Studienplatzbewirtschaftung, Leistungsdenken, Konkurrenz­prinzip und der Verwertung von Bildung“. – Um Gottes Willen: Leistungsdenken! Konkur­renzprinzip!

Ganz besonders wichtig ist für sie die Flinta – die wenigsten werden wissen, was Flinta ist. Flinta ist die Abkürzung für „Frauen, Lesben, Inter-, Nonbinary-, Trans- und Agender-Personen“ – Flinta. (Zwischenruf des Abg. Loacker. – Heiterkeit bei den NEOS.) Das ist der Kampf. Da gibt es dann so absurde Ablaufregelungen für Sitzungen, dass eine Flinta-Person – also eine Person, die dieser Personengruppe angehört – ohne Angabe von Gründen verlangen kann, dass ein Cismann – ein Cismann, ich habe mich erkundigt, ist ein Mann, der sich auch wie ein Mann oder so irgendwie verhält – den Raum verlässt. – Also geht’s noch? Diskriminierender geht es ja gar nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 119

Sie haben – insbesondere diese neue ÖH-Exekutive – das Thema völlig verfehlt, und noch einmal: Mich wundert es überhaupt nicht, dass 85 Prozent der Studierenden das nicht interessiert, sie damit nichts zu tun haben. Wir Freiheitliche – auch die NEOS – wollen diese 85 Prozent der Studierenden davon befreien, dass sie das, was sie überhaupt nicht interessiert, weil es nicht das ist, was sie machen sollen, auch noch mit Zwangsmitgliedsbeiträgen finanzieren müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Fischer.)

14.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.21.40

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause an den Bildschirmen! (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Ich werde immer ein bisschen vorsichtig, wenn ein FPÖler mich befreien möchte oder jemanden von uns befreien möchte. Das geht meistens eher nach hinten los – sowohl ideologisch als auch in der Realität. (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema, kommen wir zur ÖH als solcher. Anfang der 2000er-Jahre hatten wir den Slogan in der ÖH: Service, das hilft – Politik, die wirkt! – Das bringt es eigentlich perfekt auf den Punkt, was die ÖH nämlich wirklich macht. Nicht so, wie Kollege Kassegger oder auch Kollege Graf das gerade eben – in ihrer Welt – dargestellt haben, sondern: Die ÖH ist eine Interessenvertretung. Natürlich ist eine Interessenvertretung politisch. Das gehört sich. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Die ÖH organisiert, die ÖH bringt Service. Wir kennen das: Manche von uns, die vor ein paar Jahren vielleicht noch studiert haben, kennen noch die klassischen Skripten et cetera – diese Geschichten. Sie ist aber eben auch die Vertretung an den Universitäten, an den Instituten und so weiter und so fort, wo man sich als ÖH gegenseitig hilft, wo man Tutorien abhält et cetera oder wo man eben auch dementsprechend politisch agiert.

Das ist die ÖH, und damit die ÖH das machen kann, gibt es einen Mitgliedsbeitrag: 20,70 Euro pro Studierender pro Semester. Das ist jetzt nicht die Welt, aber das sichert der ÖH eine entsprechende Unabhängigkeit von der Politik, von uns allen. Sie müssen nicht zum Minister gehen und sagen: Bitte, bitte!, sondern sie können selbstständig agieren.

Zum Wesen der ÖH gehört auch, dass es ein allgemeinpolitisches Mandat gibt, das der FPÖ seit Jahrzehnten eigentlich immer ein Dorn im Auge ist, das wissen wir ja. Kollege Graf war eh selbstentlarvend, indem er sozusagen die antifaschistischen Tätigkeiten der ÖH angeprangert hat. Ich glaube, da geht es eher darum, dass Kollege Graf selber ab und zu gerne ficht und das eher ein Problem für ihn ist, wenn die ÖH das nicht so gut oder lustig findet. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ist deswegen alles gut in der ÖH? – Nein, keine Frage! 15 Prozent – das brauchen wir gar nicht zu diskutieren – sind zu wenig. Ist es dann aber das Richtige, herzugehen und der ÖH im Endeffekt zu sagen: So, wir nehmen dir jetzt deine wirtschaftliche Grundlage, wir nehmen dir jetzt alles weg und dann schau halt, wo du bleibst!? – Nein, natürlich auch nicht, das kann doch nicht die Lösung sein. Wenn ich mehr Demokratie haben will, dann muss ich mich doch mit der ÖH hinsetzen, so wie es Kollege Marchetti vorhin hier vorgeschlagen hat. Dann müssen wir uns das halt gemeinsam anschauen, dann müssen wir halt gemeinsam besprechen: Was kann man machen, um die ÖH zu stärken? (Zwi­schenrufe der Abg. Hoyos-Trauttmansdorff und Kassegger.) Eine stärkere ÖH, eine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 120

starke ÖH, die politisch ist, die Service anbietet, das muss doch das Ziel sein – und nicht einfach, die ÖH abzuschaffen, nur weil es einem politisch nicht reinpasst, weil man offensichtlich auch ideologisch beziehungsweise auch vom Geist her nicht checkt, worum es da geht.

In diesem Sinn ist es also absolut richtig, die ÖH zu stärken, mit der ÖH zu sprechen, die ÖH abzusichern, und wenn es Ihnen bei der FPÖ nicht passt, was die ÖH ideologisch so von sich gibt, dann müssen Sie halt schauen, dass Sie in der ÖH endlich wieder einmal stärker werden. Sie schaffen es halt nur leider nicht, weil die Studierenden intelligent genug sind, Sie nicht zu wählen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steger: Nein, die gehen nicht wählen!)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Wissenschaftsausschusses.

14.25.10Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 7 bis 10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen bereits zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Wissenschaftsausschusses, die ich über jeden Tagesordnungs­punkt getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs dazu eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz, das Fachhochschulgesetz, das Privat­hochschulgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 945 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Wissen­schafts­ausschusses, seinen Bericht 991 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Wissen­schafts­ausschusses, seinen Bericht 992 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich an­genommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Wissen­schaftsausschusses, seinen Bericht 993 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 121

14.26.4711. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Ständigen Unter­aus­schusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR be­treffend Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Mag. Karin Greiner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Ge­barung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz, des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Landes­verteidigung sowie der im Eigentum des Bundes stehenden Bundesbeschaffung GmbH hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge und Auftragsvergaben im Zusam­menhang mit der COVID-19-Pandemie seit März 2020 bis dato (1/URH2/1024 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.27.54

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Parlament debattiert heute einen Bericht nach einem Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, dem sogenannten kleinen Untersuchungsausschuss. Womit hat er sich beschäftigt? – Er hat sich mit den Corona­beschaffungen der Bundesregierung beschäftigt.

Ich habe im Dezember des Vorjahres gemeinsam mit meinem Kollegen der NEOS, Abgeordnetem Hoyos-Trauttmansdorff, den Antrag auf diese Prüfung eingebracht, jetzt liegt das Ergebnis vor, sechs Monate sehr konstruktiver Arbeit, und ich darf betonen: Gerade die Zusammenarbeit der Oppositionsparteien hat sich sehr konstruktiv gestaltet, war sehr erfolgreich, auch die Grünen sind sehr konstruktiv an diese Sache heran­gegangen. Lediglich eine Partei hat sich der Transparenz und der Aufklärung nicht so verpflichtet und zugetan gefühlt (Abg. Ottenschläger: Die SPÖ!), was schade ist.

Welche Erkenntnisse haben wir während dieser sechs Monate erlangt? – Ich beginne mit den unerfreulichen Erkenntnissen: Wir mussten in diesem Ausschuss bedauerlicher­weise feststellen, dass Regierungsmitglieder – insbesondere der Finanzminister und der Bundeskanzler – sich nicht der Wahrheit verpflichtet fühlen, sich in einem parlamen­tarischen Kontrollausschuss nicht der Wahrheit verpflichtet fühlen. Das ist höchst irritierend und das ist inakzeptabel. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Offensichtlich geht es der ÖVP in erster Linie darum, zuzudecken, abzustreiten, nichts zu wissen und Vorteile für die türkise Familie zu schaffen. (Abg. Obernosterer: Na, na, na!) Ich darf auf weitere Erkenntnisse eingehen  vielleicht eine kurze Info für die Zuseherinnen und Zuseher: Die ÖVP beginnt bereits wieder, nervös zu werden, was ich aus deren Sicht nachvollziehen kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Weitere Erkenntnisse: Wir haben uns mit der Hygiene Austria beschäftigt (Abg. Hanger: Von welchem Ausschuss reden Sie gerade?), ein hinlänglich bekanntes Unternehmen, das der Schwarzarbeit und des schweren Betrugs verdächtigt wird. Damit befassen sich ohnehin die Gerichte. Worum geht es uns? (Ruf bei der ÖVP: Wissen wir nicht! Wisst ihr selber nicht!) Um die politische Verantwortung. Ja, Sie verweigern sich dieser Verantwortung, liebe Kollegen der ÖVP, was schade ist.

Was ist politisch brisant? – Die Hygiene Austria hat eine auffallende Nähe zum Kabinett des Bundeskanzlers. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Zwischen Geschäftsführung und Bun­des­kanzlerkabinett bestehen verwandtschaftliche Verbindungen. (Abg. Zanger: Familie!) 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 122

Familie, genau, Sie sagen es! Brisant ist, dass die Spitze der Bundesregierung mit dieser Firma wochenlang Exklusivverhandlungen für eine mögliche Auftragsvergabe von FFP2-Schutzmasken für die Bevölkerung über 65 geführt hat. Das ist schon brisant, wenn man um die verwandtschaftlichen Verbindungen weiß.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein folgenschwerer Fehler war der Kostendeckel von 200 Millionen Euro bei der Impfstoffbeschaffung (Ruf bei der ÖVP: Den es nie gegeben hat!) – den es nie gegeben hat, sagt der Kollege von der ÖVP.

Wie hat der Finanzminister reagiert, wie hat der Bundeskanzler bei der Befragung dazu reagiert? – Beide haben mehrmals negiert, dass es diesen Deckel gegeben hat. Den habe es nie gegeben, der war nie da. Was aber sagen die Akten? – Na ja, die Akten belegen schwarz auf weiß, dass es diese Obergrenze gegeben hat. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Sie erinnern sich an das Interview des früheren Gesundheitsministers Sie (in Richtung ÖVP) finden das noch immer lustig, es ist eine höchst ernsthafte Materie (Zwischenrufe bei der ÖVP) , der gesagt hat, er hätte es auch besser gefunden, hätte es diesen Kostendeckel nie gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Was sind nämlich die Auswirkungen davon? – Österreich hat freiwillig auf viele Impf­dosen verzichtet. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja gar nicht!) Das führt dazu, dass die Bevöl­kerung mit Stichtag heute nicht in dem Ausmaß geimpft ist, wie es sein könnte, wenn man die volle Ration bestellt hätte. (Abg. Kühberger: Unerhört!) – Ja das ist unerhört, dass Sie das nicht bestellt haben! (Beifall bei der SPÖ.) Jetzt warten nach wie vor viele Leute auf ihre Impfung und haben keinen normalen Sommer.

Dann hat die ÖVP gemerkt: Ah, da ist uns ein Fehler passiert! – Was ist dann passiert? – Der Herr Bundeskanzler hat den Finger erhoben und die Schuld zum Impfkoordinator geschoben. Clemens Martin Auer wäre schuld daran, dass Österreich zu wenig Impfstoff zum frühestmöglichen Zeitpunkt gehabt hat. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Sehr geehrte Damen und Herren  liebe Kollegen, auch Sie müssten das wissen , Beamte können sich lediglich innerhalb des Rahmens, der durch das Dienstrecht gegeben ist, bewegen, aber nicht darüber hinaus. Kein Beamter kann alleine entscheiden, jetzt mehr oder weni­ger für den Impfstoff auszugeben. Er hat einen Rahmen, an den er sich unbedingt halten muss. (Abg. Michael Hammer: Man kann auch innerhalb des Rahmens zu wenig tun!) Auch das hat er in seiner Befragung bestätigt – wiederum Fakten, es hat diesen Deckel leider gegeben.

Sehr geehrte Damen und Herren, was erwarten wir uns angesichts dieser Fakten von einem Bundeskanzler? – Wir erwarten uns von einem Bundeskanzler, dass er zu Fehl­entscheidungen steht, dass er Verantwortung übernimmt, zumal er ja gesagt hat, Impfen ist Chefsache. Dann aber die Schuld abzuschieben ist wirklich billig. (Beifall bei der SPÖ.) Wir erwarten uns von einem Bundeskanzler, dass er sich der Wahrheit verpflichtet fühlt. Das ist eigentlich wirklich kurios, dass ich das von dieser Stelle aus einfordern muss; es handelt sich um einen gewählten Volksvertreter. Ihn daran erinnern zu müssen, dass er dem Volk die Wahrheit sagen soll, ist doch wirklich eigenartig. Finden Sie das nicht befremdlich? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Steger und Zanger. Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Warum hat er der Bevölkerung nicht die Wahrheit gesagt? – Ich erinnere: „Koste es, was es wolle“, war die Ankündigung. Faktum ist ein Kostendeckel von 200 Millionen Euro, das kostet übrigens ein Tag Lockdown, es wurde also am falschen Platz gespart. (Zwischenrufe bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Salzmann.) Ankündigung: Bei Sputnik sind wir auf den letzten Metern. Faktum: Wir sind weit weg davon, es gibt nicht einmal eine Zulassung auf europäischer Ebene, und kein Mensch, den wir im Ausschuss befragt haben, hat jemals einen Vertragsentwurf gesehen. Das sind die Fakten. Weitere


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 123

Ankündigung: Ende Juni ist jeder geimpft, der das sein möchte. Faktum: Leider nein. Viele junge Erwachsene werden keinen normalen Sommer haben.

Fazit aus diesem Ausschuss: Wir als SPÖ fordern vehement eine Wahrheitspflicht auch für den sogenannten kleinen Untersuchungsausschuss, so wie sie auch im Untersuchungs­ausschuss besteht (Zwischenrufe bei der ÖVP), denn es ist eigentlich eine Selbstver­ständlichkeit, dass Regierungsvertreter der Bevölkerung die Wahrheit versagen, ah, sagen (Beifall bei der SPÖ)  Sie (in Richtung ÖVP) haben sie versagt, leider, ja – und dem Parlament ernsthafte, ehrliche und offene Antworten geben. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Eßl: Wie wär’s, wenn auch ihr die Wahrheit sagen würdet?)

Sehr geehrte Damen und Herren, das war eine fundamental wichtige Oppositionsarbeit. Der Rechnungshof wird weiterhin Prüfungen zu dieser Thematik in Österreich machen, auch auf europäischer Ebene wird es dazu Prüfungen geben. Vielleicht kann man sich da austauschen.

Abschließend darf ich Danke sagen: Danke an alle Kollegen und Kolleginnen, die ernsthaft aufklären wollten, an meine Fraktionskollegen im Ausschuss, Petra Oberrauner und Christian Drobits, und an das Team der Klubreferenten, Christian Götz, Angi Gruber-Risak, Chris Berka und Sigrid Rosenberger, und auch an meinen parlamentarischen Mitarbeiter Leon Swoboda. Sie alle haben perfekt zusammengearbeitet. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Zanger und Hoyos-Trauttmansdorff.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.36.41

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fordere die Wahrheitspflicht für Abgeordnete (Beifall bei der ÖVP Zwischenruf des Abg. Zanger), denn was ich hier gehört habe, ist unglaublich. Ich war bei jeder Sitzung dabei, ich habe alle elf Sitzungen mitgemacht (Zwischenruf des Abg. Lausch), ich habe 21 Auskunftspersonen gehört. Ich habe mich nur gewundert, dass die Opposition dann hinaustritt, eine Pressekonferenz gibt und dass das, was dort gesagt wird, nicht der Wahrheit entspricht. (Abg. Zanger: Mich wundert nicht, dass du das nicht erkennst! Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Wenn Sie abfällig über unseren Bundeskanzler und über unseren Finanzminister sprechen: Das stimmt einfach nicht! (Zwischenrufe der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Leichtfried.) Aber Entschuldigung, sorry, dass ich so aufgebracht bin, ich wollte eigentlich ganz anders beginnen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Gestatten Sie mir einen Rückblick, einen Rückblick auf das vergangene halbe Jahr im Rechnungshofunterausschuss. Wie gesagt, in elf Sitzungen durften wir 21 Auskunfts­personen befragen, um die Beschaffungsvorgänge und die Auftragsvergaben im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zu untersuchen. Aus meiner Sicht wurden die Beschaffungen und auch die Auftragsvergaben sehr korrekt durchgeführt. (Anhal­tende Zwischenrufe des Abg. Leichtfried.) Vorab ein großes Dankeschön an alle Be­fragten und für die gute und kompetente Zusammenarbeit. Für mich gibt es viele Heldin­nen und Helden in der Bevölkerung, in den Organisationen, aber auch in den Minis­terien; da und auch in der Regierung wurde hervorragend gearbeitet.  Danke dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Ein großes Dankeschön dem Roten Kreuz für das großartige Beschaffungsmanagement am Beginn der Pandemie. Man erinnere sich zurück: Ihr habt Verantwortung in einer ganz, ganz schwierigen Zeit übernommen, danke auch dafür. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 124

Am 11. Dezember 2020 gab es das Verlangen der Opposition (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried) auf Prüfung der Beschaffung von Schutzausrüstungen, Impfstof­fen, Tests und von Auftragsvergaben. Für mich war das letzte halbe Jahre eine sehr spannende Zeit, aber ich glaube, nicht nur für mich, sondern auch für meine Kolleginnen und Kollegen der eigenen Fraktion, unseres Koalitionspartners und, ich glaube, besonders für die Fraktionen der Oppositionsparteien. Ja, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Oppositionsparteien, ich finde es gut, dass es euch gibt. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.) Ihr habt euer Recht, diese Über­prüfung zu verlangen, genutzt, und das ist gut so. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. Abg. Zanger: ... Das ist ja Wahnsinn ...!)

Überall sind Menschen am Werk, niemand ist unfehlbar, und gerade in einer derart schwierigen Ausnahmesituation könnten Fehler passieren. Ja, nichts ist für eine Regie­rung so wichtig wie Kontrolle. Ich halte es auch für wichtig, die Überlegungen der han­delnden Personen kennenzulernen. (Abg. Leichtfried: Das ist Gewaltenteilung!) Ich halte es aber nicht für wichtig, Skandale zu erfinden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Sie wollen die Gewaltenteilung abschaffen!) Ich halte es auch nicht für wichtig, Befragungen wie ein Verhör durchzuführen. Vergesst nicht, ihr habt es mit Menschen zu tun!

Frau Kollegin Greiner! Herr Kollege Hoyos! Herr Kollege Zanger! Ja, bleibt dran, macht es sorgfältig! Arbeitet so, dass ihr euch in den Spiegel schauen könnt! (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Bleibt lästig, aber vergesst nicht, ihr habt es mit Menschen zu tun! (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Macht euch keine Sorgen!) Unterstellungen, Aggressionen, Skandalerfindungen, die anscheinend einem Drehbuch entspringen, dienen nicht der Wahrheitsfindung. (Abg. Zanger: Das sagt der Richtige!) Ihr lauft schön langsam Gefahr, dass ihr eure Glaubwürdigkeit verliert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Letzte, was eine Regierungspartei braucht, ist eine unglaubwürdige Opposition. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Lausch und Shetty.) Ihr pusht uns zu Höchstleistungen. Gut, dass es euch gibt! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Fazit: leider unwürdig. Dennoch bin ich froh, dass ich beim Unterausschuss des Rech­nungshofes dabei sein durfte und darf. Ihr habt leider oft vergessen, dass ihr es mit Menschen zu tun habt. (Beifall bei der ÖVP.)

14.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.42.19

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Das war reizend von dir, Kollege Pöttinger (Zwischenruf des Abg. Leichtfried – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Das war skurril!), ich muss dir aber jetzt ganz ehrlich etwas sagen: Wenn mir jemand erzählt, dass umso mehr Leute sterben, je mehr Intensivbetten man hat, wäre ich vorsichtig, ihm alles zu glauben. So viel zu deiner Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Mit der Wahrheit hat die ÖVP aber sowieso generell ein Problem (Abg. Hörl: Hallo!), und wenn du hier herinnen die Wahrheit sagst, kriegst du vom ÖVP-Präsidenten einen Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Wir sind eine große Familie! – Die türkis-schwarze Partie ist eine große Familie, und diese große Familie hat die Covid-Krise genutzt, um das Beschaffungswesen bis ins Tiefste hinein zu korrumpieren. (Abg. Eßl: Der Zanger möchte halt gerne dabei sein! – Abg. Hörl: Jetzt reicht es aber!) Die ÖVP ist die Coronakorruptionspartei (Beifall bei der FPÖ – Ruf bei der ÖVP: Unglaublich! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), denn


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 125

sämtliche Profiteure aus den Beschaffungsvorgängen kommen aus den schwarz-tür­kisen Netzwerken. Die haben verdient und sich die Säcke vollgestopft, und ihr als politi­sche Verantwortungsträger habt daran die Schuld! (Beifall bei der FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein Teil dieser großen Familie ist die Bundesbeschaffungsgesellschaft. Diese hat in der ersten Phase 7 Millionen Tests von zwei Unternehmen angekauft, später ist dann ein drittes dazugekommen. Dabei waren 15 Unternehmen gelistet. Warum nur von zwei oder drei? – Dreimal dürft ihr raten! Natürlich waren diese Teil des schwarz-türkisen Netzwerkes. Wir sind eine große Familie! In diese große Familie passt ja auch die Hygiene Austria. Die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Firma Hygiene Austria zum Büro Kurz sind ja schon aufs Tapet gekommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

De facto war es dann wirklich so, wie es Kollegin Greiner schon ausgeführt hat: Für die Aktion FFP2-Masken für die über 65-Jährigen wurden Exklusivgespräche geführt. Das hat Herr Wieser klipp und klar gesagt. Was er noch gesagt hat, sage ich hier jetzt nicht. Es könnte aber kommen, wenn ihr nicht mit der Wahrheit herausrückt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ein weiterer Teil der großen Familie ist Herr Fleischmann, der Pressesprecher des Bun­deskanzlers, der dafür verantwortlich war, dass man das Werbebudget auf einmal auf 200 Millionen Euro verdoppelt hat. Und was ist damit passiert?

Er war ganz stolz darauf, dass diese Kampagnen, für die er verantwortlich zeichnet, über 90 Prozent der Menschen erreicht haben. (Abg. Steinacker: Ja, das ist aber wirklich etwas!) – Ja, das ist ganz hervorragend! Er hat ja gesagt: Wir haben über 90 Prozent Informationen zugeleitet. (Abg. Pfurtscheller: Das ist auch wahr!) Ich sage, die Grat­wanderung zwischen Information und Manipulation ist eine ganz, ganz schmale. Wenn man sich die Kampagnen anschaut, dann möchte ich wissen, wo bei „Schau auf dich, schau auf mich“, „Österreich testet“ oder „Österreich impft“ der Informationsgehalt ist. (Abg. Melchior: Von wo hat man sonst die Informationen?) Das sind alles Kam­pagnen, die rein der Manipulation dienen. Unter dem Motto „Koste es, was es wolle“ hat man die Bevölkerung so weit manipuliert, dass sie sämtliche Maßnahmen bis hin zum Ein­gesperrtsein zu Hause akzeptiert.

Ein weiterer Punkt: Durch die Vereinbarung des Wirtschaftsministeriums mit dem Roten Kreuz wurde de facto das Bundesvergabegesetz umgangen, denn es wurde bloß ein Werkvertrag aufgesetzt. Es hat sogar gefehlt, dass man sich, wenn es schon nicht möglich ist, mit dem Roten Kreuz einen entsprechenden Vertrag zu machen, wenigstens an das Bundesvergabegesetz anlehnt. Das hat auch Herr Peschorn moniert. Erst im Juli 2020 wurde dann die BBG eingeschaltet.

Es gab Kompetenzwirrwarr, intransparente Entscheidungen, vor allem bei den Kam­pagnen. Was aber besonders verwerflich ist, ist das Agieren der Bundesregierung bezie­hungsweise mancher Regierungsmitglieder. Herr Blümel weiß von nichts. Er hat 20 Mit­arbeiter im Ausschuss mit, an die er jede Frage weiterverweist, weil er selber nichts weiß und sich nicht auskennt. Er ist inkompetent bis zum Gehtnichtmehr und agiert dann noch abgehoben, präpotent und arrogant, wie ich es von keinem Regierungsmitglied – und ich kenne schon viele, ob es Schwarze oder Rote waren – je erlebt habe. (Ruf bei der ÖVP: Herr Präsident, wo ist die Würde des Hauses? – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kurz erklärt alles zur Chefsache, was in Coronazeiten passiert, und dann ist er sich nicht zu schade, ständig die Verantwortung auf das Gesundheitsministerium oder bei der Frage der Impfstoffbeschaffung auf einen Beamten abzuwälzen. Dafür sind wir aber ja eine große Familie.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 126

Fazit dieses Ausschusses, ganz eindeutig: Die ÖVP hat das Coronabeschaffungswesen bis ins Tiefste korrumpiert. Die Profiteure kommen einzig und allein aus den schwarz-türkisen Netzwerken. Die ÖVP ist die Coronakorruptionspartei! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Eßl: Schwacher Applaus! Nur vier FPÖler klatschen!)

14.47

14.47.59*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, für den Vorwurf der Korrumpierung und die Formulierung „Coronakorruptionspartei“ sowie den persönlichen Vorwurf der Präpotenz und Arroganz erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Steinacker: Drei, bitte!)

*****

Zu Wort gelangt nun Mag. Sibylle Hamann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.48.23

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt schon ein bisschen über diese Bierzelt- oder Fußballstadion­stim­mung hier erstaunt. (Abg. Michael Hammer: Das ist ja selbst in einem Bierzelt unwürdig, was Kollege Zanger hier macht!)

Ich weiß nicht, ob es irgendjemanden wirklich interessiert, was in diesem kleinen Unter­suchungsausschuss eigentlich passiert ist. Wenn Sie wollen, würde ich mich jetzt zur Verfügung stellen, um das zu erzählen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich gebe gleich am Anfang zu, ich war in diesem Ausschuss ja nur die kleine Aushilfe. Ich springe hier für die Kollegen David Stögmüller und Nina Tomaselli, die den Aus­schuss mit großer Umsicht geleitet hat, ein. Beiden möchte ich auf diesem Weg auch unsere liebsten Wünsche ausrichten. Werdet bald gesund!

Offenbar war ich emotional nicht so in das Ganze involviert wie einige hier. Wenn man von außen kommt, glaube ich, sieht man auch manches ein bisschen genauer. Ich kann berichten, was dort wirklich passiert ist.

Ich habe in diesem kleinen Untersuchungsausschuss eine total konstruktive Zusammen­arbeit aller Fraktionen gesehen. Ich habe dort eine große Ernsthaftigkeit gesehen, um herauszufinden, was eigentlich wirklich mit den Beschaffungsvorgängen in dieser Repu­blik war. Was ich gesehen habe, waren Akten, die anstandslos und schnell geliefert wur­den, 8 000 Seiten allein aus dem Gesundheitsministerium.

Ich habe Ladungslisten gesehen, die eigentlich immer gemeinsam ausverhandelt wur­den und bei denen man immer eine gemeinsame Lösung gefunden hat. Ich habe auch Auskunftspersonen gesehen – 21, glaube ich, waren es –, die alle gekommen sind, außer Rudi Anschober, der krank war und dann nicht mehr Minister war. Die anderen sind aber gekommen, inklusive Bundeskanzler, mehrerer Minister und Ministerinnen und zahlreicher Spitzenbeamter aus mehreren Häusern, und die haben sich alle dort erinnert, und sie haben alle ganz detailliert erzählt, was passiert ist. Dafür möchte ich mich einmal bedanken. So kann man respektvoll miteinander arbeiten, und so kann, finde ich, auch parlamentarische Kontrolle funktionieren.

Jetzt zu dem Bild, das sich für mich in diesem Ausschuss zusammengesetzt hat: Ich habe nachvollziehen können, wie dramatisch diese Zeit damals, zu Anfang der Pan­demie, war, als man innerhalb von Tagen und Stunden Strukturen aus dem Boden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 127

stampfen musste, als man unter einem wirklich irren Zeitdruck manchmal schnell ent­scheiden musste, mit einer sehr dünnen Informationslage Entscheidungen mit ganz weitreichenden Folgen in Milliardenhöhe treffen musste.

Zwei Beispiele, die ja jetzt schon genannt wurden: Eines betrifft die Beschaffung der Schutzausrüstung – davon war schon die Rede. Masken: Man muss sich vorstellen, das war damals ein Zeitpunkt, zu dem der Weltmarkt leergefegt war und die ganze Welt dasselbe kaufen wollte. Da steht man vor einem Konflikt, wenn man etwas beschaffen will. Da weiß man, man will die Bevölkerung versorgen, es muss schnell gehen, man muss gewisse Qualitätsstandards erfüllen, doch gleichzeitig werden astronomische Preise verlangt. Was macht man da? Wie handelt man da verantwortungsbewusst? – Das ist schwierig.

Ein zweites Beispiel ist die Impfstoffbeschaffung, das wurde auch schon erwähnt. Da hatten wir das Dilemma, dass man schon zu einem Zeitpunkt mit Herstellerfirmen über Mengen verhandeln und über Verteilungsschlüssel entscheiden musste, als man noch nicht einmal gewusst hat, welche Firmen etwas zustande bringen werden und welche nicht, und als es noch keinen einzigen Impfstoff gab.

Ich kann mir schon gut vorstellen, dass das nicht einfach ist. Wurden in dieser Situation immer perfekte Entscheidungen getroffen? – Na selbstverständlich nicht. Hätte man rückblickend betrachtet vielleicht manchmal eine idealere oder eine billigere oder eine weisere Lösung finden können, oder hätte man auch andere Prioritäten an die Ent­scheidungen anlegen können? – Wahrscheinlich ja, aber alle diese Dinge kann man nachher leichter sagen als mittendrin.

Hinweisen möchte ich auf unseren Bericht dazu. Ich finde, dieser legt das alles sehr ausführlich und sehr ausgewogen dar. Er zeichnet die Beweggründe für Entscheidungen und die Bedingungen, unter denen diese Entscheidungen gefallen sind, nach. Er lässt nichts aus, er beschönigt nicht, aber er skandalisiert auch nicht, und er versucht, redlich zu verstehen, was damals passiert ist. Darüber freue ich mich. Für die viele Mühe, die da drinsteckt, danke ich. Diese Erfahrung kann uns in zukünftigen Krisen nur von Nutzen sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff gelangt nun zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.53.21

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, der kleine Untersuchungsausschuss hat durchaus sehr viel aufgezeigt. Wir haben in einem halben Jahr gemeinsam – zumindest zu einem Großteil gemeinsam – wirklich sehr viel weitergebracht. Ich möchte mich vorweg einmal bei allen Fraktionen bedanken, weil wir in vielen Dingen – insbesondere bei Ladungslisten, Terminfindung und so weiter – durchaus gemeinsam agiert und einiges weitergebracht haben.

Das Ziel des Ausschusses war es aus meiner Sicht – und ich habe ihn ja mit Kollegin Greiner vor einem halben Jahr einberufen –, dass wir daran arbeiten, wie wir aus der Krise lernen können. Wir alle wissen, diese Krise wird vorbeigehen, es werden aber weitere kommen, und wir müssen dann besser gewappnet sein, als wir es heute sind.

Ich muss abschließend schon sagen, dass ich das Gefühl habe, dass dieses Interesse, aus der Krise zu lernen, durchwegs da war, leider aber nur bei vier Fraktionen: Das sind die FPÖ, die SPÖ, wir und die Grünen. Die ÖVP hat sich da mehrheitlich enthalten. Die ÖVP hat eher versucht, gute Stimmung zu machen, mit sehr, sehr oberflächlichen Fra­gen, bei denen man das Gefühl gehabt hat, sie will eher von den Tatsachen, wie sie passiert sind, ablenken.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 128

Eine Sache hat sich in diesem Ausschuss schon gezeigt: Es sind viele Dinge passiert, die nicht ganz richtig gelaufen sind, viele Dinge, bei denen wir im Nachhinein sagen können: Das war nicht optimal, das war suboptimal oder das war sogar wirklich schlecht. Das muss man auch offen und ehrlich ansprechen.

Eines dieser Themen ist das Thema Kommunikation. Insbesondere der Bundeskanzler ist ja ein Weltmeister der PR – so würde er sich wahrscheinlich auch selbst gerne bezeichnen –, er hat aber sehr, sehr oft in dieser Zeit Dinge versprochen, die er schlicht und einfach nicht gehalten hat. Quer durch alle Themenkomplexe kann man sich das anschauen. Das hat mit dem „Licht am Ende des Tunnels“ begonnen, das er gesehen hat, ist mit der Impfstoffbeschaffung weitergegangen, zu der er gesagt hat: Alles ist großartig! Wir werden zu jeder Zeit so viel Impfstoff haben, wie wir brauchen! – Das war nicht der Fall. Dann hat er über Sputnik philosophiert. Was da alles gewesen ist, kann man eigentlich gar nicht mehr auf ein Blatt bringen.

Wir sehen es jetzt: Wenn diese Sachen, die der Bundeskanzler angekündigt hat, ins­besondere was Impfstoffbeschaffung betrifft, eingetroffen wären, würden wir jetzt we­sentlich sicherer und besser dastehen, als wir es tun. Wir wissen gerade durch die Deltavariante, dass die zweite Impfung notwendig ist, und genau diese Dinge, die der Bundeskanzler angekündigt hat, können wir nicht einhalten.

Die Prioritätensetzung bei all diesen Themen haben wir auch gesehen: Die oberste Priorität galt dem PR-Budget. Genau damit sind wir wieder bei der Causa Bundes­kanzler, die sich durchgezogen hat. Allein in dieser Zeit hat der Bundeskanzler ein Bud­get von 200 Millionen Euro für PR in Auftrag gegeben. Das wurde schon angesprochen; ich glaube, Kollege Zanger von der FPÖ hat es vorhin schon gesagt. Diese 200 Millionen Euro wären über die nächsten Jahre jeden Monat 1 Million Euro für PR. Mit dieser 1 Million Euro könnte man knapp 80 000 Impfdosen beschaffen und somit 80 000 Men­schen Sicherheit gewähren. Genau das bräuchten wir jetzt, meine Damen und Herren, wenn es um die Deltavariante geht, dass die zweite Impfdosis da wäre, damit der Schutz der Bevölkerung gewährleistet wäre.

Darüber hinaus gibt es noch viele andere Themen, die wir behandelt haben: Hygiene Austria, diese Naheverhältnisse, die da sind, die Exklusivverhandlungen, die da sind. All das sind Dinge, bei denen wir bestmöglich – das muss man sagen –, aber nicht in alle Details haben hineinschauen können und bei denen es durchaus noch Bedarf gibt, sich im Detail anzuschauen: Was ist da wirklich im Hintergrund gelaufen?

Man muss schon sagen: Dass über Wochen hinweg Exklusivverhandlungen mit einem Unternehmen geführt werden, das durchaus Kontakte in welche Büros auch immer hat, ist zumindest höchst dubios. Das, glaube ich, gehört angesprochen. (Beifall bei den NEOS.)

Ähnlich ist es beim Thema Testen. Ich möchte jetzt nicht noch einmal im Einzelnen auf die Kosten bei dieser ersten Testoffensive eingehen, die auch schon angesprochen wurden. Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich finde viel zu testen sehr, sehr wichtig, aber wir müssen gerade in der Krise auch schauen, dass wir unser Geld effizient und sinnvoll einsetzen. Gerade die Testoffensive ist ein Paradebeispiel dafür, wie diese Krisen­bewältigung der ÖVP eben nicht funktioniert. Der Bundeskanzler sagt in einem Fernseh­interview: Wir fangen jetzt an, zu testen! Das beginnt in zwei Wochen!, und dann ist nichts fertig, dann haben wir eine komplett falsche Testplattform, über die man sich an­meldet, die innerhalb von wenigen Minuten gehackt wird, sodass wichtige Gesundheits­daten der Bevölkerung veröffentlicht werden, und dann haben wir die Situation, dass zu wenige Tests da sind, dass das alles vorne und hinten nicht so funktioniert, wie angekündigt. Das bringt uns nicht sicherer durch eine Krise.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 129

Am Ende bleibt, gerade auch wenn man sich die Erklärungsnot vorstellt, in der der Bundeskanzler und auch andere Regierungsmitglieder durchaus waren, nichts anderes zu sagen, als dass man das Gefühl hat, dass da schon das Thema mit der Wahrheit sehr, sehr weit interpretiert ist. Wenn man sich die Aussagen von Herrn Auer auf der einen Seite und die Aussagen von Herrn Kurz auf der anderen Seite anschaut, dann sieht man, dass dazwischen Welten liegen. Wie kann da irgendjemand sagen: Da ist alles gleich und wunderbar, das ist eine wunderschöne, heile Welt!? – Es ist weit davon entfernt. Da sind Welten dazwischen, und da muss man schon klar sagen – gerade auch im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss, bei dem wir die Verfahren ja kennen –: Wer einmal die Unwahrheit sagt, dem glaubt man nicht mehr – um das so zu sagen, dass der Herr Präsident nicht auf irgendwelche Gedanken kommt. Das ist aber ein Thema, das wir in dieser Republik haben.

Kommen Sie (in Richtung Präsident Hofer) schon auf Gedanken? Ich bin eh gleich fertig.

Wir haben einfach das Thema in der Republik, dass wir Verantwortungsträger in der Republik in höchsten Ämtern haben, die die Wahrheit sehr weit definieren beziehungs­weise nicht den Ansatz eines Eingeständnisses sehen. Ich sage ehrlich: Es bedrückt mich als Politiker schon, dass man das Gefühl hat, dass Politiker das nicht mehr ernst nehmen; denn wem schadet das? Wem schadet es, dass man nicht mehr grundsätzlich davon ausgehen kann, dass ein Bundeskanzler die Wahrheit sagt? – Uns allen, dem Hohen Haus und dem Ansehen unserer Republik.

Dementsprechend glaube ich, dass dieser kleine Untersuchungsausschuss sehr, sehr viele Dinge aufgezeigt und uns sehr viele Schritte weitergebracht hat, aber durchaus auch zeigt, dass es noch ganz, ganz viel rund um Corona und die diesbezüglichen Be­schaffungen aufzuklären gibt. Ich hoffe, dass die ÖVP endlich beginnt, auch da dabei zu sein. (Beifall bei den NEOS.)

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 11 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung jetzt, um 15 Uhr, stattfinden kann.

15.00.30Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minis­ter für Inneres betreffend „Völliges Versagen der ÖVP in der Asylpolitik“ (7292/J)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 7292/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Der bestialische Mord an der 13-jährigen Leonie nach vorangegangener mehrfacher Ver­gewaltigung sorgt quer durch die Bevölkerung und naturgemäß auch in allen poli­tischen Lagern für Entsetzen. Die bestialische Tat, derer aktuell vier afghanische Staats­bürger verdächtig sind, stürzt die Familie des Mädchens in tiefe Trauer und hinterlässt eine Lücke, die niemals zu schließen sein wird. Leonies unvorstellbares Martyrium in den letzten Stunden ihres Lebens ist für die Politik ein unmissverständlicher Auftrag – und zwar nicht der erste.

Asyl nur für die, die Schutz in Österreich benötigen und auch verdienen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 130

Umso mehr gilt es jetzt, effektive Schritte gegen die von gewalttätigen Zuwanderern ausgehende Gefahr zu setzen und alles zu unternehmen, um Asyl auf Schutz für jene zu reduzieren, die ihn tatsächlich in Österreich benötigen und durch ihr Verhalten auch verdienen. Das Asylsystem darf nicht weiterhin Einfallstor für Menschen aus aller Herrn Länder sein, die sich hier ein besseres Leben erhoffen, gleichzeitig aber eine Gefahr für ein gutes und friedliches Leben der Österreicher darstellen.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind Betroffenheitsbekundungen und Lippenbekenntnisse zu wenig. Es gilt, an den Stellschrauben eines völlig aus den Fugen geratenes Asyl­systems einzugreifen. Es gilt einerseits, die Asyl-Zuwanderung maximal zu begrenzen und Österreich als Zielland so unattraktiv wie möglich zu machen. Und es gilt ande­rerseits, all jene, die unseres Schutzes nicht bedürfen und ihn nicht verdienen, rigoros außer Landes zu schaffen.

Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer klaren Haltung, einer deutlichen Kom­muni­kation, einer konsequenten Umsetzung rigoroser Maßnahmen und auch des eisernen Willens, diese Einstellung gegenüber der Europäischen Union und gegenüber den natio­nalen und internationalen Lobbying-Organisationen der illegalen Zuwanderung ent­schlossen zu vertreten und durchzukämpfen.

10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylanten

Die wesentlichen, bereits längst überfälligen Schritte hat FPÖ-Bundesparteiobmann und Klubobmann Herbert Kickl unmittelbar nach der grausamen Bluttat an Leonie in einem 10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylanten skizziert. Dieser umfasst:

1.          Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden

2.          Maßnahmen zur De-Attraktivierung des „Asylstandorts“ Österreich, zum Beispiel durch die Wiedereinführung von Ausreisezentren

3.          Ein klares Bekenntnis der gesamten Bundesregierung zu Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien und eine Abschiebungsoffensive insbesondere in diese beiden Staaten

4.          Sofortiger Abbruch des Asylverfahrens von straffälligen Asylwerbern bei jeder Form einer Straftat und sofortige Außerlandesbringung

5.          Aberkennung des Asylstatus bzw. sonstiger Schutztitel bei jeder Form einer Straftat und sofortige Außerlandesbringung

6.          Schwerpunktaktionen zur Überprüfung der Aktualität der Fluchtgründe von Asylberechtigten

7.          Einführung der Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber

8.          Umsetzung von Rückführungszentren in Drittstaaten

9.          Vorstoß Österreichs auf internationaler Ebene in Richtung eines Paradigmen­wechsels in der Asyl- und Fremdenpolitik – keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden, außer von Personen die aus unmittelbaren Nachbarländern stammen

10.        Keine Staatsbürgerschaft für Asylberechtigte

Nehammer: Gedanke der Genfer Flüchtlingskonvention wird nicht gelebt

Angesichts aktueller Aussagen aus der Kanzlerpartei ÖVP kann davon ausgegangen werden, dass dieser Plan auch durch die Regierung unterstützt wird. Innenminister Karl Nehammer – obwohl selbst seit Beginn seiner Ministertätigkeit in dieser Frage untätig – erklärte in einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 131

Das EU-Asylsystem ist völlig falsch aufgesetzt. Die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr ursprünglicher Gedanke wird lange nicht mehr gelebt. Denn die Flüchtlingskonvention besagt, dass Menschen Schutz vor Verfolgung bekommen sollen im nächstgelegenen sicheren Land, und nicht, dass sich ein Asylwerber das Land, in dem er Leben will, aus­suchen kann. Das ist ein grundlegender Fehler unserer EU-Gesetze, die uns dazu zwin­gen, jeden Asylwerber ins Land zu lassen, egal woher er kommt.

Und auf die Frage, ob man straffällige Asylwerber sofort abschieben solle, sagte Nehammer:

Genau das meine ich, derzeit gibt es das EU-Recht nicht her. Das EU-Asylsystem kann so nicht funktionieren. Straffällige müssen sofort außer Landes gebracht werden können - sie haben unser Gastrecht missbraucht und hier nichts verloren.

https://www.oe24.at/oesterreich/politik/nehammer-in-oesterreich-asylsystem-voellig-falsch-aufgesetzt/482852579

Edtstadler: Brauchen ein europäisches Asylsystem, das wirkt

Klare Worte fand in diesem Zusammenhang auch Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP):

Wer hier Schutz sucht, darf nicht zur Gefahr werden. Und wenn, dann darf es als Kon­sequenz nur eine rasche Abschiebung geben.

Auch Edtstadler hob Fehlentwicklungen auf europäischer Ebene hervor:

Wir brauchen endlich ein europäisches Asylsystem, das Wirkung zeigt, schnelle Verfah­ren und einen externen Schutz sowie Außengrenzschutz vorsieht und ein System, das wirkt

Quelle: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2021/07/bundesministerin-edtstadler-wer-hier-schutz-sucht-darf-nicht-zur-gefahr-werden.html

Den Worten der beiden ÖVP-Regierungsmitglieder ist zweifelsohne zuzustimmen. Ohne die entsprechenden Handlungen bleiben sie jedoch Lippenbekenntnisse und verstärken den Eindruck, den die ÖVP in dieser Frage seit Jahren – spätestens seit der Übernahme der Parteiobmannschaft durch Sebastian Kurz hinterlässt, nämlich dass sie nur verbal für eine konsequente Ausländer- und Asylpolitik eintritt, tatsächlich jedoch keinerlei Maßnahmen setzen will, die dieser auch zum Durchbruch verhelfen. Dies insbesondere dann nicht, wenn es dazu eines entschlossenen Auftretens gegenüber internationalen Institutionen, vor allem der EU, bedürfte oder wenn – wie Nehammer richtig feststellt – internationale Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention auf ihren ursprünglichen Zweck zurückgeführt werden müssten. Man erinnere sich etwa an die hysterische Debatte nach einer gleichlautenden Forderung des damaligen Innenministers Herbert Kickl gemäß dem Grundsatz, das Recht habe der Politik zu folgen. Bei Nehammer bleibt die Aufregung wohl deshalb aus, weil ohnehin niemand damit rechnet, dass er seinen Worten auch die nötigen Taten folgen lassen könnte.

ÖVP im Innenministerium – 20 verlorene Jahre in der Asylpolitik

Tatsache ist, dass die ÖVP in dem für die Asyl- und Zuwanderungspolitik hauptver­ant­wortlichen Innenministerium seit dem Jahr 2000 bis heute herrscht. Unterbrochen wurde diese mittlerweile 22-jährige Ära nur durch eineinhalb Jahre Herbert Kickl. Und ausschließlich in diesen eineinhalb Jahren wurden auch restriktive Maßnahmen einge­führt und umgesetzt, wie zum Beispiel:

•             Auswertung von Handydaten von illegalen Einwanderern

•             Abnahme von Bargeld zur Finanzierung des Asylverfahrens


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 132

•             Gebietsbeschränkungen für Asylwerber

•             Verkürzte Beschwerdefristen gegen Bescheide des Bundesamts für Fremden­wesen und Asyl (BFA)

•             Keine Deutschkurse für Asylwerber ohne Anerkennungswahrscheinlichkeit

•             Aberkennung von Asyl bei „Heimaturlaub“

•             Schwerpunktaktionen des BFA gemeinsam mit der Polizei an Kriminalitäts-Brennpunkten

•             Anwesenheitspflichten in Asyl-Unterkünften

•             Planung eines Rückführungszentrum in Serbien

•             Schubhaft nach Entlassung von Asylwerbern aus der Strafhaft zur Sicherstellung der Abschiebung

•             Forderung einer Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber

•             Nennung von Nationalität und Aufenthaltstitel der Tatverdächtigen in der Krimi­nalstatistik und in Pressemeldungen der Polizei

•             Umwandlung der Erstaufnahmestellen in Ausreisezentren

•             Begrenzung der Entlohnung für freiwillige Arbeiten durch Asylwerber auf 1,50 Euro pro Stunde

•             Keine Lehre mehr für Asylwerber

Nach Kickl: Asylanträge schossen wieder in die Höhe

Kaum war die erfolgreiche freiheitliche Zeit im Innenministerium beendet, wurden viele dieser Maßnahmen auf Betreiben der ÖVP wieder rückgängig gemacht. Das Resultat lässt sich in Zahlen ablesen. Die Asylanträge, die unter Kickl massiv zurückgegangen waren, schossen wieder in die Höhe. Die Rückführungen, insbesondere Abschiebungen, die unter Kickl massiv angewachsen waren, wurden wieder zurückgefahren. Österreich ist heute wieder eines der attraktivsten Ziele für illegale Einwanderer. Dies zeigt sich klar an dem Umstand, dass die Zahl der in der EU gestellten Asylanträge im Jahr 2020 auf den niedrigsten Wert seit 2013 zurückging, während in Österreich ein Plus von rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen war. Dies obwohl aus dem Innen­ministerium zu Beginn der Corona-Krise verkündet wurde, dass Asylanträge nur noch bei gleichzeitiger Vorlage eines Gesundheitszeugnisses – sprich eines negativen Corona-Tests – gestellt werden dürften. Für 2021 ist auf Basis der bisherigen Monatswerte mit einem weiteren, vermutlich noch stärkeren Anstieg in Richtung von 20.000 Asylanträgen zu rechnen.

Aus diesen Zahlen und Entwicklungen wird deutlich, dass die ÖVP unter Innenminister Nehammer von einer restriktiven Asylpolitik meilenweit entfernt ist, sondern Nehammers Politik im Gegenteil dazu angetan ist, die Schlepper-Netzwerke wieder auf Österreich aufmerksam zu machen, was sich in den letzten Wochen in wiederholten Massen­aufgriffen manifestiert. Besonders die angeblich von Bundeskanzler Kurz geschlossene Balkanroute scheint offenzustehen wie ein Scheunentor.

ÖVP-Versagen auch im Justizministerium

Das Versagen der ÖVP beschränkt sich jedoch bei Weitem nicht nur auf den Bereich des Innenministeriums. Denn auch der an das schäbige Verhalten nach dem Terror­anschlag am Allerseelentag 2020 erinnernde Versuch, die Verantwortung für die unter­bliebene Abschiebung der afghanischen Tatverdächtigen im Mordfall Leonie der grünen Justizministerin Zadic zuzuschieben, macht in Wahrheit nicht das Versagen der Grünen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 133

sondern jenes der ÖVP sichtbar. Die Verzögerungen in den Asylverfahren zweiter Instanz sind eine Folge notorischer Personalknappheit bei den Verwaltungsgerichten, die seit der enormen illegalen Zuwanderungswelle der Jahre 2015 und 2016 virulent ist. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit liegt im Ressortbereich des Justizministeriums. Doch ÖVP-Justizminister Moser verabsäumte es in seiner Amtszeit, den dramatischen Per­sonalmangel auch nur ansatzweise zu beheben. Er zeichnet somit in großem Ausmaß für die Verschleppung unzähliger Verfahren verantwortlich, während das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Asylbehörde erster Instanz unter Herbert Kickl den enormen Rückstau der vergangenen Jahre praktisch zur Gänze abbaute.

Verzögerung und Aufweichung der staatlichen Asylbetreuung durch ÖVP

Josef Moser als ÖVP-Justizminister war es auch, der die Umsetzung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) durch das Verweigern seiner Unterschrift unter einen wichtigen Vertrag um ein Jahr verzögerte. Die Agentur ist ein wesentlicher Meilenstein bei der Rück-Verstaatlichung des gesamten Asylwesens mit dem Ziel, insbesondere bei der Rechtsberatung von Asylwerbern nicht weiter auf NGOs zurückzugreifen, weil diese Asylwerber häufig nicht objektiv, sondern ausschließlich mit dem Ziel beraten, ihren Verbleib in Österreich zu sichern. Dass genau diese NGOs nun quasi bei der Hintertür wieder in das System der BBU zurückgekehrt sind, ist ebenfalls der Nachgiebigkeit und fehlenden Konsequenz der ÖVP zuzuschreiben.

Verhinderung des Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber durch ÖVP

Und auch in der Diskussion um eine von Herbert Kickl vorgeschlagene Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber war es die ÖVP in Person von Josef Moser, welche dieses Vorhaben sabotierte und massiv verwässerte, ehe es durch die Ablehnung der Oppo­sitionsparteien endgültig scheiterte. Obwohl die Sicherungshaft auch Teil des aktu­ellen türkis-grünen Regierungsprogramms ist, sind bis heute keinerlei konkrete Schritte zu ihrer Umsetzung erfolgt.

In Summe zeigt sich, dass die fehlende Konsequenz im österreichischen Asylwesen, welche aktuell die 13-jährige Leonie und vor ihr schon unzähligen anderen Österreiche­rinnen und Österreichern das Leben gekostet hat, viele Ursachen hat. Sie liegen – grob zusammengefasst – auf internationaler und insbesondere europäischer Ebene ebenso wie in Österreich, wo sowohl in der Gesetzgebung als auch im Vollzug der nötige Wille bzw. die nötigen Kapazitäten fehlen.

ÖVP auf allen Ebenen verantwortlich, aber untätig

All diesen Ebenen ist eines gemeinsam: Es ist seit vielen Jahren die ÖVP, die es in der Hand hätte, durch Forderungen und Initiativen auf europäischer Ebene sowie durch konkrete Maßnahmen in Österreich die von ihr seit Jahren versprochene konsequente und restriktive Asylpolitik durchzusetzen. Doch die tut es nicht.

Es ist somit die ÖVP, der einzig und allein das Versagen im Asylbereich seit vielen Jahren anzukreiden ist – ein Versagen, das bereits unzählige Menschenleben gefordert hat und weiter fordern wird, wenn nicht endlich den Worten auch die nötigen Taten folgen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes­minis­ter für Inneres folgende

Dringliche Anfrage

1.          Welche Initiativen haben Sie zur Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts seit Jänner 2020 auf nationaler Ebene bzw. in Ihrem Vollzugsbereich gesetzt?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 134

2.          Welche Initiativen haben Sie auf EU-Ebene gesetzt, um den von Herbert Kickl eingeleiteten Paradigmenwechsel im Asylwesen voranzutreiben?

3.          In welchen Gremien haben Sie Ihre diesbezüglichen Vorschläge und Forde­run­gen deponiert?

4.          Mit Vertretern welcher Staaten haben Sie diesbezüglich bi- oder multilateral Vorschläge oder Initiativen akkordiert?

5.          Welche Ergebnisse konnten Sie auf EU-Ebene bzw. gemeinsam mit anderen EU-Staaten erzielen?

6.          Welche Gespräche haben Sie auf EU-Ebene mit wem zum Thema Asyl- und Migrationspaket geführt?

7.          Findet dieses Asyl- und Migrationspaket Ihre Zustimmung?

8.          Wenn nein, welche Verbesserungen und insbesondere Verschärfungen wollen Sie erreichen?

9.          Gab es von Ihrer Seite seit Jänner 2020 Initiativen zum Abschluss von weiteren Rückübernahmeabkommen?

10.        Wenn ja, mit welchen Staaten?

11.        Wenn nein, warum nicht?

12.        Haben Sie versucht auf europäischer Ebene den Abschluss von weiteren Rück­übernahmeabkommen voranzutreiben?

13.        Wenn ja, mit wem hatten Sie diesbezüglich Kontakt und welche Ergebnisse sind vorhanden oder absehbar?

14.        Wurden durch Österreich seit Jänner 2020 weitere Staaten als sichere Drittstaaten definiert?

15.        Wenn ja, welche und wann?

16.        Haben Sie auf europäischer Ebene versucht, weitere sichere Drittstaaten zu definieren?

17.        Welche relevanten Drittstaaten kooperieren mit Österreich derzeit nicht bei Rückübernahmen – unabhängig davon ob ein Abkommen besteht oder nicht?

18.        Welche Drittstaaten kooperieren mit Österreich derzeit nicht bei Rücküber­nahmen, obwohl ein Abkommen besteht?

19.        Welche Maßnahmen setzen Sie, wenn Staaten, mit denen es ein Abkommen gibt, nicht kooperieren?

20.        Was unternehmen Sie auf EU-Ebene, um die Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten bei Rückführungen zu erhöhen?

21.        Besteht die getroffene Arbeitsvereinbarung betreffend Abschiebezentrum mit Ser­bien noch?

22.        Wenn ja, wie ist der genaue Stand der Arbeitsvereinbarung?

23.        Wenn nein, seit wann und warum nicht?

24.        Wie viele unrechtmäßig eingereiste bzw. aufhältige Fremde wurden bisher 2021 in Österreich aufgegriffen?

25.        Wie viele davon kamen laut den Schätzungen und Berechnungen des Innen­ministeriums über die von Bundeskanzler Kurz „geschlossene“ Balkanroute?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 135

26.        Wie viele Asylanträge wurden heuer bis 1. Juli 2021 in Österreich gestellt?

27.        Wie viele Asylanträge aufgegliedert auf die Staatsangehörigkeit wurden heuer bis 1. Juli 2021 in Österreich gestellt?

28.        Wie viele Asylanträge aufgegliedert auf Männer und Frauen wurden heuer bis 1. Juli 2021 in Österreich gestellt?

29.        Wie viele Asylanträge wurden heuer bis 1. Juli 2021 in Österreich von unbegleiteten Minderjährigen gestellt?

30.        Wie vielen Asylanträgen wurde seit der diesbezüglichen Ankündigung Ihres Generalsekretärs Tomac im März 2020 ein gültiges Gesundheitszeugnis beigelegt?

31.        Von Behörden welcher Staaten wurden die dem Asylantrag beigelegten Gesund­heitszeugnisse – aufgegliedert nach Staaten – erstellt?

32.        In wie vielen Fällen wurde – aufgegliedert nach Herkunftsstaaten des Asyl­antrag­steller – aufgrund des Fehlens eines solchen Gesundheitszeugnisses von der Einleitung eines Asylverfahrens abgesehen?

33.        Wie viele Asylwerber haben sich heuer bis 1. Juli 2021 dem Asylverfahren entzogen, also sind „untergetaucht“?

34.        Wie viele Zurückschiebungen gab es heuer bis 1. Juli 2021?

35.        Wie viele Zurückweisungen gab es heuer bis 1. Juli 2021?

36.        Wie viele Ausreisen nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gab es heuer bis 1. Juli 2021

37.        Wie viele dieser Ausreisen betrafen nicht schutzwürdige Asylwerber?

38.        Wie viele dieser Ausreisen erfolgten freiwillig?

39.        Wurden bzw. werden freiwillige Ausreisen durch finanzielle Förderungen aus dem Innenministerium an Organisationen oder betroffene Personen unterstützt?

40.        Wenn ja, welche Beträge sind dafür seit Ihrem Amtsantritt in den Jahren 2020 und 2021 geflossen?

41.        Wie viele der Ausreisen heuer bis zum 1. Juli 2021 erfolgten zwangsweise?

42.        Wie viele davon waren Dublin-Überstellungen?

43.        Wie viele davon waren – gegliedert nach Zielländern – Abschiebungen?

44.        Wie viele Personen befinden sich derzeit circa in Österreich, die aufgrund nega­tiver behördlicher bzw. gerichtlicher Entscheidungen in Asyl- oder sonstigen Schutz­verfahren keine Aufenthaltsberechtigung haben?

45.        Wie viele dieser Personen stammen aus Afghanistan?

46.        Gab es seit Jänner 2020 bei Ihnen persönlich oder im Bereich des Innenminis­teriums Interventionen, um konkrete Abschiebungen zu verhindern?

47.        Wenn ja, wer hat interveniert?

48.        Gab es diesbezüglich Interventionen durch den Bundespräsidenten, durch Re­gierungsmitglieder oder Landeshauptleute?

49.        Wenn ja, von wem?

50.        In wie vielen Fällen wurden aufgrund derartiger Interventionen Abschiebungen ausgesetzt?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 136

51.        Welche Maßnahmen für eine konsequentere Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber bzw. Asylberechtigter haben Sie seit Jänner 2020 ergriffen?

52.        Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um Ihre Ankündigungen („Straffällige müssen sofort außer Landes gebracht werden können - sie haben unser Gastrecht missbraucht und hier nichts verloren“) und die Ihrer Regierungskollegin Edtstadler („Wer hier Schutz sucht, darf nicht zur Gefahr werden. Und wenn, dann darf es als Konsequenz nur eine rasche Abschiebung geben“) in die Realität umzusetzen?

53.        Wie viele fremde Tatverdächtige konnten im ersten Halbjahr 2021 in Österreich insgesamt ermittelt werden? (Bitte um Gliederung nach Gesamt und Bundesländer)

54.        Wie hoch ist der Anteil der fremden Tatverdächtigen an den insgesamt ausge­forschten Tatverdächtigen im ersten Halbjahr 2021?

55.        Wie viele fremde Tatverdächtige, aufgegliedert nach Aufenthaltsstatus, konnten im ersten Halbjahr 2021 ermittelt werden?

56.        Wie viele fremde Tatverdächtige, aufgegliedert nach Nationalität, konnten im ersten Halbjahr 2021 ermittelt werden?

57.        Wie viele der fremden Tatverdächtigen waren im ersten Halbjahr 2021 in Öster­reich Asylwerber? (Bitte um Gliederung nach Gesamt und Bundesländer)

58.        Was waren im ersten Halbjahr 2021 die 20 häufigsten Delikte in der Gruppe der tatverdächtigen Asylwerber?

59.        Wie stellt sich die Altersstruktur der tatverdächtigen Asylwerber im ersten Halbjahr 2021 dar?

60.        Wie stellt sich die Kriminalitätsbelastungszahl (Tatverdächtige pro 1000 in Österreich aufhältige Personen) der fremden Tatverdächtigen aufgegliedert, auf die jeweilige Nationalität heuer dar?

61.        Wie stellt sich die Kriminalitätsbelastungszahl der tatverdächtigen Asylwerber aufgegliedert auf die jeweilige Nationalität heuer dar?

62.        In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2015 bis 2021 afghanische Staats­bürger als Tatverdächtige in Fällen des versuchten oder vollendeten Mordes ermittelt?

63.        Wie viele davon waren Asylwerber?

64.        In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2015 bis 2021 afghanische Staats­bürger als Tatverdächtige bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität ermittelt?

65.        Wie viele davon waren Asylwerber?

66.        In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2015 bis 2021 afghanische Staats­bürger als Tatverdächtige bei Körperverletzungsdelikten ermittelt?

67.        Wie viele davon waren Asylwerber?

68.        Wie viele gerichtliche Verurteilungen weisen die vier tatverdächtigen Afghanen im Mordfall Leonie auf?

69.        Wie oft wurden sie zu Haftstrafen in welchem Ausmaß verurteilt?

70.        Warum werden in der „Polizeilichen Kriminalstatistik 2020“, zu finden unter https://bundeskriminalamt.at/501/start.aspx, nicht mehr „fremde Tatverdächtige“ ausge­wiesen?

71.        Warum wurden in der „Polizeilichen Kriminalstatistik 2020“ nicht dieselben Daten wie in der „Polizeilichen Kriminalstatistik 2018“, zu finden unter https://bundeskriminalamt.at/501/Tabellen_Statistik_2018.aspx, veröffentlicht?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 137

72.        Wie lange dauert zurzeit durchschnittlich ein Asylverfahren erster Instanz?

73.        Wie viele Asylverfahren waren zum 1. Juli 2021 beim BFA anhängig?

74.        Wie lange dauert zurzeit durchschnittlich ein Asylverfahren in der zweiten Instanz?

75.        Wie viele Asylverfahren waren zum 1. Juli 2021 bei den Verwaltungsgerichten anhängig?

76.        Welche Schritte haben Sie seit Jänner 2020 gesetzt, um den offensichtlichen Rückstau bei den Asylverfahren in der zweiten Instanz zu beheben?

77.        Haben Sie sich regierungsintern dafür eingesetzt, dass beim offensichtlich überlasteten Bundesverwaltungsgericht dafür mehr Personal zur Verfügung gestellt wird?

78.        Haben Sie insbesondere angeboten, für die Verfahren zweiter Instanz Personal aus dem Innenministerium, etwa aus dem BFA, zuzuteilen bzw. dies sogar getan?

79.        Wie hat sich der Personalstand des BFA seit Beginn Ihrer Ministertätigkeit im Jänner 2020 entwickelt?

80.        In wie vielen Fällen hat das BFA dem Bundesverwaltungsgericht seit Jänner 2020 eine Frist gesetzt, weil die Entscheidungen zweiter Instanz nicht innerhalb ange­mes­sener Zeit ergangen sind?

81.        Wurden die Vorwürfe von Bundesministerin Zadic gegen das BFA, welche Sie in der „Kronen Zeitung“ vom 04.07.2021 hinsichtlich einer unterlassenen Fristsetzung im Fall eines der Tatverdächtigen im Mordfall Leonie geäußert hat, von Ihnen geprüft?

82.        Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

83.        Wie viele rechtskräftige Asylgewährungen gab es heuer bis zum 1. Juli 2021?

84.        Wie viele rechtskräftige negative Asylentscheidungen gab es heuer bis zum 1. Juli 2021?

85.        Wie viele rechtskräftige subsidiäre Schutzgewährungen gab es heuer bis 1. Juli 2021?

86.        Wie viele rechtskräftige Asylgewährungen gab es heuer bis 1. Juli 2021 für Staatsangehörige von Afghanistan?

87.        Wie viele rechtskräftig negative Asylentscheidungen gab es heuer bis 1. Juli 2021 für Staatsangehörige von Afghanistan?

88.        Wie viele rechtskräftig "Subsidiäre Schutzgewährungen" gab es heuer bis 1. Juli 2021 für Staatsangehörige von Afghanistan?

89.        Wie viele rechtskräftig negative Entscheidungen über den "Subsidiären Schutz" gab es heuer bis 1. Juli 2021 für Staatsangehörige von Afghanistan?

90.        Wie viele rechtskräftige Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gab es heuer bis 1. Juli 2021 für Staatsangehörige von Afghanistan?

91.        Wie viele Abschiebungen gab es heuer bis 1. Juli 2021 nach Afghanistan?

92.        Wie viele Offene Verfahren „Internationaler Schutz“ gab es heuer bis 1. Juli 2021 von Staatsangehörigen von Afghanistan?

93.        Wie viele Staatsbürgerschaften wurden – nach Nationalitäten aufgelistet – im lau­fenden Jahr bis 1. Juli an Personen verliehen, die als Asylberechtigte in Österreich sind?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 138

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordneten Kickl als erstem Frage­steller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.00.59

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! In der Nacht auf den 26. Juni dieses Jahres hat ein jun­ges Herz aufgehört zu schlagen – mit nur 13 Jahren. Nicht durch eine Krankheit, nicht durch einen Unfall ist die kleine Leonie mitten aus dem Leben gerissen worden, nein, das junge Mädchen wurde zuerst unter Drogen gesetzt, dann mehrfach vergewaltigt, danach erwürgt und schließlich von ihren Peinigern regelrecht auf einem Grünstreifen zwischen zwei Straßen mitten in Wien weggeworfen.

Dringend tatverdächtig sind vier junge Männer, allesamt Afghanen, angeblich zwischen 16 und 23 Jahre alt, mehrfach vorbestraft, bestens alimentiert und ausgestattet im österreichischen Sozialsystem, allesamt aus Afghanistan nach Österreich geflohen, weil sie angeblich Schutz vor Gewalt und vor Verfolgung in ihrer eigenen Heimat gesucht haben. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Was für ein Hohn, meine sehr geehrten Damen und Herren, und was für eine uner­trägliche Perversion des Schutzgedankens, die sich hier abgespielt hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Tod der kleinen Leonie, der Schmerz und das Leid der Eltern und aller Hinterblie­benen, für die kein Tag mehr so sein wird, wie es vor dieser schrecklichen Tat gewesen ist, das ist eine schreiende Anklage – eine schreiende Anklage gegen ein Asylsystem, das die eigene Bevölkerung bedroht, und eine Anklage gegen all jene Politiker, die nicht willens oder nicht in der Lage sind, daran etwas zu ändern, die es zulassen, dass die eigene Bevölkerung gefährdet wird, während die Täter in unserem System geschützt und verhätschelt werden! (Beifall bei der FPÖ.)

Da schaue ich Sie an, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, und da schaue ich die Vertreter aller anderen Fraktionen außerhalb der Freiheitlichen Partei an: Sie alle dürfen sich von dieser Anklage betroffen fühlen. Leonie ist kein Einzelfall, sondern ein Fall zu viel von viel zu vielen. Selbst wenn es ein Einzelfall wäre, das sage ich Ihnen, müsste es doch so sein, dass kein einziger Abgeordneter hier herinnen mehr eine ruhige Minute hätte, so lange, bis dieses Unrechtssystem abgestellt ist, das die Falschen schützt anstatt die Richtigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Doch das Gegenteil ist der Fall! Es braucht die Freiheitliche Partei, damit wir uns in diesem Hohen Haus jetzt, um 15 Uhr, in Form einer Debatte zu einer Dringlichen Anfrage überhaupt mit diesem Thema auseinandersetzen. Wenn wir das nicht gemacht hätten: kein Wort vonseiten der Vertreter der Regierungsfraktionen dazu, keine Regierungs­erklärung, die es sonst zu jedem Schwachsinn in dieser Republik gibt, keine Gesetzes­initiative, nichts dergleichen. Die ÖVP, die Grünen, die Roten und die Rosaroten gleich dazu: Sie alle hätten diese furchtbare Tat im Hohen Haus totgeschwiegen, im wahrsten Sinne des Wortes, den Mantel des Schweigens über die schrecklichen Ereignisse ge­hüllt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 139

Dabei ist der furchtbare Tod dieses Mädchens ein dramatischer Appell, ein Auftrag, und darüber zu reden ist kein Missbrauch, sondern eine Verpflichtung, ein Auftrag, doch end­lich in diesem Land in die Gänge zu kommen, die österreichische Bevölkerung endlich vor allen Formen der importierten Kriminalität, die mehr und mehr überhandnimmt, zu schützen.

Wir Freiheitlichen machen heute das, was Sie machen sollten: Wir präsentieren einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, zehn Punkte zum Schutz der österreichischen Be­völ­kerung, und Sie brauchen nur eines zu tun: über Ihren Schatten zu springen und zuzustimmen. Das tut nicht weh, im Unterschied zu dem, was die Opfer dieser Ver­brecher erdulden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie müssen nur über Ihren gutmenschlichen Schatten springen und Ihre seltsame Inter­pretation von Gutmenschentum für ein paar Minuten beiseitelegen, und dann wird das etwas.

Der Zustand, in dem wir uns in diesem Land befinden, ist das Ergebnis einer Asylpolitik, für die über viele, viele Jahre – um nicht zu sagen: Jahrzehnte – die Österreichische Volkspartei zuständig war und ist, getrieben von einem linken Zeitgeist, auch wenn sie anderes behauptet.

Wenn ich das Ergebnis zusammenfassen will, dann kann ich nur sagen: Es ist ein völliges Versagen. Ihr Handeln ist inkonsequent, es ist mutlos und viel zu weich, und vor allem stehen die Fakten in einem ganz, ganz krassen Gegensatz zu Ihrer Selbstins­zenierung als Vertreter einer restriktiven Asylpolitik. Ihre Wandlung vom Asylsaulus zum Asylpaulus ist keine glaubwürdige – das hält einer Überprüfung der Fakten nicht stand! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen uns ja nur einmal anschauen, was die Crème de la Crème dieser Bun­desregierung angesichts der Anklage dieses toten Mädchens zu sagen hat. Was sagen Sie denn zu Ihrer Verteidigung? – Das eine sind Schuldzuweisungen. Das Innenminis­terium zeigt auf das Justizministerium, sagt aber nicht dazu, dass seit 2008 die Verant­wortung im Justizministerium in den Händen der Österreichischen Volkspartei und von sonst niemandem gelegen ist. Es sind Ihre Versäumnisse, die uns allen hier auf den Kopf fallen und dieses Mädchen das Leben gekostet haben!

Der zweite Teil ist die übliche Betroffenheitsrhetorik, die angesichts der Dramatik der Ereignisse schon fast einen Zug ins Zynische hat. Dazu kommen Allerweltsplattitüden, die kein Mensch mehr hören kann, und die eine oder andere Kraftmeierei, die ohnehin verpufft, weil Ihnen niemand etwas abnimmt, kommt dann auch noch dazu.

Meine Damen und Herren, wenn es um Handlungen geht, dann ist das Ergebnis null Komma null – und so kann es nicht weitergehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie sich an oder hören Sie nur zu, welchen gehaltvollen Satz der Bundes­kanzler dieser Republik zu diesem Fall geäußert hat! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, um zu merken, wie viel Fleisch da am Knochen ist. Ich zitiere: „Ich halte es für untragbar, dass Menschen zu uns kommen, Schutz suchen und solche grausamen, barbarischen Verbrechen begehen.“ – Zitatende.

Ja, eh! – Und wie geht es weiter, was jetzt? Was sind die Handlungen und was sind die Konsequenzen? – Das hätte ich mir von einem Bundeskanzler erwartet. Der Zustand und dass nicht gehandelt wird, ist für uns alle seit Langem untragbar. Es waren Ihre Wählerinnen und Wähler, denen Sie versprochen haben, dass der freiheitliche Weg in der Asylpolitik mit Ihrer Ressortverantwortung fortgesetzt wird, und nichts dergleichen ist der Fall. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 140

Sie sitzen in den Ministerien, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr, und dort sind die Knöpfe, die Sie bedienen müssen, um diesen Leidensdruck von der Bevölkerung zu nehmen und die Menschen in diesem Land zu schützen.

Jetzt bin ich bei Ihnen, Herr Innenminister. Sie haben sich auch geäußert. Sie haben gesagt – ich zitiere –: „Das EU-Asylsystem kann so nicht funktionieren. Straffällige müs­sen sofort außer Landes gebracht werden können – sie haben unser Gastrecht miss­braucht und hier nichts verloren.“ – Zitatende.

Na bumm! Das ist eine bahnbrechende Erkenntnis im Jahr 2021 – das muss man dazusagen. Sie tun ja geradezu so, als ob das etwas Neues wäre. Wir wissen das seit vielen Jahren, allein was fehlt, sind Ihre Handlungen, Herr Innenminister. Das fehlt, das ist zu billig.

Sie sind jetzt seit eineinhalb Jahren Innenminister dieser Republik. Jetzt möchte ich von Ihnen wissen, was Sie gemacht haben. Was haben Sie gemacht, um eine fundamentale Änderung dieses europäischen Asylsystems auf den Weg zu bringen? – Und da meine ich nicht diese Kosmetik: Ein gepanzertes Fahrzeug an die griechische Außengrenze zum Fotografieren schicken ist zu wenig. Was haben Sie an fundamentalen Änderungen zustande gebracht, die keine kosmetischen Maßnahmen, keine Schönheitschirurgie an einer Leiche sind? Und: Was ist vor allem der Plan B, den Sie haben, wenn es auf europäischer Ebene nicht funktioniert, was tun Sie dann in Österreich? Die Kompetenz für die Sicherheit in diesem Land hat der Innenminister, die kann Ihnen niemand auf europäischer Ebene streitig machen. – Ich bin gespannt, was kommt, aber ich rechne mit einer Nullmeldung. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie kämpfen nicht mit Brüssel, das ist der Punkt, sondern Sie haben sich eingereiht in diesen Haufen der Unverantwortlichen, die einen ganzen Kontinent gegen die Interessen der jeweils eigenen Bevölkerung regieren. Aber eines gestehe ich Ihnen zu, Herr Innen­minister, Sie haben auch etwas sehr Interessantes gesagt, und zwar im Zusammenhang mit der Genfer Konvention, ich darf zitieren:

„Die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr ursprünglicher Gedanke wird lange nicht mehr gelebt. Denn die Flüchtlingskonvention besagt, dass Menschen Schutz vor Verfolgung bekommen sollen im nächstgelegenen sicheren Land, und nicht dass sich ein Asyl­werber das Land, in dem er leben will, aussuchen kann. Das ist ein grundlegender Fehler unserer EU-Gesetze, die uns dazu zwingen, jeden Asylwerber ins Land zu lassen, egal woher er kommt.“

Das ist richtig, aber ich sage Ihnen eines dazu: Zwingen kann man nur den, der sich zwingen lässt, und Sie lassen sich offenbar zwingen, Herr Innenminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Noch etwas ist ein entscheidender Punkt. Auch diese Weisheiten zur Genfer Flücht­lingskonvention sind nicht neu. Auch da sind Sie nur ein Nachbeter. Ich bringe Ihnen ein anderes Zitat, und dann wird es bei Ihnen allen gleich klingeln. Ich zitiere:

„Die größte Gefahr für den Rechtsstaat ist, dass er missbraucht wird und quasi gegen sich selbst zur Anwendung gebracht wird, dass man über die eigenen Gesetze stolpert und handlungsunfähig ist. Und das ist die Situation, vor der wir jetzt stehen: Da brennt das Haus, dort liegt der Schlauch. Wir wissen genau, dass wir den Schlauch nehmen müssen, um das Feuer zu löschen. Und dazwischen gibt es irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden, und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist. Und deshalb möchte ich eine Debatte darüber führen und mich auch anlegen mit diesen Regelungen, das hinterfragen. Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“ – Zitatende.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 141

Ich glaube, spätestens jetzt hat es geklingelt: Es ist ein Zitat von mir. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Der Hintergrund dieses Zitats ist ein Fall, genau wie er hier vorgelegen ist, allerdings im Jahr 2019. (Beifall bei der FPÖ.)

Damals hat ein syrischer Asylwerber ein 16-jähriges Mädchen geschändet und umge­bracht. Wir haben uns das angesehen und haben gemerkt: Hier brauen sich kriminelle Karrieren zusammen.

Ich habe gesagt: Jetzt lege ich mich mit der EU an, weil es nicht sein kann, dass wir auf Basis europäischer Regelungen warten müssen, bis ein Kapitalverbrechen besteht, damit wir diesen Leuten ihren Schutzstatus aberkennen können. Und da bin ich zusam­mengekracht mit dem Herrn Avramopoulos. Er hat mir dann erklärt: Das geht alles nicht wegen der Genfer Flüchtlingskonvention!, und dann habe ich mich mit der Genfer Flücht­lingskonvention angelegt.

Sie wissen, was in dem Land passiert ist: Vom Bundespräsidenten abwärts über die linke Reichshälfte, die Medien, alle haben sie aufgejault, alle sind sie über mich hergefallen. Ich habe sogar zu einem klärenden Gespräch zum Herrn Bundeskanzler müssen. Der Hardliner Kurz hat mir erklärt, dass ich nicht so forsch vorgehen soll, wenn es darum geht, die eigene Bevölkerung zu schützen, denn wie schaut denn das in Europa aus? – Ehrlich gesagt, es war mir wurscht und es ist mir bis zum heutigen Tag wurscht! (Beifall bei der FPÖ.)

Mutig sind Sie nur, wenn es um Worte geht. Wenn es um Taten geht, ist all das Fehl­anzeige.

Wir können die Entwicklungen der letzten Jahre auf den Punkt bringen: Von den letzten 21 Jahren ist in diesem Land nur eineinhalb Jahre lang eine ordentliche Asylpolitik ge­macht worden (Zwischenruf des Abg. Melchior), und das war unter freiheitlicher Res­sortführung im Innenministerium. Damals haben wir Mode gemacht in diesem Asylsaus­tall, und es ist notwendig gewesen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: ... größter Versager im BMI!)

Wir haben auch dafür gesorgt, dass dieses Haus dann auch sauber für die Zukunft ist. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Verschärfungen aufzählen. Ich bin gespannt auf die Verschärfungen, die Sie uns jetzt aufzählen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es gibt keine, außer dass Sie, glaube ich, Nordirland zu einem sicheren Herkunftsland gemacht haben – na gratuliere! –; aber alle anderen Verschärfungen sind freiheitliche Errungen­schaften, mit denen Sie teilweise hausieren gehen, soweit Sie sie nicht abge­schafft haben. Denn das waren ja die ersten Maßnahmen, die Sie nach dem Platzen der Regierung gesetzt haben: Weg mit den Ausreisezentren; 7 Euro oder 8 Euro Stunden­lohn für Asylanten dafür, dass sie ihren eigenen Dreck wegräumen, und so weiter, und so weiter. Das macht Österreich als Asylstandort attraktiv. Darauf haben die Schlepper gewartet, und deshalb schießen die Zahlen jetzt nach oben. Das ist der Punkt, über den wir diskutieren sollten. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Tod von Leonie, das ist ein Auftrag an uns alle, hier und heute, jetzt zu handeln! Ich habe Ihnen gesagt, ich mache Ihnen das Angebot, hier einen Schulterschluss zu machen. Sie erwarten von uns immer konstruktive Beiträge. Wir haben einen, wir haben diesen Zehnpunkteplan. Etwas Besseres können Sie nicht aufbieten. Da ist alles drin, was es zum Schutz der österreichischen Bevölkerung gegen kriminelle Asylwerber, gegen Asylanten und gegen illegale Migration braucht. Sie brauchen das Rad nicht neu zu erfinden, Sie müssen nur einmal aufstehen. Ich habe schon gesagt, es tut nicht weh. Das ist das Handeln, das sich die österreichische Bevölkerung jetzt von Ihnen erwartet – und nicht die Herumlamentiererei ad infinitum, die uns allen schon bis hierher (mit der Hand eine Linie über dem Kopf andeutend) steht. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 142

Das wird jetzt eine interessante Nagelprobe für Sie werden, denn die Zeit der Ausreden ist vorbei. Sie haben seit diesem Mord gar nichts an Maßnahmen vorgelegt. Gar nichts! Wir legen zehn Punkte vor, zehn Punkte, die jeden Problembereich betreffen, und ich bin gespannt, ob Sie unserer Einladung Folge leisten. Sie sollten das tun, weil sich Ihr Innenminister darüber freuen wird, einen einstimmigen Beschluss des Parlaments zur Rückenstärkung für seinen Kampf in Brüssel zu haben. Was glauben Sie, wie leicht er sich tut, wenn er mit einem solchen Antrag im Gepäck nach Brüssel fährt, um denen dort die Stirn zu bieten?! Also nur zu, nicht zögern, sondern zustimmen! (Beifall bei der FPÖ.)

Beschließen Sie mit uns ein Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden, Maßnahmen, um den Asylstandort Österreich möglichst unattraktiv zu machen! Ja, ich bekenne mich dazu, es muss unbequem sein, sonst werden Sie den Zuzug nie in den Griff bekommen.

Wir wollen ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zu Abschiebungen nach Afgha­nistan und Syrien und eine Offensive in diese Richtung. Wir wollen den Abbruch von Asylverfahren und die Aberkennung des Asylstatus bei jeder Form einer Straftat. Und da genügt schon ein Ladendiebstahl! Es hat niemand etwas zu stehlen in einem Staat, in dem er rund um die Uhr alimentiert wird in seinem Status.

Und wenn die Leute nicht außer Landes zu bringen sind, dann gehören sie in Transit­zentren ungarischen Vorbilds. Da können sie dann raus, wenn sie wollen, aber nicht in Richtung Österreich! Jede andere Richtung ist frei, in Richtung Österreich ist die Sack­gasse zu, so muss man das machen! (Beifall bei der FPÖ.)

Beschließen Sie die Einführung einer Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber! (Abg. Steinacker: Wo sind die Menschenrechte?!) – Ich weiß gar nicht, worauf Sie warten, die Dinge liegen alle in der Lade. Moser hat sie verzögert, aber es liegt doch alles bereit. – Beschließen Sie die Einführung von Rückführungszentren und vor allem das Voran­treiben eines Paradigmenwechsels auf europäischer Ebene, dass es nicht mehr möglich ist, auf dem Boden der Europäischen Union einen Asylantrag zu stellen, es sei denn, man kommt aus einem unmittelbaren Nachbarland! Das muss das große Ziel sein: die Festung Europa. Alles andere führt in den Untergang! (Beifall bei der FPÖ.)

Letztendlich noch etwas: Beschließen Sie mit uns auch, dass es für Asylberechtigte keine Staatsbürgerschaft mehr geben soll! Sie reden doch immer davon, dass es eine strenge Trennung von Asyl und Zuwanderung geben muss. Wieso ist es dann für einen Asylanten, der ja nur auf Zeit geschützt ist, überhaupt möglich, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen? Erklären Sie mir das einmal! Wenn Sie sich selber ernst nehmen, dann müssen Sie auch diesem Punkt in diesem Zehnpunktepaket zu­stim­men.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das alles ist das Mindeste, das wir der toten Leonie, ihren Hinterbliebenen und allen anderen Opfern schuldig sind, und das ist das Mindeste, das wir der österreichischen Bevölkerung schuldig sind, wenn es darum geht, jetzt endlich ins Handeln zu kommen.

Wir werden Ihnen genau auf die Finger schauen. Ich verlange eine namentliche Abstim­mung bei all diesen Dingen. Sie können sich sicher sein, dass diejenigen Abgeordneten, die dagegen stimmen werden, ihre Namen in Inseraten in den Tageszeitungen dieser Republik lesen werden können, damit die Bevölkerung weiß, wer auf welcher Seite steht, wer auf der Seite der Täter und wer auf der Seite der Opfer steht. Das wird sicher für den einen oder anderen eine sehr erhellende Lektüre. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich schaue genau auf die Uhr – werden meine Fraktion und ich die Gedenkminute nachholen, die der Nationalratspräsident uns


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 143

heute in der Früh verweigert hat. Wir werden jetzt diese letzte Minute meiner Redezeit dafür verwenden, in Stille Leonie und der anderen Opfer von importierter Kriminalität zu gedenken.

Ich darf Sie alle einladen, die Abgeordneten der anderen Fraktionen, den National­rats­präsidenten und auch die Damen und Herren auf der Regierungsbank, sich diesem Gedenken anzuschließen. (Die Abgeordneten der FPÖ und Abgeordnete der SPÖ er­heben sich von ihren Plätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Vielen Dank!

Zum Abschluss, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer – in Richtung Abg. Kickl –: Ich würde mich schämen!)

15.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Inneres. – Bitte.


15.20.56

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete dieses Hauses! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt gerade etwas erlebt, was mich tatsächlich auch ein Stück weit ratlos macht, adäquat darauf zu reagieren. Herr Innenminister außer Dienst! Herbert! Ich bin selbst Vater einer Tochter. Als Innenminister, der du warst, weißt du selber, wie viele schreckliche Ver­brechen in diesem Land passieren. Du weißt auch von damals in deiner Funktion als Innenminister, wie sehr die Polizei und die Sicherheitsbehörden darum kämpfen, dass Menschen nicht zu Schaden kommen – dennoch passiert es. (Abg. Kickl: Es geht nicht um die Polizei! Es geht um die Politik! – Abg. Haubner: Gib einmal eine Ruh!)

Ich finde es des Gedenkens dieses Verbrechensopfers deshalb nicht würdig, so zu ge­denken, weil wir viel zu viele Verbrechensopfer haben. Wir müssen aller gedenken, die zu Tode gekommen sind, und sind dabei leider in einer Situation, die uns oft ratlos zurücklässt. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Kickl: Oh, wir haben hier herinnen sehr oft gedacht! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wenn es aber die Conclusio der FPÖ ist, ein schreckliches Verbrechen herauszu­neh­men und in den Fokus zu stellen, dann bin ich mir nicht sicher – und das weißt du als Vater genauso –, ob es der Trauer der Eltern gerecht wird, die jetzt in diesen Stunden unendlich leiden. Unsere Aufgabe und auch Aufgabe des Innenministeriums und seiner Sicherheitsbehörden ist es, dieses Verbrechen aufzuklären. Dieses Versprechen kann ich den Eltern geben. (Abg. Kickl: Dafür braucht es die Politik nicht! Dafür brauchen sie dich nicht! – Abg. Haubner: Jetzt ist einmal eine Ruh!) Alle Polizistinnen und Polizisten werden das tun, damit auch dieser Mord, diese Straftat gesühnt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist die Aufgabe eines Rechtsstaates. Da sind wir uns einig. (Abg. Wurm: Genau!) Das hast du gerade jetzt in deinem Zwischenruf gesagt. Das ist Verpflichtung. Da stimmen wir überein. Wenn ich die Fragen zusammenfasse, die die FPÖ mir gestellt hat – ich werde sie dann noch im Detail beantworten –, dann geht es darin gleichzeitig um das Thema: Was hat zu diesem Verbrechen geführt? Was sind die Umstände? Ja, da gilt es, sich ein Stück weit auch mit der Geschichte auseinandersetzen, nämlich der neueren Zeitgeschichte: 2015 – uns allen bekannt als das schwierigste Jahr für die Republik Österreich, als im wahrsten Sinne des Wortes eine unglaubliche Migrations­welle über sie hereingebrochen ist. (Abg. Kickl: Da wart ihr noch auf der anderen Seite! – Abg. Belakowitsch: Da wart ihr noch klatschen am Westbahnhof!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 144

Und ja: Seitdem, aber nicht erst seitdem ist die Republik besonders gefordert. Die Republik Österreich und die Menschen, die in Österreich leben, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben seit den Fünfzigerjahren Großes geleistet, wenn es darum gegangen ist, Menschen Schutz zu gewähren, die Schutz brauchen: die Ungarnkrise in den Fünfzigerjahren (Abg. Belakowitsch: Nachbarstaat!), die Tschechenkrise in den Sechzigerjahren (Abg. Belakowitsch: Nachbarstaat!), der Jugoslawienkrieg in den Neunzigerjahren. Zu all dem kam 2015 mit den Jahren davor und den Jahren danach noch dazu. Das stellt uns tatsächlich vor große Herausforderungen.

Wir haben eine Rechtsordnung – zum Teil auf nationaler Ebene, weil im Verfassungs­rang, und darüber hinaus auf internationaler Ebene –, die uns Lösungsansätze bietet aus einer Zeit, in der noch nicht darauf eingegangen wurde, dass im Moment eine globalisierte Zeit der Migration und des Asylwesens ist.

Wie anders kann es sein, dass Menschen aus Afghanistan, Syrien oder anderen Län­dern in Österreich Asyl suchen und dabei sichere Staaten durchqueren? Das stimmt, Herbert. Das sind große Probleme und große Herausforderungen. (Abg. Kickl: Was hast du gemacht? Das ist der Punkt, das interessiert mich! – Abg. Michael Hammer – in Richtung Abg. Kickl –: Was hast du gemacht?)

Wenn wir darüber nachdenken, was wir tatsächlich tun können, dann müssen wir diesen Diskurs auf europäischer Ebene führen. Wir müssen ihn dort führen, wo er hingehört, weil uns die Rechtsordnungen der Europäischen Union bis hin zur Europäischen Menschenrechtskonvention im Verfassungsrang genau zu diesem Tun verpflichten: all jenen, die bei uns Asyl sagen, auch tatsächlich ein Asylverfahren zu gewähren. Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Du als ehemaliger Innenminister weißt, wie komplex es ist, solche Rechtsordnungen zu ändern. (Abg. Kickl: Was hast du gemacht? – Ruf bei der FPÖ: Teppich ausgerollt! – Zwischen­rufe der Abgeordneten Melchior und Gabriela Schwarz.)

Ist das ein Trost für die Eltern? – Nein, das ist es nicht. Ich sage hier aber auch ganz klar: Jeder Mord, begangen in Österreich, ist einer zu viel, jede Vergewaltigung, unab­hängig von der Nationalität des Täters, ist eine zu viel. Da nach Nationalitäten, nach Ethnien zu differenzieren, ist ein ganz gefährlicher Weg. Da müssen wir sehr vorsichtig sein! (Abg. Kickl: Das macht ihr in die umgekehrte Richtung auch! Sag uns bitte ...! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Das, was wir tun müssen, ist, dafür Sorge zu tragen, dass eine Gesellschaft sicher bleibt und nicht kippt, und wir müssen dafür Sorge tragen, dass die, die hier keine Bleibe­berechtigung haben, auch wieder gehen müssen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS. – Abg. Kickl: Sag uns bitte, wie ...! – Abg. Belakowitsch: Das müsstest du!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten: Rufen Sie nicht ständig hinaus! Man hat Ihnen auch zugehört, Herr Klubobmann Kickl, dann würde dasselbe auch dem Innenminister gebühren. (Abg. Kickl: Sie haben sich heute schon selbst entzaubert! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc (fortsetzend): Jetzt komme ich zu dem Punkt, der für mich besonders spannend ist, nämlich auch wieder in unserer ge­meinsamen Vergangenheit und Zukunft: Du warst von 2017 bis 2019 Innenminister. Du wirst gelesen haben, was in den Zeitungen veröffentlicht worden ist: Drei der vier Straftäter sind 2015 nach Österreich gekommen. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Straffällig sind sie 2018 geworden. Warum hast du sie nicht gleich abgeschoben, als Innenminister und Chef des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl? (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 145

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Antwort ist einfach – und Herbert Kickl weiß es als ehemaliger Innenminister –: weil es die Rechtsstaatlichkeit nicht vorsieht, weil wir ein demokratischer Staat sind, weil es Handlungsabläufe gibt, die auch von der Europäischen Union definiert und vorgegeben sind. (Abg. Steger: Was habt ihr für Maßnahmen getroffen in der Zeit? – Zwischenruf des Abg. Lausch.) Deswegen mein Ansatz, weil du mich in der üblichen Form, wenn du immer mit dem Finger zeigst, fragst: Was tue ich? Was tue ich?

Mir ist schon klar, dass du als Oppositionsführer von der FPÖ dich nicht damit auseinan­dersetzen musst, was ich wirklich tue, aber wenn du es wirklich getan hättest, wüsstest du es. Das, was wir nationalstaatlich tun können, das tun wir energisch. Wir haben eine Plattform gegen illegale Migration gegründet mit dem Ziel, Nichtbleibeberechtigte schon vor der EU-Außengrenze in die Heimat zurückzubringen. Wir müssen vorausdenken, denn wenn sie bei uns sind – und da gibt es keinen Dissens –, dann beginnt das Thema tatsächlich, komplex zu werden. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Wenn sie die österreichische Staatsgrenze überqueren, gibt es ein Eintrittsticket, und das heißt Asyl. (Abg. Belakowitsch: Da, wo sie herkommen ...!) Es gibt dann ein Asylverfahren, und daraus entstehen verschiedene Umstände der Bleibeberechtigung. Warum ist es so? – Wie ich schon vorher erläutert habe: weil internationales Recht es so vorschreibt. (Ruf bei der FPÖ: Dann ändern wir es!)

Das heißt, wenn wir es ändern wollen, dann brauchen wir hier in Österreich und auch hier im Parlament einen Schulterschluss, um mit einer Stimme gegenüber der Euro­päischen Union und der Kommission zu sagen: Wir brauchen Änderungen, weil es in Zukunft unsere Systeme überfordert! (Abg. Kickl: Was hast du unternommen mit der Kommission?) – Was ich unternommen habe, kann ich dir gerne sagen. – Das war gerade ein Zwischenruf, das konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer jetzt nicht hören.

Wir haben in allen EU-Innenministerräten die Stimme Österreichs erhoben. Wir suchen Verbündete, um die Kommission genau dahin zu bringen. Wir kritisieren die Kommission dafür, dass sie das Trennende vor das Einende stellt (Abg. Belakowitsch: Und? – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Steger und Martin Graf), denn was ist derzeit in den Vorschlägen im Pakt für Asyl- und Migration der Europäischen Union das Einende? – Schnellere Verfahren, schnellere Rückführungen, starker Grenzschutz. (Abg. Kickl: Mehr legale Migration!)

Das Problem der Kommission ist derzeit, dass sie in den Verhandlungen das Trennende vorausstellt. Das Trennende vorauszustellen heißt, dass die Kommission lieber über Verteilung spricht als über die Themen, die uns einen. Verteilung kann für Österreich deswegen kein Thema sein, weil Österreich zu den meistbelasteten Staaten der Euro­päischen Union zählt, weil wir an dritter Stelle stehen, wenn es darum geht, dass wir Menschen Schutz gewähren.

Und ja, Herbert, du und die FPÖ, ihr seid nicht die Einzigen hier in diesem Hohen Haus, die diese Tat abscheulich finden, die es grundunanständig finden, dass Menschen ihr Gastrecht missbrauchen, dass sie die Gesetze Österreichs nicht achten, dass sie den Schutz dieser Gesellschaft bekommen und dann eine Straftat begehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Unterstell aber nicht den Sicherheitsbehörden, dass sie nicht alles Menschenmögliche tun, um diese Taten auch zu verhindern! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich nehme die Fragen der FPÖ ernst. Was haben wir getan? – Wir haben uns inter­national mit Verbündeten dafür eingesetzt, dass die Kommission innerhalb der EU um­denkt. Wir haben die Plattform gegen illegale Migration geschaffen und operativ einge­setzt, sodass sie tatsächlich unsere Außengrenzen entlasten kann. Wenn ich jetzt wiederum darüber nachdenke, was du (in Richtung Abg. Kickl) als Innenminister getan hast: Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 146

habe von den Verschärfungen im Asylwesen während der türkis-blauen Regierung gehört beziehungsweise in Aussendungen darüber gelesen. (Ruf bei der ÖVP: Das Türschildl hat er geändert in Traiskirchen!) Dafür hast du dich in den letzten Tagen gelobt. Stimmt das? – Spannend ist – und ich bin jetzt Innenminister und weiß das –: In einer Koalition gibt es Aufgaben, die man im eigenen Ressort erledigen kann, und es gibt Aufgaben, für die man den Koalitionspartner braucht; und bei jeder Tat, für die du dich gelobt hast, war es eine Abstimmung mit der Volkspartei, war es Bundeskanzler Sebastian Kurz, der genau dieses Sicherheitskonzept für Österreich vorgesehen hat. (Heiterkeit des Abg. Kickl. Zwischenrufe der Abgeordneten Rauch und Steger.)

Gestatte mir aber diesen Seitenhinweis: Du weißt selber ganz genau, was du alleine, in deiner eigenen Kompetenz, regeln konntest und gemacht hast – Pferde gekauft und die Tafel in Traiskirchen ausgetauscht. (Abg. Amesbauer: So peinlich! – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.) Sonst gab es keine weiteren Maßnahmen des Herbert Kickl, um in seinem System für mehr Sicherheit in Österreich zu sorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn du aber glaubst, dass diese Form der Diskussion, wie wir sie jetzt führen, der schrecklichen Tat gerecht wird, dann irrst du dich. (Abg. Kickl: Ihr braucht nur zu­stimmen!) Wir müssen aber nur aufzeigen, was tatsächlich ist.

Ich habe mir auch ganz genau angeschaut, was du in deiner Innenministerzeit auf europäischer Ebene in Gang gesetzt hast. Da ist sehr viel Leere zu finden. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Na, Kollege Scherak regt sich jetzt gerade wieder auf, er wird mir dann wahrscheinlich in seinem nächsten Redebeitrag sagen, wir würden unsere ehe­malige Beziehung als Koalitionäre aufarbeiten. (Abg. Scherak: Das tut ihr auch die ganze Zeit!) – Nein, Kollege Scherak, Sie wissen, dass es eine Dringliche Anfrage an den Innenminister durch die Freiheitliche Partei Österreichs gibt. Ich bitte Sie, den Parlamentarismus zur Kenntnis zu nehmen und damit auch die Argumentation. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Operativ wehren wir uns auch polizeilich mit allen Mitteln gegen diese Form der illegalen Migration. Wir setzen Drohnen an den Grenzen ein. Wir erhöhen den Druck auf unsere Nachbarstaaten, und ja, wir suchen Verbündete, denn alleine geht das nicht! Mit einem Nationalismus der Ideen funktioniert das alles nicht. Wir brauchen Verbündete, wenn wir unsere Grenzen, die EU-Außengrenzen, schützen wollen, und wir brauchen die West­balkanstaaten.

Und ja, weil immer wieder der Vorwurf erhoben wird, die Westbalkanstaaten seien nicht sicher oder deren Grenzen seien gegen irreguläre Migration nicht geschlossen: Meine sehr geehrten Damen und Herren, angesichts der Zehntausenden, die in Griechenland warten, und der zum Teil Zehntausenden, die am Westbalkan stehen, sehen wir gemein­sam, dass die Grenzen tatsächlich halten, denn sonst hätten wir schon wieder die nächste große Migrationswelle vor uns. (Abg. Belakowitsch: Die haben Sie eh schon angekündigt!)

Was bedeutet das aber für die Zukunft? – Für die Zukunft heißt das: Wir als Österreich werden uns weiter dafür einsetzen, dass das internationale Recht geändert wird, dass wir nicht mehr dazu verpflichtet sind, Asylverfahren so durchzuführen, wie wir sie jetzt durchzuführen haben. Und ja, wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, dass die Westbalkanstaaten ihre Grenzen tatsächlich schützen können, und wir werden sie dabei unterstützen.

Zu dem Einsatz, den du so runtergespielt hast und der in deinem Redebeitrag so verächtlich dargestellt worden ist, dass die Cobra unten in Griechenland, an der EU-Außengrenze, war: Ich durfte jetzt die griechischen Elitepolizisten gemeinsam mit den Cobristen, die in diesem Einsatz waren, auszeichnen, und wenn du die Videos siehst,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 147

wenn Sie alle die Videos sehen könnten, wie dramatisch es sich an der Grenze abgespielt hat, wie wichtig es war, dass Österreich Zeuge für Griechenland ist, unter welchen Druck es durch die Türkei geraten ist, dann würden Sie sehen, dass das kein Pipifaxeinsatz war, von dem du als ehemaliger Innenminister sprichst, sondern dass es ein richtiger und wichtiger Einsatz war.

Um in der Sprache der FPÖ zu bleiben, die ja diese Dringliche Anfrage stellt: Asyl und Migrationsthemen sind kein Ponyhof. Sie sind mühsam, schwierig, es bedeutet das Bohren harter Bretter auf nationaler wie auf internationaler Ebene, aber jeder Tag lohnt sich; und den Vergleich der Zeit von Herbert Kickl als Innenminister mit der türkisen Regierungsverantwortung, der Volksparteiverantwortung, scheue ich keine Sekunde. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen.

Es sind 93 Fragen, die uns von der Freiheitlichen Partei Österreichs um 10 Uhr Vor­mittag übermittelt worden sind. Ich danke den Beamtinnen und Beamten des Innen­ministeriums ausdrücklich für die zügige und umfängliche Beantwortung.

Zur Frage 1:

Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren einen konsequenten und klaren Kurs gegen illegale Migration vertreten.

Einerseits hat das BMI einen Schwerpunkt auf Nulltoleranz bei straffälligen Asylwerbern und Schutzberechtigten gesetzt. Oberste Priorität sind ein schnellerer Verfahrens­ab­schluss und die Einleitung von Aberkennungsverfahren aufgrund von Straffälligkeit, ein­schließlich der Außerlandesbringung von Straffälligen.

Darüber hinaus haben wir Mitte 2020 die 72-Stunden-Schnellverfahren eingeführt, übri­gens eine Maßnahme, die ich in der Zeit des FPÖ-Innenministers Herbert Kickl vermisst habe und die wir jetzt dafür eingesetzt haben, dass Menschen, die in Österreich und auch innerhalb der Europäischen Union keine Bleibeberechtigung haben werden, ihren erstinstanzlichen Bescheid bereits innerhalb von 72 Stunden erhalten.

Wir haben eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um den Grenzschutz auf allen Ebenen zu verstärken. Österreichische Polizisten haben im März 2020 die griechische Grenz­polizei im Außengrenzschutz unterstützt. Wir haben mehrere bilaterale Polizeikontin­gente am Balkan eingesetzt, um die Grenzen besser zu sichern, und wir konnten unse­ren eigenen Grenzschutz durch innovative Projekte wie modernste Drohnentechnologie aufrüsten.

Zur Frage 2:

Österreich tritt selbstbewusst und mit klaren Positionen in der EU und in den euro­päischen Gremien auf – das ist jetzt die Detailbeantwortung der Frage der FPÖ, was wir auf internationaler Ebene tun –, wir konnten letztes Jahr mit Unterstützung von Horst Seehofer und Vertretern zahlreicher anderer europäischer Länder die Plattform gegen illegale Migration gründen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Sie hat ihren Sitz in Wien und koordiniert operative Maßnahmen von europäischen Ländern gemeinsam mit den Westbalkanländern. Es gibt vier Themenschwerpunkte: Grenzschutz, Schlepperei­bekämp­fung, schnellere Verfahren und Rückführungen.

Im Zuge der Arbeit in der Plattform konnten wir gemeinsam mit einigen Ländern am Balkan bereits einen umfassenden Rückführungsplan erarbeiten. Unser Ziel ist es, Rückführungen bereits vor den Toren der Europäischen Union zu starten, wie von mir vorhin beschrieben, und Menschen ohne Bleibewahrscheinlichkeit, die zum Beispiel aus Pakistan kommen, direkt aus den Balkanländern in ihre Heimat zurückzubringen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 148

Darüber hinaus verfolge ich eine klare Politik der drei Sicherheitsnetze, die die gesamte Migrationsroute abdeckt.

Erstens, eine starke externe Migrationspolitik mit den drei Zielen: Schutz und Per­spektiven vor Ort ausbauen, illegale Migration verhindern und Rückführungen sicher­stellen. Dazu habe ich zahlreiche neue Projekte und Maßnahmen in Drittstaaten ge­startet, etwa zum Grenzschutz in Tunesien, damit Tunesien erkennt, dass wir als Österreich auf Augenhöhe mit ihm verhandeln, und Rückführungen nach Tunesien später leichter möglich sind. Rückführungen sind nämlich immer nur dann möglich – auch das ist ein rechtsstaatliches Gebot, auch das müsste der ehemalige Innenminister wissen –, wenn das Herkunftsland sogenannte Heimreisezertifikate ausstellt.

An der gemeinsamen EU-Außengrenze unterstützen wir unsere Partner wie Griechen­land, aber auch die Länder am Westbalkan, um illegale Einreisen zu verhindern.

Innerhalb der EU und Österreichs setze ich mich für eine effektive und nachhaltige Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems sowie von Schengen ein, um illegale Migration nach Europa zu verhindern, die Außengrenzen zu sichern und Se­kundärmigration innerhalb der EU zu verhindern. Unser Ziel als EU muss sein, rasch in die Gänge zu kommen und bei den Themen, bei denen wir uns einig sind, in die Umsetzung zu gelangen, denn es gibt drei konkrete Bereiche, wie von mir vorhin schon erwähnt, bei denen das meiner Ansicht nach schnell möglich sein sollte: konsequente Rückführungen, stärkerer Außengrenzschutz und raschere Asylverfahren.

Eine verpflichtende Verteilung innerhalb der Europäischen Union lehne ich jedoch klar ab. Wie von mir vorhin schon begründet: Österreich gehört zu den meistbelasteten Ländern in der Europäischen Union, wir sind auf Rang drei, 24 EU-Mitgliedstaaten bieten weniger Schutz als Österreich.

Zur Frage 3:

Die Vorschläge werden regelmäßig in allen politischen Gremien, insbesondere dem Innenministerrat, sowie auf allen Expertenebenen eingebracht.

Zur Frage 4:

Österreich kann bei der Erreichung seiner jeweiligen Ziele auf starke Netzwerke von Partnerstaaten zählen und darauf themenbezogen zurückgreifen. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit Staaten wie Dänemark, den Salzburg-Forum-Partnern sowie den jeweiligen aktuellen und künftigen Ratsvorsitzenden, zuletzt Deutschland und jetzt gerade Slowenien.

Zur Frage 5:

Es wurden gute Fortschritte betreffend Eurodac-Verordnung und Screening-Verordnung erzielt. Darüber hinaus konnten Schwerpunkte, etwa zum verpflichtenden Grenzverfah­ren an den EU-Außengrenzen, gesetzt werden. Viele Mitgliedstaaten teilen auch meinen Fokus auf die externe Dimension als Schlüssel zu einer nachhaltigen Asyl- und Mig­rationspolitik, wie auch die aktuellen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates betonen.

Zur Frage 6:

Ich stehe laufend in engem Austausch mit den zuständigen Mitgliedern der EU-Kom­mission – Ylva Johansson, EU-Vizepräsident der Kommission Schinas und Kommissar Várhelyi – in Verbindung, um auch da die österreichischen Positionen klarzulegen. In Kommissar Várhelyi und EU-Vizepräsident Schinas haben wir auch starke Partner für die österreichische Position gefunden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 149

Zur Frage 7:

Die Vorschläge der Kommission sind als Diskussionsgrundlage ein Schritt in die richtige Richtung, gehen mir in vielen Bereichen aber noch nicht weit genug. Positiv sind etwa der neue Visahebel und erstmals teilweise verpflichtende Asyl- und Rückkehrgrenz­verfahren. Teilweise wird im Paket der EU-Kommission auch noch auf überholte Kon­zepte wie verpflichtende Verteilung gesetzt, die aus unserer Sicht klar gescheitert sind und auch zu keiner zukünftigen Lösung führen können. Da eine nachhaltige Lösung der Asyl- und Migrationspolitik nur gemeinsam auf EU-Ebene möglich ist, werde ich weiter entschieden, aber auch konstruktiv an der Reform des Systems arbeiten.

Zur Frage 8:

Konkrete Beispiele für Verbesserungsbedarf sind: verpflichtende – aber flexible – Soli­darität der EU-Mitgliedsländer, um eben diese Sinnlosdiskussion der EU-Verteilung zu vermeiden; Ausbau des Anwendungsbereiches der verpflichtenden Grenzverfahren; konsequenter Umgang mit Straffälligen; verstärkte Maßnahmen zur echten Verhinde­rung von Sekundärmigration; rasche und effiziente Asylrückkehrverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten; neue Partnerschaften mit Drittstaaten, um illegale Migration bereits in Herkunfts- und Transitregionen zu verhindern; Schutzkapazitäten in der Herkunftsregion stärken sowie Rückführungen sicherstellen.

Zu den Fragen 9 bis 11:

Wir sind in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium auf bilateraler Ebene in Ge­spräche, Konsultationen sowie Verhandlungen zu Rückübernahmeabkommen oder alternativen Rückübernahmevereinbarungen mit Drittstaaten wie Afghanistan, Marokko, Iran, Indien, Mongolei, Kasachstan und ähnlichen Staaten involviert. Da es einem EU-Mitgliedstaat formell nicht erlaubt ist, bilaterale Verhandlungen aufzunehmen oder Rück­übernahmeabkommen abzuschließen, sobald die EU-Kommission über ein entsprechen­des Verhandlungsmandat verfügt, werden diverse Bemühungen angestellt, um die Rückkehrkooperationen mit Drittstaaten zu verbessern, jedoch ist auch da weiterhin die Europäische Kommission in die Pflicht zu nehmen, ihre Verhandlungs­macht eines rund 500-Millionen-Menschen-Wirtschaftsraums für funktionierende Rück­kehrzusammen­arbeit einzusetzen.

Zu den Fragen 12 und 13:

Die Steigerung der Rückkehrzahlen und die Verbesserung der Kooperation mit Her­kunftsstaaten gehören zu meinen erklärten Schwerpunkten auf europäischer Ebene. Ich habe mich deshalb auch insbesondere für die Anwendung des Visahebels im Visakodex eingesetzt. Dieser sieht höhere Hürden bei der Visaerteilung für Angehörige von Staaten vor, die im Bereich der Rückübernahme nicht ausreichend mit den EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Der Europäischen Kommission steht mittlerweile ein breites Instru­mentarium von formellen Rückübernahmeabkommen bis hin zu alternativen Vereinba­run­gen zur Verfügung, und es werden in Ergänzung mit wichtigen Drittstaaten auch breite, umfassende sogenannte Migrationsdialoge durchgeführt.

Zu den Fragen 14 bis 16:

Es gibt weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene eine Liste sicherer Dritt­staaten. Darüber hinaus setzt sich Österreich auf europäischer Ebene dafür ein, dass es in Zukunft eine Liste sicherer Drittstaaten gibt und dass das Konzept der sicheren Drittstaaten auf Basis einer Einzelfallprüfung für alle Asylwerber zur Anwendung gelangt.

Zu den Fragen 17 bis 20:

Die Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten wird einer laufenden nationalen und euro­päischen Evaluierung unterzogen, mittels Verordnung wurde der sogenannte Visahebel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 150

als ein Rechtsinstrument zur Bewertung der Rückkehrkooperationen verankert. Ziel der Änderung ist es, Visapolitik als Hebel zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Rück­übernahme einzusetzen und somit das Risiko der illegalen Migration einzu­dämmen. Seitdem erfolgt eine regelmäßige qualitative Bewertung der Kooperations­bereit­schaft eines Drittstaates bei der Rückübernahme durch die Europäische Kom­mission auf Basis verschiedener Kriterien. Durch dieses Vorgehen ist ein gesamt­euro­päisches Vorgehen gegenüber Drittstaaten, die nicht in ausreichender Form mit den EU-Mitgliedstaaten kooperieren, sichergestellt.

Zu den Fragen 21 bis 23:

Ja, die getroffene Arbeitsvereinbarung besteht. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der diesbezüglichen faktischen Einschränkungen ist die Klärung wesentlicher Details zur Umsetzung der Arbeitsvereinbarung noch ausständig.

Zu den Fragen 24 und 25:

14 317; ein Teil war zuvor am Balkan.

Zur Frage 26:

Bis Ende Juni: 10 518.

Zur Frage 27:

Aufgrund des Detaillierungsgrades der Frage und damit einer umfangreichen Antwort behalte ich mir vor, die Antwort schriftlich nachzureichen.

Zur Frage 28:

8 462 männlich, 2 056 weiblich.

Zur Frage 29:

1 170.

Zu den Fragen 30 bis 32:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 33:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt. Es kann mitgeteilt werden, dass 1 760 Ver­fahren mangels Greifbarkeit, beispielsweise aufgrund der Sekundärmigration in Europa, in erster Instanz eingestellt worden sind – übrigens eine Vorgehensweise der Beant­wortung, die auch in deiner Amtszeit (in Richtung Abg. Kickl) üblich war. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Zur Frage 34:

Bis 1. Juli 2021 gab es 148 Zurückschiebungen.

Zur Frage 35:

775 Fremde wurden im Rahmen der Einreisegrenzkontrollen zurückgewiesen.

Zu den Fragen 36 bis 38:

Ausreisen können in zwangsweiser und freiwilliger Form erfolgen, wobei insgesamt 4 347 Außerlandesbringungen erfolgt sind, davon 2 268 freiwillige und 2 079 zwangs­weise Ausreisen. Zwangsweise Ausreisen betreffen ausschließlich nicht aufent­halts­be­rechtigte Fremde. Freiwillige Ausreisen sind in jedem Verfahrensstadium mög­lich.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 151

Zu den Fragen 39 und 40:

Ja, das Innenministerium unterstützt sowohl freiwillige Ausreisen als auch die freiwillige Rückkehr in Herkunftsländer. Freiwillige Ausreisen wurden seitens des BMI wie folgt finanziell unterstützt: 2020 1,092 Millionen Euro, 2021 284 000 Euro.

Zur Frage 41:

2 079.

Zur Frage 42:

405.

Zur Frage 43:

1 674 Abschiebungen. Aufgrund des Detaillierungsgrades der Frage und damit einer umfangreichen Antwort behalte ich mir vor, die Antwort schriftlich nachzureichen.

Zu den Fragen 44 und 45:

Wie auch schon mein Vorgänger Bundesminister außer Dienst Herbert Kickl in seiner Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 9. Mai 2019 ausgeführt hat, werden entsprechende Statistiken nicht geführt.

Zu den Fragen 46 bis 50:

Es werden keine Statistiken dazu geführt. Fest steht, dass das BFA und das BMI nach dem Legalitätsprinzip zur strengen Einhaltung der Gesetze verpflichtet sind. Jegliches Handeln kann nur auf Basis der Gesetze erfolgen. Liegt eine rechtskräftige Rückkehr­entscheidung vor, hat die Behörde die Außerlandesbringung zu vollziehen.

Zu den Fragen 51 und 52:

Der Bereich Straffällige stellt einen Arbeitsschwerpunkt im BMI/BFA dar. So wurde eine Kontrollgruppe Straffällige implementiert, mit den Zielen, eine prioritäre Verfahrens­führung von Straffälligen sicherzustellen sowie eine rasche Finalisierung der Aberken­nungs­verfahren und Forcierung der Außerlandesbringung bei straffälligen Personen zu gewährleisten.

Zur Frage 53:

Österreich: 47 455; aufgeteilt auf Bundesländer: Burgenland: 990, Kärnten: 1 825, Nie­derösterreich: 5 688, Oberösterreich: 7 140, Salzburg: 3 129, Steiermark: 4 514, Tirol: 4 200, Vorarlberg: 2 358, Wien: 17 611.

Zur Frage 54:

Fremde: 38,8 Prozent, Inländer: 61,2 Prozent.

Zu den Fragen 55 und 56:

Anzahl der fremden Tatverdächtigen: 47 455; davon rechtmäßig aufhältig: 40 268, nicht rechtmäßig aufhältig beziehungsweise geduldet: 1 817, keinen Aufenthaltsstatus, weil Täter beziehungsweise Opfer zur Tatzeit im Ausland: 4 109, unbekannter Aufenthalts­status: 1 261.

Die detaillierten Kategorien werden schriftlich nachgereicht.

Zur Frage 57:

Österreich gesamt: 4 015; Burgenland: 74, Kärnten: 160, Niederösterreich: 485, Ober­öster­reich: 552, Salzburg: 221, Steiermark: 400, Tirol: 413, Vorarlberg: 163, Wien: 1 547.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 152

Zur Frage 58:

Nach § 83 StGB: 540, nach § 127 StGB: 402, nach § 27 Abs. 1 StGB: 347, nach § 125 StGB: 246, nach § 107 StGB: 224, nach § 146 StGB: 206, nach § 27 Abs. 2: 196, nach § 129 StGB: 143, nach § 223 StGB: 93, nach § 224 StGB: 87, nach § 84 StGB: 72, nach § 105 StGB: 64, nach § 28a Abs. 1 SMG: 64, nach § 91 StGB: 61, nach § 107 StGB: 57, nach § 142 StGB: 51, nach § 178 StGB: 51, nach § 269 StGB: 51, nach § 114 FPG: 50, nach § 106 StGB: 49.

Zur Frage 59:

Gesamt: 4 015, Tatverdächtige unter zehn Jahren: 12, zehn bis unter 14 Jahre: 98, 14 bis unter 18 Jahre: 455, 18 bis unter 21 Jahre: 437, 21 bis unter 25 Jahre: 916, 25 bis unter 40 Jahre: 1 617, 40 und älter: 480.

Zu den Fragen 60 und 61:

Aufgrund des Detaillierungsgrades der Frage – und das ist schon erstaunlich – und da­mit einer umfangreichen Antwort behalte ich mir vor, die Antwort schriftlich nachzureichen.

Zur Frage 62:

2015: 9, 2016: 8, 2017: 32, 2018: 15, 2019: 13, 2020: 15, erstes Halbjahr 2021: 1.

Zur Frage 63:

2015: 8, 2016: 5, 2017: 31, 2018: 14, 2019: 10, 2020: 12, erstes Halbjahr 2021: 1.

Zur Frage 64:

2015: 94, 2016: 275, 2017: 216, 2018: 280, 2019: 234, 2020: 189, erstes Halbjahr 2021: 85.

Zur Frage 65:

Wie viele davon waren Asylwerber? – 2015: 76, 2016: 244, 2017: 189, 2018: 234, 2019: 165, 2020: 114, erstes Halbjahr 2021: 47.

Zur Frage 66:

2015: 752, 2016: 1 488, 2017: 1 501, 2018: 1 364, 2019: 1 163, 2020: 954, erstes Halbjahr 2021: 359.

Zur Frage 67:

2015: 587, 2016: 1 279, 2017: 1 234, 2018: 1 091, 2019: 749, 2020: 483, erstes Halbjahr 2021: 165.

Zu den Fragen 68 und 69:

Gerichtliche Verurteilung und die Verhängung von Haftstrafen in einem strafrechtlichen Verfahren ressortieren nicht zu meinem Zuständigkeitsbereich.

Zu den Fragen 70 und 71:

Auf der Homepage des Bundeskriminalamtes wird ein allgemeiner Überblick über die Kriminalitätsentwicklung gegeben, und die Schwerpunkte der Präsentation variieren jährlich. Die polizeiliche Kriminalstatistik ist gemäß dem Sicherheitspolizeigesetz Teil des Sicherheitsberichtes und enthält sowohl 2018 als auch 2020 die gleichen Daten. Der Sicherheitsbericht wird von der Bundesregierung jährlich dem National- und dem Bun­desrat erstattet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 153

Zur Frage 72:

Dreieinhalb Monate.

Zur Frage 73:

6 798.

Zu den Fragen 74 bis 76:

Diese Fragen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des BMI.

Zu den Fragen 77 und 78:

Ja.

Zur Frage 79:

Mit 1.1.2020 waren 1 097,35 Vollbeschäftigungsäquivalente, mit 1.6.2021 1 045,38 Voll­be­schäftigungsäquivalente im BFA eingesetzt.

Zur Frage 80:

11.

Zu den Fragen 81 und 82:

Ja, die Vorwürfe wurden seitens des BFA geprüft, darüber hinaus darf auf die in diesem Zusammenhang ergangenen Stellungnahmen des BFA verwiesen werden.

Zur Frage 83:

5 268.

Zur Frage 84:

5 545.

Zur Frage 85:

1 761.

Zur Frage 86:

1 181.

Zur Frage 87:

1 627.

Zur Frage 88:

615.

Zur Frage 89:

728.

Zur Frage 90:

346.

Zur Frage 91:

52.

Zur Frage 92:

1 292.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 154

Gestatten Sie mir, bei der 93. Frage noch einmal meinen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMI und des Kabinetts zu erstatten, die diese umfangreiche Beant­wortung innerhalb von 4 Stunden zustande gebracht haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Erteilung von Staatsbürgerschaften fällt nicht in den Vollzugsbereich des Innen­minis­teriums. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

15.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Amesbauer ist nun zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


15.54.43

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Dieser bestialische Mord an einem 13-jährigen Mädchen in Österreich, das von mehreren Afghanen mutmaßlich unter Drogen gesetzt, geschändet, mehrfach brutalst vergewaltigt, ermordet und dann abgelegt wurde wie ein Sack Müll: Das macht mich betroffen, das macht mich fassungslos, aber das macht mich auch wütend – wütend aufgrund der Umstände, dass so etwas in Österreich möglich ist. Und das war auch nicht der erste entsprechende Vorfall, es war nicht die erste schwere Straftat, und es war auch nicht der erste Mord, der von Menschen, die in Österreich eigentlich überhaupt nichts verloren haben, begangen wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesminister Nehammer verlässt für kurze Zeit den Saal.)

Fassungslos, Herr Innenminister – jetzt ist er weg (Zwischenruf bei der FPÖ) –, macht mich auch die Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage, denn was erleben wir? – Nach jedem Vorfall erleben wir leider dasselbe: Wir erleben eine allgemeine Betroffen­heits­rhetorik, die ohnehin nicht wirklich ernst gemeint ist und die uns auch nicht weiterbringt. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Wir erleben – wie es Frau Edtstadler ver­anstaltet hat – runde Tische ohne Ergebnisse, und wir erleben einen Innenminister, der sich hinstellt und große Töne spuckt, aber keine Taten setzt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Eßl.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, wir haben vom Bundeskanzler, von Ministerin Edtstadler und von Herrn Nehammer (Ruf bei der ÖVP: Minister ...!) die große Aussage gehört: Wir sind die Harten, mit uns wird es keinen Abschiebestopp nach Afghanistan geben! – Ja meine Damen und Herren, was soll das? Diesen Abschiebestopp gibt es ohnehin nicht, wir haben ein Rücknahmeabkommen mit Afghanistan. Die Frage ist: Warum wird es nicht durchgeführt? Oder haben Sie Probleme, mit Ihrem grünen Koali­tionspartner die vor den Wahlen groß versprochene Mitterechtspolitik und strenge Asylpolitik umzusetzen? Wenn man bei einem Abschiebeflug nach Afghanistan im März dieses Jahres erleben musste, wie unter Beteiligung der Grünen, federführend durch Frau Hebein, die ehemalige grüne Vizebürgermeisterin, die Autobahn blockiert wurde, wie sich Menschen von Brücken abgeseilt und versucht haben, diese Abschiebung zu verhindern, dann weiß man: So wird es mit diesem Koalitionspartner nicht funktionieren, und genau deswegen wird wiederum nichts passieren!

Meine Damen und Herren, diesen Abschiebestopp nach Afghanistan, den gibt es wie gesagt nicht, und darum brauchen Sie nicht groß zu sagen, den wird es mit Ihnen nicht geben. Es ist Ihre Aufgabe, das durchzuführen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Dieser SPÖ-Antrag der vergangenen Wochen, überhaupt die Anträge im gesamten Asyl­bereich mit der Staatsbürgerschaft, diese Fantastereien und auch dieser Parteitags­be­schluss – keine Abschiebungen nach Afghanistan –: Es ist eine Schande, dass eine Nationalratspartei so etwas beschließt! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 155

Aber, Herr Innenminister, es ist nicht die Aufgabe und die Kompetenz eines SPÖ-Parteitags, Abschiebungen durchzuführen, dafür ist in dieser Republik in erster Linie der Innenminister zuständig!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir reden hier die ganze Zeit über die Sym­ptome, die es zu bekämpfen gilt und wo wir Konsequenz brauchen, aber wir müssen auch einmal über die Ursachen diskutieren. Wer ist denn schuld, dass wir diese Zustän­de haben? Wer hat denn diese Menschen vor allem im Jahr 2015 in Massen nach Österreich gerufen? Einer der Tatverdächtigen ist damals als 12- oder 13-Jähriger – keine Ahnung, wie alt er wirklich war – eingereist, war damals ein armer, lieber Bub, und die Willkommensklatscher sind gestanden, die Grünen, die Roten, aber auch die ÖVP, die damals schon den Innenminister gestellt hat, die damals schon einen Sebastian Kurz als Integrationsminister dieser Regierung gestellt hat, der ja angeblich die Balkanroute geschlossen hat, über die jetzt anscheinend, im heurigen Jahr 2021, einer der Tat­verdächtigen eingereist ist. Also Sie als ÖVP sind Mittäter bei der gesamten Situation der Massenzuwanderung, Sie haben das zugelassen, Sie haben das beklatscht, und Sie haben diese Menschen willkommen geheißen! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas im Zusammenhang mit dieser Zuwanderungspolitik: Herr Innenminister, Sie machen es sich leicht. Sie zeigen immer mit dem Finger auf andere, das haben wir nach dem Terroranschlag schon gesehen: Da ist die Justiz schuld, da ist der schuld, da ist der schuld! – es hat sicher Mängel gegeben, massive in der Justiz, an denen aber auch ÖVP-Vorgängerminister nicht unbeteiligt waren (Zwi­schenruf bei der ÖVP) –, und Sie stellen sich jetzt hierher und zeigen auch auf Herrn Kickl. Was hat es denn unter Herrn Kickl gegeben? (Zwischenruf des Abg. Lausch.) – Herbert Kickl als Innenminister (Zwischenruf bei der ÖVP) konnte fast im Wochentakt in Pressekonferenzen neue Abschiebeflüge verkünden. Und was machen Sie? – Sie müssen sich ständig zu Pressekonferenzen stellen und Rekordzuwande­rungsergeb­nisse präsentieren. Also das ist Ihre Leistungsbilanz! (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir uns das einmal an: Herr Nehammer (Ruf bei der ÖVP: Herr Innenminister, bitte!) hat im März 2020, als die ganze Coronageschichte begonnen hat, einen De-facto-Zuwanderungsstopp verkündet. Sie haben gesagt: Ohne gültiges Gesundheitszertifikat passiert überhaupt niemand unsere Staatsgrenze. – Das hat lange gegolten und gilt noch immer für Österreicher, für Urlaubsrückkehrer, die drangsaliert werden, aber wie hat der De-facto-Zuwanderungsstopp des Herrn Nehammer ausgesehen? Schauen wir uns die Asylstatistik des Jahres 2020 an, als es in der gesamten Europäischen Union, sogar in den traditionellen Zuwanderungsländern Deutschland und Schweden, Rekord­rück­gänge gegeben hat! Da haben wir in Österreich ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019 erlebt, fast 15 000 Asylanträge, über 5 000 Syrer, über 3 000 Afghanen, mein sehr geehrter Herr Innenminister mit dem De-facto-Zuwanderungsstopp.

Was haben wir heuer erlebt? – Ein Plus von 84 Prozent bei der Zuwanderung im Ver­gleich zum Vorjahr. Ja so kann es nicht weitergehen, meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen recht bezüglich der internationalen Konventionen, der GFK und der Euro­päischen Menschenrechtskonvention. Das ist aus den Fünfzigerjahren, das gehört geändert, das kann nicht immer die Ausrede sein. Aber suchen Sie internationale Partner und meinen Sie das auch ernst? Wieso haben Sie Herbert Kickl nicht unterstützt, als er gesagt hat, er will sich mit diesen Konventionen anlegen? Das haben Sie sich nicht getraut. (Beifall bei der FPÖ.)

Was Sie gemacht haben, Herr Innenminister, ist: Sie haben das Ausreisezentrum des Herbert Kickl wieder in ein Aufnahmezentrum umgewandelt. Das ist die Asylpolitik der ÖVP. Alles, was Sie vor Wahlen verkünden und was Sie jetzt verkünden, ist reine Asyl-PR – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 156

Herr Nehammer, Sie waren ja in Dänemark und haben sich dort das strenge Asylsystem angeschaut, haben gesagt, das sei ein Vorbild für Österreich, das können wir umsetzen. Das wird auch nicht gehen. Herr Bürstmayr hat Ihnen ausgerichtet: Das wird mit den Grünen sicher nicht umgesetzt. Ihr eigener Parteifreund, Herr Karas, setzt sich zeitgleich in Wien zu einer Pressekonferenz und sagt: Das kommt überhaupt nicht infrage, das ist unsolidarisch und uneuropäisch.

Wenn Sie es ernst meinen, müssen Sie dem Zehnpunkteplan von Herbert Kickl heute hier und jetzt zustimmen.

Ich stelle nun folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellst möglich den in der Antrags­begrün­dung dargestellten 10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte umzusetzen.“

*****

Lassen Sie Ihren Worten endlich Taten folgen! (Beifall bei der FPÖ.)

16.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten KO Kickl, Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend 10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylbe­rechtigte

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage des Abgeordneten KO Kickl und weiterer Abgeordneter, an den Bundesminister für Inneres betreffend Völliges Versagen der ÖVP in der Asylpolitik, in der 117. Sitzung des Nationalrates, in der XXVII. GP, am 08. Juli 2021.

Der EU droht die nächste Migrationswelle. Die Zahlen auf allen Routen steigen massiv an, meldet die EU-Behörde Frontex. Insgesamt haben sich die illegalen Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen von Jänner bis April im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel erhöht. Im April lagen sie sogar viermal so hoch wie noch vor einem Jahr. Dabei hat sich das Geschehen vom östlichen Mittelmeer auf die zentrale Mittelmeerroute von Nord­afrika aus verlagert. In Italien und Malta sind heuer in den ersten vier Monaten zwei­einhalbmal so viele Migranten angekommen wie 2020.

Die ÖVP präsentiert sich gegenüber der Bevölkerung in der Asyl- und Fremdenpolitik gerne im „Blauen Gewand“ indem sie FPÖ-Vorschläge verbal übernimmt, aber nicht zur Umsetzung bringt. So kündigte ÖVP-Innenminister Nehammer vergangenes Jahr einen Defacto-Asylstopp an. Tatsächlich stiegen die Asylantragszahlen erstmals seit der Mig­rationswelle 2015 wieder deutlich an und für heuer zeichnet sich wieder ein massiver


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 157

Anstieg ab.

2020 wurden wie der Anfragebeantwortung 5527/AB entnommen werden kann 5.867 illegal eingereiste Fremde registriert. Laut der Asylstatistik des Bundesministeriums für Inneres wurden im Jahr 2020 14.775 Asylanträge gestellt, heuer waren es bis Mai schon 8.357, um 83,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Auf der zentralen Mittelmeer-Migra­tions­route stieg die Zahl der Flüchtlinge um 157 Prozent an, wie „Die Presse“ am 17. Mai 2021 berichtete.

Der Anfragebeantwortung Kriminalität in Österreich 2020 (5110/AB) konnte entnommen werden, dass im Jahr 2020 in Österreich 109.161 fremde Tatverdächtige insgesamt ermittelt wurden. Davon waren 9.550 Asylwerber, 3.958 nicht rechtmäßig aufhältig bzw. geduldete Fremde, 7.987 Tatverdächtige ohne Aufenthaltsstatus und 13.097 nicht erwerbstätige, in Österreich nicht sozialversicherte Personen.

Vor diesem Hintergrund erschöpft sich die Tätigkeit der Regierung wieder einmal nur in Betroffenheitsfloskeln, es wird aber wieder nichts geschehen, um kriminellen Einwan­derern endlich einen Riegel vorzuschieben. Daher müssen nach dem brutalen Tötungs­delikt an einem 13-jährigen Mädchen mutmaßlich durch zwei afghanische Asylwerber endlich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit so etwas nie wieder vorkommt. Die Österreicher haben ein Recht darauf.

Umzusetzen ist ein 10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte:

1.        Aussetzen der Asylanträge auf österreichischem Boden

2.        Maßnahmen zur De-Attraktivierung des „Asylstandorts“ Österreich, zum Beispiel durch die Wiedereinführung von Ausreisezentren

3.        Ein klares Bekenntnis der gesamten Bundesregierung zu Abschiebungen auch nach Afghanistan und Syrien und eine Abschiebungsoffensive insbesondere in diese beiden Staaten

4.        Sofortiger Abbruch des Asylverfahrens von straffälligen Asylwerbern bei jeder Form einer Straftat und sofortige Außerlandesbringung

5.        Aberkennung des Asylstatus bzw. sonstiger Schutztitel bei jeder Form einer Straf­tat und sofortige Außerlandesbringung

6.        Schwerpunktaktionen zur Überprüfung der Aktualität der Fluchtgründe von Asyl­berechtigten

7.        Einführung der Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber

8.        Umsetzung von Rückführungszentren in Drittstaaten

9.        Vorstoß Österreichs auf internationaler Ebene in Richtung eines Paradigmen­wechsels in der Asyl- und Fremdenpolitik – keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden, außer von Personen die aus unmittelbaren Nachbarländern stammen

10.     Keine Staatsbürgerschaft für Asylberechtigte

Schon 2018/2019 wurde bereits unter Bundesminister Kickl in diese Richtung gearbeitet, um Adaptierungen und Verschärfungen im Asyl- und Fremdenrecht endlich umzusetzen, insbesondere was die leichtere Beendigung von Asylverfahren krimineller Asylwerber und die Asyl-Aberkennungsverfahren betrifft. In diesem Zusammenhang darf man auch nicht davor zurückschrecken, internationale Regelungen zu hinterfragen und anzu­greifen. Seit Mitte 2019 ist man in diesen Fragen aber quasi am permanenten Rückzug.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 158

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellst möglich den in der Antragsbe­grün­dung dargestellten 10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte umzusetzen.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mahrer. – Bitte.


16.02.41

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin auch noch ein bisschen betroffen von den Minuten vorhin. (Abg. Belakowitsch: Was?) Ich glaube, jeder von uns Abgeordneten gedenkt auf seine Art Opfern von Gewalt und Opfern von Verbrechen. (Abg. Kickl: Das fällt Ihnen jetzt das erste Mal ein?) Ich gedenke auch auf meine Art der 13-jährigen Leonie, und ich glaube, darin sind wir uns wenigstens einig: Das, was dieses Mädchen in dieser Nacht mitge­macht und erlitten hat, können wir uns gar nicht vorstellen.

Es ist so: Wahrscheinlich bis zu vier junge Männer, im Wissen um und unter Ausnutzung ihres Asylstatus, haben das Mädchen vom Donaukanal abgeschleppt, unter Drogen gesetzt, sexuell missbraucht, ermordet und, wie schon Kollege Amesbauer gesagt hat, wie eine Ware auf der Straße abgelegt. Wir können uns das gar nicht vorstellen – das ist abscheulich, das ist unfassbar –, und das können sich die Menschen in Österreich auch nicht vorstellen. Sie können es daher nicht akzeptieren, dass Menschen, die ihr Asylrecht in dieser Form missbrauchen, Platz in Österreich haben. Daher dürfen wir und daher werden wir nicht zur Tagesordnung übergehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Werte Abgeordnete, das sollte auch bei aller Unterschiedlichkeit unserer Argumente und bei aller Emotion in der Diskussion unser gemeinsames Anliegen sein. Wir brauchen heute keine Schuldzuweisungen. (Abg. Kickl: Ihr braucht nur zustimmen!) Wir brauchen das nicht, weil das die Menschen auch nicht wollen. Die brauchen nicht, dass wir uns streiten, die brauchen Lösungen. (Abg. Kickl: Stimmt zu!) – Ja, Herr Kickl, es muss strenge Maßnahmen geben, es muss aber auch rechtsstaatliche Konsequenzen für die Täter und für solche Menschen geben, die ihren Schutz nicht nur in Anspruch nehmen, sondern ihn missbrauchen. Da sind wir uns einig.

Wir brauchen aber auch einen ehrlichen Blick auf die organisatorischen, personellen, budgetären, aber auch gesetzlichen Verbesserungsmöglichkeiten, die relativ kurzfristig auf dem Tisch liegen. Der Innenminister hat heute sehr klare Worte gesprochen. Aus meiner Sicht gibt es einige sehr rasch umzusetzende Lösungen, nämlich erstens, am konsequenten Rückführungskurs des Innenministers, dort, wo Rückführungen möglich sind, auch festzuhalten – ganz besonders prioritär bei den straffälligen Asylwerbern. Dazu braucht es aber auch eine tatsächliche und prioritäre Führung von Beschwerde­verfahren in der zweiten Instanz, also beim Bundesverwaltungsgericht, noch vor der Entlassung.

Es braucht zweitens – das muss man aussprechen können, das ist eine Zukunfts­forde­rung und keine Kritik – eine funktionierende Qualitätssicherung im Justizministerium. Es braucht eine Verkürzung der Entscheidungsfristen in der zweiten Instanz.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 159

Und ja, meine Damen und Herren, es braucht eine ehrliche und eine sachliche Dis­kussion über die Sicherungshaft für Asylwerber in jenen Fällen der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung, die auch unionsrechtlich möglich ist und die auch zum Beispiel in Belgien und in den Niederlanden bereits umgesetzt ist. Dieser Plan ist auch Bestandteil unseres Regierungsprogramms. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, mittelfristig brauchen wir aber auch – und das habe ich bei den Ausführungen des Innenministers heute besonders stark empfunden – deutliche Änderungen betreffend das Thema Asyl und Migration in Europa. Ja, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention – beide wurden zu einer Zeit verfasst, als man von tatsächlicher Flucht gesprochen hat. Damals wollte man Menschen helfen, die vor Verfolgung ins erste sichere Land flüchten mussten. Damals dachte man nicht an kriminelle Schlepper und ungehinderte Massenmigration über Kontinente hinweg. Wir müssen daher die Herausforderungen der globalen Migration mit den geltenden europäischen Rechtsinstrumenten einmal abgleichen und für neue, brauchbare Regelungen sorgen.

Das muss Europa schaffen. Meine Damen und Herren, wir sagen es ja immer: Wir reden nicht nur von Europa, wir als Österreich sind Europa. Jetzt frage ich aber Sie: Wer soll denn die konsequente Linie beim Thema Asyl und Migration in Europa vertreten? Ist das die FPÖ? Ist das Herbert Kickl, der in Europa in Zukunft verhandeln würde? (Ja-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja, genau!) Ein Herbert Kickl, der Hass sät, sich nicht von Rechtsextremen distanziert und sich in Europa längst isoliert hat? (Abg. Kickl: Ich habe zumindest keine peinlichen Fotos auf meinem Handy!) Ein Herbert Kickl, der als Innenminister 2018 und 2019, wie wir heute gehört haben, drei der vier – möglicher­weise – Tatverdächtigen nicht abgeschoben hat? Ein Herbert Kickl, der in Europa 2018 und 2019 trotz unseres EU-Vorsitzes, vielleicht wegen seiner forschen, manchmal auch menschenverachtenden Art, gescheitert ist? Ein Herbert Kickl, der den Zehnpunkteplan in seiner Amtszeit nicht umgesetzt hat? – Nein, verzeihen Sie, Herbert Kickl, mit Ihnen ist kein Staat zu machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Deimek: Die Rede ist so ...!)

Ich sage es Ihnen: Auch bei den anderen Fraktion tue ich mich schwer. Bei den NEOS kenne ich mich nicht aus, ich sage es ganz offen, die Linie ist da durchwachsen. Bei der SPÖ tue ich mich ganz schwer, denn die Linie ändert sich von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. Ich bitte einfach auch die SPÖ, die Sozialdemokratie, vielleicht wieder ein­mal zu einer gemeinsamen Linie zu kommen.

Bei all diesen Überlegungen: Wer könnte denn Asyl- und Migrationsfragen in Europa vertreten, unsere österreichische Linie vertreten? Wer könnte denn das sein?, da komme ich auf Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (Rufe bei der FPÖ: Ja, klar! – Heiterkeit bei der FPÖ), denn diese beiden, Bundeskanzler Kurz und Innenminister Karl Nehammer, haben tatsächlich (Zwischenrufe bei der FPÖ) – und der Innenminister hat es angesprochen – in den letzten Jahren und Monaten in Europa einen Umdenkprozess bewirkt (Abg. Kickl:  ... Asylanten, sondern ...!), einen ganz deutlichen Umdenkprozess. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir daher, meine Damen und Herren, einem Regierungschef und einem Minister zutrauen, auf europäischer Ebene eine Anpassung der Bestimmungen an die neuen Herausforderungen der globalen Migration zu erreichen (Abg. Kassegger:  ... neuer Migrationspakt!), dann sind das einzig und allein Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Die beiden werden daran arbeiten – das kann ich Ihnen versprechen –, im Einklang mit dieser Bundes­regierung und auch in Abstimmung mit unserem Koalitionspartner, werden gemeinsam konsequent daran arbeiten, dass straffällig gewordene Asylwerber keinen Platz in Öster­reich haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 160

Ich lade Sie dazu ein, diese Vorgangsweise, diesen Druck auf Europa, diesen positiven Druck auf Europa gemeinsam mit dem Bundeskanzler und dem Innenminister zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Einwallner. – Bitte. (Abg. Martin Graf: ... nach dem Motto: Jeder Greißler lobt seine Ware!)


16.10.01

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der schreckliche Mord an dem 13-jährigen Mädchen in Wien macht betroffen, macht auch zornig, und er macht uns verständnislos, weil er leider erneut aufzeigt, dass offenbar etwas bei uns im System falsch läuft, dass wir einen Fehler im System haben. (Abg. Belakowitsch: Ja, der Innenminister! Da sitzt der Fehler!) Wie kann es sonst sein, dass gut integrierte Schülerinnen und Schüler mitten in der Nacht abgeschoben werden? Wie kann es sonst sein, dass in Lehrberufen, die wir dringend brauchen, ausgebildete Lehrlinge abgeschoben werden und gleichzeitig straf­fällig gewordene Asylwerber, wie dieser Afghane in Wien, der für den Mord verant­wortlich gemacht wird, frei herumlaufen? Meine Damen und Herren, da läuft etwas falsch! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Herr Innenminister, bei straffällig gewordenen Asylwerbern darf es keine Toleranz ge­ben! Null Toleranz und konsequentes Abschieben, nur das kann die Antwort bei diesem Thema sein. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Herr Innenminister, es ist zu wenig, immer nur Ankündigungen zu machen – das ist zu wenig –, sondern wir müssen ins Handeln kommen. Die ÖVP hat seit vielen, vielen Jahren das Innenministerium, aber es passiert offenbar nichts – es passiert offenbar nichts! (Abg. Belakowitsch: Ja, weil eure Aktivisten immer ...!)

Es ist immer und immer wieder das gleiche Muster. Wir haben es beim Terroranschlag am 2. November gesehen. Die erste Reaktion ist ein Abschieben von Verantwortung. Da hat man die Verantwortung zuerst an die Justizministerin und dann sogar noch in Rich­tung Opposition abgeschoben. Ich bin ja gespannt, wann wir, die Opposition, in diesem jetzigen Fall dran sind, also dass vielleicht auch wir noch schuld sind. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Die Justizministerin ist offenbar schon wieder schuld – da gibt es also schon wieder ein Abschieben der Verantwortung. Dann kann es auch die EU nicht, denn da wird die Verantwortung auch noch hingeschoben. Es ist immer wieder das gleiche Muster: Man übernimmt keine Verantwortung, sondern schiebt Verantwortung ab. Führungsqualität zeichnet sich so aus, dass man auch in schwierigen Zeiten Verant­wortung übernimmt, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Wenn man sich hier dieses Schauspiel von Karl Nehammer und Herbert Kickl anschaut (Abg. Belakowitsch: Welches Schauspiel ziehen Sie hier ab?!), die sich wechselseitig attackieren, dann denken wir doch daran – und alle, die schon 2017 da waren, wissen es noch –, wie Karl Nehammer Herbert Kickl bei jedem Thema schützend zur Seite gesprungen ist und hier alles verteidigt hat, was passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Kickl. – Ruf bei der ÖVP: Das haben wir bei euch auch ...!) Na ja, folgende Erkenntnis haben wir heute gewonnen: Offenbar hat die ÖVP nicht die Kompetenz, Lösungen für dieses Thema anzubieten, und in der kurzen Zeit, als Herr Kickl Innenminister war, hat es auch keine Lösungen gegeben. Das haben Sie uns gerade wechselseitig bestätigt. Weder ÖVP noch FPÖ schaffen es, Lösungen aufzuzeigen, meine Damen und Herren! In der Zeit von 2017 bis 2019 ist ganz offenbar auch nichts passiert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 161

Es gibt also einen Missstand, weil Verantwortung abgeschoben wird. Es muss endlich etwas passieren. Es braucht rasche Verfahren: Wir müssen schauen, dass die Verfah­renszeiten kürzer werden. Dafür braucht es auch die personelle Ausstattung, finanzielle Ausstattung, sodass es rasche Verfahren gibt. (Abg. Belakowitsch: Wir haben be­schlossen ...!) Wir müssen schauen, dass Abschiebeentscheidungen schnell getroffen und Straffällige konsequent abgeschoben werden. (Abg. Kickl: ... gar keine mehr rein! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Meine Damen und Herren! Auch Europa ist das Thema: Ja, es braucht auch europäische Lösungen. Da ist es aber auch zu wenig, nur anzukündigen und Ankündigungspolitik zu machen. Es braucht Lösungen auf europäischer Ebene. Wir werden das Problem nur dann lösen können, wenn es ein einheitliches europäisches Asylsystem gibt. Es braucht Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen. Es ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt, dass wir das auf europäischer Ebene etablieren. Man muss auch eines konse­quent machen – und das noch viel, viel nachhaltiger, als man es bis jetzt macht –, nämlich die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort, meine Damen und Herren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Sieber: ... Partei­tags­beschluss!)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Das Wort steht bei Ihnen, Herr Abgeordneter. Bitte.


16.15.07

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein Verbrechen geschehen, und wir sind entsetzt und zornig und wütend. Unser Instinkt schreit nach Rache, und die Stimme der Vernunft ist leise. Wir wissen noch nicht einmal genau, was geschehen ist, die Ermittlungen laufen noch, die Anklage ist noch nicht erhoben, über die Schuld ist noch kein Urteil gesprochen, aber unsere Gefühle verlangen heute schon nach Vergeltung – Auge um Auge, Zahn um Zahn. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Alles in uns schreit nach Rache, und die Stimme der Vernunft ist leise. Wir haben Angst, denn die wahrscheinlichen Täter, das waren doch andere von ganz woanders, und von denen gibt es noch mehr, und die sehen alle irgendwie so anders aus – und womöglich sind die alle so. (Abg. Belakowitsch: Mein Gott! – Abg. Kickl: ... weltoffener Mensch!)

Jetzt ist es so: Der Terrorist von Oslo und Utøya war ein Europäer, der Attentäter von Christchurch ein Weißer und Herr F. mit dem Keller in Amstetten war ein Österreicher. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Natürlich bin ich, natürlich sind wir nicht so, obwohl wir Europäer, Weiße, Österreicher sind. Unsere Vernunft weiß das: Jeder Mensch ist ein Individuum, in jeder Gruppe gibt es gute, tolle, großartige Menschen und manchmal auch – Verzeihung, Herr Präsident – Pfundsarschlöcher! Wut, Zorn und Angst sind aber mächtige Gefühle und laut. Ich erzähle Ihnen von diesen Gefühlen, weil sie auch meine Gefühle sind.

Die leise Stimme der Vernunft versucht, mir zu sagen, dass es nicht gut ist, Ent­scheidungen im Zorn zu treffen oder Politik aus Angst zu machen – oder mit der Angst. Diese leise Stimme erinnert mich auch daran, wohin die geschürte Angst und die kol­lektive Abneigung gegen ganze Gruppen führen können, wie sie in Hass umschlagen können und wie dieser Hass in Katastrophen münden kann – erst für jene, die gehasst werden, und dann für jene, die hassen.

Unsere Aufgabe in diesem Hohen Haus ist es nicht, uns von solchen Gefühlen hinreißen zu lassen oder sie gar zu schüren. Jeder Profifußballer weiß, seine Gefühle im Zaum zu halten, denn wer das nicht kann, schadet seiner Mannschaft. Wir sind die Profifußballer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 162

der Demokratie. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir bekommen nicht 9 000 Euro brutto im Monat dafür, dass wir auf unsere Ängste, unsere Gefühle oder unseren Zorn hören, sondern dafür, dass wir nüchtern bleiben, selbst wenn es hoch hergeht; dass wir die Verfassung, das Völkerrecht und die Gesetze beachten, auf die wir alle angelobt sind; dass wir einen Schritt zurück machen, tief durchatmen und, so gut wir das können, gemeinsam Regeln für unser aller Zusammenleben schaffen.

Deshalb möchte ich Ihnen von der FPÖ in aller Ruhe sagen: Was Sie da an Vorschlägen aufgelistet haben, diese Auflistung von fünf, zehn, zwanzig Jahre alten Forderungen, die allesamt mehr oder weniger völkerrechtswidrig, verfassungswidrig, unionsrechtswidrig sind (Zwischenruf des Abg. Hauser) und die nie funktioniert haben – nicht einmal im Ansatz –, sind ungeeignet, irgendein Problem zu lösen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir werden diesen Ideen nicht nähertreten, bloß weil wir – wir alle! – emotionalisiert sind. (Abg. Kickl: Das überrascht mich nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit noch ein Zweites sagen: Wer in Österreich schwere Straftaten begeht, wer diese Gesellschaft gefährdet, hat kein Recht auf Schutz in diesem Land und muss dieses Land verlassen. (Abg. Belakowitsch: Haben Sie das der Hebein gesagt?) Das ist nicht nur österreichische Rechtslage und Völkerrechtslage, sondern auch klare grüne Position. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Ist das die einheitliche Position? Das glaube ich nicht! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir werden in Ruhe besprechen, wo es Bedarf an Änderungen gibt, nach Verbes­se­rungen in den Abläufen sehen und danach, was an Mitteln eigentlich eh schon da ist und bloß noch nicht ordentlich genutzt wird – in Ruhe und Vernunft, denn die Stimme der Vernunft, sie ist leise. So wird Sigmund Freud oft zitiert, aber das ist nur die eine Hälfte des Zitats. (Abg. Kickl: Alles, was leise ist ... vernünftig!) Sie ruht nicht, bis sie sich Gehör verschafft hat! – Das ist die zweite Hälfte, und das ist unsere Aufgabe in diesem Hohen Haus: nicht Angst zu schüren, nicht Wut oder dem Zorn zu gehorchen, sondern der Stimme der Vernunft Gehör zu verschaffen. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.


16.20.23

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Frauen Bundesministerinnen! Herr Bundesminister, gleich vorweg entschuldige ich mich für meinen sehr emotionalen Zwischenruf, ich kann ihn aber auch gleich erklären. Sie haben ja richtig erkannt, dass ich hier wahrscheinlich auf den vermeintlichen oder aus meiner Sicht bestehenden Bruderzwist eingehen werde.

Ich will nicht sagen, dass ich nicht die positiven Bestrebungen von Ihnen in einzelnen Bereichen sehe. Wir sind uns sicher nicht in allem einig, aber es gibt Maßnahmen – und die haben Sie auch angesprochen – wie die Frage, wie man Rückführungsabkommen intensivieren kann, wie man auch notwendige Änderungen auf europäischer Ebene voranbringen kann. Das sehe ich ohne Weiteres. Es ist aber leider oft der Fall, dass, wenn Herr Klubobmann Kickl Ihnen etwas vorwirft – und Sie haben natürlich auch die Verpflichtung, diese Dringliche Anfrage zu beantworten, ich wollte da auch nicht irgend­etwas anderes sagen –, es immer das Ergebnis ist, dass es zu einer Aufrechnung kommt: Wer hat die härteren Maßnahmen vorgeschlagen? Wer hat die härteren Ideen?

Dieses Vorschlagen dieser Maßnahmen und dieses Aufrechnen führen nicht dazu, dass wir die Möglichkeit haben, solche widerwärtigen, solche grauenhaften Morde zu verhindern.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 163

Das ist das, was mich wütend macht, weil das Aufrechnen keinen einzigen Mord verhin­dern wird. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Es macht mich auch deswegen so wütend, weil wiederum auch in diesem Fall die Maßnahmen, die man setzen müsste, zumindest nach dem Wissensstand, den ich jetzt habe, sehr offenkundig sind. Wir haben vier Tatverdächtige, das ist schon angesprochen worden, alle Asylsuchende aus Afghanistan, drei davon mehrfach vorbestraft, als Gewalttäter polizeibekannt. In Wirklichkeit hat zumindest für diese drei das Aufent­halts­recht keine Gültigkeit mehr, und das Problem ist, es ist nicht zu einer Abschiebung gekommen. Da fragt man sich, wieso das so ist, und dann erkennt man, dass es im Asyl- oder im Abschiebeverfahren offensichtlich zu Fehlern gekommen ist. Wir haben auch dieses Hin- und Herschieben von Schuld erlebt.

Es geht hier um zumindest drei, die keinen Schutzstatus mehr genießen sollten, einer davon schon seit November 2018 nicht mehr. Der Fall liegt seit November 2018 beim Bundesverwaltungsgericht. Dort gibt es eigentlich eine Dreimonatsfrist, die für die entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahme vorgesehen ist. Es ist nur nichts passiert. Wenn wir aber bis 2018 zurückrechnen, dann fällt uns auf, dass drei Monate ganz offensichtlich vergangen sind. In der Zeit dazwischen sind sogar noch weitere strafrechtliche Verurteilungen dazugekommen.

Mit ein Grund dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden hat, ist, dass dort immer noch 14 000 offene Asylverfahren liegen und offensichtlich zu wenige Res­sourcen vorhanden sind, um diese abzuarbeiten. Das Ergebnis, wenn zu wenige Res­sourcen vorhanden sind, ist, dass diese Verfahren nicht rasch genug bearbeitet werden und dass in diesem Fall auch die Außerlandesbringung dieses einen Tatverdächtigen nicht funktioniert hat. Wenn man das konsequent zu Ende überlegt: Wenn die Res­sourcen vorhanden wären, hätte man unter Umständen diesen furchtbaren Mord verhin­dern können, denn dann wäre zumindest der eine Tatverdächtige nicht mehr im Land.

Es ist, glaube ich, für uns alle unbestritten, dass die Menschen, die nach Österreich kommen, die hier Schutz suchen, sich an das österreichische Rechtssystem zu halten haben und dass es für jede einzelne Person, die nach Österreich kommt, die hier Schutz sucht, die hier Asyl bekommt und dann der Meinung ist, dass man sich nicht an unsere Grund- und Freiheitsrechte halten muss, die wir jahrzehntelang erkämpft haben, die der Meinung ist, dass man die sexuelle Integrität von Frauen nicht zu respektieren hat, die der Meinung ist, dass man deren Rechte durch Gewalt einschränken kann oder ihnen vielleicht sogar das Leben nehmen kann, wie es in diesem tragischen Fall passiert ist, nur eine einzige Antwort geben kann: Leute, die so denken, haben in Österreich schlichtweg nichts verloren. (Allgemeiner Beifall.)

Sie haben selbst gesagt, Herr Bundesminister, und da stimme ich Ihnen hundertprozentig zu: Wenn jemand glaubt, dass er den Schutz der liberalen Demokratie in Anspruch nehmen kann, und diesen Schutz dann ausnützt, um die hier geltenden Gesetze zu missachten, dann hat er etwas ganz Grundlegendes falsch verstanden. Wenn ein Asylwerber oder auch ein Asylberechtigter mehrere schwere Straftaten begeht, wie etwa Gewaltverbrechen, dann kann ja wohl kein Weg daran vorbeiführen, dass wir diese Leute wieder in ihre Herkunftsländer zurückbringen.

Genauso haben Sie auch angesprochen, woran es leider oft hakt. Das sind die Rück­führungsabkommen oder -übereinkommen, wie auch immer wir sie nennen wollen. Wenn ein negativer Asylbescheid erfolgt ist, ist klar, dass es eine rasche und entschlos­sene Rückführung geben muss. Das Problem ist – das Gesetz sieht das so vor, es sieht es jetzt schon vor, es braucht da keine Verschärfungen –: Es braucht eine konsequente Umsetzung der bestehenden Gesetzeslage, und dazu braucht es, wie wir gesagt haben, erstens mehr Ressourcen bei den entsprechenden Gerichten, denn solange sich die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 164

Fälle dort stapeln und nicht abgearbeitet werden können, können wir auch das Gesetz nicht entsprechend durchsetzen.

Was es aus meiner Sicht auch brauchen würde, haben wir schon mehrmals am Beispiel Schweiz aufgezeigt. Sie kennen das, in der Schweiz ist es so, dass bis zur zweiten Instanz die Verfahren in 180 Tagen durchgeführt werden müssen. Wir brauchen ganz grundsätzlich eine Beschleunigung der Asylverfahren.

Das heißt, wir brauchen die Beschleunigung, wir brauchen ausreichende Ressourcen. Es muss klar sein, dass jemand, der hier kein Asyl bekommt, so rasch wie möglich in sein Herkunftsland zurückgebracht wird, und es muss letztlich klar sein, dass jeder, der unter Ausnutzung des Schutzes durch uns hier schwere Gewalttaten begeht, diesen Schutz nicht mehr bekommen darf und so rasch wie möglich nach Hause gebracht werden muss.

Es ist nicht sinnvoll, wenn wir gegenseitig aufrechnen, wer die härteren Maßnahmen hat. Es wäre sinnvoll, wenn wir mit den momentanen gesetzlichen Grundlagen das Auslan­gen finden würden und wenn wir es mit den momentanen gesetzlichen Grundlagen schaffen würden, dass wir solche grauenhaften Morde verhindern können. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


16.26.56

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesem entsetzlichen Verbrechen stellt sich natürlich wie immer die Frage nach der Schuld, die Frage: Hätte man dieses Verbrechen ver­meiden können? Um diese Frage zu beantworten, muss man sehr wohl differenzieren. Sie haben gemeint, das soll man nicht. – Doch, man muss hinschauen: Wer ist der Täter? Bei österreichischen Tätern muss man genauso hinschauen, muss man sich überlegen: Wie setzt man an? Wie kann man künftige Gewalttaten verhindern? Ist der Täter ausländisch, muss man sich das anschauen. Jetzt haben wir einen Fall, in dem vier Afghanen Mordverdächtige sind, und daher muss man diese Gruppe herausgreifen.

Wir haben da Afghanen, und als Innenminister müssen Sie wissen: Afghanen, Somalier, Nigerianer, Syrer sind mit einer überproportionalen Kriminalitätsrate belastet – die Afgha­nen noch einmal überproportional bei Drogen und Sexualdelikten. Es kommen vor allen Dingen junge unbegleitete Flüchtlinge, also junge Männer, mit einer zu einem guten Teil katastrophalen Einstellung zu Frauen, die nichts mit unserem Verständnis zu tun hat, sondern nach der die Frau weniger wert ist als eine Kuh oder ein Kamel und man sie straffrei züchtigen kann, wenn sie nicht gehorsam ist. Das muss man wissen, um Strategien zu entwickeln, wie man künftig solche Gewalttaten verhindern kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht nicht um Schuldzuweisungen Beamten und Sicherheitsbehörden gegenüber. Sie wissen genau, dass das auch Obmann Kickl nicht gemeint hat. Es geht um ein Kon­glomerat aus verschiedenen Faktoren, die zu der Situation, vor der wir jetzt stehen, geführt haben, da haben Sie recht: entgleiste Judikatur der internationalen Gerichtshöfe, EuGH, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte mit einer obszönen Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die zu einem Begriff und einer Definition von Menschenrechten führt, die alle schützt, nur nicht die Staatsbürger. Wir haben einen Wildwuchs an Vereinen, NGOs und Beratern, die jedes Asylverfahren in den Mitgliedstaaten zu einer jahrelangen Staatsaffäre machen und jede Abschiebung zu einem Drama. Wir haben vor allen Dingen auch speziell in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 165

Österreich, aber auch in Deutschland und in Schweden die übergroße Sogwirkung durch die Sozialleistungen.

Ich möchte behaupten, dieses Konglomerat, dem sich unsere Partei hier nach meiner Beobachtung immer am entschiedensten entgegengestellt hat, führt in diesem konkreten Fall, den wir hier besprechen, zu folgender Situation:

Wir haben vier Tatverdächtige. Der 18-jährige Tatverdächtige kam 2015 als unbeglei­teter minderjähriger Flüchtling nach Österreich: negativer Asylbescheid, Aberkennung des subsidiären Schutzes, trotzdem hier; dreimal gerichtlich verurteilt, elfmal polizeilich angezeigt.

Ein 23-jähriger Tatverdächtiger – fünfmal angezeigt, für 24 Monate verurteilt – blieb im Land, weil er den Verhandlungen über seine Ausreisepflicht fernblieb.

Der 16-jährige Tatverdächtige kam im Lockdown nach Österreich – der einzige Fall, bei dem ich Ihnen eine Mitverantwortung zuschiebe, für die Österreicher waren die Grenzen zu, in die andere Richtung waren sie offensichtlich offen –, stellte einen Asylantrag und ist hier.

Der 22-jährige Tatverdächtige, der gesucht wird, kam 2015 als unbegleiteter minder­jähriger Flüchtling nach Österreich, wurde sechsmal angezeigt, dreimal gerichtlich verur­teilt, seit 2017 ist die Abschiebung vorgesehen.

Wie gesagt, für diese Zustände sind auch nicht Sie verantwortlich (in Richtung Bundes­minister Nehammer), sondern all die Faktoren, die ich aufgezählt habe. Dem muss man sich entschiedenst entgegenstellen, und das führt natürlich dann irgendwann einmal auch zu negativen Medienberichten.

Herbert Kickl hat das – auch auf internationaler Ebene – gemacht, musste sich dem Mediensturm aussetzen. Sie sagen, Sie machen es auch auf internationaler Ebene. Wir würden das sehr begrüßen, bemerkt habe ich es noch nicht.

Dazu kommt, dass die Tat dieser Verdächtigen in einer Wiener Gemeindewohnung statt­gefunden hat, die der 18-jährige Tatverdächtige bewohnt. Trotz seiner gerichtlichen Stra­fen, trotz negativen Asylbescheides, trotz Aberkennung subsidiären Schutzes zog er in die Gemeindewohnung ein, die Miete wurde von der Stadt Wien übernommen, monatlich bezog er 863 Euro Sozialhilfe.

Kollektiver Irrsinn! Völlig fehlgeleitete Politik! – Sie haben in uns, Herr Minister, den zu­verlässigsten, verlässlichsten Partner, wenn Sie diese Missstände wirklich angehen wollen. Klubobmann Kickl hat erörtert, wie man das machen kann: den Zehnpunkteplan endlich angehen, endlich umsetzen.

Wie es nicht geht, wurde bisher gezeigt. Ein runder Tisch wird nichts bringen, ohne massive Kritik an internationalen Instanzen bringt es nichts. Es wird vor allen Dingen nicht mit einem grünen Koalitionspartner gelingen – wie wir gerade jetzt auch schon in der vorigen Rede gehört haben –, welcher bereits das Nennen der Fakten, das An­schauen der Daten – was ist der Sachverhalt? – als rassistisch einstuft, der das Ganze jetzt zu einem allgemeinen Männerproblem machen will und einfach grundsätzlich ein Problem mit Abschiebung in Krisenregionen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Da sollte man einmal schauen, was die für einen Vorteil daraus haben, wie ... Korruption ist!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 166

16.32.31

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen Bundesministerinnen! Sehr geehrter Herr Innenminister! Mich haben diese Diskussionsbeiträge, insbesondere Ihre Worte, sehr geehrter Herr Klubobmann Kickl, auch sehr betroffen gemacht, weil Sie – ich habe gestern schon gesagt, dass ich das nicht nur für unpassend, sondern für unerträglich halte – das Leid der armen Leonie hier so in die Öffentlichkeit stellen. (Abg. Wurm: Geh bitte schön! Rede einmal zur Sache!) – Ich sage Ihnen: Das ist zur Sache! (Abg. Wurm: ... jedes Mal! Mach einen sinnvollen Beitrag!) Ich halte das für eine Vorgangsweise, die ich nicht teilen kann und die ich auch nicht in Ordnung finde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt mir aber die Gelegenheit (Abg. Deimek: ... sonst nichts beitragen!), der Familie der kleinen Leonie auch meine persönliche Anteilnahme auszudrücken. (Abg. Martin Graf: Ist das ein Linker oder ÖVPler?) Ich sage Ihnen aber eines: Mit allem, was Sie uns heute hier gesagt haben, ändern Sie gar nichts, auch nicht für die Zukunft. (Abg. Kickl: Sie brauchen nur zuzustimmen! Das ist ja das Problem!) Sie wissen ganz genau, dass alle diese Maßnahmen nicht geeignet sind, jedes Verbrechen zu verhindern. (Ruf bei der FPÖ: Doch, das sind sie!) Wenn das so einfach wäre, hätten wir das alles längst gemacht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer, Deimek und Kickl.) Wir hätten das längst gemacht. Sie wissen, dass, wenn Sie ein Taferl in Traiskirchen austauschen, genau gar nichts geschehen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Schauen Sie sich die Zahlen an!)

Ja, ja, das haben Sie von Ihrem Chef gelernt, wie das mit den Taferln geht, aber die Taferlklasse wird das Problem nicht lösen, das kann ich Ihnen von dieser Stelle aus auch sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Da hier der Rechtsstaat immer wieder genannt wird (Zwischenruf des Abg. Rauch) – gerade im Ibiza-Untersuchungsausschuss haben Sie sich ja alle als Verteidiger des Rechtsstaates geriert und uns vorgeworfen, bei uns fehle die Rechtsstaatlichkeit –, darf ich Ihnen eines sagen, gerade zum Abschiebungsbereich, sehr geehrter Herr Klubob­mann, und da können Sie auch Ihre Freunde aus der Ibizakoalition im Untersuchungs­ausschuss in die Pflicht nehmen: Im Jänner war die Abschiebung nicht in Ordnung, weil das die Falschen waren, wie ich von der SPÖ gehört habe. (Abg. Deimek: Das ist ein Jurist und erzählt solche Gschichtn! Das ist ja fast ...!) Da war es nicht in Ordnung, obwohl es rechtlich abgesichert und notwendig war. Da hätte man nicht abschieben dürfen. Jetzt, wo es rechtlich gar nicht geht, hätte man abschieben sollen. Was Sie vom Innenminister verlangen, ist in Wirklichkeit Amtsmissbrauch. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich auch eines zu Kollegen Scherak: Ich bin ein bissl enttäuscht, sage ich ganz ehrlich, weil ich gedacht habe, gerade in dieser Diskussion können wir die Schuld­zuweisungen hintanstellen. (Abg. Wurm: Was redet der, bitte schön?!) Sie sagen aber: Es sind Fehler im Asyl- und Abschiebeverfahren passiert! – Kein einziger! Das ist auch der falsche Minister, an den Sie hier diese Fragen richten, und Sie wissen das. (Abg. Wurm: Das ist eine Zumutung! – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Die Justiz gehört nicht ins Innenministerium.

Ich darf Ihnen jetzt auch noch eines sagen (Abg. Wurm: So eine stumpfsinnige Rede! ... Unterirdisch!): Ich habe zugehört, was uns hier in dieser Dringlichen Anfrage dargeboten wurde. Ich weiß schon, dass jede unpassende – wie im gegenständlichen Fall –, manch­mal auch passende Gelegenheit hier zum Anlass genommen wird, dass Sie, sehr ge­ehrter Herr Klubobmann, Ihre Geschichte als Innenminister halt ein wenig klittern und erklären – jetzt müssen Sie sich schon selbst zitieren, um einen Beleg dafür zu haben! –,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 167

wie erfolgreich Sie als Innenminister waren. (Abg. Deimek: Sind Sie peinlich! Sie sind Jurist! – Abg. Kickl: Schauen Sie sich die Zahlen an!)

Ja, die Zahlen (Abg. Kickl: Ja, die Zahlen! ... wert, oder wie?), ja, schauen Sie sich die Zahlen an! Ich kann Ihnen nur eines sagen (Abg. Deimek: Schauen Sie einmal über Wiener Neustadt hinaus!): Schauen Sie, diese Frustrationstherapie im Rahmen der parlamentarischen Diskussion kennen wir ja schon. (Abg. Kickl: Na, ich glaube, Sie machen das ...!) Eines haben mir Ihr Redebeitrag und die Anfragebeantwortung gezeigt: Das Asyl- und Fremdenrecht und das Innenministerium insgesamt sind jetzt in besseren Händen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Heiterkeit des Abg. Deimek.)

Eines darf ich Ihnen zum Abschluss mitgeben: Ich weiß, dass Sie bei dieser Frustra­tionstherapie, die hier regelmäßig stattfindet, die Gesprächstherapie bevorzugen (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Wurm und Rauch. – Abg. Martin Graf: Das ist aber schon eine ... vom Sobotka! Sobotka, Strasser ...!), vielleicht versuchen Sie es einmal mit Ver­haltenstherapie, möglicherweise wirkt es! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


16.37.17

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Wieder wurde ein Mensch in Österreich, ein 13-jähriges Mädchen, gewaltsam und bestialisch aus dem Leben gerissen. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel. In jedem Fall gibt es Hinterbliebene – Eltern, Großeltern, andere Verwandte oder Freunde und Bekannte –, und insbesondere diesen gilt mein und unser Mitgefühl. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Wurm.)

Leider kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in Österreich immer mehr Gewalttaten stattfinden. Die Menschen in Österreich fragen sich, was da falsch läuft, und da muss etwas falsch laufen. Österreich ist ein Land, in dem eigentlich alle Vor­aus­setzungen für sozialen Frieden und ein gewaltfreies Miteinander von allen Menschen gegeben waren.

Seit einigen Jahren müssen wir jedoch erleben, dass nicht nur hier im Hohen Haus einzelne Volksvertreter und Volksvertreterinnen die Bevölkerung spalten. Das Schüren von Vorurteilen, das Herabwürdigen von Menschen, das Pauschalverurteilen: Haben wir das wirklich nötig? Ist das gut für Österreich?

Aber zurück zum Thema: Es ist schon peinlich – wenn ich auf meinen Vorredner von der ÖVP Bezug nehmen darf –, wenn unsere Regierungsspitze sofort beginnt, die Verant­wortung von einem Ressort ins andere zu schieben, so nach dem Motto: Schuld sind immer die anderen! Leider kennen wir das ja auch schon zur Genüge, seit ein türkiser Bundeskanzler mit seiner Familie Österreich regiert.

Fakt ist, dass Straftäter die volle Härte des Gesetzes zu spüren haben. Fakt ist, dass das für österreichische Staatsbürger genauso gilt wie für Menschen, die die österreichi­sche Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Und natürlich verwirken Straftäter, die sich unter dem Titel Asyl in Österreich aufhalten, ihr Bleiberecht und sind, wenn dies nach den Ge­setzen möglich ist, aus Österreich abzuschieben – so wie in jedem Land auf dieser Welt. Daran kann es keinen Zweifel geben. Ich sage hier aber auch ganz deutlich: Die Schuld den im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder im Bundesverwal­tungs­gericht oder in anderen Organisationen arbeitenden Menschen zuzuschieben ist billig! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 168

Gerade die ÖVP hat seit sehr langer Zeit stets darauf gedrängt, im öffentlichen Bereich Personal einzusparen. Dadurch sind nicht nur viele wertvolle, wichtige Arbeitsplätze weggefallen – was insbesondere junge Menschen bei der Arbeitssuche ganz besonders spüren –, sondern wir sehen leider auch immer deutlicher, dass die Arbeit mit dem noch vorhandenen Personal im öffentlichen Dienst einfach nicht mehr zu schaffen ist. Für umfassende und intensive Erhebungen und Ermittlungen fehlt die Zeit. Das Resultat ist, dass die Gesetze nicht mehr vollständig vollzogen werden können. Das Resultat ist, dass der Faktor Mensch zu kurz kommt. Genau diesen Faktor aber bräuchte es, wenn es um eine gute und effektive Verwaltung und Gerichtsbarkeit geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr menschliche Ressourcen würden mit Sicherheit dazu beitragen, dass die eine oder andere Gewalt- oder sonstige Straftat verhindert werden könnte – denn, sehr geehrte Damen und Herren, daran darf es keinen Zweifel geben: Jeder Mord ist ein bestialischer Mord. (Beifall bei der SPÖ.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.41.57

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Ich kann an das, was meine Vorrednerin gesagt hat, gleich anschließen: 2015/16 sind die Institutionen vor eine Situation gestellt worden, der sie nicht gewachsen waren. Das ist so. Der sind sie aber nicht nur personell nicht gewachsen gewesen, sondern auch strukturell nicht.

Asylverfahren sind einmal primär Verwaltungsverfahren und sind als Verwaltungs­verfah­ren von Menschen zu führen, die darin ausgebildet sind. Darin liegt der Schlüssel zum Erfolg. Wenn solche Verfahren von Menschen geführt werden, die darin wirklich ausge­bildet sind, die nicht in Schnellsiedekursen nur die notwendigsten Grundlagen des kon­kreten Verfahrens, der konkreten Verfahrensart lernen, sondern die wirklich die Prinzi­pien des Verwaltungsverfahrens lernen, dann können sie diese auch durchführen. Dann wissen sie auch, wie es funktioniert: dass man Akten, für die Fristen gelten, auf diese Fristen – wie man das nennt – kalendiert. Das bedeutet, dass man sich im Kalender einen Vormerk macht, wann in diesem Akt wieder etwas anfallen könnte, wann zum Beispiel eine Person das 18. Lebensjahr erreicht, wann zum Beispiel Fristen erreicht werden, die zur Entscheidung einzuhalten sind. Das sind Grundlagen des Verfahrens, und es ist wichtig, dass alle, die an diesen Verfahren beteiligt sind, diese Verfahrens­grundlagen auch von Grund auf lernen und somit mit den Verfahren umgehen können. Ich habe nicht erst einmal von Anwaltskolleginnen und -kollegen, die zufällig mit dieser Materie erstmals befasst waren, gehört, dass sie nicht verstanden haben, wie da mit den Verfahren umgegangen wird, weil sie aus anderen Verwaltungsbehörden anderes ge­wohnt waren. Daran müssen wir arbeiten, daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, und darum geht es. Dafür müssen die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2020 einen Überhang von 33 000 Akten – 33 000 Ak­ten, die nicht in der Zeit, in der sie bearbeitet werden sollten, bearbeitet werden konnten. 33 000 Akten – und das sind nicht Asylakten, sondern das sind 33 000 Akten, in denen es um unterschiedlichste Verwaltungsverfahren ging, an denen Parteien beteiligt sind, die auf eine Entscheidung warten, weil es so viele Verfahren gibt, die von Behörden raufgeschickt werden, die mit diesen Verfahren offensichtlich nicht zurande kommen. Das ist wirklich schade.

Es ist tatsächlich so, dass dieser Zustand unserem gesamten Rechtsstaat schadet. Wir sind als Gesellschaft, als Staat, als Gesetzgeber genauso wie als Verwaltung gefordert,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 169

diesem Missstand beizukommen. Das können wir nur, indem wir ausreichend Res­sourcen zur Verfügung stellen. Nur wenn Akten in der gebotenen Zeit entschieden werden können, dann funktioniert der Rechtsstaat. Wenn sich die Menschen darauf ver­lassen können, dass sie eine Entscheidung bekommen, wenn diese fällig ist, dann funktioniert unser Staat. Dafür können wir sorgen. Dafür können wir gemeinsam sorgen, indem wir die Behörden mit ausreichend Mitteln, mit ausreichend Personalressourcen, mit ausreichend Wissen ausstatten. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist geltendes Recht, dass nach Straftaten ein Schutzstatus abzuerkennen ist. Das ist geltendes Recht, dazu braucht man am Recht, an den Gesetzen nichts zu ändern. Das ist geltendes Recht, und das hat natürlich auch so zu bleiben – das ist klar, daran gibt es nichts zu zweifeln. Es ist aber auch geltendes Recht, dass die Frage, ob dieser Schutzstatus zu gewähren ist oder ob er abzuerkennen ist, in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu prüfen ist – ich denke, auch darin sind wir uns alle einig.

Es gibt grundsätzlich die Flüchtlingskonvention, an die wir uns alle halten, und auch daran brauchen wir nichts zu deuten. Grundsatz aber ist, dass wir Verfahren haben und dass wir Verfahren einzuhalten haben – nur dann kann unser Staat funktionieren. (Beifall bei den Grünen.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.46.48

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Frauen Bundesministerinnen! Hohes Haus! Vorweg möchte ich mich, weil das, glaube ich, noch niemand gemacht hat, auch bei Ihnen, Herr Bundesminister, und Ihrem Haus dafür bedanken, dass diese Fragen doch sehr, sehr intensiv und auch sehr klar beantwortet wurden und Sie auch weitere Antworten nachliefern werden. Dass Anfragebeantwortungen nicht optimal sind, ist ja etwas, was wir als Opposition immer wieder auch bemängeln; ich glaube daher, auch das muss man in diesem Zusammen­hang erwähnen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Nichtsdestotrotz muss ich in diesem Zusammenhang schon auch klar sagen, dass wir gerade im Bereich Asyl über die letzten Jahre eine Entwicklung haben, die ich als äußerst wenig positiv erachte. Wir sehen, dass wir immer stärker in eine Inszenierungs­politik anstatt in eine Lösungspolitik gehen. Es gibt sehr wenige, die noch über inhaltliche Lösungsvorschläge, die uns wirklich langfristig weiterbringen würden, diskutieren beziehungsweise diese auch umsetzen. Daran scheitert es sehr oft. Wir befinden uns leider sehr, sehr oft in Debatten, in denen es rein um Inszenierung, um politisches Kalkül geht, aber nicht darum, wirklich Schritte vorwärts zu machen. Bezeichnend finde ich da – Kollege Scherak hat es, glaube ich, vorhin auch schon angesprochen – dieses Match Kickl gegen Nehammer, das wir hier bei diesen Debatten immer wieder erleben und in dem man einander dann persönlich Dinge ausrichtet. Da hört man dann Worte oder Sätze wie: Du hast es ja nicht umgesetzt, du hättest es machen können!, und das in beide Richtungen und die ganze Zeit hindurch.

Das bringt uns in den Fragen, um die es geht, halt genau keinen Millimeter weiter. Das bringt uns keinen Zentimeter weiter zu Lösungen, die wir dringend brauchen würden und die uns auch unsere aktuelle Rechtslage durchaus zur Verfügung stellt.

Vorhin hat Herr Abgeordneter Stocker darüber gesprochen, wie das im Jänner war und dass man diesbezüglich Vorwürfe macht. Aber das Beispiel im Jänner rund um die 12-jährige Tina zeigt ja wie kaum ein anderes, wo das Problem liegt: Wir hatten damals einen Innenminister – und es ist jetzt egal, ob das, wie in diesem Fall, Innenminister


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 170

Nehammer ist, sein Vorgänger als Innenminister, Kickl, oder andere, wir haben das über die letzten Jahre immer wieder im gleichen Setting erlebt –, der im Fernsehen ange­kündigt hat, dass in der kommenden Nacht abgeschoben wird. Dann hatten wir Medien­berichte vor Ort, Demonstrationen vor Ort, eine unglaubliche Inszenierung rund um eine Familie, die sehr gut integriert war, deren Kinder Deutsch gesprochen haben, teilweise hier geboren wurden, hier in die Schule gegangen sind und die abgeschoben wurden. Das Ganze wird eiskalt durchgezogen, rein um damit politischen Erfolg zu erlangen. Das finde ich schäbig, das muss ich hier schon offen und ehrlich sagen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Gödl: Das ist der Rechtsstaat! Rechtsstaat!)

Man hat fast das Gefühl, dass es da oft um Ablenkungsmanöver geht, Ablenkungs­ma­növer, wenn es in der Bundesregierung – und wie gesagt, das kann man über die letzten Jahre austauschen, egal in welcher Konstellation – nicht gut funktioniert, aber eben nicht um das, was uns beschäftigen müsste, nämlich: Wie können wir dafür sorgen, dass Menschen, die in unserer liberalen, wehrhaften Demokratie integriert sind, die hier ihren Beitrag leisten, die hier mit uns gemeinsam leben, diese liberale Demokratie auch hoch­leben lassen, dass diese Integrierten hierbleiben können, wo das auch möglich ist, und auf der anderen Seite diejenigen, die das nicht einhalten, wie wir es jetzt auch im aktu­ellen Fall sehen, diejenigen, die sich gegen diese liberale Demokratie wehren, die mehr­fach verurteilt sind, auch möglichst schnell und natürlich allen rechtlichen Gegeben­heiten entsprechend abgeschoben werden können? Genau daran sollten wir arbeiten, weil das genau eines der Grundprobleme ist, die wir aus meiner Sicht haben: dass wir einfach nicht schnell genug arbeiten.

Da muss man schon alle Regierungen – auch da wieder: unabhängig davon, wer in der Regierung war – in die Pflicht nehmen, weil durch diese Instrumentalisierung, die wir über die letzten Jahre erlebt haben, wichtige Maßnahmen nicht getroffen wurden. Da geht es um die schnelleren Verfahren – Frau Kollegin Prammer hat vorhin ange­sprochen, dass es notwendig wäre, da viel schneller zu arbeiten, dass es da einen Aktenrückstau gibt. Das wird ja auch immer wieder aufgezeigt. Wir haben gesehen, dass gerade in der Justiz Personal fehlt. Über die letzten Jahre hinweg haben wir diese Dinge nicht ein­facher gemacht, und da müssen wir uns an der Nase nehmen und da müssen sich insbe­sondere die Verantwortungsträger der letzten Jahre an der Nase nehmen, weil wir anfan­gen müssen, schneller zu werden, um solche Dinge zu verhindern.

Ich glaube, gerade in einem so heiklen Bereich wie dem Asylbereich ist es dringend notwendig, endlich die Stopptaste bei der Showpolitik zu drücken. Wir müssen raus aus dieser Show! Es geht da um Menschen, und es geht natürlich auch um den Rechtsstaat. Es geht darum, dass wir denen, die die liberale Demokratie achten, die unsere Gesell­schaftsformen anerkennen, die sich hier gut integriert haben, die Möglichkeit geben, sich auch hier zu entfalten, die Chance zu nutzen, die sie hier bekommen, und die, die es nicht tun, die die Gesellschaft, die liberale Demokratie mit Füßen treten, die verurteilt sind, auch möglichst rasch abschieben und damit mehr Sicherheit in unserem Land gewährleisten. (Beifall bei den NEOS.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


16.52.31

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ja, wir alle sind betroffen. Das hat nichts mit Wut oder mit Hass zu tun, aber es ist ein Entsetzen darüber, wie hier reagiert wird, wie das offizielle Österreich reagiert. Das macht wütend, und das ver­ur­sacht in Wahrheit Entsetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 171

Ich bin selbst Mutter einer Tochter, Sie, Herr Minister, haben gesagt, Sie haben eine Tochter, wir alle haben Kinder zu Hause. Wir wollen uns auch nicht vorstellen, was die Eltern durchmachen müssen, und wir wollen uns noch weniger vorstellen, was dieses Mädchen in seinen letzten Lebensstunden durchmachen musste, meine Damen und Herren.

Herr Bundesminister, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie haben gesagt, es ist vollkommen egal, woher die Täter sind. – Nein, Herr Bundesminister, das ist es eben nicht, denn man kann nur dann auch wirklich eingreifen, wenn man weiß, aus welchen archaischen Strukturen, aus welchen archaischen Gesellschaften diese Täter kommen, und gerade in Afghanistan – es ist ja auch kein Zufall, dass sie überproportional häufig einschlägig kriminell werden – ist der Wert von Frauen bei null. 90 Prozent aller afgha­nischen Frauen erleben Gewalt, erleben sexuellen Missbrauch, und in Afghanistan sind Gewalt gegen Frauen, häusliche Gewalt, Verstümmelungen, Schläge, Ermordungen, Zwangsverheiratungen, frühes Heiraten, Verheiratung, um Konflikte zu lösen, an der Tagesordnung. Das muss man schon auch in eine Bewertung mit hineingeben, denn sonst werden Sie niemals etwas verhindern können. Da passt es einfach nicht, dass Sie sich hierherstellen und sagen: Es ist egal, woher die Täter kommen. – Nein, Herr Minister, das ist es nicht.

Dann haben Sie sich dafür gelobt, was Sie alles Großartiges geleistet haben. – Herr Bundesminister, ich möchte Sie in das Jahr 2020 zurückführen. Da hat Österreich den höchsten Anteil an illegalen Asylwerbern in der gesamten EU gehabt – den allerhöchsten Anteil! –, im Übrigen auch mehr als die gesamte USA.

Herr Bundesminister, Sie machen mit Ihrer Politik eine Einladungspolitik (Beifall bei der FPÖ), und ich verstehe einfach nicht, wie Sie sich hierherstellen und erklären können, was Sie alles in der EU gemacht haben. Wissen Sie, während Sie hier sagen, dass die FPÖ instrumentalisiert, hat der Bundeskanzler ein Interview in der „Kronen Zeitung“ gegeben, in dem er gesagt hat: Nein, das ist keine Instrumentalisierung, und die NGOs betreiben eine Täter-Opfer-Umkehr.

Wissen Sie, und jetzt bin ich schon beim ersten Problem: bei den NGOs. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum diese Verfahren permanent verlängert werden: weil die NGOs hergehen und die Leute beraten und beraten und beraten – weil die NGOs auch daran verdienen, und noch ganz speziell an sogenannten Minderjährigen. Warum sage ich sogenannte Minderjährige? – Weil natürlich auch der 18-Jährige wieder das Geburts­datum 1.1. hatte, weil diese Minderjährigen alle am 1.1. geboren sind, weil sie sich jünger machen. Wir wissen, es wird nirgends so viel gelogen wie bei der Altersangabe.

Für die NGOs ist das ein äußerst lukratives Geschenk: Sie bekommen dann für jeden Minderjährigen 3 000 Euro im Monat für die spezielle psychologische Betreuung. Da frage ich mich: Wo war die spezielle psychologische Betreuung bei diesen Herrschaften? Da haben die NGOs auch kläglich versagt!

Daher ist eines notwendig: Kehren Sie auf den Weg zurück, den wir bis 2019 gegangen sind! Schmeißen Sie die NGOs endlich hinaus und heben Sie die Rechtsberatung auf eine staatliche Ebene! Gründen Sie eine staatliche Agentur, die das tut! (Beifall bei der FPÖ.) Das war nämlich damals schon durch, aber die ÖVP hat nichts Besseres zu tun gehabt, als die NGOs wieder hereinzuholen, und die sind die Verursacher dieses Problems.

Das hat man übrigens auch bei den Mädchen gesehen, die Sie abgeschoben haben. Herr Minister, wenn Sie sagen: Ich bin dafür kritisiert worden, dass ich die abgeschoben habe!, antworte ich: Es war die Art und Weise. Sie haben sich als der starke Held gerieren wollen, der die zwölfjährigen Schulmädchen abschiebt. Sie sind in eine Fern­sehsendung gegangen und haben gesagt: Heute in der Nacht, um 2 Uhr in der Früh,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 172

schieben wir ab!, damit alle Medien dort sind. (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Dann sind Sie mit dem Polizeiauto mit den offenen Fenstern gekommen. Sie hätten auch geschlossene nehmen können, aber nein, mit den offenen - - (Abg. Taschner: ... falsch, Frau Kollegin!) – Warum schreien Sie eigentlich so herein? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Melden Sie sich zu Wort! (Abg. Taschner: Weil das falsch ist!) – Nein, das ist nicht falsch.

Sie glauben ja wirklich, Sie können die Leute an der Nase herumführen. Das ist ja eigentlich ungeheuerlich, was diese ÖVP hier treibt. Das ist ein perfides Doppelspiel. In der EU lassen Sie sich dann auf die Schulter klopfen, wie großartig Sie sind, wie supertoll Sie nicht beim Migrationspakt mitstimmen. Sie werden nichts tun, wofür Sie in der EU Kritik ernten könnten. Das ist das Problem, das Sie haben, und das ist letztlich auch der Grund für den Frust, den Sie haben (Beifall bei der FPÖ): weil Sie das genau wissen.

Sie haben auch keinen Koalitionspartner, der in der EU für Sie kämpfen würde. Den haben Sie auch nicht mehr, daher kriegen Sie dort nichts weiter. Sie selbst sind zu feig (Zwischenruf bei der ÖVP), denn Sie kommen vom Reden auch nicht ins Tun. (Abg. Taschner: Feig?) – Ja! Ja, der Herr Minister ist feig. Er ist zu feige, sich hinzustellen und jetzt auch Maßnahmen zu verkünden.

Dieses Mädchen wurde vor zehn Tagen ermordet, und seit zehn Tagen hat das offizielle Österreich nichts anderes zu tun gehabt, als sich die Schuld gegenseitig hin- und her­zuspielen, Innenressort gegen Justizressort. Wenn Sie sich nicht zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung für die Zukunft finden können (Zwischenruf des Abg. Lausch), damit wir eben keinen Mord mehr erleben, dann sagen Sie, dass Sie nicht miteinander können, und wir gehen in Neuwahlen, aber dieses Trauerspiel, das muss ein Ende haben! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Salzmann: ... Schwarz-Weiß-Malerei!)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jachs. – Das Wort steht bei Ihnen.


16.58.03

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Als Mutter gilt mein tiefes Mitgefühl selbstverständlich der Familie von Leonie. Meine Gedanken sind auch deswegen bei der Familie, weil ich bei der Debatte gut zugehört habe und mir auch aufgrund des Redebeitrags meiner Vorrednerin jetzt schon die Frage stellen muss, ob in dieser Diskussion wirklich von jedem Redner, von jeder Rednerin angebrachte Töne angeschlagen wurden.

In den letzten Tagen hat medial eine Täter-Opfer-Umkehr-Diskussion stattgefunden, das ist total unangebracht. Total unangebracht ist es aber auch, dass wir hier herinnen, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln, immer wieder Diskussionen über Schuldfragen führen, denn ich halte ganz, ganz klar fest – und das unterstreiche ich mit aller Deut­lichkeit –: Schuld sind einzig und allein die Täter. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: ... Täter!)

Ich verstehe aber selbstverständlich alle, die ob dieser Tat wütend sind, und – ich hätte es mir nicht gedacht, aber es ist so – ich verstehe auch Sie, Herr Kollege Kickl, dass Sie wütend und betroffen sind. Vor ein paar Stunden haben aber Kollegen Ihrer Fraktion noch von staatspolitischer Verantwortung gesprochen, und ich glaube, es liegt auch in Ihrer staatspolitischen Verantwortung, dass wir die Diskussion der Asyl- und Migra­tions­frage auf einer sachlichen Ebene führen. Das sei gerade Ihnen ins Stammbuch ge­schrieben, denn Sie als Rumpelstilzchen der österreichischen Innenpolitik führen ja gerne einmal Diskussionen (Abg. Belakowitsch: Was soll denn das? – Zwischenruf des


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 173

Abg. Deimek), die auf sehr emotionaler Ebene – oder eher unterirdischer Ebene – ge­führt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich lade Sie also ein: Machen wir einen Schritt zurück auf die Sachebene und schauen wir uns die Situation noch einmal an! Österreich ist ein vielfältiger Staat. Unsere Tole­ranz, unsere Verfassung, unser Rechtsstaat, das Leben der Menschen in diesem Land, das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Zwischenruf des Abg. Deimek) – das alles sind Grundwerte, die es zu verteidigen gilt. Die müssen wir respektieren, und wir müssen auch respektieren – und all jene, die in unser Land kommen, müssen das respektieren –, dass bei uns Männer und Frauen gleichberechtigt sind. (Abg. Belakowitsch: Die können es nicht respektieren!) Alle, die diese Werte nicht respektieren, müssen auch damit rech­nen, konsequent in ihre Herkunftsländer abgeschoben zu werden.

Es freut mich, dass heute ein mehr oder weniger einheitliches Bekenntnis dazu abge­geben wurde, dass wir gemeinsam etwas dafür tun müssen, dass straffällig gewordene AsylwerberInnen rasch in ihre Heimatländer zurückgebracht werden können. Was mich dann aber ein bisschen stutzig macht – und das muss ich jetzt auch einmal an die SPÖ adressieren –, ist, dass ein Parteitagsbeschluss herbeigeführt wurde, bei dem es darum geht, dass es einen Abschiebestopp nach Afghanistan geben soll, und dann Kollege Einwallner hier am Rednerpult steht und irgendwie etwas ganz anderes erzählt. Das ist ein bisschen eine Janusköpfigkeit, über die wir vielleicht in dieser Debatte auch noch einmal sprechen sollten. (Beifall bei der ÖVP. – Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Für uns ist klar, dass wir auf europäischer Ebene etwas tun müssen. Wir haben da den Zugang, dass wir rasche Lösungen brauchen. Als Volkspartei werden wir unsere Linie auch konsequent umsetzen. Herr Kollege Kickl, jetzt bin ich wieder bei Ihnen: Ich be­danke mich – was jetzt im Zuge dieser Debatte vielleicht ein bisschen eigenartig erscheint – wirklich bei Ihnen, dass Sie unserem Herrn Innenminister in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit geben, unsere Linie und unsere Position so klarzumachen (Ruf bei der FPÖ: Wenn er selber nichts sagt!), dass der Vergleich eindeutig sicher macht und Ihre Schreckschüsse in der Unendlichkeit verhallen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Deimek: ... Ordnungsruf, oder darf Rapunzel das ungestraft sagen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


17.02.25

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema der heutigen Dringlichen Anfrage ist das Versagen der ÖVP in der Asylpolitik.

Ich möchte mit einem konkreten Fall beginnen. Ende letzter Woche: Ein rechtskräftig Verurteilter ist in Schubhaft, er soll nach Nordafrika in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Das Urteil zur Abschiebung liegt vor. Der Abschiebecharterflieger ist bestellt, die Flugkarte gebucht, das Flugzeug steht bereit. Der Abzuschiebende verweigert den PCR-Test und bleibt in Österreich – das versteht niemand in diesem Land. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja, genau! – Abg. Sieber: Ihr seid für einen Abschiebestopp! – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Ich glaube, dass man da von einem Versagen – Sie brauchen sich gar nicht aufzu­regen! – sprechen kann, das ist ein Versagen in der Asylpolitik. (Abg. Sieber: Sie haben den Abschiebestopp beschlossen! – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Konkret: Ganz Österreich ist vom gewaltsamen Tod der 13-jährigen Leonie betroffen. Es ist eine menschliche Tragödie. Ich denke, dieser Fall kann und darf nicht parteipolitisch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 174

missbraucht werden, aber die Fragen sind: Hat der gewaltsame Tod von Leonie etwas mit Politik zu tun? Hat der tragische Fall etwas mit der Nichtabschiebung eines gefähr­lichen Verdächtigen zu tun? Gibt es da ein Versagen der Behörden und der Politik? – Diese Fragen müssen gestellt werden.

Nun komme ich zu einem der Tatverdächtigen, zum 18-jährigen Tatverdächtigen, Fa­milienname A.: negativer Asylbescheid, 2016 erhielt er den Schutz für Minderjährige, mehrfach straffällig, mehrfach rechtskräftig verurteilt, im Oktober 2019 wurde der subsi­diäre Schutz aberkannt, im November wurde dagegen Beschwerde eingebracht. Seither ist das letztinstanzliche Urteil ausständig. Das Bundesverwaltungsgericht sollte inner­halb von drei Monaten entscheiden – hätte eigentlich entscheiden müssen. Das wäre im Februar 2020 gewesen – heute ist Juli 2021, über eineinhalb Jahre wurde nicht ent­schieden.

Dazu muss man sagen: Das ist nicht einfach nur die Schuld der Richter oder des Per­sonals. Die Personalsituation im Bundesverwaltungsgericht ist katastrophal, die Raum­situation ist katastrophal – unterbesetzt, unterbezahlt, besonders die B- und C-Beamten. Auch im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gibt es eine ganz, ganz schwierige Situation. Ist in dieser Situation die Justiz ein Thema für den Bundeskanzler? – Ja, die Justiz ist ein Thema für den Bundeskanzler, aber in eigener Sache: in seiner Sache wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss. (Abg. Taschner: Das ist aber schon ...! – Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Der Bundeskanzler greift die unab­hängige Justiz an, statt sich hinter die Justiz zu stellen und vom Finanzminister mehr Mittel für die unabhängige Justiz zu fordern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Taschner: Ihrer Logik zu folgen ...!)

Die SPÖ fordert von Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass er die unabhängige Justiz arbeiten lassen soll und dass mehr Personal für die zuständigen Bundesgerichte zur Verfügung gestellt wird, damit dieser Berg von 14 000 Asylverfahren endlich abgebaut wird.

Ganz konkret: Selbst der vorbestrafte Terrorist vom 2. November ist ein Fall, in dem die Behörden versagt haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich kann nur sagen: Die bösen Buben bleiben im Land – wer nicht im Land bleiben darf, sind brave Mädchen. Das ist zum Beispiel Tina. Tina war eine Schülerin am Wiener Gymnasium Stubenbastei. Tina ist zwölf Jahre alt. Tina ist ein braves und bestens integriertes Mädchen. Tina und ihre Schwester Lea, vier Jahre alt, wurden mit ihrer Familie abgeschoben. (Abg. Taschner: Aber rechtskonform sollen wir schon sein, Herr Kollege, gell?) – Ja, da schreien Sie dazwischen, aber da geht es um eine menschliche Tragödie. Wenn das wirklich Ihr Kommentar zu dieser menschlichen Tragödie ist, ist der Kommentar überflüs­sig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Ebenso Sona aus Armenien, eine Schülerin der Höheren Bundeslehranstalt: Sona ist eine freundliche und bestens integrierte Schülerin – perfektes Deutsch, keine Vorstrafen, kein Delikt, gar nichts. Katharina A. sagt es: freundlich, „bestens integriert“. – Sona wird aus ihrer Klasse 4HSC abgeschoben.

Während im Coronalockdown die Abschiebungen massiv reduziert wurden, sind Tina, Lea und Sona abgeschoben worden, in einem massiven, martialischen Polizeieinsatz mit Hundestaffeln. Das ist mit Menschenrechten nicht vereinbar. Die ÖVP ist nicht mehr christlich, die ÖVP ist nicht mehr sozial – die ÖVP ist einfach nur mehr türkis. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Herr Bundesminister, Sie haben vom Schutz der Außengrenzen Europas gesprochen – ich bin bei Ihnen. Herr Bundesminister, Sie haben die Asylzentren angesprochen – ich bin auch in diesem Fall bei Ihnen. Österreich hatte aber die EU-Ratspräsidentschaft inne. Was ist während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft geschehen? –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 175

Bundeskanzler Kurz hat keine Initiativen zum Thema Schutz der Außengrenzen Europas gesetzt. Diese Gelegenheit wurde verschlafen, die Chancen vertan.

Fazit der ÖVP-Asylpolitik: Die bösen Buben bleiben im Land, die braven Mädchen werden abgeschoben. Das ist weder wirksam noch human. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Brandstötter.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.


17.09.01

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind schon heute in der Früh Zeuginnen und Zeugen eines sehr pietät­losen Schauspiels geworden. In der Hauptrolle haben wir den Klubobmann der Frei­heitlichen, Herbert Kickl, gesehen.

Was diese Ouvertüre in der Früh schon hat erahnen oder eigentlich eher befürchten lassen, hat uns die Dringliche Anfrage der FPÖ noch einmal bestätigt. Der Titel des Schauspiels, dem wir gerade beiwohnen, lautet: rassistische Instrumentalisierung von Frauen- und Mädchenmorden. In der Hauptrolle erleben wir erneut den Klubobmann der Freiheitlichen, Kickl. Dieses Schauspiel ist widerlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Machen Sie weiter so! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es ist widerlich, Herr Kickl, wie Sie versuchen, aus einem furchtbaren Mord an einer 13-Jährigen politisches Kleingeld zu schlagen (Abg. Belakowitsch: ... Afghanen ..., das ist bekannt!), es ist widerlich, wie Sie versuchen, mit einem Mord Hass zu schüren, es ist widerlich und schäbig und sonst nichts. (Abg. Martin Graf: Ein bissel mehr Emotion, dann wird es glaubhafter, das nicht so ...!) – Ich höre Sie nicht, ich kann Sie nicht verstehen. Ich glaube, obwohl ich fünf Sprachen spreche, kann ich nicht verstehen, was Sie mir hier entgegenbrüllen. Ich weiß nicht, wieso das so ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Das heißt nicht, dass Sie was zu sagen haben!) – Ich habe sicher mehr zu sagen als Sie, das werden Sie gleich hören.

Es ist leicht, zu durchschauen, was Sie hier machen. Wieso? – Der Mord an der 13-jährigen Leonie ist laut Statistik des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser der 15. Frauen- beziehungsweise Mädchenmord, den wir heuer in Österreich leider schon erleben mussten. (Abg. Belakowitsch: Der ist aber ein bissl anders wie die anderen! ...!) 14 getötete Frauen waren Ihnen, Herr Kickl, keine einzige Wortmeldung wert – nichts, kein Mucks, kein Pieps, nichts, ganz zu schweigen von einer Dringlichen Anfrage, keine einzige Reaktion. 14 Morde – nichts! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Dann ist die Ermordung von Leonie bekannt geworden – keine Reaktion von Herrn Kickl, nichts, das große Schweigen, nichts, nichts, nichts. (Abg. Kickl: Zuerst muss man vielleicht wissen, was los ist!) Am 23.6. ist bekannt geworden, dass die 13-jährige Leonie von PassantInnen tot aufgefunden worden ist. Zwei Tage lang hat es von Ihnen genau nichts gegeben, nichts, nichts, nichts, Herr Kickl, und auch von sonst keinem hochrangigen Vertreter der FPÖ. Wann haben Sie denn zum ersten Mal reagiert? Wissen Sie das? (Abg. Kickl: Wissen Sie, was da im Hintergrund gelaufen ist? Sie haben ja keine Ahnung! Sie haben keine Ahnung ...!) Wissen Sie, wann Sie zum ersten Mal reagiert haben? Wann haben Sie zum ersten Mal reagiert, Herr Kickl? – Zwei Tage nach Bekanntwerden der Ermordung! Wieso haben Sie erst nach zwei Tagen reagiert? – Ich sage es Ihnen: Weil erst dann bekannt wurde, dass es sich bei den Tatverdächtigen um afghanische Staatsbürger handelt. Erst nachdem diese Info bekannt geworden ist,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 176

haben Sie öffentlich reagiert. Es ist so durchschaubar, was Sie hier machen! (Abg. Kickl: Sie haben es notwendig! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Danach haben Sie Ihre ganze spalterische Hetzmaschinerie, Ihr ganzes rassistisches Feuerwerk gezündet, und seither machen Sie genau eines: Sie benutzen diesen Mord und Sie instrumentalisieren ihn für eine Asyldebatte, und das ist letztklassig! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Sie lenken damit vom eigentlichen Problem ab (Zwischenruf des Abg. Deimek), und darauf weisen heute die Asylkoordination Österreich, der Verein Autonome Österreichi­sche Frauenhäuser und auch Zara – Zivilcourage und Antirassismusarbeit – in einer gemeinsamen Erklärung, die hier schon genannt worden ist und die von 30 NGOs unter­stützt wird, hin. (Abg. Kickl: Da habe ich das erste Mal Mitleid mit der ÖVP! – Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.) Das eigentliche Problem, über das wir reden sollten, ist die hohe Zahl der Frauenmorde in unserem Land, ist das hohe Ausmaß an Gewalt gegen Frauen in Österreich. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Land der Priklopils, der Fritzls und der Bier­wirte ist Männergewalt gegen Frauen kein importiertes Problem, genauso wenig wie Frauenmorde kulturell bedingt sind. Das wissen Sie (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Kickl: Na ja!), und trotzdem instrumentalisieren Sie den Tod eines 13-jährigen Mädchens für Ihre menschenverachtende, rassistische, politische Agenda, und das ist pietätlos. Schämen Sie sich! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.


17.12.48

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Innenminister! An meine geschätzte Vorrednerin: Frau Kollegin, ein Mord ist kein Schauspiel (Abg. Disoski: Nein! Nein!), ein Mord ist keine Statistik oder Ähn­liches. Und eines ist das Schändlichste: Sie kommen hier heraus und kritisieren die Opposition, obwohl viele in Österreich das Gefühl haben, nicht mehr sicher leben zu können, und Sie in der Regierung sitzen und diesen Umstand endlich ausräumen sollten! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Wir kritisieren euer lächerliches Schau­spiel!)

Herr Innenminister, wir debattieren heute Verfehlungen und Missstände in der Asyl­politik, und wenn Sie dann in Ihrem Redebeitrag sagen – das haben Sie auf sich selbst bezogen –: Unsere Aufgabe ist es, diesen Mord aufzuklären!, dann muss ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Nein, das ist nicht Ihre Aufgabe! Das ist nicht die Aufgabe der Politik, das ist die Aufgabe der Polizei, und dieser Polizei vertrauen wir auch. Ihre Auf­gabe ist eine andere. Ihre Aufgabe wäre es, als Politiker Rahmenbedingungen zu schaffen, damit keine Mörder mehr ins Land kommen und ins Land geholt und importiert werden, und dafür Sorge zu tragen, dass solche Morde gar nicht passieren, wenn es möglich ist – und nicht, im Nachhinein aufzuklären. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lausch: Genau!)

Herr Innenminister, was ist denn mit dem vierten Tatverdächtigen? Was ist denn, wenn der jetzt wieder jemanden umbringt? Das wäre es: diese Sicherheitslage zu verbessern, dass die sich nicht auf freiem Fuß befinden, wenn sie straffällig geworden sind – und nicht, im Nachhinein einen Mord aufzuklären. Sie sind kein Polizist, Herr Innenminister – die Polizisten leisten großartige Arbeit –, Sie sind ein Innenminister, der eine klare Aufgabe hat: Verbesserungen herbeizuführen, damit die Sicherheit in diesem Land wie­der steigt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 177

Eines aber muss man Ihnen lassen, das nehme ich Ihnen im Zusammenhang mit Ihrer Rede ab, das haben Sie glaubhaft ausgesprochen und vermittelt, nämlich dass Sie völlig ratlos sind, Herr Minister. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Problem, mit dem wir es jetzt zu tun haben, Frau Kollegin, das ist nicht Rassismus oder das freie Wort hier heraußen oder das ausgesprochene Wort. Das Problem ist, dass einer der Täter zum Beispiel 2015 ins Land gekommen ist. Wir alle wissen, dass es ÖVP-Kanzler Kurz war, der als zuständiger Integrationsminister kurz zuvor, 2014, gesagt hat: Wir brauchen mehr Willkommenspolitik! – Sie haben diesen Zuwanderern, unter denen sich auch viele Gewalt- und Straftäter befinden, den roten Teppich aus­gerollt, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile befinden wir uns in einer Art Notstand in unserem Land, einem Notstand, in dem sich auf der einen Seite Frauen oder Mädchen am Abend teilweise nicht mehr frei und sicher durch unsere Gassen zu gehen trauen, und auf der anderen Seite ist die Bundesregierung, die nichts tut außer zu beschwichtigen, anzukündigen, runde Tische abzuhalten und Showpolitik zu leben, sehr geehrte Damen und Herren – aber das ist zu wenig! (Beifall bei der FPÖ.)

Damit wir aus diesem Notstand herauskommen, müssen wir vom Notstandsmodus in den Notwehrmodus wechseln, sehr geehrte Damen und Herren. Unsere Frauen und Mädchen haben nichts davon, wenn Sie sich gegenseitig zwischen Schwarz und Grün die Schuld zuschieben, die haben nichts davon, wenn Sie sich auf internationale Ver­träge ausreden. Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Auch wir als Freiheitliche respektieren internationale Verträge (Abg. Prammer: Seit wann?), nur ist uns der Schutz und das Leben unserer Frauen und Kinder wichtiger als jeder inter­nationale Vertrag. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann müssen wir halt auch einmal ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren, wie es das auf anderen Ebenen und bei anderen Themen auch gibt. Die Weltkugel wird sich weiterdrehen, sehr geehrte Damen und Herren, aber wenn unsere Frauen und Kinder geschützt sind, dann ist es das auf alle Fälle wert. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Kollegin Jachs, der Job Ihres Innenministers ist es auch nicht, seine Linie zu präsentieren. Der Job Ihres Innenministers ist es, zu handeln. So einfach ist das, und das ist es, was die Bevölkerung erwartet. Wir müssen aus dieser Spirale ausbrechen, in der Sie als Innenminister Straffällige nicht abschieben, weil das Innenministerium sagt: Wenn die keinen freiwilligen Coronatest machen, na dann können sie im Land bleiben und werden sogar in die Freiheit entlassen!, während es bei den Österreichern ganz anders ausschaut, und gleichzeitig kommen mehr ins Land herein, als abgeschoben werden. Sehr geehrte Damen und Herren, das Problem wird derzeit größer, nicht kleiner, das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau da müssen wir ansetzen. Herr Innenminister, hören Sie auf, sich von straffälligen Asylanten auf der Nase herumtanzen zu lassen! Die Menschen in diesem Land erwarten sich einen Innenminister, der Stärke zeigt, der entschlossen durchgreift und handelt, der die Bevölkerung schützt, und nicht einen Innenminister, mit dem straffällige Asylanten Schlitten fahren, wenn ich das so salopp formulieren darf. Sie müssen ja nur umdenken: Sichern Sie die Grenzen gegen Straffällige und nicht gegen Urlauber! Verfolgen Sie Straffällige anstatt rechtschaffene Bürger, hören Sie auf zu reden und beginnen Sie endlich, zu handeln! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines sage ich Ihnen auch, Kollegen von den Grünen, mit denen Sie in der Regierung sitzen: Hören wir mit dieser Zuwanderungsromantik auf und damit, zu glauben, Öster­reich müsse die ganze Welt retten! Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wer halb Kabul aufnimmt, der rettet nicht Kabul, sondern der riskiert in Österreich Zustände wie in Kabul! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 178

Abschließend: Wir müssen eine klare Botschaft senden. Die heißt: Straffällige Asylanten werden nicht geduldet, sondern abgeschoben, und neue brauchen sich gar nicht auf den Weg zu machen. Die Botschaft muss lauten und auch umgesetzt werden: Versucht es erst gar nicht, wir sind eine Festung, die Grenzen sind dicht! Österreich ist kein Schla­raffenland und wir lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen! Und das Wichtigste, sehr geehrte Damen und Herren: Niemand, aber auch gar niemand, vergreift sich an unseren Frauen und Kindern, sonst setzt sich Österreich zur Wehr! (Beifall bei der FPÖ.)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Hörl in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Schnedlitz. – Abg. Lausch – in Richtung Abg. Hörl –: Hallo! Hallo! Das freie Wort! Unde­mokrat!)


17.19.29

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Sehr geehrte Mitglieder der Bundes­regie­rung! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es herrscht in der Tat ein gewisser Notstand, und zwar ein Qualitätsnotstand in der politischen De­batte. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dort, meine Damen und Herren, wo wir gemeinsam an einem durchaus kniffligen Prob­lem arbeiten sollten, versuchen wieder Einzelne, auszureißen. Kollege Schnedlitz ver­sucht, das Trauma seines Bundesparteiobmanns als ehemaliger Innenminister zu lösen, die Abschiebestopppartei SPÖ stellt sich hierher und wirft uns vor, dass nicht genug abgeschoben worden ist. Man weiß ja bei all diesen Dingen, die da zirkulieren, wirklich nicht mehr, wer wofür ist und wohin man schauen soll. (Abg. Stefan: Wie ist das mit den Coronatests?)

Wir führen wieder einmal eine Debatte anlassbezogen, die betroffen macht, und Kollege Bürstmayr hat mit der Stimme der Vernunft einen Punkt getroffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Wir führen die Debatte völlig falsch, weil das Kind vielleicht noch nicht unter der Erde ist und bei Weitem noch nicht geklärt ist, was wirklich passiert ist, aber wir bereits zu Gericht sitzen. (Abg. Lausch: Na bravo!) Wir veranstalten hier bereits ein politisches Scherbengericht und weisen den Mitgliedern der Bundes­regierung Schuld für diese entsetzliche Tat zu. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, was Ihnen da eingefallen ist und wieso Sie diesen Innenminister quasi als Verbrecher an die Wand nageln. Ich bin zutiefst entsetzt über das Niveau und die Qualität Ihrer Diskussionsbeiträge. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Es ist unzweifelhaft, meine Damen und Herren, wir sind in der Politik gemeinsam in der Ziehung, wir müssen auch mit der Stimme der Vernunft, sage ich dazu, feststellen, dass in der Migration selbstverständlich etwas schiefgelaufen ist, aber nicht jetzt unter Türkis-Grün und auch nicht allein unter Türkis-Blau, sondern bereits über Jahre davor. (Abg. Stefan: Unter Rot-Schwarz!) Wir müssen uns mit der Stimme der Vernunft zuge­stehen - - (Abg. Lausch: 30 Jahre Innenminister! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe Kollegen von der Freiheitlichen Partei, vielleicht können Sie mir noch kurz zuhören, 1,5 Minuten noch, dann können Sie so laut schreien, wie Sie wollen!

Meine Damen und Herren, wir haben sehr wohl das Problem, wir haben mit der Flücht­lingswelle auch eine Kultur hereingelassen - - (Abg. Lausch: Lauter Stehsätze! – Abg. Kassegger: Wer ist „wir“? – Abg. Belakowitsch: Die ÖVP, ja! – Abg. Michael Hammer – in Richtung FPÖ –: Ihr habt gar nichts getan!) Wir alle in der Politik haben seinerzeit eine Kultur hereingelassen (Abg. Kickl: Nicht wir alle!), die unter Frauen etwas anderes


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 179

versteht, nicht gleichwertige, ebenbürtige Menschen. Das zeigt eine ganze Reihe von Fällen, und jeder einzelne ist schrecklich genug.

Ungeachtet dessen haben die österreichischen Behörden – ganz egal, unter welcher Farbe, unter welchem Minister – immer alles versucht, um solche Dinge, wie sie hier passieren, zu verhindern. Es ist kein einziger Beamter, an dem man sich abputzen muss, es ist kein einziger Richter, an dem man sich abputzen muss, wir werden Gesetze schaffen können oder müssen, wir werden über einige nachdenken müssen (Abg. Belakowitsch: Wann?), ohne dass wir zu 100 Prozent sicher sein werden, ein Ver­brechen dieser oder anderer Art verhindern zu können.

Das muss uns immer klar sein: Wir sind unvollkommen, wir können nur einen Rechts­staat schaffen, aber der Rechtsstaat kann nur im Nachhinein beurteilen. Er kann ver­walten und abschieben, aber er kann nur im Nachhinein beurteilen, ob eine Tat passiert ist oder nicht, er wird sie nie verhindern können. (Abg. Kickl: Das ist ein großer Trost!)

Ja, meine Damen und Herren, es mag sein, dass wir uns mit Usancen unserer Gesetz­gebung da oder dort auch anlegen müssen, dass wir vielleicht das eine oder andere Mal das Thema der aufschiebenden Wirkung so behandeln müssen, dass wir mit überge­ordneten Rechtsinstrumenten in Konflikt kommen. Es kann sein, dass wir irgendwann einmal sagen müssen, wir schieben vielleicht einmal mehr zu Unrecht ab, als dass wir das Risiko eines Verbrechens dieser Art eingehen. (Abg. Wurm: Eine Ansage! – Abg. Kickl: Das ist einmal was!)

Aber, meine Damen und Herren, das kann man nicht mit einem Antrag machen, den Sie uns da heute auf den Tisch geknallt haben, mit zehn Überschriften, von denen 9,5 mit internationalem Recht schwer in Einklang zu bringen sind. Daher werden wir das in der Form nicht unterstützen. (Abg. Lausch: Können Sie uns das mit den Coronatests bei den Abzuschiebenden erklären? Da sagt keiner etwas dazu!)

Eines möchte ich Ihnen abschließend schon mitgeben: Ehrlich gesagt, ich möchte mich als Abgeordneter dieses Hauses nicht von Ihnen mit Inseraten bedrohen lassen. Es hat schon gereicht, dass Gewerkschafter Grabsteine vor die Tür gelegt haben. Wenn Sie mir jetzt noch ein Inserat vor die Tür legen, dann ist das eine nette Ankündigung von Ihnen, die ich als nicht sehr kollegial empfinde, ich hoffe, Sie werden davon Abstand nehmen. Ich werde dem Rechtsstaat jedenfalls hier immer das Wort reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.


17.24.40

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frauen Ministerinnen! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir alle sind fassungslos und auch ein gutes Stück ratlos über diese Tragödie Leonie – genauso wie auch über die 14 Frauenmorde im ersten Halbjahr dieses Jahres als traurige Rekordquote und als Schande der Gewalt in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber, liebe Damen und Herren, gleichzeitig werden und wurden auch gut integrierte Schü­lerInnen beinahe wie Kriegsverbrecher in den frühen Morgenstunden abgeholt und abgeschoben, auch Lehrlinge wurden abgeschoben. Das ist nicht nur wirtschaftlich dumm, es widerspricht kausal dem Integrationsprozess und sorgt in der Community für ein Signal: Egal, wie sehr du dich bemühst, du erreichst es nicht, du schaffst es nicht, du hast keine Chance!

Kriminelle und Extremisten abzuschieben ist rechtsstaatlich natürlich ein Gebot der Stunde. Leider lautet erneut das Match türkiser Innenminister gegen grüne Justizministerin.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 180

Beide – Ministerin und Minister – wollen keine Verantwortung für schwerwiegende Fehler übernehmen. Es passt auch in das Gesamtbild, dass von beiden keine gemein­same Erklärung in Demut an die Republik abgegeben wurde. Den Familien ist es aber gleich, wer schlussendlich für das Versagen verantwortlich ist, dieser Verlust kann nie wieder gutgemacht werden. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass solche Ereignisse in Zukunft nicht oder nicht mehr so leicht passieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Regierungsverantwortlichen müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um den Schutz der in Österreich lebenden Bevölkerung maximal zu gewährleisten. Tun sie das nicht, haben sie schlechte Arbeit geleistet, nämlich für die Republik. Dazu gehört es auch, bei Straffälligen die Asylverfahren zu beschleunigen und nach Rechtsbruch und rechtskräftiger Verurteilung eine sofortige Abschiebung durchzuführen. An dieser Stelle erwähne ich den Afghanistanexperten Prof. Dr. Rasuly, der auch dieser Meinung ist: Integrationsunwillige dürfen keine Zukunft in Österreich haben.

Die europäische Aufklärung sorgt für die individuelle Freiheit und gehört zur kulturellen Identität in Österreich.

Um rascher abschieben zu können, brauchen wir enge Kooperationen mit ausländischen Vertretungsbehörden. Da ist natürlich auch das Außenministerium in der Pflicht. Wenn es mit vielen Ländern möglichst viele Abkommen gibt oder geben soll, wie heute schon angekündigt, dann ist das natürlich wichtig und richtig. Es mangelt nämlich grundsätzlich nicht so sehr am Legislativen, vielmehr fehlen die personellen Ressourcen im Straf­vollzug, gibt es einen eklatanten Rückstau bei den Verfahren, das Geschäftsmodell Asyl, gewiefte Rechtsanwälte, die sich schon goldene Nasen verdient haben (Abg. Deimek: Bürstmayr heißt er!), einen Bundesverwaltungsgerichtshof, der wesentlich mehr Ver­hand­lungssäle als Schreibkräfte hat, und einen veritablen Richtermangel. Wenn hier Geiz geil sein soll, dann hängt der Rechtsstaat bereits am seidenen Faden, meine Damen und Herren! (Abg. Michael Hammer: Klatschen!) Wer nämlich auf Kosten des Rechtsstaates spart, gefährdet in letzter Konsequenz die Demokratie.

Es wäre in unser aller Interesse, wenn es da endlich standardisierte Systeme geben würde und diese auch etabliert würden. Niemand hindert Sie daran, Herr Innenminister! Niemand hindert Sie daran, Frau Justizministerin!

Der Verlauf dieser Debatte zwischen Herbert Kickl und Karl Nehammer zeigt deutlich auf: Es braucht in dem polarisierenden Wettstreit zwischen der FPÖ und der immer blasser werdenden billigen Kopie, der türkisen ÖVP, eine Stimme der Vernunft – und das ist nun einmal die SPÖ, meine Damen und Herren! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Welche? Die Doskozil- oder die Rendi-SPÖ?)

Ich habe von polarisierenden Polen gesprochen, und das Match gegen die FPÖ ge­winnen Sie niemals – niemals! –, auch wenn es Ihr Kanzler glaubt. (Zwischenrufe bei der FPÖ sowie der Abg. Pfurtscheller.) – Wir haben bei diesem Match nicht mitgespielt.

Die Zustimmung zum FPÖ-Antrag ist daher – Stimme der Vernunft! – aus mehreren Gründen, aber insbesondere aufgrund des Passus, der die Gesinnungshaft vorsieht, nicht möglich.

Meine Damen und Herren, das unterscheidet uns von anderen Parteien (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ): Wir haben eine leidvolle Geschichte als durchgängige Demokraten, und die Gesinnungshaft – die Gesinnungshaft – hat die Sozialdemokratie, die Gewerk­schaft, auch Kommunisten betroffen und getroffen, zwischen 1934 und 1945. Daher lehnen wir Gesinnungshaft ab, wenn sie auch schleichend als Präventivhaft daher­kommt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.30

17.30.56



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 181

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage, ob wir gleich zum Abstimmungsvorgang schreiten können. – Da ich Zustim­mung signalisiert bekommen habe, kommen wir gleich zur Abstimmung.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „10-Punkte-Plan zur Abwehr von Gewalttaten durch Asylwerber bzw. Asylberechtigte“.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen, und daher gehe ich auch so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, finden Sie in Ihren Laden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen.

Jene Abgeordneten, die dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Kickl zustim­men, bitte ich, den „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen sind, den „Nein“-Stimmzettel zu verwenden.

Ich ersuche Sie, darauf zu achten, nur einen Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Nun bitte ich den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Schallmeiner, mit dem Namens­aufruf zu beginnen, Herr Abgeordneter Gahr wird ihn ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Schallmeiner und Gahr werfen die Abge­ordneten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich ersuche die Bediensteten des Hauses, nun unter Aufsicht der Schriftführer die Stim­menzählung vorzunehmen.

Ich unterbreche für wenige Minuten die Sitzung. Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 17.37 Uhr unterbrochen und um 17.42 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 152; davon „Ja“-Stimmen: 25, „Nein“-Stimmen: 127.

Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 182

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Angerer;

Belakowitsch Dagmar, Bösch, Brückl;

Deimek;

Ecker Rosa;

Fuchs, Fürst;

Graf Martin;

Hauser;

Kaniak, Kassegger, Kickl;

Lausch;

Mühlberghuber;

Ragger, Rauch, Reifenberger;

Schmiedlechner, Schnedlitz, Stefan, Steger Petra;

Wurm;

Zanger Wolfgang.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Baumgartner, Bayr, Becher, Berlakovich Nikolaus, Blimlinger, Brandstötter Henrike, Brandweiner, Bures, Bürstmayr;

Deckenbacher, Diesner-Wais, Disoski, Doppelbauer, Drobits;

Ecker Cornelia, Einwallner, El-Nagashi, Engelberg, Ernst-Dziedzic, Eßl;

Fiedler, Fischer, Fürlinger;

Gahr, Gerstl, Gödl, Götze, Graf Tanja, Greiner Karin, Großbauer, Grünberg;

Hamann Sibylle, Hammer Lukas, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechenberger, Heinisch-Hosek, Himmelbauer, Hintner, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Hörl;

Jachs, Jeitler-Cincelli;

Kaufmann, Keck, Kirchbaumer, Köchl, Köllner, Kopf, Koza, Kucharowits, Kucher Philip, Kugler Gudrun, Kühberger, Künsberg Sarre, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lercher, Lindner, Lindinger, Litschauer, Loacker, Lopatka;

Mahrer, Marchetti, Margreiter, Maurer, Melchior, Minnich, Muchitsch;

Neßler, Neumann-Hartberger, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Oberrauner Petra, Ofenauer Friedrich, Ottenschläger;

Pfurtscheller, Plakolm, Pöttinger, Prammer, Prinz;

Reimon, Reiter, Rössler;

Salzmann, Saxinger, Schallmeiner, Scharzenberger, Schatz, Scherak, Scheucher-Pichler, Schmidhofer, Schmuckenschlager, Schnabel, Schroll, Schwarz Jakob, Seemayer, Shetty, Sieber Norbert, Silvan, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Stammler, Stark, Steinacker, Stocker, Stöger Alois, Strasser;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 183

Tanda, Taschner, Totter, Troch;

Vorderwinkler;

Weber, Weidinger, Weratschnig, Wöginger;

Yildirim, Yılmaz;

Zarits Christoph, Zopf, Zorba.

*****

17.42.54Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit nehme ich die Verhandlungen wieder auf. Wir sind beim 11. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Andreas Kühberger. – Bitte.


17.43.14

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Nach der Unterbrechung geht es jetzt wieder weiter mit dem Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses, wo auch ich selbst Mitglied bin.

Wenn man meine Vorredner von der Opposition hier gehört hat, dann glaubt man ja fast, die waren in einem anderen Ausschuss, weil einfach etwas anderes behauptet wurde, als sich im Bericht befindet oder die befragten Damen und Herren angegeben haben.

Meine Damen und Herren, ich stelle aber fest, dass durch die Befragung und durch diesen Bericht klargestellt ist, dass die österreichische Bundesregierung in der Pan­demie richtig und gewissenhaft gehandelt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Dieser Bericht und auch die Auskunftspersonen haben gezeigt, dass auch die Zusam­menarbeit mit der Bundesregierung, mit dem Roten Kreuz, mit der Bundesbeschaffung GmbH und mit der Finanzprokuratur funktioniert hat, gerade in der Zeit, in der die Pandemie weltweit geherrscht hat und in der Schutzgüter sehr große Mangelware waren. Durch diese gute Zusammenarbeit haben wir es geschafft, dass wir in Österreich mit Schutzausrüstung, Impfungen und Tests immer gut versorgt waren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe in meiner Erziehung gelernt, Menschen nicht nach ihrem Wissen zu beurteilen, sondern danach, wie sie es einsetzen, aber heute tue ich mir sehr schwer mit der Opposition. Frau Kollegin Greiner von der SPÖ! Herr Kollege Zanger von der Frei­heitlichen Partei! Wie oft sollen wir das noch erklären? Ich habe das zigfach im Aus­schuss gehört, aber bei diesen 200 Millionen Euro zur Impfstoffbesorgung hat es keine Deckelung gegeben! (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Das war so, wie jeder Gemein­derat weiß: Man braucht einfach für das Budget eine Grundlage, und das waren diese 200 Millionen Euro, die, und das möchte ich erwähnen, nicht einmal ausgeschöpft wurden. Wären diese 200 Millionen Euro zu wenig gewesen, meine Damen und Herren, dann hätten wir immer noch den Covid-Krisenfonds gehabt!

Frau Kollegin Greiner, weil Sie jetzt den Kopf schütteln: Sie haben vor Kurzem, am Nachmittag, eine OTS ausgesandt, in der Sie das Gegenteil behaupten und somit die Unwahrheit! Sie können das auch im Bericht nachlesen und vielleicht in sich gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 184

Zusammenfassend: Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Regierung in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gute Arbeit leistet und gleichzeitig die Opposition politisches Kleingeld wechselt. Von den Blauen sind wir es ja gewohnt – ja, Herr Zanger, du wirst es wirklich unterstreichen –, aber jetzt sind wir es auch von den NEOS gewohnt – Herr NEOS-Oberlehrer Trauttmansdorff, da vorne sitzt er, war hier heraußen und hat uns belehrt (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff–, und genauso wechselt die SPÖ in Zukunft politisches Kleingeld mit der Krise.

Meine Damen und Herren! Ich bin stolz, Abgeordneter einer Regierungspartei zu sein, die es mit vielen Maßnahmen geschafft hat, in dieser großen Krise die Wirtschaft zu unterstützen und somit viele Arbeitsplätze zu retten, aber auch mit den gesundheitlichen Maßnahmen ganz viele Menschenleben zu retten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


17.47.28

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Kühberger, entweder haben Sie einen anderen Tagesordnungspunkt gehabt oder zum falschen gesprochen. Jeden­falls stimmt das, was Sie jetzt gesagt haben, sicher nicht mit diesem Ständigen Unter­ausschuss überein, in dem ich mich befunden habe.

Herr Kollege Pöttinger, Sie haben uns gesagt: Ihr lauft Gefahr, die Glaubwürdigkeit zu verlieren! – Dieses Kompliment gebe ich zurück: Die ÖVP hat wirklich die Glaub­würdigkeit bei diesem Unterausschuss verloren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich persönlich habe diesen Unterausschuss so erlebt, dass er sehr zeitintensiv war: in sechs Monaten zwölf Sitzungen mit 21 Auskunftspersonen. Ich habe eine sehr gute Vorsitzende erlebt, die heute leider nicht hier ist, bei der ich mich bedanken möchte, Frau Tomaselli. Ich habe im Gegensatz zu Herrn Kollegen Pöttinger erlebt, dass es wirklich kein Verhör gegeben hat, sondern sehr wohl einen respektvollen Umgang aller Abge­ordneten mit den Auskunftspersonen. Ich habe etwas erlebt, was ich heute nicht erlebe: dass die ÖVP im Ausschuss eine andere Strategie verfolgt hat. Es war nämlich ein Catenaccio, wie man es üblicherweise von den Italienern kennt, eine Verteidigungs­strategie, wo versucht worden ist, alles schönzureden, und diesen Prüfauftrag, den es gegeben hat, nicht in der Form durchzuführen, wie es eigentlich gewollt war.

Abschließend zum allgemeinen Bereich: Die Wahrheitspflicht ist eine wesentliche Pflicht des Abgeordneten. Ich erwarte mir als Politiker, aber auch im Namen derer, die draußen sitzen, und auch die Bevölkerung erwartet von uns, dass jeder und jede von uns die Wahrheit sagt. Ich habe vernommen, dass es durchaus Themen gibt, wo jetzt bereits verlangt wird, dass wir auch im Unterausschuss die Wahrheitspflicht einführen sollen. Ich bin dafür. Ich bin dafür, dass wir das auch im Strafgesetzbuch verankern, und ich bin auch dafür, dass wir auch zukünftig danach trachten, dass die Glaubwürdigkeit der Politik erhalten bleibt.

Inhaltlich sind mir noch zwei Punkte wichtig. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Beim Impfen, behaupte ich, gibt es und gab es ein Impfchaos. Der Herr Bundeskanzler als Aus­kunftsperson – Kollege Hanger sieht mich an – hat selbst gesagt, er hat freiwillig auf Impfstoff verzichtet – das hat er gesagt! Es war ihm nur nicht bewusst. Ich behaupte, dieses Chaos ist entstanden, weil bei den Regierungsparteien die linke Hand nicht gewusst hat, was die rechte tut.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 185

Das hat sich eigentlich bis zum Schluss durchgezogen, deshalb ist auch das heraus­gekommen, dass wir jetzt im Impfbereich ein Chaos haben, und deshalb glaube ich auch, dass man das so feststellen darf.

Ein zweiter Punkt: Stopp-Corona-App. Der Nationalratspräsident sitzt nicht hinter mir, aber ich behaupte, dass er derjenige war, der sie durch die Aussage, dass diese Stopp-Corona-App verpflichtend kommen soll, verhindert hat und beharrlich verhindert hat, dass eine gute Sache, die Herr Foitik auch angesprochen hat, nie zustande gekommen ist und von Anfang an begraben wurde.

Genauso sehe ich das auch bei der Hygiene Austria. Die Hygiene Austria wurde einen Tag vor dem ersten Lockdown gegründet. – Warum? Weil Exklusivgespräche geführt worden sind. Weil es Interesse gegeben hat, dass die Hygiene Austria die FFP2-Masken für die über 65-Jährigen produzieren soll und endgültig dann auch die Finanzierung darüber erfolgen soll.

Ich behaupte also, es gibt einige Punkte, die nicht regelmäßig waren und nicht ehrlich geführt worden sind. Deshalb sage ich abschließend: Wir brauchen wirklich auch eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle, und wir brauchen eine Stärkung der Minder­heitsrechte. Ich verlange deshalb, dass zukünftig auch die Minderheit die Auskunfts­personen, die sie will, laden kann und nicht von den Regierungsparteien abhängig ist.

Von unserer Seite her wird der Bericht also keinesfalls so rosig gesehen, wie es bisher die beiden ÖVP-Abgeordneten dargestellt haben. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zanger.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Hanger. – Bitte.


17.51.37

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren den Bericht des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses betreffend die Corona­beschaffungsmaßnahmen. Ich schaue Herrn Kollegen Zanger an, ich schaue Frau Kollegin Greiner an: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten unsere Standpunkte ja intensiv ausgetauscht. Persönlich finde ich es bemerkenswert, dass man den gleichen Sachverhalt so unterschiedlich bewerten kann, aber das ist halt wahrscheinlich auch ein bisschen unseren Rollen geschuldet.

Ich darf für unsere Fraktion noch einmal festhalten – und das war schon das ent­schei­dende Ergebnis –, dass alle Coronabeschaffungen hoch professionell und einwandfrei über die Bühne gegangen sind. Natürlich kann man immer alles auch noch besser machen, gar keine Frage, man muss auch in der Lage sein, selbst zu reflektieren, insgesamt aber war das ein sehr ordentlicher Beschaffungsvorgang. Das möchte ich schon auch wirklich eindeutig so festhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Da die Standpunkte eh schon vielfach ausgetauscht wurden, möchte ich jetzt die Gele­genheit nutzen, mich mehrfach zu bedanken, weil mir in diesen vielen Sitzungen schon aufgefallen ist: Da hat es Institutionen gegeben, die hervorragend gearbeitet haben.

Zuallererst möchte ich das Rote Kreuz nennen. Das Rote Kreuz war zu Beginn der Pan­demiebekämpfung ein unglaublich wichtiger Partner, weil es durch dieses internationale Netzwerk gelungen ist, am Höhepunkt der Pandemie, als am Weltmarkt eine unglaublich hohe Nachfrage nach dieser Schutzausrüstung da war, diese Schutzausrüstung für Österreich auch wirklich schnell zu beschaffen. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 186

Das Rote Kreuz war unheimlich aktiv, als es darum gegangen ist, die Bevölkerung zu informieren. Das wissen vielleicht auch nicht alle: Die erste Kampagne – „Schau auf dich, schau auf mich“ – wurde vom Roten Kreuz entwickelt und auch finanziert und wurde dann der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Zum Dritten, diese Stopp-Corona-App – das wissen auch nicht alle – hat auch das Rote Kreuz auf Eigeninitiative entwickelt und hat sie dann der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Ich glaube also, das Rote Kreuz verdient sich da wirklich unsere Dankbarkeit, nicht diese Kritik, die Herr Kollege Zanger immer wieder geäußert hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein zweites großes Danke – das möchte ich auch sagen –: Wir haben mit der Bundes­beschaffung GmbH einen hervorragenden Rechtsträger, der für die öffentliche Hand die Beschaffungen macht. Da sind Beschaffungsexperten am Werk und wir wissen, die haben sich natürlich an das Vergaberecht zu halten. Es geht um öffentliche Steuer­gelder, und aus meiner Sicht haben die Befragungen eindeutig ergeben, dass alle Be­schaf­fungsvorgänge auch unter strenger Einhaltung der Vergaberichtlinien erfolgt sind.

Erwähnen möchte ich auch die Finanzprokuratur. Wir wissen, die Rechtskonstruktion Rotes Kreuz – Werkvertrag – und öffentliche Beschaffung war nicht einfach. Diese Rechtskonstruktion wurde durch die Finanzprokuratur, durch den Anwalt der Republik, abgesichert, auch da wurde hervorragende Arbeit geleistet.

Ich möchte auch erwähnen – weil es immer wieder um das Testen und um das Impfen geht –: Da gilt meiner Meinung nach ein großer Dank unseren Ländern – wir diskutieren oft föderale Strukturen –, aber vor allem auch unseren Gemeinden. Als dann die Ge­meinden das Testen in die Hand genommen haben, hat das Thema Fahrt aufge­nom­men, und es war wichtig, das Testen vor Ort anzubieten. Wir wissen heute, dass wir beim Testen Europaspitze, wenn nicht sogar Weltspitze sind. Auch beim Impfen – das haben dann auch die Länder in die Hand genommen – sind wir, allen Unkenrufen zum Trotz, ganz vorne an der Europaspitze, und das sei in dieser Deutlichkeit auch festge­halten.

Abschließend noch natürlich ein Dankeschön an die Kollegenschaft bei uns im ÖVP-Klub – 10 000 Seiten sind schon einmal erwähnt worden –: David Süß, Ulrike Lackner-Stauchner, Andrea Halper und andere. Ich möchte mich auch bei Nina Tomaselli und bei Herbert Weißensteiner bedanken. Unser Koalitionspartner hat einen ausge­zeich­neten Bericht erstellt, und ich darf mit diesem Danke schließen und wünsche noch eine schöne Debatte. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.


17.55.31

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Ich möchte dem von meinen Kollegen ausgesprochenen Dank auch meinen Dank für die gute Vorsitzführung von Frau Tomaselli hinzufügen und möchte die Ausführungen von Kollegen Hanger ergänzen, da er, glaube ich, im Zeitraffer Dinge zusammengestellt hat, die so in der Zeitabfolge nicht zusam­menpassen.

Ich möchte vielleicht schon noch im positiven Sinne korrigierend eingreifen und ihn darauf aufmerksam machen, dass es eine Notvergabe gegeben hat und keinesfalls Transparenz und die ganze Einhaltung der normalen Gebarung in unseren Dokumenten wiederzufinden war. Das war zum Beispiel ein Punkt, bei dem wir uns gedacht haben, es wäre gut, Fehler einzugestehen, zu sagen: Wie tun wir später und gemeinsam in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 187

Zukunft mit diesen Dingen, und welchen Prozess können wir aufsetzen, damit wir über solche Dinge zukünftig nicht nachdenken müssen?

Klar ist, dass der Weltmarkt damals angespannt war, dass Dinge schwer zu bekommen waren und dass das Rote Kreuz da eine wesentliche Rolle gespielt hat. Aus diesen Dingen sollten wir lernen, und ich würde sagen, obligatorische Dokumentation für die Preisangemessenheit bei den Beschaffungen wäre ein gutes Thema, ebenso wie die Kompetenzverteilung klar auszurichten.

Was Fehlentscheidungen wie zum Beispiel diese Deckelung mit den 200 Millionen Euro betrifft: Wenn das eh alles normal war und niemand damit ein Problem hatte, wenn eh alles in Ordnung war, dann frage ich mich, warum ein Spitzenbeamter wie Herr Dr. Auer gehen sollte oder freiwillig gegangen ist – das wissen wir nicht ganz genau. Ein guter Beamter – und ich habe lange genug im öffentlichen Bereich gearbeitet – wird niemals eine Bestellung aufgeben, für die er keine Bedeckung hat – denn er geht nicht für Sie sitzen! (Beifall bei der SPÖ.) Die WHO hat das übrigens ganz anders gesehen, weil er für seine Kompetenz dort stellvertretender Direktor geworden ist – also so dumm kann er nicht sein, wie Sie ihn hingestellt haben.

Das Zweite, was ich sagen möchte und worüber ich wirklich noch immer nachdenke und mich frage, wie so etwas möglich ist, ist: Es ist klar, dass man in solchen – Auseinan­dersetzungen würde ich gar nicht sagen – Diskussionen, sowohl in einem Ausschuss als auch im Plenum, auch heftig diskutieren kann. Was aber die Art der Diskussion und die Art, wie man auch mit KollegInnen umgeht, betrifft, und da spreche ich wirklich Sie im Speziellen an, Herr Hanger, wenn Sie, wenn wir dreimal das Gleiche fragen, weil wir keine Antwort bekommen, dann sagen: Offensichtlich sind Sie zu dumm oder zu wenig intelligent, um das zu verstehen! – wörtliches Zitat –, so möchte ich echt sagen: Das liegt unter Ihrem Niveau. Das sollten Sie sich zukünftig wirklich verkneifen, weil das nicht in Ordnung ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Zweite, was nicht in Ordnung ist, ist, dass Sie Ihre Redezeit, zum Beispiel im Aus­schuss, dazu verwenden, Fragen der Opposition zu kommentieren. Das ist nicht Ihre Aufgabe und auch nicht Ihr Recht, und ich glaube, dass auch das nicht zu einem guten Stil im Plenum und auch nicht in einem Ausschuss gehört. (Abg. Ofenauer: ... Sie verbieten das Wort?) – Ja, das ist genau Ihr Stil, dass Sie sagen, verbieten Sie ihr Wort. – Wir Frauen sind aber gleichberechtigt und wir reden genauso oft, wenn wir das Recht haben zu reden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das ist sein Recht!) – Nein, es ist nicht sein Recht, meine Fragen zu kommentieren, wenn er eine Frage stellen soll. (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, nach Geschäftsordnung nicht! (Abg. Wöginger: Das ist sein Recht!)

Das Dritte, was ich nach all diesen Stilfragen sagen muss: Ich hoffe wirklich, dass es zu einer Abrüstung der Sprache und zu mehr Respekt im Umgang kommt, denn ich glaube, der Pöbel, den Ihre Familienmitglieder beschreiben, kennt sich im Umgang in der Gesellschaft mit anderen Menschen besser aus. Die haben mehr Respekt und die haben mehr Achtung vor den anderen Menschen, die ihnen gegenüberstehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der absolute Tiefpunkt heute – neben dem, was gestern seitens Herrn Präsidenten Sobotkas unserer Kollegin Nurten Yılmaz gegenüber passiert ist; also diese Aussage möchte ich gar nicht wiederholen (Ruf: Unerhört!) – ist wirklich die Art und Weise, wie heute Kollegin Blimlinger mit Kollegin Kucharowits umgegangen ist. Das ist ein Tief­punkt, und ich habe mir wirklich nicht gedacht, dass sich eine Frau – und noch dazu eine von den Grünen – zu so einer herablassenden Art überhaupt hinreißen lässt.

Wir sollten dringend darüber nachdenken, wie wir miteinander reden, und Sie können sich aufregen, soviel Sie wollen: Sagen Sie mir eine Person aus meiner Partei, die jemals


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 188

so respektlos mit irgendjemandem von Ihnen umgegangen ist! (Abg. Strasser: Krainer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Bei euch gibt es auch höfliche Menschen, und die sind Gott sei Dank, wie auch bei den anderen Parteien, die Mehrheit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.59

18.00.03


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Können wir gleich zu den Abstimmungen kommen? – Gut.

Dann gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG in 1024 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungs­hofaus­schus­ses, seinen Bericht 1024 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genom­men.

18.01.0212. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1731/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geän­dert wird (956 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Staatssekretärin Andrea Mayer im Hohen Haus und erteile als Erster Frau Abgeordneter Eva Blimlinger das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.01.44

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Bevor ich mich dazu äußere, möchte ich mich in aller Form bei Kollegin Kucharowits für meine Insultation und Beleidigung entschuldigen. Tut mir leid, ich zucke manchmal aus, aber ich möchte mich wirklich in aller Form bei Frau Kucharowits entschuldigen. Ich hoffe, sie nimmt die Entschuldigung an. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Ich komme nun zum Kulturausschuss: Gott sei Dank ist es so, dass Kunst und Kultur geöffnet sind, aber selbstverständlich noch nicht in derselben Weise wie vor der Pandemie. In vielen Bereichen ist es ja immer noch notwendig, mit Beschränkungen zu agieren. Gott sei Dank kann vieles im Freien stattfinden, es ist aber trotzdem notwendig, dass wir den Überbrückungsfinanzierungsfonds bis Ende 2021 verlängern. Wir verlän­gern ihn nicht nur, sondern wir stocken ihn auch von 140 auf 150 Millionen Euro auf, um so die Einnahmenausfälle vor allen Dingen der freiberuflichen Künstlerlinnen und Künstler, die ja von ihren Programmen abhängig sind, kompensieren zu können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 189

Es freut mich, dass wir das bis Jahresende haben, und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.


18.03.39

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, hat jetzt in Aussicht gestellt, dass dieser Überbrückungsfonds bis Ende des Jahres verlängert wird. Das freut mich, denn ich habe schriftlich nur das, was wir im Ausschuss beschlossen haben, nämlich dass er bis Ende September verlängert wird. Die Künstlerlinnen und Künstler wird das freuen, auch wir sind der Auffassung, dass es sicherlich Postcoronastrategien braucht.

Die Kunst- und Kulturstrategie, die ja jetzt im Sommer von Ihnen, Frau Staatssekretärin, angezogen wird, ist ja quasi auch der Auftakt dessen, was wir langfristig in der Kunst- und Kulturszene und im Bereich Kunst und Kultur in Österreich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gemeinsam erreichen wollen. Ich glaube, dass dieser Überbrückungs­fonds der jetzt mit 600 Euro pro Monat insgesamt drei Monate, vielleicht bis zum Jah­resende, wie wir gerade gehört haben, selbständigen Künstlerlinnen und Künstlern zugutekommt  natürlich ein Teil einer Vielfalt ist  ich habe es zu Recht, glaube ich, schon Förderdschungel genannt –, zu Recht einer Vielfalt an Möglichkeiten, wie man bisher zu Förderungen kommen konnte.

Alle freuen sich jetzt, dass es wieder losgehen kann. Wir dürfen nur nicht vergessen, die Menschen, die im Kunst- und Kulturbereich tätig sind, ob als Künstlerin oder Künstler oder Kulturvermittlerin, Kulturarbeiterin an sich, die arbeiten in unterschiedlichsten Gen­res, haben unterschiedlichste Versicherungssituationen. Es ist natürlich auch durch Pre­mierenstaus und andere Umstände zu Verzögerungen gekommen, viele haben jetzt sozusagen auch nicht die Förderung erhalten, um die sie angesucht haben, weil der Ausschluss durch eine andere Förderung gegeben war. Also ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir eine Kunst- und Kulturstrategie nachhaltig festlegen, nämlich im Sinne der Nachhaltigkeit und auch der Ökologisierung.

Es darf nicht nur dem neoliberalen Mainstream, der jetzt allgemein diskutiert wird, entsprechen, dass alles nur noch auf Verwertbarkeit abzielt und nach dem Gesichts­punkt, was gut ist, muss verkauft werden und muss auch teuer verkauft werden, gesehen wird, sondern dass es auch ganz andere vielfältige Formen braucht. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass viele Touristinnen, Touristen, vor allem in den Städten, noch eine Zeit lang ausbleiben werden und viele Künstlerlinnen und Künstler auch noch Zuwen­dungen brauchen werden. Ich glaube, diese Wiederaufbauphase, die wir jetzt gemein­sam zu diskutieren haben, muss eine sein, die alle Bereiche umfasst  die Schulen, die Grätzel, die Parks, wir haben es eh schon von Kollegin Blimlinger gehört –, in denen sich Menschen entfalten können.

Kulturpolitik ist immer eine Gesellschaftspolitik, das ist ja ganz klar. Dort, wo ich mich entfalten kann, dort, wo ich physisch, psychisch am Geschehen teilhaben kann, dort ist ein Bereich, der Kunst und Kultur betrifft, ob man das jetzt so benennen will oder nicht, es ist eine Tatsache. Die halbe Milliarde Euro, die das Budget umfasst  wir werden das ja auch im Herbst bei den Budgetsitzungen und Besprechungen und Verhandlungen noch diskutieren , ist reichlich wenig für Österreich, denn ich glaube, dass Kunst und Kultur viel mehr an Budgetmitteln bräuchte, nicht nur jetzt in dieser Postcoronastrategie, die vielfältig Hilfen anbietet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 190

Ja, das ist gut, wir stocken den Überbrückungsfonds, der heute zur Diskussion steht, jetzt um 10 Millionen Euro auf. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, das für die enorme kulturelle Vielfalt, in der Menschen tätig sind, zu beschließen. Man darf nicht vergessen, dass der Kunst- und Kulturbereich nach dem Flugverkehr und nach dem Tourismus europaweit die am drittstärksten betroffene Branche ist. Die Menschen, die in diesem Bereich gearbeitet haben und arbeiten, waren finanziell und auch existenziell sehr bedroht und betroffen. Daher glaube ich, dass es wichtig ist, diese 10 Millionen Euro jetzt zu beschließen und alle anderen Überbrückungsmaßnahmen und alle anderen Förder­fonds wahrscheinlich noch zu verlängern, aber vor allem eine langzeitig nachhaltige, ökologische, nicht nur den ökonomischen Regeln unterworfene Kunst- und Kulturstra­tegie zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte.


18.08.13

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Eineinhalb Jahre Ausnahmezustand liegen hinter uns: Ausnahmezustand für alle Lebensbereiche, Ausnahmezustand für die Gesellschaft, für uns als soziale Wesen, Ausnahmezustand natürlich auch für Kunst und Kultur, mit Aufgaben, die uns an und über die Grenzen gebracht haben, uns selbst auch.

Ich erinnere mich an viele Videokonferenzen, an eine ganz besonders, in einem Lock­down im Winter, mit vielen Künstlerlinnen und Künstlern, die mir sehr lange, sehr ein­dringlich, dramatisch ihre Situation erzählt haben. Wenn man dann irgendwann um 23 Uhr die Kamera ausschaltet und allein im Büro sitzt, dann sind das auch persönlich sehr, sehr emotionelle Momente in diesem letzten Jahr gewesen. Meine Oma hat immer gesagt: Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch für etwas gut ist. Irgendwie hat sie recht, ich habe zumindest zwei Dinge im Ausnahmezustand gefunden, die auch gut sind, es sind in Wirklichkeit aber beinharte Erkenntnisse.

In einem Ausnahmezustand erkennt man langfristige Probleme noch besser und in einem Ausnahmezustand erkennt man das Wesen seiner Mitmenschen, auch seiner politischen Mitbewerber, am allerallerbesten. Deshalb ist es auch für mich Zeit, am letzten Sitzungstag ein bisschen Resümee zu ziehen. Ich möchte mich zuerst bei allen in der Kunst und Kultur für die vielen konstruktiven Diskussionen, Gespräche per Mail, per Video, per Telefon bedanken.

Wir haben gemeinsam gearbeitet, diskutiert und auch gekämpft und verhandelt, damit es genügend Instrumente zur Unterstützung gibt, dass die Kultur auch bei den Öff­nungsschritten immer dabei war, dass die Budgets laufend aufgestockt worden sind. Das tun wir ja auch heute mit der Überbrückungsfinanzierung für die selbständigen Künst­lerinnen und Künstler.

Ein Resümee ist auch der Kunst- und Kulturbericht, den die Staatssekretärin gestern im Ministerrat vorgestellt hat. Es ist jedes Mal ein beeindruckender sehr detailreicher Be­richt. Insgesamt hat die Regierung im letzten Jahr über 1 Milliarde Euro in Kunst und Kultur investiert.

Ein Resümee ist aber auch, dass der Ausnahmezustand den Klimawandel beschleunigt hat, nämlich den politischen Klimawandel, die politische Kultur beeinflusst und verändert hat. Es war ein Jahr der Extreme, aber die Verrohung der politischen Sprache und die Mittel, mit denen in letzter Zeit Politik gemacht wird, schockieren nicht nur mich, sondern in Wirklichkeit die Menschen im ganzen Land. Das ist leider Gottes eine Unkultur geworden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 191

Umso mehr möchte ich aber ein positives Beispiel an politischer Kultur nennen, nämlich dich, lieber Sepp Schellhorn. Es ist wahnsinnig schade, dass du nicht mehr hier bist. Du weißt, ich schätze dich sehr. Es war jedes Mal großartig, mit dir zu diskutieren. Wir haben hart diskutiert. Ich habe den verbalen Schlagabtausch mit dir im Kulturausschuss geliebt. Er war immer respektvoll, es ging immer um die Sache. Du bist ein leidenschaftlicher Kämpfer. Du wirst auf jeden Fall im Kulturausschuss und sicher auch im Hohen Haus fehlen. Liebe Grüße an den Sepp! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Ein Resümee ist aber auch, dass wir neben der Krisenbewältigung parallel sozusagen auch reguläre Dinge, auch Langzeitthemen angegangen sind. Die Staatssekretärin war sehr aktiv – Stichworte: Fair Pay oder die zukünftige Finanzierung des Künstler-Sozial­versicherungsfonds. Minister Faßmann hat ein neues Gremium für musikalische Bildung im Bildungsministerium eingerichtet. Es sind also auch viele Dinge auf den Weg gebracht worden.

Ein Resümee ist auch, dass viel im Bereich Culture Tech passiert ist. Ich war letzte Woche bei einer Veranstaltung, bei der österreichische Start-ups ihre Kulturprojekte, Culture-Tech-Projekte vorgestellte haben. Es waren auch einige Leute aus dem Silicon Valley von Open Austria dabei, die mir drei sehr interessante Dinge berichtet haben.

Erstens ist Österreich im Silicon Valley im Bereich Culture Tech Vorreiter. Wir können also mehr, als wir oft glauben und uns zumuten. Zweitens haben sie mir erzählt, dass Konzerne wie Google massenweise Künstler anstellen und engagieren, weil sie diese nämlich brauchen, um ihre Produkte zu gestalten, zu kreieren und überhaupt die Digi­talisierung zu gestalten. Damit sind wir schon bei meinem Lieblingsthema: Wir brauchen unbedingt eine starke kulturelle Bildung in der Schule.

Der dritte Punkt war der Begriff digitaler Humanismus. Wir brauchen in der Digitalisierung natürlich rechtliche Rahmen, Fragen, Normen, Standards, aber auch ethische Prinzipien für neue Technologien. Wir müssen auch ernst nehmen, dass es in der Bevölkerung teilweise Zukunftsängste vor dieser fortschreitenden Digitalisierung gibt.

Jetzt wünsche ich aber Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auch Ihnen, sehr geehrte Zuseher, im Sommer hoffentlich einen Ausnahmezustand des Glücks, gefüllt mit menschlichen Begegnungen, mit Umarmungen, vor allem mit Kunst und Kultur; und das möglichst analog. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.13


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


18.13.22

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Kunst ist heutzutage ja Verhandlung. Es ist der Umgang mit einem Werk. Es ist die Beziehung, die man zu einem Werk aufbaut, die das Werk auch inter­essant macht. Es ist die Reibung mit der Welt, die dann auch Kreativität ausmacht. Diese Reibung ist relevant und wichtig. Sie wird aber leider von ÖVP und Grünen einfach ignoriert: Es werden Anträge abgelehnt.

Es bräuchte ja Reibung, es bräuchte Auseinandersetzung, es bräuchte ja auch eine Debatte, aber die will man nicht. Man will diesen Austausch nicht und deshalb schickt man diese Anträge der Opposition in einen ewigen Orbit, wo sie dann herumkreisen. Man behandelt sie einfach nicht, sie werden vertagt. Man stellt sich keiner Debatte, man will sich nicht austauschen, man will nicht die Argumente hören, man ist auch nicht an unterschiedlichen Zugängen interessiert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 192

Das sollten meiner Meinung nach die Zuseherinnen und Zuseher aber wissen, denn es ist eine Kulturtechnik, die nicht besonders toll ist. Es führt definitiv auch nicht zu besseren Ergebnissen, wenn die Anträge ständig vertagt werden und in einer Dauerschleife landen. Ich nenne euch ein paar Beispiele:

Kollege Reifenberger von der FPÖ hat einen Antrag zum zweiten Mal in den Kultur­ausschuss mitgenommen. Worum ging es? – Es sollten Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts einer gemeinsamen internen Revision der Bundesmuseen ergriffen wer­den. Diese Forderung ist nicht einmal eine Erfindung der FPÖ, es ist eine ganz klare Empfehlung des Rechnungshofes. Was tun ÖVP und Grüne? – Richtig, sie vertagen es.

Auch der Antrag der SPÖ, ein Maßnahmenpaket gegen Altersarmut von KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen, ist ja etwas, worüber man natürlich sinnvoll diskutieren kann und muss. Was passiert? – Ebenfalls vertagt.

Dasselbe ist mit unserem NEOS-Antrag passiert. Dabei ging es um Mut zu einem echten Kulturneustart. Anstatt sich der Diskussion zu stellen, gemeinsam zu überlegen, wie wir Kunst und Kultur besser gestalten können, wie das nach Corona wieder in Schwung kommen kann, vertagt man aber den Antrag.

Das ist ermüdend, denn es geht in jedem einzelnen Kulturausschuss so vor sich. Es ist meiner Meinung nach aber auch ein großes Problem für den demokratischen Diskurs. Es befeuert ja auch den Debattenverlust in der Öffentlichkeit. Man muss sich einfach nur anschauen, wie verschwindend dünn mittlerweile Kulturseiten in den Tageszeitungen sind.

Ich habe aber eine kleine Hoffnung: Es gibt ja im Sommer wieder diverse Festspiele, und es gibt kluge Menschen, Künstlerinnen und Künstler, die gebeten werden, Reden zu halten, um diese Festspiele zu eröffnen. Vielleicht hört der eine oder andere Mensch der Regierung diesen klugen Künstlerinnen und Künstlern dann auch aufmerksam zu und denkt sich: Das ist eine blutleere Debatte, zu inhaltsschwach. So kann man eigent­lich keine Auseinandersetzungen führen! – Und dann kommt er vielleicht auf die Idee, dass man im Kulturausschuss durchaus auch Debatten führen kann. Diese Hoffnung stirbt zuletzt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Staatssekretärin Andrea Mayer. – Bitte.


18.16.43

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete zum Nationalrat! Mit den Öffnungsschritten in den vergangenen Wochen wurden Kulturveranstaltungen endlich wieder zum Gemeinschaftserlebnis. Seit 19. Mai sind sie wieder zulässig, und seit 1. Juli sind sie auch ohne zahlenmäßige Beschränkung möglich – auch bei Stehveranstaltungen, indoor, outdoor, gibt es keine Beschränkungen mehr. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Diese Rahmenbedingungen machen nicht nur einen lebendigen und vielfältigen, son­dern auch einen ökonomisch sinnvollen Kulturbetrieb möglich. Zugleich zeigt sich aber schon, dass der Arbeitsmarkt für Künstlerinnen und Künstler noch etwas verzerrt ist. Einige Gründe wurden von den Vorrednern und -rednerinnen schon genannt. Eigentlich waren es nur Rednerinnen, oder? (Abg. Heinisch-Hosek: Ja!)

Ich möchte zum Beispiel noch Ausfälle von Tantiemen nennen, die aufgrund der langen Pause von Liveauftritten und Veranstaltungen im vergangenen Jahr entstanden sind, die sich nun verzögert manifestieren. Das führt dazu, dass manche Künstlerinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 193

Künstler weiterhin an diesen durch Covid verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten leiden. Auf diese Situation wollen wir wie bisher auch rasch reagieren, indem wir jetzt – hoffentlich wirklich letztmalig – eine Verlängerung der Überbrückungsfinanzierung für das dritte Quartal 2021 vorsehen.

Diese Unterstützungsleistung ist seit über einem Jahr eine verlässliche, unbürokratische und treffsichere Stütze für alle freischaffenden Künstlerinnen und Künstler. Es ist ein international viel beachtetes Instrument, das nun auch in den kommenden Monaten für all jene Unterstützung bereitstellen soll, die trotz Öffnungen nach wie vor von der Coronakrise betroffen ist. Hierfür ist eine weitere Dotierungserhöhung erforderlich. Die Gesamtdotierung steht bei 140 Millionen Euro. Da aber bereits 130 Millionen Euro aus­bezahlt sind, ist eine Erhöhung geboten.

Ich bin zuversichtlich, dass wir damit auch die Herausforderungen der kommenden Wochen und Monate bewältigen werden. Eines hat sich jedenfalls in diesen 16 Monaten gezeigt: Der Stellenwert von Kunst und Kultur in Österreich ist hoch. Die Künstlerinnen und Künstler haben das eingefordert. Sie haben gezeigt, wie wichtig ihre Arbeit für uns ist, wie wichtig auch das Publikum für die Künstler und Künstlerinnen ist, wie wichtig es für uns Menschen ist, dass wir Reflexionsräume haben.

Auch in der Politik ist der Stellenwert ein hoher. Das haben wir in dieser Zeit bewiesen, indem es gelungen ist, die Kulturbetriebe und die Künstlerinnen und Künstler so zu unterstützen, dass sie halbwegs gut und unbeschadet durch diese Krise kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Unterschied zu vielen anderen Ländern gibt es in Österreich eine überwiegend öffentliche Finanzierung von Kunst und Kultur. Es hat sich gezeigt, wie wichtig das ist, denn nur dann ist das Kulturleben stabil, und nur dann ist die Kunst auch wirklich frei.

Ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit und wünsche Ihnen einen anregenden Kultursommer. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

18.20


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.20.55

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Regierungsfraktionen! Sie ha­ben ja heute die Aufstockung des Überbrückungsfinanzierungsfonds für selbständige Künstlerinnen und Künstler um 10 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Das ist eine gute Sache – Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat es ja auch schon ausgeführt –, und deshalb werden wir auch zustimmen. Das ist ganz klar.

Künstlerinnen und Künstler wurden aber im Jahr 2020 lange Zeit nicht gehört – so ehrlich müssen wir einfach alle sein. Erst sehr spät wurden auch Hilfsgelder auf den Weg gebracht, zum Teil sehr bürokratisch, aus den unterschiedlichsten Töpfen. Zum einen liegt das klarerweise daran, dass es diese unterschiedlichsten Fördertöpfe und diesen Förderdschungel, wie er auch genannt wurde, per se für Künstlerinnen und Künstler gibt und das Ganze immer wieder sehr kompliziert und umständlich ist.

Ich darf aber auch an eine grundsätzliche Problematik und Tatsache an dieser Stelle erinnern, nämlich daran, dass es im Bereich der Kunst und Kultur immer wieder zu sogenannten springenden Arbeitsverhältnissen kommt. KünstlerInnen haben befristete Verträge, sind einmal selbständig beschäftigt, dann wieder unselbständig beschäftigt. Das ist einfach der Kern der Sache. Durch diese Beschäftigungsverhältnisse sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 194

KünstlerInnen ganz besonders von Armut betroffen. Das kennen wir offen gesprochen seit Jahren, und das ist auch nichts Neues für dieses Haus. Es ist aber natürlich durch Corona nochmals verstärkt und befeuert worden.

Deshalb: Fair Pay! Das ist ein Begriff, der immer wieder im Kontext der Kunst und Kultur verwendet wird, aber für viele Künstlerinnen und Künstler leider immer noch nicht Realität ist. Realität ist nämlich Unterbezahlung, zum Teil bis hin zur Selbstausbeutung. Diese prekären Beschäftigungsverhältnisse, diese nachteiligen Verträge, die es ganz einfach gibt, und diese ganz, ganz unsicheren Arbeitsbedingungen, die auf der Tages­ordnung stehen, müssen endlich ein Ende finden. Da muss endlich etwas auf den Weg gebracht werden.

Wir fordern deshalb – und wir haben im Kulturausschuss einen Antrag eingebracht – zum Beispiel, die Förderungen daran zu koppeln, dass sozial- und arbeitsrechtliche Bedingungen ganz klar eingehalten werden (Beifall bei der SPÖ) – das ist dringend notwendig – und dass man sich auch an Honorarempfehlungen hält, deren Beachtung vonseiten der Interessenvertretungen immer wieder gefordert wird. Die IG Kultur hat das ja schon sehr lange zum Thema gemacht.

Im Übrigen ist Wien da mit sehr gutem Beispiel vorangegangen. Die haben das Budget erhöht, aber die Förderungen genau daran gekoppelt. So passt ganz einfach die Bezah­lung der Künstlerinnen und Künstler. Ich finde, daran müssten wir uns ein Beispiel neh­men, und deshalb ist es sehr, sehr schade, dass dieser Antrag wieder von der ÖVP und von den Grünen vertagt wurde. Ich weiß, es gibt den Fairnessprozess, aber ich frage Sie: Wann kommt diese Fairness endlich bei den Künstlerinnen und Künstlern an? Im Moment gibt es sie nämlich noch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Aspekt im Zusammenhang mit Fair Pay betrifft die Altersarmut. Ganz ehrlich: KünstlerInnen sind aufgrund ihres Erwerbslebens, das von den Beschäftigungs­verhält­nissen her so sprunghaft ist, natürlich besonders von Armut betroffen, und da auch wiederum besonders Frauen. Was haben wir in einem Antrag gefordert? – Wir wollten, dass empirische Grundlagen auf den Weg gebracht werden, um künftig Altersarmut von Künstlerinnen und Künstlern gezielt zu bekämpfen. Auch das haben Sie leider vertagt. Das finden wir wie gesagt sehr traurig. Wann bekämpfen wir Altersarmut von Künstlerin­nen und Künstlern wirklich?

Einen dritten Baustein lassen Sie mich bitte auch noch erwähnen: Zu Fair Pay und ge­rechter Bezahlung und zur besseren Lebensrealität von Kreativen, von KünstlerInnen gehört ganz einfach dazu, dass sie auch ein starkes UrheberInnenvertragsrecht bekom­men. Da führen wir auch schon lange einen Kampf. Sie wissen, das Machtverhältnis zwischen Ver­werterInnen und KünstlerInnen ist oftmals ein schiefes. Ein starkes Ur­heberIn­nenvertragsrecht brächte ein Stück mehr Gerechtigkeit für Künstlerinnen und Künstler.

Werte Regierungsfraktionen! Seit 7. Juni hätte die EU-Richtlinie zum UrheberInnenrecht auf den Weg gebracht werden müssen. Sie sind seit 7. Juni säumig. Wir warten auf den Entwurf, er ist uns für Herbst angekündigt worden. Wir dürfen an dieser Stelle noch einmal erwähnen: Wir werden einen breiten parlamentarischen Prozess und auch ein Hearing im Ausschuss einfordern, weil alle gehört werden müssen: KünstlerInnen, Ver­werterInnen und UserInnen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich nochmals die Frau Staatssekretärin zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.25.38

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 195

schätze das überaus große Engagement der Frau Abgeordneten Kucharowits, möchte aber schon sagen, dass der Fair-Pay-Prozess begonnen wurde und dass es auch schon konkrete Ergebnisse gibt, und das quasi vom ersten Tag an. Schon von meiner Vor­gängerin Ulrike Lunacek wurde der Fair-Pay-Prozess im Sinne von konkreten Unterstüt­zungsleistungen begonnen. Bereits 2020 wurde 1 Million Euro Fördergeld für alle Branchen unter dem Titel Fair Pay zweckgewidmet. Dasselbe haben wir auch 2021 gemacht.

Zum Beispiel haben wir die Förderung von IG Netz, das dafür sorgt, dass es Anstel­lungen im Theaterbereich gibt, um 200 000 Euro erhöht und damit fast verdoppelt und, und, und. Wir haben die Stipendien erhöht, das ist auch eine Fair-Pay-Maßnahme. Wir haben die Förderung von Kulturinitiativen um 750 000 Euro erhöht und auch das ist eine Maßnahme, die zu Fair Pay beiträgt.

Es stimmt einfach nicht, dass nichts passiert. Es passiert sehr viel. Mir ist das Thema schon in meiner Zeit als Sektionschefin immer ein großes Anliegen gewesen, und jetzt haben wir nicht nur die Förderungen erhöht, sondern einen komplexen Prozess gemein­sam mit allen Bundesländern aufgesetzt, in dem wir gemeinsame Kriterien und Grund­lagen erarbeiten, die wir dann gemeinsam zugunsten der österreichischen Künstlerinnen und Künstler und der Erwerbstätigkeit und der gerechten Bezahlung umsetzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.27.18

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute die Aufstockung des Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler. Norbert Lammert meinte schon: „Kunst und Kultur sind nicht die sympathische Nische unserer Gesellschaft, sondern das Eigentliche, das sie zusammenhält.“ – Ich denke, dem kann man nur zustimmen.

Wir haben in Niederösterreich sehr viele Sommertheater, deren Aufführungen gerade stattfinden. In meiner Heimat gibt es das nördlichste Theater des Waldviertels, das Wald4tler Hoftheater. Es ist immer für die Besucher und für alle in der Region inter­essant, dort zu sein. Man sieht tolle Künstler, verbringt einen schönen Abend, und man kann ihn dann noch im Hof bei einem Lagerfeuer ausklingen lassen.

Das haben die Menschen vermisst. Wir brauchen die sozialen Kontakte, die Kunst und die Kultur, und daher freut es mich, dass jetzt die Zahlen so gut sind und dass der Impffortschritt so weit ist, dass wir wieder öffnen konnten.

Es waren schwierige Zeiten für die Kultur und für die Künstler und Künstlerinnen, aber wir haben sie gut unterstützt. Das zeigt auch der Kunst- und Kulturbericht von 2020: Rund 450 Millionen Euro Fördermittel plus 220 Millionen Euro Covid-Fördermittel sind an die Kultur und an die Kulturschaffenden gegangen.

Ich spreche oft mit den Künstlern, und sie sagen mir, der Beginn ist noch ein bisschen schwierig. Besonders für junge Künstler, die noch nicht so bekannt sind oder die nur kleine Arbeitsaufträge haben, ist es noch nicht so einfach. Daher ist es gut, dass wir heute diesen Fonds aufstocken.

Die ÖVP ist schon immer für die Künstler und Künstlerinnen da gewesen und hat sie unterstützt. Da möchte ich mich besonders bei unserer Kultursprecherin Maria Großbauer bedanken, denn sie hat sich da sehr eingesetzt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 196

Darum freut es mich auch ganz besonders, dass wir die Hilfsmaßnahmen jetzt ver­längern und zusätzlich 10 Millionen Euro in den Fonds geben können, denn Kunst und Kultur sind etwas besonders Schönes für uns. Sie geben unserem Land die Identität und auch wirtschaftlichen Erfolg. Österreich ist ein Kulturland. Darauf sind wir stolz, und das soll auch so bleiben.

So möchte ich mit einem Spruch von Friedrich Schiller enden: „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.“ Darum: Genießen wir den Sommer bei heiterer Kunst! (Beifall bei der ÖVP.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Wie vereinbart werde ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Kulturausschusses verlegen.

18.30.20 13. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1689/A(E) der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Welterbe im Denkmalschutzgesetz (957 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


18.31.01

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Bei diesem Antrag, der mir wirklich ein großes Anliegen ist – und ich froh bin, dass da auch die Opposition großteils mitgegangen ist –, geht es darum, das Weltkulturerbe im Denkmalschutzgesetz zu verankern. Es geht um die nationalen Regelungen, und ich freue mich wirklich über den Vertrauensvorschuss der SPÖ.

Sie kennen die Debatte über den Heumarkt – Wien Zentrum – und da natürlich die Schwierigkeit, wie die Situation mit dem Denkmalschutzgesetz ist, welche Möglichkeiten es gibt, solange das Unesco-Weltkulturerbe – so muss man immer sagen – nicht im nationalen Recht verankert ist. Es soll als Bestandteil des öffentlichen Belanges integriert werden.

Ich nehme diesen Tagesordnungspunkt auch zum Anlass, mich bei Sepp Schellhorn zu bedanken, der in diesem Falle aber gegen diesen Antrag gestimmt hat, mit dem Hinweis, dieser verunmögliche Neues. Ich habe das immer wieder mit ihm diskutiert. Aus meiner, aus unserer Sicht verunmöglicht das selbstverständlich gar nicht das Neue, nur ohne diesen Schutz – und ja, Salzburg weiß das natürlich besonders – würde ein Großteil des Tourismus nicht funktionieren. Das heißt, diese zehn Weltkulturerbestätten, die es in Österreich gibt – und das reicht von der Semmeringbahn bis zur Wachau, von der Salzburger und der Wiener Innenstadt oder selbstverständlich Schönbrunn bis hin zu so etwas wie den Pfahlbauten –, sind ein ganz wesentlicher Teil. Es geht also tatsächlich um ganz unterschiedliche Bereiche des Denkmalschutzes beziehungsweise des Welt­kul­tur­erbes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 197

Es steht eine Novellierung des Denkmalschutzgesetzes bevor. Das heißt, daran wird gearbeitet. Ein Puzzlestein in dieser Novellierung wird das Unesco-Weltkulturerbe sein, das darin verankert werden soll. Damit soll auch sichergestellt werden, dass dem Bun­desdenkmalamt, das bis jetzt eigentlich keine Möglichkeit zu einer Stellung im Rahmen der Debatten über Welterbe oder Weltkulturerbe im Denkmalschutz hatte, ermöglicht wird, als Behörde zuständig zu sein.

Es wird aber auch um Fragen wie Umgebungsschutz oder historisches Zentrum gehen – wie schauen solche Definitionen aus? –, all das mit Perspektive auf die Erarbeitung einer Novellierung des Denkmalschutzgesetzes. Es ist aber vielleicht auch das Thema Ökologie und Denkmalschutz beinhaltet, weil das oft eine Frage ist, die thematisiert wird. Dazu gehört zum Beispiel die Frage der Fotovoltaik auf denkmalgeschützten Gebäuden, die im Einzelnen abzuwägen ist. Wir werden kaum hier im Innenhof etwas machen – wie Kollege Hammer und ich vorhin besprochen haben –, aber es gibt natürlich auch auf denkmalgeschützten Gebäuden viele Möglichkeiten. Dazu muss man auch die Landeskonservatoren ein bisschen ermutigen, das zuzulassen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


18.34.59

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, es macht Sinn, dass wir die Frage des Umgangs mit den Welter­bestätten in Österreich auch bundesgesetzlich überlegen. Allerdings möchte ich zu bedenken geben: Das Welterbe umfasst ja nicht nur Kultur und Denkmäler. Das Welt­erbe umfasst Natur, Naturschutzgebiete, und das Welterbe der Unesco umfasst auch immaterielle Elemente wie zum Beispiel die italienische Pizza. Die italienische Pizza ist Weltkulturerbe. Wie aber soll ein Denkmalamt mit Pizza umgehen? – Das ist weder von den Beamten her noch sonst irgendwie darauf eingestellt.

Die Pizza oder vielleicht der Wiener Apfelstrudel, das Wiener Schnitzel, die Wiener Fiaker – ich bin jetzt ein bisschen wienzentriert –: Ich denke, das österreichische Denk­malamt wird mit diesen Themen schwer umgehen können.

Wir tendieren eher zu einem Welterbegesetz in Österreich, denn der Denkmalschutz als sehr objektorientiert – was Denkmäler, bauliche, architektonische Objekte betrifft – ist diesbezüglich einfach überfordert, alleine mit den zehn Welterbestätten in Österreich. Zu nennen sind der Neusiedlersee und die Landschaftszone um ihn herum – ich sage bewusst Landschaftszone –, die Buchenwälder der Karpaten, die bereits in Österreich beginnen, und auch die Wachau. Die Wachau ist natürlich in erster Linie eine Land­schaft, wenngleich auch eine Kulturlandschaft. Ob die Pfahlbauten der Steinzeit in Österreich jetzt wirklich vom Denkmalschutz her betrachtet werden? – Diese sind natürlich auch mit dem See, in dem sie sich befinden, verbunden, es sind Ensembles.

Damit kommen wir zum Thema Ensembleschutz. Ensembleschutz ist nicht primär ein Anliegen des österreichischen Denkmalschutzamtes und der entsprechenden Gesetze. Es ist ein Objektschutz. Das heißt, Ensembleschutz ist natürlich sehr stark Aufgabe der Gemeinden, und damit sind wir bei den Behörden und auch den politischen Institutionen vor Ort, den Kommunen. Hierbei geht es schon darum, Lösungen zu finden, die für die Bürger und Bürgerinnen vor Ort praktikabel sind. Es geht auch um Stadtentwicklung, um die Weiterentwicklung der Städte, und daher ist das Problem der Sichtachsen, auf die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 198

die Unesco wert legt, auch ein kommunales Problem, denn die Stadtentwicklung sollte nicht eingeschränkt werden.

Zu Österreich: Graz hat ja ein Problem mit dem Schutz der Dachlandschaft. Es sind de facto Dachausbauten gar nicht mehr zulässig. Innsbruck strebt das Weltkulturerbe schon gar nicht erst an, und Paris hätte auf die wunderbare Glaspyramide im Louvre verzichten müssen. Paris hat intelligenterweise nur das Seineufer des Stadtflusses geschützt, aber nicht die gesamte Innenstadt. Daher meine ich abschließend, ein österreichisches Welt­erbegesetz sollte auch föderalistisch und subsidiär aufgebaut sein. Das heißt, die regionale, die lokale Ebene müssen ein gewichtiges Wort mitsprechen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Volker Reifenberger ist der nächste Red­ner. – Bitte.


18.38.49

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Zuseher! Hohes Haus! Wir befür­wor­ten diesen Antrag inhaltlich und werden diesem daher auch unsere Zustimmung erteilen. Wir sehen ihn deshalb positiv, weil es aus unserer Sicht damit zu einer Entpolitisierung dieser Debatte kommt und die Diskussion auf eine fachliche Ebene gehoben wird, so wie wir das aus dem gewöhnlichen Denkmalschutz kennen, wo auf der einen Seite das Bundesdenkmalamt und auf der anderen Seite die Eigentümer beziehungsweise Ge­bietskörperschaften stehen.

Aus unserer Sicht ist es unumgänglich, auf das Bundesdenkmalamt mit seiner Expertise zurückzugreifen, auch im Bereich des Unesco-Welterbes. Das Einzige, was uns stört, ist die Frage, warum uns die Regierungsfraktionen wieder – unter Anführungszeichen – „nur“ eine Entschließung vorlegen. Warum legen Sie uns keinen fertigen Gesetzentwurf zur Abstimmung vor? Sie hätten längst die Möglichkeit gehabt, die eigene Staats­sekre­tärin zu fragen beziehungsweise die Legistik im Kulturministerium um einen solchen Entwurf zu bitten.

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder brauchen Sie quasi ein Druckmittel, einen parlamentarischen Mehrheitsbeschluss als Druckmittel gegenüber Ihren eigenen Parteifreunden, oder aber – und das wird es wohl sein – Sie zünden wieder einmal eine Blendgranate, um irreführend eine Aktivität darzustellen und von anderen Problemen entsprechend abzulenken. Dieses Spiel kennen wir aber inzwischen zur Genüge.

Erlauben Sie mir als Juristen und leidenschaftlichem Parlamentarier aber auch eine formelle Anmerkung zu diesem vorliegenden Entschließungsantrag: Die Regierung kann nicht für etwas „gesetzlich [...] Sorge [...] tragen“, wie das wortwörtlich in diesem Ent­schließungsantrag steht. In Österreich haben wir noch die Gewaltentrennung und für Gesetze sind immer noch die gesetzgebenden Körperschaften, also in diesem Fall das Parlament, zuständig. Die Regierung ist eben nicht das Parlament, auch wenn sich unsere derzeitige Regierung bei dieser Trennung in der Praxis etwas schwertut. Üb­licher­weise werden solche Anträge daher so formuliert, dass die Regierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Vielleicht ist das aber, um Bundeskanzler Kurz zu zitieren, auch nur eine „juristische Spitzfindigkeit“. (Beifall bei der FPÖ.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 199

18.41.27

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! „Sorge zu tragen“ – das ist natürlich ein weites Wort. Sie können es so oder so interpretieren, Herr Kollege Reifenberger. Dieses Gesetz, das wir hier zu initiie­ren versuchen, ist sicherlich eine sehr begrüßenswerte Sache, wiewohl ich zugestehen muss, dass Kollege Schellhorn bei der Diskussion Skepsis geäußert hat. Wir haben das besprochen. Kollege Schellhorn hat in seiner skeptischen und sehr klugen Art und Weise gemeint, dass damit unter Umständen ein Hemmnis für die neue Architektur, die sich entwickeln könnte, entsteht. Da könnten Hemmungen vorhanden sein. Es könnte sein, dass dann die Kulturlandschaft Österreichs gleichsam eingefroren wird und kein Platz für Neues wäre.

Meine Gegenskepsis war: Ist es tatsächlich so, dass wir derzeit Architekten im Stile des Barock haben, als man sagte: Alles Gotische können wir einfach weglassen, weil wir das Bessere, das Schönere, das Größere haben und es wagen und hinausgehen!? Ich meine, jeder Künstler schafft ein Universum. Er schafft nicht irgendeine Kirche oder so etwas, er macht ein ganzes Universum. Das muss halt so sein. Haben wir aber noch diese große Kunst?

Insofern ist es vielleicht doch besser, dass wir diese Verankerung des Unesco-Welt­kulturerbes im Bundesdenkmalamt begrüßen, das Bundesdenkmalamt also mit dieser Aufgabe betrauen. Dieses wird auch sehr gut für die Sichtachsen, die Kollege Troch erwähnt hat, sorgen. Auch hier im Plenarsaal werden wir ja bald bessere Sichtachsen haben, wenn dann die  Glasscheiben wegkommen und ich alle sehe, die mir hier zuhören oder auch nicht.

Ich möchte vielleicht bezüglich des Kollegen Schellhorn noch sagen: Er ist ja für mich – komischerweise ist ja von den NEOS die Verabschiedung etwas dürr gewesen (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Was ... Sie da behaupten?!) – wirklich einer der interes­santesten und spannendsten Gesprächspartner gewesen. (Abg. Loacker: ... verab­schieden! Diese oberlehrerhafte Art können Sie sich jetzt schenken ...!) – Herr Kollege Loacker, ich wollte Herrn Kollegen Schellhorn hier nur seine Ehre wiedergeben. (Zwi­schenruf des Abg. Rauch. – Abg. Hörl: Die ihm die NEOS genommen haben! – Zwi­schen­ruf bei den NEOS.)

Es ist so, er hat mit mir doch einiges besprochen. Kollege Schellhorn ist ein sehr sen­sibler Mensch, ein großer Freund von Thomas Bernhard. Frau Kollegin Blimlinger, wenn dann die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt worden sein wird, können wir einen neuen Antrag stellen, dass der Karl-Renner-Ring in Thomas-Bernhard-Ring umbenannt wird. Thomas Bernhard hat interessanterweise nämlich in Wien gar keine Straße, keinen Platz, gar nichts.

Wie dem auch sei: Er ist ein großer Verehrer von Thomas Bernhard und spricht hier jetzt leider nicht mehr mit uns. Mit seinen Ideen und seinen Vorstellungen war er meiner Meinung nach wirklich ein großes und starkes Element. Er ist höchstwahrscheinlich weggegangen, weil er natürlich für sein Hotel in Goldegg arbeiten muss, vielleicht aber auch deshalb, weil ihm gewisse Dinge, die bei den NEOS passiert sind, nicht so gefallen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Unterstellung! – Abg. Brandstötter: Hören Sie ...!) Wenn ein Herr Shetty zum Beispiel erklärt: Da sind die rechten Hetzer, und er zeigt auf die ÖVP (Zwischenruf des Abg. Shetty), dann ist das vielleicht etwas, das sein sensibles Gemüt etwas gestört hat – und das wohl mit Recht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstötter: Überhaupt kein Benehmen! – Abg. Hörl: Demontage als Stellvertreter! – Zwischenruf des Abg. Rauch.)

18.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 200

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte.


18.45.00

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers, soll Gustav Mahler einst gesagt haben. Selbiges gilt auch für das Welterbe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Das Kultur- und Naturerbe zählt zu den unschätzbaren und unersetzlichen Gütern nicht nur jedes Volkes, sondern der ganzen Menschheit. Das Unesco-Weltkulturerbe, das Welterbestätten schützt, ist ein internationales Übereinkommen zwischen derzeit 193 Vertragsstaaten, das bereits seit 1972 besteht. Österreich hat es im Jahr 1992 unterzeichnet. Die Welterbekonvention hat in Österreich einfachen Gesetzesrang – das hat Kollegin Blimlinger schon erwähnt – und ist unmittelbar anwendbar, ohne dass sie in nationales Recht umgewandelt wurde.

In unserem Land befinden sich insgesamt zehn Stätten des Welterbes, darunter mit dem historischen Stadtzentrum von Graz auch die Landeshauptstadt meines Heimatbundes­landes. Mit der Unterzeichnung verpflichtete sich Österreich, die innerhalb seiner Gren­zen gelegenen Kultur- und Naturerbestätten mit außergewöhnlichem, universellem Wert zu schützen und zu erhalten und im Rahmen des Übereinkommens internationale Hilfe und Unterstützung zu leisten. Im Februar 2019 präsentierte der Internationale Rat für Denkmalpflege einen Prüfbericht, das sogenannte Heritage Impact Assessment. Darin sind ganz klare Empfehlungen formuliert, was seitens der Republik zu tun sei, um den Status Welterbe langfristig zu bewahren.

Wie im Regierungsprogramm vorgesehen, soll es nun zu Verbesserungen in gleich zwei Punkten kommen: einerseits die Erwähnung des Unesco-Welterbes als Bestandteil öffentlichen Belangs im österreichischen Denkmalschutzgesetz, andererseits die Ergän­zung des Denkmalschutzgesetzes hinsichtlich der aktiven Anwendung des Ensemble­schutzes, des Schutzes von kulturhistorisch bedeutenden Sichtachsen sowie der Erhal­tungspflicht von Denkmalen. Damit wird auf die Bedeutung bestehender und künftiger Welterbestätten hingewiesen und seitens des Bundes ein klares Signal gesendet. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Als Pädagogin und Kulturinteressierte ist mir auch die Bildung unserer Kinder im Bereich der Kunst und Kultur eine Herzensangelegenheit. Es ist mir wichtig, dass unsere Schü­lerinnen und Schüler für Kunst und Kultur begeistert werden und ihnen das kulturelle Erbe nähergebracht wird. Ich weiß, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer auch in diesem Bereich sehr viel leisten – ein herzliches Dankeschön dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Bürstmayr und Disoski.)

An dieser Stelle möchte ich allen Schülerinnen und Schülern – ich hoffe, Sie gestatten mir das – und auch allen Lehrerinnen und Lehrern mit ihren Schulleitungen, die in die­sem Schuljahr Großartiges geleistet haben, einen schönen und erholsamen Sommer wünschen.

Meine Damen und Herren, Österreich ist eine großartige Kulturnation und darauf können wir stolz sein. Wir haben grandiose Künstlerinnen und Künstler in unserem Land. Per­sönlich freue ich mich ganz besonders auf einen veranstaltungsreichen Sommer nach dieser schwierigen Zeit der Pandemie. Es freut mich sehr, dass auch in meinem Heimatbezirk, in der Südoststeiermark, im Bereich Kunst und Kultur viel geboten wird. Es ist schön, dass es viele Menschen gibt, die das möglich machen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.48


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 201

18.48.46Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 12 und 13


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Gut, dann gehe ich auch so vor.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler geändert wird, samt Titel und Eingang in 956 der Beilagen. (Abg. Hörl:  ... Sozis ...! Keine Sozis mehr da!)

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustim­mung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13, die dem Ausschuss­bericht 957 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Welterbe im Denk­malschutzgesetz“.

Wer dieser Entschließung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist ein­stimmig so angenommen. (196/E)

18.50.2014. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (940 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (994 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (942 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird (995 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 14 und 15, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Frau Bundesministerin und den Herrn Staatssekretär im Hohen Haus und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Gerhard Deimek das Wort. – Bitte.


18.51.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Herr Staatssekretär! Die zwei Gesetzentwürfe, die wir heute beschließen, sind zwar „kleine“ – unter Anführungszeichen –, aber auch feine Gesetze.

Zum ersten, dem Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird: Ja, es gibt ein paar Änderungen rund um die Bestimmungen mit der Zuverlässigkeitsprüfung, vor allem wichtig ist auch die Schaffung einer neuen Bestimmung zur Einführung eines Zentralen Luftfahrthindernisregisters. Das ist nämlich immer wieder das Spannende: Wo sind wirklich welche Hindernisse?, Wo kann man sozusagen mit dem freien Flug


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 202

entsprechend arbeiten?, und dieses Register ist insofern wichtig, als die Nutzung wirklich dezentral bei den Nutzern beziehungsweise Bürgern ankommt, auch, wenn es, wie in diesem Fall, über den Behördenweg ist. Was auch noch wichtig ist, ist das rückwirkende Inkrafttreten des Rahmenvertrags mit dem Aero-Club.

Zu diesem und auch zum zweiten Gesetzentwurf sind zwei grundsätzliche Bemerkungen zu machen: Es sind teilweise Umsetzungen von EU-Verordnungen, und spannend war vor allem die Einbindung: Wie wird der Zivilluftfahrtbeirat, wie wird der Aero-Club eingebunden, und wie werden wir als Parlamentarier eingebunden? Die Begutachtung war sehr kurz, der Staatssekretär hat das aber insofern ausgeglichen, als er das Ganze mit seiner Mitarbeiterin direkt in Gesprächen mit den Fraktionen gelöst hat. – So weit okay, perfekt.

Beim zweiten Gesetz, dem Flughafenentgeltegesetz, gibt es ein paar Dinge, die weder mit dem Aero-Club beziehungsweise unserem Vertreter noch mit den Einwendungen des Kollegen Hafenecker abgestimmt wurden. Diese wären uns wichtig gewesen, wir sagen daher bei dieser Novelle Nein. Eine Korrektur in den kommenden Jahren kann ja jederzeit durchgeführt werden. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Astrid Rössler. – Bitte.


18.53.40

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Die gegenständliche Novelle zum Luftfahrtgesetz enthält, wie schon ausgeführt wurde, eine Reihe von technischen Anpassungen, Umsetzung von Unionsrecht, aber doch auch einige sehr interessante und wichtige inhaltliche Änderungen, auf die ich hier kurz eingehen möchte.

Es geht einerseits um die Luftfahrthindernisse. Da wird ein Register eingerichtet, das auch entsprechend zugänglich ist. Im Bereich der Sicherheitszone gibt es aber eine wichtige Änderung: Viele wissen, rund um Flughäfen sind die Sicherheitszonen doch recht beachtlich und auch unterschiedlich nahe an Siedlungsgebieten, und da ist eine wichtige Änderung, dass Fotovoltaikanlagen und Solaranlagen, die bisher genehmi­gungs­pflichtig waren oder bezüglich derer auch gewisse Unklarheiten bestanden haben, jetzt bis 100 Quadratmeter Größe bewilligungsfrei gestellt worden sind, das heißt, es braucht künftig keine Bewilligung nach dem Luftfahrtgesetz mehr – wieder ein Teil, um zu erreichen, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien nicht durch zusätzliche Genehmigungsverfahren gebremst werden können.

Der zweite, wichtige Teil betrifft auch Anrainerrechte und die Kommunikation mit An­rainern. Es gibt oft Streitfälle über mögliche Lärmbelastungen, jetzt wird mit diesem Gesetz festgeschrieben, dass alle Flughäfen zumindest ein Mindestmaß an Lärmmes­sungen durchführen lassen – das ist ein Auftrag an die Halter der Flughäfen – und diese Messungen auch entsprechend veröffentlichen müssen. Eine ganze Reihe von Flug­häfen in Österreich hat das schon, aber damit ist festgeschrieben, dass es für alle Flughäfen verpflichtend ist; es dient einfach auch der Offenlegung und Klarlegung. Aus meiner Sicht ist auch die Veröffentlichung von Flugspuren ein Schritt, der noch kommen wird und ebenfalls der Klarheit dient.

Der dritte Teil, den ich aus Sicht der möglichen Anrainerbelästigungen oder Betroffe­nen­belästigungen auch für sehr beachtlich und wichtig halte, sind die zivilen Luftfahrt­veranstaltungen. Bisher waren diese Veranstaltungen nur aus dem Fokus der öffent­lichen Sicherheit oder der Luftfahrtsicherheit genehmigungspflichtig, jetzt ist mitaufge­nommen, dass eine Bewilligung auch explizit versagt werden kann, wenn damit eine unverhältnismäßige Lärmbelastung für die betroffene Bevölkerung verbunden ist. Es gibt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 203

tatsächlich zahlreiche Beschwerden, dass oft Veranstaltungen ohne Einbeziehung der entsprechenden Region zu einer ziemlichen Lärmbelastung führen. Das kann künftig erstmals ganz konkret aus Gründen der Lärmbelastung untersagt werden – eine ganz wichtige Verbesserung.

Daher ersuche ich um breite Zustimmung zu dieser Luftfahrtgesetznovelle. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


18.56.52

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen diesen beiden Vorla­gen der Regierung zu, dem Luftfahrtgesetz, weil es sich um sinnvolle Erweiterungen handelt, die die Sicherheit erhöhen, und wir stimmen dem Flughafenentgeltegesetz zu, weil es unbedingt nötig ist, um die Finanzierung unserer Flughäfen, die von der Corona­krise hart getroffen worden sind, sicherzustellen.

Eine langfristige Zukunft unserer Flughäfen wäre am besten abgesichert gewesen, wenn wir eine starke AUA hätten. Das haben wir leider ein bisschen versemmelt, das ist der Bundesregierung nicht gelungen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wir gehen davon aus, dass die Passagierzahlen und damit die Finanzierung bis 2024 nicht das Vorkrisen­niveau erreichen werden, und das bedeutet für diese Arbeitsplätze durchaus Probleme. Weil es die Regierung Kurz nicht geschafft hat, eine Standortgarantie abzugeben, wird das Thema der Flughäfen und der Absicherung für uns ein Thema bleiben.

Vorige Woche ist der Bericht des Europäischen Rechnungshofes zum Umgang der Flugwirtschaft mit dem Thema, wie man eben mit Corona umgegangen ist, ob die Kon­sumentinnen und Konsumenten die ausgefallenen Flüge und die Kosten ersetzt bekom­men haben, erschienen. Da moniert der Europäische Rechnungshof, dass die Regie­rungen der Länder – nicht nur Österreich, aber auch Österreich – keine Vereinbarungen zur Finanzierung der Luftfahrt getroffen haben und nicht die Bedingung aufgenommen haben, dass den Kundinnen und Kunden ausgefallene Flüge rechtzeitig ersetzt werden müssen. – Herr Staatssekretär, ich glaube, es wäre wichtig, da noch einmal nach­zusetzen, damit jene Fluglinien, die in Österreich die Konsumentinnen und Konsumen­ten nicht für durch Corona ausgefallene Flüge entschädigt haben, da noch etwas tun.

Ein weiteres Element möchte ich noch anmerken und Sie bitten, Herr Staatssekretär, dass wir da einen Schritt tun: Die ganze Coronasituation macht auch den Flugverkehr unklar. Die Touristen wissen nicht: Wie geht das Fliegen? Wie komme ich an? Wie komme ich zurück? Da besteht einerseits Informationsnotwendigkeit, zweitens wäre es sehr wichtig, eine europäische Regelung zu haben: Wie geht man beim Fliegen, jetzt im Urlaub, mit Corona um?

Ich habe von einem Kollegen, der oft ins Vereinigte Königreich reist, die Information bekommen, dass unser grüner Pass dort nicht funktioniert; das macht Schwierigkeiten. Ich würde bitten, da für die Bevölkerung tätig zu werden, dass es in den nächsten Tagen zu mehr Sicherheit in dieser Frage kommt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Weratschnig.)

19.00


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger ist der nächste Redner. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 204

19.00.30

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Stöger von der SPÖ hat gerade kurz zum Thema der Rettung der AUA gesprochen. Ich glaube, die Republik hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass die Arbeits­plätze zu einem großen, wesentlichen Teil abgesichert werden können. Wir wissen alle nicht, wie schnell sich dieser Markt erholen wird. Ich bin aber guten Mutes, dass diese Beiträge, die wir da geleistet haben, dazu dienen werden, auch diese Arbeitsplätze weiter in Österreich halten zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich danke auch für die voraussichtlich breite Zustimmung zu diesen beiden Gesetzes­änderungen. Diese brauche ich jetzt nicht mehr näher zu erläutern, denn sie wurden hier schon erläutert. Vielleicht darf ich die Gelegenheit nutzen, zur Luftfahrt einmal zwei positive Aspekte einzubringen – es wird ja immer sehr viel Negatives gesagt. Wir stehen natürlich hinter der Erreichung der Klimaziele, und ja, auch die Luftfahrtbranche wird ihren Beitrag dazu leisten müssen. Ich glaube aber, gerade wir in Österreich haben auch die Chance, die Luftfahrt über Forschung und Entwicklung, über Investitionen in diesem Bereich klimafreundlicher zu machen, und das muss ja unser Ziel sein.

Ich komme nun zum zweiten Aspekt. Die Luftfahrt, das Fliegen, verbindet die Menschen. Wir leben Gott sei Dank in einer Welt, in der wir uns auch kulturell austauschen können. Ich habe in meiner Jugend das Privileg gehabt, weite Reisen mit dem Rucksack, aber auch mit dem Flieger unternehmen zu können. Ich bin heute sehr dankbar dafür, dass ich viele Teile der Welt bereisen konnte, weil sie mich und mein Leben bereichert haben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt, den wir bei diesem Thema nicht vergessen dürfen. Das heißt wirklich, Reisen bildet, verbindet.

Das Zweite ist, dass wir in Österreich die Chance haben, in diesem Bereich über For­schung und Entwicklung eine gewisse Führerschaft zu übernehmen. Das wäre auch mein Appell, Frau Bundesministerin, dass wir wirklich als Republik unseren Beitrag für die Forschung in diesem Bereich leisten, dass das Fliegen in Zukunft CO2-freundlicher wird und damit aber auch einhergeht, dass wir weiter ferne Länder bereisen können, um uns auch alle selber weiterzuentwickeln. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr. Johannes Margreiter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.03.21

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Ich möchte mich den Worten von Kollegen Ottenschläger anschließen und auch dafür danken, dass er hier eine Lanze für die Luftfahrt gebrochen hat, die doch ein sehr wesentlicher Teil unserer menschlichen Zivilisation ist. Auch ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es möglich ist, auch in Zeiten, in denen wir hohen Anforderungen ausgesetzt sind, was den Klimaschutz betrifft, den Luftverkehr doch aufrechtzuerhalten.

Luftverkehr ist natürlich ein extrem sicherheitssensibles Thema, und zwar in beiden Aus­formungen der Sicherheit, Security einerseits, Safety andererseits, und die vorliegende Änderung des Luftfahrtgesetzes geht auf diese Aspekte sehr gut ein. Wir werden also grundsätzlich dieser Gesetzesnovelle die Zustimmung erteilen und auch dem zweiten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 205

vorliegenden Paket – auch da einen Dank an das Kabinett des Staatssekretärs, an Frau Mag. Wüster, die sich die Zeit genommen hat und damit die kurze Begutachtungsfrist doch kompensiert hat, weil sie uns genau die wesentlichen Punkte der Gesetzes­ände­rung erläutert hat. Da ist nichts einzuwenden – das sind Fortschritte. Es gibt ein Luft­fahrthindernisregister. Es werden die Bestimmungen in das Gesetz implementiert, die wegen der unbemannten Flugkörper notwendig sind.

Einen Punkt möchte ich aber doch aufbringen, und der veranlasst mich auch, einen Abänderungsantrag zu stellen. Es geht konkret darum, dass natürlich, weil die Luftfahrt sehr sicherheitssensibel ist, grundsätzlich sehr viele Bewilligungen notwendig sind, um überhaupt Luftfahrzeuge – seien sie bemannt oder unbemannt – betreiben zu können, und diese Bewilligungen werden unter Auflagen befristet erteilt. Es kann da natürlich sein, dass der Bewilligungswerber mit diesen Auflagen nicht einverstanden ist und sich daher veranlasst sieht, Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu erheben. Das hat aber die unangenehme Folge, dass der Bescheid, wenn er eine Beschwerde erhebt, nicht rechtskräftig werden kann, und damit sind ihm die Hände gebunden und er kann gar nichts machen.

Wir schlagen da eine analoge Regelung vor, wie sie auch in der Gewerbeordnung vorkommt, dass man eine erteilte Bewilligung trotzdem, obwohl man dagegen Be­schwerde erhoben hat, ausüben kann, unter den Auflagen, die in der Beschwerde drin­nen sind, und dann besteht eben eine Frist, damit das Gericht entscheiden kann. Man braucht da nicht ewig zu warten, weil die Entscheidungszeiten mitunter recht lang sind.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage 940 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (940 d.B.) wird wie folgt geändert:

Nach Z 40 wird folgende Z 40a eingefügt:

„40a. Nach § 10a wird folgender § 10b eingefügt:

,§10b. Erteilte Bewilligungen dürfen vor Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungs­beschei­des ausgeübt werden, wenn dessen Auflagen bei der Ausübung der erteilten Bewilligung eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Erkenntnisses über die Beschwerde gegen den Bewilligungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Bewilligungsbescheides an den Beschwerdeführer.‘“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 206

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (940 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (994 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (940 d.B.) wird wie folgt geändert:

Nach Z 40 wird folgende Z 40a eingefügt:

"40a. Nach § 10a wird folgender § 10b eingefügt:

"§10b. Erteilte Bewilligungen dürfen vor Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungs­beschei­des ausgeübt werden, wenn dessen Auflagen bei der Ausübung der erteilten Bewilligung eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Erkenntnisses über die Beschwerde gegen den Bewilligungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Bewilligungsbescheides an den Beschwerdeführer.""

Begründung

Nach der derzeitigen Rechtslage führt eine Beschwerde gegen eine überschießende Auflage oder die zu kurze Dauer einer erteilten Bewilligung gem. § 13 Abs. 1 VwGVG dazu, dass die erteilte Bewilligung wegen der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde solange nicht ausgeübt werden darf, bis das Bundesverwaltungsgericht über die einge­brachte Beschwerde entschieden hat. Da das BVwG wegen der zahlreichen Asylfälle sehr überlastet ist, bedeutet dies erfahrungsgemäß eine Wartefrist von etwa einem Jahr. Obwohl die ACG bei Beschwerden gegen offensichtliche Rechtswidrigkeiten in den angefochtenen Bescheiden diese durch eine rasche stattgebende Beschwerdevorent­scheidung sanieren könnte, nutzt sie diese Reparaturmöglichkeit generell nicht, sondern legt die Beschwerden immer ohne Stellungnahme dem BVwG vor und hofft darauf, dass die lange Wartezeit bis zur Entscheidung durch das BVwG zu einer Zurücknahme der Beschwerden führt. Dies war in den vergangenen Jahren leider auch mehrmals der Fall.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner. – Bitte, Herr Staats­sekre­tär.


19.07.20

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Die Luftfahrt – wir haben das gehört – war zuerst von der Krise betroffen, war am stärksten betroffen und wird wohl auch noch am längsten von der Krise betroffen sein.

Wir hatten – nur um ein paar Zahlen zu nennen – im Jahr 2020 einen Passagierrückgang von über 70 Prozent. Das Passagieraufkommen, also die Verkehrsbewegungen, im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 207

Jahr 2021 war nur bei circa 30 Prozent des Vorkrisenniveaus, also das sind dramatische Einbrüche. Die wirtschaftliche Leistung wurde halbiert. Man sieht da schon, welche Auswirkungen die Coronapandemie insgesamt auf die Luftfahrt – auf die Flughäfen, auf die Airlines – gehabt hat. Erfreulich dabei ist, dass die Kurzarbeit sehr stark gegriffen hat. Alle Unternehmen im Luftfahrtbereich konnten über 95 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund der Kurzarbeitsregelungen halten, also das ist das Positive dabei.

Heute geht es um zwei Luftfahrtgesetze, die auf den ersten Blick – das wurde am Anfang gesagt – vielleicht nicht so spannend klingen, aber auf den zweiten Blick nicht ganz so unwichtig sind. Das ist zum einen das Flughafenentgeltegesetz. Das Flughafenent­gelte­gesetz ist für die Finanzierung der Flughäfen in Österreich ganz, ganz wichtig. Es ist auf der einen Seite natürlich für das Drehkreuz Wien-Schwechat, aber auf der anderen Seite auch für die Regionalflughäfen ganz entscheidend.

Vielleicht nur ganz kurz zur Erklärung, worum es dabei geht: Es wären die Einnahmen, also die Flughafenentgelte, aufgrund der Krise – nämlich dann, wenn die Passagier­zahlen vom Covid-Niveau wieder steigen – nach unten gegangen, nämlich um 45 Pro­zent nach unten gegangen, was dazu geführt hätte, dass die Flughäfen erstens keine Planungssicherheit mehr gehabt hätten und zweitens überhaupt ein Riesenfinanzie­rungs­loch vorgefunden hätten. Mit dieser Änderung der Formel, die Sie heute mit der Gesetzesänderung beschließen, kann dieser Rückgang um 45 Prozent eingedämmt werden.

Das ist gut für die Planbarkeit, das ist gut für die Arbeitsplätze, weil natürlich diese Regionalflughäfen auch für die regionale Wirtschaft ganz entscheidend sind. Es gibt eine Studie von Prof. Helmenstein, die besagt, dass die Direktinvestitionen aus dem Ausland für Regionen ganz stark von dem Vorhandensein eines regionalen Flughafens abhän­gen. Man sieht da also schon, was für eine Bedeutung diese regionalen Flughäfen für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region in Österreich haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Beim Luftfahrtgesetz – das wurde bereits erwähnt – geht es hauptsächlich natürlich auch um Anpassungen an europäisches Recht. Es geht um das Drohnenregulativ. Im Droh­nenbereich wurde das Drohnenregulativ der EU angewandt. Das bedeutet, dass dieses Drohnenregulativ auch auf Sicherheitskräfte, auf Einsatzorganisationen angewendet werden kann. Ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt.

Lärmschutzmaßnahmen und ein paar andere Anpassungen wurden bereits erwähnt. Mir ist auch ganz wichtig – sozusagen als Ergänzung zum gestrigen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz –, dass diese administrativen Erleichterungen für Solar- und PV-Anlagen, dass es keine Genehmigung mehr nach dem Luftfahrtgesetz braucht, auch hier Niederschlag gefunden haben. Ich glaube, das ist ein sehr guter Tag, was die Erleichterungen für solche Anlagen, für Erneuerbare-Energie-Anlagen betrifft.

Ich darf noch ganz kurz auf die Anmerkungen des Abgeordneten Stöger eingehen. Zwei Punkte: Der eine betraf die Entschädigungsfrage. Das ist sehr wichtig; mit diesem LFG heute haben wir auch die Rechte der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte gestärkt. Ich glaube, dass das genau in diesem Sinne ist und das Problem doch etwas entschärft, das Sie angesprochen haben, weil diese Agentur jetzt auch wirklich Parteistellung in solchen Verfahren hat. Natürlich haben wir in der Krise, als dieses Problem mit den Rückzahlungen aufgekommen ist, sofort auf die Austrian Airlines, aber auch auf alle anderen Unternehmen im Luftfahrtbereich dahin gehend eingewirkt, dass diese Rückzahlungen schneller erfolgen. Das hat, glaube ich, schlussendlich auch zum Erfolg geführt. Wir sind betreffend Rückzahlungen durch die Airlines im europäischen Schnitt jetzt auf einem sehr gutem Weg.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 208

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, ist der grüne Pass – mit Großbritannien. Na ja, das ist natürlich schon ein Problem, Großbritannien ist nicht mehr Mitglied der EU. EU-weit gibt es Regelungen, aber in Großbritannien halt nicht. Da können wir jetzt wenig dafür, dass die Briten aus der EU ausgetreten sind. Mir tut es persönlich leid, aber das ist jetzt nicht unbedingt unsere Aufgabe. Aber ich verstehe das. Wir haben uns des­wegen auch für die Aufhebung der Landeverbote eingesetzt, die Mitte Juni Gott sei Dank aufgehoben worden sind. Das bedeutet jetzt noch nicht, dass man in Hochrisikoländer, wie Großbritannien eben, einfach so ohne Quarantäne einreisen kann. Diese bleibt natürlich bestehen, ist aber eher ein Großbritannienproblem als ein Österreichproblem. Außerdem ist für die Einreisebestimmungen das Gesundheitsministerium zuständig, aber wir setzen uns gerne im Gesundheitsministerium dafür ein, dass es da auch zu Erleichterungen kommt.

Ja, insgesamt gesehen ist es so, dass beide Gesetze, glaube ich, ganz wesentliche Schritte hin zu einer Stärkung des Luftfahrtstandortes Österreich sind. Wir haben es vorhin gehört, es ist im regionalen Wirtschaftsumfeld ganz entscheidend, solche Flug­häfen zu haben, auch das Drehkreuz Wien als Hub in die Welt hinaus – Abgeordneter Ottenschläger hat es erwähnt –, als Verbindung in die Welt hinaus. Wir müssen ja auch in die Welt hinauskommen, um vielleicht auch ein bisschen unseren Horizont zu erwei­tern. Also ganz entscheidend ist, dass dieses Drehkreuz Wien bestehen bleibt – auch im Sinne von Arbeitsplätzen am Standort Österreich an den Flughäfen, aber auch für die Airlines. Da ist es ganz wichtig, dass dieser Luftfahrtstandort Österreich entsprechend gestärkt wird.

Dazu noch Regelungen im Sicherheitsbereich und auch den Lärmschutz betreffend: Also ich glaube, auf den ersten Blick ist das zwar vielleicht etwas unspektakulär, aber auf den zweiten Blick sind das sehr wichtige Entscheidungen, die Sie heute hier treffen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig gelangt zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.13.48

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Abgeordnete! Zwei Themen wurden bereits vom Herrn Staatssekretär erwähnt, die auch uns Grünen sehr wichtig erscheinen. Das ist zum einen: Das Thema Lärm wird bei zukünftigen Flügen in den Flughafenentgelten stärker berücksichtigt. Das zweite, aus meiner Sicht sehr wichtige Thema, vor allem was die Wiener Situation betrifft, ist, dass es betreffend die An- und Abflugrouten in Zukunft eine stärkere Einbindung der Anrai­nerInnen gibt. Da gibt es einen guten Austausch mit der ACG, diesbezüglich werden wir auch weiterarbeiten.

Zum Thema Lärm: Die Grundlage wird hier im LFG mit regelmäßigen und vergleichbaren Lärmmessungen auf allen Regionalflughäfen und in Wien gelegt. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass gerade in Wien und in Innsbruck bereits Lärmmessungen auf freiwilliger Basis erfolgen. Ich glaube, jetzt ist es wichtig, dass die Grundlage dafür auch im Gesetz enthalten ist.

Was den Luftraum Wien betrifft, ist es aus unserer Sicht schon wichtig zu betonen, dass der Luftraum Wien klimaverträglicher und lärmverträglicher für die AnrainerInnen werden sollte. Das ist eine Zielsetzung, die wir bei allen Gesetzen gestellt haben, die in Zukunft erarbeitet werden, was den ökologischen Schwerpunkt betrifft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 209

Was Frau Bundesministerin Gewessler aufgezeigt hat, ist auch die Tatsache, dass Inlandsflüge durch ausgebaute, durch gut ausgebaute Bahnverbindungen, insbesondere gute Tagesrandverbindungen ersetzt werden können. Ich glaube, das Wesentliche im Luftverkehr ist, dass betreffend Inlandsflüge, gerade von Salzburg (Zwischenruf des Abg. Rauch), Herr Kollege Rauch, und auch von Graz entsprechende Maßnahmen getroffen werden. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich möchte damit eine Lanze für die Nachtschiene brechen, die neben dem Luftverkehr – und nicht immer nur statt, sondern beides sind ganz wichtige Bausteine – nach Brüssel, nach Paris, nach Berlin, nach Amsterdam, nach Hamburg, nach Rom besteht. Das sind, glaube ich, wichtige Verbindungen, die wir stärken. Wir setzen hier europäische Maß­stäbe, indem wir mit den Österreichischen Bundesbahnen diese Nachtschiene wieder beleben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ja, es wird in Zukunft mit dem Auto gefahren, geflogen, mit der Bahn gefahren, geradelt, zu Fuß gegangen werden. Das schließt sich nicht gegenseitig aus. Es braucht in Zukunft, wenn wir klimaverträglich unterwegs sind, einen guten Mix. Auf diesen Mix kommt es an, gerade die Bahn bietet hier, glaube ich, sehr viele Alternativen.

Inlandsflüge sind keine Ideologie, Herr Kollege Rauch, sondern im Grunde genommen ersetzbar. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Das ist nämlich Hausverstandspolitik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Sinne der Kostengerechtigkeit im Luftverkehr ist mir eines noch wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, nämlich gerade heute, Frau Ministerin, die Erwähnung, dass ge­meinsam mit Luxemburg und Belgien ein wesentlicher Schritt in Richtung europäische Kostengerechtigkeit, nämlich was die Kerosinbesteuerung anbelangt, gemacht werden kann. Ich glaube, das ist ein wesentlicher und richtiger Schritt. Wir wissen, dass es da eine europäische Lösung und einen europäischen Vorschlag braucht.

Zuallerletzt: Lassen wir uns auf neue Wege ein! Ersetzen wir Flugkilometer dort, wo es gut geht, und reisen und fliegen wir trotzdem mit einem Flugzeug in den Urlaub! Das ist kein Verbot, sondern: Das, was wir haben, sollen wir nutzen (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), klimaverträglich und auf jeden Fall im Bewusstsein, dass es mit voller Energie eine Mobilitätswende braucht, wer auch immer wo unterwegs ist. Ich wünsche allen eine gute Bahnfahrt, einen guten Flug und eine sichere Autofahrt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.18.17

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Meine Kollegen haben jetzt schon sehr profund ausgeführt, was mit den beiden Gesetzen umgesetzt werden soll. Ich möchte Sie jetzt noch ein bisschen in Sommer­stimmung versetzen. Flughäfen sind die Tore zur Welt. Lehnen Sie sich jetzt einfach zurück (Beifall des Abg. Hörl), und im Angesicht der kurzen Sommerferien oder der kurzen Ruhepause, die wir vielleicht haben werden, die wir morgen starten können, stellen Sie sich einfach dieses Gefühl vor, wenn man weiß, man darf eine Reise antreten, man kann zum Flugplatz fahren, dieses kribbelnde Gefühl, das man da hat, und zieht den Koffer hinter sich her und denkt sich: So, und jetzt habe ich einmal eine Woche frei! Ich glaube, das können wir alle sehr gut nachvollziehen.

Leider ist uns dieses Gefühl in den letzten Monaten beziehungsweise in den letzten eineinhalb Jahren aufgrund der Coronapandemie abhandengekommen. Ich glaube, wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 210

können uns jetzt alle wieder freuen. Ich will jetzt gar keine Diskussion mit den Kollegen anfangen, aber, ob wir jetzt mit der Bahn reisen, ob wir vielleicht fliegen oder mit dem Auto fahren oder einen Radlurlaub machen, ich glaube, es haben alle Möglichkeiten, zu reisen, nebeneinander Platz. Herr Kollege Rauch hat sich ganz furchtbar aufgeregt, dass Kollege Weratschnig die Bahn angepriesen hat. (Abg. Rauch: Ich habe mich nicht furchtbar aufgeregt, ich habe nur die Wahrheit gesagt!)

Ich sage Ihnen einen Grund, warum die Bahn auf Kurzstrecken gerade für Menschen wie uns, die wir ständig zwischen West- und Ostösterreich hin und her müssen, schon ihre Vorteile hat – ich bin zwar auch sehr lange geflogen, stehe aber jetzt nicht an, zu sagen, dass ich mittlerweile sehr von der Bahn überzeugt bin –: Man kann in der Bahn einfach super arbeiten.

Ich verstehe aber auch, was Sie (in Richtung Abg. Rauch) meinen, denn wenn Men­schen zum Beispiel in den Urlaub fliegen und Anschlussflüge haben möchten, dann sind natürlich auch Kurzflüge durchaus sinnvoll und für viele auch bequemer, als noch einmal umsteigen zu müssen. Ich glaube, man könnte sich da in der Mitte finden, wenn man möchte. (Abg. Rauch: Wenn es diese Kurzstreckenflüge nicht mehr gibt, ist das Dreh­kreuz Wien Geschichte!) – Sie können ja dann herauskommen und Ihre Meinung kundtun, bitte gerne (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie bei den Grünen – Abg. Rauch: Komm ich noch!), und dann wird sicher die Frau Ministerin in angemessener Form darauf replizieren. Davon gehe ich ganz sicher aus.

Insgesamt sind wir uns aber einig, die letzten eineinhalb Jahre waren für die Flughäfen nicht leicht. Die Passagierzahlen sind stark zurückgegangen, das hat der Herr Staats­sekretär schon gesagt. Im ersten Quartal 2021 gab es im Vergleich zur Vorkrisen­situation ungefähr 30 Prozent Passagieraufkommen. Da kann sich natürlich jeder vor­stellen, dass es den Flughäfen momentan wirtschaftlich nicht gut geht.

Umso wichtiger ist es, dass wir das Flughafenentgeltegesetz jetzt mit einer Sonder­bestimmung ändern. Die Formel, wie sich dieses Entgelt zusammensetzt, wird jetzt einmal auf jeden Fall befristet geändert, sodass es eben möglich ist, auf die Verkehrs­schwankungen einzugehen, und die Flughäfen finanziell abgesichert werden können.

Alle anderen Dinge, wie die Differenzierungsmöglichkeiten aufgrund des Standortes und aufgrund der Lärmbelastung, haben meine Kollegen schon ausgeführt. Mir bleibt deswegen nur noch eines zu sagen: Ich wünsche Ihnen allen ein paar schöne erholsame Tage und vor allem der gesamten Reisebranche, die in den letzten Monaten so hart getroffen worden ist – damit meine ich auch Reisebüros und -veranstalter, auch die Souvenirverkäufer, die Bahn, die Flughäfen, die Fluglinien –, dass es wieder steil auf­wärts geht und dass dieser Trend anhält. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.22.34

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ja, zu den zwei Gesetzentwürfen wurde schon viel gesagt. Ich schließe mich im Großen und Ganzen meinen Vorrednerinnen und Vorrednern an. Ich möchte aber diesen einen Aspekt noch einmal hervorheben, nämlich die Wichtigkeit der Regionalflughäfen.

Die Änderung des Flughafenentgeltegesetzes ist schon ein entscheidender Schritt, um diese Regionalflughäfen wieder zu stärken. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Der Flughafen Graz ist schon ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftlichen Dynamik in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 211

diesem Raum, und die Region, aus der ich komme, dockt ja unmittelbar auch an diesen Autoclusterbereich an. Der Flughafen ist hier ein entscheidender Mobilitätsstandort und eine Mobilitätsdrehscheibe.

Mit diesem Entgeltegesetz gelingt diesbezüglich eine Absicherung, aber – das ist der zweite Aspekt, den ich hervorheben möchte – ab nun gilt auch: je leiser, desto günstiger und je lauter, desto teurer. Das ist eine wichtige und nachhaltige Entwicklung für die Anrainerinnen und Anrainer der betroffenen Gebiete. Es liegt nun an den Flughäfen, verpflichtende Lärmmessungen durchzuführen und diese Ergebnisse dann in die Entgeltgestaltung miteinzubeziehen.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn wir heute diese beiden rechtlichen Materien mit breiter Mehrheit beschließen, die auch auf das gesamte Drohnengebiet Einfluss nehmen – das ist eine völlig neue Entwicklung.

Wir alle hoffen, dass auch diese Sparte der Mobilität wieder Aufschwung nimmt und das Gesamtkonzert der Mobilität mit Bahn, Bus, Auto und so weiter entsprechend abrunden wird. In diesem Sinne freue ich mich auf eine breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

19.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Irene Neumann-Hartberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.24.33

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Wir haben viel gehört, ich möchte nur noch kurz auf das Flughafen­ent­geltegesetz eingehen. Wir beschließen heute eine Änderung – und das nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil es ein EuGH-Urteil notwendig macht. Bisher hat die Umset­zung der EU-Richtlinie ja sehr gut funktioniert, und die Neuregelung ist ja zuletzt nicht nur deshalb notwendig, weil die Covid-19-Pandemie eine Sonderbestimmung verlangt.

Der Passagierrückgang – wir haben es gehört – hat negative Auswirkungen, und die Anwendung des bisherigen Formelmodells würde eine massive Senkung der Flughafen­entgelte, nämlich um bis zu 40 Prozent, auslösen – und das ist natürlich untragbar. Die Zahl der Flugbewegungen und die Passagierzahlen steigen aktuell wieder an, allerdings wird ein Vorkrisenniveau laut Prognosen der Eurocontrol nicht vor 2024 erreicht sein.

Die Punkte, die in der künftigen Berechnung verstärkte Berücksichtigung finden, wurden auch dargestellt. Es ist zum einen die Fluglärmproblematik, es ist das Standortinteresse und es ist ein Diskriminierungsverbot. Die herangezogenen Kriterien sollen natürlich eine positive Standortentwicklung und viele Umwelt- und Lärmschutzparameter im Blick haben, müssen allerdings geeignet, objektiv und transparent sein. Im Hinblick auf die Reduktion des Fluglärms wird es spätestens ab 1.1.2024 verpflichtende Lärmgebühren­modelle auf allen österreichischen Flughäfen geben. Derzeit gibt es diese ja nur in Wien und Innsbruck.

Abschließend ist natürlich zu sagen, dass die Luftfahrt eine enorme Bedeutung für die österreichische Volkswirtschaft, sprich für die Bruttowertschöpfung unseres Landes, für die Beschäftigung und den Tourismus sowie auch für die regionale Entwicklung hat. Deshalb ist der heutige Beschluss eine Notwendigkeit der Stunde. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 212

19.26.47

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Staats­sekretär! Herr Präsident! Zu diesem Punkt Flughafenentgeltegesetz ist eigentlich fast schon alles gesagt. Wir Tiroler freuen uns natürlich, dass Innsbruck in den nächsten fünf Jahren mit 22 Millionen Euro unterstützt wird. Innsbruck hat ja große Investitionen vor sich – und vor allen Dingen einen sehr unfreundlichen Bürgermeister, der immer wieder den Flughafen Innsbruck infrage stellt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Dann debattieren wir noch das Luftfahrtgesetz, und zum Luftfahrtgesetz ist eigentlich auch schon alles gesagt. Das Luftfahrthindernisregister betrifft auch Hubschrauber, und Hubschrauber sind Geräte, mit denen wir in den Bergen sehr viel arbeiten, Almen und auch Berghütten versorgen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Derzeit sind diese Hubschrauber in einem schweren Einsatz, es wurden nämlich über 200 tote Schafe von 18 Almen ins Tal transportiert. (Heiterkeit bei den Grünen sowie der Abgeordneten Wurm und Loacker.) Das ist ein Missbrauch dieser Geräte, und ich sage euch, lieber Hermann (in Richtung Abg. Weratschnig), liebe Astrid (in Richtung Abg. Rössler) – ihr beide kennt euch auf den Almen aus –, eure grüne Brille färbt sich rot – vom Blut unserer Schafe. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen sowie bei der FPÖ. – Heiterkeit des Abg. Loacker.) Das muss abgestellt werden.

Deshalb hatten wir kürzlich auch im Tiroler Landtag eine Mordsdebatte über den Her­denschutz. Das ist Herdenschutz von der anderen Seite, Frau Bundesminister (ein Bild einer Gämse, die sich in einem roten Zaun verfangen hat, zeigend): ein Gamsbock, der sich in diesem raubwildsicheren Zaun verfangen hat. Der wird zu Tode gezuckt, weil der Elektrostrom erst zu fließen aufhört, wenn die Batterie ausfällt. Das ist Herdenschutz wie ihn ihr Kaltschmid in Tirol verkündet.

Deshalb, Frau Bundesminister, brauchen wir Ihre Hilfe – genau wie bei der Zillertalbahn, bei der ich sehr erfolgreich war. Ermitteln Sie bitte die Zahl der festgestellten Wölfe in den Bundesländern! Lassen Sie sich diese Zahl liefern, dann melden Sie sie nach Brüssel und schauen Sie in Brüssel, dass der Schutzstatus des Wolfs herabgesetzt wird (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie bei der FPÖ – Heiterkeit des Abg. Loacker –Zwischenruf des Abg. Weratschnig), denn dann können wir unsere Hubschrauber wieder dafür einsetzen, wofür wir sie haben: zum Retten, zur Sicherheit, zum Liefern und nicht dafür, tote Schafe vom Berg herunterzufliegen!

Ich verweise auf Frau Mag. Jutta Strele, Tierärztin in Westendorf. Gestern gab es eine große Pressekonferenz des Tourismusverbandes Kitzbühel und Umgebung. (Abg. Eypeltauer: Zur Sache!) Die Frau Doktor hatte gerade diese Schafe geborgen und sagt, dass der Wolf in unserer Kulturlandschaft keinen Platz hat. – Ich sage: Bleibt der Wolf, geht die Alm! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Bitte, Frau Bundesminister, helfen Sie uns in Brüssel, den Rest müssen wir im Land machen! (Zwischenruf des Abg. Weratschnig.) Helfen Sie uns, damit wir unsere Hubschrauber nämlich wieder dafür einsetzen können, wofür wir sie brauchen: zum Retten und zur Sicherheit! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Rauch: Das nennt man ...!)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 213

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

19.29.3416. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (946 d.B.): Bun­des­­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (996 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde auch da verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.29.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Herr Staatssekretär! Ja, wir verhandeln heute das sogenannte Raserpaket. Auf­grund dessen habe ich mir erlaubt, in meiner Umgebung verschiedene Leute mit den Maßnahmen, die jetzt mit diesem Gesetz geplant sind, zu konfrontieren und sie zu befragen, Berufsfahrer, Hausfrauen, die zum Einkaufen fahren, und so weiter, und ich habe – ich will nicht sagen, lustigerweise, aber doch überraschend – von allen in etwa dieselbe Information und dieselbe Auskunft bekommen: Das, was jetzt geplant ist, ist vielleicht ein nettes Paket in grüner Handschrift, aber es ist sicher kein Raserpaket.

Warum? – Wir haben auf der einen Seite deutlich verteuerte Strafen bei kleinen Übertretungen, 30 km/h und so weiter. Natürlich ist es ein Problem, wenn jemand im Ortsgebiet um 30 km/h zu schnell fährt (Zwischenrufe bei den Grünen), aber was ist auf der Autobahn? Auf der Autobahn 30 km/h zu schnell und dafür Strafen bis zu 5 000 Euro? Da lacht Sie jeder Autoraser, jeder „Rennfahrer“ – unter Anführungs­zeichen –, der auf der Strecke zwischen Marchtrenk und Linz oder zwischen Wels und Marchtrenk seine Autorennen fährt, aus. (Abg. Jakob Schwarz: Jetzt nicht mehr!) Der lacht Sie aus, der zahlt die 5 000 Euro mit der linken Hand, wenn nicht mit der grünen Hand.

Was aber nicht passiert, sind ordentliche Strafen mit Führerscheinentzug, und zwar wirklich Führerscheinentzug, denn das ist das, was die Herrschaften wirklich spüren, wenn sie nicht mehr mit dem Auto wie gewohnt zur Arbeit fahren können, wenn das Auto eingezogen wird, wenn das Auto enteignet wird, das Auto, das wahrscheinlich ohnehin nur die Hälfte dessen wert ist, was das Autoradio wert ist. Trotzdem, es gehört weg, und es braucht dramatische Strafen für die, die wirklich Raser sind, aber nicht 5 000 Euro Strafe dann, wenn man auf der Autobahn vielleicht einmal um 30 km/h zu schnell fährt. Ich weiß, da wird aus dem grünen Sektor wieder kommen, das seien ganz böse Raser und da müsse man klein, unten anfangen. – Nein, man muss nicht klein, unten anfangen!

Das, was wir heute beschließen, ist eine konsequente Reihe: NoVA-Erhöhung, Verteu­erungen beim Treibstoff, Verminderung bei der Pendlerpauschale, ein Sekkieren der Autofahrer bis aufs Blut. Das ist grüne Handschrift, und das lehnen wir ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt wiederum Hermann Weratschnig. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 214

19.32.32

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Deimek! (Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Das kommt schon noch, der Wolf kommt schon noch. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Wurm: Passt!) – Rasen, Herr Kollege Deimek, Rasen, Tempobolzen, rück­sichtsloses Fahren, das ist bitte kein Kavaliersdelikt. Es wird dadurch gefährdet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Eben!)

Ich möchte dazu einige Zahlen aus der Verkehrsstatistik auf den Tisch legen. 2020 hatten wir 344 Verkehrstote zu verzeichnen. Ein Drittel dieser Verkehrstoten waren die Folge von nicht angepasster Geschwindigkeit, von überhöhter Geschwindigkeit – 110 Men­schenleben, und jedes einzelne Menschenleben ist zu retten, wenn wir die ent­sprechenden Maßnahmen setzen.

Eines sollte gesagt werden: dass dieses Raserpaket, das heute präsentiert und be­schlossen wird, breiteste Unterstützung in den Bundesländern findet. Es kommen Forde­rungen aus den Bundesländern quer von allen Fraktionen, und da will ich die Frei­heitlichen auch dazunehmen, was Oberösterreich betrifft, und auch den Bürgermeister aus Wels erwähnen. All das haben wir in diesem Raserpaket auch abgebildet.

Eines ist klar: Es braucht entschieden Maßnahmen gegen gefährliche Situationen, und aus meiner Sicht ist es auch ganz wichtig, dass auch Straßenrennen mit berücksichtigt werden. Wir kennen das Problem aus dem Petitionsausschuss. Dort liegt eine Petition aus Kärnten – Herr Kollege Weidinger weiß Bescheid –, die aufzeigt, dass das Rasen in Ortsgebieten im Rahmen von einigen Treffen, dass Straßenrennen auf jeden Fall eine gefährliche Situation darstellen.

Wir kennen die Risiken – mit einer Strategie für mehr Verkehrssicherheit und dem vor­liegenden Paket verfolgen wir ein Ziel und haben wir die notwendigen Instrumente dazu, und es ist nicht unrealistisch, in den nächsten Jahren eine Halbierung der Zahl der Todesopfer zu erreichen. Das muss Ziel einer Verkehrsstrategie sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

An dieser Stelle danke ich auch den Autofahrerclubs, ÖAMTC, Arbö, auch dem VCÖ, dem Verkehrskuratorium, dem Bundesministerium für Inneres und vor allem auch den LändervertreterInnen, es ist, glaube ich, ein gutes Paket gelungen.

Was den Wolf betrifft, lieber Franzi Hörl: Eines kann Franz Hörl sehr gut, darin ist er Meister: seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Das ist deine Spezialität, wenn es darum geht, dich einzusetzen. (Abg. Wurm: Das war eine Beleidigung!)

Und eines ist auch klar – 400 000 Schafe, 200 Risse; wir haben gestern gemeinsam, innerhalb der Koalition, eine, wie ich glaube, sehr gute Lösung auf den Weg gebracht, es ist uns hier ein guter Entschließungsantrag gelungen, Dank an alle, die daran mit­gearbeitet haben, es ist auch ein guter Kompromiss und eine gute Lösung, nämlich dass man jetzt die Erfahrungen auf Tiroler Ebene sammeln wird; wir werden uns da sicher noch intensiver austauschen –: Es braucht Beutegreifer, es braucht Biodiversität. Und es braucht nicht nur einen Beutegreifer im ÖVP-Klub, sondern es braucht ihn auf der Alm. (Beifall bei den Grünen.)

19.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck, ich glaube, auch Tierschutzsprecher der SPÖ. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Ein paar Worte zum Wolf!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 215

19.36.30

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Lieber Norbert Hofer, ich werde nichts zum Thema Wolf sagen. (Abg. Kirchbaumer: Na geh! – Abg. Strasser: Red nur!) – Nein, wir kom­men schon noch dazu. Es wird noch so viele Gelegenheiten geben, darüber zu disku­tieren, deshalb brauche ich das heute nicht zu tun.

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt eine Gesetzesvorlage, mit der das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung geändert werden, und ich möchte auf die Ausführungen des Kollegen Deimek eingehen, weil er die Frage gestellt hat: Was soll das mit 30 km/h? – Gerhard, ich sage dir Folgendes: Wenn man zwischen Linz und Wels – wenn ich nach dieser Vorlage gehe – statt 100 km/h 150 km/h fährt, ist das ziemlich gefährlich auf dieser Strecke, wenn man außerhalb des Ortsgebietes um 50 km/h schneller fährt. Wenn man mit 160 km/h zwischen Linz und Wels fährt – Katastrophe, das gehört fürchterlich abgestraft. Wenn man im Ortsgebiet um 40 km/h schneller fährt, also statt 50 km/h 90 km/h fährt, so ist das eine extreme Situation, die wirklich viele Tote und Verletzte zur Folge haben kann. Das gehört einfach abgestraft, diesen Menschen ist nicht bewusst, dass sie da eine Waffe haben. Wir haben vor Kurzem einen Unfall in Linz gehabt: ein Motorradfahrer, der vor der Polizei geflüchtet ist und dann einen Scooterfahrer, der bei Grün über die Straße fahren wollte, überfahren hat – beide tot.

Das heißt, all das kann man verhindern, wenn man diesen klarmacht, dass es das nicht geben kann, und es mit hohen Strafen belegt. In einem gebe ich dir recht: dass man Maßnahmen setzen könnte, die sie auch treffen, und eine dieser Maßnahmen – ich habe es im Ausschuss schon gesagt – wäre die Abnahme der Autos, die Beschlagnahmung der Autos jener, die Straßenrennen fahren. Wenn man bei uns – du weißt es – von Traun nach Linz fährt, wird man auf dieser Straße links und rechts überholt, weil die ruckzuck vorbeiziehen, wenn sie ihre Straßenrennen fahren. Also die fahren wirklich mit hohem Tempo, das würde ich mich niemals trauen, und denen sind Geldstrafen wurscht. Die haben ein Heiligtum, und das heißt Auto, das sie für diese Zwecke haben. Die, die in der Tuningszene sind, haben ihre Autos, das ist ihr Heiligtum, und die zahlen jede Strafe. Der Führerscheinentzug ist ihnen wurscht, weil sie schwarzfahren. Aber das, was Ihnen wichtig ist, ist das Auto, und würde man ihnen das Auto wegnehmen, wären sie wirklich betroffen, und dann könnte man auf diese Menschen einwirken.

Was wir jetzt noch beschließen: die Änderung der Führerscheinklasse B auf 4 250 Kilo für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb, die nur im Gütertransport eingesetzt werden, weil logischerweise durch das Gewicht der Batterien für diese Fahrzeuge das Gesamtgewicht höher ist als bei den anderen Fahrzeugen. Daher sollte die Führerscheinklasse B für diese Fahrzeuge bis 4 250 Kilo erweitert werden.

Wir werden beidem – der Führerscheingesetz- und der Straßenverkehrsordnungs­än­derung – zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.39.09

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, der von mir sonst geschätzte Kollege Deimek von der FPÖ – dort ist er – hat vorhin in seiner Rede davon gesprochen oder kundgetan, wie ja auch schon im Ausschuss, dass die FPÖ diesem Paket nicht zustimmen wird, und hat das quasi damit begründet, dass er eine Art Umfrage gemacht hat. Es ist aber auch immer die Frage, wie die Fragestellung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 216

denn zustande gekommen ist. Was habt ihr denn genau gefragt? (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wenn ich mich umhöre, ist klar: Es geht hier in diesem Paket um echte Straßenraudis, es geht um Fahrer, die wirklich Menschenleben gefährden. Es geht nicht um Kavaliers­delikte, sondern es geht wirklich um Menschenleben!

Ich kann euch ein paar Beispiele bringen: Wir wissen, was sich in Kärnten bei den sogenannten GTI-Treffen teilweise in den Ortschaften abspielt, und da sagen eure Leute genauso: Das geht so nicht mehr weiter! Der oberösterreichische Verkehrslandesrat Steinkellner hat – zu Recht! – eingefordert, dass wir da etwas machen. (Abg. Deimek: Die Grundstrafen, aber nicht ...! Das ist ein Unterschied!)

In Salzburg ereignete sich erst kürzlich wieder ein tödlicher Unfall, verursacht von einem Jungen wegen Rasen. Der ist mit 120 km/h in eine Betonmauer in einer 50er-Zone gefahren. Das sind keine Kavaliersdelikte! Da geht es um Menschenleben! Das muss man einfach einmal so sagen, wie es ist. Deswegen ist das Paket richtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Deimek: Habe ich das behauptet? – Nein, also!)

Es geht nicht, dass jemand – nur für die Zuseherinnen und Zuseher, dass man das auch richtig einordnet – mit 120 km/h durch eine Ortschaft rast, weil er nicht nur sich selbst gefährdet, sondern auch unsere Kinder, unsere Mitmenschen. (Abg. Deimek: Nein, also ehrlich, Andi!)

Jetzt sage ich noch etwas zum Thema Straßenrennen: In Wien Döbling spielen sich am Kahlenberg Straßenrennen ab. Die fahren die kleine Bergstraße – wenn man den Kahlenberg so bezeichnen darf, als Wiener darf man das – hinauf und malträtieren die Anrainer, nicht nur wegen des Lärms (Abg. Deimek: Habe ich nicht gesagt!), sondern da trauen sich manche zu gewissen Uhrzeiten nicht auf dem Gehsteig zu gehen, weil sie Angst haben, dass das Auto aus der Kurve fliegt. Diese Raser gehören hart bestraft!

Du (in Richtung Abg. Deimek) hast gesagt, da müsse man etwas beim Führerschein­entzug machen! – Ja, genau das machen wir ja in dem Paket. Wir verdoppeln die Führerscheinentzugsdauer, weil genau das – da gebe ich dir recht! – ein wesentlicher Punkt ist und es diesen Fahrerinnen und Fahrern wirklich wehtut, wenn wir ihnen den Führerschein wegnehmen. (Abg. Deimek: Wenigstens ein Punkt, den ihr macht! Was ist mit dem Rest?)

Zum letzten Punkt noch, weil die Beschlagnahmung von Autos, wenn wirklich Gefahr im Verzug ist, angesprochen wurde: Es gibt dazu eine Möglichkeit, aber ja, wir müssen da nachschärfen. (Abg. Deimek: Machen wir nicht! Das ist ja das Problem!) Das ist aber verfassungsrechtlich gar nicht so einfach. Das muss sehr genau geprüft werden, und – die Frau Bundesministerin hat es ja auch im Ausschuss schon gesagt – da wird es eine Vorlage geben, da wird es sicher auch eine umfangreiche Begutachtung geben, weil das wie gesagt juristisch keine einfache Aufgabe ist.

Das Paket aber, das wir jetzt beschließen, ist sicher ein wesentlicher Beitrag für mehr Verkehrssicherheit (Abg. Deimek: Die Kleinen zockt ihr ab und die Großen lasst ihr rennen!) und wird hoffentlich – hoffentlich! – Menschenleben retten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.42.56

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Lieber Kollege Hörl, obwohl kürzlich tatsächlich auf der Europabrücke


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 217

ein Wolf zu Tode gekommen ist – wirklich auf der Europabrücke, wahrscheinlich durch ein zu schnell fahrendes Auto –, verzichte ich jetzt darauf, den Salto vom Raserpaket zu den Wölfen zu machen. (Heiterkeit der Abgeordneten Hörl und Wurm.) Das Thema ist zu ernst.

Tatsächlich ist es wichtig, dass wir Maßnahmen setzen, weil unsere Raserstrafen im internationalen Vergleich zu niedrig sind, geradezu eine Einladung zum Schnellfahren. Was ich zum Paket einwenden muss, ist einerseits, dass diese 5 000 Euro, die jetzt als Höchststrafe vorgesehen sind, unserer Auffassung nach insofern zu wenig wirksam sind, als natürlich da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rasers zu wenig Berück­sichtigung findet.

Wir werden daher demnächst – weil das ja nicht unmittelbar nur das Verkehrsressort betrifft, sondern auch das Innenressort – einen gesetzlichen Vorstoß machen, das Ver­wal­tungsstrafrecht so zu ändern, dass dort ähnlich dem gerichtlichen Strafrecht für Geldstrafen ein Tagessatzsystem eingeführt wird, in dem nur mehr die Anzahl der Ta­gessätze für eine Verwaltungsübertretung festgesetzt wird, die Höhe des Tagessatzes aber dann davon abhängt, wie viel jemand finanziell und wirtschaftlich zu leisten im­stande ist. Das ist also der eine Aspekt, von dem wir uns erwarten, dass dieses Raser­paket dadurch noch treffsicherer wird und wirklich Wirkung zeigen wird – Wirkung, die notwendig ist.

Das Zweite ist das Thema Beschlagnahme: Das ist jetzt in diesem Paket noch nicht enthalten, ist aber in der Pipeline und wird geprüft. Wir NEOS stehen dem natürlich schon sehr kritisch gegenüber, allerdings gibt es einen Aspekt, der wirklich überlegens­wert ist.

Ich weiß aus meiner Praxis, dass es mitunter für junge Männer echt ein Problem ist, wenn ihnen plötzlich der Führerschein entzogen wird, nämlich für jene, die für eine Firma mit dem Firmenfahrzeug unterwegs sind, sei es als Installateur im Außendienst, als Lieferant oder was auch immer. Da ergibt sich dann sehr schnell ein Existenzproblem.

Natürlich kann man sagen, selbst schuld, zu schnell gefahren, aber ich glaube, ganz so einfach können wir es uns nicht machen. Da ist tatsächlich die Überlegung anzustellen, ob es nicht effizienter wäre, diesem jungen Raser auf eine befristete Zeit sein Auto anstatt den Führerschein zu entziehen. So kann er mit dem Firmenfahrzeug weiter­fahren, seiner Berufstätigkeit nachgehen, damit er auch die Geldstrafe zahlen kann, aber seinen aufgetunten GTI – oder was immer er halt hat, mit dem er am Wochenende gerne einmal ein bisschen Gas gibt – hat er dann halt eine bestimmte Zeit nicht zur Verfü­gung – aber nur eine bestimmte Zeit; einen endgültigen Eigentumsentzug würden wir als überschießend ansehen.

Ich bitte also sehr darum, diese Überlegungen in diese zweite Phase des Raserpakets miteinzubeziehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


19.46.14

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die Sie uns heute hier zuschauen! Mit dem Maß­nahmenpaket, das wir heute auf den Weg bringen, setzen wir wirklich einen großen und wichtigen Schritt in puncto Verkehrssicherheit. Damit kann nach intensiver Arbeit in einer Arbeitsgruppe mit den Bundesländern – es wurde schon darauf hingewiesen –, mit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 218

Fachleuten, mit dem Innenministerium und nach der breiten Unterstützung auch im Be­gutachtungsverfahren dieses Paket mit 1. September in Kraft treten.

Ich möchte mich an dieser Stelle zuallererst noch einmal bei all jenen bedanken, die in den vergangenen Monaten wirklich mit großem persönlichem Einsatz auf dieses Prob­lem aufmerksam gemacht und uns aufgefordert haben: Da muss etwas geschehen! – Wir machen heute auch genau das: Wir setzen heute mit einem Maßnahmenpaket – und das auch in der gebotenen Eile – Maßnahmen gegen die extreme Raserei.

Ich möchte eine Person an dieser Stelle ganz besonders erwähnen – ich habe mit ihr per­­sönlich telefoniert, deswegen erlaube ich mir auch, das jetzt zu sagen –: Frau Peterbauer in Salzburg, die nach einem wirklich tragischen Unfall – ihre Tochter kam zu Tode – die Situation dazu genutzt hat, uns alle aufzufordern, etwas zu tun. Das ringt mir wirklich allergrößten Respekt ab, dass man sich in einer solch schwierigen persönlichen Situ­ation dafür einsetzt, dass es für andere besser wird, dass wir solche Unfälle in Zukunft vermeiden können, indem wir etwas tun, indem wir alle in diesem Saal heute etwas tun, nämlich dieses Paket zu beschließen. Deswegen geht ein ganz großes Danke nach Salzburg. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte mich aber wirklich auch ganz explizit bei allen schon zuvor Genannten bedanken, insbesondere auch bei den Bundesländern. Landesräte und Landesrätinnen aller Parteien haben mitgearbeitet und Vorschläge eingebracht. Auch da geht ein Danke nach Salzburg, ein Danke aber auch nach Oberösterreich – es ist wirklich eine gute Zusammenarbeit gewesen.

Das ist auch gut und wichtig so, weil wir, wie ich glaube, alle – Herr Ottenschläger hat es auch noch einmal sehr deutlich verbalisiert – die Medienberichte von dramatischen Unfällen kennen, die das Problem zeigen; wir sehen sie zumindest wöchentlich. Wir haben ein Problem mit extremer Raserei. Das sind einige wenige, unbelehrbare Wie­derholungstäter, die mit ihrem Verhalten – 120 km/h im Ortsgebiet, 250 km/h auf der Autobahn, Straßenrennen am Gürtel oder wo auch immer – Menschenleben gefährden. Bei dieser Geschwindigkeit wird das Auto zur Waffe. Deswegen müssen wir hier aktiv werden, weil wir festgestellt haben – auch im internationalen Vergleich, auch aufgrund der Praxiserfahrung der Bundesländer –, dass die Strafen – die Geldstrafen, der Führer­scheinentzug –, die wir bis jetzt haben, nicht ausreichen, um bei dieser Zielgruppe Wirk­samkeit zu erzielen.

Gerade im Straßenverkehr ist das wichtig, denn jede Tote, jeder Tote im Straßenverkehr ist eine oder einer zu viel. Das ist nicht nur eine Zahl in einer Statistik, das ist eine ArbeitskollegIn, ein Familienmitglied, ein Freund, eine Freundin. Deswegen bin ich überzeugt, dass wir mit diesem Paket die richtigen und die zielgerichteten Maßnahmen setzen, die insbesondere auch bei der Gruppe der Wiederholungstäter, bei illegalen Rennen, bei hohen Geschwindigkeiten wirklich Wirkung zeigen werden. Darum geht es. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte noch ganz kurz auf die Maßnahmen eingehen. Ich möchte nur noch einmal klarstellen: Bei der Erhöhung des Strafrahmens geht es um den Strafrahmen. In Antwort auf Herrn Kollegen Margreiter: Schon bisher ist bei der Festsetzung der konkreten Straf­höhe auch die wirtschaftliche Situation in Betracht zu ziehen – Sie wissen das sicher. Alles andere wäre jetzt eine noch größere Reform, aber ich habe Ihren Input natürlich auch da gehört.

Wir verdoppeln die Mindestdauer des Führerscheinentzugs. – Da war Herr Deimek kritisch und meinte, dass das zu wenig ist. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Es ist die Mindestentzugsdauer! – Das war einfach wichtig und richtig, denn wir sehen jetzt, dass die zwei Wochen, die es bis jetzt waren, einfach nicht zu einer Wirkung geführt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 219

haben, auch in der Praxis kaum wirksam umzusetzen waren. Deshalb die Erhöhung der Mindestentzugsdauer auf vier Wochen.

Wir verdoppeln auch den Beobachtungszeitraum für diese Delikte und setzen auch die vollständig neue Maßnahme betreffend Teilnahme an illegalen Straßenrennen. Wichtig ist dabei auch, dass unter dieses Delikt nicht nur diejenigen fallen, die selbst rasen – ein besonders gefährliches Delikt –, sondern auch die, die daneben im Auto sitzen, abschir­men und dieses Straßenrennen auch erst möglich machen. Auch da gibt es konkrete und konsequente Sanktionen, und das ist gut.

Was die Beschlagnahme des Fahrzeugs betrifft, eine Maßnahme, die jetzt in mehreren Reden auch angeklungen ist, so werden wir auch daran arbeiten, denn für den Fall, dass sich jemand durch hohe Geldstrafen, durch wiederholten Führerscheinentzug und durch alle anderen Maßnahmen nicht davon abhalten lässt, lebensgefährdend – nämlich für andere und für sich selbst – auf unseren Straßen unterwegs zu sein, soll in Österreich in Zukunft auch die Möglichkeit des Fahrzeugentzugs umgesetzt werden. Wir werden dieses Paket bis Jahresende vervollständigen, sind aber mit dem Verfassungsdienst diesbezüglich in sehr engem Austausch, denn ja, das ist eine verfassungsrechtlich komplexe Materie, wie die Juristen und Juristinnen in diesem Haus sicher sehr gut einschätzen können.

Ich freue mich sehr, dass wir hier einen Schritt setzen können, weil es ein großer Beitrag zur Verkehrssicherheit in unserem Land ist, sage Danke und ersuche Sie um breite Unterstützung für dieses breit abgestimmte und, glaube ich, sehr wirkungsvolle und gute Paket. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Meri Disoski. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


19.52.48

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die Sie noch immer mit dabei sind und unsere Debatte verfolgen! Im Vorjahr sind, wir haben es schon gehört, 344 Men­schen auf den Straßen in Österreich zu Tode gekommen, und, wir haben auch das schon gehört, die häufigste Ursache für diese Unfälle waren Geschwindigkeits­über­schreitungen. Bei einem Drittel nämlich waren es Geschwindigkeitsüberschreitungen, die dazu geführt haben, dass tödliche Straßenverkehrsunfälle passiert sind.

Kollege Deimek, wenn Sie vor diesem Hintergrund sagen, dass eine Geschwindig­keits­überschreitung von 30 km/h eine kleine Übertretung ist, dann ist das eine Verharm­losung, und ich verstehe das nicht. Das irritiert mich sehr.

Raser, Kolleginnen und Kollegen – und es ist bewusst nicht geschlechtergerecht for­muliert, weil es in höchstem Ausmaß eben Männer betrifft –, Raser gefährden Men­schen­leben, Raser nehmen Menschenleben (Zwischenruf des Abg. Zanger – Ruf bei der FPÖ: Gendern!), und jeder dieser Unfalltoten ist einer zu viel. Jeder tödliche Unfall – die Ministerin hat es gerade ausgeführt – bringt Trauer und Traumata über die Ange­hörigen, über die Familie, und deswegen ist es so wichtig, dass wir der Raserei den Kampf ansagen, und das jetzt auch tun – mit den Maßnahmen, die die Ministerin gerade ausgeführt hat. Mit diesem Paket machen wir die heimischen Straßen sicherer, und ich verstehe wirklich nicht, wieso die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ diesem Paket nicht zustimmen wollen. Es geht um Sicherheit! Ihr betont bei jedem möglichen und auch unmöglichen Anlass immer wieder, wie wichtig euch Sicherheit ist. Na das ist eure Chance: Stimmt für Sicherheit auf unseren Straßen! (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 220

Frau Bundesministerin, wir gehen mit diesem Paket bundesseitig wichtige Schritte zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, und ich wünsche mir, dass auch die Städte und die Gemeinden die Spielräume, die ihnen die Straßenverkehrsordnung da gibt, konsequent und auch engagiert ausnutzen. Ein Blick nach Spanien zeigt, wie es vielleicht gehen kann und auch gehen muss: Es ist heuer im Mai in allen spanischen Städten Tempo 30 eingeführt worden. So sieht die Zukunft der Städte aus! (Abg. Wurm: Eurer Meinung nach!)

Wieso? – Weil wir wissen, dass Temporeduktionen mehr Sicherheit für Menschen bringen, dass Temporeduktionen den Lärm reduzieren und auch die Abgase in den Städten reduzieren. (Abg. Rauch: Das ist das Hauptproblem, dass die Verkehrs­politik ...!) Ich habe mir auch Helsinki angeschaut. Dort gab es 2019 erstmals keine toten Fuß­geherinnen, Fußgeher und Radfahrende. Und wieso nicht? – Weil sie dort großflächig Tempo-30-Zonen eingeführt haben (Abg. Wurm: Ihr seid eine typische Verbotspartei!) und das einfach tatsächlich die Verkehrssicherheit massiv erhöht hat. (Beifall bei den Grünen.)

Kollege, wenn Sie sich zu Wort melden wollen, können Sie das machen und hierher kommen. Ich weiß nicht, wieso Sie es nie schaffen, mich ausreden zu lassen. Ist das diese Gewalt, von der Sie immer sprechen? – I don’t know. (Abg. Rauch: Sie können reden, was Sie wollen, ..., aber Sie sind eine Verbotspartei, und das wird auch so bleiben!) – Melden Sie sich zu Wort, wenn Sie etwas zu sagen haben! Dieses ständige Dagegenschreien ist wirklich mühsam und überhaupt nicht respektvoll. (Abg. Zanger: Nein, das ist politischer Diskurs! – Abg. Wurm: ... alles negativ!)

Kolleginnen und Kollegen, Tempo-30-Zonen sind eine wichtige Maßnahme zur Erhö­hung von Verkehrssicherheit, und als Wienerin würde ich mir auch eine Stadtregierung wünschen, die mehr tut, als sich nur in Lippenbekenntnissen zu ergehen. Die aktuelle rot-pinke Wiener Stadtregierung bekennt sich zwar zur Vision Zero – das heißt, sie sagen, es sollen im Wiener Straßenverkehr keine Menschen mehr getötet werden –, aber gleichzeitig gibt es eine Absage an Tempo-30-Zonen, gleichzeitig gibt es quasi ein Verhindern der Umsetzung der Abbiegeassistenten. Das entlarvt auch diese Ansage der Stadtregierung einfach als Sonntagsrede ohne irgendeinen Wert, und das ist enttäuschend. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist umso enttäuschender, als wir unter Rot-Grün (Abg. Wurm: ... Zeit ist vorbei!) noch die Ausweitung dieser Tempo-30-Zonen von der Wieden bis zum Alsergrund ge­plant hatten. Stadträtin Sima aber hat da jetzt auf die Stopptaste gedrückt, und ich finde das sehr schade, weil ich mir auch als Wienerin eine vorwärtsgewandte, eine zukunfts­gerichtete Verkehrs- und Mobilitätpolitik erwarten würde – mit sichereren Straßen, mit höherer Lebensqualität –, aber ich bekomme genau das Gegenteil; das enttäuscht. Ich bekomme ein Festhalten an überholten Verkehrskonzepten aus den 1970er-Jahren, und das ist schade. Ich finde, die WienerInnen hätten sich mehr verdient. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Stark.)

19.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Franz Leonhard Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.57.10

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Leider hört man immer öfter von schweren Verkehrsunfällen, die aufgrund von groben Übertretungen von Geschwindig­keitsbeschränkungen stattfinden. Rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr ist leider keine Seltenheit. Schwere Verletzungen, oft Todesopfer, menschliches Leid sind die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 221

Folge, und dagegen wollen wir etwas tun. Wir wollen Leben schützen, wir wollen, dass die Verkehrsteilnehmer sicher sind, deshalb ändern wir jetzt auch die Straßen­verkehrs­ordnung.

Die wesentlichen Punkte sind von der Frau Bundesministerin ja schon angesprochen worden: Geschwindigkeitsüberschreitungen um 80, 90 km/h werden in Zukunft als grobe Delikte eingestuft. Die Geldstrafen für Schnellfahrer und die Dauer des Entzugs der Lenkerberechtigung werden zum Teil verdoppelt, und auch der Beobachtungszeitraum, nach dessen Verstreichen ein Delikt wieder als Erstdelikt gilt, wird verdoppelt. Die Maß­nahmen, die mit dieser Gesetzesänderung getroffen werden, richten sich also gegen jene Verkehrsteilnehmer, die die Verkehrssicherheit eklatant gefährden, die die eigene Sicherheit und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer grob gefährden.

Darüber hinaus wird auch die Teilnahme an illegalen Straßenrennen als grobes Delikt eingestuft. Solche Rennen gibt es in letzter Zeit leider immer öfter und immer wieder. Ich habe hier einen Zeitungsartikel der „Salzburger Nachrichten“ mitgebracht, in dem zu lesen ist: „Die Raserszene wächst rasant“, und: „Am 29. Mai lieferten sich sechs Lenker auf der Wolfgangsee Straße bei Strobl ein Wettrennen. Gemessene Höchst­geschwin­digkeit: 218 km/h.“ – Und das, bitte, nicht auf der Autobahn, sondern auf der Bundes­straße! Ich meine, das darf nicht passieren, da müssen wir wirklich etwas unternehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Zuletzt darf ich noch einen anderen Aspekt mit einbringen: Unfälle verursachen nicht nur menschliches Leid, sondern schaden auch der Volkswirtschaft.

Jeder von uns kann sich an den einen oder anderen Stau erinnern, der aufgrund eines Unfalls entstanden ist. Deshalb mein Appell an Sie, liebe VerkehrsteilnehmerInnen: Fahren Sie rücksichtsvoll, helfen Sie mit, die Verkehrssicherheit zu erhöhen!

Und ganz zum Schluss noch ein Tipp: Steigen Sie nicht zu sehr auf das Gas, dann kommen Sie sicher an, und vielleicht sogar schneller als sonst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Lukas Brandweiner. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


20.00.27

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber: liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir beschließen heute mit diesem Paket höhere Strafen für Raserinnen und Raser. Ganz wichtig – inhaltlich haben meine Vorredner ja schon vieles gesagt –: Es geht darum, dass wir Leben schützen, dass wir Unfälle vermeiden und somit die Ver­kehrs­sicherheit erhöhen.

Wenn ich bei der Verkehrssicherheit bin, möchte ich natürlich auch unserem Landesrat in Salzburg Stefan Schnöll Danke sagen, der diesbezüglich den Stein ins Rollen gebracht hat und in unserer Bundesministerin Leonore Gewessler eine starke Partnerin gefunden hat. Ich möchte da wirklich Danke sagen!

Und wenn ich eben bei der Verkehrssicherheit bin, denke ich schon auch an die vielen Ausbaumaßnahmen betreffend die Sicherheit, die aktuell auf Eis gelegt worden sind. Da bitte ich wirklich darum, dass wir da dranbleiben, dass wir diese Baumaßnahmen durch­ziehen. Das wünscht sich die Bevölkerung, das wünschen sich die Bundesländer, und wie gesagt sind da wichtige Maßnahmen dabei.

Lassen Sie mich als Waldviertler auch noch kurz ein Zugthema anschneiden. Es ist ja heute in den Medien gewesen: Unser Landesrat Ludwig Schleritzko hat es mit Verhandlungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 222

auf tschechischer Seite geschafft, dass wir Ende 2022 den Vindobona wieder zurück­bekommen sollen – ganz wichtig für meine Heimatregion. Die Gemeinden freuen sich, die Bevölkerung freut sich, und da bitten wir einfach auch um Unterstützung aus dem Bundesministerium, dass wir nächstes Jahr dann fahren können. Ich selbst habe einen Bruder in Berlin, und ich würde mich freuen, wenn ich dann auch einmal mit dem Vindo­bona nach Berlin fahren kann.

In diesem Sinne wünsche ich uns noch eine gute Sitzung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist wie meistens nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

20.02.3517. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (938 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (997 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (936 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (998 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Alois Schroll. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.03.11

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin, wir haben jetzt lange für ein tolles Paket gekämpft, was das EAG betrifft – ich glaube, viele, viele Monate –, und da sind uns wichtige Schritte in der Sicherung von Arbeitsplätzen, aber auch in der Schaffung von Green Jobs gelungen. Gleichzeitig reden wir heute über notwendige Projekte bei Autobahnen und Schnell­straßen – Projekte, die entscheidende Bedeutung für Arbeitsplätze in ganz Österreich, vor allem aber natürlich auch für die Regionalinfrastruktur in Niederösterreich, in meinem Bundesland, haben.

Jetzt wurden Projekte im Zusammenhang mit einer Evaluierung teilweise gestoppt. Sämt­liche für Österreich notwendigen Projekte betreffend Autobahnen und Schnell­straßen sind dazu im Bundesstraßengesetz festgeschrieben. Warum bei den Asfinag-Straßenbauprojekten jetzt auf einmal ein Baustopp ausgesprochen wurde, ist für uns unverständlich. Wovon sprechen wir? – Von vielen Projekten: In Niederösterreich geht es um die S 1, Lobau, S 8 Marchfeld Schnellstraße, S 34 Traisental Schnellstraße, A 22 Donauufer Autobahn, den Ausbau der S 10 in Oberösterreich, die S 31 im Burgenland und die Stadtstraße Aspern zur A 23.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 223

Eines ist recht interessant – (auf sein Handy blickend) ich habe gerade einen interes­santen Beitrag gefunden –: Diese Straße wurde damals unter der Planungs- und Ver­kehrsstadträtin Vassilakou Maria geplant. Da gibt es einen ganz interessanten Beitrag vom 6. Juli 2016, in dem diese Stadträtin Vassilakou damals sagt, dass nur im Zusam­menhang mit dem Lobautunnel auch die Schnellstraße beziehungsweise die Stadtstraße Aspern zur A 23 sinnvoll ist – ein sehr interessanter Bericht.

Es handelt sich dabei um wichtige Bauvorhaben, um notwendige Zukunftsprojekte, jetzt heißt es aber: Bitte warten! – Ich sage dazu eines: Ein Stopp bei diesen Projekten ist für die vielen Anrainerinnen und Anrainer einfach nicht erträglich. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht da nicht nur um vermeidbaren Durchzugsverkehr, sondern es geht auch um die Verbesserung der Lebensqualität und der Verkehrssicherheit. Es ist uns völlig klar: Der Umweltschutz muss natürlich auch immer vorrangig behandelt werden, dazu stehen wir seitens der SPÖ auch. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie ihr auf dieser Seite – die türkise Fraktion – euch heute zu unserem Entschließungsantrag, den ich gleich einbringen werde, verhaltet. Mein Antrag, den ich jetzt einbringen werde, ist nämlich eins zu eins der Antrag der ÖVP Niederösterreich, der vorige Woche im Landtag eingebracht wurde. Jetzt bin ich natürlich sehr, sehr neugierig, wie sich die ÖVP-Fraktion zu ihrer Fraktion in Nieder­österreich verhält. Wir würden uns über eine Zustimmung auf jeden Fall freuen.

In diesem Zusammenhang darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin Leonore Gewessler wird aufgefordert, die an den Vorstand der ASFINAG am 29.06.2021 erteilte Eigentümer-Weisung, die einen Umsetzungsstopp für alle sehr wichtigen Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen bedeutet, sofort zurückzunehmen und zu ersuchen, dass angesichts der dramatischen Situation für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger dringende Schritte zur Beschleunigung der Umsetzung der im Bundesstraßengesetz festgelegten Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen umgesetzt werden.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger diplomé, Alois Schroll

Genossinnen und Genossen

betreffend keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen – und Schnell­straßen­projekte

eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (936 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 224

Sämtliche für Österreich notwendige Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen sind im Bundesstraßen-Gesetz festgeschrieben.

Die Umsetzung des Bundesstraßengesetzes fällt in die Zuständigkeit des BMK bezie­hungsweise in die Kompetenz der zuständigen Ministerin.

Aufgrund von massiven Zeitverzögerungen durch Einsprüche in den Verfahren sind bei der Umsetzung einzelner, sehr wichtiger Projekte inzwischen derartige Verspätungen eingetreten, die den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern schon lange nicht mehr zu­mut­bar sind.

Die von Frau Bundesministerin Gewessler am 29.06.2021 an den Vorstand der ASFINAG erteilte Eigentümer-Weisung, die einen de facto – Umsetzungsstopp für alle Neubauprojekte und weitere wichtige Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen bedeutet, hat diese Situation dramatisch verschärft.

Es handelt sich vor allem um folgende Neubau-Projekte:

-             S1-Lobau Querung

-             S8-Marchfeld Schnellstraße

-             S34-Traisental Schnellstraße

-             Stadtstraße Aspern

-             Ausbau der S10 in Oberösterreich

-             S31 im Burgenland

Und folgende weitere Verkehrssicherheits-Projekte:

-             A22 Donauuferautobahn, Spurerweiterung bei Stockerau

-             A2, Spurerweiterung Kottingbrunn-Wöllersdorf-Wiener Neustadt

-             S4 Sicherheitsausbau Wiener Neustadt-Mattersburg

-             A4, Spurerweiterung Bruck/West-Neusiedl

-             Sicherheitsausbau der Stadtautobahn A7

-             Sicherheitsausbau der S4-Mattersburger Schnellstraße

Neben der fehlenden Entlastung der Bevölkerung von vermeidbarem Durchzugsverkehr, einer damit nicht eingetretenen Verbesserung der Verkehrssicherheit und der Lebens­qualität für die Bürgerinnen und Bürger ergeben sich durch die Verzögerung der Projekte vor allem auch negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung mehrerer Projekte.

Eine weitere Verzögerung der Projekte ist den Bürgerinnen und Bürgern längst nicht mehr zumutbar und führt zu vermehrten Aufwendungen der Länder sowie zum Entgang von LKW-Mauteinnahmen bei der ASFINAG und damit beim Bund.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin Leonore Gewessler wird aufgefordert, die an den Vorstand der ASFINAG am 29.06.2021 erteilte Eigentümer-Weisung, die einen Umsetzungsstopp für alle sehr wichtigen Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen bedeutet, sofort zurückzunehmen und zu ersuchen, dass angesichts


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 225

der dramatischen Situation für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger dringende Schritte zur Beschleunigung der Umsetzung der im Bundesstraßengesetz festgelegten Projekte auf Autobahnen und Schnellstraßen umgesetzt werden.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.07.09

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Frau Minister – (Abg. Jakob Schwarz steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Gewessler) ich muss Sie kurz stören –, Sie kennen unser, mein Anliegen, wir haben ja in der Sitzung des Verkehrsausschusses letzte Woche intensiv darüber diskutiert. Ich habe heute auch gar nicht genügend Redezeit, um all die Argumente zu wiederholen. Es geht um die Entlastung der transitgeplagten Tiroler Be­völkerung im Wipptal, und die Bevölkerung wünscht sich – noch einmal: das wissen Sie, weil wir auch letzte Woche in der Sitzung des Verkehrsausschusses intensiv darüber diskutiert haben –, dass anstelle der Luegbrücke der Luegtunnel gebaut wird.

Ich kenne die Tiefe der Information nicht, wir wissen nicht, wie es um die Luegbrücke bestellt ist, aber im Verkehrsausschuss meinten Sie, dass die Sanierung der Brücke auf jeden Fall ansteht. Wenn die Sanierung ansteht, ist sie selbstverständlich durchzu­führen – mir fehlen die technischen Informationen dazu –, wir wollen aber unbedingt haben, dass parallel dazu noch einmal ernsthaft geprüft wird, ob nicht auch ein Tunnel gebaut werden kann, der die Bevölkerung entlasten kann. Das ist unser Wunsch, das ist unser politischer Wunsch, auch jener der freiheitlichen Partei, und das ist der Wunsch, den die Bevölkerung aus dem Wipptal mehrheitlich an Sie heranträgt.

Deshalb darf ich gleich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die ,Tunnelvariante Lueg‘ nochmals zu prüfen, und keine Bauentscheidung gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung zu treffen.“

*****

Also, geschätzte Frau Minister, bitte prüfen Sie die Tunnelvariante noch einmal!

Wir hatten das letzte Mal auch eine Diskussion über den Brennerbasistunnel, der ja immer so dargestellt wurde, dass er die transitgeplagte Bevölkerung entlasten wird. Als Politiker kenne ich die Geschichte zum Tunnel ganz genau, weil ich über Jahre im Tiroler Landtag vertreten war. Wir halten, die Politik hält der Bevölkerung seit Jahren den Bren­nerbasistunnel wie eine Karotte vor die Nase und sagt: Das wird die große Entlastung sein!, nur: Seit 2002 wird darüber gesprochen, die Fertigstellung verzögert sich aber de


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 226

facto fast jährlich. Wir sind irgendwann einmal beim Jahr 2028 gewesen, die jüngsten Zahlen sagen, Fertigstellung 2034 – das sind noch 14 Jahre –, und wer weiß, wann der Tunnel wirklich fertig wird.

So gesehen ist die Prüfung einer Tunnelvariante unbedingt notwendig. Dieser Wunsch wurde – und wird auch durch mich – an Sie herangetragen.

Ich habe dazu auch eine parlamentarische Anfrage gestellt. Ich möchte noch einmal auf die Frage 10 zu sprechen kommen, ich habe Sie gefragt: Warum hat man sich gerade für die Brückenlösung entschieden? – Bei all den Punkten, die in dieser parlamen­ta­rischen Anfrage aufgezählt werden, gehen Sie nicht auf eine mittel- und langfristige Lösung ein. Sie sagen, dass die Brückenvariante während der Bauphase durchaus ein Vorteil für die Bevölkerung ist, die langfristige, die mittelfristige Variante aber wird nicht angesprochen. Selbstverständlich ist es unstrittig, dass langfristig einzig und allein ein Tunnel die Bevölkerung entlasten wird, auch wenn man bedenkt, dass allein der Lkw-Transitverkehr im Jahr 2020 wieder 2,3 Millionen Fahrten erreicht hat. Das waren Zahlen wie vor Corona, und es wird nicht weniger werden. Deswegen ist dieser Wunsch der Bevölkerung seriös zu prüfen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bitte unterstützen Sie auch diesen Ent­schließungs­antrag der Freiheitlichen Partei, der der Bevölkerung helfen wird! – Ich danke namens der Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

20.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung

eingebracht in der 117. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 8. Juli 2021 im Zuge der Debatte zu TOP 18, Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (936 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (998 d.B.)

Die Luegbrücke auf der Brennerautobahn (A13) soll laut ASFINAG neu gebaut werden. Start 2022, Dauer fünf Jahre. Die Planung dafür läuft schon seit Jahren. Im November 2019 haben sich die Chefs der Tiroler Regierungsparteien ÖVP und Grüne noch gegen den Neubau der schon fertig geplanten Luegbrücke ausgesprochen. Man könne nicht gegen den Willen der Anrainer im Wipptal entscheiden, die einen Tunnel bevorzugen, so LH Platter und LHStv Felipe. (https://tirol.orf.at/stories/3023876/).

Nach aktuellen Medienberichten ist aber nun eine Tunnellösung endgültig vom Tisch. Die Tiroler Tageszeitung berichtete am 7.4.2021.

Für die Asfinag ist die Diskussion rund um die dringend notwendige Sanierung der Luegbrücke beendet. Die Autobahnholding schließt den Bau eines Tunnels aus und hält an ihrem Plan fest, die Brücke neu zu bauen. Dazu wurde sogar ein Enteignungs­verfahren gegen die Gemeinde Gries eingeleitet, die sich vehement gegen den Neubau wehrt und der Asfinag die Inanspruchnahme von dafür notwendigem Grund untersagt.

Nach wie vor gibt es auch massive Bedenken der betroffenen Wipptaler Bevölkerung. Dazu warnt nun auch noch der Geologe und Universitätsprofessor Rainer Brandner:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 227

Er warnt davor, dass mit einem Neubau früher gemachte Fehler erneut begangen werden. "Ursprünglich war die Trasse damals westlich des Brennersees geplant. Eine Bohrung im See machte diesen Plan allerdings zunichte, da man tiefgründigen unver­festigten Sand und Schlamm vorfand", erklärt Brandner. Damit war die Fundierung eines Brückenpfeilers nicht möglich und man war gezwungen, die Trasse auf die Ostseite des Sees zu verschieben. "Damit gelangte man in ein noch größeres Schlamassel: Man schnitt den Fuß der großen, tiefgründigen Massenbewegung, die vom Padauner Berg herunterkommt, an. Aufwändige und teure Stabilisierungsmaßnahmen wurden notwen­dig. Auch die südlichen Brückenpfeiler der Luegbrücke gründen in dieser Massen­bewe­gung und sind heute noch in Bewegung", zeigt der Geologe auf.

Beim Neubau der Brücke könne dieser Massenbewegung nicht ausgewichen werden. "Eine alte Fehlplanung wird damit bedauerlicherweise wiederholt", sagt Brandner. Ein Neubau stelle zudem einen massiven Eingriff in die Natur und große Belastungen für die Bevölkerung dar. Umso unverständlicher ist für den Geologen die Entscheidung des Verkehrsministeriums, dass es dafür keine Umweltverträglichkeitsprüfung braucht.

Brandner hält den Bau eines Tunnels für machbar. "Eine Tunnelplanung kann gar nicht konkret untersucht worden sein, da entsprechende detaillierte geologische Unterlagen auf dieser Seite des Silltales nachweislich fehlen."

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, die „Tunnelvariante Lueg“ nochmals zu prüfen, und keine Bauentscheidung gegen den Willen der be­trof­fenen Bevölkerung zu treffen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.12.01

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich melde mich zu Wort und möchte auf den Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die Verzö­gerung von Autobahn- und Schnellstraßenprojekten eingehen, den Sie heute am Nach­mittag hier vorgelegt haben.

Zum Ersten, ein ganz klares Bekenntnis auch von uns: Es gibt – und Sie schreiben das ja selber in Ihrem Antrag – das Bundesstraßengesetz, in dem das Ausbauprogramm der Asfinag gesetzlich normiert ist. Das ist auch der Grund, warum es diesen Antrag im Parlament, hier im Nationalrat, in dieser Form nicht braucht. Dass das im Niederöster­reichischen Landtag oder in anderen Landtagen so beschlossen wird, ist nur recht und billig, aber wir würden uns jetzt quasi selber auffordern. Ein bestehendes Gesetz ist da – also vielleicht wollen Sie das Gesetz ändern, aber die gesetzliche Grundlage ist eindeutig gegeben, und es gibt diesen Auftrag. Als ehemaliger Verkehrsminister weiß


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 228

Kollege Stöger das – er nickt, also insofern gibt er mir ja recht, dass der Antrag in dieser Form eigentlich gar nicht notwendig ist.

Ich möchte schon auf ein paar Dinge verweisen: Ja, wir als ÖVP-Fraktion hier im Parlament sind für das Ausbauprogramm. (Ruf bei den NEOS: Für die Evaluierung auch?) Ich verstehe die Frau Bundesministerin, dass sie natürlich gewisse Aspekte überprüfen möchte. Ich habe sie im Ausschuss auch schon ersucht, immer auch den Sicherheitsaspekt, den wir ja im vorigen Tagesordnungspunkt schon diskutiert haben, miteinzubeziehen, denn es geht auch darum, dass das übergeordnete Straßennetz, also Autobahnen und Schnellstraßen, deutlich sicherer ist als andere Straßen in der Republik, und diesen Aspekt müssen wir mit Sicherheit miteinbringen.

Ich verweise zum Zweiten darauf – Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, das muss ich leider sagen –: Es hat lange genug SPÖ-Verkehrsministerinnen und -minister gege­ben, außerdem auch in den letzten zehn Jahren eine rot-grüne Koalition in Wien, wäh­rend der meines Wissens oder meiner Beobachtung nach beispielsweise das Projekt Lobautunnel – angesprochen von Kollegen Schroll – et cetera nicht unbedingt mit großem Engagement vorangetrieben wurde, weil auch damals die Grünen sehr skeptisch waren und die SPÖ sich da nicht durchgesetzt hat. – Das sei nur der Wahrheit halber dazugesagt.

Zum Dritten, meine Damen und Herren, verweise ich auch darauf: Ich habe eine umfang­reiche parlamentarische Anfrage mit 36 Fragen genau zu diesem Thema an die Frau Bundesministerin gestellt, mit der wir ihr auch die Gelegenheit geben, für uns alle die gleichen Informationen einmal auf den Tisch zu legen. Möglicherweise ist es ja auch so, dass es jetzt viele Interpretationen davon gibt, was wirklich passiert – die Frau Bundes­ministerin wird sicher auch noch etwas dazu sagen. Wir alle gemeinsam werden auf dem Tisch haben, worum es jetzt wirklich geht, welche Projekte möglicherweise betroffen sind oder nicht, auch was die gesetzliche Grundlage einer Weisung – ob das überhaupt eine Weisung ist oder nicht – betrifft, diese parlamentarische Anfrage wird das alles klären. Ich ersuche Sie, geschätzte Frau Bundesministerin, diese möglichst zeitnah zu beantworten, weil ich glaube, dass das einer sachlichen Debatte dienen würde.

Ich kann nur wiederholen: Ich verweise auf diese parlamentarische Anfrage, und des­wegen gibt es auch keinen Grund, diesem Entschließungsantrag hier im österreichi­schen Parlament zu folgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Michael Bernhard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.16.07

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich auch zum Entschließungsantrag von Kollegen Alois Schroll zu Wort melden und muss schon sagen: Es ist eine sehr, sehr, sehr rückwärtsgewandte Argumentation und Politik, die da von der Sozialdemokratie gefordert wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Ich glaube, das ist auch der Grund, warum bei der Sozialdemokratie gerade die Hälfte der Reihen leer ist: Diejenigen, die sich für Umweltschutz einsetzen, fehlen im Moment ganz offensichtlich. Ich glaube aber – und das ist ganz wichtig –, wir müssen nicht einmal den Klima- und Umweltschutz bemühen, um über die Evaluierung von Straßenprojekten im hochrangigen Straßennetz, also Autobahnen und Bundesstraßen, zu reden.

Ein Schritt zurück: Wir reden von vielen Projekten, die in der Debatte in den Neun­zigerjahren begonnen haben, die in den frühen Nullerjahren geplant und beschlossen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 229

worden sind, die schon zehn, 20 Jahre lang debattiert werden. Zu dem Zeitpunkt, als diese Debatten stattgefunden haben, hat die reale Welt in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Politik ganz anders ausgesehen als heute. Da gab es einerseits eine deutlich weniger spürbare Klimakrise, auch weniger Gedanken über eine nachhaltige Zukunft für die nächsten Generationen, es gab aber auch nicht die Herausforderung, beispielsweise den Staatshaushalt zu sanieren, weil wir gerade aus einer Pandemie herauskommen, und – das ist auch ganz zentral – es gab nicht das Bewusstsein für Mobilität, wie wir sie heute, in den frühen Zwanzigerjahren des 21. Jahr­hunderts, verstehen.

Im Moment gibt es ja überhaupt keine Debatte, dass Dinge nicht gebaut werden. Ich bitte da also wirklich um einen Schritt zurück, dass man einmal sagt: Okay, eine Straße ist nicht per se gut oder böse – wir brauchen ja auch, wenn wir mit Bussen, mit E-Autos, mit Wasserstoffautos oder mit was auch immer fahren, eine entsprechende Infra­struktur –, sondern man will einfach noch einmal drei Monate lang prüfen, was aus heutiger Sicht Sinn macht.

Wir sprechen von Projekten, die von einem zweistelligen Millionenbetrag im geringsten Fall über 400, 500 Millionen Euro bis zu beispielsweise 2,7 Milliarden Euro beim Lobautunnel kosten sollen. Wenn wir uns jetzt tatsächlich Gedanken machen, wie wir einen Haushalt sanieren, wie wir eine Politik schaffen, die generationengerecht ist, die den nächsten Generationen einen guten finanziellen Haushalt und eine Umwelt hinterlässt, mit der sie arbeiten und in der sie leben können, dann halte ich es – das möchte ich einmal in aller Deutlichkeit sagen – für einen klugen Schritt, dass man jetzt evaluiert. In diesem Fall auch Respekt für die ÖVP, dass sie das unterstützt. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Was wir als NEOS uns wünschen, ist, dass wir all jenen die Stirn bieten, die glauben, dass eine Infrastrukturpolitik, eine Arbeitsmarktpolitik oder auch eine Umweltpolitik aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren in das jetzige Jahrhundert übertragen werden kann. Das ist einfach elendig, schädlich, langweilig und den Menschen in unserem Land nicht zuzumuten – das muss man in aller Deutlichkeit sagen.

Was wir als NEOS unterstützen werden, ist, dass wir nach der Evaluierung, wenn die Ergebnisse feststehen, gerne ein wirklich ernst zu nehmender, konstruktiver Gesprächs­partner sind. Wir werden all jene Infrastrukturprojekte unterstützen, die auch für die nächsten Generationen Sinn ergeben – nicht nur für Landeshauptleute und nicht nur für den Boulevard –, und all jene Projekte massivst bekämpfen, die eine Steuergeld­ver­schwendung sind und die Klimakrise weiter anheizen. – Einen schönen Abend. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Kollege Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.20.09

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Wenn ich mir meinen Kollegen von den NEOS jetzt so anhöre, dann habe ich den Eindruck, dass ihr die Umwelt, das Klima, den Straßenbau erfunden habt. Schickt mir einmal ein Programm – ich habe noch nie gelesen, dass ihr in den letzten Jahren da irgendetwas Gescheites zu Papier gebracht habt! Das geht mir prinzipiell ab. – Das wollte ich nur ganz kurz gesagt haben.

Bei der ÖVP und meinem Vorredner Ottenschläger sehe ich es folgendermaßen: Der Antrag, den mein Kollege Schroll eingebracht hat, ist schon richtig. Ihr müsst das ganz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 230

einfach bauen, das ist jetzt jahrelang in Arbeit und ihr könnt euch jetzt nicht herausreden und sagen: Das ist Evaluieren und wir werden einmal schauen, wie es geht.

Ich glaube, das ist eine ganz notwendige Sache, das erkennt auch die Frau Landes­hauptfrau in Niederösterreich, und daran werdet ihr euch halten müssen. Es wird notwendig sein, dass ihr das baut. Da braucht ihr euch jetzt nicht herauszureden, dass das so nicht geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Gesetz und zu dieser Lkw-Bundesstraßenmaut: Hat man einen Lkw, der mit Elektrobetrieb oder mit Wasserstoffbrennstoffzellenantrieb fährt, dann war es bis jetzt so, dass man das Ganze um 50 Prozent günstiger gekriegt hat. Das soll jetzt auf 75 Prozent erhöht werden.

Für mich hat das ein bisschen einen Symbolcharakter, was die ÖVP und die Grünen da machen, denn ich sehe auf Autobahnen ehrlich gesagt wenige Lkw, die elektrobetrieben oder mit Wasserstoffantrieb fahren. Das ist also meines Erachtens ein recht guter Schmäh, der so schon ganz gut ankommen kann, das wird sich aber die nächsten zehn Jahre einfach noch nicht abspielen.

Deshalb glaube ich, dass es das Wichtigste sein wird, dass man das auf EU-Ebene regelt, indem man hergeht und sagt: Diese Emissionsklassen gehören gemacht. Die Frau Minister wird schauen müssen, dass man richtiges Geld bekommt, um zum Beispiel beim Brenner zu helfen, damit man alles vom Auto auf die Schiene kriegt und der­gleichen. Dafür wird Geld eingesetzt werden müssen, dann, glaube ich, sind wir auf einem richtigen Weg. Dieses Gesetz mit den Elektro-Lkw ist aber eher ein Schmäh. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.22.40

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ja, wenn man dem Kollegen von den NEOS, Herrn Bernhard, folgt, dann fragt man sich schön langsam: Wer ist denn eigentlich Ihr Parteifinanzier? – Ich glaube, ich kenne in dem Bereich Herrn Haselsteiner, und er ist ja in Österreich und auch in ganz Europa betreffend bauliche Maßnahmen vor allem im Straßenbau sehr intensiv unter­wegs.

Gleichzeitig verstehe ich jetzt aber auch Kollegen Schellhorn. Er ist ja zu sehr Wirt­schaftsrealist, als dass er diesen Aussagen, die Sie heute getätigt haben, in der Art und Weise folgen kann. Das ist eigentlich sehr, sehr schwierig für mich, ich glaube auch für die breite Masse der Bevölkerung, denn es ist einfach nicht schlüssig und geht hinten und vorne nicht zusammen. Dies vor allem, wenn man hergeht und dieses Schlagwort Evaluierung der gesamten Projekte verwendet. – Frau Bundesminister, man kann unter dem Strich sagen: Sie werden gestoppt, sie werden ganz einfach gestoppt. Warum? – Weil Sie Verkehr und Umwelt auf allen Ebenen auf Biegen und Brechen ideologisieren. Es kann nicht sein, dass wir das in Österreich in dieser Art und Weise zulassen!

Frau Bundesminister, bei den Punkten davor ist es um die Verkehrssicherheit gegangen. All diese Projekte – wir werden auch dem Antrag der SPÖ zustimmen – tragen natürlich auch zur Verkehrssicherheit bei. Mit keinem einzigen Wort erwähnen Sie in dem Bereich die Verkehrssicherheit, mit keinem einzigen Wort! Alle anderen Themen werden zusam­mengefasst, ob das bei der Geschwindigkeit ist, ob das im Flugverkehr ist, da ist überall die Verkehrssicherheit und der Umweltgedanke und der Umweltschutz dabei. In dem Bereich, in dem es um Entwicklungen, um Fortschritte und vor allem auch um alles, was die Schnelligkeit betrifft, geht – da geht es gar nicht um die Schnelligkeit, sondern es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 231

geht darum, effizienter von A nach B zu kommen –, geht es nicht mehr um die Verkehrs­sicherheit. Da geht es einzig und allein nur mehr um die Ideologie. Sie sind so ideolo­giebehaftet, dass Sie mit allen Mitteln und Wegen versuchen, den Individualverkehr und den Straßenverkehr aus Österreich zu verbannen. Das ist wirtschaftsschädlich und es schadet ganz Österreich als Wirtschaftsstandort. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann es mir nicht ganz verkneifen: Es gibt in der ÖVP noch einen Abgeordneten, der wirklich noch Cojones hat (Zwischenruf des Abg. Bernhard), nämlich Herrn Franz Hörl, der sich bei diesem Punkt einfach hierherstellt und die Dinge auf den Punkt bringt und auch erklärt, wie Politik auch noch normal mit Hausverstand und Realismus funktionieren kann.  Herr Kollege Bernhard, ich weiß, dass Sie aufgeregt sind, aber im Endeffekt geht es wirklich darum, die Dinge beim Namen zu nennen, und dazu gratuliere ich Franz Hörl. (Beifall bei der FPÖ.)

20.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haubner – in Richtung des sich zum Rednerpult be­gebenden Abg. Weratschnig –: Du wirst jetzt dem Hörl nicht gratulieren, nehme ich an!)


20.25.48

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rauch! Was spricht dagegen, Projekte aus den Neunzigerjahren zu evaluieren (Abg. Rauch: Das heißt, die streichen S’!), im Wissen, dass die CO2-Emissionen im Verkehr von 1990 bis 2017 um 75 Prozent gestiegen sind (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rauch), im Wissen, dass am 17.7. die EU- Kommission im Rahmen des Paketes Fit for 55 festlegt, die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent zu senken? Das sind die Fakten, die im Hintergrund stehen. Was spricht dagegen, dass man Klimaschutz ernst nimmt? – Nichts spricht dagegen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Bernhard. – Abg. Rauch: Mit Hausverstand! Mit Hausverstand!)

Es ist unsere Aufgabe, diese Herausforderungen zu bewältigen. Herr Abgeordneter Bernhard hat das bereits auf den Punkt gebracht. Es verwundert mich, wenn ich mir den Entschließungsantrag der SPÖ anschaue (Abg. Rauch: Das ist ein guter Antrag!), denn dann frage ich mich: Julia Herr, wo bist du geblieben? Wo bist du geblieben? (Beifall bei den Grünen.) Ich kann mich an einen sehr emotionalen Umweltausschuss erinnern, in dem von der SPÖ sehr deftige, triftige und auf der Zeit beruhende Anträge betreffend den gemeinsamen Klimaschutzantrag gestellt wurden. Die SPÖ hat gesagt: Na zu wenig ist es! Es geht zu langsam! Ihr seid säumig! – Das waren die Vorwürfe. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Jetzt kommt ein Antrag der SPÖ, und da frage ich mich: Ist das wirklich Kollege Stöger, der das geschrieben hat, oder ist es eher die Sektion Wien mit Kollegen Ludwig (Zwischenruf bei der SPÖ), oder ist es die Abteilung Eisenstadt Umgebung mit Herrn Doskozil, oder ist es überhaupt das Jagdrevier in Tirol mit dem Schorsch Dornauer? Das frage ich mich. Die SPÖ zerfällt in ihre Einzelteile. Das müssen wir uns jetzt hier anschauen! Wo ist die Klimaschutzverantwortung? (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Bernhard. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Werte Kollegen, ich darf kurz aus diesem SPÖ-Antrag zitieren: „Eine weitere Verzö­gerung der Projekte ist den Bürgerinnen und Bürgern längst nicht mehr zumutbar und führt zu vermehrten Aufwendungen der Länder sowie zum Entgang von LKW-Mautein­nahmen [...].“ – Na, das ist das Wichtigste, die Lkw-Mauteinnahmen zu sichern! Das machen wir schon in Tirol mit entsprechenden Maßnahmen. Und interessanterweise kommt im Verkehrsausschuss – Herr Abgeordneter Alois Schroll, gerade von dir an uns


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 232

gerichtet –: Na, tut etwas, tut etwas, wenn es um den Transitverkehr geht! Ja, ihr tut viel zu wenig! – Na, das ist doch alles ein Widerspruch! Es hat sich da anscheinend ganz klar die Sektion Ludwig durchgesetzt – Betonierer und jene, die auf jeden Fall Klima­schutz vielleicht noch in Sonntagsreden erwähnen. Das ist von der SPÖ übrig geblieben. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Bernhard.)

Natürlich wird es in Zukunft Straßenbauertüchtigung und-projekte geben – ja. Jetzt wird evaluiert. Eines ist aber auch klar: Es gibt natürlich auch laufende Verfahren und in diese Verfahren wird auch nicht eingegriffen. Wir leben in einem Rechtsstaat und jeder hat auch das Recht, Projektanten haben das Recht, Projekte dementsprechend einzubrin­gen. Wenn wir es uns aber bis 2040 zum Ziel setzen, den motorisierten Individualverkehr um 25 Prozent zu reduzieren, was wichtig ist bis 2030, dann werden wir in diesem Sinne auch Maßnahmen setzen müssen. In diesem Sinne werden wir nicht jeden Wunsch punkto Infrastruktur aus den Bundesländern abhaken und sagen können: Na ja, das ist klimagerecht!, und gleichzeitig in Sonntagsreden über die Klimaschutzziele reden. Das geht sich nicht aus!

Wir werden in der Koalition gemeinsam dafür sorgen, dass wir Wirtschaftlichkeit, eine ökosoziale Steuerreform und natürlich auch den Infrastrukturausbau gewährleisten. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) So werden wir das machen! – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gewessler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


20.30.29

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Erlauben Sie mir, dass ich zuerst zu den Tagesordnungspunkten spreche. Eigentlich diskutieren wir ja die Tagesordnungspunkte 17 und 18, zwei Novellen, die mit gutem Grund heute auf der Tagesordnung stehen, deswegen möchte ich auch kurz erläutern, worüber Sie hier eigentlich heute abstimmen.

Novelle zum Bundesstraßen-Mautgesetz: Da geht es um die Umsetzung einer EU-Richt­linie über die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme und die Erleichterung des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs. Damit wird der grenzüberschreitende Austausch von Daten von Zulassungsbesitzern ermöglicht, für deren Fahrzeuge die nicht ordnungsgemäße Entrichtung der Maut auf dem Asfinag-Mautstreckennetz fest­gestellt wurde. Dadurch erwarten wir uns eine bessere Nachverfolgbarkeit von verwal­tungsstrafrechtlichen Ahndungen der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut auf dem Asfinag-Mautstraßennetz. Es ist eine Anpassung an eine EU-Gesetzgebung, aber ich glaube, eine wichtige.

Die Novelle zum Bundesstraßengesetz, TOP 18: Auch das ist eine vielfältige Novelle, möchte ich sagen. Einerseits geht es um die Anbindung von Park-and-ride-Anlagen an Bundesstraßen, die Verbesserung von Interoperabilität. Wir hatten das heute schon ein­mal. In der Mobilität geht es um den richtigen Mix. Mit der Verbesserung bei den Park-and-ride- und Park-and-drive-Anlagen, mit den Klarstellungen in dieser Novelle, machen wir einen wichtigen Schritt.

Wir haben auch die Umsetzung der Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle drinnen, sowie eine Verbesserung der Fachplanungskompetenz des Bundes bezüglich Bundesstraßen. Da geht es um Gebiete zur Sicherstellung der Umsetzung von Ausbauvorhaben und von betriebsnotwendigen Anlagen, diese können durch eine Ver­ordnung des BMK einfacher zum Bundesstraßenplanungsgebiet erklärt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 233

Die Novelle beinhaltet viele weitere Punkte, auch einen Punkt, der gerade Tirol immer sehr wichtig war und wozu es aus verschiedenen Bundesländern Fragen gegeben hat, und zwar betreffend Anschlussstellen und Fahrverbindungen – also eine umfangreiche und vielfältige Novelle. Ich hoffe auch zu dieser Novelle auf breite Zustimmung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Antrag kann ich nur das wiederholen, was ich die letzten Tage gesagt habe. Ich glaube, wir haben eine große Verantwortung übernommen, alle gemeinsam. Wir haben eine große Verantwortung für das Klima, für den Naturschutz, für die Zukunft unserer Kinder übernommen. Wir haben uns gemeinsam Ziele gesetzt und wir fordern sie auch gemeinsam regelmäßig ein.

Bei Infrastrukturprojekten, das ist völlig klar, sitzen viele Interessen am Tisch. Da sitzt selbstverständlich auch die Verkehrssicherheit am Tisch. Da sitzt das Interesse der Bundesländer am Tisch. Da sitzt das Interesse der Wirtschaft am Tisch. Da sitzen viele unterschiedliche Interessen am Tisch. Mit mir sitzt halt auch der Klimaschutz am Tisch. Deswegen werden wir jetzt dieses Bauprogramm bis Herbst evaluieren. Im Herbst wird auch ein Ergebnis vorliegen, das dann die Basis für die weiteren Entscheidungen ist.

In der Zwischenzeit habe ich eine umfangreiche parlamentarische Anfrage vom Kollegen Ottenschläger bekommen und werde diese natürlich entsprechend beantworten. Das ist aber gerade jetzt ein guter, ein wichtiger Zugang, und wie gesagt, das Ergebnis wird im Herbst vorliegen. Bis dahin hoffe ich auf eine sachliche Diskussion zu diesem Thema. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.34.34

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Frau Bundesminister hat jetzt ausgeführt: Es gibt große Ziele und Pläne, die Mobilität in Österreich auszubauen und klimaschonender und umweltgerechter zu gestalten.

Mit der Novelle zum Bundesstraßengesetz machen wir es möglich, dass wir auch im Bereich der Bundesstraßen Park-and-ride-Anlagen errichten können. Es geht darum, dass wir in Österreich nachhaltige Infrastruktur für den ländlichen Raum schaffen, die Anbindung an die Städte, die Anbindung an Arbeitsplätze und die Anbindung an Standorte, zu denen die Menschen tagtäglich kommen müssen.

Das Park-and-ride-Thema hat natürlich speziell zum Bereich der ÖBB einen sehr starken Bezug und wurde im letzten Jahr forciert. Danke dafür! Ich glaube, auch in der Zukunft werden wir Park-and-ride-Anlagen brauchen, um Menschen zu verbinden, um die Ver­kehre zu verbinden, und wir müssen speziell den gemeinschaftlichen Verkehr weiter ausbauen. Wir haben in Tirol das sogenannte Pendlerticket mit 510 Euro pro Jahr, das sehr gut angenommen wird und eine gemeinsame Mobilität möglich macht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle stehen hin und wieder im Stau und werden auch zukünftig im Stau stehen. Ich glaube, wir sollten uns alle Gedanken machen, wie wir solche Staus vermeiden können, wie wir den Verkehrsfluss verbessern können. Da ist es wichtig, dass wir gezielt in neue Technik, in umweltschonende Technik investieren. Es gibt jetzt, glaube ich, eine Evaluierung des Bauprogramms. Im Regierungsprogramm haben wir klar festgelegt, dass wir zukünftig in umweltgerechte Technik, in umwelt­ge­rechten Ausbau der Mobilität investieren wollen und müssen und somit auch – das ist uns, glaube ich, allen bewusst – auf die Klimaschutzherausforderungen Antworten bieten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 234

Da sollten wir mit positivem Beispiel vorangehen und den Umstieg gemeinsam be­wäl­tigen.

Mit dieser Novelle zum Bundesstraßengesetz und der Ermöglichung von Park-and-ride-Anlagen an Bundesstraßen schaffen wir Vorteile für die Umwelt, schaffen wir Vorteile für die Wirtschaft und es profitiert vor allem der Mensch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Bundesminister, ich habe noch eine Bitte. Es ist heute von Kollegen Hauser der Antrag zum Projekt Luegbrücke eingebracht worden. Ich bin in dem Wahlkreis zu Hause und kenne das Wipptal seit über 20 Jahren. Ich habe diese Bürgerinitiative übernommen und kenne die Lage relativ gut. Kollege Weratschnig und meine Wenigkeit haben vereinbart, dass wir uns in den nächsten Tagen einmal selber ein Bild vor Ort machen. Ich darf heute im Namen der Bürgerinitiative, des Sprechers Robert Renzler, ehemals Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins, eine Einladung aussprechen, dass Sie sich einmal ein Bild vor Ort machen.

Aus meiner Sicht stellt sich so manches ein bisschen anders dar, als es von manchen Experten gesehen wurde. Wir haben da derzeit durchaus gegensätzliche Meinungen, unterschiedliche Anschauungen. Ich glaube, man sollte die Bevölkerung aber schon in den Mittelpunkt stellen und auch auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hören. In der Zwischenzeit haben sich 17 Gemeinden dieser Resolution angeschlossen. Daher meine Einladung und meine höfliche Bitte an Sie, sich vor Ort ein Bild zu machen. Wir können über alles offen diskutieren.

Ich habe mich für diese Sache relativ intensiv interessiert und war auch einmal der Meinung, dass die Neuerrichtung dieser Brücke das Beste ist. In der Zwischenzeit muss ich aber eingestehen: Wenn man das alles im Gesamten betrachtet und die Gesamtsicht für das Wipptal hat, gilt es, glaube ich, in dieser Angelegenheit durchaus noch eine Meinungsbildung voranzutreiben und dann vielleicht gemeinsam eine Entscheidung zu treffen.

Ich sage Danke für das Verständnis und bitte, dass wir hier noch einmal nachdenken und das Beste für die Bevölkerung und für das Tiroler Wipptal machen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.38.50

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren vor den Monitoren! Jetzt am Ende der Tagesordnung kommen wir auch zu sachlichen Themen, und ich wollte mich eigentlich ausschließlich dem Tagesordnungspunkt 17, der Novelle des Bundes­straßen-Mautgesetzes, widmen.

Worum geht es dabei? – Es geht um die Änderung dieses Gesetzes, damit die elek­tronische Maut für den internationalen Schwerverkehr so modifiziert wird, dass die Maut­prellerei so weit verfolgt werden kann, dass die Mittel, die die Asfinag braucht, auch außerhalb von Österreichs Grenzen eingetrieben werden können und somit die Asfinag zu den ihr zustehenden Mitteln kommt.

Die Asfinag baut und erhält mit diesen Mitteln das hochrangige Straßennetz, und wir haben eine intensive Diskussion betreffend die Evaluierung gehabt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 235

Wenn Herr Kollege Bernhard – da drüben steht er – sagt, das sei alte Politik, dann muss man dazusagen, man kann schon auch beim Straßennetz, was die Verkehrswende betrifft, einen Weitblick haben. Die Verkehrswende hat viele Gesichter.

Das eine ist  was wir alle miteinander tun , in die schienengebundene Infrastruktur zu investieren, mit zahlreichen Ausbauprogrammen: Koralmbahn, Semmeringbahn und viele, viele mehr. Wir attraktivieren den öffentlichen Verkehr – Klimaticket, Regional­ticket –, auch die aktive Mobilität; auch da wird viel gemacht.

Ein Teil der Verkehrswende ist aber auch die Änderung des Antriebsstranges der Fahrzeuge. (Abg. Bernhard: Ich hab euch ja gelobt!) Die Änderung des Antriebs­stran­ges der Fahrzeuge bewirkt durch E-Mobilität, durch Wasserstoffbrennstoffzellen, vielleicht aber auch durch E-Fuels eine ganz andere Emission. Wir kommen weg von durch CO2-Emission betriebenen Fahrzeugen hin zu klimaneutralen Fahrzeugen.

Das ist vielleicht der wesentliche Punkt, warum wir schon auch vonseiten der ÖVP die­ses Ausbauprogramm nach wie vor vorantreiben wollen: weil ein veränderter Antriebs­strang klimaneutral funktioniert, und diese Fahrzeuge werden auch in Zukunft eine gut funktionierende Straßeninfrastruktur benötigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Thema der Sicherheit, der Wirtschaftlichkeit – all das wurde genannt – trifft genau auch auf meine Region zu. Die A 9, die Pyhrn-Autobahn, im Süden ist mittlerweile stark überlastet. Das führt auch dort dazu, dass sich der Verkehr in die Dörfer verlagert und die Einfamilienwohngebiete stark belastet sind.

An dieser Autobahn befindet sich aber noch etwas anderes, nämlich das Cargo-Center, ein multimodaler Verkehrsknoten, der geradezu prädestiniert dafür ist, die Waren von der Straße auf die Bahn zu verlagern. Kollege Ernst Gödl und ich waren vor circa zwei Wochen bei diesem Cargo-Center und haben mit dem Eigentümer gesprochen. Der Anlass war ein positiver: Der Eigentümer hat sich einen eigenen Zug gekauft und transportiert ab sofort Hunderttausende Tonnen klimafreundlich über die Schiene, über die Fernstrecke bis nach Deutschland.

Er hat uns aber zwei Anliegen mitgegeben. Das erste ist – wieder schienengebundene Infrastruktur –, dass die Pyhrn-Schober-Achse adaptiert, ausgebaut gehört, damit wir auch in Österreich dementsprechend wettbewerbsfähig sind. Wir brauchen aber auch – das betrifft wieder die Autobahn – eine Autobahn mit ausreichend Kapazität, um den An- und Ablieferverkehr dementsprechend zeitgerecht und termingerecht abwickeln zu können.

Wie gesagt, in Zukunft werden wir definitiv – das kann man so sehen, man merkt ja, es gibt immer mehr mit E-Motoren betriebene Fahrzeuge – sicher nicht nur mit Diesel oder Benzin fahren, sondern mit Elektromobilität, Wasserstoffbrennstoffzellen und E-Fuels.

Mit dieser neuen Art von Antriebsstrang werden wir dementsprechend eine sichere Straßen­infrastruktur mit unter anderem auch ausgebauten Autobahnen und Schnell­straßen brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 236

20.43.1619. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (932 d.B.): Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregionalbahnprojekte Linz (999 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 759/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ortskerne als Begegnungszonen (1000 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 760/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entlastung für Carsharing Unternehmen (1001 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zu den Punkten 19 bis 21 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.44.01

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Erstens möchte ich mich bedanken: Ich halte das Projekt für Linz und das Mühlviertel, diese Artikel-15a-Vereinbarung, für sehr, sehr gut. Ich bin oft ein Kritiker der FPÖ, zolle aber heute ganz bewusst Herrn Landesrat Steinkellner meinen Respekt. Er hat mitgewirkt, dass das möglich ist. Als Mühlviertler und als Dauernutzer der Mühlkreisbahn kann ich dem vorliegenden Entwurf für die Finanzierung und Planung der Stadtbahn­projekte in Linz nur zustimmen, weil in Linz dringend eine Entlastung der Verkehrswege geboten ist, weil die Durchbindung der Mühlkreisbahn an den Linzer Hauptbahnhof eine logische Entscheidung ist, die viele Pendlerinnen und Pendler brauchen, und weil damit auch die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs im Raum Linz gesteigert wird.

Es ist ein klarer Vorrang der Schiene als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel. Würden in Linz alle Auto fahren, dann würde der Satz stimmen: Wenn alle fahren, fährt niemand, weil alle im Stau stehen – und dem wird damit begegnet. Es wird mit den geplanten Projekten der Umstieg der Menschen vom Auto auf ein öffentliches Verkehrsmittel richtig erleichtert.

Frau Bundesministerin, ich habe eine Bitte von den Pendlerinnen und Pendlern aus dem Mühlviertel: Hört nicht bei der Linzer Stadtgrenze auf! Wir haben ein Projekt, das weiter bis nach Pregarten geplant ist. Bitte jetzt schon die Planung zu beginnen, denn diese Infrastrukturprojekte dauern lang! Das ist meine Bitte, das jetzt schon zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Anträgen der NEOS: Die Förderung der Ortskerne werden wir mittragen. Zum zweiten Antrag der NEOS, Carsharing – ich habe es im Ausschuss gesagt, ich sage es jetzt wieder –: Das Problem bei den Autos ist nicht der Antriebsstrang, das Problem bei den Autos ist der Platzbedarf, und der Platzbedarf von Autos darf auch etwas kosten. Die Gemeinden leben davon.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 237

Auch ein Fahrzeug, das im Carsharing ist, verbraucht Platz, und da sollen sich die großen Konzerne, die Carsharing anbieten, mit den Gemeinden auseinandersetzen und die Tarife definieren. Dazu stehen wir. Insofern werden wir dem Antrag keine Zustim­mung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Clemens Stammler. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.47.07

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 1995 ist jenes Jahr, in dem die Diskussion zur Durchbindung der Mühlkreisbahn begonnen hat.

In demselben Jahr ist unsere Verkehrsministerin Leonore Gewessler 18 Jahre alt geworden. Vielleicht hat sie in dem Jahr auch ihren Führerschein gemacht, und wäre sie nicht Studentin und vielleicht auch autoaffin gewesen, hätte sie zu dem Zeitpunkt einen neuen 3er-Golf kaufen können.

Während der folgenden 27 Jahre wurden zur Mühlkreisbahn sieben unterschiedliche Studien in Auftrag gegeben – 27 Jahre, in denen Baumaschinen an den falschen Bau­stellen gestanden sind, damit Straßen gebaut werden, 27 Jahre, in denen die gefah­renen Pkw-Kilometer in diesem Land um 55 Prozent gestiegen sind. Es braucht aber nur eine grüne Verkehrsministerin, die auch gleichzeitig Klimaministerin ist, um endlich die Bagger auf die richtige Baustelle zu stellen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihr 10 000 Mühlviertler Pendlerinnen und Pendler, es ist ein Ende in Sicht! Fünf Golf-Baureihen später braucht ihr bald nicht mehr im 8er-Golf im Stau zu stehen. – Danke, Frau Ministerin, grün wirkt! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Johannes Margreiter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.48.49

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Ich bin überzeugt, dass sich im innerörtlichen Verkehr, im innerört­lichen Individualverkehr, einiges tun muss.

Seit ewiger Zeit, praktisch seit es die Straßenverkehrsordnung gibt, haben wir als Ortsgeschwindigkeit 50km/h. Jede Gemeinde, die sagt, sie will ein Gebiet beruhigen, sie will niedrigere Geschwindigkeiten im Ortszentrum haben, muss ein aufwendiges Ver­fahren durchführen, um dann in einem gewissen Gebiet 40km/h oder 30km/h verordnen zu können. Das ist, glaube ich, ein System, das umgestellt gehört.

Ein Element davon sind die Begegnungszonen. Diese sind seit 2013, glaube ich, in der Straßenverkehrsordnung verankert, und es gibt einige sehr schöne Beispiele, wie gut das funktioniert, wenn sich Fußgänger und der motorisierte Kraftfahrverkehr gleich­be­rechtigt die zur Verfügung stehenden Verkehrsflächen teilen müssen.

Der Antrag, den wir da eingebracht haben, hätte darauf abgezielt – wohl wissend, dass das natürlich rein von der Kompetenzlage her bei den Gemeinden liegt, dass also der Bund keine Kompetenz hat, etwas anzuordnen; der Bund kann aber Anreize schaffen.

Es wäre darum gegangen, mit diesem Antrag ein Signal zu setzen, dass wir das wollen, dass es also seitens der Bundespolitik sehr gewünscht und gefördert wird, dass die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 238

Gemeinden ihre Ortskerne in Begegnungszonen umwandeln, und natürlich wäre es da auch günstig, einen kleinen finanziellen Anreiz zu geben.

Im Verkehrsausschuss wurde ich darüber aufgeklärt, dass es dafür offenbar ohnehin Mittel gibt. Soweit ich das gesehen habe, ist dieser Topf aber nur für Maßnahmen im Bereich der aktiven Mobilität, also der Erleichterung von Fußgänger- und Fahrrad­verkehr, vorgesehen. Die Einrichtung einer Begegnungszone erfordert ja auch Mittel für den Kfz-Verkehr, damit man den Straßenraum entsprechend gestalten kann. Da, glaube ich, könnte man doch mit einem finanziellen Anreiz die eine oder andere Gemeinde dazu bewegen, innerörtliche Begegnungszonen einzurichten.

Der zweite Antrag bezieht sich darauf, dass es in großen Städten Carsharing­unter­nehmen gibt, die natürlich Parkraum beanspruchen. Da bin ich vollkommen d’accord mit Kollegen Stöger, dass das natürlich bezahlt werden muss, aber auch da ginge es um ein Anreizsystem, und zwar nicht generell, sondern nur für jene Autos, bei denen Carsha­ringunternehmen Elektromobilität einsetzen, also vom Verbrennungsmotor weggehen, weil eben das Anforderungsprofil geradezu dafür geschaffen ist, dass man sagt, für dieses Carsharing im innerörtlichen Bereich ist die Elektromobilität das Mittel der Wahl. Es sollte also auch ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass die Carsharing­unter­nehmen ihre Flotten auf Elektromobilität umstellen. Das wäre die Idee hinter dem Antrag gewesen. Vielleicht lassen Sie sich doch noch dazu bewegen, diese wichtige Signalwir­kung zu geben, und stimmen dem Antrag zu. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Philipp Schrangl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.52.20

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Als Linzer bin auch ich verkehrsgeplagt von – der Kollege von den Grünen hat es vorhin schon gesagt – 25 Jahren rot-schwarzem Stillstand in der Verkehrspolitik im Zentralraum in Oberösterreich. Ich meine, dem oberösterreichischen Verkehrslandesrat der FPÖ, Günther Steinkellner, ist ein großer Wurf gelungen: diesen rot-schwarzen gordischen Stillstandsknoten zu durchschlagen.

Ein blauer Verkehrsstadtrat, ein roter Bürgermeister, ein blauer Verkehrslandesrat, ein schwarzer Landeshauptmann und eine grüne Bundesministerin haben es zustande ge­bracht, den Linzern endlich das Beste aus zwei Welten zu bringen, nämlich das Stadt­bahnsystem kombiniert mit einer O-Buslinie. Damit bringen wir wirklich Beschleunigung in den Linzer Verkehr. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich.

Eine Straßenbahn bis ins Umland hinaus wäre zu langsam gewesen, eine reine Stadt­bahn für Linz nicht zielführend, weil zu wenige Haltestellen. Das bringt wirklich eine Ver­kehrswende. Witzigerweise ist auch der Beschluss im Oberösterreichischen Landtag ge­rade erst gefallen, das heißt, im Oberösterreichischen Landtag und jetzt auch hier im Bund wird die Vereinbarung durchgebracht. Dafür möchte ich im Namen der Linzerinnen und Linzer ganz herzlich danken und hoffe, dass wir schnell bauen können, schnell umsetzen können, damit nach der Eröffnung der neuen Linzer Eisenbahnbrücke mit dem Verkehr in Linz etwas weitergeht und 400 000 Menschen schneller zur Arbeit und nach Hause kommen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundes­ministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 239

20.54.22

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die Öffimil­liarde für den Nahverkehr steht nicht nur im Regierungsprogramm, sondern sie wird auch Realität. Angesichts der kontinuierlich steigenden Nachfrage im öffentlichen Nahverkehr gerade in den Ballungsräumen, gerade für das Pendler- und Pendlerinnenaufkommen, wie es Kollege Stöger vorhin gesagt hat, brauchen wir die weitere Forcierung umwelt­gerechter Mobilitätsformen und natürlich insbesondere Regionalbahnen, Stadtregional­bahnen mit stadtgrenzenüberschreitender Wirkung.

Ich gebe ein bisschen eine historische Erklärung, warum das jetzt so gut ist, was wir mit dieser 15a-Vereinbarung auf den Weg bringen, nämlich insgesamt für das System der Finanzierung: In der Vergangenheit konnte der Bund regionale Schienenprojekte von Bundesländern und Gemeinden nur im Weg der Privatbahnfinanzierung unterstützen. Das war jedoch an das Vorliegen einer Vollbahn gebunden und konnte nicht für Straßen­bahnen angewendet werden. Dieser Zustand war zumindest volkswirtschaftlich nicht optimal, weil das dazu verführt hat, immer in der größtmöglichen Kategorie, also der Vollbahn, zu denken, obwohl vielleicht Straßenbahnlösungen wesentlich wirtschaftlicher gewesen wären.

Die nunmehrige Möglichkeit, die wir geschaffen haben, dass wir Straßenbahnprojekte mit stadtgrenzenüberschreitender Wirkung durch Vereinbarungen gemäß Artikel 15a mit den Bundesländern mitfinanzieren können, schafft eine neue, konstruktive und am Ende recht simple Lösung für ein Problem, das wir jetzt viele Jahre mit uns mitgeschleppt haben.

Die Vereinbarung, die heute hier vorliegt, ist – ja! – ein wirklicher Durchbruch nach vie­len, vielen Jahren und Jahrzehnten von Vorarbeiten, von Im-Kreis-Reden, auf jeden Fall von Nicht-Weiterkommen – Kollege Stammler hat es vorhin ausgeführt. Dass es uns jetzt gelungen ist, wirklich diesen Schritt zu machen, diesen gordischen Knoten zu lösen und das Projekt nach vielen, vielen Jahren des Redens auf den Weg zu bringen, das freut mich persönlich sehr. Ich freue mich sehr, dass wir heute diese erste 15a-Verein­barung auf den Weg bringen können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Vereinbarung, die Ihnen heute vorliegt, ist der erste Teil. Es geht zunächst um die detaillierte Planung der Projekte in Linz mit Gesamtkosten von rund 26 Millionen Euro – der Bund übernimmt 50 Prozent, das heißt 13 Millionen Euro –, also die Einreichplanung der Innenstadtdurchbindung, das Vorprojekt für den Verlauf der S 6, also Hauptbahnhof bis Mühlkreisbahnhof. Ziel ist es, mit diesem Gesamtprojekt in der Region Linz ange­sichts des weiterhin zunehmenden Pkw-Verkehrs – das wurde gerade vorhin auch ausgeführt – den Marktanteil des Öffiverkehrs zu steigern, insbesondere aus dem Norden von Linz.

Nach derzeitigem Planungsstand – und ich bitte Sie, diese Zahlen jetzt mit Vorsicht zu genießen, denn die wirklich substanziierten Baukostenprognosen können wir erst auf Grundlage einer detaillierteren Planung machen – betragen die Gesamtkosten für das Projekt mit einer Vorausvalorisierung rund 589 Millionen Euro. Aus heutiger Sicht sind wir 2030 fertig, das heißt, 2030 haben wir ein tolles Projekt für Linz auf die Schiene gebracht und umgesetzt.

2030 wollen wir auch schon andere Projekte auf die Schiene gebracht haben. Eine vergleichbare Vereinbarung für Regionalstadtbahnprojekte in Innsbruck haben wir be­reits im Ministerrat beschlossen, die geht Ihnen also bald auch zu, und weitere Projekte werden folgen, denn gerade der Ausbau des öffentlichen Verkehrs zum Einpendeln in die Ballungsräume muss unser zentrales Ziel sein und ist es auch. Damit man mit den Öffis in die Stadt kommt, bauen wir jetzt die Infrastruktur. Deswegen bitte ich Sie um


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 240

breite Unterstützung für diese erste von hoffentlich noch vielen 15a-Vereinbarungen aus der Öffimilliarde. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

20.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Mag. Felix Eypeltauer zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.58.43

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Frau Bundesministerin! Die Linzer Stadtbahn wird jetzt nach 30 Jahren der Diskussion, des Andenkens und Verhandelns bald – wenn sie nicht nur geplant, sondern auch gebaut worden ist – Realität, und als Oberösterreicher und Linzer freut mich das ehrlich und wirklich sehr. Ich freue mich darauf, dass hoffentlich bald die Züge fahren und Linz mit seinem wunderschönen Mühlviertler Umland näher und enger zusammenwächst.

Man muss aber dazusagen: Die Stadtbahn wird jetzt einmal geplant, 2026 sind die Planungen dann hoffentlich fertig, und 2030 – möge dieser Zeitplan halten, oft tun Zeit­pläne das ja nicht – soll der Zug fahren.

In der heutigen Realität wälzt sich täglich ein stinkender Blechwurm in die Stadt und aus der Stadt: mangels ausreichender Alternativen zum Auto auf der einen Seite, auch und gerade im Stadtgebiet auf der letzten Meile, und gleichzeitig aufgrund der zu hohen Attraktivität des Autos, des Pkw im Vergleich zum Öffi, an der man im Land Ober­österreich jahrzehntelang auch ganz bewusst politisch gearbeitet hat und – und das ist mein Schmerz – es mit Milliardeninvestitionen ja auch heute im Jahr 2021 weiter tut; denn im Gegensatz zur Linzer Stadtbahn, die jetzt einmal Theorie ist und geplant wird, sind die Autobahnprojekte im oberösterreichischen Zentralraum Realität.

Die Bagger, die stehen. Sie stehen am Westringtunnel, sie stehen an einer Autobahn mitten durch die Stadt im Westen, und im Osten wird gerade eine andere Autobahn­trasse mitten durch die Stadt, mitten durch Naherholungsgebiete, aber auch mitten durch Naturschutzgebiet geplant. Die Rede ist von der Linzer Ostdurchfahrung, die euphe­mistisch und irreführend immer wieder als Ostumfahrung bezeichnet wird. Deren Tras­sen­führung bedeutet eine europäische Lkw-Transitroute mitten durch Siedlungs­gebiete, mitten durch die Traunauen, mitten durch den Schiltenberger Wald und mitten durch Entwicklungsfläche, also durch 90 Hektar Fläche, auf der eine Siedlung hätte entstehen können, und das ist das Ende der Möglichkeit für die Stadt Linz, sich in diese Richtung wirklich weiterzuentwickeln.

Als Fazit muss man also festhalten: Die Autobahnen werden schon gebaut. Die Stadt­bahn ist jetzt einmal Theorie.

Was noch erschütternder ist, ist, wie viel Geld wir wofür ausgeben. Wir geben im oberösterreichischen Zentralraum vier Mal so viel Geld für Autobahnen aus wie für den öffentlichen Verkehr, für die Stadtbahn, für die Schiene. 2 Milliarden Euro geben wir für Autobahnen und 500 Millionen, 600 Millionen Euro für die S‑Bahn aus. Ich spreche jetzt einmal gar nicht von den absurd geringen Radverkehrsbudgets.

Das kommt heraus, wenn über Jahrzehnte Verantwortungsträger und Verantwortungs­trägerinnen zu bequem sind, zu zögerlich sind, zu träge sind und zu betonverliebt sind, und das zeigt, wie es da auch in Zukunft Druck von einer möglichst breiten Allianz aus politischen Kräften brauchen wird, dass eingefahrene Gewohnheitspolitik aufgebrochen gehört und dass es frischen Wind im Nationalrat, in der Bundesregierung, aber natürlich auch im oberösterreichischen Landtag braucht.

Frau Bundesministerin, ich schließe mit einem Detailthema, von dem ich hoffe, dass Sie es nicht übersehen werden. Die neuen S‑Bahn-Linien werden durch Linz-Urfahr führen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 241

und das bedeutet für Tausende Anrainerinnen und Anrainer, dass bis zu 16 Züge pro Stunde durch ihr Wohngebiet fahren werden. Das ist grundsätzlich okay, weil diese Züge ja irgendwo fahren müssen, sie haben aber ein, glaube ich, verständliches Interesse daran, einbezogen und informiert zu werden.

Mein Appell an Sie, Frau Bundesministerin, ist: Lassen Sie sich vom Land Oberöster­reich und von der Stadt Linz nichts erzählen! Die Anrainer wissen bis heute nichts. Sie fürchten, auch weiterhin nicht eingebunden zu werden. Mein Appell ist, dass man da auf Augenhöhe und ernsthaft von Anfang an auch mit jenen, die einfach unmittelbar davon betroffen sind, arbeitet. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Johann Singer. – Bitte, Herr Abge­ord­neter.


21.03.12

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerin­nen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als fünfter Oberösterreicher darf auch ich meine Freude über die Umsetzung der OÖ Regional-Stadtbahn zum Ausdruck bringen. Was war die Grundlage oder warum ist es so, dass wir jetzt sozusagen diese Umsetzung feiern dürfen? – Im Regierungsprogramm zwi­schen den Grünen und der ÖVP sind der Ausbau und die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in und um die städtischen Ballungsräume vereinbart.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist von meinen Vorrednern schon angesprochen worden: Der Berufsverkehr im Raum Linz ist enorm. Man darf nicht übersehen, dass die Linzer Stadtgrenze täglich mehr als 300 000 Mal überquert wird. Daran kann man erken­nen, wie fordernd diese Situation für die Menschen, die in Linz arbeiten, ist. Daher ist die Realisierung dieser OÖ Regional-Stadtbahn für den oberösterreichischen Zentralraum ein Meilenstein: ein Meilenstein für die staugeplante Region, ein Meilenstein für den öffentlichen Verkehr, und damit auch ein Meilenstein für die Klimapolitik.

Unumstritten ist die mit der Realisierung dieses Projektes verbundene enorme Steige­rung der Lebensqualität für die betroffenen Menschen. Es bringt deutliche Zeitvorteile und bedeutet natürlich auch eine saubere, CO2-freie Mobilität. Vergessen darf man auch nicht die Vorteile für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Linz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, was mich besonders freut, ist, dass dieses Projekt mit einem Schulterschluss vieler möglich geworden ist: auf der Bundesseite Sie, Frau Bun­des­ministerin, auf der Landesseite unser Landeshauptmann Thomas Stelzer und Ver­kehrs­landesrat Günther Steinkellner sowie im Bereich der Stadt Linz Bürgermeister Klaus Luger.

Es ist schon angesprochen worden: Das Gesamtprojekt wird aus heutiger Sicht – Frau Bundesministerin, Sie haben es schon gesagt – rund 600 Millionen Euro ausmachen, das ist aus meiner Sicht aber gut investiertes Steuergeld für eine klimafreundliche Mobi­lität zum Wohle der betroffenen Menschen in Linz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Heute beschließen wir die 15a-Vereinbarung, und ich freue mich sehr, dass auch der Oberösterreichische Landtag – Kollege Schrangl hat es schon angesprochen – heute seinen Beschluss gefasst hat. Das heißt also, mit dem heutigen Beschluss im Bund ist die 15a-Vereinbarung sozusagen jetzt auch entsprechend abgeschlossen.

In Innsbruck, in Graz und auch in Niederösterreich zusammen mit Wien gibt es ähnliche Projekte. Mit der Öffimilliarde des Bundes wird es in den Ballungszentren zu einem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 242

Investitionsschub für den öffentlichen Verkehr kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Wohltat für die staugeplagte Bevölkerung! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Lukas Hammer. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


21.07.19

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die NEOS haben in ihrem Antrag die Klimaministerin aufgefordert, dass sie auch Begegnungszonen in Ortskernen fördert. Wir haben diesen Antrag im Ausschuss abgelehnt, weil er etwas fordert, was bereits umgesetzt ist: Die Klimaschutzministerin fördert seit April dieses Jahres – und das ist wirklich großartig – erstmals Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs. Wenn eine Gemeinde ein Ge­samtkonzept vorweisen kann, übernimmt der Bund bis zu 50 Prozent, also die Hälfte der Kosten für die Neuerrichtung oder Umgestaltung von Begegnungszonen, aber auch von anderen Maßnahmen wie Wohnstraßen oder Maßnahmen zur Ortskernbelebung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das ist wichtig. Unsere Städte werden immer mehr zu kochenden Wüsten aus Beton und Blech. Gerade heute – vielleicht waren Sie einmal draußen – hat es in Wien wieder 35 Grad gehabt. Der Asphalt heizt sich an solchen Tagen auf 60 Grad auf. Diese Hitze trifft viele Menschen, auch Tiere, vor allem aber sind es Menschen, die unter dieser Hitze leiden, die eben keinen Schatten bekommen, die in schlecht gedämmten Häusern woh­nen. Es trifft die Schwächsten in unserer Gesellschaft: Kinder, ältere Menschen, Men­schen mit Behinderungen, wohnungslose Menschen, die unter dieser Hitze leiden. Zu wenig Grün, zu wenig Schatten, zu wenig Platz für zu Fuß Gehende, aber auch Rad­fahrende, um sicher von A nach B zu kommen: Das sind die Probleme, die wir in den Ortskernen, auch in Wien, derzeit haben.

Wenn Stadtregierungen ihre Städte sicherer, grüner und klimafitter machen wollen, dann können sie das tun und bekommen die Hälfte der Kosten vom Klimaministerium geför­dert. (Beifall bei den Grünen.) Sie müssen es nur wollen. Sie müssen es wollen, und in Wien hat die neue, von der SPÖ geführte Stadtregierung bewiesen, dass sie es zum Teil nicht will. Als die grüne Vizebürgermeisterin gerade das Büro verlassen hatte, hat die neue Stadträtin mehrere Projekte einfach in der Schublade verschwinden lassen: Be­geg­nungszone Thaliastraße, Begegnungszone Reinprechtsdorfer Straße, Volkertviertel mit Begegnungszone – alles abgesagt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die SPÖ in Wien besteht – da muss ich mich wirklich teilweise sehr wundern – statt auf Begegnungszonen und Verkehrsberuhigungen auf neuen Autobahnen und will sogar die Klimaministerin klagen, wenn sie sich diese vor dem Hintergrund der neuen Klimaziele, die wir uns alle und die sie sich auch in Wien gegeben haben, auch nur anschauen will, wenn sie sie auch nur evaluieren will.

Da muss ich schon sagen: Aus der Opposition heraus fordern Sie von uns zu Recht mehr Tempo und Ambition und erinnern uns auch beim Klimaschutz daran, aber da, wo Sie wirklich entscheiden können, wo ihr wirklich entscheiden könnt, da spielt dann Klimaschutz zum Teil wirklich weniger Rolle.

Ich kann wirklich nur an Sie und an alle Gemeinden in Österreich appellieren: Nehmt die­se neue Förderung an! Es gibt mittlerweile Förderung für den Radverkehr, aber jetzt auch für den Fußverkehr, für Begegnungszonen, um unsere Städte lebenswerter zu machen. Wir haben eine Klimaministerin, die wirklich alles unternimmt, damit alle Gemeinden klimafit werden, wenn sie es nur wollen. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.10



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 243

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Walter Rauch. – Bitte, Herr Abge­ord­neter.


21.10.44

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Die Frauen Bundes­ministerinnen! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, Kollege Stammler hat in seinem Redebeitrag vorhin gesagt, Sie haben es ja lobend erwähnt: Grün wirkt! – Das ist richtig. (Abg. Weratschnig: Sehr gut! Bravo!)

Wo wirkt Grün? – Grün wirkt bei der Nova, bei der Nova-Erhöhung am 1. Juli – eine Österreichsteuer sondergleichen. (Beifall bei den Grünen.) Man sieht ja, Sie applau­dieren, der Koalitionspartner senkt in den eigenen Reihen die Köpfe, weil man da ent­sprechend über den Tisch gezogen wurde. Da wirkt Grün, das sind Kosten und Mehr­belastungen für die Bürger, die in dieser Art und Weise so nicht tragbar sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo wirkt Grün noch? – Grün wirkt auch beim Verbot des Verbrennungsmotors (Zwi­schenruf des Abg. Weratschnig): E10, E-Fuels, da arbeiten Sie in allen Bereichen gegen die Wirtschaft, gegen den Standort Österreich und auch gegen den Autocluster in Österreich, den wir in der Steiermark haben (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), auch in anderen Teilen von Österreich. Da wirkt Grün.

Noch ein wesentlicher Punkt: bei der E-Mobilität. Dazu gibt es jetzt gerade aktuell online in der „Presse“ einen Artikel von Herrn Bucek von der Industriellenvereinigung über die Nutzfahrzeuge. Er sagt: Das ist ein Millionengrab. E-Mobilität wird ein Millionengrab. (Zwischenruf des Abg. Weratschnig.) Ich zitiere nur. Warum wird E-Mobilität ein Millionengrab? Er sagt, weil wir in dem Bereich – nachhaltig – nicht wissen, was wir am Ende des Tages vor allem mit den Batterien und mit den Fahrzeugen tun sollen. (Zwi­schenruf des Abg. Weratschnig.– Ja, recyceln, aber es gibt noch kein einziges Unternehmen in Österreich, das diese E-Mobile recyceln kann. Das wird das Haupt­thema für die Zukunft und vor allem auch für die Wirtschaft und auch für den Standort sein.

Da, glaube ich, befinden Sie sich auf einem einseitigen Weg. Sie haben eine einseitige ideologische Politik und sonst nichts, das ist das Hauptproblem, denn Sie machen nicht flächendeckend Umweltpolitik mit Hausverstand, das ist das Problem. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Weratschnig.)

21.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Christoph Stark. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


21.13.08

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich an dieser Stelle auch zu den vom Kollegen Margreiter eingebrachten Vorschlägen für die Begegnungszonen äußern und schicke voraus, dass wir diesem Antrag nicht folgen werden, wie wir im Ausschuss schon argu­mentiert haben.

Warum nicht? – Eine Begegnungszone ist ein sehr probates Mittel, das Miteinander, das Mobilitätsmiteinander in Stadtkernen besser zu regeln, anders zu fokussieren, dieses Miteinander zu fördern. Dazu braucht es aber im Minimum nur eines, und zwar zwei Tafeln: eine am Ende und die andere am Anfang. Natürlich könnte man jetzt sagen, wenn man das eher schöner ausgestaltet, dann nimmt man ein bisschen Geld in die Hand und gestaltet diesen Platz, gestaltet Straßen, um diese Begegnungszone auch sichtbarer zu machen. Ich für meinen Teil habe das in meiner Stadt – das ist eine Stadt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 244

mit 11 000 Einwohnern in der Oststeiermark – getan. Ein Platz, auf dem sich Menschen begegnen, während der Bauernmarkt stattfindet, ist kein Problem hinsichtlich des fließenden Verkehrs, des Radfahrverkehrs, des Fußgängerverkehrs. Das funktioniert und hat sich wirklich bestens bewährt.

Warum sind wir trotzdem dagegen? – Weil ich denke, dass es auch im Sinne der NEOS und des Kollegen Margreiter ist, dass wir keine zusätzlichen Bürokratien aufbauen, dass wir keine Redundanzen schaffen. Das, was die Begegnungszonen ausmacht, das kann jetzt schon, auch gefördert, umgesetzt werden. Dazu braucht es kein weiteres und eigenes Instrument, um diese Dinge ins Leben zu rufen. Es braucht eine verantwor­tungs­volle Stadtpolitik, die nach vorne schaut, die sagt: Wir wollen das anders regeln! Es gibt über den Klima- und Energiefonds Möglichkeiten, das auch effektiv zu fördern, und dann, Kollege Margreiter, dann rennt die Geschichte.

Da braucht es kein weiteres Gesetz, kein weiteres Regularium, es braucht keine Büro­kratie. Das ist, glaube ich, ganz in Ihrem Sinne, und in Ihrem Sinne ist natürlich auch, dass es die Begegnungszonen in Österreich gibt. Ich lade die Frau Bundesministerin ein, das auch stärker zu propagieren, das wäre vielleicht ein probates Mittel; explizite Förderungen aber brauchen wir nicht, wollen wir nicht. Es gibt bereits bestehende, funktionierende Möglichkeiten, auf die wir zugreifen und die wir nutzen können. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

21.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Verkehrsausschusses.

21.16.02Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 14 bis 21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Verkehrsausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs davor eine Unterbrechung? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, in 994 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Margreiter, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz­antrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und schließlich über den Gesetzentwurf abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Margreiter, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 40a eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Ein­gang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 245

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend Bun­des­gesetz, mit dem das Flughafenentgeltegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 942 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung geän­dert werden, samt Titel und Eingang in 946 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 938 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz geändert wird, samt Titel und Ein­gang in 936 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Verzögerung in der Umsetzung der Autobahnen- und Schnellstraßenprojekte“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 246

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Verkehrs­ausschusses, dem Abschluss der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über die Finanzierung der Planung der Stadtregio­nalbahnprojekte Linz in 932 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Verkehrsaus­schusses, seinen Bericht 1000 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Verkehrs­aus­schusses, seinen Bericht 1001 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

21.20.5622. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2021, vorgelegt vom Bun­desminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-329/1018 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1637/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende und niederschwellige Kurse für digitale Kompetenz (1019 d.B.)

24. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1608/A(E) der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Overhead-Finanzierung von Forschungsprojekten (1020 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1719/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildung als zentrale Säule in der FTI-Strategie 2030 (1021 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 247

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 22 bis 25 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße alle drei zuständigen Bundesminister im Haus und darf Mag.a Dr. Petra Oberrauner zum Rednerpult bitten. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.22.15

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Ministerinnen! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer zu Hause! Ich darf in die Diskussion einsteigen und zum Forschungs- und Technologie­bericht sprechen. Dieser zeigt deutlich, dass Österreich über innovative Wirtschafts­unternehmen, gute universitäre Forschung und hoch qualifizierte Fachkräfte verfügt. Er zeigt aber auch, dass es in Österreich weiterhin nicht gelingt, zu den Innovationleadern in Europa aufzuschließen, was seit langen Jahren unser Ziel ist.

Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung zählt im aktuellen Bericht eine Reihe von Defiziten auf: einen großen Rückstand bei der Digitalisierung – diesen holen wir ja jetzt auf –, Mängel im Bildungsbereich – auch da versuchen wir, etwas Gutes bei­zutragen –, und er mahnt Planungs- und Finanzierungssicherheit ein, was jeder, der einmal in der Forschung gearbeitet hat, natürlich verstehen kann.

Zur Forschungsfinanzierung in Österreich ist zu sagen, dass sie eigentlich gut aus­gestattet ist. Die angewandte Forschung ist sehr gut, wir sollten dabei aber vielleicht eine Möglichkeit finden, dass sich diese Entwicklungen in Produkte oder Unternehmen übersetzen lassen, und damit Arbeitsplätze schaffen. Da haben wir, glaube ich, noch ein bisschen ein Gap, das den Input und den Output noch nicht so abbildet, wie wir es gerne hätten.

Es muss aber trotzdem darum gehen, das hohe Finanzierungsniveau langfristig abzu­sichern. Wenn wir bei der Innovation und Technologie im Rahmen der Forschung nach­schauen, haben wir eigentlich keinen Wachstumspfad, der hinaufgeht, sondern eher einen Weg, der leider hinuntergeht. Bei den Ipcei-Projekten, die 2023 auslaufen, werden wir schon sehen, dass es dann Kürzungen gibt, und bis 2024 haben wir wirklich keinen Wachstumspfad. Das sollten wir über die Jahre bedenken und im Budget entsprechend berücksichtigen, denn Standortmarketing ist auch, ein Forschungsumfeld zu bieten, in dem die Betriebe sicher sein können, dass sie sich entwickeln können. Dabei ist, glaube ich, Österreich als Standort prädestiniert. Wir matchen uns ja mit München und Zürich, und die Forschungsumgebung ist natürlich eines der wichtigsten Assets in diesem Rahmen. Ich glaube, da können wir uns schon committen, dass wir auch entsprechend vorgehen.

Leider gibt es noch das Problem, dass der Fonds Zukunft Österreich nicht rechtzeitig auf die Beine zu stellen war. Wir haben Covid hinter uns und andere Aufgaben zu erledigen gehabt, und der Fonds der Nationalstiftung läuft aus. Wenn ich den Bildungsminister verstanden habe, wird die Finanzierungslücke mit der Auflösung von Rücklagen überbrückt. Wenn wir glaubwürdig sein wollen, wäre es wichtig, das Gap zu schließen und zu schauen, dass wir schnellstmöglich in eine andere Finanzierungsform kommen.

Zum Bereich Digitalisierung ist zu sagen, dass das natürlich ein Problemfeld ist, wir aber daran arbeiten. Die Ministerin hat das Beispiel Bulgarien gebracht. Das Problem in Österreich ist, dass wir wirklich noch Gemeinden haben, die nicht einmal den Fernseher über das Internet bedienen können, weil sie einfach nicht mit entsprechender Bandbreite ausgestattet sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 248

Der dritte Punkt ist die Bildung. Da stellt der Rat für Forschung und Technologie­ent­wick­lung einen erheblichen Reformbedarf fest, weil beispielsweise die frühkindliche Betreu­ung und die Lesefähigkeiten nicht im gewünschten Maß ausgebildet sind. Es gibt dazu eine FTI-Strategie 2030, und es wäre wichtig, dass der Bildungsbereich dort auch in Maßnahmen verankert ist.

Die NEOS haben dazu einen Antrag eingebracht, und ich würde wirklich bitten, diesem Antrag auch näherzutreten und sich dem Thema zu widmen, denn es gibt eigentlich keinen logischen Grund, diesen Antrag abzulehnen. Ich würde um Konsens im Sinne der Bevölkerung und im Sinne der zukünftigen Generation bitten, die mit diesem Thema ja leben muss und auch entsprechend ausgebildet sein muss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

21.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.26.40

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Bundesminister und -ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der uns vorliegende Bericht ist wie immer ein sehr umfangreiches Werk, und es ist auch den Kolleginnen und Kollegen zu danken, die diesen erstellen. Es ist ein wirklich gut lesbarer und übersichtlicher Bericht, in dem sich vieles findet und viel Gutes aus der Forschung zu berichten ist.

Es werden insgesamt 12,4 Milliarden Euro F&E-Ausgaben für das Jahr 2020 berichtet. Das sind für 2020 3,23 Prozent des BIPs, das ist ein bisschen eine Steigerung gegen­über 2019, als auf 3,10 Prozent korrigiert worden ist.

Das Wachstum ist auch bei den Beschäftigten gegeben. Der Bereich F&E ist also eine absolute Wachstumsbranche, was sich leider noch ein bisschen zu wenig – und da ist sicherlich in der Forschung und Entwicklung Luft nach oben – im Innovationspotenzial zeigt. Da ist sozusagen die Korrelation zwischen den Ausgaben und dem Innovations­potenzial sowohl in der angewandten Forschung wie auch in der Grundlagenforschung sicherlich ausbaufähig.

Dabei geht es natürlich auch immer um Rahmenbedingungen für dieses Innovations­potenzial. Ein paar Bedingungen, denke ich, werden sich für die Forschung ändern oder haben sich schon geändert. Wir haben, glaube ich, vor zehn Tagen eine Novellierung des Bundesstatistikgesetzes mit der Gründung des Micro-Datacenters in Begutachtung geschickt, und ich glaube, dass das zum Beispiel ein ganz zentraler Punkt auch für die­sen Innovationsbereich ist. Ich möchte hier wirklich für die Unterstützung dieses Bundes­statistikgesetzes werben.

Die Frau Kollegin hat gesagt, es gibt den Antrag, die Bildung in die FTI-Strategie zu integrieren. Sie ist integriert. Man kann darüber diskutieren, ob das ausreichend ist oder nicht. Aus meiner Sicht muss ich ehrlicherweise sagen, dass es das ist. Ich weiß, daran gibt es Kritik, aber wir werden diesen Antrag nicht unterstützen.

Ebenso werden wir die Forderung nach der Vereinheitlichung der Overheadzahlungen nicht unterstützen. Ja, Overheadkosten sind ein Problem. Die Problematik liegt aber eigentlich darin, dass die unterschiedlichen Förderinstitutionen der EU, FFG, FWF ganz unterschiedliche Parameter haben. Der FWF zahlt keine, die FFG zahlt je nach Aus­schreibungsprogramm und in der EU gibt es unterschiedliche Höhen der Overhead­kos­ten bei Horizon.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 249

Also eine Vereinheitlichung ist nicht möglich, und es ist schon zu sagen, dass die Uni­versitäten die Overheadkosten über die Leistungsvereinbarungskosten bekommen. Dass sie sie nicht immer an die Projektträger oder an diejenigen, die die Projekte leiten, weiter­geben, ist ein bisschen ein Problem, und dazu sollten die Universitätsleitungen sich wirklich etwas überlegen.

Der Bericht ist immer ein Fundus, und ich hoffe, dass das Innovationspotenzial durch diese Rahmenbedingungen gesteigert werden kann.

Vielleicht noch zum Schluss: Ich würde mir hier auch immer den Herrn Finanzminister wünschen. Die drei Minister/Ministerinnen sind sich darin einig, dass wir für die Natio­nalstiftung beziehungsweise für die Stiftung Zukunft Österreich viel Geld brauchen, damit das gewährleistet ist, und der Finanzminister ist nicht auf der Seite der drei Minister/Ministerinnen. Also das nächste Mal laden wir ihn vielleicht dazu ein, damit wir ihn besser überzeugen können.

In diesem Sinne bin ich im Übrigen der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Dipl.-Ing. Gerhard Deimek. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.31.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Noch einmal Frau Ministerin! Herr Minister Faßmann! Auch von meiner Seite danke für die tolle Erstellung des Berichtes. Ich schließe mich gleich bei ein paar Sätzen meiner Vorrednerin an: Geld dürfte es geben, aber wir haben partiell noch etwas „Luft nach oben“. Was heißt das? – Es wird wirklich ein ordentlicher Batzen Geld ausgegeben – so weit, so schlecht oder so weit, so gut. Was wird aber damit gemacht? Wird damit kon­sequent zuerst eine Strategie erstellt, sodass man weiß: In welche Richtung möchte man weitergehen? Wie schaut es dann mit der Abarbeitung, mit der Effizienz und mit der Zielerreichung aus? – Genau dort haben wir unsere Schwächen.

Ich lese, Österreich liegt beim Bloomberg Innovation Index 2021 lediglich auf Platz zehn. Es wird viel Geld ausgegeben, beim Geldausgeben ergibt das Platz sechs. Bei den Patentaktivitäten ist es Platz 15, bei Bildung – tertiäre Effizienz – Platz 16 und bei High­tech Platz 23. Wir sind eine Industrienation, wir sollten eigentlich wissen, wie Geldeinsatz und Effizienz in der Zielerreichung funktionieren, aber offensichtlich ist das nicht so. Man kann auch sehr gut aus diesem Bericht herauslesen, dass der Abstand zu den Inno­vationleadern noch immer groß ist und dass wir nicht vorne dabei sind.

So, und wie schaut es jetzt genau aus? – Ich habe ein paar Kapitel herausgegriffen. Wir bejubeln 80 Millionen Euro für die Covid-Forschung. Davon entfallen auf den Bereich Schule/Bildung 7 Millionen Euro. Jetzt darf man ruhig einmal ein bisschen vergleichen: Demgegenüber gibt es 139 Millionen Euro Ausgaben für Tests in den Schulen. Was ist uns offenbar in den Schulen wichtig? – Die Tests. Bildung, Ausbildung, Zielerreichung, das Lehrziel zu erreichen ist offenbar nicht so wichtig.

Oder: Ein ganz wichtiger Punkt, bei dem wir immer wieder sagen, da wollen wir ganz weit vorne sein, ist die AI-Strategie. – Die gibt es nicht einmal, darüber gibt es kein Kapitel.

Was wollen wir überhaupt erreichen? Was wollen wir im Weltraum erreichen? Was wollen wir in all den Bereichen erreichen, die für Österreich, für die österreichische Industrie, für die österreichische Forschung wichtig sind? – Wir haben es nicht definiert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 250

Wir schütten einmal Geld hinein, und dann wundern wir uns, dass möglicherweise nicht alles funktioniert.

Meine Damen und Herren! Wir sind nicht super, nur weil wir Geld ausgeben. Wir wollen messbare Erfolge, messbar in Patenten, messbar in neuen Produkten, messbar im Um­satz mit neuen Produkten und messbar in wirklich neuen und zusätzlichen Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit diesen neuen Produkten. Da sind wir nicht Weltmeister, da sind wir nicht Europameister, sondern da sind wir vielleicht gerade Meister im pannonischen Vorland, aber sicher nicht in Europa oder in der EU.

Ich fordere Sie wirklich auf, ordentlich Strategien zu entwickeln und die Strategien um­zusetzen, wie wir es in der Wirtschaft auch gewohnt sind. Sonst hat das alles nicht Hand und Fuß, und dann sollte man damit eigentlich ganz aufhören. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundes­minister Dr. Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


21.35.02

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst sage ich: Res­pekt! Sie haben heute schon einen sehr, sehr langen Tag. Ich habe das zeitweise vor dem Bildschirm mitverfolgt: unglaubliche Diskussionen in ganz unterschiedliche Richtun­gen. Dafür wirklich Respekt! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage angesichts der Zeit nur ein paar Worte zu diesem Forschungs- und Tech­nologiebericht (den genannten Bericht in die Höhe haltend): Das ist ein sehr guter Be­richt, ein umfassender Bericht. Er dokumentiert alles Wesentliche des vergangenen Jahres, und das vergangene Jahr war forschungsmäßig ein großartiges Jahr, stelle ich fest, wenn ich an die einzelnen Elemente – Forschungsfinanzierungsgesetz, FTI-Strate­gie, FTI-Pakt und Leistungsvereinbarungen mit unseren Forschungsträgern und For­schungsförderern – denke, die alle durch einen Zuwachs an Budgets gekennzeichnet waren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meistens sagt ja die Opposition, alles ist zu wenig, und meistens sagen die Regierungs­vertreter, alles ist gut. Deswegen sage ich klar – und das zeigt uns auch der European Innovation Scoreboard –, es gibt drei Problemfelder, an denen wir gemeinsam arbeiten, alle drei Forschungsminister und -ministerinnen.

Das eine Problemfeld ist die Digitalisierung. Da ist in Österreich viel passiert, aber andere europäische Staaten haben mehr gemacht. Da erhoffe ich mir gerade durch die Aufnahme der Digitalisierung in den European Recovery and Resilience Fund einen neuen Schub.

Das zweite Problemfeld ist ein alter Hut, muss man fast sagen. Es sind die Unterneh­mensgründungen, und das hängt zusammen mit einem gewissen Defizit an Wagnis­kapital. Es gibt zu wenig Wagniskapital, zu wenige Unternehmensgründungen. Das wird im EIS auch klar abgebildet.

Das Dritte ist die Anwendung von Innovationen. Ein Vorredner hat das schon gesagt. Wir forschen viel, doch es gelingt nicht, dass dann auch tatsächlich alles in Innovationen umgesetzt wird.

Der Bericht sagt auch, wenn wir in diesen drei Bereichen besser werden, dann sollte es möglich sein, zu einem Innovationleader zu werden und nicht zu einem Innovation­follo­wer. Daran arbeiten wir, und ich bin gespannt, wie nächstes Jahr unser European Innovation


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 251

Scoreboard aussieht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grü­nen sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

21.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich nun Frau Bundes­ministerin Gewessler. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr, Frau Minister.


21.37.40

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe ZuseherInnen, die Sie uns heute vielleicht auch noch um 21.30 Uhr bei diesem spannenden Tagesordnungspunkt folgen! Auch ich möchte mich jetzt kurz halten, weil es spät ist und schon viel diskutiert wurde.

Danke auch von meiner Seite für dieses hervorragende Nachschlagewerk. Es bildet wirklich die FTI-Landschaft in Österreich ab, zeigt die Investitionen, die getätigt wurden, zeigt aber auch, wie die einzelnen AkteurInnen im Feld agieren, zeigt vor allem auch: Forschung zahlt sich aus. Dazu wird sicher Margarete Schramböck nachher noch etwas sagen.

Ich möchte etwas zu den Sonderschwerpunkten sagen, die der Bericht hat, und zwar zu einem davon. Er hat dieses Jahr ja zwei besondere Schwerpunktthemen, die Covid-For­schung und die klimarelevante Forschung. Sie werden jetzt nicht überrascht sein, dass ich zur klimarelevanten Forschung heute gerne noch etwas beitragen möchte, weil mir die einfach besonders am Herzen liegt. Dass sie uns sehr wichtig ist, haben wir, glaube ich, gesehen, weil wir aus dem Klima- und Konjunkturpaket 2020 bis 2022 insgesamt 300 Millionen Euro in die klimarelevante Forschung im BMK, in die angewandte Forschung im BMK stecken.

Bereits 2020 haben wir 100 Millionen Euro in die Finanzierung von konjunkturrelevanten Forschungs- und Innovationsprogrammen gesteckt. Ich möchte ein paar Beispiele nennen, was damit finanziert werden konnte. In der FFG wurden in Summe 342 Projekte mit einem Volumen von 59 Millionen Euro gefördert, Unternehmensprojekte, 221 Öko­schecks, ein super niederschwelliges, enorm erfolgreiches neues Programm, Green-Production-Projekte, die wir instrumentenübergreifend in Basisprogrammen, aber auch im Programm Produktion der Zukunft gefördert haben.

Der Klimafonds hat letztes Jahr zusätzliche 32 Millionen Euro für die Vorzeigeregion Ener­gie erhalten, weitere Zusatzmittel für das AWS, für Green Seed, für die Klima- und Umweltüberwachung bei der ESA. Weitere 100 Millionen Euro werden wir 2021 und dann auch 2022 in klimarelevante Schwerpunktsetzungen in den drei Bereichen Ener­giewende, Mobilitätswende und Kreislaufwirtschaft stecken.

Gerade der letzte Bereich, Kreislaufwirtschaft, ist ein Thema, das wir bis jetzt in der FTI-Landschaft unterbelichtet, möchte ich sagen, oder nicht ausreichend belichtet haben. Deswegen freut es mich auch, dass wir schon heuer mit der ersten Ausschreibung in dem Bereich starten. Es ist enorm nachgefragt, es gibt enorm viele Projekt­einreichun­gen. Man sieht, die Betriebe sind auch dabei, überlegen sich etwas, und wir bieten jetzt die Möglichkeit, dass man auch etwas damit tun kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kollege Faßmann hat die Bereiche schon genannt, und ich glaube, darin sind wir uns einig: Wir haben in einzelnen Bereichen einen Aufholbedarf. Dafür macht man Berichte, dass man auch dort ein ehrliches Auge darauf wirft. Das muss ich jetzt nicht wiederholen, ich hätte es auch in meinen speaking notes gehabt. Vielleicht mache ich dafür kurz die andere Seite. Wir sind im Gegenzug bei einigen Dimensionen im Innovation Scoreboard auch wirklich gut aufgestellt, insbesondere sind die KMU und die innovativen Produkte und Prozesse eine Stärke, aber auch – und das freut mich natürlich, weil das Patentamt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 252

in meine Verantwortung fällt – im Index Intellectual Assets – also Patent- und Marken­an­wen­dungen, Designanwendungen – liegen wir in Österreich auf Platz 4 im europa­weiten Vergleich. – Dies auch als direkte Antwort auf Kollegen Deimek, der aber jetzt, glaube ich, nicht im Raum ist.

Insofern möchte ich schließen: Es war ein gutes Jahr für die Forschung – aus vielen verschiedenen Gründen, die Kollege Faßmann schon genannt hat, aber auch weil die klimarelevante Forschung einen richtigen und schönen Budgetschub erhalten hat. Wenn wir das vorantreiben, dann ist das vor allem auch eine große Chance für die Betriebe, denn im globalen Wettbewerb ist gerade dieser Bereich noch nicht entschieden. Da können wir vorne dabei sein, und wir unterstützen das, wo es geht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.


21.42.06

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Ministerinnen! Sehr geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir – die ÖVP – wollten den Forschungs- und Technologie­bericht ins Plenum bringen, wir sind jetzt sozusagen schuld daran, dass es hier noch etwas länger dauert. Ich glaube aber, man kann über das Thema und über die Forschung nicht oft genug sprechen, denn Forschung ist die Basis unseres Wohlstandes, sie ist die Quelle des Fortschrittes, und ich finde, Forschung ist ganz einfach extrem faszinierend. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn man auch Corona nicht viel Positives abgewinnen kann, so ist, glaube ich, etwas positiv, nämlich dass die Forschung eine Bühne bekommen hat, denn es ist ganz klar: Ohne Forschung gäbe es keine Impfung, keine Tests, keine Videokonferenz und auch keinen digitalen Unterricht, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir einfach immer wieder zeigen, was die Forschung machen kann und wie sie unser tägliches Leben erleichtert und beeinflusst.

Der Herr Minister hat es vorhin schon gesagt: Das letzte Jahr war für die Forschung in Österreich ein sehr positives. Wir haben einerseits die FTI-Strategie quasi als Weih­nachts­geschenk beschlossen, und sie zeigt uns, wie wir nun endgültig auch zum Inno­vationleader werden – und das aufgrund von drei Themen: einerseits durch den Ausbau des Forschungsstandortes und indem wir noch mehr Forschung nach Österreich holen, weitere Boehringer-, weitere Infineon-Investitionen nach Österreich holen, dadurch, dass wir uns in Europa noch besser vernetzen, und indem wir durch die Forschungs­pro­gramme noch mehr Mittel nach Hause bringen. Das ist, glaube ich, wesentlich.

Auf der zweiten Seite ist es notwendig, dass wir exzellente Forschung fördern und – und das ist wichtig, weil wir ja nicht aus Selbstzweck forschen – dass wir deren Ergebnisse auch tatsächlich in innovative Produkte umwandeln können. Darin müssen wir uns tat­sächlich noch verbessern.

Das Dritte ist, dass wir Leute ausbilden und Talente nach Österreich holen. Da geht es nicht darum, dass wir eine Bildungslücke schließen, sondern um konkrete Maßnahmen, mit denen wir junge Leute für Technik, für Forschung begeistern und Forscher und Forscherinnen aus dem Ausland nach Österreich holen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Beim Budget brauchen wir uns definitiv nicht zu verstecken. Wir konnten für die außer­universitären Forschungseinrichtungen in der Grundlagen- und in der angewandten Forschung 28 Prozent mehr herausholen. Das ist wichtig für den Standort Österreich.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 253

Österreich ist ein Forschungsland, und das ist gut und wichtig so, denn wie alle Länder unseres Wohlstandes sind wir ein Hochlohnland, und deswegen können wir nur durch Forschung, Produktion und Investitionen auch tatsächlich überleben. Wir wissen, 1 Euro an öffentlichem Geld, das in die Forschung investiert wird, bringt langfristig 6 Euro an Wertschöpfung, und das ist wichtig, denn, meine Damen und Herren, Forschung und Produktion sind siamesische Zwillinge: Das eine geht nicht ohne das andere. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bin sehr stolz auf unsere Forschung, auf unsere Grundlagenforschung, auf unsere angewandte Forschung. Wir können uns wie gesagt in Europa definitiv sehen lassen. Ich hätte nur noch eine Bitte – auch an Sie, Frau Minister –: Bitte, bitte, wir brauchen Tech­nologieneutralität.

Ein Bereich, der beispielsweise in Österreich sehr systemrelevant ist, ist die Automobil- und die Motorradwirtschaft. Jeder zwölfte Euro wird in diesem Bereich verdient. Hier brauchen wir wirklich einen technologieneutralen Zugang, einen Wettbewerb in der Forschung. Das ist gerade für ein Exportland wie Österreich essenziell. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist ganz klar: Wettbewerb schafft Innovation, Innovation schafft Arbeitsplätze, Arbeits­plätze schaffen Wohlstand, und ich glaube, wir alle wollen ein prosperierendes, zukunfts­gerichtetes Österreich. Wir alle sind dafür da, die Rahmenbedingungen dafür zu setzen, und Forschung gehört ganz einfach dazu. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte sehr.


21.46.33

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Ja, ich kann mich den Worten von Kollegin Niss nur anschließen. Wir brauchen Forschung, wir brauchen Investitionen in die Forschung, und nicht zu knapp, es kann nicht genug geben.

Wir befinden uns immer noch in der Verfolgergruppe und sind immer noch nicht in der Gruppe der Leader angekommen, obwohl wir jedes Jahr sehr, sehr viel Geld für die Forschung ausgeben. Sie, Herr Minister, haben die Bereiche genannt. Ich rechne Ihnen immer hoch an, dass Sie kritisch sind und in vielen Bereichen auch das erwähnen, bei dem wir vielleicht nicht so gut sind. Das machen ja nicht alle Ihre Regierungskollegen.

Was ist zu tun? – Ich meine, Sie geben einerseits viel mehr Geld für Forschung aus, beispielsweise beim FWF und für die Exzellenzstrategie, aber Sie konterkarieren Ihre Bemühungen, indem der Fonds Zukunft Österreich nach wie vor nicht aufgelegt ist – also einerseits mehr reingeben und andererseits wird das, was es gegeben hat, nicht wieder aufgelegt. Das widerspricht und konterkariert sich. Sie legen jetzt eine Zwischen­finanzierung oder Notfallsfinanzierung auf, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass wir das endlich brauchen. Es ist schade, dass der Finanzminister heute wie­der nicht hier ist und sich der Diskussion stellt oder auch einmal sagt, warum das Geld eigentlich nicht kommt. Sie sitzen also immer da und sagen, es kommt, es kommt, aber es ist jetzt bald das halbe Jahr vorbei.

Zu meinem Antrag, den Sie ablehnen, was ich sehr, sehr schade finde: Kollegin Niss hat vorhin gesagt, wenn wir in diesen drei Bereichen aufholen, kommen wir endlich in die Leadergruppe. Das wollen wir hier alle, aber der Rat für Forschung und Technologie­entwicklung hat sich in seiner Analyse der Zielsetzungen der FTI-Strategie auch mit dem gesamten Bildungsbereich auseinandergesetzt und kommt zum Schluss, dass vor allem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 254

das Bildungssystem in seiner gesamten Breite eine Verbesserung der österreichischen Innovationsperformance behindert.

Kollegin Blimlinger hat gesagt, dass Bildung in der FTI-Strategie abgebildet ist. – Ja, aber nicht vollkommen und nicht das gesamte Bildungssystem. Wir haben diesbezüglich einfach ein Thema, und wenn über ein Viertel der 15-Jährigen nicht sinnerfassend lesen kann, dann haben wir ein Problem, und wenn Sie die IHS-Studie, die rausgekommen ist, durchlesen, dann sehen Sie, dass jene Kinder und Jugendlichen, die vor der Krise schon benachteiligt waren, jetzt noch mehr benachteiligt sind und abgehängt wurden.

Sie können also, finde ich, nicht immer nur sagen – und da wundert es mich, dass die Grünen einfach nur still sind und nichts tun –, es ist eh alles in Ordnung und wir machen weiter wie bisher. Wenn der Rat für Forschung und Technologieentwicklung zu dem Schluss kommt, dass es wichtig wäre, das gesamte Bildungssystem als eine Säule in die FTI-Strategie aufzunehmen, dann finde ich es wichtig, dass Sie das auch umsetzen und aufnehmen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

21.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Schramböck. – Bitte sehr. Bei Ihnen steht das Wort, Frau Minister.


21.50.01

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Kollege Heinz Faßmann! Liebe Kolle­gin Leonore Gewessler! Es ist ein Schulterschluss, den Österreich für die Forschung braucht – und den sehe ich über die vergangene Zeit, aber auch für die Zukunft, denn wir haben vieles geschafft. Was wir haben, ist eine Strategie. Wir haben einen Pakt, wir haben einen Maßnahmenplan, wir haben Ziele. Wir haben auch ein höheres Budget. Ja, es könnte immer höher sein, das ist immer so, bei jedem Thema. Was wir vor allem aber haben, ist eine großartige Community, die forscht, und zwar in der Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung. Es braucht beides, und daran arbeiten wir gemeinsam, dass das für Österreich besser und immer besser werden kann.

Was auch ein wesentlicher Punkt ist: Forschung ist kein Selbstzweck, sondern For­schung ist auch dazu da, dass wir das Leben besser machen, dass wir das Leben der nächsten Generationen absichern, dass wir Probleme lösen, die wir bisher nicht lösen konnten, dass wir alle in den Prozess einbinden – und zwar nicht nur die Leitbetriebe, sondern mir ist es auch ganz wichtig, die österreichischen KMUs in die Forschung einzubinden.

Da war erstaunlicherweise das vergangene Jahr, das Covid-Jahr, ein besonderes Jahr. Es war ein besonderes Jahr, in dem ganz viele KMUs geforscht haben. Da möchte ich mich wirklich bei allen bedanken, bei all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den KMUs. Als mittelständisches Unternehmen zu forschen ist nicht leicht. Dafür gibt es Strukturen in Österreich: CD-Labors, es gibt Netzwerke im KMU-Bereich, die wir unter­stützen und fördern, für die wir auch die Basis geschaffen haben und die wir auch weiterhin unterstützen.

Besonders wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir im Bereich der Covid-Forschung in diesem Jahr ein ganz besonderes Jahr hingelegt haben – auch wenn wir die For­schungs­prämie anschauen. Ich möchte auf diese ganz besonders eingehen. Die Forschungs­prämie mit über 1 Milliarde Euro, die wir im Covid-Jahr durchstoßen haben, ist etwas ganz Besonderes. Es ist anders als in anderen Ländern. Das ist gut so, das soll auch so bleiben. Ja, wir müssen uns in den unterschiedlichen Bereichen, die genannt worden sind, verbessern, aber wir haben auch eine gute Basis. Wir sollen auch darauf schauen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 255

und auch jenen danken, die sich Tag für Tag für diese Themen bei uns in Österreich einsetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

21.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


21.52.44

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundes­ministerinnen! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Der Bundeskanzler hat gestern hier im Plenum die Vision der Bundesregierung dargelegt, dass wir an einer Aufstiegsgesellschaft arbeiten. Wir befinden uns in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs und unser Ziel ist es, alle Menschen mitzunehmen.

Das Wirtschaftswachstum, meine Damen und Herren, ist zu einem Drittel darauf auf­gebaut, dass wir in Forschung und Innovation investieren. Das ist ein wesentlicher Treiber, und das Forschungsbudget und auch der Bericht weisen uns ein gutes Zeugnis aus, dass Österreich da gut unterwegs ist.

Lassen Sie mich das hier jetzt bitte auch im Detail beschreiben, weil es so wichtig ist, meine Damen und Herren! Letztes Jahr haben wir es während der Pandemie gemein­sam geschafft, in einem mustergültigen Schulterschluss der gesamten Bundesregie­rung, unter der Führung der zuständigen Ministerinnen und Minister, hier gemeinsam ein Ziel zu formulieren und das Forschungsfinanzierungsgesetz auf Schiene zu bringen, das erstmalig in der Zweiten Republik allen wesentlichen Akteuren Planungssicherheit auf drei Jahre zuweist. Das schafft Vertrauen, das schafft Mut und das sichert Arbeitsplätze in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es geht nicht nur um Geld und Leistungsvereinbarungen, sondern mit der FTI-Strategie für Forschung, Technologie und Innovation bis 2030 auch um eine klare Strategie, einen klaren Plan, wohin wir unsere Republik entwickeln.

Meine Damen und Herren, der Mittelpunkt einer liberalen Demokratie, wie wir es sind, kann nur die Freiheit des Menschen sein, die Kreativität und die Innovation. Die Parla­mentsmehrheit vertraut den Menschen. Sie vertraut den Forscherinnen und den For­schern, dass sie Probleme lösen, dass wir es gemeinsam schaffen werden, unsere Herausforderungen zu meistern. Für uns ist deswegen Technologieneutralität das Gebot der Stunde, weil wir heute ja noch nicht wissen können, auf welchen Wegen wir Prob­leme der Zukunft lösen.

Ich möchte das auch mit einem Beispiel untermauern: Als Uğur Şahin um Forschungs­mittel angesucht hat, unterstützt von der Europäischen Union, um einen Impfstoff zu entwickeln, um den Krebs zu besiegen, war er beim Bekämpfen von Krebs nicht erfolg­reich, aber er hat eine neue Technologie hervorgebracht, die MRNA-Methode, die der wesentliche Schlüssel ist, um bei der Bekämpfung der Coronapandemie in Rekord­geschwindigkeit einen Impfstoff zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, das ist für uns Auftrag und steht im Mittelpunkt der beiden Säulen, also einerseits Forschungsfinanzierungsgesetz, andererseits eine klare Strate­gie. Das schafft die Grundlage dafür, dass wir mit dieser Politik, meine Damen und Her­ren, ganz klar einer neuen Generation von Forscherinnen und Forschern in Österreich die Türe weit aufmachen, dass es rot-weiß-rote Produkte made in Austria auf der ganzen Welt gibt, die uns helfen, die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern, und die uns sicher in eine gemeinsame, mit Wohlstand versehene Zukunft führen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.56



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 256

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.


21.56.20

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Grüße Sie, Herr Hammer! (Abg. Michael Hammer winkt. – Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Herr Minister! Ja, For­schung und Wissenschaft sind sehr, sehr wichtig, aber es ist eine österreichische Gegebenheit, glaube ich, dass man sie gleich auf vier Minister aufteilt. Gefühlt ist es so, dass zu dem Tagesordnungspunkt mehr MinisterInnen sprechen als RednerInnen, ParlamentarierInnen – aber es ist so, wie es ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, in meinem Redebeitrag spreche ich zum Entschließungs­antrag der Abgeordneten Kucharowits betreffend „flächendeckende und niederschwel­lige Kurse für digitale Kompetenz“, der leider im Ausschuss keine Mehrheit gefunden hat. Nichts­destotrotz möchte ich Ihnen schon einiges dazu sagen, was die Intention ist, auch wenn mittlerweile einiges passiert, wie ja im Ausschuss berichtet wurde. Wir hätten trotzdem gerne einen von Expertinnen und Experten entwickelten Zugang für alle Berufsgruppen, die man erreichen kann, ob Kinder, ob ältere Personen, ob bildungsfern, was auch immer.

In den letzten Monaten während der Pandemie hat jeder von uns neue Fähigkeiten er­lernt, eher notgedrungen, aber doch: Videokonferenzen zum Beispiel, einloggen, schauen, dass es keinen peinlichen Hintergrund gibt, am besten hinter einem ein Bücherschrank, oder die richtige Kleidung. Es hat ja schon einige Persönlichkeiten gegeben, die während laufender Kamera gekuschelt haben. – Auf jeden Fall: Mittlerweile geht es schon! Wir werden diese digitalen Kompetenzen auch in Zukunft nützen, das macht auch Sinn, auch wenn wir uns wieder alle freuen, uns öfter in echt zu sehen.

Das war nur ein Beispiel der digitalen Kompetenzen. Es braucht aber noch mehr: Wie kann ich mir die App für den grünen Pass besorgen? Wie verwende ich die Handy­signatur? Wie und wo kann ich mich im Internet über die Pandemie und Corona infor­mieren? Wie und wo melde ich mich online zum Impfen an? Wie starte ich eine Video­konferenz? All das ist in der Bevölkerung nicht so verbreitet, wie wir es glauben oder gerne glauben möchten. Außerdem wissen wir, dass sich viele mit der Wissen­schaft, mit Gerüchten, Desinformationen schwertun und sich mit viel Schwachsinn be­schäftigen. Viele glauben lieber irgendwelche Meinungen von obskuren Figuren.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch da sind digitale Kompetenzen zu entwickeln, nämlich die Fähigkeit, Informationen zu hinterfragen.

Deshalb hat meine Kollegin diesen Entschließungsantrag gestellt, damit im ganzen Land flächendeckend niederschwellige Kurse angeboten werden. Es gibt gute Beispiele, zum Beispiel in Finnland. Wir brauchen Kooperation mit der Wissenschaft, mit den Stake­holdern. In der Erwachsenenbildung passiert mittlerweile schon etwas, aber die Koope­ration mit den Gemeinden und mit allen im Land lebenden Menschen ist nicht gegeben. Deswegen dieser Antrag; ja, er wird wahrscheinlich auch jetzt keine Mehrheit finden – schade. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

22.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Reiter. – Bitte.


22.00.47

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir behandeln heute den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 257

Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht. Ein Hauptziel des Regierungs­programmes sind die Bekämpfung des Klimawandels und die Einhaltung der Klimaziele von Paris. Um diese Ziele zu erreichen, haben wir sie in vielen Themenbereichen res­sort­übergreifend verankert. Gerade die Forschung ist ein zentraler Punkt für die Bewäl­tigung der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, besonders da, wo das Wissen noch nicht vorhanden ist und wir es für ein zielgerichtetes Handeln noch nicht haben. Es geht um das Verstehen des Klimawandels und der Auswirkungen auf unser Leben sowie in Folge um die Entwicklung von Lösungen. Es geht um unser aller Heute, Morgen und Übermorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Bereich der Wissenschaft und Forschung gibt es eine Offensive zur Stärkung der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung. Eine konkrete Maßnahme ist die Schaffung eines neuen nationalen Zentrums für Klimaforschung und Daseins­vorsorge. Gerade wir spüren als Erste die Auswirkungen des Klimawandels, und nicht nur die Menschen in ganz Österreich, sondern vor allem auch die Landwirtschaft. Den­ken wir zum Beispiel an die katastrophalen Unwetter vom Juni zurück, als die Land­wirtschaft massive Schäden erfahren hat und in wenigen Minuten die Arbeit eines ganzen Jahres zerstört worden ist! Diese Umweltszenarien sind existenzbedrohend und lassen düstere Schlüsse für die Zukunft ziehen.

Klimaschutz muss uns etwas wert sein, und die Forschung ist ein wichtiger Teil davon. Viele Schritte in die richtige Richtung haben wir schon gesetzt, und diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

22.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Saxinger. – Bitte.


22.02.46

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Geschätzte Damen und Herren! Sie alle kennen Loriot, den deutschen Humoristen, und angeblich stammt ein Zitat von ihm, das wie folgt lautet – mir gefällt es sehr gut, weil es nicht nur zur Forschung passt, sondern mir auch in Pandemiezeiten oft in Erinnerung kam –: In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Schwachköpfe suchen nach Schuldigen. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Vieles ist uns in Pandemiezeiten ganz gut gelungen. Auch in der Forschungs- und Tech­nologiepolitik wurden neue Akzente gesetzt, und Forschung hat bei uns in Österreich glücklicherweise einen hohen Stellenwert.

Was hat sich in der Covid-Forschung 2020 getan? – Es hat zu einer beispiellosen For­schungsmobilisierung geführt, auch länderübergreifend. Die fünf größten Fördergeber in Österreich haben 114 Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 80 Millionen Euro gefördert. Projekte betrafen die Themen Diagnostik, Desinfektion, Impfstoffe, Schutz­maß­nahmen. Es waren viele spannende Dinge dabei, zum Beispiel Abwasseranalysen aus Kläranlagen; man kann schauen, was für eine räumliche Verteilung das Virus hat, wie die Pandemie zeitlich verläuft.

Aber auch das Hauptaugenmerk bei der Begleitforschung beim Bundesministerium wurde auf „Corona und Schulen“ gerichtet. Es waren spannende Themen dabei, unter dem Motto „Mit Expertise gegen die Krise“. Zum Beispiel hat Dr. Bergthaler zu „Auf der Jagd nach Corona-Mutanten“ geforscht, ein spannendes Thema war: „So zeigt sich Einsamkeit im Gehirn“, oder ein anderes Thema: „Was Familien in Zeiten des Lock­downs brauchen“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 258

Das Bundesministerium für Bildung hat weitere Themen unterstützt, zum Beispiel die „Gurgel-Studie“ mit Mundrachenspülung, bei der über 14 000 Schüler und über 1 200 Leh­rer begleitet wurden. Es wurde eine Simulationsstudie mitfinanziert, um zu sehen, ob die Maßnahmen zur Reduktion beigetragen haben. Es wurde auch eine wissenschaftliche Begleitung zum Nasenbohrertest durchgeführt, weiters wurden auch Pädagoginnen und Pädagogen begleitet und dazu eingeladen, an einer Befragung zum Distanceschooling teilzunehmen.

Sie sehen, Österreich braucht sich bei der Coronaforschung nicht zu verstecken, und Forschung hat in dieser Bundesregierung einen hohen Stellenwert. Innovationen geben der Zukunft eine Zukunft. Forschung ist aber selten Zufall, sondern meist harte und schweißtreibende Arbeit, nicht nur an so heißen, tropischen Tagen wie heute. Und auch für die Forschung gilt: Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünschen die BerichterstatterInnen ein Schlusswort? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wie vereinbart verlegen wir die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung.

22.05.49 26. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (944 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensservice­portalgesetz geändert wird (1022 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über den Antrag 1615/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mittelverwendung Digitalisierungsfonds (1023 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 26 und 27, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. Das Wort steht bei ihm. – Herr Abgeord­neter, bitte sehr.


22.06.22

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungs­mit­glie­der! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz ehrlich, wer kennt die Appelle aus der Bevölkerung nicht: Könnt ihr nicht einmal etwas gegen die Bürokratie in diesem Land machen? – Ja, das ist ein klarer und immer wieder einmal aufkommender Auftrag an uns Volksvertreter, nämlich Bürokratie abzubauen und Amtswege für Bürger und Unternehmer möglichst einfach, direkt und rasch zu ermöglichen. Wir als SPÖ stehen da natürlich auch dahinter.

Weniger Zettelwirtschaft, weniger Behördenwege heißt im Umkehrschluss aber auch, dass der digitalisierte Austausch von Daten zunehmen wird. Genau da kommen wir zum Spannungsfeld Bürokratieabbau auf der einen Seite, Datenschutz auf der anderen Seite.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 259

Die gegenständliche Novelle des Unternehmensserviceportalgesetzes ist ein wesent­licher Schritt – da stimmen wir auch alle überein –, um eben Unternehmen und die Ver­waltung weiter zu entlasten. Damit schaffen wir gemeinsam die rechtliche Basis für eine Once-only-Plattform, mit deren Hilfe Daten von der Behörde nur einmalig erfasst und nicht jedes Mal von Neuem im System angelegt werden müssen. Das spart Zeit und Kosten, was gut und sinnvoll ist, wenn man in Zukunft zum Beispiel quasi über Nacht ein Gewerbe anmelden möchte.

Wenn wir weiter in die Digitalisierung investieren, ist es aber umso wichtiger, dass auch ausreichend Datenschutz gewährleistet ist, weil wir mit diesem Gesetz ja auch einer EU-Verordnung entsprechen, die einen grenzüberschreitenden Austausch von Informatio­nen ermöglichen soll.

Viele Menschen sind heutzutage skeptisch, was mit ihren Daten passiert – völlig berech­tigt, vor allem, wenn wir uns zurückerinnern, welche Pannen diese Bundesregie­rung schon fabriziert hat, und da rede ich jetzt gar nicht von irgendwelchen Chats, sondern es hat ja auch schon einige Datenlecks gegeben, wie zum Beispiel beim Ergänzungs­register oder bei der GIS.

Daher müssen alle rechtlichen und technischen Voraussetzungen getroffen werden, damit sensible personenbezogene Daten sicher verwahrt werden und nur jene Zugriff bekommen, die ihn auch bekommen sollen. Zweitens muss auch auf jene Personen Bedacht genommen werden, für die der rasante technologische Fortschritt eine große Barriere darstellt. Ich denke, da sind wir uns einig: Digitalisierung soll uns unterstützen, Digitalisierung darf aber niemanden zurücklassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss noch eine kurze Anmerkung: Für mich ist es daher umso unverständ­licher, warum ÖVP und Grüne im Ausschuss den Antrag meiner Kollegin Kathi Kucharowits abgelehnt haben. Der Antrag hatte das Ziel, der Bevölkerung flächendeckende und nie­derschwellige Kurse für digitale Kompetenz anzubieten.

Wenn wir uns – das ist heute auch schon von Minister Faßmann erwähnt worden – von den Innovationsfollowern zu den Innovationsleadern hin entwickeln wollen, dann müs­sen wir in Zukunft sicher noch mehr in die Bereiche Digitalisierung, Innovation und For­schung investieren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.


22.09.41

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Behördenwege sind ein notwendiges Übel, durchaus einmal ein Abenteuer – auch das kann ich berich­ten –, und wenn, dann weniger erfreulich. Sie sind aber wie gesagt eine Notwendigkeit, um in unserem staatlichen Gefüge staatliche Leistungen, staatliche Verpflichtungen tatsächlich auch erbringen und umsetzen zu können. Die Behörden müssen dafür Daten abfragen, bei der BürgerIn oder auch bei anderen Behörden, die bestimmte Informatio­nen bereithalten.

Nicht nur, dass es dabei zu Mehrfacheingaben kommt, es kann natürlich auch Zeit und Geld kosten, der BürgerIn, aber auch den Staat. Als Bürger stellt man sich dann berechtigterweise die Frage, wieso das nicht einfacher, schneller und kostengünstiger geht, denn irgendwo gibt es ja bereits diese Informationen. Mit der heutigen Änderung des Unternehmensserviceportalgesetzes wollen wir die gesetzliche Grundlage schaffen, um für Betriebe eine Plattform aufzubauen, um diese Daten, die schon anderswo vorrätig


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 260

sind, auch miteinander austauschen zu können – das, was sich die BürgerInnen be­rech­tigterweise wünschen, auch in die Realität umzusetzen.

Was heißt das konkret? – Die unterschiedlichen Behörden in Österreich führen alle für sich Datenbanken und Register, je nach ihren Zuständigkeiten. Das Wirtschaftsminis­terium führt das Gewerberegister, das Innenministerium führt das Melderegister oder das Strafregister, das Gesundheitsministerium führt das Impfregister et cetera. Um nun Eingaben und Abfragen zu reduzieren, sollen diese Register über eine Datendreh­scheibe miteinander kommunizieren können, also es werden die Daten von A nach B transpor­tiert und nicht der Bürger muss laufen, sondern die Daten laufen.

Erfreulicherweise ist eines der ersten Projekte, das die Frau Bundesministerin schon angekündigt hat und das auch in einem Antrag mit erfasst wird, im Bereich der Unter­nehmerinnen und Unternehmer angesiedelt. Die Unternehmensdaten sollen in bestimm­ten Bereichen automatisiert fließen, beispielsweise bei der Gewerbeanmeldung. Wir kommen also auch den Wünschen der BürgerInnen und vor allem der Unternehmen entsprechend nach, und zwar immer unter Bedachtnahme auf die IT-Sicherheit und den Datenschutz.

Ich darf zu Kollegen Köllner auch noch Folgendes sagen: Vieles ist in den letzten Jahren durchaus auch aufgrund der Initiative unserer Ministerin passiert. Ich darf nur an das Digitale Amt zurückerinnern, das schon viele wichtige Schritte bei Behördenwegen digi­talisiert anbietet. Ich kann Abgeordnetem Köllner auch versichern, dass wir zwar Dinge digitalisieren wollen, aber immer unter der Prämisse, nicht darauf zu vergessen, dass Personen das vielleicht nicht wollen und auch nicht können. Das heißt, neben der digi­talen Variante wird auch der physische Weg zum Amt immer noch möglich sein, damit alle einen gleichwertigen Zugang zu den Services, zu den Leistungen des Staates ha­ben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


22.13.03

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bun­des­ministerin! Hohes Haus! Zu dieser doch späten Stunde noch einmal kurz zum Unter­nehmensserviceportal: Ich glaube, dass es durchaus – da sind wir uns ja alle einig – ein guter Schritt in die richtige Richtung ist, wenn wir es einfacher machen, Unternehmen zu gründen. Ich glaube, dass das Once-only-Prinzip ein erster Schritt sein kann, aber wir müssen da natürlich noch ganz, ganz viele folgen lassen. Wenn wir uns anschauen, dass man in Estland innerhalb von 24 Stunden ein Unternehmen gründen kann, dann sieht man, dass es durchaus noch einige Dinge gibt, die wir besser machen müssen, und dass das der erste Schritt sein kann – aber noch lange nicht der letzte.

Unter diesen jetzt zu verhandelnden Tagesordnungspunkten ist auch einer unserer An­träge. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum die Bundesregierung bei diesem nicht mitgeht. Es geht da insbesondere darum, dass wir die Gelder, die das Bundesminis­terium im Digitalisierungsfonds zur Verfügung hat, dafür nutzen können, dass wir best­möglich auch auf Open-Source-Infrastruktur zurückgreifen, also Open-Source-Software nutzen, um im staatlichen Bereich möglichst sicher zu sein, um möglichst schnell auf Angriffe oder auf Sicherheitslücken reagieren zu können und diese auch weiterzu­ent­wickeln, weil wir gerade auch in den letzten Monaten immer wieder gesehen haben, dass die Lösungen, die von der Bundesregierung kommen, weder sicher noch besonders effizient sind. Ich erinnere an verschiedenste Beispiele, die es gegeben hat, ob das das Kaufhaus Österreich war, das schon sehr oft zitiert wurde, ob das die Impf- und die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 261

Testanmeldung war. All diese Plattformen haben allesamt meistens nicht funktioniert und waren höchst teuer, und in all diesen Bereichen gibt es auch oft eine Open-Source-Lösung, die daliegt.

Wir haben ganz aktuell das Thema grüner Pass, bei dem wir auch vonseiten der Bundesregierung wieder viel zu spät waren (Abg. Obernosterer: Na, na, na!), und auch bei diesem gab es die Möglichkeit, einfach auf eine Open-Source-Lösung zu gehen, beispielsweise eine in Österreich auf der FH Hagenberg entwickelte, die großartig gewesen wäre, die schnell einsatzfähig gewesen wäre und mit der wir uns sehr viel erspart hätten.

Darüber hinaus ist natürlich auch das Thema Sicherheit immer ein großes, und gerade diese Open-Source-Lösungen sind viel besser geprüft, weil halt verschiedenste Per­sonen, die sich damit auseinandersetzen, den Code testen und ihn laufend weiterent­wickeln – man spart also auch Weiterentwicklungskosten. Dementsprechend wäre das durchaus etwas Sinnvolles, sinnvoll einerseits im Sinne der Sicherheit, andererseits im Sinne der Effizienz.

Es geht doch um das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, weswegen ich mir sehr wünschen würde, dass die Regierungsparteien noch einmal in sich gehen und ihr Abstimmungsverhalten ändern. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

22.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Minister Schramböck. – Bitte sehr.


22.15.57

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ich möchte zuerst auf das Thema digitale Bildung und auf das Thema digitale Kompetenzen der Menschen in Österreich eingehen. Ja, da braucht es noch weitere Entwicklung, und ja, da ist noch gemeinsam viel zu tun, denn es ist die Grund­lage. Wenn man diese digitalen Kompetenzen nicht hat, dann fällt man zurück, dann kann man nicht mitmachen. Wir haben das in der Covid-Zeit jetzt gesehen, die auch etwas ausgelöst hat, nämlich dass sich dessen viele bewusst geworden sind und nun mitmachen wollen.

Da Sie es eben angesprochen haben, ist es mir in diesem Rahmen auch wichtig zu sagen, dass wir in diesem Bereich schon viele Maßnahmen gesetzt haben. Es gibt eine Allianz für Digitale Skills, es gibt eine Plattform Fit4Internet, die auf einem wissen­schaft­lich basierten Kompetenzmodell, das in der gesamten EU geteilt wird, beruht. Wir sind das erste Land in Europa, das einen digitalen Selfcheck anbietet. 50 000 Ös­ter­reiche­rinnen und Österreicher haben den gemacht. Auf der Plattform finden sie auch gratis, also ganz niederschwellig, Zugang zu entsprechenden Kursen und Schulungen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Braucht es vor allem für die Älteren in Österreich noch mehr? – Ja. Wir wurden beim Kaffee digital durch zwei Ereignisse unterbrochen, ich nenne nur eines davon, das war die Covid-Krise – das andere Ereignis ist nach einer Insel benannt. Wir haben das Kaffee digital in einen Bereich verlegt, in dem auch die ältere Generation mitmachen kann, nämlich in den Bereich TV, da konnten sie das sehen, und es gab auch entsprechende Sendungen, die sie in diesem Zusammenhang unterstützt haben. Jetzt, wo es wieder aufgeht und wir wieder mehr tun können, werden wir auch diese Themen wieder stärker angehen.

Zu Once Only: Es war immer ein Anliegen von mir, eine Basis für die unterschiedlichsten Themenbereiche zu schaffen, dass wir uns durch die unterschiedlichsten Behörden­gänge durcharbeiten können. Ich möchte Sie erinnern – ich sage das jedes Mal wieder –,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 262

230 Millionen Meldeverpflichtungen pro Jahr haben österreichische Unternehmen, das kostet sie 4,2 Milliarden Euro. Daran müssen wir arbeiten. Das Once-only-Prinzip ist die Basis dafür. Das klingt kompliziert, ist technisch vielleicht auch nicht so einfach, führt aber zu einer absoluten Vereinfachung in der Bürokratie. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir starten deshalb gleich bei unseren eigenen Themen im Wirtschafts- und Digitalminis­terium, nämlich bei der Gewerbeanmeldung. Bisher mussten die Unternehmer auf einen Magistrat gehen, auf die BH gehen, und in Zukunft wird es so sein, dass sie das ganz bequem von zu Hause aus auf dem Unternehmensserviceportal machen können und dass es auch nicht notwendig ist, die Strafregisterauszüge, die Finanzstrafregister, das alles abzufragen, überall extra hinzugehen und das extra einzubringen. Das ist die Grundlage von Once Only – es einfacher zu machen, vor allem für die österreichischen Unternehmen, die es in dieser Zeit schwer gehabt haben. Sie brauchen die Entbüro­kratisierung, und Digitalisierung hilft uns dabei. Das ist der Schlüssel für die nächsten Monate und Jahre. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zorba. – Bitte.


22.19.35

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wie es scheint, gibt es zu diesem Tagesordnungspunkt breiten Konsens. Diesen Konsens gibt es auch in der Bundesregierung, wenn es darum geht, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Verwaltung effizient zu gestalten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Worum geht es? – Mit dieser Novelle soll das Once-only-Prinzip umgesetzt werden. Dieses Vorhaben ist essenziell für die einfache Datenerfassung und den effizienten behördlichen Datenaustausch und ist aus meiner Sicht ein Meilenstein für den Büro­kratieabbau.

Once only bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bei der Erfüllung von Informations­verpflichtungen an die Behörden Daten nur einmalig bekannt gegeben und erfasst werden müssen. Um das zu erreichen, wird das Unternehmensserviceportal des Bundes zu einem einheitlichen digitalen Zugangstor, dem Register- und Systemverbund, weiter­ent­wickelt. Über diesen Register- und Systemverbund können dann sowohl national als auch EU-weit behördenintern Daten ausgetauscht werden. Da das Unternehmens­serviceportal bereits heute über eine hohe Schnittstellendichte zu anderen Systemen der öffentlichen Verwaltung verfügt, eignet es sich ganz besonders als Grundlage für dieses Vorhaben.

Zum Datenschutz, zu Kollegen Köllner: Bei der Schaffung eines solchen Systems war uns natürlich auch der Datenschutz ein ganz besonderes Anliegen. Die vorliegende No­velle stellt explizit keine Generalermächtigung zum behördenübergreifenden Austausch von Daten aus, sondern schafft vielmehr die technischen und organisatorischen Grund­lagen für eine effiziente Übertragung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dementsprechend wurde auch im Gesetzestext klargestellt, dass eine Datenübermitt­lung nur dann zulässig ist, wenn eine ausreichende datenschutzrechtliche Grundlage dafür vorliegt.

Was bringt es? – Kollegin Himmelbauer hat es schon im Detail erklärt. Unter­nehme­rinnen und Unternehmer kennen das, man muss immer wieder dieselben Daten erfassen und eingeben, und das wird in Zukunft einfacher. Das spart in Zukunft Zeit und Geld.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 263

Unternehmen können künftig an einer zentralen Stelle Grundschritte auch digital ab­wickeln und auch andere Registrierungen zu Verwaltungsverfahren nach dem Once-only-Prinzip vornehmen, wie zum Beispiel die Anmeldung für Finanzonline oder Sozial­versicherungsservices. Damit werden auch wesentliche Forderungen des Entschließungs­antrages des Kollegen Hoyos, wie etwa die Errichtung einer zentralen Anmelde- und Abwicklungsstelle zur Unternehmensgründung, umgesetzt.

Diese Entlastung kommt besonders Unternehmen in ihrer Gründungsphase oder auch Start-ups zugute. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, weitere Schritte im Bereich der Digitalisierung zu setzen, um Unternehmen, Behörden und der Bevölkerung die tägliche Arbeit zu erleichtern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

So leisten wir einen weiteren Beitrag zur Krisenfestigkeit von Verwaltung und Wirtschaft und ermöglichen mehr Effizienz durch Bürokratieabbau. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

22.23.09Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 22 bis 27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen. Darf ich fragen, ob wir abstimmen können? SPÖ? Grüne? NEOS? – Ja.

Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, den Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2021, vorge­legt vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundesminis­terin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, III-329 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen bekunden. – Das ist einstimmig ange­nom­men.

Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, seinen Bericht 1019 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen bekunden. – Das ist die Mehrheit, ange­nommen.

Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, seinen Bericht 1020 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, seinen Bericht 1021 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte wieder um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit – auch mit den Stimmen der FPÖ –, angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensserviceportalgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 944 der Beilagen.

Wer seine Zustimmung erteilt, möge das bekunden. – Dementsprechend ist das einstim­mig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 264

Wer seine Zustimmung auch in dritter Lesung erteilt, wird um ein Zeichen gebeten. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 27: Antrag des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung, seinen Bericht 1023 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen bekunden. – Das ist die Mehrheit, ange­nom­men.

22.25.0928. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den An­trag 1666/A(E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Götze, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung von Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen“ (984 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Mühlberghuber. – Bei Ihnen steht das Wort. Frau Abgeordnete, bitte sehr.


22.25.41

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! (Unruhe im Saal. – Prä­sident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sehr geehrte Frau - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit. Die Gespräche können auch in den Couloirs geführt werden, nicht hier im Plenarsaal, bitte! Meine Herren und Damen, wir haben noch immer eine Debatte. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


Abgeordnete Edith Mühlberghuber (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Antrag dieses Tagesordnungspunkts soll in einer Studie geprüft und erhoben werden, welche Auswirkungen eine Frauenquote hat und welche anderen Maßnahmen es gibt, um den Frauenanteil in börsennotierten Unter­nehmen und Aufsichtsräten zu erhöhen.

Es ist kein Geheimnis, wir Freiheitliche sind keine Anhänger der Quotenregelung. Für uns stehen Leistung und Qualifikation im Vordergrund. Wir sind für einen fairen Wett­bewerb, für gleiche Chancen von Männern und Frauen. Selbst die Mehrheit der Frauen lehnt die Quotenregelung ab. Die Quote wird nämlich vor allem jenen schaden, die davon profitieren sollten, nämlich den Frauen, und zwar den starken Frauen. Ihnen würde immer wieder unterstellt werden, nur per Quotenregelung auf ihre Position gehievt wor­den zu sein. Sie wollen nicht in ein Amt gehoben werden, weil sie nicht als Quotenfrau abgestempelt werden wollen. Anstatt Frauen zuzutrauen, dass sie sich auf dem freien Markt behaupten können, werden sie als hilflose Wesen stigmatisiert, denen mit gesetzlichem Zwang geholfen werden muss.

Während die ÖVP nach außen hin für mehr Frauen in den Aufsichtsräten trommelt, beschwert sich im Hintergrund das ÖVP-Umfeld über die Quote, wie es den Chat­nachrichten zu entnehmen war. Wenn bei der ÖVP Frauenförderung draufsteht, ist „steuerbar“ drinnen. Und weiter – ich zitiere –: „Mir gehen die Weiber so am Nerv. Scheiß Quote.“ – Das ist aus dem Umfeld der ÖVP in den Chats zu lesen. Wenn man bei der ÖVP hinter die Kulissen schaut, dann kommt so manches ganz andere hervor, als Sie hier im Plenum reden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 265

Sehr geehrte Damen und Herren, mutige Frauen, tüchtige Frauen, engagierte Frauen, die Leistung, die Qualifikation vorweisen können, brauchen keine Quote und schon gar nicht eine Studie dazu. Diese Frauen erreichen aus eigener Kraft ihr Ziel. Deshalb sehen wir diesbezüglich eine Studie als unnötig an und lehnen diesen Antrag ab. (Beifall bei der FPÖ.)

22.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte.


22.28.54

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Die Erhöhung des Frauen­anteils in Vorständen börsennotierter Unternehmen: Meine Damen und Herren, welchen Effekt können Quoten haben? – Ich glaube, sie können einen großen Effekt haben, und genau darum geht es in dieser Studie, nämlich um zu schauen: Was können wir daraus lernen?

Es gibt in den börsennotierten Unternehmen nur 7,9 Prozent Vorständinnen, Frau Kolle­gin. Der größere Teil der AbsolventInnen von Fachhochschulen, von Universitäten sind Frauen, und die haben die wesentlich besseren Noten. Ich finde, es ist ein Schaden an der Volkswirtschaft, den wir produzieren, wenn wir diese Frauen dann zu Hause in Teilzeit sitzen lassen und nicht die Rahmenbedingungen schaffen, die sie vielleicht brauchen, um ihr Wissen auch anzuwenden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zur Quote: Ja, es hat in den Aufsichtsräten schon funktioniert. Von 19 Prozent sind wir auf 28 Prozent gekommen, aber anscheinend hat der Effekt, den wir uns erhofft hätten, dass das dann auch in den Vorständen nachzieht, leider nicht eingesetzt.

Deswegen ist für mich die Quote als befristeter Motor notwendig. Das ist nicht die Meinung unseres gesamten Klubs, glaube ich, aber ich bin mittlerweile hundertprozentig dieser Meinung und eine totale Befürworterin. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Oft hören wir von Frauen, dass man sich diesbezüglich distanziert, dass man sagt, man kann mit Anstreifen nur verlieren, es ist besser, nichts zu sagen. Ich frage mich schon, ob dieses Distanzieren unsere Handlungsmaxime oder einfach ein opportunistisches Handeln für sich selbst ist, indem man sagt, man ist dort hingekommen.

Man muss auch sagen: Auch wir hier – ein größerer Teil – sind wegen einer Quote hier, egal ob von einem Bundesland kommend oder aus einem unserer Bünde kommend. Vor Sebastian Kurz gab es kein Reißverschlusssystem. Ganz viele von uns sind deswegen erstmals auf diesem Ticket. Auch bei uns in der ÖVP war der Frauenanteil wesentlich kleiner. Ich glaube aber auch, dass diese Frauen sich bei der nächsten Wahl behaupten können, sie haben aber einmal die Chance bekommen müssen, dort überhaupt hinzu­kommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Bernhard.)

Ich sehe die Quote als unsere moralische Verpflichtung, weil wir privilegiert sind. Ich sehe sie deswegen als unsere Verpflichtung, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Frauenkarrieren zu ermöglichen – auf Zeit befristet –, denn die Frage ist, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Ich möchte in einer gerechten Gesellschaft leben, in der Leistung und Qualifikation zählen – selbstverständlich Frau Kollegin. Das geht schon mit der Berufswahl einher. Meine Kollegin Therese Niss hat da ein tolles Programm bezüglich Mädchen und Mint initiiert. Es geht um Reduktion der Teilzeit, darum, zu schauen, dass die langen Karenzzeiten kürzer werden, darum, Karriere und Familien­leben zu vereinbaren. Da geht es auch darum, haushaltsnahe Dienstleistungen steuer­lich zu entlasten. Es gibt ganz viele Sachen, die wir machen müssen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 266

Ja, es wird diese Probleme geben, und ich verstehe auch die Herrschaften, die sagen, sie finden keine Frau. Das ist kein Problem, denn dann sollen sie meiner Meinung nach eine Ausgleichszahlung leisten, damit wir solche Frauen entwickeln können, damit diese Karrieren zumindest in drei, vier, fünf Jahren stattfinden. Ich verpflichte niemanden. Wir können das auch anders lösen, aber zumindest muss einmal ein Anreiz da sein. Wir müssen solidarisch in Zukunftskarrieren investieren.

Meine Herren, mein Wunsch an Sie alle, die Sie hier, aber auch zu Hause sitzen: Wir brauchen euch dazu, denn ihr seid der Motor, die Motivatoren und im Moment schluss­endlich die Ermöglicher, denn egal wo Jobbesetzungen entschieden werden, die Shareholder, die Eigentümer, die Aufsichtsratsvorsitzenden seid zum Großteil ihr. Ohne euch wird es also nicht gehen, denn bei euch liegen momentan noch diese Entschei­dungen.

Kollege Kassegger hat es ja letztes Mal im Ausschuss gesagt, wie Sie jetzt. Wenn Sie wirklich sagen, es geht um Leistung und Kompetenz, dann muss ich Sie schon fragen, warum Sie in einer Parlamentsfraktion mit, ich glaube, 30 Abgeordneten fünf Frauen haben. Sie sagen entweder, dass in Ihrer Welt sechsmal so viele Männer kompetent sind oder die Männer sechsmal so kompetent wie eine Frau sind. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP, bei den Grünen sowie des Abg. Bernhard.  Abg. Zanger: Wir sind eine Familienpartei!) – Na, Sie sind ganz bestimmt einer der Kompetentesten in Ihrer Fraktion. (Heiterkeit der Abg. Pfurtscheller.)

Ich stehe voll auf gescheite, auf toughe und smarte Frauen, ich bin ein Riesenfan von erfolgreichen Frauen und bin wunderbar froh, dass ich nicht in Ihrer Welt zu Hause bin.

Eines sage ich Ihnen auch noch: Wenn Sie Ihren großen Weltschmerz bezüglich Über­fremdung endlich beenden wollen, dann müssen Sie diese gescheiten Frauen, die an der Uni waren, diese gescheiten Frauen, die da wirklich ihr Bestes gegeben haben, moti­vieren, dass sie mehr Kinder bekommen. Dann werden Sie die Rahmenbedingungen mit uns schaffen müssen, weil sonst das Projekt nichts werden wird.

In diesem Sinn vielen, vielen herzlichen Dank. Ich weiß, Sie sehen mich jetzt wahr­scheinlich als Feministin, aber das trage ich dann mit Stolz und Dankbarkeit. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Bernhard.)

22.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte.


22.33.39

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Da heute alle Damen sprechen, mache ich jetzt die quota rosa, werde also den Quotenmann machen.

Ich möchte das ein bisschen ausführen. Ich kann dem vieles abgewinnen. Ich stehe auf schöne Frauen, ich stehe auf intelligente Frauen, auf smarte Frauen, also da bin ich überall dabei. (Beifall bei der FPÖ. – Oh-Rufe bei den Grünen. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)  Jetzt kommt natürlich die Feminismuskeule, aber ich möchte es trotzdem versachlichen. (Bundesministerin Schramböck: Auch ich stehe auf schöne Männer!) – Jawohl, das ist das gute Recht von jedem.

Wir müssen die Zahlen ins rechte Licht rücken, und dann wollen wir einmal ernsthaft darüber diskutieren, statt gleich diese Feminismuskeule zu schwingen. (Widerspruch bei ÖVP und Grünen.) Wir reden über börsennotierte Unternehmen. Lassen Sie mich doch einmal ausreden, bitte! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wir reden über börsennotierte Un­ternehmen in Österreich. Das heißt, wir reden über 70 Unternehmen. Von 70 Unternehmen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 267

hat jedes Unternehmen einen Vorstand von zwei oder vielleicht drei Personen. Das heißt, wenn es schnell geht, reden wir über 200 Personen, die heute in einem Vorstand von aktiennotierten Gesellschaften in Österreich besetzt werden. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Die Besetzung des Vorstandes erfolgt klarerweise durch den Aufsichtsrat. Was machen wir, wenn wir das heute nicht schaffen? – Das, und nicht die zwangsweisen Imple­men­tierungen von irgendwelchen Festlegungen von Quoten, die wir heute in einer Studie irgendwie auf oder ab analysieren wollen, sollte im Zentrum der Diskussion sein: Wir müssen die diesbezügliche Ausbildung schaffen. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Wissen Sie, wie schwierig das heute ist? – Frauen sind in einer Position in einem Auf­sichtsrat oder bei der Bestellung eines Vorstandes heute vielfach viel schwereren Bedin­gungen als ein Mann, der in einem Vorstand agiert, ausgesetzt, daher müssen Sie die Grundlagen dafür schaffen. (Zwischenruf der Abg. Disoski.)

Diese Diskussion haben wir auch in Italien geführt. Man hätte 200 verschiedene Po­sitionen in Italien – einst mit der quota rosa – mit Damen besetzen müssen. Es ist nicht gelungen, weil die Qualifikationen nicht da waren. (Heftiger Widerspruch bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Sie dürfen eines nicht vergessen: Die Haftungsansprüche eines Vor­standes sind ganz andere als sonstige Verantwortlichkeiten. Reden Sie nicht über irgendwelche Teilzeitmöglichkeiten oder Sonstiges! (Bundesministerin Schramböck: Ich habe ein Unternehmen geführt, Sie nicht! – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

Das ist die Grundlage, über die wir nachdenken müssen, und dann können wir über jede Studie reden, von der Sie glauben, sie machen zu müssen, sodass wir zwangsweise Frauen in einen Aufsichtsrat, in einen Vorstand implementieren können. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Ich glaub, der Ragger hat einen schlechten Tag heut! – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

22.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Oberrauner. (Unruhe im Saal.) – Frau Abgeordnete Oberrauner, Sie wären dran. (Abg. Oberrauner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Verzeihung, ich war schockiert!)  Lösen Sie sich vom Schock, kommen Sie zum Pult, bitte sehr!


22.36.34

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Ich habe mich erst fassen müssen, denn ich komme vom Altertum in die Neuzeit und kenne mich nicht genau aus, auf welcher Rakete. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Vielleicht können wir einmal zu den Fakten zu­rückkommen. Diversität in Führungsebenen ist gut für den Erfolg eines Unternehmens. Dazu gibt es – damit die Männer auch beruhigt sind (Heiterkeit der Abg. Kirchbaumer– von der Unternehmensberatung McKinsey, die Sie hoffentlich nicht infrage stellen, eine Erhebung, die besagt, es gibt eine um 25 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein, wenn man Frauen in das Unternehmen nimmt.

Die 30-Prozent-Quote im Aufsichtsrat großer Unternehmen in Österreich zeigt Wirkung. Seit Inkrafttreten am 1. Jänner 2018 erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontroll­gremien deutlich von 18,8 auf 27,2 Prozent. In 66 Prozent der gelisteten österreichi­schen Unternehmen sind inzwischen mindestens zwei Aufsichtsrätinnen drinnen. Den­noch liegt Österreich im EU-weiten Vergleich beim Anteil von Frauen in Führungs­po­sitionen noch immer unter dem Durchschnitt – so modern sind wir also nicht. Gerade in den Vorstandsetagen gibt es noch Nachholbedarf. Anfang Jänner waren mit 15 von 190 Vorstandsposten nur 7,9 Prozent weiblich besetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 268

Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Erstens, die bisherigen Quotenregelun­gen für Unternehmen wirken in ihren Bereichen. Zweitens, es sind leider noch weitere Maßnahmen nötig, um Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen und Gender­diversität in den Führungsetagen österreichischer Unternehmen zu erreichen.

Darum ist es aus unserer Sicht nicht an der Zeit für Studien – man kann natürlich schon eine machen –, sondern es wäre besser, zu handeln. Deutschland wird immer für den Vergleich mit anderen Ländern bemüht: In Deutschland hat der Bundestag am 11. Juni 2021 eine verpflichtende Quote für Frauen in Vorständen beschlossen. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Dazu könnten Sie sich ja vielleicht auch durchringen.

Ich möchte in Richtung des Kollegen Ragger noch sagen, dass ich bei der Rede von Kollegin Mühlberghuber noch gedacht habe, wir können über das Mittelalter reden, aber dann bin ich im Altertum gelandet. Ich würde aber sagen, diese Diskussion können wir auch auslassen.

Zu den Männern möchte ich sagen: Ich stehe auch auf schöne Männer, wenn sie intelli­gent sind, aber vor allem stehe auf sie, wenn sie gegendert sind. (Heiterkeit bei Abge­ordneten der Grünen. – Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Zanger: Was ist ein gegenderter Mann? – Zwischenruf des Abg. Hanger. – Abg. Amesbauer: Ein Mann ist ein Mann ...!)

22.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


22.39.18

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde diese Diskussion super. Wir sind heute ja schon sehr lange hier und es war schon ein bisschen ermüdend, aber jetzt ist wirklich wieder Schwung im Haus.

Das Thema Frauen, Frauenquoten oder Anteil von Frauen in Führungspositionen emoti­onalisiert uns offenbar sehr. Es wurden schon viele Zahlen genannt, aber sprechen wir doch einmal darüber, von wie vielen Frauen in der Bevölkerung wir reden. Wir wissen, über 50 Prozent der Bevölkerung sind Frauen, und diese Frauen sind top ausgebildet, ähnlich gut wie Männer, manchmal sogar besser, und trotzdem schaffen sie es noch nicht, ihren Platz in Führungspositionen einzunehmen.

Das ist ein Nachteil nicht nur für die Frauen, die eine gute Ausbildung machen und dann an eine gläserne Decke stoßen, sondern auch ein großer Nachteil für die Unternehmen. Wir wissen, dass Unternehmen, die Frauen in Führungspositionen haben oder diverse Führungskräfte, Vorstände haben, viel erfolgreicher sind. Sie sind resilienter und, wie eine Ernst&Young-Studie sagt, auch finanziell erfolgreicher. Dieses Potenzial wollen wir nützen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, wir haben eine Quote für Aufsichtsräte, die gewirkt hat. Ich verhehle auch nicht, dass ich davon überzeugt bin, dass Quote wirkt, aber ich möchte schon sagen, was wir hier heute beschließen – und insofern fände ich es schon angemessen oder sehr begrüßens­wert, wenn wir uns einigen könnten, dass wir das alle wissen wollen –: Wir beschließen, zu untersuchen, welche Maßnahmen wirken können beziehungsweise was Frauen derzeit daran hindert. Wir beschließen hier noch keine Quote. Also ich finde diese Diskussion doch sehr erstaunlich. Wir versuchen einmal, herauszufinden, was in Öster­reich eigentlich schiefläuft. (Ruf bei der SPÖ: Das wissen wir!)

Wir wollen uns dazu die Maßnahmen in anderen Ländern anschauen. Es wurde schon erwähnt, dass es in Deutschland seit Juni – gerade ganz aktuell – die Quote gibt. Wir wollen uns aber auch in anderen Ländern anschauen, welche Maßnahmen gesetzt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 269

werden. Es gibt offenbar zahlreiche Hürden – zahlreiche Hürden! –, die Frauen hindern, daher wollen wir von diesen anderen Ländern lernen.

Ich freue mich, Frau Ministerin, dass wir das in Ihre Hände geben können, weil ich davon überzeugt bin – Sie haben ja selbst auch in einem Unternehmen Karriere gemacht, und ich weiß, dass Sie auch in Ihrem Ministerium Frauen wirklich die Chancen geben, die sie verdienen –, dass wir da gute oder interessante Ergebnisse bekommen, mit denen wir dann weiterarbeiten können. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.


22.42.42

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Zu später Stunde, nach zwei Tagen Plenum, da kocht es dann, wenn es um Frauenrechte geht. Kollege Amesbauer – jetzt ist er gerade nicht da, er hat den Raum verlassen. (Abg. Zanger – auf den auf einem anderen Platz sitzenden Abg. Amesbauer zeigend –: Er ist da!) – Sie sind da? Ah ja! Ich biete feministische Früherziehung an. Das heißt, Sie können zu mir kommen, und ich bringe Ihnen bei, dass man als Mann ein Feminist sein kann und trotzdem ein ganzer Kerl; das schwöre ich Ihnen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wie kommen wir eigentlich auf dieses Thema? – Ich stelle mir das folgendermaßen vor: Da sitzt die Bundesregierung gemütlich beisammen, und dann sagen die Grünen: Hey, wisst ihr eigentlich, dass auf Geschäftsführungs- und Vorstandsebene Frauen total unterrepräsentiert sind, dass von 190 Vorständen in Österreich nur 15 weiblich sind?, und die ÖVP: Was?! Echt, tatsächlich? Wie konnte denn das passieren? Um Himmels willen, wir müssen sofort etwas tun! Wir müssen Studien erheben, wir brauchen Information, wir brauchen Datenmaterial.

Jetzt ist es natürlich so, dass Fakten, Daten, Studien immer helfen, sie sind auch die Voraussetzungen für wirksame Maßnahmen, und deshalb stimmen wir diesem Antrag auch zu, aber ich möchte festhalten: Insbesondere die Bundesregierung scheint nicht zu wissen, dass wir all diese Informationen schon haben. Wir wissen ja schon, woran es krankt. Statistik Austria hat erhoben, dass 70 Prozent der Teilzeit arbeitenden Frauen deshalb Teilzeit arbeiten, weil sie sich um Kinder und Alte kümmern müssen, und aus einer Teilzeittätigkeit kann man selten eine Karriere starten. Es gilt auch, wie Kollegin Jeitler-Cincelli schon ein bisschen ausgeführt hat, dass es Kindergartenplätze braucht. – Ja, überall dort, wo die ÖVP verantwortlich ist, gibt es viel zu wenig Kindergartenplätze. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

Ich erinnere auch daran: Gerade diese Woche wurde in der Steiermark eine Herdprämie ausgerufen. In zwei ÖVP-geführten Gemeinden bekommen Frauen zwischen 100 und 120 Euro pro Monat, wenn sie ihr Kind nicht in den Kindergarten geben, weil damit ein Abgang von 600 000 Euro im Jahr erspart werden kann. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Also das stimmt ja hinten und vorne nicht zusammen.

Nächster Punkt: McKinsey gibt seit 2007 jährlich den Bericht Women Matter heraus und hat wiederholt festgestellt, dass Unternehmen mit viel Frauen im Vorstand bezie­hungs­weise im Topmanagement am besten performen.

Die Boston Consulting Group, auch kein Hort des Feminismus und deshalb unver­däch­tig, weist in einer Studie aus 2020 für die top 100 an der Börse notierten Unternehmen in Deutschland nach, dass Unternehmen mit diversen Führungsteams eine 9 Prozent höhere Gewinnmarge und einen 20 Prozent höheren Umsatzanteil durch Innovation


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 270

erreichen als ihre männerlastigen Mitbewerber – etwas, worauf die ÖVP und die FPÖ gerne verzichten.

Die Credit Suisse hat in ihrem Bericht Gender 3000 im Jahr 2019 erhoben, dass Unter­nehmen mit einem höheren Frauenanteil im Senior Management eine höhere Cash­flowrendite auf investiertes Kapital haben, weniger volatil sind und nachhaltiger agieren.

Die London School of Economics hat in ihrer Studie zur Krise des mittelmäßigen Mannes gezeigt, dass in der Politik ein um 10 Prozent erhöhter Frauenanteil den Anteil an kompetenten Männern um 3 Prozent erhöht (Abg. Amesbauer: So ein Blödsinn!), weil dann der Anteil an inkompetenten Männern anscheinend sinkt. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und Grünen.)

Die letzte Zeitverwendungsstudie der Jahre 2008/2009 hat gezeigt, dass in Österreich jährlich 9 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit verrichtet werden. Würde diese Arbeit bezahlt werden, würde unser BIP um 27 bis 35 Prozent wachsen.

In einer Befragung des International Social Survey Programme – ich komme schon zum Ende, keine Sorge – stimmten 52 Prozent der Frauen in Österreich der Aussage, dass das Familienleben leidet, wenn die Mutter Vollzeit arbeitet, zu oder stark zu. In Schwe­den stimmen dieser Aussage nur 15 Prozent der Frauen zu. In Schweden gibt es auch einen sehr hohen Anteil an Frauen in Führungsfunktionen, übrigens ganz ohne gesetz­liche Quote.

Also wir sehen schon, wo die Probleme liegen. Man müsste halt konkrete Schritte unternehmen und sich einfach nur all diese Studien durchlesen, die es schon gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

22.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Himmelbauer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


22.47.29

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin eigentlich sehr dankbar für diese sehr lebhafte Diskussion, die wir heute führen. Ich glaube, es ist ein sehr wesentlicher und wichtiger Beitrag, und sehr viel Richtiges ist heute schon gesagt worden, sehr vieles, auf das wir aufsetzen können, aber ich bin auch davon überzeugt, dass wir noch sehr viel mehr tun können und uns auch mehr an Wissen aneignen können. Ein paar Gedanken auch von meiner Seite dazu, die ich vielleicht in der gebotenen Zeit sehr kurz halte.

Sicherlich ein Faktor für viele Frauen in der beruflichen Karriere ist auch, die Themen Beruf und Familie zu verbinden und unter einen Hut zu bekommen, was ich persönlich jetzt auch sehr stark miterlebe. Ich möchte aber trotzdem den Versuch eines anderen Problemaufrisses machen, der uns hier hoffentlich auch zu Handlungsoptionen führt, die wir ja heute einfordern. Vielleicht sei der FPÖ noch einmal mitgegeben: Der Antrag zielt nicht auf die Einführung einer Quote oder auf eine Quotenanalyse ab, sondern es geht um Handlungsoptionen, um Maßnahmen im internationalen Vergleich, und da sollen die Gedanken frei sein und es soll auch alles betrachtet werden können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Worauf ich aber hinauswollte: Ich glaube nicht, dass es Frauen absichtlich schwer gemacht wird, in Führungspositionen zu gelangen. Es gibt keine Verschwörungstheorie in diesem Bereich, sondern es gibt immer noch stark eingeprägte Stereotypen, Rollen­klischees, Rollenbilder, die wir bewusst oder unbewusst einfach auch bedienen und die uns daran hindern, Fortschritte zu machen. Wenn wir heute über Frauen und Führungs­positionen reden, dann sehen wir, dass Führungspositionen gewisse Attribute zugeordnet


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 271

werden und Frauen eben gleichermaßen auch und dass die scheinbar nicht zusam­menzuführen sind.

Eine gute Zusammenfassung aus einem wissenschaftlichen Magazin war: Frauen wirken und verhalten sich entweder typisch weiblich und entsprechen demnach in ihren Stereotypen nicht denen einer Führungsperson oder sie wirken und verhalten sich wie eine Führungsperson, entsprechen dann aber nicht dem typischen Rollenbild einer Frau. – Das ist, glaube ich, klar abzulehnen.

Wir müssen von diesen typischen Rollenklischees, Rollenbildern wegkommen und einfach eine Freiheit des Denkens schaffen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir dort hinkommen. Ich sehe es bei jungen Menschen, bei jungen Frauen und Männern, die heute schon ein ganz anderes Verständnis und Bewusstsein mitbringen. Ich bin auch überzeugt, aus meiner persönlichen Warte, dass es ohne gesetzliche Quoten und ohne Eingriff in die Erwerbsfreiheit geht, aber ich bin mir auch dessen bewusst, dass es eine gläserne Decke gibt und dass wir Frauen auf ihrem Weg unterstützen müssen, dabei, ihren Weg zu gehen. Darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Das heißt, dass die Debatte geschlossen ist.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir verlegen die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie.

22.50.4929. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den An­trag 1750/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhal­tungs­ge­setz 2014 geändert wird (985 d.B.)

30. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den An­trag 1751/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreu­hand­berufsgesetz 2017 geändert wird (986 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den Tagesordnungs­punk­ten 29 und 30, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pöttinger.


22.51.24

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dieser Novelle des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes und jener des Bilanzbuchhaltungsgesetzes geht es um Rechtsicherheit, und zwar: Im Zusammenhang mit der Covid-Krise haben ja die Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Bilanzbuchhalter jede Menge an Bestätigungen unterzeichnen müssen. Sie werden sich fragen: Warum machen wir diese gesetzliche Regelung erst jetzt? Es gibt eine Regelung,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 272

aber die war nicht zu 100 Prozent sicher. Ein Verwaltungsgericht eines Bundeslandes hat da aufgezeigt, dass es Unschärfen gibt, und deshalb – um Rechtsicherheit zu schaffen – sollen wir hier jetzt diese Novelle beschließen.

Die Regelung zielt exakt auf die Covid-19-Krise ab und führt daher nur zu einer temporären Erweiterung des Berechtigungsumfanges, und es geht zusätzlich um eine Beschränkung der Haftung, weil viele Versicherungen jetzt bei diesen hohen Summen ausgestiegen sind. Damit ist man auch den Wirtschaftstreuhändern und Bilanzbuch­hal­tern entgegengekommen.

Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


22.53.10

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Die Covid-19-Pandemie hat unsere heimischen Unternehmen schwer getroffen, daher sind viele davon nach wie vor auf staatliche Unterstützung beziehungsweise Entschädigungsleis­tungen angewiesen. Im Zuge der Antragstellung müssen oftmals BilanzbuchhalterInnen und WirtschaftsprüferInnen quasi Bestätigungen ausstellen. Da bei einer fehlerhaften Prüfleistung hohe Strafsummen entstehen können, schreckt das viele Steuerbera­terIn­nen und WirtschaftsprüferInnen ab, Prüfungsaufträge anzunehmen. Dies kann dazu füh­ren, dass Unternehmen nicht jene Unterstützungsleistungen bekommt, die ihnen zu­stehen, oder dass der Antrag schlimmstenfalls abgelehnt wird. Deshalb begrüßen wir diese – quasi – Novelle beziehungsweise Reparatur dieses Gesetzes und stimmen dem Antrag auch zu.

Was ich aber schon kritisieren möchte, ist die Gegebenheit, dass wir im Frühjahr 2020 den ersten Lockdown hatten, aber erst jetzt dieses Gesetz reparieren. Das hätten wir schon vor 16 Monaten gebraucht. Dieser Umstand stellt ein weiteres Symptom für die verfehlte Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung in Zeiten von Corona dar. Wir hinken immer einen Schritt hinterher, Frau Ministerin, wir reagieren erst dann, wenn Feuer am Dach ist.

Vorausschauende Politik schaut für mich anders aus. Unsere Unternehmen werden dadurch auch einen massiven Wettbewerbsnachteil gegenüber jenen in anderen euro­päischen Mitgliedstaaten erleiden. Ein trauriger Fakt ist, dass es nur vier Länder gibt, Frau Ministerin, die die Covid-19-Krise schlechter gemeistert haben als wir. Das heißt, 22 Mitgliedstaaten waren schlichtweg besser. Für mich heißt das – weil am Sonntag ein EM-Finale ist –, wäre dieses Krisenmanagement seitens der Wirtschaftspolitik, also von Ihnen, Frau Ministerin, und von dieser Bunderegierung, ein Fußballspiel, wäre Österreich bereits in der Gruppenphase ausgeschieden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir verlegen die Abstimmung wie vereinbart an das Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 273

22.55.3531. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den An­trag 1628/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlastungs­offensive für unsere Betriebe (987 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. Er hat das Wort.


22.56.03

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Es geht um unseren Antrag „Österreich zuerst!“ und wie so oft um die Unterstützung der heimischen Wirtschaft. Ich war eigentlich sehr ver­wundert, dass die Regierungsparteien diesen Antrag im Ausschuss nicht wie üblich ver­tagt, sondern abgelehnt haben.

Es geht eigentlich nur um die Unterstützung – ich komme dann noch im Detail auf diesen Antrag zurück –, aber wir haben zurzeit auch eine sehr krisengebeutelte Branche, die ich heute schon erwähnt habe, und zwar unsere Fieranten und Schausteller. Durch die Absage der Volksfeste und all der Wiesenmärkte vor allem in Bleiburg, Villach und so weiter kommen sie massiv unter Druck.

Deshalb habe ich dazu auch einen entsprechenden Antrag vorbereitet, den ich hiermit einbringen möchte.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle So­forthilfe für von abgesagten Veranstaltungen massiv betroffene Marktfahrer, Schaustel­ler und Wirte“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend Schritte zu setzen, die eine sofortige und unbürokratische finanzielle Hilfe zur Abdeckung der Fixkosten sowie des Umsatz­ausfalls in voller Höhe insbesondere für die heimischen Marktfahrer, Schausteller oder Wirte, die von der Absage vieler Märkte und Veranstaltungen in Folge von COVID-19 in ihrer Existenz weiterhin bedroht sind, sicherstellen.“

*****

Jetzt zum Antrag „Österreich zuerst!“: Worum geht es in diesem Antrag? Es geht um drei wesentliche Punkte: zum einen um die Senkung der Abgaben auf Arbeit und Lohnneben­kosten, zum Zweiten um die Attraktivierung der Lehrlingsausbildung und zum Dritten um Vorrang für die heimischen Betriebe bei der Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen.

Jetzt habe ich mir die ganze Zeit schon überlegt: Warum lehnt die ÖVP diesen Antrag mit diesen drei Forderungen ab? Wegen der Senkung der Lohnnebenkosten? – Das kann ich mir schwer vorstellen. Wegen der Attraktivierung der Lehrlingsausbildung? – Das kann ich mir auch schwer vorstellen. Dann kann es eigentlich nur der Punkt „Vorrang für heimische Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen“ sein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 274

Warum steht das in dem Antrag? – Wir haben am Markt schon seit Monaten die Situ­ation, dass Bau-, Werk- und Rohstoffe wenn überhaupt noch verfügbar, dann von den Unternehmen nur mehr mit massiven Preissteigerungen geliefert werden und viele Un­ternehmen natürlich damit massive Schwierigkeiten haben, ihre Aufträge abzu­wickeln. Sie können bei Angeboten keine Preise mehr angeben, es geht sogar so weit, dass sie Unternehmer nach Hause schicken müssen, weil sie keinen Rohstoff mehr bekommen.

In diesem „Österreich zuerst!“-Antrag fordern wir, dass heimische Betriebe zumindest einen gewissen Prozentsatz von diesen Bau-, Werk- und Rohstoffen erhalten müssen, bevor sie eben in die USA oder nach China exportiert werden – sogar noch unterstützt mit Exportförderungen –, denn sonst kommt es dazu, dass unsere Betriebe ihre Leute nach Hause schicken müssen, zusperren müssen und ihre Existenz bedroht ist.

Jetzt lese ich vor einigen Tagen in der „Kleinen Zeitung“: „Der Holzbau geht auf die Barrikaden“. Was steht da drinnen? „Holz ist knapp und wird immer teurer. Familien können sich Häuser in Holzbauweise nicht mehr leisten. Branche startet eine Petition und fordert ein Holzkontingent.“ Also die Branche Holzbau Austria fordert genau das, was in unserem Antrag steht: ein Holzkontingent.

Jetzt habe ich nachgeschaut, wer denn der Chef von Holzbau Austria ist. Das ist Herr Ing. Gerhard Kast von der österreichischen Wirtschaftskammer, auch ein entsprechen­der Branchenvertreter. Da ja von der ÖVP auch Branchenvertreter aus der Wirtschafts­kammer sprechen werden, kann ich mir schwer vorstellen, dass Sie diese Petition ablehnen und genau das ablehnen wollen, was Herr Kast in seiner Petition fordert.

Also ich unterstütze diese Petition, ich unterschreibe diese Petition jetzt auch. Ich unter­schreibe das natürlich in dem Sinne, dass man den österreichischen Unternehmen das Material, das sie brauchen, zur Verfügung stellen muss. Allein in der Holzbaubranche – das sagt Herr Kast – geht es um 22 000 Arbeitsplätze, um 2 200 Unternehmen. Ich glaube, das soll es uns wert sein, dass wir das unterstützen.

Ich habe noch ein paar Zettel mehr von der Petition ausgedruckt. Ich denke, dass meine KollegInnen von der Wirtschaftskammer das sicher auch unterstützen werden, und bitte auch darum, diese Petition zu unterstützen und zu unterschreiben. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ.)

23.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend finanzielle Soforthilfe für von abgesagten Veranstaltungen massiv betroffene Marktfahrer, Schausteller und Wirte 

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 31: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 1628/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlastungsoffensive für unsere Betriebe (987d.B.) in der 117. Sitzung des Nationalrates am 8. Juli 2021

Corona ist noch nicht vorbei. Obwohl viele Unternehmen mittlerweile wieder ihre ‚ge­wohnte‘ Tätigkeit aufnehmen konnten und kaum mehr von pandemiebedingten Ein­schrän­kungen und dadurch ausbleibenden Kunden betroffen sind, gibt es doch noch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 275

einen Unternehmensbereich, der wohl am schwersten getroffenen wurde und noch immer massiv beeinträchtigt ist: Die Veranstaltungsbranche.

Nachdem in Österreich in den letzten Tagen und Wochen eine große Kultur-, Sport- und Brauchtums-Veranstaltung nach der anderen abgesagt wurde – wie etwa letzte Woche etwa in Kärnten die Wiesenmärkte in Bleiburg und St. Veit, der Villacher Kirchtag oder der Krämermarkt in Wolfsberg – gibt es nun große Verunsicherung und Existenzängste in den Reihen der direkt und indirekt betroffenen Betriebe. Hunderte Fieranten und Schausteller machen alleine in Kärnten den Großteil ihres Jahresumsatzes auf diesen volkskulturellen Veranstaltungen. Ihnen wurde mit den vielen Absagen die Existenz­grundlage entzogen.

Sissy Wolfberger, Spartensprecherin in der Wirtschaftskammer, führt dazu an: „Diese Jahrhunderte alten Events sind nicht nur für die Besucher, sondern auch für sehr viele Unternehmen – ob Händler, Schausteller oder Wirte – Fixpunkte in der Jahresplanung. Da geht es um ein Stück Normalität für die Bevölkerung, aber nach mittlerweile mehr als einem Jahr Totalausfall auch um die wirtschaftliche Existenz vieler Betriebe.1 Wir unter­liegen als Markthändler dem Handel, die Schauspieler unterliegen dem Tourismus mit der Freizeitwirtschaft. Nachdem die Regierung ja alles erlaubt, wird sie nicht für die ent­standenen Schäden aufkommen. Wir dürften ja arbeiten, wir dürfen es nur von den Kärntner Gemeinden aus nicht.“2

Für die Veranstaltungsbranche gibt es also trotz der aktuellen Lockerungen weiterhin kein Aufatmen und keine Planbarkeit. Daher ist es umso wichtiger, dass die Bundes­regierung jetzt aktiv wird und die Betriebe finanziell in ihrer Notlage unterstützt, um so ihr Überleben zu sichern. Nur so werden sie auch im nächsten Jahr wieder auf den Brauchtumsveranstaltungen vertreten sein und den Fortbestand der traditionellen Volksfeste sichern können.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend Schritte zu setzen, die eine sofor­tige und unbürokratische finanzielle Hilfe zur Abdeckung der Fixkosten sowie des Um­satzausfalls in voller Höhe insbesondere für die heimischen Marktfahrer, Schausteller oder Wirte, die von der Absage vieler Märkte und Veranstaltungen in Folge von COVID-19 in ihrer Existenz weiterhin bedroht sind, sicherstellen.“

1 https://news.wko.at/news/kaernten/Volksfestabsage:Haendler,-Schausteller-und-Wirte-getroffen.html

2 https://kaernten.orf.at/stories/3111124/

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Smodics-Neumann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


23.01.07

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich darf zum bereits erläuterten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 276

Antrag von Kollegen Angerer von der FPÖ Stellung nehmen. Die Versorgung mit Roh­stoffen ist ja nicht alleine im Holzbau ein Thema, sie betrifft eigentlich die ganze Bau­wirtschaft – das ist uns ja allen bewusst. Es ist uns aber auch bewusst, dass wir natürlich auch von internationalen Märkten abhängig sind, und wir wissen auch, dass sich die Wirtschaft und auch global die Weltwirtschaft unterschiedlich schnell von der Pandemie erholt.

Aus meiner Sicht ist die beste Möglichkeit, so schnell wie möglich aus dieser Situation herauszukommen, die Wirtschaft in dem Sinne zu unterstützen, dass wir auch so schnell wie möglich aus dieser Pandemie herauskommen, dass wir wirklich ganz herauskom­men. Und was ist das Einzige, das da wirklich hilft? – Impfen! Das heißt, wenn wir uns alle impfen lassen, dann ist auch der Herbst gesichert, denn das wird die Nagelprobe für uns alle und auch für die heimischen Unternehmen. Herr Kollege, ich schaue mir aber die Petition sehr, sehr gerne an – ich kenne sie inhaltlich noch nicht. Danke, ich übernehme das sehr gerne und schaue mir das sehr, sehr gerne an.

Zur Unternehmerentlastung möchte ich einen Satz sagen, oder eher ein Dankeschön – Frau Bundesminister, wenn Sie bitte so lieb sind und das auch dem Herrn Finanzminister ausrichten. Mich hat nämlich in den letzten eineinhalb Jahren Folgendes wahnsinnig beeindruckt – ich habe es auch im Ausschuss schon gesagt –: Ich bin jetzt seit 28 Jahren selbstständig, und das Erste, was ich gelernt habe, nachdem ich das Unternehmen gegründet habe, war: Wenn es einmal in der Kassa eng ist, dann gibt es ein paar Stellen, die solltest du auf jeden Fall bedienen!, und da ist ganz vorne das Finanzamt dabei­gestanden. Ich habe noch nie ein so flexibles Finanzamt erlebt wie in den letzten ein­einhalb Jahren, und das war eine ganz wichtige Maßnahme, denn durch die Stundungen der Steuer ist das Geld in den Unternehmen geblieben, die Liquidität in den Unterneh­men geblieben.

Was uns aber klar sein muss: Eine Steuerstundung bedeutet, dass auch irgendwann einmal wieder zurückgezahlt werden muss. Unternehmer, die kalkulieren können, wis­sen das auch, denn es ist ja in Wahrheit das, was wir vor der Pandemie verdient haben und noch nicht versteuert haben, und das wird jetzt irgendwann auch auf uns zukommen.

Zur Qualifizierungsoffensive – die Zeit läuft rasend davon, aber ich werde versuchen, das auch noch unterzubringen –: Die Frau Bundesminister hat eine ganz, ganz massive Bildungsoffensive bezüglich der Lehre, nämlich auch mit dem Lehrlingsbonus, ausge­rufen. Herzlichen Dank dafür! 25 000 neue Lehrstellen hat das gebracht, und wer könnte das besser beurteilen als das IBW? Ich darf daher aus dem Forschungsbericht des IBW zitieren:

„Eine Reihe von Indikatoren deuten darauf hin, dass die Einführung des österreichischen Lehrlingsbonus zur Reduktion pandemiebedingter Lehrstellenrückgänge auch tatsäch­lich eine diesbezügliche Wirkung entfaltet hat [...]. Eine Zunahme der Lehrverhältnisse, eine Zunahme der offenen Lehrstellen und ein im Vergleich zu Deutschland geringerer Rückgang der betrieblichen Lehrstellen (trotz ungünstigerer ökonomischer Rahmen­be­din­gungen).“ – Besser könnte man es nicht sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Was ich in dem Zusammenhang schon auch noch sagen muss, ist, dass wir wissen müssen, dass die duale Ausbildung wirklich untrennbar mit den Befähigungsnachweisen verbunden ist. Das zu sagen ist mir deshalb wichtig, weil dazu im Ausschuss ein bisschen eine Diskussion entfacht wurde, und es muss uns klar sein, dass ein Angriff auf die Gewerbeordnung immer auch ein Angriff auf die duale Ausbildung ist, auf die wir so stolz sind und um die wir international so beneidet werden. Die Skills – Euroskills oder Worldskills – sind ein wirklich gutes Beispiel dafür. Herr Loacker hat es im Ausschuss auch gesagt und hat gesagt: Na ja, da sind ja nur ein Teil wirklich ehrliche Lehrlinge, die kommen ja sonst alle aus der Schule! – Da darf ich Ihnen empfehlen, sich die Skills-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 277

Austria-Ergebnistabellen von 2018 und 2019 anzusehen: Wir hatten 2018 viermal Gold, 14 Mal Silber, dreimal Bronze, neun Medaillen für exzellente Leistungen.

Wenn Sie sich die Gewerbe anschauen, dann ist sehr, sehr klar ersichtlich, dass dies gebundene Gewerbe sind. Warum? – Weil die Meisterprüfung garantiert, dass eine gute Ausbildung für die Lehrlinge dahintersteht. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den World­skills 2019 in Kazan: Sechsmal Gold, fünfmal Silber, einmal Bronze, 17 Medaillen für exzellente Ausführung.

Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wichtiger Teil, und diese Erfolge haben ganz, ganz viele Väter und Mütter, nämlich: dieses schützenswerte Ausbildungssystem, das wir nicht nur mit Zähnen und Klauen verteidigen, sondern auch mit wirklicher Vorsicht behan­deln müssen, damit wir uns das erhalten; die Betriebe, die die Ausbildungsplätze schaffen, die ein Gespür dafür haben, wenn ein junger Mensch eine Gabe dafür hat und vielleicht auch bereit ist, auch wirklich bei einem Wettbewerb mitzumachen; die Berufsschule, die mit Rat und Tat zur Seite steht und auch die Örtlichkeiten für das Training zur Verfügung stellt; die motivierten jungen Menschen, die Lust darauf haben, sich einem Wettbewerb zu stellen; und natürlich auch Trainer und Experten, die ganz, ganz gezielt auf diesen Wettbewerb vorbereiten, die die Jugendlichen unter die Fittiche nehmen und darauf vorbereiten.

Das ist so unglaublich wichtig, denn ein ganz gutes Beispiel ist jetzt auch darin zu sehen: Die österreichische Fußballnationalmannschaft hat gut performt – ich glaube, darüber sind wir uns alle einig –, und ich bin mir sicher, es wird jetzt wieder einen Riesenzulauf bei den Fußballklubs geben. So ist es auch beim Skifahren und bei vielen anderen Sportarten, und ich bin davon überzeugt, dass gute Performances bei den Skills auch immer wieder ein gutes Image für die Lehrberufe bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen lade ich Sie herzlich ein – Herr Loacker, Sie ganz besonders, wenn Sie möchten, mache ich auch gerne eine persönliche Führung, aber vor allem Sie, meine Damen und Herren –: Nehmen Sie Ihre Kinder an der Hand und zeigen Sie Ihnen von 22. bis 26. September in der Nähe von Graz, wie beim Holzbau ein Dachstuhl entsteht, wie ein Maurer einen Torbogen mauert, wie eine Floristin Kunstwerke kreiert und vieles, vieles mehr, wie eine Schalung entsteht, wie man eine Bewehrung strickt. Es ist wahn­sinnig spannend, zuzuschauen. Unterstützen Sie damit auch unsere österreichischen Teilnehmer! Es sind 54, die sich messen – nach eineinhalb harten Ausbildungsjahren oder Vorbereitungsjahren. Pandemiebedingt gehen sie trotzdem hin, wollen trotzdem perfor­men. Es würde mich freuen, wenn Sie alle unsere österreichischen Nachwuchsfüh­rungskräfte unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


23.08.51

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Kollegin Smodics-Neumann hat gerade die Worldskills gelobt. Ich will jetzt alles andere tun, als die Worldskills klein­zureden. Diese Veranstaltung ist schwer in Ordnung, sie löst aber unser Problem nicht, nämlich jenes, dass wir im Bereich der Lehrlingsausbildung nach wie vor viel zu wenige Lehrlinge und viel zu wenige Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, haben. Die überbetrieb­lichen Lehrlingsausbildungsstätten sind nicht der Weg, den wir Freiheitliche als den sinnvollen erachten. Also sollte man vielleicht den Fokus ein bisschen mehr auf die Lö­sung dieses Problems, das ein wirklich evidentes und schwerwiegendes ist, lenken und weniger auf die Worldskills – wobei, bitte das nicht misszuverstehen, die Worldskills sind in Ordnung, aber es ist eine Frage der Prioritätensetzung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 278

Kollege Angerer hat es schon gesagt: Momentan haben wir einige Probleme mit Versor­gungsengpässen. Ich verstehe nach wie vor nicht, warum die ÖVP diesem Antrag meines Kollegen Angerer beziehungsweise der Freiheitlichen Partei hier nicht zustimmen kann. Ich habe bis jetzt noch keine logisch schlüssige Erklärung dafür gehört.

Wir haben das Lehrlingsausbildungsthema angesprochen.

Die Überschrift des dritten Bereichs des Antrages des Kollegen Angerer lautet: „Unter­nehmen entlasten – Lohnnebenkosten senken“, und dieser behandelt sozusagen die Dauerstory, die Neverending Story Lohnnebenkosten senken. Es ist bekannt, dass wir im internationalen Vergleich extrem hohe Lohnnebenkosten haben, im Vorjahr sogar Italien überholt und mittlerweile die dritthöchsten Abgaben im Rahmen der OECD haben, gleichzeitig aber die Reallöhne sinken. Das ist eine Entwicklung, die einfach sehr, sehr unbefriedigend ist, und da muss man ansetzen und Lohnnebenkosten senken. Das bedeutet natürlich auch entsprechende Einnahmenausfälle für den Staat.

Herr Finanzminister Blümel hat ja heute Vormittag angekündigt, dass die Regierung auch die Steuern – die Einkommensteuer senken, die Körperschaftsteuer – senken will. Ich habe Sorge beziehungsweise mehr als Sorge: Irgendwann geht sich das dann aber nicht mehr aus! In Wahrheit haben wir ja jetzt schon die Krisenbewältigung nur nach dem Motto: Koste es, was es wolle! Geld ist abgeschafft, alles basiert auf Pump, was uns in eine Schuldensituation bringt, die ja in den nächsten Jahren möglicherweise sehr, sehr bedrohlich und unangenehm wird. Also irgendwann geht sich das nicht mehr aus!

Es gibt keinerlei, und das wäre notwendig, strukturelle Reformen, keinerlei ausgaben­seitige Analyse, wo wir sparen können, wo wir Bürokratie effizienter machen können, wo wir Verfahrensdauern verringern können. Und wenn Kollegin Smodics-Neumann sagt: Wir werden jeden Angriff auf die Gewerbeordnung abwehren!, dann zeigt mir das die Geisteshaltung der Wirtschaftskammerfunktionärin. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Wenn Bestrebungen, Bemühungen, die Gewerbeordnung aus dem Jahre 1859 zu mo­dernisieren und auf das Niveau des 21. Jahrhunderts zu bringen, als Angriff auf die Gewerbeordnung gesehen werden, dann haben wir natürlich ein grundsätzliches Prob­lem, beziehungsweise hat die ÖVP da ein Problem.

Selbstverständlich ist es notwendig, die Gewerbeordnung zu liberalisieren und zu mo­dernisieren, selbstverständlich ist es notwendig – und das müssen wir irgendwann einmal machen –, auch den ganzen Bereich der Förderungen im Rahmen einer ABC-Analyse zu durchforsten und da auch die eine oder andere Sache, die nicht unbedingt notwendig ist, vielleicht bei der einen oder anderen NGO die Förderungen, auch wieder zurückzunehmen und zu kürzen, sonst wird sich das unterm Strich nicht ausgehen.

Ich habe allerdings kein gutes Gefühl: Die Strategien, die von der ÖVP kommen, sind: Koste es, was es wolle!, beziehungsweise: Impfen, impfen, impfen!, haben wir gerade gehört, die Strategie, die die Wirtschaft jetzt wieder in Schwung bringt – davon bin ich nicht überzeugt. Und wenn der oberste Chef, Herr Bundeskanzler Kurz, im Zusam­menhang mit der Schuldenaufnahme im Rahmen der Europäischen Union – diese 750 Milliarden Euro, von denen wir 3,7 Milliarden Euro bekommen und dann aber in weiterer Folge 8,7 Milliarden Euro zurückzahlen müssen – meint, und das hat er im Ple­num gesagt, das wäre ein gutes Geschäft, dann habe ich jetzt auch kein ganz so gutes Gefühl, dass wir mit diesem Bundeskanzler unsere Wirtschaft wieder in Schwung brin­gen können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

23.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lercher. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 279

23.13.43

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr ver­ehrte Damen und Herren! In aller Kürze am Ende dieser Debatte: Ich glaube, das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt, der doch viele in diesem Land berührt.

Ich möchte auch noch kurz auf die Kollegin von der ÖVP replizieren: Ich habe den Aus­führungen sehr genau gelauscht, wie aber das Impfen jetzt gegen die Rohstoffspe­ku­lation helfen soll, da bin ich überfragt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei der FPÖ.) Das kann vielleicht die Frau Ministerin erklären, aber das halte ich volks­wirtschaftlich dann doch für einen verwegenen Ansatz.

Grundsätzlich geht es uns darum, dass es die Spekulation mit Rohstoffen, mit der Real­wirtschaft so nicht geben darf, denn diese erschweren das Leben der Bürgerinnen und Bürger, und vor allem geht das zulasten der Häuslbauerinnen und Häuslbauer in diesem Land, sehr verehrte Frau Ministerin, und deswegen müssen wir Spekulation dort, wo sie nicht zum Wohle der Gesellschaft funktioniert, verbieten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: ... Spekulation!) Da brauchen wir ein anderes wirtschaftliches System, das für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern funktioniert, und nicht für einige wenige Speku­lantinnen und Spekulanten.

Wir haben da nämlich schon die Sorge, dass mit so einer Politik, wenn da nichts passiert, nach dem Kaufhaus Österreich dann auch das Lagerhaus gefährdet wird, geschätzte Frau Ministerin. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das wäre wirklich nicht die Intention, der Sie, glaube ich, entsprechen wollen, und da wollen wir Sie sehr wohlwollend darauf hinwei­sen, dass es da ein Problem gibt, das die Menschen in diesem Land belastet.

Deswegen bringe ich einen Entschließungsantrag ein, der Ihnen im Kampf gegen die Spekulation und Preistreiberei an den Weltmärkten helfen soll – ein Entschließungs­an­trag von mir selbst und Karin Greiner, Genossinnen und Genossen. (Zwischenruf des Abg. Gahr.) Die Namen bürgen für Qualität, geschätzte Herren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gahr und Hörl.) – Ah, Herr Hörl, schreien Sie mir da nicht hinein, gehen Sie den Wolf suchen! Hören Sie bei dieser Frage zu, das ist ein guter Antrag! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kampf gegen Spekulation und Preistreiberei an den Weltmärkten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schafstandort, wird aufgefordert, sich auf europäischer sowie internationaler Ebene für den Kampf gegen Spekulation, für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und damit auch für eine Stabilisierung des Preisniveaus - etwa im Bereich Bauen und Wohnen - einzusetzen.“

*****

Tun Sie das, Frau Ministerin, zum Wohle der vielen Häuslbauerinnen und Häuslbauer in diesem Land, zum Wohle der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, diese werden es Ihnen danken! Dieser Antrag gibt Ihnen die Grundlage. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

23.16


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 280

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maximilian Lercher, Karin Greiner,

Genossinnen und Genossen

betreffend Kampf gegen Spekulation und Preistreiberei an den Weltmärkten

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 1628/A(E) der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Österreich zuerst! Vorrang für unsere Betriebe bei Versorgung mit Werk-, Bau- und Rohstoffen Qualifizierungsoffensive für unsere Jugend Entlastungsoffensive für unsere Betriebe (987 d.B.)

Die Corona-Krise spiegelt sich nach wie vor in einer schwierigen Situation für Wirtschaft und Arbeitsmarkt wider. Am Arbeitsmarkt sind noch immer hunderttausende Menschen in Kurzarbeit, die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist auf einem Rekordhoch. In der Wirtschaft versuchen vom Lockdown stark betroffene Branchen gerade wieder Fuß zu fassen.

In anderen Wirtschaftsbereichen wirkt die Corona-Pandemie indirekt. Durch die welt­weiten Störungen in diversen Lieferketten – die auch mit Corona und den damit verbun­denen Lockdowns zusammenhängen – ist es in bestimmten Branchen zu empfindlichen Preissteigerungen gekommen. Besonders stark betroffen ist etwa die Bauwirtschaft. Dämmmaterial ist dort genauso knapp wie Kanalrohre oder Stahlbeton. Die Preise für diverse Baustoffe gingen durch die Decke. Die lokale Wirtschaft leidet derzeit stark darunter.

Die Preissteigerungen spiegeln auf der einen Seite einen Anstieg der Nachfrage wider, da die Baubranche von der Corona-Pandemie (zumindest direkt) kaum betroffen war und in den USA gerade ein Bauboom herrscht. Dass aber Preise von wichtigen Vor­produkten, wie Wertpapiere oder Gold, mittlerweile zum Objekt von Spekulationen wer­den, zeigt ein Blick nach Chicago.

An der Chicago Mercantile Exchange (CME), einer der bedeutendsten Rohstoffbörsen der Welt, haben sich die Preise für Bauholz innerhalb von 12 Monaten vervierfacht.

Diese Entwicklung zeigt einmal mehr, wie wichtig die Umsetzung einer Finanztrans­aktionssteuer wäre, die Spekulation hintanhält und gleichzeitig viel Geld in die öffent­lichen Kassen spülen könnte – etwa für den gemeinnützigen Wohnbau.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schafstandort, wird aufgefordert, sich auf europäischer sowie internationaler Ebene für den Kampf gegen Spekulation, für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und damit auch für eine Stabilisierung des Preisniveaus - etwa im Bereich Bauen und Wohnen - einzusetzen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 281

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Dr. Rössler. – Bitte.


23.16.39

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Ja, zu später Stunde wird es dann ganz schön kompliziert. Ich versuche trotzdem, mich an dem Entschließungsantrag der FPÖ zu orientieren, und bin auch über folgende Begriffe gestolpert: Lieferengpässe, „Preis­erhöhungen bei zahlreichen Rohstoffen“, „China“, also ein Weltmarkt, und Rohstoff­knappheitsproblem, von dem Sie ausgehen.

Das bringt mich zu dem wichtigen Punkt, dass wir natürlich in einem Zusammenhang von Weltmarkt, Weltmarktpreisen und Schwankungen stehen. Es gab vor einigen Jahren einen kompletten Engpass an Kunststoffen, vor allem dort, wo es um Kunststoff­recyclinganteile ging. Das gibt erhebliche Probleme für bestimmte Erzeuger auch in Österreich, wenn es da Vorgaben gibt, gleichzeitig stellt sich in dem Zusammenhang aber auch die Frage: Was heißt denn das, wenn sich Weltmärkte in einem großen Preis­wettbewerb, aber auch im Qualitätswettbewerb betreffend Produktionsbedingungen, Arbeits­bedingungen, Umweltstandards und auch Transportstrecken, die damit verbun­den sind, befinden?

Wir haben bereits zwei Regelwerke, die sich mit diesen übergeordneten Problemen durchaus auseinandersetzen: Das ist einmal die Konfliktmineralienverordnung, die sich den Hintergründen der Produktionsstätten und in dem Fall der Einhaltung der Men­schen­rechte widmet, und in dem Zusammenhang natürlich auch das große Thema, dem wir uns schon annähern, das Lieferkettengesetz, in dem es auch um die Produktver­antwortung, die Lieferkette und die Qualitätsanforderungen geht.

In dem Zusammenhang hat die öffentliche Hand eine tragende Rolle dabei, zu schauen, welche Vorgeschichte Rohstoffe, Teilprodukte haben, wenn sie nach Österreich kom­men, und was an Vorbelastungen in unseren Produkten landet, wenn es darum geht, Arbeitsbedingungen, Umweltstandards und Klimafaktoren zu berücksichtigen. Diesbe­züglich ist der aktuelle Aktionsplan nachhaltige Beschaffung ein Vorzeigeprojekt mehre­rer Ministerien.

Vielen Dank, Frau Bundesministerin, dass Sie mit dabei waren in einem ministerien­über­greifenden Projekt, in dem es darum geht, Nachhaltigkeitskriterien, Umweltkriterien, Re­paraturfähigkeit, aber auch die Zertifizierungen für die Qualität, für die Standards der Erzeugung mit aufzunehmen. Der Aktionsplan nachhaltige Beschaffung widmet sich in erster Linie den neuen Standards – von Büromaterialien über Geräte bis Textilien –, Zertifizierungen, die da erforderlich sind, aber zum Beispiel auch der öffentlichen Hand als großem Hebel, als wichtigem Auftraggeber, wenn es darum geht, Veranstaltungen als Green Events zu zertifizieren und damit Mindeststandards – klimaschonende Stan­dards, Umweltstandards – zu verankern, mit Langlebigkeit, Ersatzteile, Reparatur­fähig­keit als Kriterien.

Es gibt dazu eine sehr, sehr serviceorientierte Website und ein sehr engagiertes Nach­haltigkeitsteam, das nachhaltige Beschaffung der öffentlichen Hand derzeit noch auf Bundesebene, aber hoffentlich bald auch auf Länder-, Städte- und Gemeindeebene herunter verbindlich erklärt, und die BBG, die auch mit einem sehr engagierten Nach­haltigkeitsteam serviciert und berät.

Das ist ein wesentlich konkreterer Ansatz, der Qualität, heimische Produktion, kurze Wege und Nachhaltigkeitskriterien verbindet. Daher ist der Nachhaltigkeitsbeschaf­fungsplan derzeit die beste Antwort für unsere heimischen Betriebe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.20



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 282

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kaufmann. – Bitte.


23.20.40

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, aber vor allem liebe Zuseherinnen und Zuseher! An beide Kollegen von den Freiheitlichen: Ich kann die Verwunderung, dass wir dem Antrag nicht zustimmen, nicht nachvollziehen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wenn ich mir als Lehrlingssprecherin die Forderung anschaue, dann verstehe ich sie nicht, denn sie mag vielleicht vor zehn, 15 Jahren richtig gewesen sein, aber sowohl vor der Pandemie als auch während der Pandemie und auch zum Großteil jetzt nach der Pandemie haben wir die Heraus­forderung, dass wir zu wenige junge Menschen haben, die sich für eine Lehre ent­scheiden. Wir haben aktuell nach wie vor – und wir sind jetzt noch immer mitten in einem Lehrjahr – zu wenige junge Menschen für zu viele offene Lehrstellen. (Zwischenruf des Abg. Lindner.)

Wenn man als Perspektive auf den Herbst schaut, haben noch viele Betriebe offene Lehrstellen. Auch da gilt es, dass wir alle gemeinsam schauen, dass wir viele für diesen Bildungs- und Karriereweg begeistern. Eine Unterstützung wie der Blum-Bonus, wie er in dem Antrag drinnen ist, wäre also zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich der falsche Ansatz. Wir haben dank dem Lehrlingsbonus, den die Wirtschaftsministerin aufgelegt hat, die Krise gut überwunden. Ich glaube, das war der richtige Ansatz. Jetzt liegt es daran, in Österreich gute Berufsorientierung zu machen, viele junge Menschen für diesen Bildungs- und Karriereweg zu begeistern und so die Lehre in Österreich zu stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend möchte ich noch auf den Appell meiner Kollegin Maria Smodics-Neumann eingehen und zu den Euroskills von 22. bis 26. September bei uns in Graz einladen, denn unsere Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, unsere Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl, unser Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk und unser Bürgermeister Siegfried Nagl haben die Euroskills nach Graz geholt, und die Besten der Besten ihres Berufes werden sich messen. Das ist die ideale Gelegenheit, auch viele andere junge Menschen davon zu begeistern, diesen Karriereweg zu gehen. In diesem Sinne: Freuen wir uns auf die Euroskills in Graz in diesem Jahr! (Beifall bei der ÖVP.)

23.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Weratschnig ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


23.23.24

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Abgeord­neter Angerer, zu Ihrem Antrag bester „Vorrang für unsere Betriebe“: Der beste Vorrang für unsere Betriebe ist, Rahmenbedingungen zu schaffen und Chancen zu bieten – Chancen vor allem in der öffentlichen Beschaffung zu bieten (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP), Chancen in nachvollziehbaren, transparenten, öffentlichen Aus­schreibungen in den Gemeinden, in den Bundesländern, im Bereich des Bundes zu bie­ten oder auch im Unterschwellenbereich faire Vergleichsangebote einzuholen. (Zwi­schen­ruf des Abg. Hörl.)

Wir haben die Vorrangtafeln für den besten Vorrang für unsere Betriebe aufgestellt: Um­weltförderung, Klimaaktivförderung, Kommunalinvestitionsgesetz, Ortskernbelebung, Raus aus dem Öl, das Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz, das haben wir gestern beschlossen, die Sanierungsoffensive – das alles sind Hebel, das alles sind Projekte,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 283

mit denen der Bund genau in den Gemeinden und in den Bundesländern bis hin zu den kleinen Gewerbebetrieben und mittleren Betrieben unterstützt und Chancen bietet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit schaffen wir Tausende Ökojobs, und ich kann selbst nur ein Beispiel aus meiner Heimatgemeinde Schwaz bringen: Wir gehen jetzt an, dass wir – ich glaube, das passiert in vielen Gemeinden – den Bauhof revitalisieren und sanieren, eine Überdachung, eine PV-Anlage und E-Ladestationen installieren, die Heizungsanlage erneuern, Wasserwär­me­nutzung forcieren – das alles sind regionale Beispiele. Regionalwirtschaft ist Kreis­laufwirtschaft, das wollen wir unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Fall soll es eine ökologische, nachhaltige, sozial gerechte Vergabe geben, das ist der Schlüssel. Diesen Schlüssel haben wir eingeschoben, mit diesem Schlüssel sper­ren wir die Türen auf. Was den Vorrang betrifft: Dafür braucht es keinen EU-rechts­widri­gen blauen Antrag. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

23.25.48 Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 28 bis 31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: die dem Ausschuss­be­richt 984 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Prüfung von Maß­nahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsennotierten Unternehmen“.

Wer dafür eintritt, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (197/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 29: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert wird, samt Titel und Eingang in 985 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer das auch in dritter Lesung annimmt, den darf ich um ein Zeichen bitten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten: einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 30: Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 geändert wird, samt Titel und Eingang in 986 der Beilagen.

Wer dafür ist, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist einstimmig angenommen.

Auch in dritter Lesung das gleiche Stimmverhalten, daher ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 31: Antrag des Aus­schusses für Wirtschaft, Industrie und Energie, seinen Bericht 987 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer diesen Bericht zur Kenntnis nimmt, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Mehrheit, angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 284

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanzielle Soforthilfe für von abgesagten Veranstaltungen massiv betroffene Marktfahrer, Schausteller und Wirte“.

Wer dafür ist, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Minder­heit, abgelehnt. (Abg. Obernosterer: Eins, zwei ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lercher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kampf gegen Spekulation und Preistrei­berei an den Weltmärkten“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

23.27.54 32. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder meh­rere Bundesländer erstrecken, geändert wird (1729/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 32. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


23.28.16

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und liebe Zuseher! Ja, ich weiß, es ist spät, aber ich weiß auch ganz genau, dass das Thema, das wir jetzt besprechen, wirklich viele, viele Menschen berührt.

Worum geht es? – Wir haben ja gestern das EAG, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, diskutiert und beschlossen, und ja, da war vieles gut, und deswegen haben wir NEOS das auch mitgetragen. Ein Punkt aber – ich habe es auch gestern schon gesagt – ist leider vergessen oder nicht mitverhandelt worden, und das ist eben diese Erdver­kabe­lung von 110-kV-Leitungen, die halt wieder einmal am Widerstand der ÖVP gescheitert ist. Da muss man leider sagen: Die Grünen konnten sich nicht durchsetzen, und die SPÖ, die ja wirklich maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt war, hat es halt auf der Prioritätenliste auch nicht ganz oben gehabt. Das ist sehr schade.

Warum ist es schade? Es ist kein Nebenthema, es ist kein Nebenschauplatz, wie oft diskutiert wird, denn die Energiewende wird einfach nur dann funktionieren, wenn es auch die entsprechende Leitungsinfrastruktur gibt. Die wird man brauchen, um eben die Energiewende zu schaffen, und die kann man nur dann schaffen, wenn man die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt und vor allem dieses Thema Erdverkabelung statt Freileitung sehr ernst nimmt.

Was müssen wir tun? – Es braucht einen bundesweit einheitlichen Rahmen. Es braucht einheitliche Rahmenbedingungen, damit man eben Planungssicherheit hat und auch Rechtssicherheit garantieren kann, denn sonst werden wir es einfach nicht schaffen. Ich habe es schon gesagt, sonst werden wir bis 2030 die Energiewende mit den notwendigen erneuerbaren Anlagen einfach nicht schaffen.

Ich will es auch noch einmal klarstellen, weil das ja dann immer wieder kommt: 110-kV-Leitungen unter die Erde zu legen, das ist wirklich keine experimentelle Technologie. Das war es vielleicht einmal, vor 30, 40 Jahren, aber das ist es schon lange nicht mehr.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 285

Es ist internationaler Standard, der außerhalb Österreichs wirklich überall gemacht wird. In Österreich zögert man eben, weil die ÖVP nicht mitgeht und weil vor allem die Energieversorger dagegen sind.

Was sind denn dann die Themen, die so kommen? Was ist denn das Thema, das von der ÖVP kommt? – Da wird mit den Kosten argumentiert. Da sagt man: Na ja, das ist ja viel, viel teurer, und das würde dann auf den Kunden abgewälzt. – Das aber, meine Damen und Herren, ist Unsinn, es ist wirklich Unsinn! Es gibt automatisierte Pflüge, die diese Erdkabel unter die Erde eben reinpflügen, das geht vollautomatisiert, und das ist im Kern nicht teurer als eine Freileitung.

Bei diesen Kosten sind noch gar nicht die externen Faktoren miteingerechnet, also dass ein Grundstück an Wert verliert, wenn da so eine Freileitung steht, das ist überhaupt noch nicht drinnen in dieser Rechnung. Was auch nicht drinnen ist, ist die Scha­densanfälligkeit bei Naturkatastrophen. Es ist gerade erst ein paar Wochen her, dass wir diesen furchtbaren Sturm, diesen Tornado in Tschechien, an der österreichischen Grenze hatten, durch den unter anderem ganz viele Freileitungen zerstört worden sind – ich glaube, Sie haben auch noch alle die Bilder im Kopf.

Das zweite Argument – wenn man mit den Kosten dann nicht weiterkommt – lautet dann: Na ja, das geht in Österreich nicht, weil das ja ein gelöschtes Netz ist, und die Kabel­reserve, das ist nur begrenzt valide. Dazu gibt es natürlich inzwischen auch sehr, sehr viele Gutachten, internationale Gutachten von Expertinnen und Experten, dass diese Faktoren mit den richtigen Transformatoreninfrastrukturen sehr kostengünstig zu lösen sein würden. Also auch das ist nicht mehr das große Problem.

Was dann natürlich gestern ärgerlich war – und jetzt komme ich wieder aufs EAG zurück –, ist, dass 380-kV-Leitungen durchaus im EAG berücksichtigt worden sind. Jetzt muss man wissen: Die 380-kV-Leitung ist technologisch viel anspruchsvoller, die steht aber drinnen. Die 110-kV-Leitung, die wirklich internationalem Standard entspricht, hat es nicht ins EAG geschafft. Da fragt man sich natürlich, warum.

Ja, und dann muss man wissen, dass der Bedarf an 380-kV-Leitungen in Österreich die nächsten paar Jahre und Jahrzehnte nicht sehr hoch sein wird, wahrscheinlich braucht man keine einzige. 110-kV-Leitungen wird es im Gegensatz dazu sehr, sehr viele brauchen. Da muss man natürlich sagen, dass man in diesem Zusammenhang sehr klar gesehen hat, wo die Macht sitzt. Die Macht sitzt in den Ländern, die sitzt bei den Landes­haupt­leuten, die sitzt bei den schwarzen Landesfürsten und ihren Energieversorgern, und da hat sich halt die Bundesregierung wieder einmal nicht durchgesetzt – und das ist falsch, meine Damen und Herren.

Deswegen möchte ich im Interesse der Bevölkerung statt diesem föderalen Fleckerltep­pich, den wir eben haben und den wir offenbar nicht anders in den Griff kriegen, einen bundes­recht­lichen einheitlichen Rahmen für eine moderne Energieinfrastruktur schaf­fen; und das ist mein Antrag dazu. Ich möchte jetzt sagen, es freut mich nicht, dass ich ihn nochmals einbringen muss, denn – noch einmal – ich denke, wir hatten gestern eine große Chance, das zu lösen, aber so sei es, so ist es. Ich nehme mit diesem Antrag hier den nächsten Anlauf und freue mich auf die Debatte im Herbst. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

23.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Höfinger. – Bitte.


23.33.30

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine erste Lesung, das heißt, es wird über dieses Thema, über diesen Antrag jetzt auch nicht abgestimmt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 286

Daher nur ganz kurz zum Inhalt: Natürlich, immer wieder gibt es berechtigte Wünsche oder Visionen, auch wenn es in diesem Fall darum geht, 110-kV-Leitungen zu verkabeln. Anknüpfend an das EAG, das wir beschlossen haben, muss man wissen, dass sich die Netzbetreiber, wenn es um die Umsetzung des EAG geht, komplett neu aufstellen müssen. Es geht ja darum, auch Tausende neue Einspeisepunkte zu schaffen. Da geht es um neue Umspannwerke, da geht es um Rückkoppelungen, da geht es um ein komplett neues Leitungssystem, weil die bisherigen in dieser Form überhaupt nicht auf diesen Rücktransport aufgebaut sind.

Ein zusätzliches Thema sind natürlich die 110-kV-Leitungen, aber genauso gut wie es Argu­mente dafür gibt, sprechen momentan auch viele dagegen. Sie haben nur einen Teil der Kostenwahrheit genannt. Da geht es nicht um Länder, da geht es nicht um den Bund, sondern da geht es in Wirklichkeit um die Frage, wer denn das an die Netz­betreiber be­zahlt – immer wieder der Konsument. Das müssen Sie auch dazusagen, wenn Sie das hier ehrlich von diesem Pult aus diskutieren wollen. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Das Zweite ist – und das haben Sie auch nicht erwähnt –: Es gibt enorme technische Schwierigkeiten, wenn teils Außenleitungen oder verkabelte Leitungen zusammen­kom­men. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Da gibt es verschiedene tech­nische Hürden, die gemeistert werden müssen – mit Fehlerströmen und so weiter. Wie gesagt, es ist ein großes Paket, das zu diskutieren ist. Das ist jetzt der Startschuss, wir gehen damit in den Ausschuss und werden es im Ausschuss und in weiterer Folge auch wieder hier im Plenum diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

23.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte.


23.35.25

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Inhalt des vorlie­genden Antrages der NEOS begleitet uns, begleitet mich ja schon sehr, sehr lange. Ich kann mich gut daran erinnern, hier im Herbst 2019 die erste Rede über dieses Thema gehalten zu haben, und ich habe das Gefühl, dass uns das wahrscheinlich noch länger begleiten wird.

Geschätzte Frau Kollegin Doppelbauer, ja, wir hätten es beim EAG verhandelt, aber wie ihr wahrscheinlich alle wisst, haben nicht wir von der Sozialdemokratie die Regierungs­vorlage geschrieben. Man hat es aber versucht, und ich sage, wie man so schön sagt: Verhandlungen sind kein Wunschkonzert.

Der Antrag liegt klar auf dem Tisch, und auch ich freue mich, dass wir im Herbst darüber noch diskutieren werden. Ich bin auch hundertprozentig der Meinung, dass die Bevölke­rung auch abgeholt werden muss, sie interessiert sich auch für diese Themen. Man muss dann natürlich auch abwägen, wie es wirtschaftlich ausschaut, wie es dann mit der Ökologie, mit der Landschaftspflege und mit den Leitungsanlagen ausschaut.

Ich freue mich auf die Diskussion im Herbst. Wir haben dazu ja auch schon einen Antrag eingebracht, und wir stehen diesem Antrag sehr positiv gegenüber. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


23.36.49

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Auch in aller Kürze zu dem Antrag: Das Begehr ist sozusagen, Stromleitungen mit 110 kV nicht über Land zu führen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 287

sondern als Erdkabel zu vergraben. Im Antrag steht eben dieser Gesetzestext, dass solche Erdkabel jedenfalls auszuführen sind, wenn sie nicht mehr als das Zweiein­halbfache kosten.

Da habe ich persönlich ein bissel ein Problem, einerseits mit dem Apodiktischen in der Formulierung, denn man sollte den Energieversorgern oder in diesem Fall den Netz­gesellschaften doch das Wahlrecht in diesem Punkt lassen, andererseits mit den zwei­einhalbfachen Kosten. Insbesondere bei der Kostensituation der Energie – wir wissen, das ist ungefähr ein Drittel, ein Drittel, ein Drittel, eben die reinen Energiekosten, Steuern und Abgaben und die Netzgebühren, die ja auf Grundlage eines Bescheids der E-Control erstellt werden – muss man schon aufpassen, dass die Kosten nicht explodieren.

Gestern haben wir ja ein Gesetz beschlossen, das jedenfalls die Kosten im Bereich Steu­ern und Abgaben deutlich erhöhen wird. Wir sehen am Markt leider auch eine Ent­wicklung der Erhöhung der reinen Energiekosten, und wenn man jetzt die Netzkosten auch noch in die Höhe schraubt, dann ist es irgendwann einmal zu viel und für den Standort ein Problem.

Grundsätzlich sind wir da aber offen für jede Diskussion und gespannt auf die weiteren Verhandlungen. (Beifall bei der FPÖ.)

23.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Rössler. – Bitte.


23.38.32

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): In aller Kürze: Wir unterstützen den Antrag. Das Thema Verkabelung wird uns sicher noch länger begleiten. Ich glaube, das ist auch vonseiten der anderen Parteien klar geworden. Es gibt auf den unterschiedlichsten Spannungsebenen auch unterschiedliche technische Fragen zu lösen. Die Bundes­länder haben bisher sehr unterschiedliche Regelungen, in manchen Bundesländern ist es vorgesehen. Ganz generell wäre das möglich, die Bundesländer könnten davon Gebrauch machen.

Ich glaube aber, wir sollten die Zeit bis zum Herbst nutzen und auch mit entsprechenden Netzbetreibern und Energieerzeugern, Energieversorgern das Gespräch suchen. Dies dienst vielleicht als Vorbereitung für den Ausschuss, denn ich orte die Widerstände in der konkreten Situation durchaus bei den Netzbetreibern und nicht nur oder nicht zu sehr bei den unterschiedlichen Fraktionen dieses Hauses – daher die Einladung und der Wunsch, dass wir uns in Vorbereitung dieses Termins im Herbst noch einmal konkret zusammensetzen. (Beifall bei den Grünen.)

23.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich weise den Antrag 1729/A dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zu.

23.39.4933. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Zentralen Staats­an­walt­schaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (GZ 43 St 2/21g) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Michaela Steinacker (1028 d.B.)

23.39.51



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 288

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 33. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsaus­schus­ses in 1028 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption, GZ 43 St 2/21g, um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Michaela Steinacker wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG angesichts des Umstandes, dass nach dem Inhalt des Auslieferungsbegehrens Tatbestandsmerkmale des § 306 StGB sowohl die Tätigkeit als Nationalratsabgeordnete (Amtsträgerin) als auch der zu § 153 StGB geschilderte Sachverhalt (Vorteil) sind, festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der inkrimi­nier­ten Handlung und der politischen Tätigkeit der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Michaela Steinacker besteht; einer behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Michaela Steinacker wird zugestimmt.“

Wer für diesen Antrag ist, den darf ich um ein dementsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen.

23.41.11 Schlussansprache des Präsidenten


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da die Tagesordnung erschöpft ist, haben Sie natürlich alle große Erwartungen im Hinblick auf die abschließende Rede des Präsi­denten. (Allgemeine Heiterkeit.)

Nach einem sehr intensiven Plenarjahr, nach zwei intensiven Tagen gestatten Sie mir nur drei Worte des Dankes.

Erstens gilt der Dank unseren Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, die uns dieses ganze Jahr in ungeheurer Art und Weise begleitet haben. (Allgemeiner Beifall.)

Ich kenne doch einige Parlamente in Europa und weiß, dass wir, auch was die Anzahl unserer Mitarbeiter betrifft, wirklich sehr sorgsam und sparsam umgehen, und sie leisten wirklich einen ganz tollen Einsatz. Für sie gibt es zwar jetzt einen verdienten Urlaub, aber bereits Anfang September findet hier in Wien die größte europäische beziehungs­weise weltweite Konferenz der Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten statt, zuerst die Parlamentspräsidentinnenkonferenz am Montag, den 6. September, und dann zwei Tage lang die ParlamentspräsidentInnenkonferenz. Diese Konferenz bindet unsere Kräfte in ganz besonderem Maße, daher wirklich ein herzliches Dankeschön.

Ein herzlicher Dank gilt den parlamentarischen Mitarbeitern von allen Abgeordneten und den Klubmitarbeitern. (Allgemeiner Beifall.) Auch sie haben in diesem Rekordjahr Unge­heures in der Aufbereitung der Unterlagen geleistet. Man sieht es an den Redebeiträgen, die exzellent gewesen sind. Es wurde viel von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abverlangt.

Mein letzter Dank geht an Sie und Ihre Familien: Danke dafür, dass Sie sich in sehr, sehr heiklen Zeiten, in schwierigen Zeiten eingebracht haben und dass wir als Gesamtheit aller 183 Abgeordneten gezeigt haben, dass das Parlament auch in Krisen funktioniert, dass das Parlament seine Aufgaben umfänglich wahrnehmen kann und zu jeder Zeit auch wirklich einsatzbereit gewesen ist – ein herzliches Dankeschön an Sie alle. (Allge­meiner Beifall.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll117. Sitzung, 8. Juli 2021 / Seite 289

Zum Schluss wünsche ich Ihnen gute Erholung in den kommenden Wochen und dass wir dann frisch aufgetankt in den Herbst starten.

23.44.03 Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf noch bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1815/A(E) bis 1843/A eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.44 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.44.26Schluss der Sitzung: 23.44 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien