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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

36. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 17. Juni 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

36. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                      Mittwoch, 17. Juni 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 17. Juni 2020: 9.07 – 23.06 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 589/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­desgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selb­ständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 591/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kultur ist systemrelevant – Rettungsschirm auf­spannen und Zukunftsperspektiven schaffen

4. Punkt: Bericht über den Antrag 541/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristiges Investitionsprogramm von einer Mil­liarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft

5. Punkt: Bericht über den Antrag 607/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Stellungnahme der Landes­haupt­leute zum Kunst- und Kulturland Österreich

6. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Zugang zur gewerblichen Berufs­ausübung – Reihe BUND 2019/37

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Aufsicht über gemeinnützige Bau­vereinigungen – Reihe BUND 2019/31

8. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Digitalisierungsstrategie des Bun­des – Reihe BUND 2020/11

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Struktur österreichischer Vertretun­gen innerhalb der EU; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/18

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Planung von baulicher Sicherheits­infrastruktur im öffentlichen Raum in Wien – Reihe BUND 2019/5

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend KELAG Wärme GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/15


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 2

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Frontrunner-Förderaktion; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/17

13. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Leseförderung an Schulen – Reihe BUND 2020/3

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Universitätsräte; Follow-up-Über­prüfung – Reihe BUND 2019/22

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Nebenbeschäftigungen der Univer­sitätsprofessorinnen und ‑professoren – Reihe BUND 2019/20

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Studienwahl – Beratung und Infor­mation – Reihe BUND 2020/4

17. Punkt: Bericht über den Antrag 583/A(E) der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geschlechts­spezifische Auswirkungen der Corona-Krise“

18. Punkt: Bericht über den Antrag 603/A(E) der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktionsplan Frauengesundheit

19. Punkt: Bericht über den Antrag 582/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Eli­sabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwer­punktsetzung: Gewalt an Frauen und Mädchen

20. Punkt: Bericht über den Antrag 96/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt

21. Punkt: Bericht über den Antrag 376/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend regelmäßige Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich

22. Punkt: Bericht über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Dis­kriminierung von LGBTIQ-Personen setzen

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Inhalt

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................. 35

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, MMag. DDr. Hubert Fuchs und Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Bericht­er­stattung über den Antrag 421/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Herbert Kickl, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 18. Juni 2020 zu setzen ......................................................................................................................................... 80

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ............................................................................................................................... 80


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 3

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 199

Andreas Ottenschläger .............................................................................................. 201

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 202

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 203

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 204

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 205

Ablehnung des Fristsetzungsantrages ........................................................................ 207

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 80

Stellungnahme der Präsidentin Doris Bures zu dem Ausdruck „Dollfuß-Gen“ ........... 222

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried betreffend Debatten­beiträge von BundesministerInnen ................................................................................................... 263

Aktuelle Stunde (9.)

Thema: „Mitten im Wirtschaftshilfen-Chaos versagt der Finanzminister auch bei der AUA: Kosten für die SteuerzahlerInnen, Gewinne für die Aktionäre“ ........................................... 36

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 36

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 39

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ..... 41

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ..... 42

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ..... 43

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ..... 45

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 46

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ..... 48

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................ ..... 50

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ..... 51

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ................................................................................. ..... 52

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 53

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (10.)

Thema: „Österreichisches Steuergeld für sichere Grenzen und Arbeitsplätze anstatt des EU-Finanzierungswahnsinns“ .......................................................................................... 55

RednerInnen:

Herbert Kickl ............................................................................................................ ..... 55

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 58

Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. ..... 59

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ..... 61

Petra Steger .................................................................................................................. 62

MEP Dr. Monika Vana .................................................................................................. 64

MEP Claudia Gamon, MSc (WU) ................................................................................. 65

Karlheinz Kopf ......................................................................................................... ..... 66

Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... ..... 68

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ..... 69

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ........................................................................................... ..... 71

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 72

MEP Barbara Thaler ................................................................................................ ..... 74

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ..... 75

Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... ..... 76


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 35

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 78

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes“ (COVID-19-Maßnahme) (633/A)(E)           ............................................................................................................................. 139

Begründung: Dr. Dagmar Belakowitsch .................................................................... 142

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .............................................. 148

Debatte:

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 150

August Wöginger .................................................................................................... ... 153

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 156

Mag. Markus Koza .................................................................................................. ... 158

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 160

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 166

Laurenz Pöttinger ................................................................................................... ... 170

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 172

Mag. Dr. Petra Oberrauner ..................................................................................... ... 172

Ralph Schallmeiner ................................................................................................ ... 175

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 177

Mag. Hannes Amesbauer, BA ............................................................................... ... 178

Bettina Zopf ............................................................................................................. ... 182

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 183

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 184

Michael Bernhard ....................................................................................................... 186

Michael Schnedlitz .................................................................................................. ... 187

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 191

Fiona Fiedler, BEd .................................................................................................. ... 196

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 197

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Österreich-Gutschein“ – Ablehnung ..................................................................  152, 198

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zeitliche Staffelung des Arbeitslosengeldes“ – Ableh­nung ...........................  162, 198

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosig­keit in Österreich“ – Ablehnung  168, 198

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000 Euro Steuersenkung ab 1.7.2020“ – Ablehnung ...................  174, 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wie­dereinführung des Blum-Bonus“ – Ablehnung ..............................................................................................................................  180, 199


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beseiti­gung der Entlohnungs-Ungerechtigkeiten von Soldaten im COVID-Einsatz“ – Ab­lehnung ..................................................  189, 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht das größte lnvestitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik“ – Ablehnung ............................................................................ 193, 199

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 633/A(E) ............................. 198

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III-90/205 d.B.) ..................................................... 81

RednerInnen:

Martina Diesner-Wais ................................................................................................... 81

Rudolf Silvan ................................................................................................................ 82

Mag. Christian Ragger ................................................................................................. 85

Mag. Ulrike Fischer ................................................................................................. ..... 86

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ ..... 87

Volksanwalt Werner Amon, MBA .......................................................................... ..... 88

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz ....................................................................... ..... 89

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz ..................................................................... ..... 91

Mag. Peter Weidinger ............................................................................................. ..... 93

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 94

Rosa Ecker, MBA .......................................................................................................... 95

Bedrana Ribo, MA ................................................................................................... ..... 96

Dr. Gudrun Kugler ........................................................................................................ 97

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 99

Dr. Johannes Margreiter (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 100

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 101

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................ ... 101

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 102

Christian Lausch ........................................................................................................ 103

Sabine Schatz .......................................................................................................... ... 104

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Modernisierung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft“ – Ablehnung .........  84, 106

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kol­le­gen betreffend „Pflegegeld-Einstufung von Demenzerkrankten“ – Ablehnung ..........................  105, 107

Kenntnisnahme des Berichtes III-90 d.B. .................................................................... 106

2. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 589/A der Abgeord­neten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler er­lassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungs­gesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz) (218 d.B.) ....................................................................... 107

RednerInnen:

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 107

Mag. Thomas Drozda .............................................................................................. ... 110

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 113


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 6

Maria Großbauer ..................................................................................................... ... 114

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 116

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ................................................................... ... 118

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 119

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................ ... 120

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kultur Satellitenkonto“ – Ablehnung ..................................................................  117, 133

Annahme des Gesetzentwurfes in 218 d.B. ................................................................ 132

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 591/A(E) der Abgeord­neten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kultur ist systemrelevant – Rettungsschirm aufspannen und Zukunftsperspektiven schaffen (219 d.B.) ............................................................ 122

4. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 541/A(E) der Abgeord­neten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristiges Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft (220 d.B.) ............................................................ 122

RednerInnen:

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 122

Mag. Sibylle Hamann .............................................................................................. ... 123

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 124

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ... 125

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ... 126

Hans Stefan Hintner ............................................................................................... ... 126

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 219 und 220 d.B. ............................. 133

5. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 607/A(E) der Abge­ordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Stellungnahme der Landeshauptleute zum Kunst- und Kulturland Österreich (221 d.B.) ................................................................ 128

RednerInnen:

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 128

Hermann Weratschnig, MBA MSc ......................................................................... ... 129

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 130

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 131

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 221 d.B. ..................................................... 133

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Zugang zur gewerblichen Berufsausübung – Reihe BUND 2019/37 (III-52/195 d.B.)                   133

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen – Reihe BUND 2019/31 (III­46/196 d.B.)             ............................................................................................................................. 134

RednerInnen:

Johann Singer ......................................................................................................... ... 134

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 135


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 7

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 136

Dr. Elisabeth Götze ................................................................................................. ... 139

Mag. Felix Eypeltauer ............................................................................................. ... 207

Karl Schmidhofer .................................................................................................... ... 210

Michael Seemayer ................................................................................................... ... 211

Alois Kainz ............................................................................................................... ... 211

Mag. Nina Tomaselli ............................................................................................... ... 212

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 213

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung“ – Ableh­nung ....................  137, 249

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unabhängige Kontrolle von Gemeinnützigen Bauver­eini­gungen“ – Ablehnung  209, 250

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-52 und III-46 d.B. .......................................... 249

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Digitalisierungsstrategie des Bundes – Reihe BUND 2020/11 (III-100/197 d.B.) ......... 215

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Struktur österreichischer Vertretungen innerhalb der EU; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/18 (III-4/198 d.B.) .............................................................................................................. 215

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Planung von baulicher Sicherheitsinfrastruktur im öffent­lichen Raum in Wien – Reihe BUND 2019/5 (III-21/199 d.B.) .................................................................................................................. 215

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend KELAG Wärme GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/15 (III­30/200  d.B.)             ............................................................................................................................. 215

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Frontrunner-Förderaktion; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/17 (III­32/201 d.B.)         ............................................................................................................................. 215

RednerInnen:

Laurenz Pöttinger ................................................................................................... ... 216

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 217

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 218

Süleyman Zorba ...................................................................................................... ... 219

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 220

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 221

Michel Reimon, MBA .............................................................................................. ... 222

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 223

Kenntnisnahme der fünf Berichte III-100, III-4, III-21, III-30 und III-32 d.B. ................ 250

13. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Leseförderung an Schulen – Reihe BUND 2020/3 (III-91/214 d.B.) ........................... 224


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 8

RednerInnen:

Andreas Kühberger ................................................................................................ ... 224

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 225

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ... 226

Mag. Sibylle Hamann .............................................................................................. ... 229

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ... 230

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 231

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 232

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 233

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 235

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sommerschule für alle Schülerinnen und Schüler ermög­lichen“ – Ablehnung  228, 250

Kenntnisnahme des Berichtes III-91 d.B. .................................................................... 250

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Universitätsräte; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/22 (III-37/215 d.B.)                        236

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Nebenbeschäftigungen der Universitätsprofessorinnen und ‑professoren – Reihe BUND 2019/20 (III-35/216 d.B.) .................................................................................................................. 237

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Studienwahl – Beratung und Information – Reihe BUND 2020/4 (III-92/217 d.B.)                          237

RednerInnen:

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 237

Mag. Karin Greiner .................................................................................................. ... 239

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 240

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................ ... 241

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 241

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 243

Mag. Christian Drobits ........................................................................................... ... 244

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 245

Mag. Martina Künsberg Sarre ............................................................................... ... 245

Lukas Brandweiner ................................................................................................. ... 246

Hans Stefan Hintner ............................................................................................... ... 247

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 248

Kenntnisnahme der drei Berichte III-37, III-35 und III-92 d.B. ..................................... 251

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 583/A(E) der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Corona-Krise“ (208 d.B.) ....................... 251

18. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 603/A(E) der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktionsplan Frauengesundheit (212 d.B.)         ............................................................................................................................. 251


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 9

RednerInnen:

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 251

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................. ... 254

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 255

Mag. Meri Disoski ................................................................................................... ... 257

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 258

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 260

Philip Kucher .............................................................................................................. 261

Maria Großbauer ..................................................................................................... ... 262

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in Österreich“ – Ablehnung          253, 299

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 208 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Corona-Krise“ (56/E) ............................. 299

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 212 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 603/A(E)         ............................................................................................................................. 299

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 212 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „des Nationalen Aktionsplan zu Frauengesundheit“ (57/E) ..................................... 299

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 582/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Schwerpunktsetzung: Gewalt an Frauen und Mädchen (209 d.B.) ............................ 263

20. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 96/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt (210 d.B.) ............................................................ 263

21. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 376/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend regelmäßige Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich (211 d.B.) ....................................................................................... 264

RednerInnen:

Sabine Schatz .......................................................................................................... ... 264

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................. ... 265

Edith Mühlberghuber .............................................................................................. ... 267

Mag. Meri Disoski ................................................................................................... ... 267

Gabriela Schwarz .................................................................................................... ... 269

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigungen) .................................  269, 278

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................... 270

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 273

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 274

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 275

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 276

Henrike Brandstötter .............................................................................................. ... 277

Mag. Romana Deckenbacher ................................................................................. ... 277

Pia Philippa Strache ............................................................................................... ... 279


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 10

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 209 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Schwerpunktsetzung: Gewalt an Frauen und Mädchen“ (58/E) ................................ 299

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 210 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 96/A(E)           ............................................................................................................................. 299

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 210 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ (59/E)                   299

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 211 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 376/A(E)         ............................................................................................................................. 300

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 211 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „regelmäßige Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich“ (60/E) .......................... 300

22. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein star­kes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213 d.B.) ......................................... 280

RednerInnen:

Yannick Shetty ..................................................................................................  280, 297

Nico Marchetti ............................................................................................................. 284

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 285

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 288

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ........................................................................................... ... 288

Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. ... 292

Mag. Verena Nussbaum ......................................................................................... ... 294

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 297

Entschließungsantrag der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „3. Geschlechtseintrag - xxx sic. VfGH-Erkenntnis endlich umset­zen!“ – Ablehnung ....  282, 300

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „voller Diskriminierungsschutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle – ‚Levelling Up‘“ – Ablehnung ...........................................................................................................  286, 300

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktuelle Situation in den USA nach dem Tod von George Floyd“ – Annahme (61/E) ..................................................................................................  290, 300

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „klares Bekenntnis der Bundesregierung gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA“ – Ablehnung ...................................................................................  295, 300

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 213 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 593/A(E)             ............................................................................................................................. 300

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 213 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Gewalterfahrungen und Diskriminierung“ (62/E) ........................................................ 300


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 11

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 79

Petition betreffend „Schluss mit der Diskriminierung bei der Blutspende!“ (Ord­nungsnummer 18) (überreicht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek)

Petition betreffend „Blutspende öffnen – Leben retten!“ (Ordnungsnummer 19) (überreicht vom Abgeordneten Yannick Shetty)

Bürgerinitiativen ........................................................................................................... 79

Bürgerinitiative betreffend „Die Ermöglichung der alternativen Leistungs­beurtei­lung ohne Noten im Rahmen der Schulautonomie.“ (Ordnungsnummer 25)

Bürgerinitiative betreffend „Sicherung der Gemeindeleistungen“ (Ordnungsnum­mer 26)

Regierungsvorlagen .................................................................................................... 78

204: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

222: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) geändert wird

223: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grund­buchsumstellungsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2020 – GB-Nov 2020)

225: Satzung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklärung der Konferenz

Berichte ......................................................................................................................... 79

Vorlage 24 BA: Bericht gemäß § 67 Abs. 4 BHG 2013 über die Ergebnisse des Beteiligungs- und Finanzcontrolling zum Stichtag 31. März 2020; BM f. Finanzen

Vorlage 25 BA: Bericht über die Entwicklung des Bundeshaushaltes von Jänner bis April 2020; BM f. Finanzen

III-140: Bericht betreffend Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im Innen­ministerium und Justizministerium – Reihe BUND 2020/20; Rechnungshof

III-141: Bericht über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2019; BM f. Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

III-142: Tätigkeitsbericht 2019 der Energie-Control Austria; BM f. Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

III-143: Bericht über die Entschließung des Nationalrates vom 29. Februar 2012, E 232-NR/XXIV. GP betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (PCSC) – Berichtszeitraum 1. Mai 2019 bis 30. April 2020; BM f. Inneres

III-144: Bericht betreffend Materialien zur sozialen Lage der Studierenden 2020; BM f. Bildung, Wissenschaft und Forschung


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III-146: Bericht über die Evaluierung des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), 2019; Bundesregierung

Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG ................................................................ 80

Aufnahme der Verhandlungen über ein Protokoll zur Änderung des Übereinkom­mens zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktylosko­pi­schen und Fahrzeugregisterdaten

Anträge der Abgeordneten

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme) (633/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine rasche Zurverfügungstellung von Budgetmittel zur Förderung der Corona-Begleitforschung (634/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Entlastung Tirols durch eine schnelle Fertigstellung des Brenner Basistunnels (635/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine rasche Umsetzung der ÖBB-Elektrifizierung im ÖBB-Rahmenplan 2020-2025 (636/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sommergutscheine für klimaschonende Reisen (637/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung einer Ein­hausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding (638/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau und Elektrifizie­rung der Mühlkreisbahn (639/A)(E)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Ausbaus der Gastronomie und Hotellerie im ländlichen Raum (640/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Schaffung eines Beteiligungsfonds nach Wiener Vorbild (641/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona (642/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik (643/A)(E)

Mag. Wolfgang Sobotka, Sabine Schatz, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (644/A)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares Be­kenntnis der Bundesregierung gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA (645/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbildungsgarantie für junge Menschen in Zeiten von Corona (646/A)(E)


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Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeld-Einstufung von De­menzerkrankten (647/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Abwicklung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF-Abwicklungsgesetz) geschaffen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (648/A)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau des öffent­lichen Nahverkehrs – Umsetzung „Nahverkehrsmilliarde“ jetzt! (649/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Ausrichtung der österreichischen Landwirtschaft (650/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS (651/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Fachhoch­schul-Fördersätze jetzt! (652/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung eines effektiven Einschreitens gegen Lenkerinnen und Lenker, die sich auf Grund von verbotenem Suchtgiftkonsum in einem fahruntauglichen Zustand befinden (653/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lösung des Ketten­vertrags­problems an den österreichischen Universitäten (§ 109 Universitätsgesetz 2002) (654/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Zusam­menlegung von Kunstuniversitäten (655/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus (656/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz bei der Eignungserklärung von Unterrichtsmitteln (657/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der Überziehungszinsen bei Banken auf fünf Prozent (658/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der steuerlichen Absetzbarkeit bei Wohnraumschaffung und ‑sanierung (659/A)(E)

Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche und studienförderungsrechtliche Sondervorschriften an Univer­sitäten, Pädagogischen Hochschulen, Einrichtungen zur Durchführung von Fach­hoch­schul-Studiengängen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (COVID-19-Hoch­schulgesetz – C-HG) geändert wird (660/A)

Mag. Sibylle Hamann, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Öffnung der Position der Schulleitung an allgemeinen Pflichtschulen für Sonderpäda­goginnen und -pädagogen (661/A)(E)

Mag. Sibylle Hamann, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der erweiterten Zulassung von Menschen mit Behinderungen in BMHS und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 14

Kollegs (BAfEP) für die Ausbildung zu Elementarpädagoginnen und -pädagogen bzw. zur pädagogischen Assistenz (662/A)(E)

Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Verankerung des Modells der Sommerschulen (663/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Milizeinsatzes (664/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplans Menschenrechte (665/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Aufnahme in den PRIKRAF (666/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der anonymi­sierten Pensionskontodaten für die Wissenschaft (667/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Automatisches Pensions­splitting (668/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Impfen in der Apotheke (669/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend stressreduzierte Schlachtung im gewohnten Lebensumfeld der Tiere (670/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehre: Analyse der Nahtstellen und Attraktivierung (671/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ökologisierung des Steuer­systems (672/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unverzügliche Bearbeitung der Anträge aus dem Familienhärtefonds (673/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Restitution von afrikani­schen Kulturgütern (674/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsmarktreform – Einführung eines Weiterbildungskontos (675/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlust der österreichi­schen und Unions(staats)bürgerschaft (676/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erleichterte Beibehaltung bei Annahme einer zweiten Staatsbürgerschaft (677/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Sicherheit Israels in friedlicher Koexistenz mit seinen Nachbarn (678/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehre: Analyse der Naht­stellen und Attraktivierung (679/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung der 15a-Vereinbarung zur Emissionsreduktion im Gebäudebereich (680/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Covid-bedingte Anpassung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld für Unternehmer_innen (681/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 15

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umgehende Abschaffung oder ökologische Umgestaltung umweltschädlicher Subventionen (682/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Implementierung einer ein­heitlichen Definition der Sanierungsrate (683/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsmarktreform – Re­form aktive Arbeitsmarktpolitik (684/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsmarktreform, zeitliche Staffelung des Arbeitslosengeldes (685/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufbau eines Stabes Cyberdefense (686/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sommergutscheine für klimaschonende Reisen (687/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung des Störfalls im AKW Temelín und für einen weltweiten Atomausstieg (688/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Einführung einer Reparatur-Prämie von 300 Euro pro Jahr (689/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend STOPP Sexismus! (690/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Bereitstellung finanzieller Mittel für Ferienbetreuung zur Entlastung von Familien (691/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Bereitstellung finanzieller Mittel für Ferienbetreuung zur Entlastung von Familien (692/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend voller Diskriminierungs­schutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle – „Levelling Up“ (693/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steuerbefreiung bei der Schadholzverwertung (694/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Notenzwang – Ja zur Wahlfreiheit (695/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bildungsmil­liarde: die Zukunft unserer Kinder ist systemrelevant“ (696/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ethikunterricht für alle (697/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend gratis Grippe Impfung: besser Vorsorge als Nachsorge (698/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem dis­kriminierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen (699/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbindung der Länder und Gemeinden bei der Entscheidung über humanitäres Bleiberecht (700/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Regierung und Rotes Kreuz: Mas­ken­beschaffungsprobleme (2178/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 16

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Regierung und Rotes Kreuz: Maskenbeschaffungsprobleme (2179/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend seinen Besuch in der Gemeinde Mittelberg im Kleinwalsertal (2180/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Flugblatt zu Covid-19 Regeln (2181/J)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend externe Unterstützungsleistungen im BMLV (2182/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend CO2-Emissionen sind stark gesunken (2183/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Benachteiligung der Studenten der Zahn­medi­zinischen Universität Wien während der Coronavirus Krise (2184/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Österreichs Klima­budget soll deutlich steigen (2185/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Verpackungsindustrie wirbt für mehr Plastik (2186/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fernbleiben vom Unterricht mit oder ohne Attest (2187/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Malaysia wird neue Mülldeponie Europas (2188/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Überschreitung der Sperrstunde durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen (2189/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kein Aktenvermerk des Treffens von Hochegger-Anwalt und WKStA-Chefin (2190/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kenntnis des „Ibiza-Videos“ (2191/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Bestandteile des „Ibiza-Akts“ (2192/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherstellung des „Ibiza-Videos“ in voller Länge durch die Sonderkommission Tape im Bundeskriminalamt (2193/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend das Waffen-SS-Denkmal in Stillfüssing (2194/J)

Michael Seemayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Informationen zum Freiwilligendienst, der in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 17

den Jahren 2017-2019 von Österreichern im Ausland geleistet und als Ersatz für den Zivildienst anerkannt wurde (2195/J)

Michael Seemayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Informationen zu ausländischen Personen, die in den Jahren 2017-2019 ihren Freiwilligendienst in Österreich geleistet haben (2196/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­des­verteidigung betreffend Das Murtal kann nicht die alleinige Last der Luftraumüber­wachung tragen (2197/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend „Post: Nachlässigkeit auf vielen Ebenen“ (2198/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Die Post als Paket- und Virenverteilzentrum“ (2199/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend „Post: Nachlässigkeit auf vielen Ebenen“ (2200/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend „Virus/Paketverteilzentren: Wann kam der Hilferuf?“ (2201/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsatz wegen regierungskritischer Plakaten (2202/J)

Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abgeltung geleisteter Überstunden zur Eindämmung der COVID-19-Ausbreitung (2203/J)

Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Maßnahmen der Bundesregierung für Stabilität am Lehrstellenmarkt und Sicherung der Lehrstellen trotz Corona-Krise (2204/J)

Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Maßnahmen der Bundesregierung für Stabilität am Lehrstellenmarkt und Sicherung der Lehrstellen trotz Corona-Krise (2205/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Mehrausgaben COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (2206/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend weiteres Vorgehen bezüglich der Liederbuchaffäre ÖVP naher Vereine (2207/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend zusätzliche Kosten durch vermehrte Pressekonferenzen während der Corona-Krise (2208/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Behandlung von Krebskranken in Folge von COVID-19 (2209/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Jahresbericht des Vereins „Schlich­tung für Verbrauchergeschäfte“ (2210/J)


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Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Grüne sperren Strecken für laute Motorräder (2211/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Für die Schulbuchaktion fehlen schon 50 Mio. Euro (2212/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Für die Schulbuchaktion fehlen schon 50 Mio. Euro (2213/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Rechtswidrigkeit bei Kinderabsetzbetrag gemäß EU-VO 883/2004 – Folgeanfrage (2214/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fragen zu regionalen Unter­schieden bei Hüftgelenksoperationen (2215/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Fotoaktion der Familienministerin (2216/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Stand der Dinge bei Veröf­fentlichung der KH-Qualitätsindikatoren auf Standortebene (A-IQI) (2217/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend klassenpinnwand.at (2218/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Truppenbesuch in Tirol (2219/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend digitaler Kirchenaustritt (2220/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend digitaler Kirchenaustritt (2221/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Laptops für Schüler_innen im Home Schooling (2222/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Saus und Braus des OMV Vorstandes auf Kosten der SteuerzahlerInnen?“ (2223/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend persönliche Übergabe von Mitteln aus dem Familien­härtefallfonds (2224/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Material für die Miliz (2225/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Situation von Forscher_innen an den Hochschulen (2226/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2227/J)


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Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2228/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2229/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2230/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2231/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2232/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2233/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2234/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2235/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2236/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2237/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2238/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vom Bundesminis­terium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2239/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2240/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studien 2019/20 (2241/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Fragen zur Datenweitergabe an das BMLRT und mangel­hafte Digitalisierung im Ministerium (2242/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 20

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Extremismus beim Österreichischen Bundesheer (2243/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Schwarz-blaue Freunderl­wirt­schaft bei der Schönheitsklinik „Privatklinik Währing“ (2244/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Covid-bedingte Anpassung des einkommensabhängigen Kinder­betreuungsgeld für Unternehmer_innen (2245/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Folgeanfrage Strafverfahren in den Causen Ischgl und Sölden im Zusam­menhang mit der Corona Epidemie (2246/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Fallen beim Fixkostenzuschuss (2247/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Expertengremium gegen „Desinformation“ in Europa (2248/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Informationsverbreitung über www.oesterreich.gv.at (2249/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Informationsverbreitung über www.oesterreich.gv.at (2250/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­li­sie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Informationsverbreitung über www.oesterreich.gv.at (2251/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend klimafitter Wald (2252/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ruhebezüge gem. Bezügegesetz (2019/2020) (2253/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Infektionsordination in Vorarl­berg (2254/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Klausurkosten von BM Edtstadler (2255/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Soko Tape“ und Vorgehensweise nach Sicherstellung des „Ibiza-Videos“ (2256/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Mehrausgaben COVID-19-Krisenbe­wältigungsfonds (2257/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Mehrausgaben COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (2258/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 21

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Rechnungshofes betreffend Prüfung COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (2259/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wie kann man sich von den Deutschen so über den Tisch ziehen lassen, Herr Bundes­kanzler? (2260/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Rücklagen der Bundesmuseen (2261/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Unentdeckte Morde – Österreichische Obduktionsstatistik (2262/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Unentdeckte Morde – Österreichische Obduktionsstatistik (2263/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Accenture-Studie (2264/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Quantitative Entwicklung der gespeicherten Datensätze in der Erkennungsdienstlichen Evidenz „EDE“ (2265/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Fragen zum Corona-Großauftrag (2266/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fragen zum Corona-Groß­auftrag (2267/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend österreichisch-ungarische Allianz (2268/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Rückholflüge (2269/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Weitergabe personenbezogener Daten durch die COFAG an privates Marketingunternehmen eines Wirtschaftsbund-Funktionärs“ (2270/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend dem „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ übermittelter Aktenbestand – fehlende SMS- und Messenger-Konversationen vom Bundeskanzler Sebastian Kurz (2271/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend dem „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ übermittelter Aktenbestand – fehlende SMS- und Messenger-Konversationen vom Bundeskanzler Sebastian Kurz (2272/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Bearbeitung der Anträge des Corona-Familienhärteausgleichs (2273/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schluss mit dem diskriminierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Men­schen (2274/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 22

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Langzeitbesuch – Sexualbesuch in den Justizanstalten (2275/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kosten einer angemessenen Gerichtsmedizin (2276/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend hinterfragenswerte Vorgänge innerhalb der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) (2277/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Folgeanfrage Expertenpapier wegen schwer mangelhafter Beantwortung von 1436/J (2278/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Innovationsstiftung Bildung – Bildungs­technologie (2279/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Stolpersteine für Unternehmer_innen im Härtefall-Fonds (2280/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Offenlegung des Kreditvertrags zwischen Austrian Airlines AG und Republik Österreich (2281/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend COVID19 Testungen in Tourismusbetrieben (2282/J)

Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Qualität in der dualen Lehrausbildung, Arbeit des Qualitätsausschusses im Bundes-Berufsausbildungsbeirat (2283/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Menschenrechtsverletzungen in Süd­afrika stoppen (2284/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Hilfspaket für Zusatzpensionen der AUA (2285/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Sommerschulen (2286/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Etappenplan zur Schulöffnung und Inklusion (2287/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Ermittlungen gegen die ÖVP in der Causa PRIKRAF?“ (2288/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Corona-Parties – Wo ÖVP draufsteht, wird weggeschaut? (2289/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Missbrauch von Daten österreichischer KMUs durch die öster­reichische Bundesregierung (2290/J)

*****

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Na­tionalrates betreffend „Der andere Ausschuss“ (5/JPR)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 23

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Ruhebezüge gem. Bezügegesetz (2019/2020) (6/JPR)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend NR-Präsident Sobotkas Personalumbau in der Parlamentsdirektion (7/JPR)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Natio­nalrates betreffend ein Raum im Parlament zur unbefristeten alleinigen Verfügung des Herrn Sobotka (8/JPR)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1344/AB zu 1336/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen (1345/AB zu 1375/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1346/AB zu 1337/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (1347/AB zu 1358/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolle­ginnen und Kollegen (1348/AB zu 1339/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (1349/AB zu 1342/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1350/AB zu 1340/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (1351/AB zu 1642/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1352/AB zu 1341/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kolle­gen (1353/AB zu 1422/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1354/AB zu 1338/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen (1355/AB zu 1374/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen (1356/AB zu 1360/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1357/AB zu 1383/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 24

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1358/AB zu 1390/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1359/AB zu 1393/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen (1360/AB zu 1367/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1361/AB zu 1352/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1362/AB zu 1381/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1363/AB zu 1392/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1364/AB zu 1405/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1365/AB zu 1418/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen (1366/AB zu 1347/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (1367/AB zu 1361/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen (1368/AB zu 1413/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (1369/AB zu 1372/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen (1370/AB zu 1430/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1371/AB zu 1388/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1372/AB zu 1423/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1373/AB zu 1353/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1374/AB zu 1391/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 25

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1375/AB zu 1351/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1376/AB zu 1397/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1377/AB zu 1369/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1378/AB zu 1389/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1379/AB zu 1401/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (1380/AB zu 1359/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1381/AB zu 1377/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1382/AB zu 1398/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1383/AB zu 1425/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1384/AB zu 1420/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kolle­gen (1385/AB zu 1382/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (1386/AB zu 1362/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1387/AB zu 1385/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1388/AB zu 1403/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1389/AB zu 1387/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1390/AB zu 1349/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1391/AB zu 1348/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1392/AB zu 1411/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen (1393/AB zu 1365/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 26

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1394/AB zu 1384/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1395/AB zu 1419/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1396/AB zu 1412/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1397/AB zu 1406/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen (1398/AB zu 1364/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1399/AB zu 1429/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1400/AB zu 1428/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1401/AB zu 1427/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen (1402/AB zu 1409/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (1403/AB zu 1395/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen (1404/AB zu 1373/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1405/AB zu 1386/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (1406/AB zu 1370/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (1407/AB zu 1394/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen (1408/AB zu 1410/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1409/AB zu 1417/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1410/AB zu 1404/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1411/AB zu 1378/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 27

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1412/AB zu 1344/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1413/AB zu 1343/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1414/AB zu 1346/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1415/AB zu 1396/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1416/AB zu 1400/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1417/AB zu 1414/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1418/AB zu 1424/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1419/AB zu 1380/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1420/AB zu 1366/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen (1421/AB zu 1357/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (1422/AB zu 1363/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1423/AB zu 1354/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1424/AB zu 1402/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1425/AB zu 1345/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen (1426/AB zu 1350/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolle­ginnen und Kollegen (1427/AB zu 1355/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolle­ginnen und Kollegen (1428/AB zu 1356/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (1429/AB zu 1371/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 28

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1430/AB zu 1376/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die An­frage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1431/AB zu 1399/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolle­ginnen und Kollegen (1432/AB zu 1407/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1433/AB zu 1415/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1434/AB zu 1421/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen (1435/AB zu 1368/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1436/AB zu 1416/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen (1437/AB zu 1437/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1438/AB zu 1449/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1439/AB zu 1455/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1440/AB zu 1450/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1441/AB zu 1453/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolle­ginnen und Kollegen (1442/AB zu 1436/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1443/AB zu 1431/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolle­ginnen und Kollegen (1444/AB zu 1438/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (1445/AB zu 1440/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 29

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (1446/AB zu 1441/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (1447/AB zu 1443/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolle­ginnen und Kollegen (1448/AB zu 1447/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1449/AB zu 1458/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1450/AB zu 1434/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1451/AB zu 1456/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1452/AB zu 1457/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1453/AB zu 1448/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen (1454/AB zu 1685/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kolle­gen (1455/AB zu 1452/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1456/AB zu 1445/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1457/AB zu 1451/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1458/AB zu 1433/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (1459/AB zu 1439/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1460/AB zu 1459/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1461/AB zu 1454/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1462/AB zu 1444/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen (1463/AB zu 1442/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1464/AB zu 1446/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 30

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1465/AB zu 1460/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1466/AB zu 1464/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1467/AB zu 1463/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1468/AB zu 1435/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1469/AB zu 1432/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (Zu 1469/AB zu 1432/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (1470/AB zu 1461/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (1471/AB zu 1465/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1472/AB zu 1466/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (1473/AB zu 1462/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1474/AB zu 1475/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1475/AB zu 1476/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen (1476/AB zu 1477/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1477/AB zu 1469/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1478/AB zu 1470/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1479/AB zu 1471/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1480/AB zu 1472/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 31

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1481/AB zu 1473/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1482/AB zu 1474/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1483/AB zu 1499/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1484/AB zu 1497/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1485/AB zu 1498/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1486/AB zu 1495/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1487/AB zu 1496/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1488/AB zu 1494/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1489/AB zu 1492/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1490/AB zu 1493/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1491/AB zu 1487/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1492/AB zu 1491/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1493/AB zu 1490/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1494/AB zu 1489/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1495/AB zu 1488/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1496/AB zu 1483/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1497/AB zu 1482/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1498/AB zu 1481/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1499/AB zu 1484/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1500/AB zu 1485/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen (1501/AB zu 1486/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 32

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1502/AB zu 1505/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1503/AB zu 1467/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1504/AB zu 1468/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1505/AB zu 1480/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (1506/AB zu 1478/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1507/AB zu 1479/J)

der Präsidentin des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen (1508/AB zu 1581/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1509/AB zu 1500/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1510/AB zu 1503/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen (1511/AB zu 1508/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1512/AB zu 1506/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen (1513/AB zu 1504/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1514/AB zu 1501/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1515/AB zu 1502/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1516/AB zu 1512/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen (1517/AB zu 1537/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1518/AB zu 1524/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1519/AB zu 1525/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 33

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1520/AB zu 1511/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1521/AB zu 1535/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (1522/AB zu 1517/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1523/AB zu 1533/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (1524/AB zu 1518/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1525/AB zu 1510/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1526/AB zu 1528/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1527/AB zu 1894/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (1528/AB zu 1509/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (1529/AB zu 1520/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1530/AB zu 1531/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1531/AB zu 1534/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1532/AB zu 1532/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1533/AB zu 1523/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (1534/AB zu 1519/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1535/AB zu 1513/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1536/AB zu 1514/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1537/AB zu 1530/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1538/AB zu 1540/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 34

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen (1539/AB zu 1516/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1540/AB zu 1522/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1541/AB zu 1527/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Frauen und Integration auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1542/AB zu 1529/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1543/AB zu 1538/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolle­ginnen und Kollegen (1544/AB zu 1539/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1545/AB zu 1542/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1546/AB zu 1526/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen (1547/AB zu 1536/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (1548/AB zu 1521/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1549/AB zu 1543/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1550/AB zu 1515/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1551/AB zu 1544/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1552/AB zu 1541/J)

 

 

 


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 35

09.07.50Beginn der Sitzung: 9.07 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.07.51*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass ich Sie zur 36. Sitzung des Nationalrates recht herzlich begrüßen darf. Ich begrüße die Medienvertreterinnen und Medienvertreter und vor allem unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten. Die Sitzung ist eröffnet.

Ich darf vielleicht als Erklärung für die ZuseherInnen und auch für die Medien­ver­tre­terIn­nen nochmals darauf hinweisen, dass wir in der Präsidialsitzung vom 9. Juni ver­einbart haben, dass wir im Vorfeld jeder Sitzung quasi entscheiden, wie wir die Sitzordnung nach Maßgabe der Empfehlungen gestalten. Wir haben uns diesmal dafür entschieden, den bisherigen Modus beizubehalten. Ich muss mich daher ganz herzlich vor allem bei jenen Damen und Herren Abgeordneten bedanken, die auf der Galerie sitzen und vielleicht nicht immer und überall die volle Übersicht haben, aber es ist, glaube ich, bei den letzten Malen sehr gut gegangen; es zeichnet sich hoffentlich ein Ende ab. Das Dachfoyer bleibt aber weiterhin für Sie geöffnet und steht Ihnen zur Verfügung, um die Sitzung verfolgen zu können.

Ich weiß, dass Sie als Medienvertreter großes Interesse daran haben, umfänglich be­richten zu können, und es ist auch nicht in unserem Interesse, Sie diesbezüglich in irgendeiner Form einzuschränken, aber die Umstände bringen es mit sich, dass wir – insbesondere was die Fotografen betrifft – noch nicht jenen Zustand haben, den wir uns wünschen.

Ich darf unsere Damen und Herren Abgeordneten darum ersuchen – gerade was die Vorgaben der Gesundheitsbehörde betrifft –, dem Rechnung zu tragen und den Sicher­heitsabstand einzuhalten. Desinfektionsmittel stehen zur Verfügung.

Die Abstimmungen über die Verhandlungsgegenstände finden daher – weil wir eben in dieser Form tagen – jeweils am Ende der Verhandlungen über alle Vorlagen eines Ausschusses statt.

Darüber hinaus kann die Sitzung vor der Abstimmung vom jeweiligen vorsitzführenden Präsidenten kurz unterbrochen werden, um festzustellen, dass die Abgeordneten alle im Saal anwesend sind.

Die Amtlichen Protokolle beziehungsweise die nicht verlesenen Teile der Amtlichen Protokolle der 32. Sitzung von 26. bis 29. Mai 2020, der 33., der 34. und der 35. Sitzung jeweils vom 29. Mai 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Für die heutige Sitzung ist Abgeordnete Cornelia Ecker als verhindert gemeldet.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 36

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. wird durch Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung wie üblich von ORF 2 bis 13 Uhr übertragen wird; von ORF III wird diese Sitzung bis 19.15 Uhr gesendet und anschließend wird sie in der TVthek kommentiert übertragen.

09.11.17Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde – und ich begrüße herzlich Herrn Bundesminister für Finanzen Blümel und Herrn Staatssekretär Brunner auf der Regierungsbank – mit dem Thema:

„Mitten im Wirtschaftshilfen-Chaos versagt der Finanzminister auch bei der AUA: Kosten für die SteuerzahlerInnen, Gewinne für die Aktionäre“

Als Erste zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Rendi-Wagner. Ich darf ihr das Wort erteilen und sie darauf hinweisen, dass ihr 10 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. – Bitte.


9.11.50

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Vor genau 94 Tagen mussten in Österreich alle Geschäfte, alle Kinos, alle Lokale, Restaurants einfach schließen, zusperren. Nach 94 Tagen haben wir eine Bilanz.

Gesundheitspolitisch schaut es – Stand heute – jetzt einmal zufriedenstellend aus, das können wir sagen. Sozial- und wirtschaftspolitisch allerdings schaut die Bilanz ver­heerend aus: Rekordarbeitslosigkeit, vor allem im Bereich der Jugendlichen, eine Ver­doppelung der Jugendarbeitslosigkeit in Österreich, Pleiten, leere Auftragsbücher.

Die wirtschaftlichen Einbrüche haben mittlerweile eine Dimension erreicht, die wahr­scheinlich die meisten von uns hier herinnen nur aus Geschichtsbüchern kennen. Ja, Tausende, Hunderttausende Menschen haben genau dadurch unverschuldet, oft inner­halb weniger Stunden und Tage ihren Job verloren, ihre Zukunftsplanung wurde auf den Kopf gestellt, ihre Existenzsicherung wurde ihnen unter ihren Füßen weggezogen.

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer Österreichs mussten ihre Betriebe schließen. Das sind Unternehmen, die sie jahrzehntelang aufgebaut haben, sie haben sich das abgespart, mit harter Arbeit. Viele haben investiert und mussten Kredite aufnehmen. Zum Glück konnten sich einige Unternehmerinnen und Unternehmer in diesen 94 Tagen gerade noch über Wasser halten. Sie haben kleine Reserven, auf die sie sich jetzt stützen können, aber sie wissen auch eines: auch diese Pölster und Reserven werden in den nächsten Wochen und Monaten irgendwann aufgebraucht sein, und dann stehen auch sie vor dem Nichts.

All diese Menschen, die Arbeitslosen auf der einen Seite, die Unternehmerinnen und Unternehmer auf der anderen, kämpfen um eines: Sie kämpfen um ihre Existenzen, sie kämpfen um das, was sie sich ein Leben lang aufgebaut haben, woran sie geglaubt haben und woran sie auch ihre Zukunft geknüpft haben. All diesen Menschen läuft eines davon: die Zeit. All diese Menschen warten auf eines: Sie warten auf echte Hilfe. All


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diese Menschen, Herr Finanzminister, hätten sich eines gewünscht: Entschlossenheit seitens der Bundesregierung und Entschlossenheit von Ihnen, nämlich dieselbe Schnel­ligkeit und Entschlossenheit, die die Bundesregierung damals zu Recht an den Tag gelegt hat, als es um den Shutdown ging, um das Schließen der Geschäfte, der Schulen, der Theater. Diese Entschlossenheit, diese Geschwindigkeit, diesen Plan hat es aber offenbar nicht gegeben, als es um die Bekämpfung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Corona ging. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Menschen, die Österreicherinnen und Österreicher, die da betroffen sind, haben sich nur eines von Ihnen gewünscht: dass ihnen geholfen wird, dass sie nicht zurück­gelassen werden, dass man sie in dieser unverschuldeten Not nicht alleinlässt. Statt­dessen mussten diese Betroffenen eines wahrnehmen: 80 Pressekonferenzen, Ankün­digungen, viele, viele Versprechungen, Milliarden, mit denen in den Medien jongliert wurde. – Ja, nur von all diesen Milliarden, die Sie angekündigt haben – vor einigen Monaten waren das diese 38 Milliarden –, ist bei den meisten über weite Strecken nichts beziehungsweise zu wenig angekommen.

Wissen Sie, Herr Finanzminister, was diese Menschen am allermeisten aufregt? – Nicht, dass Fehler gemacht wurden, Fehler zu machen ist menschlich, Fehler macht die Politik – es ist eine Krise, die wir so noch nicht erlebt haben, und es ist auch verständlich, dass da Fehler gemacht werden –; was diese Menschen aber am meisten aufregt, ist, dass all das schöngeredet wird, täglich, in all diesen Pressekonferenzen, dass Kritik von Unternehmen, von Menschen, die in Österreich betroffen sind, weggeredet wird oder diese Kritiker in der Öffentlichkeit diffamiert werden – das regt die Menschen auf. (Beifall bei der SPÖ.)

Es regt sie auf, dass diese Schönfärberei, wie Sie das Leben jetzt schönreden, nichts mit der Realität dieser Menschen zu tun hat, rein gar nichts damit zu tun hat. Wissen Sie: Ich denke, wenn Sie nur einmal mit den Betroffenen persönlich geredet hätten, dann wüssten Sie, wovon wir jeden Tag reden, dann wüssten Sie, wie es denen geht.

Jetzt haben wir alle gestern und vorgestern eine Fortsetzung dieses Schauspiels be­obachten müssen: eine Regierungsklausur war angesetzt, in der großen Hoffnung, alles würde sich jetzt ändern. – Ja, die Frage ist, ob es nicht ein Fortsetzung dessen ist, was sich die letzten Monate abgespielt hat. Es ist auch fraglich, ob das, was Sie die letzten 48 Stunden verkündet haben, bei den Menschen ankommt. Alleine die angekündigte Mehrwertsteuersenkung ist mehr als fraglich, nämlich dahin gehend, ob sie rechtlich umsetzbar ist, weil die EU-Ebene da eben etwas mitzureden hat. Ob die Investitions­prämie wirklich zielgenau ist und genau dort fördert, wo es notwendig ist, ist fraglich (Zwischenruf der Abg. Steinacker), genauso: die geplante Senkung der untersten Stufe der Einkommensteuer, das sind 350 Euro im Jahr, die Sie als Steuersenkung und Ersparnis den Leuten versprechen. Ich sage Ihnen eines: Diese 350 Euro im Jahr sind zu wenig (Abg. Loacker: Wären sie halt Bauern, dann hätten sie 450! – Abg. Meinl-Reisinger: Stimmt!), sie sind zu wenig, um die Wirtschaft anzukurbeln, zur Stabilisierung des Konsums, und sie sind auch zu wenig, um die Menschen in ihrer Existenzsicherung, die jetzt so vital und notwendig wäre, zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Stattdessen nehmen wir eines wahr: eine Einmalzahlung für Arbeitslose in der Höhe von 450 Euro und das erst im Herbst. – Ist das der gute Plan aus der Regierungsklausur, der da entstanden ist: Arbeitslose und Niedrigverdiener nach Gutsherrenmentalität – und es ist nichts anderes, Herr Bundesminister, es ist Gutsherrenmentalität – mit Almosen abzuspeisen?! Das ist nicht unser Zugang, es ist eine Chuzpe. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Und es ist eine Chuzpe, wenn der Bundeskanzler die Ablehnung der dauerhaften Erhöhung des Arbeitslosengeldes damit begründet, dass es weiter attraktiv sein muss,


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zu arbeiten. (Abg. Pfurtscheller: Was ist mit der AUA, Frau Vorsitzende?!) Ich sage Ihnen: Wir haben über 500 000 Arbeitslose in Österreich, aber nur 50 000 offene Stellen. Was ist denn da so schwer zu rechnen und zu verstehen? (Abg. Pfurtscheller: Was ist mit der AUA, Frau Rendi-Wagner?!) – Wollen Sie es nicht verstehen oder können Sie es nicht verstehen, Frau Kollegin? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Große Kurve bis zur AUA!)

Ja, ich denke, die Beantwortung dieser Frage ist ganz einfach: Es ist ganz einfach eine Frage des Menschenbildes, und das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns, sehr geehrter Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist notwendig. Da geht es um die Existenz­siche­rung von Familien, von Kindern, sie schützt Familien vor dem Abrutschen in die Armut – das droht uns nämlich: eine soziale Katastrophe, eine Pandemie der Armut. Sie ist notwendig, um den Konsum anzukurbeln und die Wirtschaft damit zu stützen.

Was hat die Regierungsklausur gebracht? – Eine Fortsetzung an Stückwerk und Nach­besserungen; was aber fehlt, ist der Gesamtplan – durchdacht und mit mittel- und langfristigen Zielen. Ich sehe die nicht, Experten sehen sie nicht, und auch die Menschen werden diese Ziele nicht sehen. Ja, es braucht Zuversicht und Vertrauen, und das wird dieses Ergebnis nicht liefern. Es braucht das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Zweiten Republik. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir haben dazu zusätzlich zu den Akuthilfen Vorschläge in der Größenordnung von 40 Milliarden Euro über die nächsten vier Jahre vorgelegt, damit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. 250 000 Ar­beitsplätze könnten wir mit dem Konjunkturpaket der Sozialdemokratie schaffen. Ja, wir könnten der Wirtschaft damit Flügel verleihen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Das habts noch nie gekonnt! – Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Wir könnten mit diesem Geld der Wirtschaft Flügel verleihen. Apropos Flügel: Dieses Paket würde natürlich auch der AUA helfen, denn wenn es der Wirtschaft besser geht, wird wieder mehr geflogen, das kurbelt natürlich, klarerweise auch den Flugverkehr an. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich sind die Airlines weltweit davon betroffen. Die Austrian ist für Österreich von strategisch hoher Bedeutung (Abg. Kickl: Eine Punktlandung!), das ist zweifellos der Fall, sie ist wichtig für den Tourismus, für Unter­nehmen, für Beschäftigte. Genau deswegen war es uns als Sozialdemokratie natürlich so wichtig, dass die Austrian gerettet wird, dass die Arbeitsplätze erhalten werden. Weil das so wichtig ist, ist das Ergebnis der Verhandlungen, ist dieser Deal zwischen Austrian Airlines und dem österreichischen Staat von großer Bedeutung für die Menschen, für die Beschäftigten, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und für dieses Parlament. Ihr Ergebnis des Austrian-Airlines-Deals lässt sich aber wie folgt zusammenfassen: Gewinne privatisieren und Verluste verstaatlichen. – Das ist das, was Sie zustande gebracht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler Kurz hat während der Verhandlungen gegenüber der Öffentlichkeit gesagt: „Hilfe [...] ohne eine Beteiligung an der Lufthansa, einfach nur so, [...] wird es nicht geben.“ – Jetzt gibt es aber leider keine Beteiligung Österreichs – wieder ein leeres Versprechen des Bundeskanzlers!

Jetzt die Frage: Herr Finanzminister, ist es Ihre Absicht gewesen, was ist ...


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Klubobfrau, bitte den Schlusssatz! Sie sind schon weit über der Zeit. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)


Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Beim Austrian-Airlines-Deal haben Sie sich wirklich über den Tisch ziehen lassen. Das Risiko tragen allein die


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österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist eine Fortsetzung des Wirtschaftshilfenchaos der Bundesregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Finanzen. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte.


9.23.04

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die Möglichkeit, heute über die Sicherung der Zukunft der Austrian Airlines sprechen zu dürfen! Ich darf vielleicht, da auch die Frau Klubobfrau zu Beginn ein wenig ein anderes Thema gewählt hat, auch darauf noch ein bisschen eingehen, nämlich auf die große Herausforderung, die wir auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht durch die Coronakrise erfahren.

Die ganze Welt ist ja de facto durch dieses Virus aus der Bahn geworfen worden. Mit der gestern beendeten Regierungsklausur wollen wir Österreich wieder zurück auf die Spur bringen. Wir haben bei der Regierungsklausur Maßnahmen im Volumen von etwa 19 Mil­liarden Euro auf den Weg gebracht. Insgesamt wird Österreich mit den schon bisher beschlossenen Rettungspaketen den Kampf gegen die Coronakrise mit etwa 50 Mil­liarden Euro führen. Es ist noch ein steiniger Weg, aber damit haben wir zweifellos den Grundstein für begründeten Optimismus gelegt. (Abg. Belakowitsch: ... aber, Herr Finanzminister, mit den Zahlen haben Sie’s nicht so!)

Wir haben neben dem Rettungspaket auch ein Entlastungs- und Investitionspaket ge­schnürt. Ich möchte jetzt nicht alle Maßnahmen wiederholen, die gestern präsentiert worden sind, sondern vielleicht nur auf einige besondere eingehen.

Bei der Entlastung ist es uns vor allem darum gegangen, die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen zu entlasten, die Leute, die doppelbelastet sind, die arbeiten gehen, die Steuern zahlen, die Kinder zu versorgen haben. Ich bin daher sehr froh darüber und auch stolz darauf, dass wir es geschafft haben, den Eingangssteuersatz rückwirkend mit Jahresbeginn 2020 von 25 auf 20 Prozent zu senken. Das ist insgesamt ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro an Entlastungen und bringt, wie Sie (in Richtung Abg. Rendi-Wagner) schon richtig gesagt haben, bis zu 350 Euro für jeden, den es betrifft. Das ist ein großes Paket, vielen Dank, dass das gelungen ist! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Natürlich entlasten wir auch jene, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen, für sie gibt es eine eigene Negativsteuer, also einen direkten Zuschuss.

Für besonders betroffenen Branchen, also Gastronomie, Kultur und andere Bereiche, gibt es eine Steuerentlastung bei der Mehrwertsteuer.

Im Investitionspaket sind zwei Aspekte aus meiner Sicht besonders bemerkenswert. Einerseits die Investitionsprämie: Ab September bis Februar werden die Investitionen der österreichischen Unternehmen mit bis zu 14 Prozent zusätzlich gefördert. 7 Prozent gibt es für de facto alle Investitionsgüter, noch einmal 7 Prozent drauf gibt es für jene, die besonders ökologisch, nachhaltig oder im Bereich der Digitalisierung angesiedelt sind.

Was mich besonders freut, ist, dass wir eine degressive Abschreibungsmöglichkeit geschaffen haben. Das ist eine jahrelange Forderung von allen, die sich intensiv mit dem Thema Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze beschäftigen. Eine vorgezogene Abschrei­bung wird nicht nur einmalig möglich sein, so wie es früher manchmal der Fall war, sondern es soll bei den betreffenden Investitionsgütern jedes Jahr möglich sein,


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30 Prozent vom Buchwert steuerlich geltend zu machen. Das wird Investitionen her­vorrufen, das wird Arbeitsplätze schaffen, das ist der richtige Weg aus dieser Krise heraus, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bei all diesen Maßnahmen waren vor allem zwei Gedanken tragend: einerseits möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, andererseits den Standort Österreich so gut es geht durch diese schwierige Phase zu bringen und eine positive Perspektive für die Zukunft möglich zu machen.

Diese Grundsätze waren auch bei den Verhandlungen rund um die Sicherung der Zukunft der Austrian Airlines, die wir mit der AUA, mit der Lufthansa, aber auch mit vielen anderen Regierungskolleginnen und -kollegen geführt haben, tragend.

Warum ist die AUA für den Wirtschaftsstandort, für die Zukunft der Arbeitsplätze in Österreich so relevant? – Vielleicht nur ein paar Zahlen, die das verdeutlichen: Rund 95 000 Arbeitsplätze hängen in Österreich an der Luftfahrt. 2,1 Prozent des Brutto­inlandsprodukts werden in Österreich durch die Luftfahrt erwirtschaftet, ein Großteil davon durch die AUA. Direkt an der AUA hängen rund 7 000 Arbeitsplätze, sie erwirt­schaftet 2,1 Milliarden Euro Umsatz, beinahe 15 Millionen Passagiere werden jährlich befördert. Unmittelbar damit verbunden sind etwa 17 000 Arbeitsplätze und – das Wich­tigste – viele Direktflüge nach Wien und von Wien in die ganze Welt hinaus. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Herr Kollege Leichtfried, wenn es Sie nicht interessiert, respektiere ich das, aber die Aktuelle Stunde war Ihre Idee. Ich würde Sie bitten, mir auch zuzuhören. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Leichtfried: Ich wollte nur fragen ...! – Ruf bei der SPÖ: Lassen Sie sich doch nicht stören, Herr Minister!)

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viel über besonders betroffene Branchen gesprochen, über jene Branchen, die durch diese Krise hindurch eine besonders schwie­rige Phase erleben. Da geht es vor allem um die Stadthotellerie, um den Städte­tourismus, um den Kongresstourismus. Für diese Branchen könnten wir noch so große Rettungspakete schnüren, es gäbe keine positive Perspektive, wenn es nicht auch eine Sicherung für die AUA gegeben hätte, womit das Tor Österreichs zur Welt weiterhin offen steht und damit auch die touristischen Möglichkeiten gegeben sind. Genau deswegen war es so wichtig, diesen Schritt zu gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei +der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein weiterer Aspekt vielleicht noch, der manchmal ein wenig unterbelichtet ist (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Vogl): Wir dürfen nicht vergessen, Wien ist auch Amtssitz für viele internationale Organisationen, von der UNO über die OSZE bis zu vielen weiteren. Niemand kann sich vorstellen, dass mittel- oder langfristig dieser Amtssitz, dieser internationale Standort, der weltweit bekannt ist, aufrechterhalten werden könnte, wenn es keine Direktflüge von und nach Wien gäbe. Wenn man so will, könnte man sagen: ohne AUA auch keine Weltstadt Wien, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Leichtfried: Jetzt hättets klatschen sollen!)

Ich bin froh, dass wir verhandelt haben, dass in diesem Österreichpaket viele Stand­ortgarantien inkludiert sind. Wir haben es geschafft, dass sich neben dem österreichi­schen Staat auch die Lufthansa selbst mit genau demselben Betrag bei der AUA engagiert. Wir haben es darüber hinaus geschafft, dass Banken 300 Millionen Euro an Krediten für die AUA geben. Mit diesem Paket haben wir rechtsverbindliche Garantien erhalten, die den Standort nachhaltig absichern, die das Drehkreuz garantieren, und zwar auf zehn Jahre, und damit werden viele Arbeitsplätze langfristig gesichert. (Abg. Leichtfried: Wie war das mit den ...?!)

Wir haben also Investitionszusagen bis 2030 – im selben Ausmaß wie die Investitionen des österreichischen Staates und die Zuschüsse – erreicht. Wir haben es geschafft, dass das Langstreckendrehkreuz, das Portfolio der Flüge – vor allem nach Mittel- und


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Osteuropa – abgesichert ist; und einer der wichtigsten Punkte, die wie erreicht haben, ist das proportionale Wachstum relativ zu anderen Lufthansa-Standorten.

Vielen Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben – es waren keine leichten Ver­handlungen –, vielen Dank an die Verhandlungsteams! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Ich glaube, es ist ein gutes Österreichpaket für die Zukunft des Standortes und der Arbeitsplätze. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf hinweisen, dass die folgenden Redner eine Redezeit von 5 Minuten haben.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


9.30.54

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Kollegin Rendi-Wagner hat in einer Aktuellen Stunde, die sie einberufen hat, glaube ich, einen ganzen Satz zum Thema AUA gesagt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Also das ist schon sehr inter­essant. – Mich hätte ja interessiert, was denn Ihre Vorschläge gewesen wären, um die­ses Unternehmen zu retten, das haben Sie hier nämlich nicht gesagt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Rendi-Wagner: Wir werden Ihnen das heute noch erzählen! – Ruf bei der ÖVP: Die SPÖ hat keine ...!)

Ich möchte anhand einer für uns, die ÖVP, sehr wichtigen Überschrift – vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher – ein bisschen skizzieren, welche Argumente, welche Punkte für uns wichtig waren, was das Paket zur Rettung des Unternehmens Austrian Airlines betrifft.

Die wichtige Überschrift ist für uns die ökosoziale Marktwirtschaft. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist aber eine breite Überschrift!) Ökologie: Ja, es ist in dem schon erwähnten Paket mitverhandelt worden, wir haben – nicht zuletzt dank unseres Regierungspartners – durchaus ökologische Punkte in dieses Paket mithineingenommen, zum Beispiel die Antidumpingregelung – das bedeutet, dass es keine ultrabilligen Tickets mehr geben kann – und eine neue Kurzstreckendefinition, mit der wir eine höhere Ticketsteuer verankern werden, um die Menschen dort, wo es möglich und attraktiv ist, dazu zu bewegen, eher mit der Bahn zu fahren. Dazu stehen wir. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die soziale Komponente ist natürlich ein ganz wesentliches Element, auch das wurde erwähnt. Wir reden von einigen Tausend Arbeitsplätzen direkt beim Unternehmen und indirekt bei den Flughäfen, und in anderen Bereichen reden wir von Zigtausenden Arbeitsplätzen, die davon abhängen, wie es zum Beispiel diesem Unternehmen geht. Deswegen war uns die soziale Komponente auch sehr wichtig.

Was heißt in dieser Hinsicht Marktwirtschaft? – Hierbei möchte ich unterteilen: Wir haben auf der einen Seite die volkswirtschaftlichen Aspekte. Wir brauchen eine internationale Konnektivität für unseren Standort. Es wurde schon erwähnt, dass es diese für den Tourismus, speziell natürlich für den Städtetourismus braucht, wir brauchen sie aber auch für unsere Headquarters. Sie wissen, wir haben hier in Österreich sehr viele Nie­derlassungen von großen Unternehmungen, speziell hier im Osten, in Wien, und da ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir eine ordentliche Konnektivität, ordent­liche Verbindungen haben, einerseits zum Beispiel nach Osteuropa, aber andererseits geht es natürlich auch um die Langstrecke nach Asien oder nach Nordamerika. Das sind sehr wichtige Aspekte für unseren Standort und damit auch für die Arbeitsplätze.


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Jetzt zum Schluss noch zu den betriebswirtschaftlichen Aspekten – der Finanzminister hat es ja schon erklärt –: Der Bund schießt dem Unternehmen jetzt einmalig 150 Mil­lionen Euro zu (Ruf bei der SPÖ: Einmal! Einmal!) – das ist notwendig, damit ent­sprechend Eigenkapital vorhanden ist –, der Mutterkonzern, die Lufthansa, ebenfalls 150 Millionen Euro (Ruf bei der SPÖ: Einmal!), und dann gibt es eben das Paket von 300 Millionen Euro an Bankkrediten, wofür es eine Garantie des Bundes gibt, so wie bei vielen anderen Unternehmen jetzt auch.

Meine Damen und Herren, das verbunden mit der schon erwähnten verbindlichen Stand­ortgarantie, mit den Aspekten der Nachhaltigkeit, die wir mitvereinbart haben, sind in Summe die richtigen Schritte zum Erhalt des Drehkreuzes hier in Wien, für die Arbeits­plätze, die hoffentlich in großer Anzahl erhalten bleiben – ich wiederhole: es sind Zig­tausende Arbeitsplätze –, und deswegen, glaube ich, können wir wirklich zu diesem Paket stehen. Es ist ein gutes, ein sinnvolles Paket.

Ich freue mich schon auf die Ausführungen von Kollegen Stöger darüber, was er ge­macht hätte. Wenn er meint, er hätte gerne Aktien, dann finde ich das sehr interessant – gerade von der Sozialdemokratie (Zwischenruf des Abg. Leichtfried – Abg. Rendi-Wagner: Geh bitte!), die Aktien ja grundsätzlich immer verteufelt und sagt, das ist nur Spekulation. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stöger. – Bitte.


9.35.53

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Foto von Bundeskanzler Kurz sowie der Aufschrift „‚Eine Hilfe ... ohne eine Beteiligung an der Lufthansa, einfach nur so, die wird es nicht geben.‘“ auf das Rednerpult.) Österreich hat den einzigen UNO-Standort in der Europäischen Union, und ich teile die Meinung des Herrn Finanz­minis­ters, dass die Frage, ob wir für den UNO-Standort und für den Tourismusstandort Öster­reich und den Tourismusstandort Wien eine Fluglinie haben, von ganz besonderer Bedeutung ist.

Es hat mich daher gefreut, als der Herr Bundeskanzler am 29. April im Fernsehen gesagt hat – ich mache jetzt Werbung für den ORF (Abg. Wöginger: Was ganz was Neues, ja! – Heiterkeit bei der ÖVP) –: Ohne eine Beteiligung wird es kein Geld für die AUA geben. (Abg. Leichtfried: Da schau her!)

Wie ist es ein paar Wochen später? – Siehe da: Man hat die europäische Chance auf eine Regelung der europäischen Luftfahrt – die Luftfahrt muss man europäisch regeln – vertan. Die Schweizer haben uns gezeigt, wie es geht. Die Schweizer haben es ver­standen (Ruf bei der ÖVP: Die sind ja auch ... Europa! – Abg. Meinl-Reisinger: Na ...!), eine wichtige Vereinbarung nicht mit der Schweizer Luftlinie zu machen, sondern mit der Lufthansa.

Zur Frage, was ich gemacht hätte, wenn ich die Verantwortung dafür gehabt hätte: Ich hätte mit der deutschen Bundeskanzlerin und mit der Lufthansa vereinbart (Zwischenruf bei der ÖVP), eine Wandelanleihe zu machen, damit wir österreichische Interessen absichern können. Wenn der Vorstand der Lufthansa den Standort Österreich niederfährt, dann wären wir an der Lufthansa beteiligt gewesen und hätten mitwirken können. – Das wäre die richtige Politik gewesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Finanzexperte Stöger!)

Wie haben Sie abgesichert – darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es –, dass der österreichische UNO-Standort sicher mit Direktverbindungen versorgt wird? (Ruf bei der ÖVP: Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der SPÖ! – Zwischenruf des Abg.


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Haubner.) Wie haben Sie abgesichert, dass die AUA neue Maschinen, klimafreundliche Luftfahrzeuge bekommt? Wie ist das abgesichert? – Das hätte ich gerne von Ihnen, Herr Bundesminister, gehört.

Dann kommt ein Bundesminister daher und sagt: Ja, wir haben Arbeitsplätze gerettet. (Abg. Wöginger: Das sagt sogar der Katzian!) – Es stimmt alles, was Sie im Zusammen­hang damit, wie groß die Luftfahrt in Österreich ist und wie viele Arbeitsplätze da gesichert werden, gesagt haben, Herr Bundesminister. Dann kommt ein Vorstands­vorsitzender dieses Unternehmens am Wochenende und sagt in den Medien: Wir bauen 1 100 Arbeitsplätze bei der AUA ab. – Herr Bundesminister, spüren Sie es? Sie haben den Mundschutz gegen den Nasenring getauscht, der zerrt Sie am Nasenring durch die Manege und Sie sagen noch Danke! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nicht die Art und Weise, wie man österreichische Interessen in der Wirtschafts­politik durchsetzt. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Die AUA plant Kurzarbeit, das heißt, der Staat wird nicht eine einmalige Zuzahlung leisten, nein, es wird prolongiert, dass öffentliche Gelder hineinkommen.

Wie schon gesagt worden ist: Die ÖVP ist gut, wenn es darum geht, die Gewinne zu privatisieren, und die ÖVP ist immer dann gut, wenn es darum geht, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auf den Kosten sitzenbleiben. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Die ÖVP ist immer gut!)

Nach diesem Verhandlungsergebnis stellt sich die Frage: Was sind denn diese Garantien wert? – Diese 3-Stunden-Kurzstreckenregelung – das hat schon der Herr Vor­standsvorsitzende gesagt (Zwischenruf bei der ÖVP) – ist kein Muss. Umweltfreundliche Flieger – wir werden sehen, ob die kommen; da bin ich sehr gespannt. Alles, was die Regierung angekündigt hat, sind an sich leere Versprechen und sonst nichts. Die Menschen in Österreich brauchen echte Hilfe und keine Millionengeschenke an die Lufthansa-Aktionäre.

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Menschen, die bei der AUA arbeiten, sind Botschafterinnen und Botschafter, sie überbringen in ihren roten Ge­wändern in der ganzen Welt (Zwischenruf des Abg. Wöginger – Abg. Steinacker: Rot-weiß-rot!) die österreichische Botschaft, das sind die Menschen, die Österreich im Ausland repräsentieren, und diese Menschen hätten sich einen Bundeskanzler und einen Finanzminister verdient, die zu ihrem Wort stehen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: ... im eigenen Sektor! – Abg. Wöginger: Es ist was Weißes auch dabei, bei den Gewändern!)

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


9.41.26

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte eingangs sagen, dass ich mich für die Mitarbeiter der AUA, deren Jobs vorerst einmal gesichert sind, natürlich freue, aber man muss sich schon Gedanken darüber machen, wie nachhaltig die Sicherung ist. Herr Finanzminister, ich sage Ihnen eines: Wenn ich mir den Deal anschaue, den Sie da jetzt gelobt haben, dann würde ich eher von einer Bauchlandung als von einem Erfolg sprechen. Er zeigt nämlich, dass Sie nicht nur Experte beim Weglassen von Nullen sind, sondern Sie sind anscheinend auch Experte dafür, null für die Republik herauszuverhandeln – und ich möchte Ihnen jetzt auch sagen, warum.

Wie gesagt, es sind zwar zur Sekunde die Jobs gesichert – das mag für Sie vielleicht sogar wichtig sein, weil ja demnächst die Wienwahl vor der Tür steht, wo Sie dann in


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Richtung Bürgermeister abbiegen möchten (Zwischenruf bei der ÖVP) –, aber Sie haben viel Geld in die Hand genommen und nachhaltig überhaupt nichts erledigt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie haben vorhin gesagt, 95 000 Arbeitsplätze in Österreich hängen mit der Luftfahrt zusammen – ja, das stimmt! –, aber es gilt ja, genau diese 95 000 Arbeits­plätze nicht nur jetzt einmal vorderhand für vielleicht zehn Jahre sicherzustellen – und da müssen wir noch darüber reden, ob das überhaupt zehn Jahre halten wird –, sondern es geht vielmehr darum, Österreich wirklich nachhaltigst als Luftfahrtstandort zu etablie­ren und das zu fixieren, und diesbezüglich kann ich nicht sehr viel erkennen.

Sie haben es ja selber gesagt, Sie haben Ihre Schwächen selber enttarnt: Der Wiener Tourismus hängt maßgeblich von der Luftfahrt ab, Wien ist eine weltbekannte Konfe­renzstadt, eine Stadt internationaler Tagungen, und es ist absolut relevant, dass man entsprechende Garantien hat und eben auch sicherstellt, dass der Flughafen Wien nach­haltig abgesichert ist.

Was haben Sie gemacht? – Sie haben 150 Millionen Euro aus dem Cockpitfenster ge­worfen und trotzdem de facto nichts Nachhaltiges, keine Zusicherungen mit nach Hause gebracht; im Gegenteil. Im Prinzip erinnert mich das an den Fall Hypo Alpe-Adria, da haben wir schon einmal einen Konzern – mit österreichischen Steuergeldern – an Deutschland abgetreten und einfach nur gesagt: Bitte nehmt das Geld gleich mit, aber wir haben damit nichts mehr zu tun! (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Das Gleiche macht jetzt gerade die Lufthansa mit uns, und ich sage Ihnen, was Sie vielleicht nicht mitberechnet haben: Wir haben damals, als wir die AUA an die Lufthansa verkauft haben, der AUA 700 Millionen Euro mit auf die Reise gegeben, um unseren Wirtschaftsstandort, um den Flughafenstandort Wien zu sichern. 700 Millionen Euro waren das damals, und das war ein Carepaket, angesichts dessen man eigentlich sagen kann, das ist der Grund dafür, dass wir uns jetzt finanziell nicht mehr mit der AUA befas­sen wollen und die Lufthansa uns zusichern muss, dass der Standort erhalten bleibt, mit allen Nebengeräuschen, die in der Luftfahrt notwendig sind. Fakt ist, dass die Lufthansa bereits jetzt, wenige Jahre danach, bei uns gestanden ist und gesagt hat: Jetzt haben wir die Coronakrise, es ist auch euch wichtig, dass euer Luftfahrtunternehmen und der Standort weiterhin erhalten bleiben! – Und jetzt nehmen wir wieder 150 Millionen Euro in die Hand.

Jetzt kommt der springende Punkt: Wenn wir uns jetzt zum zweiten Mal von der Lufthansa über den Tisch ziehen lassen, dann ist es doch wohl das Mindeste, auch im Namen der Steuerzahler, dass wir zumindest eines sicherstellen, nämlich nicht irgend­welche schwindligen Versprechungen von der Lufthansa aus Frankfurt einzuholen, dass der Standort eh für zehn Jahre erhalten bleibt, sondern da gibt es nur eine Lösung: Man muss wieder Anteile kaufen – der Bundeskanzler hat das ursprünglich auch verlangt –, um eine Sperrminorität zu haben, um diesen Standort tatsächlich absichern zu können. Es wird die nächste Krise auf uns zukommen, dann brauchen wir wieder Geld, dann können wir es vielleicht gar nicht mehr aufbringen – und dann ist der Standort weg; dann können Sie sich den UNO-Sitz einrexen, dann können Sie Wien als Konferenzstadt vergessen, all diese Geschichten werden dann so nicht mehr stattfinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt: Es ist vollkommen daneben agiert worden, im Prinzip hat uns die Lufthansa über den Tisch gezogen.

Ja, wenn man sich diese Abmachung im Detail anschaut, dann stehen einem wirklich die Haare zu Berge. Sie haben zum Beispiel zugelassen, dass die AUA de facto keine Kurzstrecke mehr fliegen kann. Was passiert? – Die AUA konkurrenziert jetzt ihre eigene Mutter, die Lufthansa, die diese Kurzstrecken fliegen wird. Gerade in Richtung der ÖVP gesagt – von den Grünen erwarte ich da eh nichts –: Was sind denn das für Vorzeichen,


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wenn Sie wirtschaftlich denken? Was glauben Sie, was passiert, wenn die Mutter die eigene Tochter konkurrenziert? – Natürlich kommt dann der Heuschreckenmodus, natürlich wird die Lufthansa die AUA irgendwann auffressen, und natürlich wird unser Standort nicht mehr gesichert sein. Das haben Sie in Ihr Paket hineingeschrieben und 150 Millionen Euro der Steuerzahler nachgeworfen – Gratulation zu dieser Idee!

Versagt hat man auch bei der möglichen Ökologisierung der AUA-Flotte; auch da haben sich die Grünen nicht durchgesetzt. Frau Gewessler freut sich zwar, dass 1 Milliarde Euro pro Jahr in Ökologisierungsmaßnahmen fließen werden – ab 2021, hat sie gesagt –, Fakt ist aber, dass Sie 2021 nicht mehr mitregieren werden. Ich sage Ihnen das noch einmal, ich sage es Ihnen jedes Mal, und Sie können mich auch beim Wort nehmen. Dass die Ökologisierung der AUA-Flotte nicht umgesetzt worden ist, ist ja auch ein Zeichen dafür, dass der ÖVP Ihre Ökopolitik in Wahrheit völlig egal ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man hat da auf ganzer Linie versagt, man hat die Interessen der österreichischen Steuerzahler vollkommen verraten, man hat einen billigen Werbejob gemacht, um jetzt einmal – polemisch – Jobs zu sichern, die in Wahrheit nicht gesichert sind, denn spätestens nach der Wienwahl wird der Jobabbau bei der AUA erfolgen. Ich finde es schade, dass man diese Gelegenheit für die öster­reichische Luftfahrt ausgelassen hat, dass man sich völlig unfähig an einen Verhand­lungstisch gesetzt hat und mit diesem schändlichen Ergebnis nach Hause gekommen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

9.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Weratschnig ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.47.15

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Minister! Werte ZuseherInnen! Die Flughöhe der Sozialdemokratie und der Freiheitlichen ist für mich nicht erkennbar. (Abg. Vogl: Weil wir Zug fahren! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Zug!) Ich appelliere an alle, wieder Bodenhaftung in die Debatte hereinzubringen, Bodenhaftung auch dahin gehend, was Millionen und Milliarden betrifft. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Wurm: ... das ist lustig! ... Tiroler Unterland! – Zwischenrufe der Abge­ord­neten Leichtfried und Loacker. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Noch einmal zur Wiederholung: Es geht um 150 Millionen Euro von der Lufthansa, es geht um 150 Millionen Euro von der Republik Österreich, und es geht um einen 300-Millionen-Euro-Kredit, der über die Banken abgesichert ist. Da geht es nicht um Milliarden, und da geht es schon gar nicht um Hypo-Milliarden (Abg. Kassegger: Peanuts, sozusagen!); also da steckt die Sozialdemokratie noch in der Vergangenheit. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Ein paar Nullen mehr oder weniger!)

Werte Abgeordnete! Grüne Politik meint: ein gemeinsames Haus bauen, das Krisen übersteht, das die Umwelt nicht verpestet, in dem wir gerne wohnen, ob in Miete oder im Eigentum. Warum sage ich das? – Weil ich glaube, dass dieses gemeinsame Haus auch im Luftverkehr so wichtig ist, es das derzeit im europäischen Luftverkehr aber nicht gibt. Ich vermisse hier die Kritik der Opposition, vor allem an dem, was passiert, nämlich an den Billigairlines. Schauen Sie in die Zeitung: Flüge um 9,99 Euro nach Korfu, nach València, nach Porto werden angeboten (Zwischenruf des Abg. Schellhorn) – das ist die Realität!

Diesen Rahmenbedingungen im Luftverkehr müssen wir Paroli bieten, wir müssen uns gescheite Maßnahmen überlegen, und wir müssen diese Maßnahmen auch umsetzen.


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(Zwischenruf des Abg. Stöger.) Da geht es nicht um eine Staatsbeteiligung, sondern da geht es um europäische Rahmenbedingungen – und wir setzen hier durch zwei ganz wichtige Punkte einen klaren Schritt. (Ruf bei der SPÖ: Ihr setzt so viele Maßnahmen!) Das ist, erstens, die Antidumpingregelung mit einem Mindestpreis von 40 Euro. Da geht das mit den 9,99 Euro nicht mehr (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), da geht dieses Preisdumping nicht mehr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rendi-Wagner: Ökologischer Bauchfleck!)

Im Interesse der Anrainerinnen und Anrainer des Flughafens Wien geht es, zweitens, um die Änderung der Flughafenentgelteordnung. Da wollen wir ganz klar – diese Absicht besteht – ökologisieren und auch reduzieren, was den Lärm und was die Schadstoffe betrifft. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dazu braucht es auch keine Staatsbeteiligung. Eine Staatsbeteiligung, Herr Abgeordneter Stöger, hilft da überhaupt nicht, wenn man nicht die notwendige Sperrminorität hat (Zwischenruf des Abg. Stöger), dann sitzt man drin, hat den Informationsfluss, kann aber nicht wirklich mitbestimmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Werte Abgeordnete, zukünftig braucht es in dieser Debatte und auch im Luftverkehr Punktlandungen; das braucht der Klimaschutz (Zwischenruf des Abg. Kollross) statt billigen Bruchlandungen. (Abg. Rendi-Wagner: Bauchfleck!) Es braucht keine Bonus­meilen für Vielflieger und für Billigairlines, sondern es braucht Meilenstiefel im Klima­schutz. Diese Meilenstiefel, nämlich Meilenstiefel im Klimaschutz, sollten wir gemeinsam umsetzen, liebe Abgeordnete. Ich glaube, dass es da ganz wichtig ist, das Bahnpaket, nämlich Zug statt Flug, zu präferieren und da auch das notwendige Geld einzusetzen. (Abg. Loacker: ... aber was mit dem Geld ...!) – 500 Millionen Euro für Nachtzüge, 240 Millionen Euro für das 1-2-3-Ticket, Herr Abgeordneter, da rollen die Millionen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Da rollen die Millionen für die Österreicherinnen und Österreicher, für die Menschen, die hier wohnen und den öffentlichen Verkehr nutzen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das ist das Ziel einer Umkehr im Luftverkehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass es auch ganz wichtig ist, betreffend des Luftverkehrs in die Zukunft zu blicken, nämlich die besten Angebote anzubieten, denn ich bin überzeugt, dass das beste Angebot der beste Anreiz ist.

Zu guter Letzt möchte ich Landeshauptmannstellvertreter Schellhorn aus Salzburg zitieren: Wir drehen an großen Rädern und steuern um. – Zitatende. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) Arbeiten wir gemeinsam an der Umkehr im Luftverkehr in Österreich und in Europa! Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

9.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


9.52.09

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Wir leben in zwei Welten, ja, das sind wirklich zwei Welten, Herr Bundesminister. Das sind zwei Welten, und das war ja schon relativ früh klar, denn damals am Beginn der Krise hat Frau Minister Schramböck gesagt, dass man der AUA auf alle Fälle helfen wird. Da denke ich mir: Okay, ja, richtig, es ging um Jobs, es ging insgesamt um 7 000 Arbeitsplätze. Was aber sind diese 100 000 Arbeitsplätze wert, um die wir uns kümmern müssen, die keine Hilfen bekommen?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 47

Jeder Job bei der AUA umfasst 65 000 Euro an Steuergeldern. (Bundesminister Blümel: Wie bitte?!) – Ja, ich werde gleich erklären, Herr Bundesministier, worum es geht. (Abg. Kollross: ... versteht er es nicht?) Es geht darum – und darauf werde ich dann gleich im dritten Punkt kommen –, warum das keine Rettung für die AUA ist: Ja, es geht um Jobs, ja, es geht auch um die relevanten Jobs und den Flughafenstandort Wien (Abg. Ottenschläger: ... Populismus!), und den Flughafen Wien wird es auch in Zukunft geben. Wer sagt, dass das aber nur die AUA kann? Könnte das nicht auch die Etihad oder irgendeine andere Fluglinie? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Wer sagt, dass der Standort nicht weniger attraktiv wäre, wenn wir 20 Millionen Nächtigungen hätten, oder ist er weniger attraktiv, wenn die AUA ihn nicht mehr anfliegt? (Abg. Ottenschläger: ... das gibt’s ja nicht!)

Also, es geht hier um diese Rettung. Okay, dazu haben wir uns auch bekannt, Herr Ottenschläger. Wir haben gesagt: Okay, retten wir sie. Wo aber sind die Arbeitsplätze, wo werden sie im Tourismus gerettet? Was nützt der AUA der Tourismus, wenn er nicht gerettet wird? (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) – Lass es einfach, du kannst dann eh reden! Im Grunde genommen, ist es schon attraktiv, der PR-Schmäh ist aber nach wie vor da.

Ich möchte nur an Frau Gewessler erinnern, als sie gesagt hat: Uns ist es dafür ge­ungen, dass die Kurzstreckenflüge zwischen Salzburg und Wien eingestellt werden. – Wenn man in den letzten 365 Tagen nur einmal die Zeitung gelesen hat, weiß man, dass die AUA die schon vorher einstellen wollte. – Es ist also sozusagen kein Erfolg der Grünen, der grünen Politik: Ja, dafür haben wir die Kurzstrecken eingestellt. – Nein, ist es nicht, weil die AUA es aus Effizienzgründen schon vorher wollte, und das wissen Sie. Ver­kaufen Sie uns also nicht diesen Schmäh! (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz. – Abg. Steinacker: Zwischen wollen und tun ist ein Unterschied, Herr Kollege!)

Jetzt komme ich zu dem Punkt, warum das 65 000 Euro pro Job ausmachen wird: Nehmen wir den Tourismus her! Der Tourismus ist wichtig, und wir wissen, dass der Städtetourismus vor 2024 nicht auf die Höhe kommt. Wenn Sie Experten fragen, dann wissen Sie, dass die Luftfahrtbranche in einem groben Umbruch ist. Was heißt das dann, wenn Sie davon ausgehen – und das sagt der AUA-Chef auch selber –, dass sie in den nächsten Jahren nur 50 Prozent erwirtschaften wird? Heißt das, dass die AUA, die ja vorher schon marode war, dann positiv läuft? – Jeder Unternehmer, der so marode war wie vorher die AUA, hätte überhaupt keine Hilfe bekommen, das muss man sich auch vergegenwärtigen. Dennoch ist es wichtig, dass dieser Standort gesichert bleibt, dass dieser Flughafenstandort in Wien gesichert bleibt. Wer aber sagt uns, dass das nur die AUA hätte tun können? Wo ist diese Vision, die uns davor schützt oder welchen Plan B haben wir, wenn die AUA trotzdem kracht? Wo ist Ihre Vision? (Beifall bei den NEOS.)

Wir wollen in diesem Vertrag Transparenz haben. Wo sind die Sicherheiten? Wie schaut die Abmachung aus? Wo sind die Verträge? Ich denke, da geht es wirklich um viel Geld, da geht es um 450 Millionen Euro; und Sie sind es dem Parlament schuldig, dass Trans­parenz gewahrt wird und die Kontrollrechte des Parlaments auch dementsprechend ausgeübt werden können.

Es geht schlicht und einfach um die große Vision: Wie stellen wir uns den Flug­hafenstandort Wien in zehn Jahren vor? Wo ist der Plan B, wenn das eine krachen geht? – Eines ist nämlich sicher: Das ist schon lange keine rot-weiß-rote Heckflosse mehr. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Es war noch nie eine rot-weiß-rote Heck­flosse oder ist schon lange keine mehr, es ist am Flieger nicht einmal mehr die Feder dieses Adlers (auf den Wappenadler an der Wand oberhalb des Präsidiums weisend) da hinten drauf. Es ist gar nichts mehr, es ist ein Vogelschiss, und sonst ist es gar nichts. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 48

Es ist keine große Vision, und die große Vision fehlt mir, wenn ich das auf das umlege, was sich die ganzen Unternehmer und Unternehmerinnen jetzt denken, nämlich: Wer schützt unsere Arbeitsplätze, wer schützt die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter? (Beifall bei den NEOS. Abg. Ottenschläger: Also wirklich, populistischer geht es nicht mehr! Abg. Haubner: Es hat sich aber eh keiner ausgekannt, es war sehr wirr!)

9.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte.


9.57.27

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich möchte mich einleitend bei der Sozialdemokratie für das Thema der heutigen Aktuellen Stunde be­danken. Ihr gebt uns noch die Möglichkeit, ein bisschen über Wirtschaftspolitik zu debat­tieren, und aus der Geschichte und auch den Redebeiträgen entnehme ich, dass die Kompetenz der Sozialdemokratie in dieser Frage ganz einfach nicht da ist. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Aber bei euch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Konrad Adenauer hat einmal sehr treffend formuliert: Das Einzige, was die Sozial­demo­kratie über Finanzen weiß, ist die Tatsache, dass sie es von anderen haben wollen. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross. Abg. Kassegger: 50 Milliarden!) Das bringt es ziemlich auf den Punkt, was man erkennt, wenn man sich das im Detail anschaut, aber das werde ich noch näher ausführen. (Abg. Leichtfried: Wenn ihr nicht einmal das zusammenbringt, dann gute Nacht!) Ich habe mir natürlich im Vorfeld auch die Presseaussendungen der Sozialdemokratie angeschaut, und in der OTS von Wimmer wird geschrieben: Das Rettungspaket umfasst 600 Millionen Euro – die einzige Zahl, die in der Presseaussendung stimmt, sind die 600 Millionen Euro – und drei Viertel davon bezahlt der Steuerzahler. – Jetzt ganz ehrlich, wenn man nicht einmal mehr zwischen einem Direktzuschuss und einem Kredit unterscheiden kann (Zwischen­rufe der Abgeordneten Kollross und Rendi-Wagner), dann spricht das, meine ich, wirklich dafür, dass überhaupt keine Kompetenz in dieser Fragestellung da ist, denn die Kredite sind besichert, die Kredite müssen natürlich auch zurückbezahlt werden (Abg. Kassegger: Was passiert, wenn sie nicht zurückbezahlt werden?! Was passiert dann?), das sollte man schon auch sagen, wenn man entsprechende Zahlen kommuniziert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Auf der anderen Seite sagt man auch, man bekommt keine Gegenleistung. Sind 7 000 Arbeitsplätze keine Gegenleistung? (Abg. Stöger: ... 7 000 weniger 1 000! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ist eine Bruttowertschöpfung von 5 Milliarden Euro keine Gegenleistung? Ist eine Standortgarantie keine Gegenleistung? Das ist übrigens eine Standortgarantie, die auch vertraglich pönalisiert ist; wenn diese Standortgarantie nicht eingehalten wird, dann würden entsprechende Pönalen geltend gemacht werden. Wenn man also sagt, dafür gibt es keine Gegenleistung, dann, glaube ich, ist dieses Argument – das spricht für sich – nicht wirklich relevant.

Mit einer Frage möchte ich mich auch noch ein bisschen beschäftigen, und die hört man doch auch sehr oft in der Bevölkerung: Hätte man die AUA nicht ganz einfach in Konkurs, in ein Insolvenzverfahren gehen lassen können? Da gibt es ja zwei Möglichkeiten: ein Sanierungsverfahren mit Eigenverantwortung oder eine richtige Insolvenz, bei der dann eine Masse verwertet wird. Dazu muss man schon sehr deutlich sagen, dass eine Insolvenz natürlich auch jemand bezahlen muss. Das ist zum einen einmal ganz klar der Staat, weil sehr hohe Sozialkosten auf die Republik zukommen, zum Beispiel im Bereich


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der Personalkosten durch den Insolvenzausgleichsfonds – da geht es auch um sehr große Zahlen.

Ein Aspekt ist mir aber fast noch wichtiger: Es gibt zum anderen auch wichtige Gläubiger im Bereich der Fluglinien, das sind natürlich die Reiseveranstalter und die Reisebüros. Man muss einmal sehr deutlich sagen, dass gerade diese Gruppe von der Coronakrise ganz, ganz stark betroffen ist. Reisebüros sind jetzt primär damit beschäftigt, Rück­abwick­lungen durchzuführen. Hätte man quasi die AUA in Konkurs gehen lassen, dann hätten auch die Reisebüros die Gläubigerforderungen entsprechend formuliert, und das hätte Effekte für die gesamte Branche gehabt, die ganz einfach nicht gut gewesen wären.

Ich glaube, es gibt aber auch dahin gehend Konsens, dass eine Insolvenz oder ein Sanierungsverfahren für die AUA natürlich auch nicht die richtigen Schritte gewesen wären. Man muss schon wirklich auch sagen, in Summe ist es auch im internationalen Vergleich – wir haben gerade ein bisschen darüber geplaudert –, auch im Vergleich zur Schweizer Situation, im Vergleich zur deutschen Situation ein in sehr vielen Verhand­lungsrunden sehr intensiv ausverhandeltes hervorragendes Verhandlungsergebnis, auf das man durchaus auch ein bisschen stolz sein kann. Die AUA ist damit nachhaltig in der Drehkreuzfunktion, die letztlich auch den Wirtschaftsstandort und auch den Touris­mus entsprechend unterstützt, abgesichert.

Ich möchte noch einmal, weil es uns auch sehr wichtig ist, die ökologischen Maßnahmen erwähnen, die in diesem Gesamtpaket mitverhandelt wurden: Das ist eine Erhöhung der Flugabgabe für die Kurzstrecke, das ist auch das Bekenntnis, Kurzstrecken letztlich auch auf die Bahn verlagern zu wollen, das ist die Antidumpingregelung, dass man natürlich bestimmte Mindestpreise zukünftig nicht mehr unterschreiten darf. Ich denke, in Summe ist es also, auch unter dem Aspekt der Ökologisierung, ein hervorragendes Paket, das den Standort der AUA sichert – und wir brauchen natürlich die AUA in der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte aber, weil es auch von einigen Vorrednern schon angesprochen wurde, die Gelegenheit nutzen, um ein bisschen über das wirtschaftspolitische Programm, das in der Regierungsklausur präsentiert worden ist, zu sprechen. Die Redezeit lässt es nicht zu, das Gesamtpaket zu präsentieren, aber ich möchte auf ein paar Aspekte eingehen, die mir als Abgeordnetem aus einem ländlichen Wahlkreis sehr wichtig sind. Was macht man derzeit in der Programmatik im Bereich der Regionen? – Ich möchte das Kom­munal­investitionsgesetz erwähnen. Gestern hat sogar Kollege Matznetter im Budget­ausschuss gesagt: 2 Milliarden Euro sind kein Konjunkturprogramm. – Das war ganz spannend. Auch da werden gemeinsam mit den Kommunen, die natürlich der Motor in den ländlichen Regionen sind, entsprechende investive Maßnahmen gesetzt.

Ich möchte auch erwähnen – und das ist mir als Sprecher für Ehrenamt und Gemein­nützigkeit ganz wichtig –, dass der Fonds in die Endphase geht; die gesetzliche Grund­lage für das 700-Millionen-Euro-Paket haben wir ja schon beschlossen. Die Förderlogik wird sein, dass zum einen letztlich Einnahmenausfall und laufende Kosten dargestellt werden müssen. 700 Millionen Euro – ich glaube, das ist uns insgesamt sehr wichtig. Wir haben ein Gastronomie...


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (fortsetzend): Ich möchte auch erwähnen – das hat noch niemand gesagt –, dass es eine zweite Breitbandmilliarde gibt. Das brauchen wir gerade in den ländlichen Regionen.

Es ist also unglaublich, was da an Programmen aufgestellt worden ist. Was wir jetzt noch brauchen, ist Optimismus – weniger Kritik an Details (Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte!),


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 50

sondern Optimismus –, denn dann werden wir, davon bin ich sehr überzeugt, die Wirt­schaftskrise in Österreich bestmöglich bewältigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


10.03.17

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Vertreter der Bundesregierung! Wertes Hohes Haus! Vor uns liegt ein AUA-Deal, mit dem wir 150 Millionen Euro herschenken, ein AUA-Deal, mit dem wir Steuerzahler und Steuerzahlerinnen in der aktuellen Situation 150 Millionen Euro herschenken. Während Sie den arbeitslosen Menschen in diesem Land, die gerade in die Armut abrutschen, erklären, dass man das Arbeitslosengeld jetzt nicht erhöhen kann, verschenken wir 150 Millionen Euro an den deutschen Konzern Lufthansa. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, Sie sagen mir jetzt, Sie haben die Arbeitsplätze gerettet (Zwischenruf des Abg. Koza), aber das haben Sie ja nicht! Das war ja das, was wir, Hand in Hand mit den Be­schäftigten, von Ihnen verlangt haben, nämlich dass man die 7 000 Menschen nicht hängen lässt. Das haben Sie aber nicht verhandelt: Es gibt keine Arbeitsplatz­garantie, die 150 Millionen Euro legen wir einfach so flach auf die Hand. (Beifall bei der SPÖ.) Ganz im Gegenteil: Die Realität schaut so aus, dass der AUA-Chef in einem Interview bereits verkündet hat, dass man über 1 000 Stellen streicht, dass man bis 2022 auf 80 Prozent reduzieren will und – Zitat –: „Da hätten wir dann aus jetziger Sicht 1.100 Mit­arbeiter zu viel.“

Ist das der Verhandlungserfolg, dass wir einem deutschen Konzern Millionen dafür schenken, dass dieser 20 Prozent der österreichischen Belegschaft abbaut? Ist das die Wirtschaftskompetenz, von der Sie sprechen? – Das ist doch nicht sozial gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, bleiben wir aber beim großen Ganzen: Was mich ärgert, ist, dass es vor der Krise vonseiten neoliberaler selbsternannter Wirtschaftsexperten immer heißt: Weg mit den staatlichen Vorgaben! Wir brauchen den Staat nicht! Der Markt regelt sich selbst und überhaupt alles! – Und dann, in Zeiten einer Krise, sind es dieselben, die plötzlich fordern: Der Staat muss es richten! – Dann heißt es plötzlich: Der Staat muss unsere Verluste ausgleichen! Gib uns dein Steuergeld in der Krise, aber weg von den Gewinnen, die wir dann später damit machen!

Es kann doch nicht sein, dass der Staat immer nur dazu da ist, die Verluste aufzu­fangen – die Verluste sozialisieren wir, die zahlen wir dann alle gemeinsam durch unser Steuergeld –, während die Gewinne privatisiert werden und dann einigen wenigen ge­hören – in diesem Fall jetzt eben den Aktionären und Aktionärinnen der deutschen Lufthansa! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.) Umgekehrt müsste es sein, umgekehrt! Die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen müssen an den Gewinnen und nicht immer nur an den Verlusten beteiligt sein! Die AUA war bitte vor Corona sieben Jahre lang gewinn­brin­gend, das sei auch an dieser Stelle angemerkt. Hätte man eine Verstaatlichung, eine staatliche Beteiligung tatsächlich angedacht, wäre davon auch wieder etwas zurück­geflossen – das hätte Sinn gemacht! (Beifall bei der SPÖ.) Man hätte das Geld sofort in den Umweltschutz stecken können. Man hätte durch die Beteili­gung im Übrigen auch mehr Mitsprache im Betrieb gehabt – ebenfalls ein starker Grund, sich endlich für den Klimaschutz einzusetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 51

Da sei angemerkt, erstens, dass auf Flugtickets keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist, auch nicht auf Kerosin, den Flugzeugtreibstoff. Es sei angemerkt, dass auch die Flug­häfen steuerlich begünstigt sind, und es sei angemerkt, dass man in der Flugbranche mittlerweile Löhne vorschlägt, die geringer als die Mindestsicherung sind.

Was bleibt über? – Da zahlt jeder Schnitzelwirt in Österreich mehr Steuern ein, sage ich Ihnen (Beifall bei der SPÖ), und dieser wartet aber im Gegensatz zur AUA immer noch auf seine Unterstützung, dieser wartet wahrscheinlich immer noch auf das Kurz­arbeits­geld. – Das kann es nicht sein!

In dieser Krise zeigt sich, für wen die ÖVP und die Grünen Politik machen: Während den arbeitslosen Menschen in Armutsgefahr eben erzählt wird, dass man für sie jetzt gerade kein Budget hat, verschenkt man Millionen an Großkonzerne.

Ich sage Ihnen aber etwas: Die österreichischen Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sind nicht dumm. Sie wollen auch nicht immer nur die Dummen sein, die immer nur in der Krise das Geld hergeben. Sie können rechnen, werden das nachrechnen und werden sich das auch merken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Reifenberger. – Bitte.


10.08.12

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, aber dank unserer Bundesregierung hört es sich damit bald auf.

Als Salzburger Abgeordneter muss ich mich bei dieser Aktuellen Stunde zu Wort melden, weil durch diesen AUA-Deal der Flughafen Salzburg und der Großraum Salzburg massiv geschädigt werden. Stellvertretend für die steirischen Kollegen darf ich auch sagen, dass es zeitverzögert dann auch auf den Flughafen Graz-Thalerhof zukommen wird. Wie boshaft muss man eigentlich sein, dass man einem deutschen Großkonzern, der Lufthansa, gegen mangelhafte Zusicherungen Geld in den Rachen wirft und es dann noch zur Bedingung macht, den eigenen heimischen Wirtschaftsraum und die AUA zu schwächen? – Die Bedingung, AUA-Flüge zwischen Salzburg und Wien und später auch zwischen Graz und Wien zu streichen, wird sich noch als massiver Bumerang heraus­stellen, und das zeugt von Ihrem mangelnden Verständnis vom internationalen Luftver­kehr.

Da diese negativen Folgen aber unschwer zu erkennen sind, muss ich Ihnen, Herr Bundesminister Blümel, in Wahrheit aber einen Schädigungsvorsatz und keine Fahr­lässigkeit unterstellen, und das tue ich hiermit.

Manchmal frage ich mich, ob Sie eigentlich selbst glauben, was Sie uns hier einreden wollen. Glauben Sie wirklich, dass es viele vernünftige Menschen gibt, die das Flugzeug nutzen, um von Salzburg zum Zielort Wien zu kommen oder umgekehrt? Glauben Sie das ernsthaft? – Fast alle Flugpassagiere, die diese Strecke nutzen, nutzen Wien als Drehscheibe zum Umsteigen und nicht als Start- oder Endpunkt ihrer Reise. In der Fachsprache nennt man das das Hub-and-Spoke-Prinzip. Der Flughafen Wien fungiert hier als Hub und verteilt die Passagiere auf seine Spokes, nämlich Salzburg, Graz und andere Flughäfen. Glauben Sie wirklich, dass es viele Flugpassagiere geben wird, die in Salzburg in den Zug steigen werden, um nach Wien zu fahren, umzusteigen, nach Schwechat weiterzufahren und erst dann in einen Flieger zu steigen? Glauben Sie das ernsthaft?


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Ich werde Ihnen sagen, was passiert: Die Flugreisenden aus Salzburg werden mit großer Mehrheit keinen Zug besteigen, sondern sie werden sich ins Auto setzen und zum nahegelegenen Flughafen nach München fahren, denn dort sind sie viel schneller als in Wien, geschweige denn in Schwechat. (Beifall bei der FPÖ.) Damit haben Sie eines erreicht: Sie bringen noch mehr von dem den Grünen so sehr verhassten Individual­verkehr auf die Straße.

Salzburg ist ein Standort für zahlreiche große Unternehmen, die im Gegensatz zu vielen internationalen Internetkonzernen wirklich gutes Steuergeld erwirtschaften, Arbeits­plätze sichern und einen volkswirtschaftlichen Mehrwert generieren, und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Salzburg ist ganz wesentlich mit der Erreichbarkeit und damit auch mit dem Flughafen Salzburg und dessen Flugverbindungen verknüpft. Mit Ihrem AUA-Deal schwächen Sie den Flughafen Salzburg, aber auch den Flughafen Wien, welcher in seiner Bedeutung als internationale Drehscheibe geschwächt wird.

In München, das kann ich Ihnen sagen, knallen schon die Sektkorken infolge dieser österreichischen Blödheit, denn für den Flughafen München ist dieser Deal ein nach­barschaftliches Geschenk auf dem Silbertablett. Sie gefährden damit viele österreichi­sche Arbeitsplätze – Salzburg hat immerhin den zweitgrößten Flughafen Österreichs, Graz den viertgrößten.

Wenn damit der Umwelt wenigstens wirklich geholfen wäre, dann würde ich das den Grünen sozusagen aus ideologischen Gründen auch noch irgendwie zugestehen, aber es wird der Umwelt nichts bringen. Ministerin Gewessler traut sich heute zu diesem Tagesordnungspunkt nicht einmal hierher ins Hohe Haus; und das Schlimme ist: Die Schwarzen machen sich bei diesen Pseudoumweltschutzmaßnahmen einmal mehr zu den Steigbügelhaltern der Grünen.

Wissen Sie, was noch passieren wird? – Dank Ihrer Vereinbarung haftet Österreich für die Kredite der AUA. Die Lufthansa wird das geschickt nutzen und die Tochter­gesell­schaft AUA in eine Bad Bank umfunktionieren, und letzten Endes wird Österreich für diese ganzen Schulden aufzukommen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Und haben Sie sich vielleicht auch überlegt, dass andere Airlines diese künstlich geschlagene Lücke in Form von fehlenden Flugverbindungen zwischen Salzburg und Wien schließen werden? Damit eröffnen Sie den Billigairlines einen neuen Markt und schädigen erst recht wieder die AUA, die Sie vorgeben schützen zu wollen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Sie schädigen die Wirtschaftsstandorte Salzburg und Graz, Sie schädigen den Großraum Wien-Schwechat und Sie schädigen auch die AUA. Schämen Sie sich! (Beifall bei der FPÖ.)

10.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


10.12.56

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Der Bundesregierung war es ein Anliegen, dass Unternehmen, die aufgrund dieser Krise, aufgrund von Umsatzausfällen auf ihren Kosten sitzenbleiben, diese Kosten ersetzt kriegen. Wir haben grundsätzlich vereinbart, dass es in Form des Fixkostenzuschusses einen solchen Kostenersatz bis zu 90 Millionen Euro geben wird – und darauf hätte grundsätzlich auch die AUA Anspruch gehabt.

Der aktuell vorliegende Deal, gemäß dem es quasi 150 Millionen Euro Zuschuss von der Republik Österreich gibt, geht ja nur um 60 Millionen Euro über diesen Betrag hinaus.


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Das ist immer noch sehr viel Geld, und uns war klar, dafür muss es Klimaauflagen geben, dieser Deal muss quasi auch eine gewisse Wende bringen. Was Österreich da an Mitteln aufwendet, ist aber bei Weitem nicht so viel, wie in Deutschland in die Hand genommen wurde. In Deutschland geht es um 9 Milliarden Euro – das ist quasi 100 Mal so viel wie jene Größenordnung, um die es hier in Österreich geht.

Im Zusammenhang mit diesen 150 Millionen Euro Zuschuss, die der österreichische Steu­erzahler tatsächlich gibt, haben wir allerdings durchgesetzt, dass es mit der Anti-dumping­regelung, mit den Auflagen in Bezug auf Kürzeststrecken – also diesen zusätz­lichen Abgaben bei Strecken, für die netto der Zug weniger Zeit braucht als der Flug – und mit mehr Geld für das 1-2-3-Ticket und für die Nachtzugverbindungen tatsächlich eine Wende gibt: weg von diesen Kürzeststreckenbilligflügen hin zu bequemen und komfor­tablen Zugverbindungen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Gegensatz dazu hätte aus meiner Sicht eine Beteiligung an der Lufthansa nicht viel gebracht, denn: Um auf die gesamte Branche Einfluss zu nehmen, wie wir das jetzt versucht haben, hätte man quasi – aufgrund dessen, wie der Wettbewerb im Luftfahrt­sektor aktuell gestaltet ist – selbst bei einer mit Sperrminorität ausgestatteten Beteiligung nicht viel erreichen können; und von einer Sperrminorität, glaube ich, hätte auch Kollege Stöger nicht geträumt, das wäre sich nicht ausgegangen.

Zur Kritik, dass die Gewinne privatisiert werden – Frau Herr hat gemeint, die Aktionäre sind es, die jetzt quasi die Gewinne einfahren –, möchte ich sagen: Das geht ein bisschen an der Realität der Branche vorbei. Die Lufthansa hat in den letzten drei Jahren 43 Prozent des Vermögens ihrer Aktionäre vernichtet. Ich glaube nicht, dass das die Art und Weise ist, wie Privatvermögen vermehrt wird, im Gegenteil! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Davon abgesehen ist es, was man erkennt, wenn man nach vorne blickt, so, dass die Standortgarantie und die Wachstumsgarantie ja auch nicht besagen, dass es netto ein Wachstum geben muss, sie besagen nur, dass es ein besseres Wachstum geben muss, als es in München, in Frankfurt oder in Zürich der Fall ist. Sie sagen nichts über das Vorzeichen des Wachstums aus, das heißt, es kann auch sein, dass es nach unten geht, und die Aussichten sind tatsächlich so, dass es über die nächsten drei bis fünf Jahre in dieser Branche kein Wachstum über das Niveau von 2019 hinaus geben wird.

Deshalb ist es, glaube ich, von zentraler Bedeutung, dass wir langfristig zu einer Klima­strategie auch für die Airlines kommen – die können über zehn, 15 Jahre hinaus nicht überleben, wenn sie nicht umstellen –, und genau das ist ja in diesem Paket ein bisschen mitgedacht. Das heißt, dieses kann dazu führen, dass die AUA langfristig besser dasteht, und es führt auch zu einer Wende im Mobilitätssektor, eben: weg von den Kürzest­streckenbilligflügen hin zu bequemer, komfortabler und schneller Bahn, die auch ent­sprechend unterstützt wird. (Abg. Deimek: Glauben Sie wirklich, dass irgendwer nach Wien mit dem Zug fährt und nicht nach München oder Frankfurt?) – Ja, ich mache das zum Beispiel: Ich fahre mit dem Zug nach Wien (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP), Sie vielleicht noch nicht, aber ich hoffe, dass auch Sie irgendwann einmal dort hinkommen werden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

10.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loacker. – Er wird es uns abschließend erklären. – Bitte.


10.17.12

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ja, wenn man sich die Ausführungen der Redner


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des Grünen Klubs so anhört, dann bekommt man schon ein bisschen Schmerzen, wenn es um die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge geht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: Zum Verzweifeln! Und da muss die arme ÖVP klatschen!)

Es ist mir schon klar – wenn Abgeordneter Deimek einwendet: was glauben Sie, fährt jemand nach Wien oder fährt er nach München? –, dass Sie, Kollege Schwarz, von Graz aus nach Wien fahren – das schon –, aber der Salzburger, der einen Flug braucht und diesen jetzt in Salzburg nicht kriegt, der fährt natürlich nach München und nicht nach Wien. (Abg. Matznetter: Ein Grazer fährt nach Ljubljana!)

Zu Kollegin Herr, die behauptet hat, das, was hier vorgehe, wäre etwas Liberales: Das muss ich für meine Fraktion natürlich weit von uns weisen. Ich kann jetzt einmal liberal erklären, wie das funktioniert: Wenn in ganz Europa maroden Fluglinien die Millionen nachgeworfen werden und damit das Angebot groß bleibt, dann sind natürlich die Preise für die Flüge unten. Das, was da passiert, ist also eine Subvention für billiges Fliegen – das muss man wissen. Die Grünen haben es nicht verstanden, aber die Kollegin Herr hat es auch nicht verstanden. (Beifall bei den NEOS.)

Die Standortgarantie ist natürlich eine potemkinsche, denn in ein paar Jahren wird halt die Fluglinie wieder dastehen (Abg. Kassegger: Das ist ein Dauersparschwein!), nach dem Motto: Das funktioniert ja, das hat schon einmal funktioniert; 500 Millionen dafür, dass die überhaupt weg sind! (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS.) – Die werden also wieder kommen und werden wieder sagen: Können wir ein bisschen Geld haben, denn sonst fliege ich hier nicht mehr?, und die ÖVP wird wieder sagen: Da, nehmt, wir haben ja genug! (Abg. Kassegger: Und die Lufthansa-Aktionäre freuen sich!)

Und dann muss man einmal schauen: Wo geht das hin? – Die Lufthansa hat nämlich in ihrer Bilanz für Pensionsverpflichtungen in Österreich 450 Millionen Euro drinstehen. Die AUA hat zwar ihre Leistungsverpflichtungen im Bereich Pensionen an eine Pensions­kasse ausgelagert, aber immer wenn diese nicht 6,5 Prozent erwirtschaftet, muss die AUA nachschießen. Das schaue ich mir an, ob diese Pensionskasse im Jahr 2020 6,5 Prozent erwirtschaftet! Das wird sie nicht, und es wird schon im nächsten Jahr ein zweistelliger Millionenbetrag fließen, damit die AUA ihre Pensionsverpflichtungen bedienen kann. Das haben Sie nicht abgesichert. (Abg. Weratschnig: Also die Pen­sionen streichen ...?!)

Und zum Thema staatliche Intervention, Kollegin Herr: Diese Pensionsverträge bei der AUA kommen aus einer Zeit, als der Staat seine Pfoten da drinhatte. Da müssten Sie jetzt also einmal hergehen und sich an Ihre (in Richtung SPÖ) Parteikollegen, die damals im Vorstand waren, und an Ihre (in Richtung ÖVP) Parteikollegen, die damals im Vorstand waren, wenden, die solche Verträge und solche Betriebsvereinbarungen abgeschlossen haben, die heute noch das auffressen, was Sie der AUA an Staatshilfe nachwerfen.

Da muss man sich jetzt einmal überlegen: Diese AUA ist in der Krise, und wer zahlt drauf? – Es werden 1 100 Jobs abgebaut, die, die ihren Job behalten, müssen Gehalts­verzichte hinnehmen und für weniger Geld arbeiten, und die Pensionisten, die monatlich vierstellige Zusatzpensionen bekommen, sitzen zu Hause und sind völlig unberührt, weil Sie es nicht geschafft haben, sie mit in die Ziehung zu nehmen. Da sind Ihre Partei­kollegen – Ihre Roten und Schwarzen aus dem Management – ganz vorne mit dabei. Die Erwerbstätigen haben die Nachteile. (Beifall bei den NEOS.)

Das zieht sich ja wie ein roter Faden durch die Rettungspakete, die uns von dieser Regierung präsentiert werden, nicht? Gestern ist uns auch präsentiert worden, dass jetzt die Bauern höhere Pensionen bekommen. Man muss einen Moment nachdenken – Coronakrise –: Wie ist eine Bauernpension von der Coronakrise betroffen? Ist die irgendwie kleiner geworden? – Nein, weil die Pensionen bei uns ja fix sind, und das ist


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auch gut so. Die bekommen aber jetzt eine Erhöhung – ganz unbürokratisch. Jeder, der eine Coronahilfe braucht, muss sich um jeden Hunderter anstellen, Formulare ausfüllen, bei der Wirtschaftskammer betteln, ob er 57,20 Euro überwiesen bekommt, aber die Bauern bekommen taxfrei ohne Antrag völlig unbürokratisch im Schnitt 450 Euro mehr Pension – super gemacht.

Es gibt keinen Schaden, keine Krise, aber man bekommt mehr Geld, wenn man bei der ÖVP, bei der richtigen Gruppe dabei ist. Das haben die Grünen auch wieder völlig verpennt. Was daran gerecht sein soll, können Sie niemandem erklären. So läuft das durch: Sie schauen auf Ihre Klientel, darauf, dass die ÖVP-Parteigänger sicher durch­kommen. Was mit den anderen ist, ist egal. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Schellhorn und Hanger.)

10.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

10.21.58Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen sogleich zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

Österreichisches Steuergeld für sichere Grenzen und Arbeitsplätze anstatt des EU-Finanzierungswahnsinns“

Folgende Mitglieder des Europäischen Parlaments wurden für die Teilnahme an der Aktuellen Europastunde nominiert: Abgeordnete Barbara Thaler für den ÖVP-Klub, für den grünen Klub Frau Dr. Monika Vana und für die NEOS Frau Abgeordnete Claudia Gamon. Sie sind alle hier. Ich darf die Mitglieder des Europäischen Parlaments recht herzlich in unserer Mitte im Nationalrat begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Als Erster zu Wort gemeldet ist Klubobmann Herbert Kickl. Ich darf ihm mitteilen: Er hat 10 Minuten Redezeit, wie er weiß. Er kennt die Geschäftsordnung bestens. – Bitte sehr.


10.22.54

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regie­rungsbank! Wir Freiheitliche haben uns vor ein paar Tagen entschlossen, dieses Thema heute hier im Zuge der Aktuellen Europastunde zu diskutieren – einfach deshalb, weil es wichtig ist und weil wir Ihnen, Herr Finanzminister, und mit Ihnen auch dem Bun­deskanzler eines nicht durchgehen lassen: dass Sie nämlich nach dem Corona­wahn­sinn, den Sie jetzt monatelang aufgeführt haben, nach dem Budgetbauchfleck mitsamt den vergessenen Nullen, den Sie hingelegt haben, jetzt die österreichische Bevölkerung ein weiteres Mal dadurch zum Narren halten wollen, dass Sie Hand in Hand mit einer offenbar größenwahnsinnig gewordenen Kommission der Europäischen Union – die sich ja in der Coronakrise nur dadurch ausgezeichnet hat, dass es ein Versagen auf breiter Front gegeben hat – Hunderte Milliarden Euro, die ja nur Nettozahlermilliarden sein können, von uns in Richtung Südeuropa verschieben wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist einmal mehr der gleiche Wahnsinn, den Sie schon im Zuge der Finanzkrise aufgeführt haben. Das ist Ihr Plan: eine Schuldenunion und nichts anderes, auch wenn Sie in der Öffentlichkeit dauernd andere Behauptungen aufstellen.

Ich habe ja vor ein paar Tagen noch nicht wissen können, dass die Fünfhauben­sudel­küche der ÖVP wieder angeworfen wird und am Vorabend der heutigen Veranstaltung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 56

zuschlägt. Die schwarz-türkisen Giftmischer waren wieder am Werk und haben über ihre Parteizeitung, den „Kurier“, ein Ibizakoksfoto in die öffentliche Diskussion gebracht. Ganz ehrlich, dazu kann ich als Klubobmann der Freiheitlichen Partei ja überhaupt nicht schweigen, denn sonst heißt es: Warum sagt er denn nichts dazu? Dazu muss ich ja etwas sagen, und Herr Blümel, es ist ein Glück, ein richtiger Glücksfall, dass ich Sie heute hier habe. (Heiterkeit der Abgeordneten Wurm und Leichtfried. – Abg. Leichtfried: Das ist aber ein zweifelhaftes Vergnügen!)

Eines ist jedenfalls klar: Die FPÖ verurteilt jede Form von Drogenmissbrauch, egal, wer einen solchen begeht – da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Eines sage ich Ihnen auch: Wenn dieser Herr, der auf dem Foto in allen Zeitungen abgebildet ist, gestern Abend noch Mitglied oder Funktionär der Freiheitlichen Partei gewesen wäre, wäre er es heute Früh nicht mehr, weil wir ihn hinausgeschmissen hätten. Ich sage Ihnen aber auch eines dazu: Das war überflüssig, weil er vor einem Jahr genau aufgrund von Ibiza zurückgetreten ist.

Jetzt, Herr Finanzminister, bin ich bei Ihnen und Ihrer Funktion als Eigentümervertreter im Zusammenhang mit der Öbag, der Österreichischen Beteiligungs AG. Wie steht es denn eigentlich da mit den Drogen – ich glaube, es war Kokain –, mit den Kokain­vorwürfen gegen Ihren Spezi, Herrn Schmid? Dazu habe ich doch auch den Medien etwas entnommen. Diese Vorwürfe sind doch auch aktenkundig, genauso wie bei Herrn Gudenus. (Abg. Matznetter: In der ÖVP ist das kein Problem!) Das pickt doch genau so, und ich gehe davon aus, dass es deshalb aktenkundig ist, weil es möglicherweise entsprechende Fotos, Chatprotokolle oder ähnliche Dinge gibt. Im Unterschied zu Ihrer Sudelküche, die gestern und vorgestern am Werk war, arbeiten dort die Netzwerke der ÖVP daran, diese Dinge unter Verschluss zu halten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Brandstätter.)

Ich sage Ihnen nur eines: Dieser Mann – Herr Schmid – verwaltet Milliarden­beteiligun­gen der Republik Österreich quasi im Alleingang, und vorher hatte er in seiner Funktion als Generalsekretär im kohlrabenschwarzen Finanzministerium die Verantwortung über Milliardenbeträge inne. (Abg. Brandstätter: Das ist Schnee von gestern! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ist er nicht – weil lang und breit darüber diskutiert wird – vielleicht auch erpressbar? Sie, Herr Blümel, sind sein Chef. Ich muss mich fragen: Was ist denn da los? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erwarte mir heute hier von Ihnen und von den Vertretern der Österreichischen Volkspartei eine klare und unmissverständliche Stellungnahme angesichts dieser Vorwürfe, die ja die gleichen wie gegen Herrn Gudenus sind, die Sie gestern in Umlauf gebracht haben. Jetzt möchte ich wissen: Werden Sie diesen Herrn halten, oder wird er gehen, wie wir es eigentlich schon lange fordern und wie es überfällig ist? Jetzt bin ich gespannt, was passieren wird: betretenes Schweigen oder eine Sternstunde der schwarz-türkisen Doppelmoral. Wir werden es gleich erleben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt komme ich zurück zu Ihren geplanten Anschlägen auf den österreichischen Steuer­zahler in Tateinheit mit der Europäischen Kommission. Stellen wir uns einmal Folgendes vor: Zwei Leute klopfen an Ihre Tür und bitten nacheinander um Hilfe. Der Erste, der klopft, ist ein Familienmitglied – anständig, fleißig, tüchtig, ein Mensch, der immer gearbeitet, gut gewirtschaftet und seriös geplant hat und der plötzlich ohne eigene Schuld in Not gerät und finanzielle Hilfe braucht. Das ist der Erste, der anklopft.

Dann klopft es ein weiteres Mal. Es ist ein Bekannter aus der erweiterten Nachbarschaft, möchte ich sagen, einer, dem schon sein schlechter Ruf ein wenig vorauseilt, der dafür bekannt ist, dass er gern auf großem Fuß lebt, der es sich zum Prinzip gemacht hat, permanent mehr auszugeben, als er einnimmt, der in den Tag hinein lebt – mit einem


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Wort jemand, der ohnehin regelmäßig kurz vor der Pleite steht und jetzt wieder einmal die Nachbarschaft abgrast. (Zwischenruf bei den Grünen.) Das ist der Zweite, der klopft, und jetzt frage ich Sie: Wem von den beiden würden Sie helfen?

Sie können hinaus vor das Parlament gehen und irgendjemand x-Beliebigen fragen. Ich glaube, die Antwort wird eindeutig sein. Die Menschen werden sagen: Es ist ja vollkommen klar, wir werden dem Familienmitglied helfen – das sagt einem ja schon der Hausverstand. Wer wird denn bitte die eigene Familie dafür hängenlassen, dass man einen Luftikus finanziert, mit der Garantie, dass er in ein paar Wochen wieder vor der eigenen Tür steht? (Beifall bei der FPÖ.)

Niemand würde den Luftikus finanzieren, meine Damen und Herren, auch wir Frei­heitliche nicht – niemand außer der österreichischen Bundesregierung mit ihrem Finanz­minister und der Europäischen Kommission. Sie entscheiden sich im Zweifelsfall für diesen Luftikus.

Übertragen wir dieses Bild einfach in die Jetztzeit, ins Jahr 2020! Das Familienmitglied, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die österreichischen Arbeitslosen, die Menschen, denen Sie eine Anhebung des Arbeitslosengeldes verweigern, weil Sie sagen, dass Sie keine falschen Impulse setzen wollen. Das ist eine Verhöhnung, dass es ärger nicht mehr geht, der Menschen, die Sie mit Ihrem Missmanagement in die Arbeitslosigkeit hineingetrieben haben und jetzt mit einem Bettel abspeisen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Familienmitglieder, das sind die österreichischen Unternehmen, denen Sie den Schadenersatz nach dem Epidemiegesetz nicht weggenommen, sondern gestohlen haben – man muss die Dinge ja beim Namen nennen, damit man weiß, worum es geht –; diesen Rechtsanspruch haben Sie ihnen gestohlen.

Die Familienmitglieder, denen man helfen müsste, das sind die österreichischen Wirt­schaftstreibenden, die in Ihrer Antragsbürokratie hängen bleiben, sodass am Ende gar nichts oder viel zu spät viel zu wenig rauskommt und die Frustration mit jedem weiteren Tag ansteigt, denen müsste man doch helfen; oder Touristikern und anderen. Für die haben Sie ein Unterstützungsmodell gefunden, das so ausschaut, dass man sich die Unterstützung durch einen gesteigerten Umsatz selber erarbeiten muss. Woher der kommen soll, die Antwort auf diese Frage sind Sie uns bis jetzt schuldig geblieben. Es geht auch um jene, für die Sie den guten Rat haben, dass sie zusätzlich zu den Krediten, die sie sowieso schon haben, noch weitere Kredite aufnehmen sollen. Das sind die Familienmitglieder – und da wird gespart und geknausert, dass es ärger nicht mehr geht.

Die Bekannten aus der Nachbarschaft – jetzt übertragen wir das auch –, für die Sie die Spendierhosen anhaben, das ist der Club Méditerranée der Europäischen Union, das ist die Dolce-Vita-Abteilung, das sind diejenigen, die in unschöner Regelmäßigkeit alle paar Jahre unter immer neuen Vorwänden wieder auftauchen, die Hand aufhalten und finanziert werden wollen, weil sie sich selber politisch und wirtschaftlich nicht so im Griff haben, wie es notwendig wäre, um Mitglied einer Hartwährungsgemeinschaft zu sein. – Man muss doch die Dinge beim Namen nennen! (Beifall bei der FPÖ.)

Da sind Sie großzügig. 700 Milliarden Euro – und es ist wurscht, ob das jetzt Kredite oder Zuschüsse sind, das Geld ist so oder so futsch, in Kenntnis der Handelnden; beides ist gleich schlecht –, mit einem entsprechenden Anteil aus Österreich, sollen auf die Reise geschickt werden! Ich kenne jetzt schon Ihre Behauptungen, dass Sie da härtesten Widerstand leisten werden, aber ich glaube es Ihnen nicht mehr, Herr Blümel! Ich glaube es Ihnen nicht. Erstens wird der Widerstand immer windelweicher, je näher der Tag der Entscheidung rückt, zweitens weiß ich, wie gerne Sie und der Herr Kanzler es haben, wenn Sie international gehätschelt werden, wenn Sie gemocht werden, wenn Sie Komplimente für Ihre Unterwürfigkeit bekommen. Ich habe es beim Nein zum


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Migrationspakt ja selber erlebt: Die Knie weich, die Gesichter bleich – das war damals der Zustand der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der FPÖ.) Wir haben Sie über die Ziellinie tragen müssen. – Wer wird Ihnen jetzt dabei helfen? Es ist ja keiner mehr da, der Sie aufrecht hält, wenn Sie umzufallen drohen.

Drittens haben Sie eine Spur der Verwüstung mit gebrochenen Versprechen durch das Land gezogen: rasche und unbürokratische Hilfe – gebrochen; keiner wird zurück­gelas­sen – gebrochen; Geld spielt keine Rolle – gebrochen; ein ordentliches Konjunktur­pa­ket – gebrochen.

Wissen Sie was? – Gebrochene Versprechen sind gesprochene Verbrechen, Herr Finanzminister, und die Wählerinnen und Wähler werden sich das merken! (Beifall bei der FPÖ.)

Für uns ist jedenfalls klar, wir brauchen jetzt jeden Cent im eigenen Land ...


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Redezeit ist aus, kommen Sie bitte zum Schluss!


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Wir haben nichts zu verschenken, wir haben gar nichts zu verschenken. Setzen Sie Ihre Prioritäten in Österreich und hören Sie auf, auf Kosten der österreichischen Bevölkerung den Wohltäter für andere zu spielen! – Das ist das, was sich die Menschen von einer Regierung erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

10.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister für Finanzen Blümel. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Bayr.)


10.33.41

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann, ich bin ja immer wieder von Ihren Redefiguren und Sprachbildern beeindruckt, ich darf aber trotzdem, weil es ein wichtiges Thema ist, das Sie für diese Aktuelle Europastunde gewählt haben – die Hilfen auf europäischer Ebene –, vielleicht zu ein wenig Sachlichkeit zurückkehren. (Abg. Kickl: Und auch die zweite Frage nicht ganz auslassen!)

Corona hat ganz Europa getroffen, alle Länder, natürlich auch Österreich. Wir haben mit Sicherheit noch alle die Bilder von Italien, von Spanien und von Frankreich im Kopf, die in die ganze Welt gegangen sind. In Italien waren die Gesundheitssysteme überlastet, viele Menschen sind gestorben. Es waren tragische Bilder von überall in Europa. Österreich ist besser durch diese Gesundheitskrise gekommen als all diese Länder. – Auch ein großes Danke für den Schulterschluss, den es damals hier im Hohen Haus dafür gegeben hat! Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eine ähnlich große Herausforderung ist natürlich all das, was die wirtschaftliche Situation im Zuge der Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch Corona, nach sich zieht. Diese Herausforderungen gibt es auf nationaler Ebene und auf internationaler Ebene. Auf nationaler Ebene haben wir gerade in den letzten Tagen mit dem insgesamt 50‑Mil­liarden-Euro-Paket eine entscheidende Antwort darauf gegeben. Auf europäischer Ebene braucht es ähnliche Antworten, und ich sage hier klar: Österreich ist bereit, zu helfen, und das tun wir auch, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben im Kreis der europäischen Finanzminister bereits vor Ostern ein Hilfspaket im Ausmaß von 540 Milliarden Euro geschnürt. Da geht es einerseits um 200 Milliarden Euro über die Europäische Investitionsbank, um kleinen und mittleren Unternehmen durch diese Krise zu helfen, um 240 Milliarden Euro an beschleunigten Kreditlinien durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus und um etwa 100 Milliarden Euro für ein


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europäisches Kurzarbeitsmodell gerade für die Länder, in denen eine sehr hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Österreich hat sich an all diesen Paketen in solidarischer Weise beteiligt, weil wir das auch als richtig empfinden.

Wir haben aber auch auf nationaler Ebene eine zweite Phase eingeleitet, nämlich die Phase des Wiederaufbaus, wenn man so möchte, und eine solche Phase braucht es auch auf europäischer Ebene. Und auch da sagen wir als Österreich nicht: Nein, das soll jemand anderer machen!, sondern auch da sind wir bereit, mitzutun – einerseits, weil wir proeuropäisch und solidarisch sind, andererseits aber auch, weil wir als kleines exportorientiertes Land, was die heimische Wirtschaft und auch die heimischen Arbeitsplätze betrifft, von starken Exportpartnern massiv profitieren.

Aber – und das möchte ich hier auch in aller Deutlichkeit sagen –: Der derzeit diskutierte Vorschlag wird nicht unsere Zustimmung finden. Da braucht es noch einiges an Verhandlungen und Nachbesserungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Er wird unsere Zustimmung deswegen nicht finden, weil er erstens eine zu hohe Belastung für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler darstellt und weil zweitens im derzeit vorgelegten Programm aus unserer Sicht auch die Treffsicherheit nicht gegeben ist und entschieden verbessert werden muss.

Dieser Meinung sind nicht nur wir, dieser Meinung sind auch einige andere Länder in Europa, und ich muss sagen, es hat mich persönlich ein wenig überrascht, als die Haltung der Gruppe dieser Länder als frugal bezeichnet wurde. Frei übersetzt ist das, glaube ich, als sparsam bezeichnet worden. Ehrlicherweise: Ich kann da momentan nichts als sparsam erkennen; also wenn 50 Milliarden Euro sparsam bedeutet, dann habe ich einen falschen Begriff von sparsam. Ähnliche Maßnahmen, wenn auch niedriger, setzen die anderen Länder, die diese Haltung haben: Dänemark, Niederlande, auch Schweden; also nicht gerade sparsam.

Aus meiner Sicht braucht es Treffsicherheit und eine faire Aufteilung, und insofern ist das keine frugale Haltung, sondern eine rationale Haltung oder eine nachhaltige Haltung, die, glaube ich, ganz Europa zugutekommen würde, wenn wir uns in dieses Paket als Teil dieser Gruppe auch wesentlich einbringen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend: Wir werden an dieser Linie natürlich festhalten – im Sinne einer nach­haltigen Entwicklung für Europa, aber auch im Sinne der österreichischen Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das war alles?)

10.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


10.38.35

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gut, Herr Klubobmann Kickl, dass ich Sie direkt vor mir habe. (Abg. Kickl: Es ist auch gut, dass eine Scheibe dazwischen drin ist!) Ich glaube, Sie haben die Europastunde mit einer Therapiestunde der FPÖ verwechselt. Wenn es um Ihren Vorgänger Johann Gudenus geht, wenn es um Ihren Vorvorgänger H.-C. Strache geht (Abg. Kickl: Sie haben ja jetzt Gelegenheit, auf den Herrn Schmid einzugehen! Tun Sie das in epischer Breite!), dann machen Sie das in Ihren Klub­sitzungen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Behelligen Sie nicht das Hohe Haus mit der Aufarbeitung Ihrer parteiinternen, zugegebenermaßen sehr, sehr großen Probleme! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Wenn Sie zu dem von Ihnen gewählten Thema der Europastunde von Wahnsinn sprechen: Das, was bei Ihnen vorgeht, das erinnert mich viel, viel mehr an Wahnsinn als das, was Sie als Wahnsinn anprangern, Herr Klubobmann Kickl! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Sie waren auch mit dabei!) Machen Sie Ihre Therapiestunden – da sind Sie ohnehin gut – im Klub, aber nicht hier im Plenum. Das ist schlichtweg meine Bitte. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Jetzt erzählen Sie was zum Herrn Schmid! Bleibt der Schmid oder geht er?)

Ich finde es schade, dass in einer Europastunde die Europaabgeordneten der SPÖ nicht mitdiskutieren, jene von uns, von den Grünen, von den NEOS tun das sehr wohl. Dass die SPÖ diese Möglichkeit, die wir seinerzeit gemeinsam geschaffen haben, nicht nützt, ist schade, denn ich halte die bestmögliche Zusammenarbeit der nationalstaatlichen Parlamente mit der europäischen Ebene, um zur richtigen Balance zu kommen, gerade in dieser Zeit für sehr wichtig.

Dass uns niemand missversteht, auch der Finanzminister hat es schon deutlich ange­sprochen: Ja, natürlich sind wir bereit zu großer Solidarität, aber unter den richtigen Rahmenbedingungen! Denn eines dürfen wir nicht vergessen, um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn nun von dieser 750-Milliarden-Euro-Hilfe ein Betrag von mehr als 80 Mil­liarden Euro – das ist die Größenordnung, die unser Budget vor der Coronakrise hatte – an Italien geht, dann erwarte ich mir schon – wir haben sehr gute Beziehungen zu Italien –, dass man, wenn man bis zu 500 Euro pro Familie dafür bekommt, dass sie an die Strände zurückkehren, um den Menschen wieder Lebensfreude zu geben, gleich­zeitig bereit ist, wenn das Geld also in Anspruch genommen wird, entsprechende Reformen durchzuführen. Diese sind in einzelnen Staaten bitter notwendig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: So wie die letzten 40 Jahre! Italien ist bekannt dafür, dass es die Reformen schnell umsetzt!)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum: weil diese Staaten schon vor der Coronakrise große Probleme hatten. Seit wir den Euro haben, seit der Jahrtausendwende hat sich die Eurozone sehr, sehr gut entwickelt. Wir haben da insgesamt beim Bruttoinlandsprodukt eine Steigerung von 18 Prozent, Österreich und Deutschland haben mehr als 25 Pro­zent, die Niederlande mehr als 20 Prozent. Italien hatte in diesem Zeitraum – vor der Coronakrise – ein Minus von 2 Prozent. Das, was wir nach 2007 gemacht haben, näm­lich die notwendigen Reformen, wurde in Italien verabsäumt. Auch wir hatten nach der Finanzkrise große Probleme, aber wir haben unsere Hausaufgaben erledigt, und wir erwarten uns, dass auch von diesen Staaten die Hausaufgaben erledigt werden, denn man kann sich nicht mit Milliardenhilfen von der europäischen Seite her über notwendige Reformen im eigenen Land hinwegschwindeln.

Hausaufgaben sind zu Hause zu erfüllen, und wir haben nun einmal keinen Zentralstaat Europa, sondern eine Struktur, bei der die Nationalstaaten die Hauptverantwortung haben. Das ist das, worum es uns geht – uns, den Schweden, den Dänen, übrigens sozialdemokratisch regiert, den Niederlanden, eine liberale Regierung, Frau Klubobfrau. (Abg. Meinl-Reisinger: Wo der andere liberale Partner dafür sorgen wird, dass das ...! Ich würde da den Mund nicht zu voll nehmen!) Das sind unsere Partner.

Ich sage Ihnen auch Folgendes: Nicht nur wir sehen das kritisch (Abg. Meinl-Reisinger: Dänemark ist eh schon draußen! Ihr steht allein da!), völlig unabhängig, Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger, sind sicherlich die Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat jetzt auch darauf hingewiesen, dass neben dem, was die Kommission mit einer riesigen Hilfsleistung vorhat, die notwendig ist, weil wir vor einer einzigartigen Herausforderung nach dieser Coronakrise stehen, die Verhältnismäßigkeit stimmen muss, wenn die EZB eingreift. Eine Zeitlang kann die EZB da natürlich noch helfen, indem sie entsprechende Ankäufe von Staats­anleihen vornimmt, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem die Verhältnismäßigkeit


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nicht mehr gegeben ist. (Abg. Steger: Der ist doch schon seit Langem erreicht! Das hat Sie noch nie gestört!) Und das wird richtigerweise vom deutschen Bundesverfassungs­gericht eingefordert. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt, der da ganz wichtig ist: Man muss wieder zu einer Trennung von Geld- und Fiskalpolitik kommen. Es kann wirklich nicht die Aufgabe der EZB sein, neben der Geldpolitik so massiv in die Fiskalpolitik einzugreifen. (Ruf bei der FPÖ: Das macht sie jetzt schon ...!)

Daher sage ich Ihnen: Das, was hier auf europäischer Ebene vorgesehen ist, ist kein Wahnsinn, Kollege Kickl, sondern das sind schwierige und notwendige Hilfsmaß­nah­men. Was aber auch richtig ist, ist: Wir müssen da achtsam sein. Solidarität ja, aber unter klaren Rahmenbedingungen und zeitlich befristet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger – in Richtung ÖVP –: Da ist eh schon nichts mehr übrig von eurer Position!)

10.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Leichtfried. – Bitte.


10.44.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es waren Robert Schuman, Paul-Henri Spaak, Louise Weiss, Anna Lindh, Altiero Spinelli und viele andere, die einen Traum gelebt haben, einen Traum, der hieß: aus den Trümmern und der Verzweiflung des Zweiten Weltkriegs hin zu einem neuen Europa, zu einem Europa, das anders ist, das dieser Kontinent noch nie zuvor gesehen hat. Es gab auch in Österreich Menschen, die unser Land in dieses Europa führen wollten und auch geführt haben: Es waren Busek, Mock, Ederer, Vranitzky und viele andere, die für unser Land diesen Traum wahrgemacht haben, diesen Traum, auf einem Kontinent zu leben, wo erstmals nicht mehr das Recht des Stärkeren gilt – wie in der gesamten europäischen Geschichte zuvor –, sondern die Stärke des Rechts; ein Traum, der Millionen von Menschen mitan­gesteckt und in Bann gezogen hat und der die Faszination dieser Europäischen Union eigentlich ausgemacht hat.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich aber diese Europäische Union verändert, sie ist eine Union, die anders geworden ist, die nicht mehr die Union des Friedens ist, nicht mehr die Union der Gerechtigkeit, des Ausgleichs, sondern sie ist eine Union des Egoismus und der Gier geworden, eine Union des Nationalismus, die plötzlich eine zweifache Mitgliedschaft vorgesehen hat: Wenn es etwas zu holen gibt, sind wir Mitglied, und wenn es darum geht, Solidarität zu leisten, dann geht uns diese Europäische Union nichts mehr an!, und eine Union der Gier der Superreichen, wo Steuerdumping nicht bekämpft wird, sondern zur Regel wird, und wo die Bedingungen für die Menschen, die jeden Tag hart für ihr Geld arbeiten müssen, schlechter geworden sind. – Das ist nicht die Union der GründerInnen, das ist nicht die Union, der wir beitreten wollten und beigetreten sind. Das ist das Europa, in dem die Le Pens, die Wilders, die Orbáns, die Kaczyńskis, aber auch die Straches, die Kickls, die Blümels und die Kurze das Sagen haben.

Das ist ein Europa, das das Abbild dessen ist, was jetzt bei uns passiert: ein Europa, in dem es auf der einen Seite Armut und Ungerechtigkeit gibt und Almosen gegeben werden und auf der anderen Seite die Superreichen immer reicher werden. Das ist nicht das Europa, das wir haben möchten, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was es braucht, ist: Schluss mit dem Steuerdumping (Abg. Wöginger: Sehr unter­schiedliche Oppositionspositionen!), her mit der Finanztransaktionssteuer, einheitliche


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Körperschaftsteuersätze, Schluss mit dem Lohndumping und endlich eine europäische Klimapolitik! Das ist das, was notwendig ist.

Da Sie, geschätzte Damen und Herren von der FPÖ, diese Europastunde mit Arbeits­plätzen und auch finanzieller Gerechtigkeit tituliert haben, muss ich sagen: Sie hätten ja zwei Jahre lang Gelegenheit gehabt, zu versuchen, das mit Ihrer türkisen Ex umzu­setzen! (Abg. Belakowitsch: Sie auch!) Was haben Sie gemacht? – Das Gegenteil haben Sie gemacht. Sie haben dafür gesorgt, dass dieses Europa nationalistischer geworden ist und dass dieses Europa schlechter für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer geworden ist – gemeinsam mit Ihrem türkisen Ex-Partner. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann ist diese neue Regierung gekommen (Ruf bei der FPÖ: Ich glaube, in der SPÖ stehen die Zeichen auf Generationenwechsel!), diese neue Regierung in dieser wich­tigsten Zeit für die Europäische Union. Es war kurz die Hoffnung da, dass es vielleicht etwas besser wird, aber diese Hoffnung war nur ein kurzer Schein, denn was kommt aus Österreich? – Unkoordiniertes Torpedieren der Europäischen Union, der europäischen Idee durch den Bundeskanzler, und die Grünen beschweren sich inzwischen schon per Brief bei Frau Merkel darüber. Das alles ist wirklich sehr kurzsichtig im Hinblick auf Europa. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.  Abg. Kickl: Ich glaube, in der SPÖ kündigt sich ein Generationenwechsel an!)

10.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Steger. – Bitte.


10.48.51

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir befinden uns in einer noch nie dagewesenen Krise, die Coronakrise zieht eine noch viel stärkere wirtschaftliche Krise nach sich, die uns wahrscheinlich noch lange beschäftigen wird. Wir haben in Österreich 1,6 Millionen Menschen, die arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, Tausende Unternehmen, die ums Überleben kämpfen, Tausende Vereine, die vor dem Nichts stehen, viele Menschen, die nicht wissen, wie es weiter­gehen soll. Und in dieser Situation sollen wir nun das so dringend benötigte Geld in Milliardenhöhe an die EU zahlen, damit sie es nach Italien und Spanien weiterverteilen kann. Anstatt das Geld für die eigene Bevölkerung, für die eigenen Unternehmen, Ver­eine, Organisationen zu verwenden, sollen wir für die Schulden anderer Länder zahlen und haften, die vor allem deswegen so schlecht dastehen, weil sie schon vor der Coronakrise so schlecht dagestanden sind. Ich verstehe es einfach nicht. Ich verstehe es nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe nicht, warum es auch die anderen Parteien in diesem Haus nicht stört, dass gerade diejenigen, die am schlechtesten gewirtschaftet haben, die sich nicht an die Maastrichtkriterien, an die Vorgaben, gehalten haben, nun diejenigen sind, die am meis­ten bekommen sollen – sie sollen ungefähr die Hälfte der gesamten Hilfszahlung bekom­men. Das sind jene Länder, die schon immer wirtschaftlich schlecht dagestanden sind; und diejenigen, die schon immer die Europäische Union finanziert haben, sollen auch dieses Mal wieder zahlen: die Nettozahlerstaaten. Was ist denn das bitte schön für ein Anreizsystem, sehr geehrte Damen und Herren? Solidarität ist schön und gut, aber wo ist die Solidarität mit der eigenen Bevölkerung? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Die Frage geht an die FPÖ!)

Die EU sieht Hilfspakete in der Höhe von fast 1,3 Billionen Euro vor, das sind 1 300 Mil­liarden Euro. Zuerst waren es 540 Milliarden Euro, und nun sollen laut Merkel und Macron auch noch 750 Milliarden Euro an Krediten und Zuschüssen folgen. Ich finde es ja fast lustig, dass sich Bundeskanzler Kurz hingestellt und dagegen aufbegehrt hat –


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man wolle keine Zuschüsse –, mit dem Ergebnis, dass wir nun sowohl Zuschüsse als auch Kredite haben, und zwar nicht mehr 500 Milliarden Euro, sondern 750 Milliarden Euro. Ich gratuliere zu diesem Verhandlungserfolg, sehr geehrte ÖVP! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie Ihren eigenen Worten folgen würden, dann dürften Sie diesen Hilfszahlungen niemals zustimmen. Sie sagen zwar jetzt, Sie werden nicht zustimmen, doch ich kann schon den gewaltigen Knall Ihres Umfallers hören, der in Kürze folgen wird.

Ich kann Ihnen sagen, dieses Geld – egal, ob Zuschüsse oder Kredite – werden wir sowieso nie wieder sehen. Es wird nie zurückgezahlt werden, denn diese Länder werden auch in ein paar Jahren nicht in der Lage sein, es zurückzuzahlen. Das sind also Geldgeschenke – egal, in welcher Form –, die am Schluss im EU-Haushalt und damit wieder einmal bei den Nettozahlern picken bleiben.

Doch das Schlimmste ist aber, dass die Krise in der EU wieder einmal dafür missbraucht wird, die eigene Macht und die eigenen Kompetenzen zu erweitern, und zwar in zwei­facher Hinsicht. Das erste Mal soll nämlich der EU gestattet werden, selber Schulden aufzunehmen und Finanzmittel auf dem Kapitalmarkt zu besorgen. Das wäre eine unglaubliche Kompetenzerweiterung und ein unglaublicher Tabubruch, vor dem ich nur warnen kann, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die EU nimmt Schulden auf und die Mitgliedstaaten werden dafür haften. Kurz hat angekündigt, zuzustimmen, solange es nur eine temporäre Schuldenunion ist. Werte ÖVP, dazu kann ich nur sagen, das ist eine Wunschvorstellung. Wir haben noch jede Kompetenz, die wir an die EU abgegeben haben, nie wieder zurückbekommen, und das wird auch in diesem Fall nicht der Fall sein, sehr geehrte Damen und Herren.

Der zweite Tabubruch wird auch demnächst kommen, nämlich betreffend die Frage der Finanzierung dieser Mittel. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es wird über den EU-Haushalt finanziert werden, das heißt, die Mitgliedsländer werden dafür zahlen, oder eben über EU-Steuern. Das wäre der nächste gewaltige Tabubruch, sehr geehrte Damen und Herren, weil die Europäische Union derzeit keine Steuerhoheit hat. Wenn wir diese abgeben, dann bedeutet das, wir würden einen der größten Lenkungs­mecha­nismen abgeben, den ein Staat hat, sehr geehrte Damen und Herren, und dann wird die EU auch in Zukunft neue Steuern einführen, und dann wird die Europäische Union in Zukunft nicht nur dem Nationalstaat, sondern auch direkt den Bürgerinnen und Bürgern in die Börsen greifen können, und das wird es mit uns sicher nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit diesen Hilfszahlungen werden also alle EU-Verträge gebrochen, in denen klar und deutlich steht: no Bail-out, keine Haftung für Schulden anderer Staaten, und das aus dem einfachen ökonomischen Grundprinzip heraus, dass das Einstehen für Schulden dazu führt, dass immer mehr Schulden gemacht werden. Natürlich soll man Krisen­ländern in Notsituationen helfen, aber es ist immer eine Frage des Maßes und auch eine Frage dessen, wie man selber wirtschaftlich dasteht, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich kann nur sagen, diese Hilfspakete widersprechen allen EU-Verträgen. Der öster­reichi­sche EU-Beitrag wird seit Jahren erhöht, und das wird auch jetzt wieder der Fall sein, wenn wir dem zustimmen. Die Schulden in der EU werden seit Jahren gewaltig erhöht, die Staatsanleihenkäufe werden seit Jahren gewaltig erhöht. Nun folgt auch bald eine Verschuldung der Europäischen Union. Wir werden in eine ungerechte Schulden- und Transferunion schlittern. Wir schlittern in eine gewaltige Wirtschafts- und Währungs­krise, und ich bin immer wieder in den Ausschusssitzungen schockiert, dass die einzige Gefahr für die Europäische Union, die die anderen Parteien in diesem Haus sehen,


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immer noch die rechten Parteien sind. Ich sage nur: Wie blind kann man sein? (Beifall bei der FPÖ.)

10.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Vana. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


10.54.50

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Mitglied der Bundesregierung! Liebe Abgeordnete! Liebe KollegInnen! Hohes Haus! Geht es nach unseren EU-NachbarInnen - - Nein, ich muss anders anfangen, tut mir leid! (Abg. Belakowitsch: Fangen Sie neu an! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Sie können es noch mal probieren, der Kurz macht das auch ständig!)

Geht es unseren EU-Nachbarn und -Nachbarinnen gut, geht es auch Österreich gut. Dieses Nachbarschaftsprinzip hat vor der Coronakrise gegolten und gilt auch jetzt umso mehr, noch dazu, da Italien und andere durch Covid-19 unverschuldet in die Krise ge­schlitterten Länder nicht nur unsere Nachbarn sind – da schließe ich an Kollegen Leichtfried an –, sondern unsere europäischen Partner und Partnerinnen.

Wir teilen längst überwunden geglaubte Grenzen und gemeinsam überwundene Gren­zen, wir teilen eine gemeinsame Währung, wir teilen gemeinsame europäische Prinzi­pien und Werte und wir teilen die sogenannten vier europäischen Freiheiten. Wir teilen die Einsicht, dass europäische Solidarität das Gebot der Stunde ist, und das schließt natürlich alle Menschen ein, die in einem europäischen Land leben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Yılmaz.)

Unter diesem Titel sollte diese Aktuelle Europastunde der FPÖ eigentlich stehen. Dass die FPÖ lieber über ihren Fetisch Grenzschutz oder die angebliche Verschwendung von Steuergeldern für die EU sprechen will, passt zur FPÖ, ist aber wieder einmal The­menverfehlung, und man sieht ja auch, welche Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Thema heute gestartet werden. Verwendung von Steuergeldern und FPÖ ist überhaupt ein Widerspruch in sich, wenn man sieht, was alles täglich über die frühere Regie­rungsbeteiligung der FPÖ ans Licht kommt. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben ja heute nicht einmal einen eigenen Abgeordneten des Europäischen Parla­ments eingeladen, was ich sehr bitter finde (Abg. Kickl: Na weil es heute eine Ver­anstaltung des Europäischen Parlaments gibt! Wofür sind sie denn gewählt?), weil Europa ein wichtiges Thema ist. Sie haben auch nicht mitbekommen – das sah man bei Ihrer Rede (in Richtung Abg. Kickl) und der Rede von Frau Kollegin Steger –, dass sich Europa gerade in der Aufarbeitung der schlimmsten Wirtschafts- und Sozialkrise befindet und sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum ersten Mal auch richtig bewähren muss.

Deshalb werde ich mich heute als Grüne auch auf die europäischen Herausforderungen konzentrieren, über die wir hier reden sollten, nämlich: die europäische Solidarität, die gemeinsame Bewältigung der Krisen und ein nachhaltiges EU-Budget – da schließe ich an den Herrn Finanzminister an –, das den Mitgliedstaaten den Weg aus den Krisen ermöglicht und sie dabei unterstützt.

Sie sehen, ich sage Krisen, denn es sind mehrere Krisen, die wir zu bewältigen haben. Es ist einerseits die Gesundheitskrise mit dem Virus, andererseits aber auch eine Wirtschaftskrise, eine Sozialkrise, und wir haben eine Klimakrise zu bewältigen. Das ist das Thema, das dieser Tage im Europaparlament besprochen wird (Abg. Kickl: Heute zum Beispiel!) – heute am Nachmittag beginnt unser dreitägiges Plenum (Abg. Kickl: Na eben!) –, das ist das Thema, das auch die Staats- und RegierungschefInnen am Freitag bei ihrem EU-Gipfel besprechen werden und das ist das Thema, über das wir


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Grüne heute hier reden wollen und über das man in dieser Nationalratssitzung auch reden sollte.

Wir können diese Krisen nur gemeinsam bewältigen, und zwar mit einem massiven euro­päischen Aufbau- und Umbauprogramm, mit sozialer Gerechtigkeit und Klimagerech­tigkeit und mit einem europäischen Green Deal. (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grüne sind dabei auf allen Ebenen kompromisslos proeuropäisch. Wir sind euro­paweit als europäische Grüne geeint. Nur mit einer echten Klima- und Sozialunion – zum Beispiel mit europaweiten gemeinsamen sozialen Mindeststandards – werden wir die wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Krisen sowohl auf der Ebene der Mitglied­staaten als auch für die Bürger und Bürgerinnen bewältigen – davon sind wir Grüne überzeugt.

Was heißt das für uns? – Das heißt, wir müssen sofort beginnen, unser Wirtschafts­system und unsere Gesellschaft nachhaltig zu gestalten. Statt mit Steuergeld fossile Brennstoffe zu fördern, brauchen wir jetzt Investitionen, und zwar Investitionen in nach­haltige Mobilität, Energiewende und nachhaltige Arbeitsplätze. (Präsidentin Bures über­nimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, es geht um nichts weniger als den europaweiten Umbau der Wirtschafts- und Sozialsysteme in eine Klima- und Sozialunion. Die Stunde der EU ist jetzt! Wenn Nationalstaaten an ihre Grenzen kommen, dann kann Europa und können wir diese überwinden. Das ist die Grundidee der Europäischen Union und das ist, siehe Aktuelle Europastunde, aktueller denn je. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete aus dem Europaparlament Claudia Gamon. – Bitte.


10.59.42

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier diesmal um alles: Es geht in dieser Diskussion um das Wiederaufbaupaket. Es geht nicht nur darum, ob und wie gut Europa aus der Krise kommt. Es geht darum, ob wir überhaupt gemeinsam aus dieser Krise kommen werden, ob am Ende noch alle dabei sein werden, dass wir niemanden am Weg aus der Krise heraus verlieren. Es geht darum, ob Europa danach überhaupt noch eine Rolle spielen wird oder ob die Weltpolitik nach dieser Krise von jemand anderem gemacht werden wird und wir nur noch ein Beiwagerl sein werden. (Beifall bei den NEOS.)

Das EU-Parlament ist diesbezüglich als Erstes in die Vorlage gegangen, dann sind Deutschland und Frankreich mit einem Vorschlag für die KollegInnen im Rat vor­geprescht. Die Diskussionsgrundlage der EU-Kommission liegt jetzt am Tisch. Es ist ein Wiederaufbaupaket, das garantieren soll, dass die europäische Wirtschaft nicht nur überlebensfähig durch die Krise kommt, sondern auch danach widerstandsfähig und zukunftsfähig sein wird – nachhaltig! Es geht darum, wie meine Vorrednerin gesagt hat, ob eine Zukunft für unsere Union überhaupt möglich sein wird. Dass sich das offizielle Österreich, vertreten durch die schwarz-grüne Bundesregierung, da mit dieser Schall­platte mit den gleichen vier Sätzen, die immer wieder gespielt wird, gegen diesen Vorschlag aufstellt, ist für diesen Diskurs wirklich beschämend, finde ich. (Beifall bei den NEOS.) Es ist beschämend, es ist ein Risiko für diesen Kontinent. Es ist ein Risiko, dass das offizielle Österreich da für uns eingeht. Es ist das Risiko, dass diese Hilfe nicht zustande kommen könnte oder nicht ausreichend sein wird. Es ist das Risiko, dass diese


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Zukunft für die nächste Generation in der Europäischen Union nicht da sein wird, nicht möglich sein wird.

Diese Position dieser geizigen vier – wie man darauf übrigens stolz sein kann, ist mir überhaupt nicht verständlich, das ist ein Verein der Zukunftsverweigerer, in dem sich jetzt auch Österreich befindet und darauf auch noch stolz ist – ist die simple Message: Das wollen wir einfach nicht!, ohne auf Details einzugehen oder eine eigene Vorstellung zu liefern, was man denn stattdessen machen würde. Es ist die totale Weigerung, sich mit der Größenordnung des Problems auseinanderzusetzen. Es ist die intellektuelle Weigerung, sich damit auseinanderzusetzen, welche Maßnahmen wirklich notwendig sind. Schlussendlich ist es – mit der Zusatzkommunikation, die von diversen Ministerin­nen und Ministern kommt, die auch vom Bundeskanzler kommt – die Unfähigkeit, die Wirtschaftshilfe in Österreich im Moment auf gute Beine zu stellen – die Schuld daran wird der EU in die Schuhe geschoben. (Beifall bei den NEOS.)

Wir können keine Hilfen auszahlen: Die EU ist schuld! Irgendwelche Regeln stehen uns im Weg: Die EU ist schuld! Wenn man da genau hinschaut und auch betrachtet, wer denn letztendlich Schuld daran ist, dass die Hilfe nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, dann muss man bei sich selbst hinschauen.

Die Europäische Union will einen Plan aufsetzen, der garantiert, dass die nächste Generation in der Union eine Zukunft hat, eine Zukunft im gemeinsamen Europa. (Abg. Kassegger: Die haben nur die Schulden zurückzuzahlen die nächsten 40 Jahre! Das ist der Plan, und das ist kein guter Plan!) Ein Großteil dieses Wohlstands, den wir auch in Österreich haben, auch dieser Grundlage, worüber jetzt viele hier sagen: Wir sind jetzt vielleicht vergleichsweise gut bis hierher gekommen, weil wir früher auch ab und zu ein wenig besser gehaushaltet haben als andere!, kommt auch daher, dass wir in unserer Wirtschaft so eng mit unseren Nachbarländern vernetzt sind. Der Erfolg in Europa kommt von der Gemeinsamkeit. Der Erfolg in Europa kommt von der Zusammenarbeit – und wir sind drauf und dran, das alles zu riskieren. Wir riskieren die Grundlage, auf der unser Wohlstand aufbaut. Wir riskieren mit dieser destruktiven Haltung, die wir da an den Tag legen, alles.

Dabei wäre es so wichtig, dass wir stattdessen endlich anfangen, über die Details zu reden: Wie sollen diese Recovery- und Resilienceplans, auf denen das Ganze basiert, denn genau ausschauen? Wie schaut die Kontrolle aus? Aber dadurch, dass diese geizigen vier genau diese Debatte verhindern, kommen wir erst gar nicht dazu, über das zu sprechen. Diese Solidarität, um die es jetzt hier geht, dass man bereit ist, in die Vorlage zu gehen, bereit ist, in die Zukunft zu investieren, auch bereit ist, zugunsten eines anderen, eines nachhaltigeren, eines digitaleren Europas der Zukunft finanzielle Solidarität zu leisten und füreinander da zu sein, ist meiner Meinung nach nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern es ist auch eine Verantwortung gegenüber der österreichischen Wirtschaft, es ist eine Verantwortung gegenüber den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern, die nur in einem gemeinsamen, starken Europa eine Zukunft haben werden. Alles andere ist Zukunftsvergessenheit, es ist beschämend, es ist ein Risiko für unsere Kinder, es ist ein Risiko für unsere Zukunft. Wir sollten uns für ein starkes Europa einsetzen, denn das ist alles, was wir haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte.


11.05.03

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Dieser größte gesundheitliche und auch wirtschaftliche


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Notfall, den wir derzeit mit dieser Coronapandemie erleben, beschert uns leider auch die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Man muss sich das immer wieder vor Augen führen: ein Einbruch der Weltwirtschaft laut Schätzungen der Weltbank von über 5 Prozent, wie ich sagen würde, mit Potenzial nach oben – oder in diesem Fall leider: nach unten –, oder ein Einbruch innerhalb der EU von über 7, 7,5 Prozent. Das sind dramatische Zahlen, die da auf dem Tisch liegen. Der Weltbankpräsident hat schon recht, wenn er sagt, dass in dieser Situation zunächst – natürlich immer im Rahmen der Möglichkeiten der jeweiligen Länder – Notfallhilfe und Akutversorgung dringendst not­wendig sind.

Gott sei Dank sind wir in Österreich auch als Staat budgetär in der Lage, Hilfspakete, Restrukturierungspakete, aber auch Konjunkturpakete in einer Größenordnung von zwischenzeitlich 50 Milliarden Euro zu schnüren. Es würden sich viele andere Staaten wünschen, dass sie der Bevölkerung und der Wirtschaft in diesem Maße helfen können. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Wir können es, und wir tun es auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Wir dürfen dabei aber auch nicht übersehen, dass Österreich ein Exportland mit fast 60 Prozent Exportanteil ist. Das heißt, wir erwirtschaften 60 Prozent unseres Wohl­standes über Exporte in andere Länder, und von diesen 60 Prozent wieder 70 Prozent innerhalb der Europäischen Union. Davon entfallen etwa 10 Milliarden Euro auf Italien und etwa 2,5 Milliarden Euro auf Spanien, also zwei Länder, die ohnedies und zuge­gebenermaßen nicht ganz ohne eigenes Verschulden budgetär in großen Schwierig­keiten sind, die aber jetzt natürlich von dieser Krise ganz besonders gebeutelt sind und sich in dieser schwierigen Situation selber nicht so helfen können, wie wir das selber können.

Nur zur Verdeutlichung: Der Exportmarkt mit Italien, diese 10 Milliarden Euro, ist für uns immerhin der zweitstärkste Exportmarkt nach jenem mit Deutschland und macht den selben Anteil an unserem Export wie beispielsweise unser Export in die USA aus. Dieser Export in der Höhe von 2,5 Milliarden Euro nach Spanien macht etwa gleich viel wie unsere Exporte nach Russland oder nach China aus. Ich sage das nur, um zu ver­deutlichen, welche Bedeutung diese Länder und das Wirtschaftstreiben mit diesen Ländern letzten Endes auch für unseren eigenen Wohlstand haben; also wegen dieser 8 Prozent Exportanteil nach Italien und Spanien. Meine Damen und Herren, das heißt, es kann uns in Österreich nicht egal sein, wie es unseren Wirtschaftspartnern Italien und Spanien, um nur die zwei herauszugreifen, geht.

Herr Kickl, es kann auch unseren Beschäftigten in Österreich nicht egal sein – die Sie freundlicherweise als Familienmitglieder bezeichnet haben, das sind sie ja auch –, wie es unseren Wirtschaftspartnern, zum Beispiel Italien und Spanien, geht, weil die Exporte nach Italien und Spanien 8 Prozent unserer Gesamtexporte ausmachen (Abg. Kickl: Ja, eh!), weil sie 3 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes ausmachen und über 100 000 Jobs von hier in Österreich beschäftigten Menschen sichern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Jetzt kaufen wir unser ... selber!)

Das heißt, meine Damen und Herren, Versuche zur Stabilisierung der Wirtschaft in Krisenländern sind auch ein Beitrag zur Jobsicherung in Österreich, zur Sicherung von Jobs, wie Sie es genannt haben, von Familienmitgliedern, von Österreicherinnen und Österreichern, die sonst ihren Job verlieren würden. Das ist notwendig, oder umgekehrt, Herr Kickl: Das nicht zu tun, wäre ein zusätzlicher Schaden an den Österreicherinnen und Österreichern und deren Jobs. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Jetzt müssen Sie sich einmal entscheiden, ob Sie hinter der Merkel herreden oder hinter wem anderen!)


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Es kann uns, Herr Kickl, da gebe ich Ihnen schon recht, aber auch nicht egal sein, wie diese Länder innerhalb des Landes wirtschaften. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Des­wegen muss klar sein – da ich bin sehr für eine Differenzierung –: Wir nehmen – ob über Zuschüsse und/oder Kredite – Geld für die Stärkung der Wirtschaft in diesen Ländern in die Hand (Abg. Steger: Also zahlen wir nichts!), aber nicht ohne Bedingungen (Abg. Steger: Das wird zum Schuldenabbau verwendet!), kein Geld direkt in den allgemeinen Haushalt dieser Länder, sondern in direkte Hilfen in die Wirtschaftsstrukturen (Abg. Meinl-Reisinger: Lesen Sie die Vorschläge der Europäischen Union?), sodass letzten Endes die Menschen dort davon profitieren können, aber nicht zuletzt – indirekt – auch die Menschen in Ländern wie Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Und eines sage ich auch dazu (Abg. Kickl:  – auf die rot leuchtende Lampe am Red­nerpult weisend –: Schon aus!):


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schlusssatz kommen!


Abgeordneter Karlheinz Kopf (fortsetzend): Diese Gelder beziehungsweise diese Hilfsgelder sollen nicht ohne Bedingungen bezüglich Reformen zur Sanierung der eigenen Haushalte an diese Länder gehen. Hilfe? – Ja, aber unter strengen Auflagen und unter größtmöglichen eigenen Anstrengungen in diesen Ländern, nur unter diesen Bedingungen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

11.10


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.11.01

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich eines festhalten: Die Europastunde zeigt uns eines: Europa ist ein Teil von uns, Europa ist etwas, zu dem wir uns auch wirklich bekannt haben und vor allem ist Europa auch etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Gerade deshalb finde ich es immer wirklich sehr bedrückend und eigentlich unerträglich, wenn wir bei vielen Pressekonferenzen, Interviews oder öffentlichen Auftritten ständig hören: Wir – und die anderen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist bedauerlich, dass wir in der größten Krise der neueren Geschichte noch immer von Einzelhandlungen und Inselaktionen reden und eine Verankerung des europäischen Gedankens noch immer nicht vorhanden ist.

Gerade Österreich rühmt sich immer, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei uns besonders niedrig war – das war auch gut so; die aktuellen Zahlen zeichnen da ja ein sehr düsteres Bild, denn die Schere zwischen offenen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden klafft immer weiter auseinander –, aber eine Lost Generation darf und kann nicht nur in Österreich Thema sein. Eine starke, selbstbewusste nächste Generation in ganz Europa muss für uns einfach Priorität haben! Es braucht schleunigst flächendeckend Jugend­beschäftigungsprogramme, um Depression, Chancen- und Arbeitslosigkeit der jungen Generation abzuwenden. Wir alle sitzen im selben Boot! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Wenn wir lesen, dass im April 2020 15 Prozent der jungen Menschen unter 25 arbeitslos waren – das sind 2,8 Millionen Menschen in der Europäischen Union – und Griechen­land und Spanien sogar einen Wert von über 30 Prozent hatten, dann sind das Zahlen, die uns zum Handeln auffordern müssen. Wir müssen vor allem den Weg in Richtung einer echten Sozialunion gehen, das muss auch auf unserer Agenda betreffend den europäischen Gedanken ganz, ganz oben stehen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Auch EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit betonte, dass wir aktuell wirklich riskieren, dass die Jugendlichen die größten Opfer dieser Krise werden, weil sie entweder noch nicht am Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben oder weil sie in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, und wir als Europa müssen jetzt zeigen, dass wir diese junge Generation nicht opfern.

Genauso wie die Coronakrise nicht am Brenner haltmacht oder kurz vor Passau sagt: Ups, Grenze!, so tut es auch die Klimakrise nicht; wir haben schon gehört, dass das jetzt auch im Europaparlament Thema ist. Diese Klimakrise schwebt seit geraumer Zeit wie ein Damoklesschwert über uns, und deswegen ist ein Green Deal für Europa jetzt wichtig: Er darf nicht länger auf die lange Bank geschoben werden, wir müssen jetzt in eine saubere Zukunft investieren, weil das gleichzeitig auch die Konjunktur ankurbelt und einen nachhaltigen Planeten und unsere Zukunft sichert. Es braucht eine klare budgetäre Absicherung dieses Green New Deals! (Beifall bei der SPÖ.)

Eines noch zum Titel dieser Europastunde – Kollege Kickl ist jetzt nicht da, aber man fühlt sich fast in seine Generalsekretärszeiten zurückversetzt –: Es ist eine Milch­mädchenrechnung, und zwar eine Milchmädchenrechnung wie folgt: Österreich ist ein Exportland, das heißt, Güter, die bei uns produziert werden, werden ins Ausland exportiert und dort verkauft. Die Logik sagt: Wenn meine Abnehmerin/mein Abnehmer pleite ist, dann zahlt es sich für mich als Unternehmen nicht aus, dass ich ein Gut pro­duziere. Maschinen stehen still, Büros bleiben leer, Arbeitsplätze gehen verloren und Betriebe müssen schließen – und da geht es ganz klar auch um österreichische Arbeitsplätze. Eigentlich ist das kleine Einmaleins einer vernetzten Wirtschaft in Europa nicht ganz so schwer zu verstehen – aber gut.

Abschließend möchte ich noch eines festhalten: Es geht um drei wesentliche Dinge, wenn wir über die Zukunft Europas sprechen: Es geht um eine Jugend, die nicht von Arbeitslosigkeit betroffen ist, sondern von Chancen profitiert; es geht um eine Umwelt, die Artenvielfalt und Lebensqualität sichert, und einen Green New Deal, der vollends umgesetzt ist; und es geht um ein Europa, das geeint und gestärkt agiert, sich nicht im nationalstaatlichen Klein-Klein verliert und gemeinsam und visionär handelt. (Beifall bei der SPÖ.)

11.15


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer zu Wort. – Bitte.


11.15.51

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lieber Herr Finanz­minister Blümel! Wir erleben dank der Maßnahmen dieser schwarz-grünen Bundes­regierung in Österreich Rekordarbeitslosigkeit, Betriebspleiten und Armut in Bevölke­rungs­gruppen, in denen es diese bisher nicht gab, Menschen ohne Perspektiven, Menschen, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Wir erleben seit Wochen und Monaten zweimal, dreimal in der Woche Ihre berühmten Pressekonferenzen in den ver­schiedenen Besetzungen – meistens die maskierten vier; jetzt neuerdings ohne Maske –, und da wird immer wieder von neuen Hilfspaketen in Milliardenhöhe gesprochen.

Das Problem, und das ist ja bekannt, ist, dass diese Zahlungen im Regelfall zu spät, nur teilweise oder vielfach gar nicht ankommen. Und was machen Sie jetzt? – Sie stellen sich hierher und reden von diesen EU-Hilfen in Milliardenhöhe. Keiner weiß, in welcher Höhe das am Ende ausgezahlt wird: Werden es 500 Milliarden Euro werden, werden es gar 1 000 Milliarden Euro werden oder werden es überhaupt 1 300 Milliarden Euro wer­den? Es sind unfassbare Summen, die Sie immer wieder kolportieren, und das


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besonders Schlimme daran ist, dass das nicht nur Kredite sein werden, sondern auch Zuschüsse, das heißt, das Geld der europäischen und somit auch der österreichischen Steuerzahler wird an jene Länder verschenkt, die auch vor der Coronakrise schon Tradition darin hatten, wirtschaftliche Probleme zu haben, vornehmlich die südeuro­päischen Länder.

Herr Blümel, ich glaube nicht, dass Sie das so durchziehen, wie Sie sich jetzt insze­nieren – Sie sind die Sparsamen und die Mahner und hin und her –, Sie werden am Ende des Tages umfallen. Warum fallen Sie um? – Weil die ÖVP immer umfällt! Sie fallen nach links um, noch vorne oder nach hinten: Am Ende des Tages werden Sie in irgendeine Richtung umfallen – das hat Ihnen Klubobmann Kickl schon vorhin dargelegt, und das wissen Sie ganz genau –, weil es in der DNA der ÖVP ist, dass Sie auf europäischer Ebene gut dastehen, dass Sie von Ihren Partnern gehätschelt werden möchten und dass Sie möchten, dass Ihnen in Brüssel auf die Schulter geklopft wird. (Beifall bei der FPÖ.) Die Österreicher aber, die aufgrund Ihrer Politik vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, werden Ihnen sicher nicht auf die Schulter klopfen, Herr Blümel.

Jetzt liest man ganz aktuell Berichte, dass über diese Rettungs- oder Hilfsgelder – oder wie auch immer das dann genannt wird – hinaus zusätzliche Gelder für diesen Flücht­lingspakt, der ohnehin nie wirklich funktioniert hat, an die Türkei fließen sollen. Von einer halben Milliarde Euro zusätzlich ist die Rede, obwohl 2016 schon 6 Milliarden Euro zugesagt wurden.

Was ist passiert? – Wir haben es erlebt: Mitten in der schwersten Krise Europas der jüngsten Vergangenheit, nämlich während der Coronapandemie im Februar und im März, ist Erdoğan hergegangen und hat, weil diese 6 Milliarden Euro anscheinend zu langsam oder noch nicht ausreichend geflossen sind, weil er mehr Geld benötigt, der Europäischen Union gedroht, die Grenze aufzumachen. Wir kennen die Bilder, die wir damals gesehen haben: Das waren unschöne Bilder, bei denen es zu wüsten Szenen an der Grenze gekommen ist. Und Erdoğan hat gesagt: Hey, Griechenland, mach auch du deine Grenze auf und schick sie weiter in die Europäische Union, dann sind wir dieses Problem los!

Diese Erpressungsmaßnahmen des Herrn Erdoğan können wir uns nicht länger bieten lassen! Dieser Flüchtlingspakt war von Anfang an falsch. Die FPÖ hat immer davor gewarnt, und jetzt sehen wir, was wir davon haben, wenn wir mit einem Despoten wie Erdoğan in der Flüchtlingsfrage einen Deal eingehen. Das ist ein Fass ohne Boden, und die Europäische Union wird dauerhaft erpressbar sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Als Griechenland in dieser schwierigen Zeit glücklicherweise die europäische Außen­grenze verteidigt hat, hatte Herr Erdoğan nichts Besseres zu tun, als die Methoden der Griechen, die nichts anderes gemacht haben, als die Außengrenze zu schützen, mit jenen der Nazis zu vergleichen. Das sind die Herrschaften, mit denen Sie Deals machen, denen Sie unsere Steuermilliarden hinten reinschicken. Das kann es ja wirklich nicht sein! Diese unverantwortliche Politik gehört beendet.

Jetzt, ganz aktuell im Juni, haben wir Warnungen vonseiten des Chefs der Frontex, der Grenzschutzagentur, gehört, dass es zu massiven Übertritten kommt, dass es alleine im Monat Mai 4 500 illegale Grenzübertritte gegeben hat, und die Route über die türkische Grenze – zu Griechenland, aber auch zu Bulgarien – ist nach wie vor die Hauptmigra­tionsroute in die Europäische Union, und das trotz dieses glorreichen Flüchtlingspaktes.

Meine Damen und Herren, die EU hat in der Coronapandemie massiv versagt. Sie versagt massiv im Außengrenzschutz, was ja ihre ureigenste Aufgabe ist, was auch das Versprechen beim Schengenabkommen war. Da können wir Österreicher nur sagen: Wir


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brauchen jeden Cent im eigenen Land, wir brauchen jeden Cent für jene, die arbeitslos geworden sind.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt den Schlusssatz for­mulieren!


Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Was wir nicht brauchen, ist, dass auch nur ein zusätzlicher österreichischer Steuercent an diese Geldver­schwen­der in Brüssel geht. (Beifall bei der FPÖ.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


11.21.41

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Die Aktuelle Europastunde könnte ja nicht aktueller sein, und ich weiß nicht, was ich davon halten soll, wenn ich zum einen den Aufmerksamkeitsgrad hier beobachte, der gegen null tendiert, und mir zum anderen die Redebeiträge anhöre, die einem Wirrwarr von populistischen Zusammensetzungen, an die eigene Zielgruppe angepasst, und weniger einer wirklich sachlichen Auseinandersetzung gleichkommen.

Europa steht zweifelsohne vor großen Herausforderungen, und die Coronapandemie hat wie ein Röntgengerät, wie ich immer sage, genau das sichtbar gemacht, was wir schon davor an Defiziten kannten. Die Frage ist aber, wie wir jetzt damit umgehen. Verweigerer war heute schon ein adäquates Wort, wie ich meine, wenn es nämlich um den Umgang der FPÖ mit all diesen Herausforderungen geht. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ich frage mich wirklich ernsthaft, wieso Sie nicht einen Öxitantrag stellen und gleich dazu stehen (Abg. Steger: Sie gehen nie auf Argumente ein! Sie sagen immer nur ...!), dass Sie nicht nur die Realität, sondern auch jegliche sachliche Auseinandersetzung zu die­sem Thema verweigern, dass Sie in diesem Europa wirklich, ich weiß nicht, spalten statt gestalten wollen (Abg. Steger: Sagen Sie was zu konkreten Punkten!) und eigentlich keinerlei Interesse an einer sachlichen Auseinandersetzung auf europäischer Ebene dahin gehend (Abg. Meinl-Reisinger: Sagen Sie, was die Position der Regierungs­parteien ist!) haben, was der Beitrag Österreichs zu einem solidarischen Europa bedeu­ten könnte. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wir brauchen genau diese Solidarität jetzt! Ich glaube, Sie verkennen einiges, ange­fangen bei Schengen über den Binnenraum bis hin zu diversesten Verträgen, die wir innerhalb der Europäischen Union haben, und dem entsprechend notwendigen Beitrag Österreichs als Mitgliedstaat. Es ist ja nicht so, dass wir eine Insel wären (Zwischenruf der Abg. Steger), wir befinden uns im Herzen von Europa. Österreichs Beitrag ist ganz, ganz wichtig. Sich da rauszunehmen und einfach etwas zum Thema der Aktuellen Europastunde zu machen und dann, wie gesagt, von Krediten, Drogen und sonstigen Dingen zu reden und hinauszulaufen – der Obmann Ihrer Partei ist ja nicht einmal mehr im Saal – ist wirklich ein schlechtes Zeugnis dafür, wie wir hier im österreichischen Parlament mit solch einem wichtigen Thema umgehen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Ja, es geht um die nächste Generation, und ich frage mich wirklich, was sich diese nächste Generation, die uns zuschaut, nach dieser Debatte, nach eben diesem Wirrwarr an unterschiedlichen Meldungen, denken muss, wie wir diese Herausforderungen be­wäl­tigen wollen. Also bitte seien Sie zumindest so ehrlich und stellen Sie das nächste Mal gleich einen konkreten Antrag für den Austritt Österreichs aus der Europäischen Union (Abg. Steger: Okay, ich fasse zusammen: keine Argumente, auf keine einge­gangen!) oder fangen Sie endlich damit an, Gegenvorschläge zu machen, wenn Sie


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welche haben, anstatt alles zu verweigern, wie gesagt, von der Realität angefangen bis zu jeglicher Maßnahme, die am Tisch liegt! Sie nehmen sich aus der Debatte raus.

Monika Vana hat es schon gesagt, nicht einmal Ihr Europaabgeordneter hat sich bemüht, heute herzukommen, und ich habe weder im EU-Hauptausschuss vor zwei Tagen noch heute einen einzigen konkreten Vorschlag seitens der Freiheitlichen gehört, wie Sie gestalten wollen. (Abg. Martin Graf: Da habts aber geschlafen! – Abg. Steger: Da müssen Sie besser zuhören!) Stattdessen spalten Sie hier weiter (neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Martin Graf), und das kann nicht unser Zugang sein. Ich muss mich wirklich auch (Abg. Steger: Ihre Rede geht nur über die FPÖ, über die Europäische Union reden Sie nicht!) wundern, wie Sie es schaffen, hier rauszukommen und zu behaupten, dass Ihnen die Europäische Union noch irgendwie ein Anliegen wäre, denn in Ihren Redebeiträgen spiegelt sich das keinesfalls wider. (Abg. Steger: ... Finanzierung! – Abg. Martin Graf: Kein einziger inhaltlicher Punkt!)

In diesem Sinne: Ja, wichtige Aktuelle Europastunde, aber nein, wir kommen hier, glaube ich, nicht weiter, weil sich diese Debatte zumindest bisher in populistischen Verkür­zungen (Zwischenrufe der Abgeordneten Martin Graf und Steger) und nationalistischen Scheuklappen, die da an den Tag gelegt werden, erschöpft, anstatt dass wirklich konkret darüber geredet wird, was wir in Europa brauchen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Steger.)

Ich sage Ihnen eines: Die einzige Antwort auf die Herausforderungen in Europa ist Europa. Ja, wir haben viele Reformen vor uns, wir haben viele Defizite, die wir angehen müssen, aber das können wir nur gemeinsam tun. Dieses Gemeinsame sollten wir betonen, anstatt die Länder noch mehr gegeneinander auszuspielen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Sie verweigern ja nicht nur die Realität, Sie sehen ja auch nicht, dass all das, was wir tun, zu einem Dominoeffekt führt und Auswirkungen auf alle Mitgliedstaaten hat. Das sehen Sie nicht, und ich glaube, es holt Sie auch kein sach­liches Argument ab (Abg. Scherak: Du bringst aber auch keines! – Heiterkeit bei Abge­ordneten von FPÖ und NEOS), denn Sie werden hier weiterhin Ihre populistischen Verkürzungen vortragen.

Schade um diese Aktuelle Europastunde, schade darum! Nicht nur Europa ist wichtig, sondern auch, dass wir dieses Versprechen für die nächsten Generationen tatsächlich erneuern. Das ist heute leider nicht passiert. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das war ein bissl wenig! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

11.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.


11.27.02

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, die uns zuschauen! Liebe Frau Kollegin Ernst-Dziedzic, ich bin ein wenig ratlos. Wir haben hier eine ganz wesentliche Debatte zur Zukunft Europas, zur Frage des Wiederaufbaus, und ja, es ist immer leicht und ich tue mir da als Vertreterin der NEOS auch leicht, die FPÖ und ihre Position in europapolitischen Fragen zu bashen, aber Sie sind Vertreterin einer Regierungspartei. Die Position der österreichischen Bundesregierung in dieser Frage warat scho wichtig, das endlich einmal zu wissen (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ), und Sie sagen kein einziges Wort dazu, kein einziges sachliches Argument! Das ist ein bissl wenig – ganz ehrlich.

Also ich möchte jetzt auf das Thema eingehen, weil es mir unendlich wichtig erscheint, dass wir das debattieren. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise sind enorm, sie


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sind massiv. Wir wissen auch, dass einige Länder von Covid-19 im Vergleich zu anderen Ländern asymmetrisch getroffen wurden.

Herr Bundesminister, weil Sie gesagt haben: Italien, Spanien, Frankreich, alles sehr betrüblich, wir sind ja viel besser aus dieser Krise herausgekommen – wahrscheinlich immer in Gedankenstrichen: dank dieser großartigen Bundesregierung, die wir haben, die unsere Menschen schützt! –: Die Gunst der späten Stunde hat schon auch etwas. Wenn wir früher getroffen worden wären, wie Italien, dann würde es bei uns vielleicht auch anders ausschauen. Ich würde auch darum ersuchen, in einem europäischen Kontext, in dem man wirklich nachverfolgen kann, wie viele Infektionszahlen europaweit durch einen einzigen Ort, nämlich Ischgl (Abg. Hörl: Na bitte!), passiert sind, hier ein bisschen vorsichtig mit Überheblichkeit zu sein. (Beifall bei den NEOS.)

Was wir gesehen haben, ist, dass wir eine Volkswirtschaft sind. Wir sind eine vernetzte Wirtschaft. Weil ich da das Bild, das ja irgendwie sehr herzig ist, vom Familienmitglied – das ist wahrscheinlich der echte Österreicher und die echte Österreicherin – und vom Nachbarn und von unserem Geld für unsere Leute bekommen habe: Das Problem ist, das hinkt halt. Sie helfen dem Familienmitglied überhaupt nicht, wenn Sie sagen: Den Nachbar, der zwar für 60 Prozent unseres gesamten Einkommens sorgt, lassen wir jetzt im Regen stehen. – Damit, muss ich sagen, lassen Sie die Familienmitglieder (Abg. Steger: Es hat alles eine Grenze!) mehr im Stich, als alle anderen es tun würden. Also es ist keine Hilfe für die Österreicherinnen und Österreicher, nicht zu sehen, dass ein exportorientiertes, international vernetztes Land wie Italien – der Norden Italiens ist übrigens eine vitale Wirtschaftsregion – der zweitwichtigste Absatzmarkt Österreichs ist. Also das ist doch wirklich eine sehr verkürzte Sicht der Dinge. (Abg. Steger: Ja, wie sehen Sie die Verschuldung in der EU?)

Sparsamkeit ist eine Tugend – ohne Frage; aber ich möchte Wolfgang Schäuble zitieren, der ja, glaube ich, der ÖVP sehr nahesteht, der auch ein Paradebeispiel für deutsche Sparsamkeit ist. Er hat kürzlich in einem Interview gesagt:

„Wenn Europa überhaupt noch eine Chance haben will, muss es sich jetzt als solidarisch und“ – da muss ich ihm recht geben – „handlungsfähig bewähren. [...] Denn wir haben eine neue Situation. Europa erfährt einen wirtschaftlichen Einbruch, wie wir ihn zu unse­ren Lebzeiten nicht erlebt haben, und nur in Ansätzen ist abzusehen, welche Ver­werfungen daraus für unsere Gesellschaften folgen werden.“

Er sagt weiter, dass der Vorschlag, ohnehin schon verschuldeten, überschuldeten Staaten nicht ausschließlich Kredite zu geben, sondern selbstverständlich auch Zu­schüsse zu gewähren, grundvernünftig sei. – Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, ich glaube, er steht Ihnen ideologisch sehr nahe, und ich verstehe eigentlich nicht, wieso Sie sich hingestellt haben und dem eine Absage erteilt haben.

Eines muss ich jetzt sagen: Ich höre heute schon etwas anderes. Ich merke, Österreich ist, nachdem Dänemark ja schon raus ist und die Niederlande folgen werden – weil der zweite liberale Regierungspartner das auch nicht so stehen lassen will, was Herr Rutte da verzapft –, offensichtlich immer isolierter. Heute höre ich Bedingungen, es wird etwas formuliert, das keine Hürde ist. Sie stellen sich heute hin und sagen: Das muss zeitlich befristet sein! – Das, was die Kommission vorgelegt hat, ist zeitlich befristet. Das muss an Bedingungen geknüpft werden! – Wir sind die ersten, die sagen, es muss an Bedingungen geknüpft werden, das soll auch passieren.

Ich weiß auch, es geht um den Rabatt, der so wichtig ist. Sie wollen den Faymann machen: Sie schimpfen ein bissl auf Europa, kommen zurück und sagen dann: Das haben wir für Sie herausgehandelt! – Es steht sogar im Vorschlag der Kommission drinnen, dass die Rabatte vorerst einmal weiterlaufen. Worum geht es Ihnen da eigentlich? Deshalb wäre die Position der Regierung schon sehr wichtig: Geht es Ihnen


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um Rhetorik, oder geht es Ihnen darum, dass Sie weiter zündeln und auf einem antieuropäischen Kurs bleiben, weil Sie die Wähler und Wählerinnen der FPÖ halten wollen?

EU-Bashing ist ja neuerdings in Mode, wenn ich den ÖVP-Ministerinnen und -Ministern zuhöre. Und ja, es ist ein Ablenken von der eigenen Unfähigkeit, Wirtschaftshilfen so zu gestalten, dass sie auch ankommen. Da redet man sich auf das Beihilfenrecht aus, auf die böse EU, das schlechte Auffangen und Retten von Unternehmen, wie jetzt zum Beispiel der AUA. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Kollegin – wie heißt sie?, tut mir leid – hat vorhin hineingerufen: Na die Swiss ist leichter zu retten, weil die Schweiz ja nicht in der EU ist! – Dieses EU-Bashing ist ja haarsträubend! (Beifall bei den NEOS. – Zwi­schenruf des Abg. Höfinger.)

Passen Sie auf, liebe ÖVP! Es hat schon einmal eine konservative Partei in Europa gegeben, die mit nationalistischen Themen gezündelt hat, und wir wissen, was im Endeffekt passiert ist. Sebastian Kurz sollte keine Anleihe an David Cameron nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lopatka: Mei!)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Nun ist das Mitglied des Europäischen Parlaments Barbara Thaler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.32.43

Mitglied des Europäischen Parlaments Barbara Thaler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Europäerinnen und Europäer! Ich habe heute im Wortlaut des Titels der Aktuellen Europastunde ein bisschen suchen müssen, worüber wir eigentlich diskutieren. Wir diskutieren eigentlich über das Comeback von Europa, und das ist untrennbar mit dem österreichischen Comeback verbunden, weil Europapolitik Innenpolitik ist. Wer das nicht erkennen kann oder will, riskiert, dass wir als relativ kleines Land am Ende im globalen Wettbewerb vollkommen alleine dastehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man in den letzten Wochen und Monaten diese europäische Debatte über den EU-Finanzrahmen und den Coronawiederaufbaufonds mitverfolgt hat, dann möchte man manchmal meinen, dass man nur dann als guter Europäer gilt, wenn man immer mehr und mehr Geld von den Nationalstaaten in die Europäische Union transferiert. Oder man wäre nur dann ein guter Europäer, wenn man nur von Zuschüssen spricht und das Wort Kredite nicht in den Mund nimmt. (Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte!)

Die Europäische Kommission hat, wie auch Frankreich, Deutschland und Österreich, ihre Ideen zum nächsten MFF, zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen präsentiert. Das sind für uns alle die Diskussionsgrundlagen. Was wir jetzt erleben, ist eine lebendige Debatte über die Gestaltung dieses Weges, den wir logischerweise alle gemeinsam gehen müssen. Am Ende wird es einen Kompromiss geben, weil so die Europäische Union ist. Aber eines ist sie sicher nicht: Die EU ist kein Bankomat!

Und da dürfen Sie mich bitte nicht falsch verstehen: In einer Gemeinschaft gilt es, immer denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können. Allerdings bedeutet Solidarität nicht gleichzeitig auch die vollkommene Abschaffung von Eigenverantwortung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn es nach so manchem Premierminister geht, dann bedeutet Solidarität genau das: Reformen nein und Geld ja. – So überbrücken wir vielleicht die nächsten Jahre, so kann man etwas zudecken, aber ein Konzept für die Zukunft ist das nicht. Ich will ein bisschen


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konkreter werden: Italien und Spanien sind nicht Schuld an den wirtschaftlichen Kon­sequenzen der Coronakrise, aber sie tragen sehr wohl Verantwortung für ihre alten Schulden.

Die österreichische Sozialdemokratie hat vor ein paar Wochen den Vorschlag von Österreich zum EU-Budget inklusive der Coronahilfen als mutlos und, wenn ich mich richtig erinnere, den Vorschlag der Kommission als eh okay, aber eigentlich viel zu wenig bezeichnet. (Abg. Yılmaz: Das stimmt ja gar nicht! – Ruf bei der SPÖ: ... keine Ahnung! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Liebe Sozialdemokratie, es ist nicht mutig, alte Löcher mit neuem Geld zu stopfen. Es ist auch nicht mutig, Geld nach dem Gießkannenprinzip, ohne zu wissen, wofür man es verwenden will, auszuschütten. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Mutig ist für mich, wenn man Reformen angeht, die schon Jahrzehnte gemacht hätten werden sollen, wenn man zum Beispiel ganz gezielt in europäische Gesundheitssysteme investieret, und mutig sind für mich auch Investitionen in europäische Infrastruktur. Als Verkehrspolitikerin könnte ich Ihnen einige Projekte nennen, die wir aus der Coronakrise heraus sofort neu starten und umsetzen könnten, denn nur so geht für mich auch eine langfristige Perspektive für den ganzen Kontinent. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Das ist aber nur möglich, wenn wir sachlich über die Verteilung sprechen und sachlich über die Balance von Zuschüssen und Krediten reden, und auch, und das hat heute noch niemand erwähnt, sachlich über seriöse Rückzahlpläne diskutieren. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Das ist der Mut, den ich mir von der Europäischen Union erwarte, und deshalb steht für mich fest: Wenn wir Coronahilfen ohne Kriterien ausschütten, dann haben wir am Ende nur mehr Schulden. Wenn wir klare Vorgaben vergeben, dann reden wir von Investitionen in die Zukunft. Ich glaube, das ist das Wichtigste daran, denn Politik sollten wir immer für mehrere Generationen machen.

Sie können von mir als Europaabgeordneter erwarten, dass wir das Kontrollrecht, das wir im Parlament haben, sehr, sehr stark nützen werden und genau darauf achten wer­den, wo und wie die Mittel eingesetzt werden. Es geht nicht darum, ob wir helfen, sondern darum, wie wir helfen, und das ist für mich die eigentliche Frage, wenn wir über das Comeback Europas diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


11.38.15

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen, ganz besonders (Beifall spendend) Klubobmann Kickl! Gratuliere, das war die großartigste Rede, die Sie bis jetzt gehalten haben. (Ruf bei der FPÖ: Das war die beste!) Ich hätte ja geglaubt, das wird eh das Übliche: irgendein komplizierter Titel, Grundinhalt ist dann Ausländer pfui, Europa Oasch. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Das könnten Sie eigentlich - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, sich in Ihrer Ausdrucksweise zu mäßigen. (Abg. Steger: Darf man das im EU-Parlament sagen? – Abg. Loacker: Im EU-Parlament kann der Präsident keine Fremdsprache, da kann man alles sagen!)


Abgeordneter Michel Reimon, MBA (fortsetzend): Dann stellen Sie sich da her und reden über Drogenkonsum, werfen Leuten Drogenkonsum vor. Sie waren Innenminister zu der Zeit, als der Drogenkonsum passiert ist. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie waren mit dem Herrn, dem Sie Drogenkonsum vorwerfen, 15 Jahre in einer Partei – 15 Jahre


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Wahlkämpfe, Nächte durchgehackelt, Wahlkampffeiern – und wollen nichts mitgekriegt haben? Sie wollen nichts mitgekriegt haben? (Ruf bei der FPÖ: Die Grünen lassen alle überwachen, oder?) Sie waren zu der Zeit Innenminister! Was haben Sie in dieser Zeit überhaupt mitgekriegt? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Sagen Sie einmal, geht es Ihnen noch ganz gut? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie wollen auf Transparenz machen, Sie sagen: Na wenn er noch bei uns wäre, dann müsste er zurücktreten! Ich sage Ihnen, was Transparenz ist: Ein Drogentest im FPÖ-Klub wäre Transparenz! Das würde ich mir jetzt einmal anschauen. (Abg. Kickl: Gehen wir gleich, Sie und ich!) – Ja, machen wir das! (Abg. Kickl: Das ist ja ein Wahnsinn!) Laden Sie die Polizei ein, das wäre notwendig anstatt da irgendwelche Drogen­ge­schichten zu machen. (Abg. Kickl: Sie haben ja einen Schuss! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

So, und jetzt zum Inhaltlichen: Wir werden eine solidarische Europapolitik hinkriegen, wir werden das machen, wir werden für Südeuropa sorgen und werden uns darum küm­mern, dass Südeuropa nicht im Stich gelassen wird. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Das wird funktionieren. Österreich wird sich in Europa konstruktiv verhalten, dafür werden wir uns einsetzen. Das wird dieser Regierung gelingen, weil es notwendig ist und weil es nicht anders geht.

Wer Italien im Stich lässt, lässt Österreich im Stich, lässt Kärnten im Stich, lässt die Steiermark im Stich, wo die Unternehmen engstens vernetzt sind. Wir werden das hinkriegen. (Abg. Deimek: Das erklären Sie bitte der Spar-Kassiererin, dass Sie jetzt für den Mailänder Millionär was zahlt!)

Das Paket, das jetzt verhandelt wird, ist, wie Kollegin Meinl-Reisinger zu Recht gesagt hat, auf zwei Jahre begrenzt. Es wird ein großes ökologisches, digitales, gesundheits­förderndes Paket werden, und dann werden wir weiterdiskutieren. Diese Krise wird nicht vorbei sein, es wird ein größeres Paket brauchen, wir werden mehr brauchen und wir werden länger diskutieren.

Ich erwarte mir, dass wir als Koalition auch langfristig in diese Sache hineingehen. Wir verhandeln jetzt einen Mehrjährigen Finanzrahmen von sieben Jahren, und diese große Wirtschaftskrise wird in sieben Jahren nicht zu Ende sein, als ob nichts gewesen wäre. Wenn wir jetzt die Grundlagen setzen: Wie machen wir eine Ökosteuer?, Wie machen wir Ökoprojekte?, Wie steuern wir die Wirtschaft um?, dann ist der nächste siebenjährige Finanzrahmen der Europäischen Union einer, der ein gemeinsames Europa bringen kann, der ein zukunftsträchtiges und ein modernes Europa bringen kann. Österreich wird sich in diese Reihe stellen und dafür kämpfen – dafür werden wir sorgen. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen. Abg. Kickl: Im Februar 2017 war ich Innenminister? Am Kalender kennen Sie sich auch nicht aus! Zwischenruf des das Rednerpult verlassenden Abg. Reimon. Abg. Steger: Heute auch schon! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


11.41.13

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das Privileg des Letzten, dass er allen zuhören durfte und sich von dem, was wir hier gehört haben, ein Bild machen konnte.


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Was haben wir hier gehört? – Zum Beispiel drei junge Frauen – Frau Vana, Frau Gamon, Frau Holzleitner –, die sehr engagiert über ihr, über unser gemeinsames Europa ge­sprochen haben. Bei Frau Kollegin Thaler war ich schon ein bisschen enttäuscht: Sie hat sehr proeuropäisch angefangen und ist dann in das, was in der ÖVP im Moment vor­gegeben ist, verfallen. Da ist mir auch aufgefallen – Frau Kollegin Meinl-Reisinger hat es ja schon gesagt –: Wo ist denn die Regierungslinie? Auch diesbezüglich habe ich nämlich sehr genau zugehört, und ich habe, auch wenn die Redebeiträge von Kickl und Blümel sehr unterschiedlich waren, festgestellt: Inhaltlich sind sich die ja ziemlich nahe. (Abg. Steger: ... Wording! Handeln tun sie anders!) Sie sprechen beide von einer Schuldenunion, sie sprechen beide davon, dass wir helfen müssen, und sie sprechen beide überhaupt nicht davon, wie die Zukunft Europas aussehen wird. Sie sprechen nicht von dieser gemeinsamen Union.

Der Präsident des Deutschen Bundestages Schäuble, der hier hoffentlich geschätzt wird, ist ja schon genannt worden. Er hat in den Interviews, die er jetzt gegeben hat, nicht nur über die finanzielle Komponente gesprochen, sondern er hat auch sehr deutlich über die Zukunft Europas gesprochen. Er hat gesagt, dass das, was wir jetzt mit dem vielen Geld machen, uns in Europa zusammenbringen wird, zu einer politischen Union führen wird, und dass das genau das ist, was er will. Das ist etwas, was ich von der ÖVP nie höre. (Abg. Kickl: Aber man darf schon eine andere Meinung haben, oder?)

Von Kollegen Leichtfried habe ich auch Interessantes gehört, nämlich, ganz wichtig, dass auf diesem Kontinent immer Krieg geführt wurde. Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Europa und habe ein bisschen zurückgeschaut: Nicht weit von hier, in Asparn an der Zaya, kann man Ausgrabungen finden: 5 000 vor Christus haben sich dort schon die Leute den Schädel eingeschlagen. Es ist die Wahrheit: Sobald Europa besiedelt wurde, haben die Menschen angefangen, sich den Schädel einzuschlagen. Nur die letzten 75 Jahre war das nicht so – vergessen Sie das bitte nicht! Die einzig friedliche Zeit in Europa waren die letzten 75 Jahre – innerhalb der Europäischen Union; in den Teilen, die noch nicht dazugehören, etwa am Balkan, war es anders, und das ist auch einer der vielen Gründe, warum wir dafür sorgen müssen, dass natürlich auch die Balkanstaaten Teil der Europäischen Union werden.

Solidarität mit der eigenen Bevölkerung: Wer Solidarität mit der eigenen Bevölkerung üben will, liebe FPÖ, kann das nur innerhalb Europas. Es ist doch jetzt schon oft genug gesagt worden, dass wir als Österreich auf Europa angewiesen sind – wirtschafts­politisch ohnehin, aber auch weltpolitisch. Deswegen habe ich Ihnen ein Buch mitge­bracht, das Sie wirklich lesen sollten: „Weltordnung“ von Henry Kissinger (ein Exemplar des genannten Buches in die Höhe haltend). Es ist ein bisschen dicker, aber in nächster Zeit haben Sie ja Zeit.

Warum ist es so spannend? – Henry Kissinger hat dieses Buch 2014 geschrieben. Natürlich ist er ein guter Analytiker und ein hervorragender Historiker, ein Prophet ist aber auch er nicht, deswegen hat er noch geschrieben, Amerika müsse seine Weltrolle beachten und weiter innehaben. Er wusste nicht, dass Donald Trump das ruinieren wird. Er schreibt auch, Amerika sei auch auf Europa angewiesen: Wir sind von dieser transatlantischen Partnerschaft abhängig; wir sind darauf angewiesen, wir brauchen sie.

Leider ist es jetzt aber so, dass Donald Trump da sehr viel zerstört hat und dass wir aufpassen müssen, was das für Europa bedeutet. Eines bedeutet es jedenfalls ganz sicher, nämlich dass wir stärker werden müssen, und noch etwas – diesen einen Halb­satz möchte ich zitieren –: „Eine Weltordnung der Staaten, die sich zur Würde des Einzelnen und zu einer auf Partizipation beruhenden inneren Ordnung bekennen“. – Also eine Weltordnung von Staaten, die Würde des Einzelnen und die Demokratie – darum geht es.


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Wo sind aber die Staaten, die dazu noch stehen? – Die Chinesen, die dabei sind, uns wirtschaftlich zu überfallen, sind es nicht. Für die Sozialdemokraten – die kennen das Zitat von den Proletariern, die ihre Ketten verlieren müssen, genau –: Wir kommen in eine Zeit, in der wir möglicherweise unsere Blockchains verlieren müssen, weil die Algorithmen uns leiten, anleiten und führen werden. Wenn man sich in China umschaut, wo man ohne Handy nicht mehr leben kann, dann weiß man, dass das the way of life, die Lebensart ist, die wir nicht haben wollen.

Wenn wir unsere gemeinsame freiheitliche, freie, liberale Weltordnung und Gesell­schafts­ordnung aufrechterhalten wollen, dann müssen wir dafür kämpfen und etwas dafür tun und dürfen uns nicht diesen wirtschaftlichen Mächten ausliefern. Deswegen kann es nur ein gemeinsames Europa sein. Ich bitte Sie, aus wirtschaftlichen Gründen darauf zu achten, aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen: Für unsere Lebensart, für unsere Freiheit, für unsere Art zu leben müssen wir kämpfen, aber auch für den Frieden. Da wird es Mächte geben, die dagegen sind, aber wenn wir stark genug sind, werden wir es schaffen. Als kleines Österreich allein werden wir es sicher nicht schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

11.46.49Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2178/J bis 2290/J

Schriftliche Anfragen an den Präsidenten des Nationalrates:

5/JPR bis 8/JPR

2. Anfragebeantwortungen: 1344/AB bis 1552/AB

Ergänzung zur Anfragebeantwortung: Zu 1469/AB

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (204 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) geändert wird (222 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchs­umstellungsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden (Grund­buchs-Novelle 2020 – GB-Nov 2020) (223 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs.4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 67 Abs. 4 BHG 2013 über die Ergeb­nisse des Beteiligungs- und Finanzcontrolling zum Stichtag 31. März 2020 (Vorlage 24 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Entwicklung des Bundeshaushaltes von Jänner bis April 2020 (Vorlage 25 BA)

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 18 betreffend "Schluss mit der Diskriminierung bei der Blutspende!", über­reicht von der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek

Petition Nr. 19 betreffend "Blutspende öffnen – Leben retten!", überreicht vom Abgeord­neten Yannick Shetty

Bürgerinitiative Nr. 25 betreffend "Die Ermöglichung der alternativen Leistungs­beurtei­lung ohne Noten im Rahmen der Schulautonomie."

Bürgerinitiative Nr. 26 betreffend "Sicherung der Gemeindeleistungen"

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Satzung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklä­rung der Konferenz (225 d.B.)

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen im Innenministerium und Justizministerium – Reihe BUND 2020/20 (III-140 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung:

Bericht der Bundesregierung über die Evaluierung des Institute of Science and Tech­nology Austria (IST Austria), 2019 (III-146 d.B.)

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bericht des Bundesministers für Inneres über die Entschließung des Nationalrates vom 29. Februar 2012, E 232-NR/XXIV. GP betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten (PCSC) – Berichtszeitraum 1. Mai 2019 bis 30. April 2020 (III-143 d.B.)

Verkehrsausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2019 (III-141 d.B.)

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Tätigkeitsbericht 2019 der Energie-Control Austria, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-142 d.B.)

Wissenschaftsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Materialien zur sozialen Lage der Studierenden 2020 (III-144 d.B.)


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C. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Aufnahme der Verhandlungen über ein Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Süd­osteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen und Fahr­zeugregisterdaten

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsidentin Doris Bures: Der Freiheitliche Parlamentsklub hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 633/A(E) der Abgeordneten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass die Abgeordneten Krainer, Fuchs, Doppelbauer beantragt haben, dem Geschäftsord­nungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A der Abgeordneten Rendi-Wagner, Kickl, Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden“, eine Frist bis 18. Juni 2020 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzu­führen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 3 und 4, 6 und 7, 8 bis 12, 14 bis 16, 17 und 18 sowie 19 bis 21 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Ich frage, ob dagegen ein Einwand erhoben wird. – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 137, SPÖ 95, FPÖ 77, Grüne 70 sowie NEOS 56 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 28 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.


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Wir kommen zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

11.50.021. Punkt

Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 43. Bericht der Volks­an­walt­schaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III-90/205 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gehen wir in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Herren Volksanwälte in unserer Mitte und erteile Frau Abgeordneter Martina Diesner-Wais als erster Rednerin das Wort. – Bitte.


11.50.35

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Volksanwälte! Meine Damen und Herren im Plenum! Liebe Fernsehzuseher! Wir diskutieren heute die zwei Berichte der Volksanwaltschaft, in denen es auf der einen Seite um die öffentliche Verwaltung und auf der anderen Seite um die präventive Menschenrechtskontrolle geht. Ich möchte in diesem Sinne gleich den Volksanwälten und all ihren Mitarbeitern für die Arbeit, die sie tagtäglich leisten, einen herzlichen Dank aussprechen, natürlich auch für die zwei wirklich umfangreichen und guten Berichte, denn sie umfassen über 400 Seiten, in denen die Tätigkeiten im Jahr 2019 dargestellt werden.

Ich möchte meine Rede in die Aufgabenbereiche, die die Volksanwaltschaft hat, glie­dern. Der bekannteste ist ja die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Da hat es im letzten Jahr, 2019, etwa 16 600 Menschen gegeben, die sich mit einem Problem an die Volksanwaltschaft gewandt haben. Das sind 67 Beschwerden pro Arbeitstag. Rund 8 000 detaillierte Prüfverfahren wurden eingeleitet. In circa 4 000 Fällen, also der Hälfte, ging es um Beschwerden, bei denen kein Missstand vorlag, und für rund 4 500 Fälle war die Volksanwaltschaft eigentlich nicht zuständig. Darüber sollten wir uns in Zukunft unterhalten und diskutieren, wie wir die Volksanwaltschaft weiterhin ausstatten.

Ein Punkt, der uns als parlamentarischen Vertretern wichtig ist, ist ein leichter Zugang der Bevölkerung zur Volksanwaltschaft, und den hat sie, denn die Volksanwaltschaft hält in den einzelnen Bundesländern Sprechtage ab, bei denen sich die Leute unkompliziert an die Volksanwaltschaft wenden können. Es gibt eine Homepage, die sehr viele Zugriffe verzeichnet, und es gibt die Sendung „Bürgeranwalt“, die einen guten Sendezeitpunkt am Samstag um 18 Uhr hat, zu dem es sehr hohe Einschaltziffern gibt. Bis zu 525 000 Men­schen sehen zu und machen damit natürlich auch mit der Volksanwaltschaft Bekannt­schaft.

Ich möchte mich auch für die wirklich tolle Uhrzeit bedanken, zu der wir heute den Volksanwaltschaftsbericht diskutieren können, denn damit werden die Leute auf die Volksanwaltschaft und ihre Tätigkeiten aufmerksam gemacht.

Ein weiterer Punkt ist die Tätigkeit in der Rentenkommission. Seit drei Jahren können sich Heimopfer, also Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, während sie in Heimen waren, melden, dann wird das überprüft und sie können eine Zusatzrente be­kommen.

Im Jahr 2019 waren es rund 400 Menschen. Wir konnten ja erst kürzlich bei der Bud­getdebatte eine personelle Aufstockung erreichen. Damit ist gewährleistet, dass all diese Fälle relativ rasch abgearbeitet werden können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 82

International tätig ist die Volksanwaltschaft im IOI. Da hat sie das Generalsekretariat inne. Derzeit sind Ombudsmänner von 199 Institutionen aus 112 Ländern mit dabei. Das ist auch ein wichtiger Faktor für Österreich und für unsere Volksanwaltschaft.

Eine Aufgabe, die die Volksanwaltschaft auch hat, ist die präventive Menschen­rechts­kontrolle. Da gibt es sechs unabhängige Kommissionen, die 505 Einrichtungen überprüft haben.  Dabei wurde bei 77 Prozent aller Kontrollen Kritik geäußert. Es geht um bauliche Zu­stände, die nicht okay sind, um zu wenig Personal, um Überbelegung der Justiz­anstalten. Das sind lauter Hinweise, die auch für uns wichtig sind.

Ich möchte aber noch ganz besonders ein Thema hervorheben, und zwar die Über­prüfung der Medikation in Pflegeheimen – gemeinsam mit der Apothekerkammer, mit der Ärztekammer und mit dem dortigen Personal. Dabei wurde festgestellt, dass es da auch Wechselwirkungen gibt, die für den Einzelnen nicht so positiv sind, weil gerade ältere Menschen viele Medikamente bekommen. Wenn ich nur ein Beispiel heraus­grei­fen darf: Da ist eine 83-jährige Frau ins Heim gekommen, die Koordinationsstörungen hatte, verwirrt war. Letztlich hat man einige Medikamente abgesetzt und andere in gerin­gerer Konzentration gegeben, und dadurch hat sich der Zustand der Frau wesentlich verbessert. Somit lautet die Empfehlung der Volksanwaltschaft, dass man alle Heime betreffend die Medikation überprüft.

In diesem Sinne möchte ich mich nochmals ganz herzlich bedanken. Ich freue mich natürlich, dass Sie unseren Bürgern und auch uns, dem Hohen Haus, wirklich wertvolle Berichte liefern, und wünsche alles Gute für die Zukunft, auch für uns und für die Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte.


11.56.51

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Mehr als 16 600 Personen haben sich 2019 an die Volks­an­waltschaft gewandt; insgesamt wurden rund 8 000 Prüfverfahren eingeleitet. Das unter­streicht die Wichtigkeit der Volksanwaltschaft.

Aktuell wird ein massiver Anstieg von Beschwerden gegen die Covid-Schutzmaß­nahmen der Bundesregierung nicht nur erwartet, sondern bereits verzeichnet. Unklare Verordnungen, die noch dazu schwammig bei diversen Pressekonferenzen kommuni­ziert worden sind, haben die Menschen zutiefst verunsichert. Die wenigsten wussten, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war der Meinung, dass Privatbesuche während des Shutdowns verboten waren. Dies wurde in unzähligen Pressekonferenzen von den Ministern der Regierung so kommuniziert.

Auch viele Polizistinnen und Polizisten waren aufgrund der unklaren Kommunikation und der unklaren Verordnungen der Meinung, dass private Besuche während des Lock­downs verboten waren. So verwundert es nicht, dass es zwei Höchststrafen von über 600 Euro aufgrund privater Besuche gegeben hat, eine in Niederösterreich und eine in Wien. Die beiden wurden übrigens von den Landesverwaltungsgerichten Niederöster­reich und Wien aufgehoben. Damit wurden alle Strafzahlungen, die im Zuge der Covid-Schutzmaßnahmen getätigt wurden, in diesen beiden Bundesländern aufgehoben und auch wieder zurückgezahlt.

Der Innenminister hat unsere Polizistinnen und Polizisten, bei denen ich mich an dieser Stelle für ihre großartige Arbeit während der Covid-Maßnahmen recht herzlich bedanken


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 83

möchte, im Regen stehen lassen und oft in peinliche Situationen gebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele Menschen haben ihre Liebsten wochenlang nicht gesehen, und dann, nach Ostern, stellt der Gesundheitsminister plötzlich klar: Besuche im privaten Bereich waren doch nie verboten.

Die Rhetorik des Innenministers und die Rhetorik des Bundeskanzlers hat Menschen mit Sagern wie: „die Ruhe vor dem Sturm“, oder: „Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist!“, verunsichert. Der Innenminister sprach von einem „Wel­lenbrecher“ im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen. Solche Aussagen sind einfach verantwortungslos, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Regierung soll den Menschen Hoffnung und Mut geben und sie nicht verunsichern und in Angst versetzen. (Abg. Leichtfried: So ist es!)

Ob die Volksanwaltschaft den erwarteten Andrang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bewältigen kann, ist außerdem fraglich. Klar ist nur: Es braucht in Zukunft klare Vorgaben und Regeln und auch eine verständliche Kommunikation der Regeln – und: dass auf populistische Rhetorik verzichtet wird.

Wir fordern, dass die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft – meine Kollegin Diesner-Wais hat das schon angesprochen – modernisiert und analog der Prüfkompetenz des Rechnungshofes ausgeweitet wird. Bestes Beispiel dafür ist der Coronahärtefallfonds der Wirtschaftskammer. Da dieser nicht beim Finanzministerium, sondern bei der Wirt­schaftskammer angesiedelt ist, sagt der eine oder andere: Na ja, ob der überprüft wer­den kann, ist so eine Frage!

Die Volksanwälte aber, vor allem Volksanwalt Walter Rosenkranz, haben klargestellt, dass es sich um einen übertragenen Wirkungsbereich handelt und der Härtefallfonds natürlich überprüft werden kann und überprüft werden wird. Aufgrund der vielen Be­schwerden von Unternehmerinnen und Unternehmern, die zu wenig und zu spät Unter­stützung bekommen haben oder für die die Unterstützung zu bürokratisch war, wird es natürlich notwendig sein, sehr viele Dinge zu überprüfen.

Ende Mai hat der Bundeskanzler ausgeführt, dass eh jeder Unternehmer 80 Prozent seines Verdienstes bekommt, sofern er die Formulare richtig ausfüllt und auch seine Verdienste aus der Vergangenheit angibt. Solche Unterstellungen sind in Zeiten einer Krise mehr als überflüssig und verantwortungslos, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Es ist schon ein bisschen kurios, wenn ein sozialdemokratischer Gewerkschafter die Unternehmerinnen und Unternehmer vor den Aussagen des ÖVP-Bundeskanzlers schützen und verteidigen muss.

Wir stellen daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Modernisierung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 84

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit dem die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft auf jene Rechtsträger, die auch der Prüfkompetenz des Rechnungshofs unterliegen, ausgeweitet wird.“

*****

Zum Abschluss möchte ich mich noch im Namen der sozialdemokratischen Fraktion bei den Beschäftigten der Volksanwaltschaft und natürlich bei den Volksanwälten ganz persönlich für die hervorragende Arbeit bedanken. Wir freuen uns schon auf den Be­richt 2020 und schlagen der Regierung vor, die Verbesserungsvorschläge der Volks­anwälte aufzunehmen und umzusetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Modernisierung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft

eingebracht in der Nationalratssitzung am 17. Juni 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 1: 43. Bericht der Volksanwaltschaft (205 d.B.)

Die Beratung des gegenständlichen Berichts im Volksanwaltschaftsausschuss hat ein­drücklich die Bedeutung und die Leistungen der Volksanwaltschaft für die Bürgerinnen und Bürger, im Jahr 2019 wandten sich 16 600 Personen mit ihrem Anliegen an die Volksanwaltschaft, aufgezeigt. Für die Bürgerinnen und Bürger ist dies oft die letzte Chance, ihre Sorgen und ihren Kummer auszudrücken. Dabei wurde aber auch mehr­fach auf das Defizit bei der Gestaltung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft aufmerk­sam gemacht

immer mehr staatliche Aufgaben werden in der Abwicklung Einrichtungen übertragen, bei welchen der Volksanwaltschaft keine Prüfkompetenz zukommt. Dieser Trend ver­stärkt sich auf allen staatlichen Ebenen. Es ist daher notwendig, auf diesen Trend zu reagieren und die Kompetenzen der Volksanwaltschaft auf diese Entwicklung hin anzu­passen. Daher sollte die Prüfzuständigkeit der Volksanwaltschaft analog zum Rech­nungs­hof auch auf ausgegliederte Rechtsträger erweitert werden. Dies hätte darüber hinaus den Vorteil, dass dadurch auch die Tätigkeiten des Nationalrates im Bereich der Kontrolle der Vollziehung weiter geschärft und die verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Kontrollorgane vereinheitlicht werden. Eine diesbezügliche Änderung soll rasch vor­genommen werden, da die Corona Epidemie zu einem starken Ansteigen der Beschwer­den von Bürgerinnen und Bürgern führte.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 85

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit dem die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft auf jene Rechtsträger, die auch der Prüfkompetenz des Rechnungshofs unterliegen, ausgeweitet wird. "

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Ragger, Sie sind der nächste Redner. – Bitte.


12.02.37

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Herren Volksanwälte! Liebe Parlamentarier und Parlamentarierinnen! Mir ist es heute ein besonderes Anliegen, den Fokus auf einen Fall zu lenken, der sich in Kärnten ereignet hat und der symbolisch für den Umgang mit unseren beeinträchtigten Menschen steht. Er zeigt, dass wir da noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind.

Wir haben vor Jahren mit unserem verstorbenen Sozialminister ein gemeinsames Ge­setz beschlossen – das Mindestsicherungsgesetz – und haben in der Folge dann über weite Strecken die Sozialhilfegesetze in den einzelnen Bundesländern ersetzt.

Gleichzeitig haben wir versucht, den Stellenwert von Menschen mit Beeinträchtigung – damals als Behinderte bezeichnet – anzuheben, indem wir ein Chancengleichheits­gesetz geschrieben haben. Wir waren in Kärnten eine der ersten Landesregierungen, die dieses Chancengleichheitsgesetz umgesetzt und in den Jahren 2011, 2012 in wei­terer Folge auch in Kraft gesetzt haben.

Wir haben über weite Strecken, über viele Jahre hinweg, behinderte Menschen aufgrund der Tatsache, dass sie ein hoher Kostenfaktor gewesen sind, nicht in Krankenhäusern versorgt, sondern wir haben sie in kleine Einrichtungen wie Bauernhöfe oder geschlos­sene Gasthäuser gegeben. Das hat dazu geführt, dass zwar die Landesregierung einerseits die Kosten für diese behinderten Menschen übernommen hat, andererseits aber die Standards nicht klar definiert worden sind, und wenn man glaubt, dass die Sklaverei eigentlich im Jahre 1812 abgeschafft worden ist, dann irrt man sich gewaltig, denn man geht heute her und setzt diese behinderten Menschen als billige Arbeitskräfte ein.

Ein Fall war ganz eklatant: Ein fünfzehnjähriger Behinderter hat jeden Tag Stall aus­mis­ten müssen und hat dafür ein Taschengeld von 3 Euro bekommen. Auf der anderen Seite aber zahlt die Landesregierung pro Tag 70 Euro an den Betreiber, dafür, dass diese Menschen versorgt werden. Wenn man das im Bericht liest, stellt man fest: Das schlägt dem Fass den Boden aus!

Es ist ein klares Versagen der Kärntner Landesregierung, insbesondere der Sozial­re­ferentin, dass sie nicht in der Lage ist, das Chancengleichheitsgesetz auf diese Men­schen mit Beeinträchtigung umzulegen.

Wenn wir alle heute hier sitzen, dann frage ich mich wirklich, ob Sie angesichts dessen, dass das im 21. Jahrhundert noch zulässig ist, nicht eine Gänsehaut bekommen! Daher ist es aus meiner Sicht ganz wesentlich, dass diese gesetzliche Regelung auch imple­mentiert wird. Wenn es nicht möglich ist, dieses Chancengleichheitsgesetz in den einzelnen Bundesländern umzusetzen, dann müssen wir dazu eine nationale Regelung finden, denn es kann nicht angehen, dass behinderte Menschen, Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, heute wie Sklaven und Vieh gehalten werden, irgendwo in Hintertupfing, im letzten Winkel eines Bundeslandes.


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Das ist nämlich noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange! Nicht nur, dass die Betreiber Geld in dieser Höhe bekommen, sondern sie haben sich dann auch noch die Dreistheit herausgenommen – so war es in einem besonders dreisten Fall –, eine Betriebs-GmbH einzurichten. In dieser Betriebs-GmbH haben behinderte Menschen Lebensmittel produziert, die sie in der Folge kaufen mussten.

Wie schlimm ist es, dass behinderte Menschen, die selbst ihre Lebensmittel erzeugen müssen, dann noch für diese Lebensmittel zahlen müssen? – Bei allem Respekt: Ich danke der Volksanwaltschaft, dass sie diesen Fall aufgegriffen hat. Ich hoffe, dass der regionale Gesetzgeber das ehestmöglich in Umsetzung bringt, und wenn das nicht der Fall ist, dann wird die Freiheitliche Partei zumindest überlegen, da eine nationale Rege­lung zu fordern. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte.


12.06.40

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Wenn man sich den Bericht der Volksanwaltschaft durchliest, wird eines schnell klar: Die Volksanwaltschaft ist sehr tätig und sehr erfolgreich in ihrem Tun, und es gibt sehr viele Missstände in Österreich, was die Menschlichkeit betrifft.

Ich möchte aus dem umfassenden Bericht heute drei Bereiche herausgreifen.

Der erste Bereich betrifft die Kinder und Jugendlichen. Wir merken seit ein paar Jahren, dass es einen eklatanten Anstieg an Fremdunterbringungen von Kindern und Jugend­lichen gibt. Die genauen Ursachen kennen wir nicht. Es wäre wichtig, dass wir uns bun­desweit anschauen: Wieso werden Kinder und Jugendliche vermehrt aus einem ge­wohnten Umfeld herausgegriffen und sind Fremdunterbringungen in dieser Zahl notwendig? – Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist: Wenn dann diese Kinder, Jugendlichen in Heimen sind, bekommen sie oft die nötige Unterstützung und können sich gut eingliedern. In manchen Fällen aber ist die Betreuung unzureichend. Ein paar Fälle wurden genannt: In einem Fall wurde eine Vierjährige, also ein kleines Mädchen, in eine WG gebracht, in der die Kinder mehr als sechs Jahre alt waren. Sie konnte sich nur dadurch entsprechend eingliedern, dass sie besondere Betreuung bekommen hat. Das wiederum hat aber Eifersucht bei den Älteren erzeugt, es ist Gewalt entstanden und die Betreuer waren überfordert.

In einem anderen Fall hat ein neunjähriger Bub sich gegen größere Kinder zur Wehr setzen müssen, war dazu aber nicht in der Lage, und der pädagogische Leiter meinte süffisant, er solle quasi lernen, sich gegenüber Älteren durchzusetzen, es wären keine Kapazitäten für eine entsprechende Gewaltprävention da.

Es ist in diesem hochsensiblen Bereich für uns ganz wichtig, genau hinzusehen, und wir müssen diese Missstände im Sinne der Betroffenen abschaffen. Da ist es auf der einen Seite wichtig, wie schon gesagt, dass es diese Studie gibt, in der festgehalten wird: Kann man nicht schon im Vorfeld Familien, Erwachsene und das Umfeld so unterstützen, dass Kinder nicht zu rasch abgenommen werden, und kann man auf der anderen Seite, wenn diese Fremdunterbringungen notwendig sind, entsprechende Rahmenbedingungen schaffen?

Ein zweites wichtiges Thema ist die Polypharmazie. Wir wissen, dass alte Menschen in Heimen oft zu viele Medikamente bekommen. Da wäre es wichtig, dass man sich in Zusammenarbeit mit den Apothekern, mit den Ärzten – wie im Gemed-Projekt, das eine


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EU-Projektstudie war – genau anschaut, wie man diese Medikation so reduzieren kann, dass es auch mehr Lebensqualität für die älteren Menschen gibt.

Letztendlich ist die Volksanwaltschaft sehr aktiv. 16 000 Beschwerden konnten bearbei­tet werden. Es gibt aber Bereiche, in denen die Volksanwaltschaft derzeit nicht tätig werden kann, so wie im ausgegliederten Bereich. Im Rahmen der Daseinsvorsorge wäre es aber wichtig, dass auch hier eine Prüfung stattfindet.

Sehr geehrte Volksanwälte! Vielen Dank für Ihre umfassende Arbeit im Rahmen der Menschlichkeit, im Rahmen der Wahrung der Menschenrechte. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

12.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


12.11.00

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Die Menschenrechte haben kein Ablaufdatum. Ich denke, wir alle hier im Plenum sind uns über den Punkt einig, dass die rechtsstaatliche Demo­kratie voraussetzt, dass Menschenrechte unbefristet und völlig unabhängig von irgend­welchen parteipolitischen Grenzziehungen Gültigkeit besitzen. Das heißt, so, wie wir hier sitzen, sind wir uns darüber einig: Menschenrechte gelten immer. Dieser großartige Konsens, die Basis unseres freien Rechtsstaates, unseres demokratischen Rechtsstaa­tes, ist eine Wertebasis, auf die wir zu Recht stolz sein können.

Dieser Konsens kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass wir eben eine Einrichtung wie unsere Volksanwaltschaft haben, die als ganz besonderen Arbeitsschwerpunkt neben der Kontrolle der öffentlichen Verwaltung auch die präventive Menschenrechtskontrolle hat.

So weit sind wir uns also einig. Wenn wir uns darüber einig sind, dass Menschenrechte immer gelten – ich empfinde dafür Zustimmung –, dann frage ich mich: Warum werden plötzlich Menschenrechte auf Zeit ausgesetzt? Menschenrechte sind doch keine all­täg­liche Verhandlungsmasse, kein Spielball von irgendwelchen politischen Golftur­nieren. Nach der harten jahrhundertelangen Auseinandersetzung, bis wir so weit waren, dass wir diesen Konsens über die universellen Menschenrechte erzielt haben, können diese doch nicht so einfach ohne Weiteres ausgesetzt werden. Da kommt ein heim­tückischer Virus und dazu noch eine einigermaßen verfehlte Regierungspolitik, und schon sind wir im Handumdrehen bereit, unantastbare Grundrechte auf Zeit außer Kraft zu setzen.

Es ist für mich erschreckend, mitanzusehen, wie schnell in unserem Land, in unserer doch so gefestigten Demokratie, offensichtliche Systemdefizite eine wesentliche Säule unseres Rechtsstaates zum Einsturz bringen. Da scheint also tatsächlich nichts mehr in Stein gemeißelt zu sein.

What’s next? – Aufgrund sinkender Nachfrage nach Sprudelgetränken in den Sommer­monaten pausieren wir unser Wahlrecht? Weil Fluglinienkapitalisten nur mehr bereit sind, Löhne unter der Armutsgrenze zu zahlen, beenden wir den Sozialstaat? Oder weil Herr Meier sich nicht mit Herrn Huber darüber einigen kann, wer Präsident im Kegel­verein wird, beenden wir das Recht auf Meinungsfreiheit? – Und so weiter.

Bitte fragen Sie mich jetzt, stellen Sie mir die ganz wesentliche Frage: Was hat denn hier das eine mit dem anderen zu tun? – Dann antworte ich Ihnen: Genauso viel und genauso wenig, wie die Frage unserer Gesundheit mit der Unantastbarkeit unserer Menschen­rechte und unserer Grundrechte zu tun hat. So geht Menschenrecht! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den NEOS.)

12.14



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 88

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangen die drei Volksanwälte zu Wort. Ich erteile Ihnen, Herr Volksanwalt Werner Amon, als Erstem das Wort. – Bitte.


12.14.40

Volksanwalt Werner Amon, MBA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Bericht der Volks­anwalt­schaft des Jahres 2019, einen Bericht, der zweigeteilt ist. Der eine Teil beschäftigt sich mit allen Fragen der sogenannten nachprüfenden Kontrolle, der Kontrolle der öffent­lichen Verwaltung. Das ist jener Teil des Berichts, der jene Kompetenzen umfasst, die wahrscheinlich in der Öffentlichkeit die bekanntesten Kompetenzen und Aufgaben der Volksanwaltschaft sind.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit der präventiven Menschenrechtskontrolle, einer Kon­trollaufgabe, die die Volksanwaltschaft wahrnimmt. Es ist eine Aufgabe im Ver­fassungs­rang, bei der die Volksanwaltschaft mit ihren Kommissionen Orte der Frei­heits­be­schränkung, Orte der Freiheitsentziehung visitiert, aufsucht und feststellt, ob die Gefahr einer Menschenrechtsverletzung vorliegt. Das ist ein ganz wichtiges Mandat, das die Volksanwaltschaft im Auftrag des Parlaments wahrnimmt, denn – und darauf legen wir besonderen Wert – die Volksanwaltschaft ist ein Organ des Parlaments, ist ein Kon­trollorgan dieses Hauses. Darauf legen wir eben auch ganz besonderen Wert.

Wenn sich – wie schon von einigen Vorrednern gesagt worden ist – jährlich etwas mehr als 16 000 Menschen an die Volksanwaltschaft wenden, weil sie mit der Abwicklung eines Verwaltungsvorganges – sagen wir es ganz allgemein – nicht einverstanden sind, dann klingt das sehr viel. Das sind immerhin zwischen 60 und 80 Beschwerdefälle pro Arbeitstag. Das klingt zunächst einmal wirklich enorm.

Wir möchten aber ausdrücklich betonen, dass das nicht bedeutet, dass Österreich ein schlecht verwaltetes Land ist, denn man müsste ja dieser Zahl die Zahl aller Verwal­tungsakte, die tagtäglich in unserem Land vorgenommen werden, gegenüberstellen. Das ist eine Zahl, die wir gar nicht zusammenzählen können, weil sie wahrscheinlich so enorm ist und weil das alles – Bundesverwaltung, Landesverwaltungen und Gemeinde­verwaltungen – so verflochten ist. Wir haben sehr wohl den Eindruck, dass Österreich ein exzellent verwaltetes Land ist, manche sagen ja sogar ein überverwaltetes Land. Jedenfalls ist es aber so, dass es nicht unsere Aufgabe ist, dort hinzusehen, wo alles funktioniert, sondern unsere Aufgabe ist es eben, dort hinzuschauen, wo sich Menschen ungerecht beurteilt fühlen.

Ich habe schon die Zahl von über 16 000 Beschwerdefällen im Jahr erwähnt, davon waren wir bei 4 500 nicht zuständig, bei 4 000 hatten wir ein Verfahren ohne tief­erge­hende Prüfung, bei über 8 000 wurde ein Prüfverfahren eingeleitet. Von diesen 8 000 Verfahren betrafen etwas mehr als 5 000 die Bundesverwaltung und etwa 3 000 die Landes- und Gemeindeverwaltungen, wobei wir als Volksanwaltschaft für die Bun­desländer Tirol und Vorarlberg nicht als Landesvolksanwaltschaften tätig sind – dort gibt es eigene Landesvolksanwaltschaften, und dort prüfen wir nur alles, was die Bundes­verwaltung anlangt.

Bei der Bundesverwaltung entfielen etwa 29 Prozent aller Beschwerden auf die Bereiche Arbeit, Soziales und Gesundheit, 22 Prozent auf die Justiz und etwa 20 Prozent auf den Bereich der inneren Sicherheit. Auch bei der Landes- und Gemeindeverwaltung gibt es ein relativ klares Bild. So betreffen etwa 27 Prozent das Sozialwesen, 21 Prozent die Raumordnung und das Bauwesen, dicht gefolgt von Fragen der Staatsbürgerschaft, der Straßenpolizei und anderer Angelegenheiten.

Der zweite Teil des Berichts ist dieser Nationale Präventionsmechanismus zum Schutz der Menschenrechte. Ich bin schon kurz darauf eingegangen. Auch hier waren wir mit


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unseren Kommissionen, glaube ich, recht aktiv. Im Berichtszeitraum haben über 500 solcher Visitationen stattgefunden. Das sind in etwa 10 Prozent aller Einrichtungen. Wir haben ungefähr 5 000 solcher Einrichtungen in Österreich, in denen Maßnahmen der Freiheitsbeschränkung oder Freiheitsentziehung gesetzt werden, und jährlich überprüft die Volksanwaltschaft mit ihren Kommissionen etwa 10 Prozent dieser Einrichtungen. Wir haben bei über 30 Polizeieinsätzen ebenfalls eine begleitende Kontrolle vorgenom­men.

Ich erlaube mir, auch auf andere Bereiche der Volksanwaltschaft hinzuweisen, da diese in der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen werden.

Wir vollziehen das Heimopferrentengesetz, in dessen Rahmen Menschen, die in Kin­derheimen oder in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt misshandelt oder missbraucht worden sind, die Möglichkeit haben, eine kleine Rente zu erhalten. Das wird ebenfalls kommissionell überprüft. Weiters sind wir für die Behindertenrechtskonvention zuständig, um Menschen mit Behinderung ein entsprechendes Dasein zu ermöglichen, und Österreich ist – die Ausschussvorsitzende, Frau Diesner-Wais, hat darauf ver­wiesen – Sitz des International Ombudsman Institutes, einer globalen Organisation par­la­mentarischer Ombudseinrichtungen, in der sich mittlerweile über 200 Organisationen aus über 100 Staaten zusammenfinden, um die Menschenrechtskontrolle und die Zu­sam­menarbeit insbesondere im Zusammenhang mit den Menschenrechten zu intensivieren.

Ich möchte dem Hohen Haus danken, dass wir die beiden Teile der Berichte an zwei Tagen sehr intensiv beraten haben. Ich denke, es ist auch sichtbar geworden, dass die Volksanwaltschaft eine wesentliche Kontrolleinrichtung der Republik ist. Wir bemühen uns natürlich auch um eine Ausweitung unserer Kompetenzen, weil wir im Bereich der ausgegliederten Einrichtungen von Gebietskörperschaften, wie das bei Ländern oder Gemeinden der Fall ist, keine Möglichkeit der Kontrolle haben. Wir unterscheiden uns da ein wenig vom Rechnungshof. Es geht vor allem um Einrichtungen, die nach wie vor in mehr oder weniger vollem Besitz dieser Gebietskörperschaften sind. Es ist aber einigermaßen absurd, dass wir, wenn man etwa Spitäler betrachtet, bei einigen Spitälern die Prüfkompetenz haben, weil sie nicht ausgegliedert sind, bei anderen haben wir diese nicht, dürfen aber dort etwa den Patientenanwalt überprüfen. Das mutet ein wenig absurd an, weshalb ein Ersuchen an den Gesetzgeber besteht, eine entsprechende  Kompetenzausweitung durchzuführen.

In diesem Sinne bedanke ich mich sehr herzlich für die Debatte und für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Volksanwalt Bernhard Achitz. – Bitte.


12.22.10

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es liegt Ihnen ein umfangreicher Bericht vor, der, glaube ich, einen sehr guten Überblick darüber gibt, worüber sich Bürgerinnen und Bürger in Österreich beschweren, wenn es um ihre Beziehung zur Verwaltung geht. In über 8 000 Fällen sind diese Be­schwerden so schwerwiegend, dass wir uns mit den Verwaltungsbehörden in Verbin­dung setzen und ein formales Prüfverfahren einleiten.

Glücklicherweise kann man sagen, dass die Behörden sehr kooperativ sind und unsere Intervention in ganz vielen Fällen dazu führt, dass man sich den Akt noch einmal genauer


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ansieht, dass man eine andere, bürgerfreundlichere Rechtsauslegung findet und dass man das Problem lösen kann.

Es gibt aber Fälle, in denen die Behörde nicht in der Lage ist, die Beschwerde der Bürgerinnen und Bürger befriedigend zu lösen, weil einfach die Rechtslage so ist, dass ihr die Hände gebunden sind und der Gesetzgeber gefordert ist. Das sind die für das Hohe Haus aus meiner Sicht besonders interessanten Fälle. Auf einige dieser Fälle möchte ich Sie hinweisen.

Wir haben im Bereich von Jungfamilien zwei große Probleme, die immer wieder auf­tauchen und zu häufigen Beschwerden bei der Volksanwaltschaft führen: Das eine Problem taucht auf, wenn in einer jungen Familie mit kleinem Kind ein Partner in Öster­reich lebt und der andere im Ausland arbeitet. Dann kommt es sehr oft zu Problemen mit der Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes. Ich möchte Sie jetzt nicht mit Details lang­weilen, rechtlich ist das nicht ganz einfach und berührt natürlich auch EU-Recht und internationales Recht. Im Ergebnis führt das aber leider in sehr, sehr vielen Fällen dazu, dass Jungfamilien zwei, drei Jahre und in Ausnahmefällen noch viel länger auf das Kin­derbetreuungsgeld warten müssen. Das ist natürlich eine extrem unbefriedigende Situation, die es aus unserer Sicht zu bereinigen gilt. (Beifall bei der SPÖ.) Entweder man macht das mit entsprechenden Anweisungen an die Ministerien oder es braucht eine Gesetzesänderung, um diese Situation zu lösen.

Ein anderes Problem, mit dem junge Eltern zu uns kommen, betrifft die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Sie sind nachzuweisen, und das ist natürlich sinnvoll, denn es ist ja so, dass diese Untersuchungen gemacht werden sollen, um festzustellen, ob Mutter und Kind wohlauf sind. In manchen Fällen werden die Untersuchungen durchgeführt und nur der Nachweis wird nicht rechtzeitig erbracht. Die Sanktion dafür, dass der Nachweis nicht rechtzeitig erbracht wird, ist für Jungfamilien nicht ganz unbedeutend, es sind nämlich 1 300 Euro. Für manche ist Folgendes besonders befremdend: Sie müssen den Nachweis gegenüber den Gebietskrankenkassen beziehungsweise jetzt der Öster­reichi­schen Gesundheitskasse erbringen, haben aber die Untersuchungen bei Einrichtungen dieses Krankenversicherungsträgers gemacht. Der Krankenversicherungsträger weiß also, dass die Untersuchungen gemacht wurden, weil aber der Nachweis nicht erbracht wird, tritt die Sanktion von 1 300 Euro ein. Das trifft bei vielen auf Unverständnis, und ich glaube, es ist wert, dass man sich mit diesem Problem beschäftigt und es löst.

Ein zweiter Themenbereich, den ich ansprechen möchte, ist das Thema Medikamente, das auch in der Debatte schon ein paarmal erwähnt worden ist. Wir haben Fälle – vor allem in Pflegeheimen –, in denen wir mit zu vielen Medikamenten konfrontiert sind. Da gibt es Vorzeigeprojekte, bei denen sich ApothekerInnen, ÄrztInnen, die Pflegekräfte und die Heimträger zusammengetan haben, um zu überprüfen, wie viele Medikamente eingenommen werden, um die Medikation perfekt einzustellen. Das hat zu sehr guten Ergebnissen geführt. Rechtlich ist das gar nicht so einfach, wenn nicht das Einver­neh­men aller auf einer Goodwillbasis hergestellt wird. Damit das überall gemacht werden kann, bräuchte es ebenfalls eine gesetzliche Grundlage. Eigentlich müsste man die Pflege­heime verpflichten, es überall zu tun, denn es spart nicht nur Medikamenten­kosten, sondern erhöht auch das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner, und das ist ja das Ausschlaggebende.

In einem anderen Fall stellen wir fest, dass zu wenig Medikamente vorhanden sind. Lieferengpässe bei Medikamenten treten leider immer wieder auf und betreffen Bür­gerinnen und Bürger ganz massiv. Wenn das Medikament, das dringend benötigt wird, nicht vorhanden ist, muss man sowieso Alternativen suchen. Es trifft sie aber auch, wenn das Medikament nicht in der entsprechenden Packungsgröße vorhanden ist, denn mehr Packungen bedeuten mehr Rezeptgebühren. Das wird in vielen Fällen zu wenig beachtet. Es ist auch in diesem Bereich dringend notwendig, politisch gegenzusteuern.


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Abschließend möchte auch ich mich zur Ausweitung der Prüfkompetenzen äußern: Die ausgegliederten Einrichtungen werden immer mehr. Der große Vorteil der Volksanwalt­schaft bei der Prüfung einer Behörde ist, dass jede Behörde zur Zusammenarbeit mit der Volksanwaltschaft verpflichtet ist. Wir haben das Anrecht, jeden Akt, jeden Schrift­verkehr, jede Dokumentation des behördlichen Handelns im Original anzufordern, und können uns dann ein Urteil bilden. Dieses Recht haben wir bei ausgegliederten Ein­richtungen nicht, wir sind dort auf Goodwillzusammenarbeit angewiesen und sehr oft fehlen uns wichtige Dokumente, da uns diese nicht übermittelt werden müssen und dann auch nicht übermittelt werden.

In diesem Sinne möchte ich mich der Anregung, die hier viele gemacht haben, die Prüfkompetenz auszuweiten, anschließen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Volksanwalt Walter Rosenkranz. – Bitte.


12.28.56

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Volksan­waltschaft ist eine Einrichtung, ein Hilfsorgan der Gesetzgebung. Als solches schauen wir, ob die Gesetze, die Sie gemeinsam mit dem Bundesrat beschlossen haben – oder auch die der Landtage in den Ländern, wo wir ebenfalls Prüfkompetenz haben –, in den Verwaltungsbehörden, in den beamteten Stellen tatsächlich umgesetzt werden und ob dort Fehler auftauchen.

Die Zahlen wurden bereits genannt. Ich möchte mich dem anschließen: Österreich ist grundsätzlich ein absolut gut verwaltetes Land, es bedarf aber im Rahmen einer posi­tiven Fehlerkritik immer der Zusammenarbeit mit den Behörden. Wir sind keine Gegner der Verwaltung, sondern wollen eigentlich nur das Beste für die Menschen in diesem Land erzielen. Als Hilfsorgan des Parlaments bemerken wir auf der einen Seite die Fehler, die die Verwaltung gemacht hat. Die Fehlergründe können sehr vielseitig sein.

Wir bemerken aber natürlich auch – Kollege Achitz hat es bereits anklingen lassen –, dass die Gesetze oftmals so gestaltet wurden, dass der Verwaltung beim Vollzug einfach das passiert, was Menschen als Ungerechtigkeit empfinden. Wir sehen auch, dass es nur so sein kann, dass dieser Sachverhalt, der als ungerecht empfunden wird, vom Gesetzgeber vielleicht gar nicht so gewollt wurde. Das ist dann wiederum das Wech­selspiel, dass die Volksanwaltschaft, als Ihr Hilfsorgan, die entsprechende Anregung an das Parlament, an den Gesetzgeber gibt und sagt: Vielleicht ist euch da doch etwas passiert, vielleicht müsste der Gesetzgeber da nachschärfen, um ungerechte Lösungen für die Menschen in unserem Land abzuändern.

Wir sind kein Feind der Verwaltung. Ich möchte auch betonen, dass die Volks­anwalt­schaft als Partner der Verwaltung in den unterschiedlichsten Bereichen, vor allem wenn es um die Standards der Menschenrechte geht – ich denke da speziell im Geschäfts­bereich des Kollegen Amon an Justizwachebeamte und in meinem Geschäftsbereich an Polizisten –, mit ihren Beamten, deren Exzellenz – sie ist bereits von einigen Vorrednern erwähnt worden – ich nur bestätigen kann und möchte, in der Schulung der jungen Justizwachebeamten und Exekutivbeamten mit entsprechenden Modulen eingebunden ist.

Es war eine konkrete Frage bei den Grundrechten, dass Eingriffe in Grundrechte, Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten nicht statthaft wären. Das ist grundsätzlich richtig, aber wenn der Jurist grundsätzlich sagt, dann muss er schon auch die Ausnahmen nennen können. Ja, es sind auch Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte


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möglich, manchmal notwendig und auch geboten, aber nur dann, wenn diese Ein­schrän­kungen entsprechend sachlich gerechtfertigt sind und gesetzlich ordnungsgemäß umge­setzt werden.

Letztlich ist sogar, um ein Beispiel zu nennen, jede Kontrolle im Straßenverkehr – eine Anhaltung und die Aufforderung: Zeigen Sie jetzt Ihre Dokument her! – eine Freiheits­einschränkung, denn der Lenker kann ja seine Fahrt zumindest für ein paar Minuten nicht fortsetzen. Man sieht, Menschenrechte, Grund- und Freiheitsrechte sind deutlich mehr, als man vielleicht allgemein wahrgenommen hat. Kollege Ragger war es, glaube ich, der gesagt hat, manche Zustände in Einrichtungen für Menschen mit Einschrän­kungen, mit Behinderungen, grenzen schon fast an Sklaverei. Ja, die Sklaverei ist abge­schafft.

Natürlich weiß man ganz genau, dass mit Vorfällen, wie sie in den USA zu De­monstrationen geführt haben, natürlich auch Menschenrechte verletzt wurden, aber das geht viel weiter, dessen ist man sich in der Breite oft gar nicht bewusst, zum Beispiel in den Bereich – Kollege Achitz hat es gesagt – der Medikation in Heimen. Die Verab­reichung von Beruhigungsmitteln – die einen Menschen in seiner eigenen Entschei­dungskraft bremsen – ohne entsprechenden Grund, ohne Dokumentation, ist auch ein Eingriff in die Menschenrechte.

Ich bedanke mich daher auch für die ausführliche Diskussion im Ausschuss. Ich glaube, Kollege Margreiter war es, der gemeint hat, dass gerade diese menschenrechtliche Präventions- und Überwachungsfunktion der Volksanwaltschaft im Rahmen der Öffent­lichkeitsarbeit viel mehr in den Vordergrund gerückt werden müsste. Der Dank geht an dieser Stelle daher auch an das Hohe Haus beziehungsweise an die Präsidiale, dafür, dass die Volksanwaltschaft die Gelegenheit hat, an einer derartig prominenten Stelle der Tagesordnung – als Tagesordnungspunkt 1  hier auch einmal über ihre Tätigkeit zu sprechen.

Für den Bereich der Menschenrechtskontrolle möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns als Volksanwaltschaft nicht nur unserer Bediensteten bedienen, sondern dass bei uns auch der Menschenrechtsbeirat angesiedelt ist, der die Volksanwaltschaft berät. Der Menschenrechtsbeirat ist ein Gremium, in dem einerseits Menschenrechtsexperten aus dem Bereich Wissenschaft und Lehre, Praktiker aus dem Bereich der Anwendung oder der Kontrolle von Menschenrechten im Bereich der Nichtregierungsorganisationen, aber auch Beamte, Spitzenbeamte aus Ministerien vertreten sind, um das Machbare, das Notwendige und auch die rechtliche Lage entsprechend in Einklang bringen zu können, denn oftmals sind ja gerade Wissenschaft und Lehre betreffend Menschenrechte schon auf einem ganz anderen Standard als die Rechtsprechung beziehungsweise die ge­setzliche Umsetzung.

Die Volksanwaltschaft bedient sich der Arbeit von insgesamt sechs Kommissionen, das sind Personen mit einer sehr speziellen Qualifikation aus den unterschiedlichsten Bereichen, die diese Einrichtungen der Anhaltung – Justizwacheanstalten, Polizei­inspek­tionen und Pflegeheime – besuchen und die entsprechenden Standards überprüfen und dann auch Empfehlungen abgeben können.

Aus meinem Bereich, zum Beispiel aus dem Bereich der Anhaltung oder der Schubhaft, da kommen natürlich Anregungen. Auch für Sie oder auch für die Menschen vor den Bildschirmen: Es ist zum Beispiel auch eine Frage des Menschenrechts, ob es in einer Anhaltezelle einen Notklingelknopf oder auch einen Brandmelder gibt. Also selbst das ist vorausschauend für das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit in einer Zelle etwas Wesentliches und Wichtiges.

Ich glaube, sehr viele Bürgerinnen und Bürger denken gar nicht daran, dass auch so eine – unter Anführungszeichen – „Kleinigkeit“ unter den Schutz der Menschenrechte


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fallen kann. Manchmal aber, hoher Gesetzgeber, gibt es diese Anregungen, und sie scheitern daran, dass die einzelnen Verwaltungseinrichtungen im Rahmen der Gewal­tentrennung, sprich die Ministerien, für die Ausstattung von Anhalteräumen oder für die Überwachung von Besuchen oder für die Durchführung von Freigängen im Hof et cetera zu wenig Personal beziehungsweise zu wenig Budget haben.

Das heißt, es ist sehr oft so, dass Anregungen, die die Volksanwaltschaft macht, mit budgetären Mitteln, mit mehr Dienstposten verbunden sein müssen. Das spiegelt sich in den Berichten wider und kommt dann ganz pfeilgerade auf Sie als Gesetzgeber zu, der Sie über die Frage zu entscheiden haben, inwieweit Sie dann auch die budgetären Mög­lichkeiten freigeben können, dass diese Maßnahmen auch möglichst zeitnah umgesetzt werden.

Ich orte, die Verwaltungsbehörden sind jedenfalls immer daran interessiert, planmäßig umzusetzen, aber wir bekommen sehr oft die Antwort: Budgetäre Mittel sprechen momentan dagegen.

In diesem Sinne möchte ich meine Ausführungen beenden und mich dafür bedanken, dass dieser Bericht im Hohen Haus und vor allem in der Ausschussarbeit derartig gut angenommen wurde. Ich hoffe auf eine weitere gute Zusammenarbeit und werde selbstverständlich Ihre Wertschätzung gegenüber dem Haus und den Bediensteten in meinen Geschäftsbereich mitnehmen. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Ich bedanke mich bei den Volksanwälten.

Wir gehen in der Debatte weiter.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte.


12.37.49

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Volksanwälte! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Hohes Haus! Liebe Öster­reicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die hier in unserem Land leben! Die Volksanwaltschaft hilft mit, Probleme zu lösen, die Menschen im Umgang mit der Verwaltung haben, seien es Einzelfälle, die sich ergeben haben, oder Probleme auf­grund von Gesetzen, bei denen man das eine oder andere nachschärfen muss.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich für diesen Bericht, in der Form, wie er erarbeitet wurde, bedanken. Der Dank geht auch an die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter.

Ich möchte in meinem Beitrag zu dieser Diskussion zwei meiner Meinung nach we­sentliche Punkte hervorheben, die vielleicht manchmal etwas zu kurz kommen. Ich möchte damit beginnen, dass diese Arbeit – die ja immer davon getragen ist, die Würde des Einzelnen im Umgang mit dem Rechtsstaat zu verteidigen, zu schützen und auch in Sicherheit gewahrt zu wissen – ein wesentlicher Beitrag dazu ist, dass wir in Österreich so gut miteinander auskommen. Das funktioniert, weil der Rechtsstaat funktioniert, weil die Demokratie und unsere Institutionen funktionieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist auch wesentlich für uns als Gesellschaft und auch für die Wirtschaft, dass es gelungen ist, den Sitz des International Ombudsman Institute bei uns in Österreich, hier in Wien zu haben. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, wir exportieren damit Freiheit, wir exportieren damit Menschenrechte in alle Kontinente dieser Welt, nach Afrika, nach Asien, weil man dadurch die Dialogfähigkeit lernt, wie wir sie in Österreich


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und in Europa seit Jahrzehnten gewohnt sind. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Es ist erfreulich, meine Damen und Herren, dass es uns gelungen ist, eine gute Lösung mit der AUA zu finden, dass nämlich die Drehkreuzfunktion für Wien, für Österreich weiter gewahrt bleibt, dass Persönlichkeiten aus der ganzen Welt leicht und schnell nach Österreich kommen können, um zum Beispiel hier bei den Sitzungen des International Ombudsman Institute dabei sein zu können, um Erfahrungen zu sammeln. Es ist wichtig, dass wir diese Erfahrungen auch hinaustragen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt, der auch in dem Bericht als wesentlicher Punkt her­vorgekommen ist, meine Damen und Herren, ist der Umstand – und das hat Herr Volks­anwalt Achitz ausgeführt –, dass manche Menschen einerseits zu viele Medikamente einnehmen und dass andererseits von manchen Medikamenten zu wenige vorhanden sind. Zu wenige Medikamente, meine Damen und Herren, haben wir aber auch im Bereich der Produktion bei uns in Europa und bei uns in Österreich. Da ist es notwendig und richtig – und ich danke an dieser Stelle Frau Bundesministerin Schramböck dafür, dass sie sich dieser Thematik annimmt –, dass wir auch eine Reindustrialisierung in Österreich, in Europa erleben, um die wesentlichen Medikamente wieder bei uns zu Hause zu produzieren. Ich denke da insbesondere an Medikamente für Menschen mit Herz- oder Nierenproblemen. Für sie ist es wirklich wichtig, dass es da niemals zu Medikamentenengpässen kommt.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich mich ganz herzlich bei allen Volksanwälten für die wertvolle positive und konstruktive Arbeit bedanken. Ich gratuliere auch Herrn Volksanwalt Werner Amon dazu, dass er als Generalsekretär dem IOI, also dem International Ombudsman Institute, vorstehen darf und somit Österreich auf der ganzen Welt vertritt. Alles Gute und Glück auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Petra Bayr zu Wort. – Bitte.


12.41.50

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Herren Volks­anwälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihre Arbeit ist unter anderem deswegen so wichtig, weil Sie halt wirklich die sind, die Menschen zum Recht verhelfen können, näm­lich Menschen, die sonst nicht zu ihrem Recht kommen könnten.

Dieses Zum-Recht-Verhelfen deckt sich ganz genau mit dem 16. der Nachhaltigen Entwicklungsziele, der SDGs, der Sustainable Development Goals. Ich finde es sehr gut, dass diese SDGs eine der Leitlinien Ihrer internationalen Arbeit sind.

Volksanwalt Amon hat ja schon darauf hingewiesen, dass der Sitz des IOI, des International Ombudsman Institute, in Wien ist. Das ist eine unglaubliche Chance und ein unglaublich tolles Faktum, nämlich auch in einer globalen Dimension, denn andere Ombudsmanninstitutionen oder andere Volksanwaltschaften zu stärken bedeutet letztendlich, die Leute, die Menschen in diesen Ländern, in denen ein Rechtsstaat nicht so ausgebildet ist, wie das bei uns der Fall ist, zu stärken, um auch dort Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen.

Ich denke da ganz besonders an Kolumbien, wo es auch auf Landes-, auf Provinzebene Volksanwaltschaften gibt, die unpackbar wichtig dafür sind, dass Menschen, die zum Beispiel von ihrem Land vertrieben worden sind, zu ihrem Recht kommen. Ich denke da auch an Polen – gar nicht weit weg –, wo, soweit ich weiß, der polnische Volksanwalt eines der letzten Leuchtfeuer der Menschenrechte ist, aber ich denke da auch an sehr


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viele afrikanische und arabische Länder, wo es überhaupt nicht leicht ist, zu seinem Recht zu kommen.

Ich habe schon im Ausschuss gesagt: Ich habe voriges Jahr im Juli das große Glück, die große Chance gehabt, ein Sideevent bei den UN in New York organisieren zu können, nämlich anlässlich des High-level Political Forum on Sustainable Development. Dabei ist es genau um dieses Ziel Nummer 16 gegangen und darum, was denn Parla­mente und Volksanwaltschaften gemeinsam für eine Rolle dabei spielen können, dass Menschen zu ihrem Recht kommen und ihre Menschenrechte auch wirklich leben können, was ja sehr wichtig ist. Ich möchte generell allen drei Volksanwälten einen großen Dank dafür aussprechen, dass sie die Sustainable Development Goals so ernst nehmen.

Volksanwalt Amon hat heute kurz die Parallele zum Rechnungshof gezogen. Auch der Rechnungshof als zweites Hilfsinstrument der Gesetzgebung nimmt diese SDGs sehr ernst. Wir hatten mit dem Rechnungshof vor zwei Jahren ein Sideevent beim HLPF in New York. Anlässlich dieses Sideevents hat der Rechnungshof einen sehr guten Rech­nungshofbericht herausgegeben, in dem er vor allem für die vier Ministerien, die mit der Umsetzung der SDGs befasst sind, aber ganz speziell für das Bundeskanzleramt und das Außenministerium sehr klare Empfehlungen dazu ausgesprochen hat, wie die Nachhaltigen Entwicklungsziele in Österreich besser umzusetzen sind.

Seit zwei Jahren probieren wir als SPÖ, diesen Bericht auf die Tagesordnung eines Rechnungshofausschusses zu setzen, und seit zwei Jahren wird dieser Bericht wie eine heiße Kartoffel von einem zum Nächsten und weiter zum Übernächsten geschoben.

Wir haben jetzt in Aussicht, diesen Bericht, da es im Juni einmal mehr nichts mehr wird, im Herbst endlich zu diskutieren. Ich hoffe, das wird auch wirklich endlich klappen. Es ist höchst an der Zeit, dass die österreichischen Ministerien die SDGs genauso ernst nehmen, wie das die Volksanwaltschaft und der Rechnungshof schon lange tun, denn auch da geht es um Menschenrechte. Ich freue mich darauf, diesen Bericht hoffentlich im Herbst endlich wirklich zu diskutieren. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


12.45.30

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwälte! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Wir haben im Ausschuss gehört, mit wie viel Herzblut, mit wie viel Engagement, aber auch mit wie viel Nachdruck die Herren Volksanwälte bei der Arbeit sind. Die Überprüfungen der Volksanwaltschaft geben der Politik die Möglichkeit, rechtzeitig zu reagieren, zu evaluieren und positive Entwicklungen sicherzustellen.

Ich habe mir den Bericht gerade in Bezug auf die Überprüfung der Seniorenheime an­gesehen und festgestellt: Glücklicherweise führen diese Kontrollen der Volksanwalt­schaft in den Seniorenheimen auch zu vielen Verbesserungen. In einzelnen Heimen gibt es jetzt zum Beispiel eine Frühstückszeit von 7 bis 10 Uhr und auch noch spät abends eine Jause. In einem anderen Heim wurde zur besseren Orientierung auf die Zimmertür ein Foto der früheren Eingangstür gehängt, damit ältere Leute wissen, wo sie zu Hause sind, weil die Erinnerung dann mitmacht.

Stufenlose Zugänge zu Terrassen, automatische Drehtüren in die Gärten oder zum Ausgang, das sind einige der vielen Erleichterungen, die es jetzt gibt. Wöchentliche Abend­programme, Spiele, Musik, Vorlesen auf den Stationen oder ein Heimcafé, all das sind selbstverständliche Dinge, die diesen Bewohnern ein riesiges Stück Lebensqualität bringen.


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Leider muss die Kommission bei Folgebesuchen wieder Mängel feststellen, etwa bei der Ernährung oder in der Dekubitusprophylaxe. Man muss schon anmerken: Überall, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, nicht böswillig, nicht absichtlich, aber es braucht dazu ein Fehlervermeidungsmanagement, ein Fehlerbehebungsmanagement.

Ganz, ganz oft wird im Bericht auch festgestellt, dass sich die Bewohner mehr Kontakt nach außen, wie etwa Ausflüge, wünschen. Bedenklich sind Vorgänge, die als Freiheits­beschränkung wahrgenommen werden müssen: sedierende Medikamente, kein Zugang ins Freie aufgrund von Personalmangel, jede Fahrt vom Heim zum Arzt muss vom Bewohner selbst bezahlt werden. Diese Freiheitsbeschränkungen werden wir im nächsten Bericht noch viel mehr wahrnehmen.

Im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen müssen Seniorenheimbewohner, wenn sie nach einem Krankenhausaufenthalt ins Heim zurückkommen, für 14 Tage in Quaran­täne: Eingangstüren versperrt, kein Verlassen möglich, kein Spaziergang im Garten, kein Einkaufen, kein Besuch. Diese Maßnahmen werden zwar sicherlich im Namen der Gesundheit gesetzt, aber damit hat man diesen Bewohnern die Freiheit genommen.

Ein weiteres Thema ist der Umgang mit Gewalt und Aggression in Pflegeeinrichtungen. In vier Bundesländern – Steiermark, Kärnten, Salzburg und leider auch Oberösterreich – gibt es bislang keine von den jeweiligen Landesregierungen entwickelten Qualitäts­leitlinien beziehungsweise Qualitätsstandards zu Gewaltprävention und Deeskalations­management.

Am Montag war der Welttag gegen Diskriminierung und Misshandlung älterer Menschen. Auch in einem Seniorenheim muss ein Altern in Würde ohne Gewalterfahrung ge­währ­leistet werden. Die Volksanwaltschaft leistet dazu mit ihren präventiven Kontrollen einen wertvollen Beitrag. Herzlichen Dank an alle handelnden Personen! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Brandstötter.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


12.49.05

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich möchte mich gleich am Anfang bei der Volksanwaltschaft und beim gesamten Team für die wichtige und gute Arbeit bedanken.

Als Pflege- und SeniorInnensprecherin möchte ich aber auf das Thema Demenz ein­gehen. Die Volksanwaltschaft hat sich in dem Bericht auch diesem Thema gewidmet, und auch wir als Gesellschaft beziehungsweise wir als PolitikerInnen sollten uns diesem Thema mehr widmen. Laut Schätzungen sind in Österreich nämlich rund 130 000 Men­schen von demenziellen Beeinträchtigungen betroffen, und die Zahl wird steigen.

Wenn wir aber von Demenz und demenzkranken Menschen sprechen, dann müssen wir eigentlich im gleichen Atemzug auch ihre pflegenden Angehörigen erwähnen. Aus einer Studie des Sozialministeriums geht klar hervor, dass pflegende Angehörige von Men­schen mit Demenz besonders stark belastet sind; man denke an die ständige Acht­samkeit oder daran, dass sie immer abrufbereit sein müssen. Diese Belastungen dürfen nicht unterschätzt werden. Die Coronakrise hat die Situation natürlich noch stärker verschärft, im Sinne dessen, dass ganz viele aus dem Bekannten- und Freundeskreis, die normalerweise zur Unterstützung da waren, ausgefallen sind, aber es sind auch ganz viele Pflegeangebote beziehungsweise Therapieangebote weggefallen; daher finde ich, dass dem aktuellen Bericht der Volksanwaltschaft gerade heuer besonders viel Aufmerk­samkeit geschenkt werden muss.


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Auf einen Kritikpunkt möchte ich etwas näher eingehen, und zwar geht es da konkret um die Pflegegeldleistungen. Die Volksanwaltschaft kritisiert zu Recht die Einstufungs­krite­rien zur Bemessung des Pflegegeldes, auch mit einem Demenzzuschlag wird im Pflege­geldgutachten der tatsächliche Pflegeaufwand nicht entsprechend abgebildet; er ist nämlich viel, viel höher. Dieser Zuschlag beträgt jetzt 25 Stunden pro Monat und reicht bei Weitem nicht aus. Alle befragten Angehörigen sagen, dass dieser Zuschlag nur teilweise ausreicht.

Auf der einen Seite gibt es eben die pflegenden Angehörigen, die das Gefühl haben, sie müssen 24 Stunden am Tag bereitstehen, auf der anderen Seite wird dieser Aufwand im Pflegegeldgutachten aber nicht abgebildet. Warum ist das so? – Es ist leider so, dass bei der Pflegebedarfsermittlung noch immer die körperliche Erkrankung im Vordergrund steht. Wir wissen, dass vor allem demenzkranke Menschen körperlich sehr oft sehr fit sind, das bedeutet aber nicht, dass sie keine Betreuung brauchen; ganz im Gegenteil: Sie brauchen viel mehr Betreuung, viel mehr Zuwendung. Das sind genau die Schrau­ben, an denen gedreht werden muss, bei denen sich etwas ändern muss, und da freut es mich sehr, dass ganz viele Verbesserungsvorschläge der Volksanwaltschaft sich auch in unserem Regierungsprogramm wiederfinden.

Neben allgemeinen Forderungen, die wir alle hier, glaube ich, sehr gut finden, dass eben pflegende Angehörige von Demenzkranken unterstützt werden sollen, dass sie entlastet werden sollen, dass sie begleitet werden sollen, findet sich darin auch, dass die Demenz­strategie österreichweit ausgerollt und das natürlich mit genug Ressourcen versehen werden soll. Die „Verbesserung der Demenzbewertung“ – da bin ich genau bei diesem Pflegegeldeinstufungsprozess –, die „Entwicklung eines Pflegegeldsystems, in dem alle Bedarfe berücksichtigt“ werden, nicht nur die körperlichen, und eine „Weiterentwicklung des Pflegegeld-Einstufungsprozesses“, das alles finden wir in unserem Regierungs­pro­gramm. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sehen, da gibt es viel zu tun, wir haben da viel vor, Demenz ist eine große Heraus­forderung, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Gesundheitsminister Anschober Verbesserungen erreichen können und im Zuge der Pflegereform auch erreichen werden. (Abg. Loacker: Ich bin sicher, er wird sich das anschauen!) Eine Unterstützung quer durch die Parteien kann dem Thema natürlich nicht schaden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gudrun Kugler. – Bitte.


12.53.40

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Bevor ich zu den Berichten etwas sage, möchte ich mich auf einige Redebeiträge beziehen, die wir gehört haben. Zunächst: Herr Kollege Silvan, Sie haben uns Ihre Gedanken zum Thema Coronamaßnahmen vorge­lesen. – Ja, okay (Abg. Leichtfried: Das war eine freie Rede ...!), aber der Bericht der Volksanwaltschaft bezieht sich nur auf das Jahr 2019, und darüber haben wir kein Wort gehört, obwohl da so viel Wichtiges drinnen steht. Auch von Frau Kollegin Bayr habe ich nicht viel Inhaltliches gehört. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das ist ein Tipp an die Opposition: Nehmen Sie diese Berichte ernst, da steht ganz viel drin, das Sie sogar aufgreifen könnten! Nur ein kleiner Tipp! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer. – Abg. Leichtfried: Das war das Musterbeispiel einer freien Rede ...!)

Zur Rede von Herrn Kollegen Margreiter von den NEOS: Herr Kollege, Sie sind ein netter Mensch und sicher ein guter Rechtsanwalt, aber Ihre juristische Analyse hinsichtlich


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Menschenrechte habe ich jetzt schon mehrfach gehört und sie beleidigt meinen Intellekt. Herr Volksanwalt Rosenkranz hat Ihnen gerade gut erklärt, wie das mit den Men­schen­rechten ist. Sie sagen, wir setzen da Menschenrechte auf Zeit aus – Entschuldigung, niemand setzt Menschenrechte aus –, und Sie sagen das noch dazu ohne Grund. Ich weiß nicht, ob an Ihnen vorbeigegangen ist, was in den letzten Monaten hier passiert ist. Ich bin froh, dass das Setzen von Maßnahmen zur Krisenbewältigung in diesem Fall unserer Regierung und nicht den NEOS obliegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Anders als die Opposition möchte ich mich jetzt aber auch zum Thema zu Wort melden. Ich habe mir diese Berichte sehr genau angeschaut, es sind viele Themen, und ich verspreche Ihnen, wir werden uns betreffend diese Themen einsetzen. Ich kann jetzt nicht auf alles eingehen, aber wir werden Kapitel für Kapitel an diesen Themen arbeiten.

Eines möchte ich jetzt hervorheben, das hat mich nämlich von den Berichten und an den beiden Ausschusstagen, an denen wir darüber geredet haben, am meisten bewegt: Sie haben gesagt, Sie haben fast 500 Kontrollen in freiheitsbeschränkenden Institutionen gemacht. Diese freiheitsbeschränkenden Institutionen betreffen uns alle, das sind nicht nur Gefängnisse, das sind auch Krankenhäuser, Altenheime, Behinderteneinrichtungen, Polizeianhaltezentren und so weiter. (Abg. Scherak: ... nicht auf die Straße gehen dürfen!) Das betrifft uns alle.

Die Volksanwaltschaft hat im Zuge dieser Kontrollen bei 81 Prozent einen Mangel fest­gestellt. Ein Mangel ist nicht gleich ein Mangel, aber dass schlechte Lebensbedingungen vorherrschen, dass es Hygieneprobleme, Schimmel gibt, dass es stinkt, weil die Tür zu dem Kammerl, in dem die Leintücher mit den Exkrementen liegen (Zwischenruf bei der SPÖ), nicht zugemacht wird, das sind Missstände, die wir in einem Land wie Österreich nicht brauchen.

Ich freue mich, dass es nach dem Besuch der Volksanwaltschaft Verbesserungen gegeben hat, aber ich frage mich, ob es denn notwendig ist, dass die Volksanwaltschaft hingeht und sagt: Macht die Tür zu diesem Kammerl zu! Ich möchte hier wirklich an die Leitung und an die Aufsichtsteams, die es da gibt, appellieren, darauf zu achten, dass es den Menschen gut geht. Wir wissen aber ganz genau, wie schwierig die Arbeits­bedingungen für viele sind und wie viel geleistet wird, wie viel Übermenschliches von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Einrichtungen geleistet wird, und auch das muss man honorieren.

Wie kann man also diese Situation lösen? – Ich glaube, es liegt an uns hier im Hohen Haus, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Mitarbeiter gut arbeiten können, Bedingungen vorfinden, unter denen Menschlichkeit gelebt werden kann. Frau Kollegin Fischer hat es gesagt: „Menschlichkeit“ – ein wichtiges Wort; die Menschen brauchen überall Menschlichkeit, Sorge, eigentlich kann man auch das Wort Liebe verwenden. Wenn es das in diesen Institutionen gibt, dann kommt es auch nicht zu Missständen, wie Sie sie aufgedeckt haben.

Die Volksanwaltschaft ist volksnah, aber sie ist auch politikernah. Ich möchte Ihnen für diese Berichte danken, in denen überall konkrete Empfehlungen, die von Ihnen durchdacht sind, drinnen stehen, eben betreffend die Frage, was man ändern kann, wie man das formuliert. Für diesen Bericht sind wir alle sehr, sehr dankbar.

Mehrfach ist erwähnt worden, dass die Prüfkompetenz auf Einrichtungen der Daseins­vorsorge, die maßgeblich von Gebietskörperschaften bestimmt werden, ausgeweitet werden soll. Ich glaube, dass wir uns betreffend diese Frage zusammensetzen und Ihren Wunsch, aber auch den Wunsch der Regierungsparteien weitertragen werden, und wir werden sehen, ob wir das möglich machen können. Ich freue mich, dass im kürzlich beschlossenen Budget die Volksanwaltschaft noch einmal berücksichtigt worden ist. Sie


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braucht für diese wichtige Arbeit ausreichend Mitarbeiter und Budget. Sie hat mehr bekommen, das ist gut und wichtig.

Von meiner Seite, von unserer Seite, vonseiten der Volkspartei, möchte ich Ihnen noch einmal für Ihr unermüdliches Engagement danken. (Abg. Leichtfried: ... schon eine sehr lange Rede! – Abg. Loacker: Sie probiert, es mit Länge zu kompensieren!) Das, was da geleistet wird, ist großartig. Das Parlament darf auf Ihre Arbeit als Hilfsorgan des Parlaments stolz sein, muss diese Arbeit aber auch ernst nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


12.59.04

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kugler, da ist man manchmal der Meinung, es kann einen hier im Haus nichts mehr überraschen (Abg. Scherak: Na, das geht immer!), aber dann kommen Sie heraus und fangen an, unsere Redebeiträge zu bewerten. – Ich weiß gar nicht, was Ihnen da einfällt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Ich sage Ihnen eines: Wir brauchen Ihren Segen für unsere Redebeiträge nicht (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS), wir brauchen Ihren Segen nicht. Konzentrieren Sie sich, wenn Sie möchten, darauf, wieder eine Segnungsveranstaltung für den Herrn Bundeskanzler zu organisieren, aber ver­geben Sie hier nicht Noten dafür, wie Redebeiträge gestaltet werden! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Meine Damen und Herren, wir diskutieren jetzt zwei Berichte der Volksanwaltschaft – es wurde schon gesagt –: Einerseits geht es um die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, auf der anderen Seite um die präventive Menschenrechtskontrolle – ein sehr vielfältiges Themenspektrum. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte mich eher auf den Bereich Inneres, Polizeianhaltezentren konzentrieren, denn das ist ein Thema, das sich leider schon seit mehreren Jahren durch die Volks­anwaltschaftsberichte durchzieht. Seit mehreren Jahren gibt es darin die Feststellungen, dass es gerade in den Polizeianhaltezentren hinsichtlich der Infrastruktur nach wie vor Probleme gibt, es gibt auch Probleme beim Personal – und das ist etwas, das in dieser Kombination dann natürlich zu entsprechend vielen Beanstandungen führt.

Meine Damen und Herren, wenn man fragt: Bezieht sich denn jetzt jemand auf die Berichte dieses Jahres?, dann kann man sagen: Ja! Was fehlt, ist Personal und finanzielle Ausstattung – das hat auch Herr Volksanwalt Rosenkranz gesagt. Wer war in den letzten Jahrzehnten für den Bereich Inneres zuständig? – Es waren großteils ÖVP-Innenminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Also handeln wäre angesagt, Taten setzen wäre angesagt, und nicht nur die Mängel feststellen.

Meine Damen und Herren, es wurde gesagt, Covid war kein Thema. – Es war sehr wohl Thema im Ausschuss, weil natürlich festgestellt wurde, dass die Polizei, was die Covid-Maßnahmen betrifft, unverhältnismäßig agiert hat – aber nicht die Polizisten vor Ort; sie haben den Frust abbekommen, aber die Ursache liegt ganz woanders: Die Ursache liegt wieder im Innenministerium, weil die Verordnungen und die Anweisungen schlecht waren und für die Beamten vor Ort nicht nachvollziehbar waren. Das ist das Problem, das man in diesem Fall hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)


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Da meine Redezeit ja begrenzt ist und ich darauf achten muss, dass ich die Redezeit einhalte, komme ich zu den Strafen: Betreffend die Strafen, die ausgesprochen wurden, gibt es im Zusammenhang mit dem Innenministerium einen interessanten Aspekt. Man hat eben gesagt: Selbst der Informationsfluss zum Volksanwalt dahin gehend, wie diese Verordnungen und diese Ausgestaltung ausschauen, war zögerlich.

Meine Damen und Herren, es geht um zwei Punkte: Es geht um den Punkt der Strafen der Polizei und um die Beschwerden betreffend Härtefallfonds. Betreffend Härtefallfonds haben die Unternehmerinnen und Unternehmer keine Möglichkeit, sich an die Volks­anwaltschaft zu wenden, beziehungsweise stößt da die Volksanwaltschaft an ihre Grenzen. Es freut mich, dass wir jetzt offenbar alle einhellig betonen, wie wichtig diese Erweiterung der Kompetenzen ist. Ich gehe daher davon aus, dass der Antrag, den Kollege Silvan eingebracht hat, eine Mehrheit finden wird, sodass man die Kompetenzen der Volksanwaltschaft endlich ausbaut und erweitert. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Kollege Dr. Johannes Margreiter zu Wort gemeldet.

Ich möchte eines ausführen: Ich möchte die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu diesem Punkt sehr genau auslegen – Sie wissen: Einleitung und so weiter – und darf Sie ersuchen, diese Bestimmungen einzuhalten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.03.14

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Danke, Herr Präsident!

Frau Kollegin Kugler, ich darf das Kompliment zurückgeben – Sie sind auch ein netter Mensch –, aber - -


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, nein, das ist keine tatsächliche Berichtigung. Sie müssen den Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen, klarlegen und dann eben berichtigen. Ich darf Sie bitten, fortzusetzen.


Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (fortsetzend): Ich habe nicht gesagt, dass die Menschenrechtseingriffe ohne Grund erfolgt sind, sondern ich habe angesichts dieser ganzen Pandemie und einer verfehlten Regierungspolitik nur ausgeführt, dass sie überzogen waren. (Abg. Kugler: Na, Sie haben gesagt ...!)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, das war keine tatsächliche Berich­tigung. Ich erkläre, warum ich das so streng auslege: In den letzten Monaten gab es viele Fälle von Wortmeldungen zu tatsächlichen Berichtigungen, die nicht wirklich tatsächliche Berichtigungen waren. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich weiß, das hat sich bei uns so eingebürgert, und ich habe auch großes Verständnis, aber wir sollten das genau auslegen, weil sonst alle Redezeit sparen, anstatt es so zu machen, wie wir es eigentlich machen sollten. – Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege.


Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (fortsetzend): In Ordnung. Ich habe es als berichtigungswürdig empfunden, wenn mir unterstellt wird, ich hätte gesagt, die Maß­nahmen waren ohne Grund. – Das habe ich nicht gesagt. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Kugler und Zanger. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mühlberghuber gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.04.33

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Volks­anwälte! Werte Damen und Herren! Ich möchte den Volksanwälten für ihre Arbeit, aber auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre Tätigkeit danken. Ich darf mich eingangs für diesen wieder einmal sehr umfangreichen und informativen Bericht bedan­ken. Der 43. Bericht hat wieder deutlich gezeigt, wie sehr die Menschen den Volksan­wälten vertrauen, wenn sie Hilfe suchen und Unterstützung brauchen.

Wie diesem Bericht zu entnehmen ist, wurde in zahlreichen Beschwerden die überlange Dauer von Verfahren, die bei Finanzämtern geführt werden, angeführt, aber auch Ver­fahrensverzögerungen bei Obsorgeverfahren wurden beklagt. Ein Beispiel dazu: In Niederösterreich beklagte sich ein Vater einer minderjährigen Tochter über die lange Dauer des Obsorge- und Kontaktrechtsverfahrens. Über den von ihm eingebrachten Antrag auf Feststellung des Aufenthalts seiner Tochter und Übertragung der gemein­samen Obsorge sei die Entscheidung ein Jahr später noch nicht gefallen. Erst nach Einschreiten der Volksanwaltschaft ist eine Beschleunigung des Verfahrens bewirkt worden.

Die Volksanwaltschaft ist ein Kontrollorgan des Parlaments. Sie ist nicht nur Prüferin, sie ist auch Vermittlerin zwischen den Bürgern und Bürgerinnen und der Behörde. Die Volksanwaltschaft gibt den Ministerien Empfehlungen, und in vielen Fällen wird diesen nicht nachgekommen, wie zum Beispiel bei den Polizeianhaltezentren, wie Dr. Walter Rosenkranz in seinen Ausführungen erwähnt hat.

Abschließend möchte ich mich bei der Volksanwaltschaft, bei den Volksanwälten für ihr Engagement bedanken. – Ich möchte mich aber auch für die Sprechtage, die Sie immer in den Bezirken abhalten, bedanken, bei welchen Sie immer die Nähe zu der Be­völ­kerung, die Nähe zu den Menschen finden. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und viel Erfolg! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.07.06

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher! Eingangs ein herzliches Danke den Volksanwälten für ihren sehr umfassenden Bericht, aber auch für ihre tägliche Arbeit, im Besonderen ein Dankeschön – ich habe das selbst miterlebt – für die Sprechtage, die vor Ort abge­halten werden und wirklich sehr, sehr wertvoll sind! Dafür ein herzliches Danke! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte zwei Punkte aus dem Bericht hervorheben. Bevor ich jetzt aber auf die zwei Punkte eingehe, würde ich – da es vorhin ein Hin und Her gegeben hat – um Folgendes bitten: Wir brauchen in diesen Räumlichkeiten kein Religionsbashing und kein Religions­bashing gegenüber Gudrun Kugler. – Ich würde darum bitten. (Abg. Yılmaz: „Religions­bashing“?! – Zwischenruf des Abg. Scherak.) Es bringt uns in der Sache nicht weiter, denn wir diskutieren ja den Volksanwaltschaftsbericht.

Zu den zwei Punkten, die ich herausgenommen habe: Erstens muss ich Danke sagen, denn bereits vor der Coronakrise haben die Volksanwälte aufgezeigt, dass die Medika­mentenversorgung in Europa durchaus kritisch zu hinterfragen ist beziehungsweise die Eigenversorgung in Europa gestärkt werden soll. Die Coronakrise hat bestätigt beziehungsweise uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass es dringend notwendig ist,


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eine europäische Strategie zu entwickeln, wie wir in Europa wieder die entsprechende Grundversorgung mit für uns notwendigen Medikamenten gewährleisten und sicher­stellen können, weil wir wissen, dass nur rund 20 Prozent der in Europa zugelassenen Wirkstoffe auch wirklich lokal in Europa produziert werden.

Zum Zweiten: Der Themenbereich Borkenkäferproblematik ist heute noch nicht ange­sprochen worden. Wir wissen, dass aufgrund des Klimawandels, aufgrund der langen Trockenperioden, durch diese Veränderung unsere Wälder zum Teil sehr stark beein­trächtigt werden. 2019 wurden 4,3 Millionen Festmeter vom Borkenkäfer vernichtet. Deshalb ist das – und ich bin selber Waldbauer –, wenn ich heute einen kleinen Baum pflanze, eine Entscheidung für meine Enkel. Dieses Problem der Borkenkäfer ist kein Problem, das man auf eins, zwei lösen kann, sondern Forstwirtschaft heißt, in Gene­rationen zu denken, und das ist dringend notwendig, weil wir wissen, dass die Forst­wirtschaft, dass der Wald wichtige Funktionen erfüllt.

Gerade im Gebirgsland, wie in Tirol, steht die Schutzfunktion im Vordergrund, und aus diesem Grund bin ich einerseits über den Appell der Volksanwälte und andererseits aber über die Entscheidung unserer Bundesregierung von gestern, mit unserer Ministern Elisabeth Köstinger an der Spitze, ein großes Konjunkturpaket auf den Weg zu bringen, mit dem zukünftig die Wälder wirklich wieder fit gemacht werden sollen, die Biodiversität gestärkt werden soll, sehr, sehr froh. Ich denke, was ganz entscheidend ist, ist, dass wir einfach versuchen, auch im Holzbau die Forstwirtschaft mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

Summa summarum ist die Forstwirtschaft vor große Herausforderungen gestellt, aber mit der Empfehlung der Volksanwälte und mit der Entscheidung der Bundesregierung geht man dieses Problem und diese großen Herausforderungen zielgerichtet und auch positiv für die dort tätigen Menschen an, und wir werden auch einiges gemeinsam wei­terbringen können. Geschätzte Volksanwälte, ein herzliches Danke noch einmal für den Bericht und ein herzliches Danke für eure Arbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.11.37

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Volksanwälte! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Volks­anwaltschaft hat in den umfassenden Berichten vieles ausgeführt, unter anderem auch die Probleme der Ungleichbehandlung bei Auszahlungen von Familienleistungen, und darauf möchte ich mich kurz beziehen.

So sind beispielsweise Krisenpflegeeltern noch immer davon betroffen, dass sie eben nicht ab dem ersten Tag das Kinderbetreuungsgeld bekommen, obwohl es eine Klar­stellung des Obersten Gerichtshofes in diesem Bereich gegeben hat, dass es ihnen definitiv zusteht. Krisenpflegeeltern leisten einen unfassbar wichtigen Beitrag, da sind wir uns auch wirklich alle einig. Sie nehmen Kinder in den schwierigsten Zeiten auf und kümmern sich um diese Kinder, sorgen dafür, dass sie ihnen in dieser Zeit ein fürsorgliches Heim bieten. Es hätte ja in der letzten Gesetzgebungsperiode eine Rege­lung gegeben, und wir von der SPÖ haben auch immer und immer wieder darauf hin­gewiesen, dass das nicht genügt, und auch da hat die Volksanwaltschaft wieder fest­gestellt, dass es einfach unzureichende Ausführungen gibt und dass es in diesem Bereich dringend Nachschärfungen braucht.

Ein zweiter Bereich ist  Herr Volksanwalt Mag. Achitz hat es auch schon ange­sprochen –, dass das Kinderbetreuungsgeld in der Verwaltungspraxis, wenn ein Partner oder eine


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Partnerin im Ausland lebt, auch noch immer eine große Schwierigkeit darstellt. Es wird abgefragt, ob der/die im Ausland lebende Partner/Partnerin bereits Gelder bezieht. Man braucht dann einen negativen Bescheid, den man in Österreich abgeben muss, um hier die Leistungen zu beziehen. Das geht aber hin und wieder nicht und führt zu einer Sisyphuskreislauftortur, weil es diese Bescheide im Ausland oft nicht gibt, da es die Leistung eben nicht gibt. Das erinnert ein bisschen an den Passierschein A38 bei Asterix und Obelix. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man sieht, der Handlungsbedarf ist groß, und ich denke, es ist wichtig, dass wir da ge­meinsam für die Familien, die Kinder und die Jugendlichen diese Hürden, die es nach wie vor gibt, aus dem Weg räumen und uns das einfach anschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz kurz noch, da es im Bericht auch angesprochen worden ist und ich das eigentlich wirklich ein bisschen problematisch finde: Die Kooperationsbereitschaft beispielsweise seitens der Ministerien mit der Volksanwaltschaft ist oftmals enden wollend; ich glaube, die Volksanwaltschaft ist wirklich eine Institution, die parteiübergreifend respektiert und geschätzt wird, und das ist gut und richtig, aber auch die Volksanwaltschaft kann nur so weit gut für die Bürgerinnen und Bürger arbeiten, soweit sie auch die nötige Unter­stützung der Ministerien und der prüfenden Stellen bekommt. Das ist wichtig, und das möchte ich an dieser Stelle auch noch betonen. Danke schön für die Arbeit und für die Zukunft alles Gute! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte schön.


13.14.38

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Volksanwälte! Hohes Haus! Ja, ich glaube, Österreich ist ein sehr gut verwaltetes Land. Man kann immer wieder feststellen, dass im Großen und Ganzen in Österreich die Verwaltung sehr, sehr gut funktioniert. Daher auch einmal ein herzlicher Dank an die Verwaltungs­behörden!

Die Beschwerdefälle in dieser Zahl zeigen aber natürlich auf, wie wichtig die Arbeit der Volksanwaltschaft als Ganzes, der Volksanwälte und ihrer Mitarbeiter ist und wie sie auch von der Bevölkerung – und ich denke, das ist das Wichtigste – angenommen wird. Es ist sicherlich eine große Ehre – natürlich auch Arbeit! –, wenn es Beschwerdefälle gibt, diese zu bearbeiten. Es ist aber, glaube ich, auch eine hohe Auszeichnung, dass sich so viele Menschen daran erinnern, dass es die Volksanwaltschaft gibt und man sich an sie wenden kann. Das zeugt von guter Arbeit.

Ich glaube – da es heute schon erwähnt wurde –, dass es nach den Coronamaßnahmen, nach Corona natürlich sehr wohl auch wieder eine Mehrarbeit für die Volksanwälte geben wird. Es wird den einen oder anderen Missstand in der Verwaltung geben, es wird Beschwerdefälle geben, also ich glaube, die werden nicht weniger werden, sondern mehr werden.

Zu den zwei Berichten: Da gibt es sehr praxisnahe Probleme bei der Verwaltung der digitalen Vignette; also wenn man derzeit umzieht, verbunden mit einem Bezirkswechsel, dann vergisst man sehr, sehr leicht, dass man auch die Vignette an die neue Num­merntafel angleichen lässt. Es wird dann eine sogenannte Ersatzmaut fällig – und die kann dann doch einiges ausmachen, wenn man die Strecke öfters fährt –, und da wäre es wichtig, wie es auch die Volksanwaltschaft vorgeschlagen hat, dass man die Ver­siche­rungsinstitute in die Pflicht nimmt, nämlich dass diese, wenn so ein Fall vorliegt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 104

darauf hinweisen, dass die Angleichung der digitalen Vignette an das neue Kennzeichen vorgenommen werden muss.

Weiters: Analysen bei Selbstmorden, Suiziden, sind eine wichtige Sache. Ich glaube, ein Selbstmord, ein Selbstmordversuch ist eines der schrecklichsten Dinge. Da hat die Volksanwaltschaft, die Arbeitsgruppe Suizidprävention, vorgeschlagen, den Vorschlag, dass da Analysen vom Innenministerium gemacht werden, aufzunehmen. Es wurde bis dato zwar angekündigt, 2019 aber nicht durchgeführt. Man hat sich hinter dem Daten­schutz versteckt, aber ich glaube, Menschenleben zu retten muss vor dem Datenschutz stehen. Jeder verhinderte Suizid ist wichtig, somit sollte man sich da durchringen und die Anregungen der Volksanwaltschaft aufnehmen.

Die Volksanwaltschaft ist natürlich nur so gut – sie ist ein Hilfsorgan des Parlaments –, wie der Gesetzgeber, also wir alle, die Empfehlungen der Volksanwaltschaft aufnimmt und umsetzt. Mich freut es ganz besonders – das ist heute schon mehrfach ange­sprochen worden –, dass auch staatsnahe, ausgegliederte Rechtsträger, wie zum Bei­spiel die Asfinag, hinkünftig direkt von der Volksanwaltschaft geprüft werden können. Alle – und das ist ein großes Lob an alle drei Volksanwälte – haben sich im Ausschuss dafür ausgesprochen.

Ich glaube, das ist schon ein Weg in die richtige Richtung. Jetzt liegt es nur noch am Gesetzgeber, also an uns, das möglich zu machen. Ich denke, auch der Innenminister sollte vielleicht hinsichtlich der Selbstmorde und der Suizidversuche umdenken, nämlich dazu Analysen erstellen, denn Menschenleben zu retten ist wichtiger als jeglicher Daten­schutz. Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Fischer.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.18.54

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Volksan­wälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, jeder und jede von uns, der oder die Alten- und Pflegeheime besucht, mit Pflegekräften diskutiert hat, wird die Erfahrung gemacht haben, dass vor allem eine niedrige Einstufung von an Demenz erkrankten Personen ein großer Kritikpunkt ist.

Personen mit Demenz, Personen, die an Demenz erkrankt sind, haben erhöhten Betreu­ungsbedarf, etwa durch einen gestörten Tages- und Nachtrhythmus. Viele von ihnen sind nachtaktiv unterwegs und brauchen eben diese erhöhte Betreuung. Die Volks­anwaltschaft geht in ihrem Bericht auf diesen erhöhten Betreuungsbedarf ein und darauf, dass das trotz des Demenzzuschlages in der Pflegestufenermittlung nicht entsprechend abgebildet wird, weil – das haben wir schon gehört – bei der Pflegebedarfsermittlung vor allem körperliche Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen.

Diese niedrige Einstufung der Pflegebedürftigkeit betrifft vor allem armutsgefährdete Personen. Wenn das Geld nicht da ist, die Finanzierung nicht da ist, um sich Hilfsmittel oder Therapien zu finanzieren, dann kann das auch negative Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf insgesamt haben. Wir haben es schon gehört und wissen aus der Angehörigenstudie des Sozialministeriums, dass vor allem pflegende Angehörige von Personen, die unter Demenz leiden, besonders belastet sind, und diese Belastung hat sich durch die Coronakrise verstärkt. Frau Kollegin Ribo, Sie haben das auch in Ihrem Redebeitrag erwähnt, und ich sehe, dass Sie erkennen, dass es da quasi auch einen Bedarf gibt. Ich würde mich freuen, wenn diese Personen, wenn die pflegenden Ange­hörigen und die an Demenz Erkrankten die notwendige Unterstützung auch für die Coronazeit bekommen würden. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 105

Es ist dringend notwendig: Wenn man die Kritik der Volksanwaltschaft, die Kritik der Pflegefachkräfte, die Kritik der pflegenden Angehörigen, aber auch der von Demenz Be­troffenen selbst ernst nimmt, dann muss man über eine neue Pflegegeldeinstufung reden und dann müssen psychische Erkrankungen und Demenzerkrankungen auch ent­sprechend berücksichtigt werden.

Ich bringe deswegen folgenden Entschließungsantrag dazu ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegegeld-Einstufung von Demenzerkrankten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der die systematisch schlechtere Einstufung von Menschen mit Demenz oder einer psychischen Erkrankung gemildert wird, indem der Erschwerniszuschlag von derzeit 25 Stunden um zumindest das Doppelte angehoben wird.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie diesen Bedarf erkennen – das haben Sie ja in Ihrem Redebeitrag getan –, dann gehe ich davon aus, dass dieser Antrag auch Ihre Zustimmung finden wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Rudolf Silvan,

Genossinnen und Genossen

betreffend Pflegegeld-Einstufung von Demenzerkrankten

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 43. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2019) (III‑90/205 d.B.)

Schätzungen zufolge leben 130.000 Österreicherinnen aktuell mit einer dementiellen Erkrankung. 2050 wird diese Zahl auf etwa 260.000 angestiegen sein, denn je älter man wird desto höher werden die Zahl der Neuerkrankungen und die Prävalenz. Demenz umfasst Krankheitsbilder, bei denen die betroffene Person Beeinträchtigungen der kognitiven Funktionen wie Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Auffassungsgabe, Ur­teilsvermögen und Lernfähigkeit erfahren kann. Die häufigste Demenzerkrankung stellt die Alzheimer-Krankheit dar.

Die Entwicklung ist eindeutig: wir müssen uns in den kommenden Jahren auf immer mehr Menschen mit Demenz einstellen, die auf Betreuung, Pflege und Unterstützung angewiesen sind. Ebenso bedarf es neuer Wohnformen, um mit Menschen mit Demenz zusammen zu leben und sie in ihrer Orientierung zu unterstützen. Der größte Teil der Betroffenen ist älter als 80 Jahre und weiblich, wie auch die Ergebnisse aus einer Studie von Badelt/Leichsenring (2000) oder der World Alzheimer Report (2014) belegen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 106

Aktuell kritisiert die Volksanwaltschaft in ihrem Jahresbericht an das Parlament jedoch massive Mängel im Umgang mit Demenz – konkret etwa, dass die Intensität des Einsatzes in der Betreuung von Menschen mit Demenz bei den Einstufungskriterien zur Bemessung des Pflegegeldes trotz des „Demenzzuschlages“ in den Pflegegeld­gut­achten nicht entsprechend abgebildet wird, weshalb das Erreichen höherer Pflege­geldstufen erschwert ist (2020, S. 69). Die sozialgerichtliche Praxis zeige, dass es gerade bei Personen mit dementieller Erkrankung überdurchschnittlich häufig zu – oft massiven – Fehleinschätzungen durch die Sozialversicherungsträger komme, weshalb die Volksanwaltschaft „eine angemessenere und korrekte Einstufung von geistigen und/oder psychischen Beeinträchtigungen“ umzusetzen (a.a.O., S. 56).

Im Regierungsprogramm 2020 wird gefordert, dass die Demenzstrategie österreichweit ausgerollt wird, mit Ressourcen versehen sowie in die Regelfinanzierung übernommen werden soll. Bisher ist das nur eine Ankündigung geblieben, dabei brauchen pflegende Angehörige und Menschen mit Demenz gerade jetzt unsere Unterstützung. Während schon die Angehörigenstudie des Sozialministeriums zeigte, dass die Betreuung von Demenzerkrankten für pflegenden Angehörigen besonders fordernd ist, sind nun in der Corona-Krise aufgrund der Ansteckungsgefahr mit SARS-COV2 Unterstützungen im Freundes- und Bekanntenkreis, Betreuungs- und Therapieangebote zusätzlich aus­gefallen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der die systematisch schlechtere Einstufung von Menschen mit Demenz oder einer psychischen Erkrankung gemildert wird, indem der Erschwerniszuschlag von derzeit 25 Stunden um zumindest das Doppelte angehoben wird.“

*****

13.21.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob sie eine kurze Sitzungsunterbrechung wünschen. – Diesen Wunsch erkenne ich nicht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Volksanwaltschafts­aus­schus­ses, den vorliegenden Bericht III-90 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Modernisierung der Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft“. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 107

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflegegeld-Einstufung von De­menzerkrankten“. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich bedanke mich bei den Volksanwälten für ihr Erscheinen und wünsche ihnen für ihre Arbeit alles Gute.

13.23.232. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 589/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungs­gesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz) (218 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.23.50

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen vor den Bildschirmen! Es freut mich heute außerordentlich, über ein Gesetz zu berichten, das die Existenz von Künstlern und Künstlerinnen in den nächsten Monaten weiter absichern soll.

Es sind ja schon einige Maßnahmen getroffen worden, sei es der Härtefallfonds, seien es Unterstützungen aus den Verwertungsgesellschaften. Jetzt haben wir ein Gesetz zur Überbrückungsfinanzierung für Künstler und Künstlerinnen – Künstler und Künstlerinnen in einem durchaus sehr weit gefassten Sinne, damit man möglichst alle erfasst, und zwar KünstlerInnen, die in der SVS versichert sind.

Ich darf gleich auf den Abänderungsantrag verweisen, den wir eingebracht haben: Es ist nun nicht mehr nur ein Stichtag, sondern eine Periode, in der man versichert sein muss – vom 13. März bis 13. Juni –, um sicherzustellen, dass wir möglichst wirklich alle erfassen, die versichert sind, die wegen Corona in einer Notlage sind und dringend eine Unterstützung im Sinne einer Überbrückung benötigen.

Mehr kann es natürlich leider nicht sein, aber es ist sozusagen zumindest existenz­sichernd. Es sollen 1 000 Euro pro Monat sein und es wird über die SVS abgewickelt, aber nicht monatlich gezahlt, sondern in Raten.

Die Richtlinien werden wir morgen noch intern verhandeln, und wir hoffen, dass wir das diese Woche, spätestens nächste Woche fertig haben und möglichst rasch, sobald dann das Gesetz tatsächlich in Kraft ist, eine Auszahlung, und zwar eine äußerst nieder­schwellige Auszahlung, beginnen kann.

Ich weiß schon, die Kritik der Opposition an all den Fonds – dass diese zu bürokratisch seien – hält an. Sie kennen mein immer wiederkehrendes Zitat, dass es bürokratisch sein muss – das ist auch da der Fall –, weil man es uns sonst in zwei Jahren um die Ohren haut, wenn die Rechnungshofberichte kommen und wir das unbürokratisch, heißt willkürlich, gemacht haben.


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Es wird also 1 000 Euro pro Monat für Künstler und Künstlerinnen in Notlagen geben, die SVS wird das abwickeln. Das wird alles mittels eines elektronischen Tools passieren, und es sind all die Menschen antragsberechtigt, die Kunst und Kultur schaffen, ausüben, vermitteln oder lehren und eben in der SVS versichert sind. Die Formulierung „Kultur schaffen, ausüben, vermitteln oder lehren“ soll möglichst breit alles in diesem Bereich abdecken.

Es sind derzeit circa 15 000 Personen anspruchsberechtigt. Es gibt viele andere, die sich auch als Künstler definieren – da muss man schauen –, die in der SVS sind, aber vielleicht noch nicht selber als Künstler definiert sind; wir hatten das schon als Anfrage. Man muss schauen, wie da die Bandbreite ist, aber im Prinzip geht es um bildende Künstler, Künstlerinnen, Schauspieler, Schauspielerinnen, MusikerInnen, AutorInnen, Filmschaffende, PerformerInnen, was auch immer. – Sie wissen, die Bandbreite ist groß. Die Antragstellung – wenn es so hinhaut, wie wir uns das denken, und ich glaube, das sollte funktionieren – ist dann ab Anfang Juli 2020 möglich.

Dieser Überbrückungsfonds ist ein Teil des Gesamten. Sie wissen, die Verhandlungen für die Non-Profit-Organisationen sind eine komplizierte Geschichte. Wir hatten im Aus­schuss und, wie ich höre, jetzt wieder einen Abänderungsantrag von den NEOS betref­fend ein Satellitenkonto. Das wollen wir machen, damit wir all diese Informationen haben, aber nicht nur für den Kunst- und Kulturbereich, sondern für einen größeren Bereich.

Lassen Sie mich noch drei Sätze zu den Bundesmuseen sagen, da ja heute die Demonstration der Betriebsräte stattfand: Ja, es ist uns ein dringendes Anliegen, dass es einen Kollektivvertrag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesmuseen gibt. Der KHM-Verband, also das Kunsthistorisches Museum, hat ja einen, aber die anderen noch nicht. Das werden wir also vorantreiben. Man muss sich auch da, wie in allen anderen Bereichen, anschauen, wie sich das mit der Kurzarbeit tatsächlich verhält und ob diese noch tatsächlich erforderlich ist oder ob man nicht schön langsam umstellen kann.

Zum Schluss will ich Ihnen sagen, dass ich im Übrigen dafür bin, die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umzubenennen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger

Kolleginnen und Kollegen,

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz)

idF des Berichts des Kulturausschusses (218 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I. Artikel 1 (Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungs­finan­zierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler) wird wie folgt geändert:


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1.          § 2 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt: „Ebenfalls antragsberechtigt sind Per­sonen, die im Jahr 2018 oder 2019 auf Grund der künstlerischen Tätigkeit pflicht­versichert waren und zum Stichtag 13. März 2020 künstlerisch tätig sind.“

2.          Nach § 2 Abs. 2 wird folgender Abs. 3 eingefügt:

„(3) Hat am 13. März 2020 keine Versicherung aufgrund selbstständiger künstlerischer Tätigkeit gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 bestanden, kann eine Förderung auch gewährt werden, wenn spätestens am 13. Juni 2020 die Anmeldung zur Pflichtversicherung oder freiwilligen Versicherung aufgrund selbstständiger künstlerischer Tätigkeit bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen eingelangt ist.“

3.          Abs. 3 erhält die Absatzbezeichnung „(4)“.

4.          In § 3 Abs. 1 Z 5 wird das Wort „und“ durch  „,“ ersetzt; § 3 Abs. 1 Z 6 wird das Wort „und“ angefügt.

5.          In § 9 wird nach dem Wort „Überbrückungsfinanzierung“ das Wort „für“ eingefügt.

II. Artikel II (Änderung des COVID-19-Förderungsprüfungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1.          Z 1 lautet:

„1. In § 1 wird in Z 4 idF des 20. COVID-19-Gesetzes, BGBl. I Nr. xxx/2020 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 5 angefügt:

              „5.         Förderungen nach dem Bundesgesetz über die Errichtung einer „Über­brückungs­finanzierung für Künstlerinnen und Künstler“.““

2.          Z 2 lautet:

„2. Nach § 14c idF des 20. COVID-19-Gesetzes, BGBl. I Nr. xxx/2020 wird folgender Abschnitt 4b. samt Überschriften eingefügt:

„4b. Abschnitt

Prüfung von Förderungen nach der Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler

Prüfung im Rahmen von abgabenbehördlichen Maßnahmen

§ 14d. (1) Zuständig für die Prüfung von Förderungen aus der Überbrückungs­finan­zierung für Künstlerinnen und Künstler ist das für die Erhebung der Umsatzsteuer des Förderungsempfängers zuständige Finanzamt bzw. das Finanzamt, das zuständig wäre, wenn der Förderungsempfänger Unternehmer wäre.

(2) Das zuständige Finanzamt ist berechtigt, anlässlich der Durchführung

1.          einer Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO oder

2.          einer Nachschau gemäß § 144 BAO

die Richtigkeit der vom Förderungsempfänger zum Zwecke der Erlangung einer För­derung aus dem Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstle­rinnen und Künstler (§ 1 Z 5) erteilten Auskünfte, vorgelegten Unterlagen oder Be­stätigungen bzw. die Plausibilität der zur Ermittlung der Höhe der Förderung ange­gebenen Daten zu überprüfen.

Beauftragte Förderungsprüfung

§ 14e. Auf Weisung des Bundesministers für Finanzen hat das zuständige Finanzamt die Prüfung einer Förderung aus dem Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für


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selbständige Künstlerinnen und Künstler (§ 1 Z 5) auch dann vorzunehmen, wenn keine abgabenrechtliche Prüfung oder Nachschau durchgeführt werden soll.

Übermittlung des Prüfungsergebnisses

§ 14f. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der vom Förderungsempfänger zum Zwecke der Erlangung einer Förderung erteilten Auskünfte, vorgelegten Unterlagen oder Be­stätigungen bzw. an der Plausibilität der zur Ermittlung der Höhe der Förderung ange­gebenen Daten, ist ein gesonderter Prüfungsbericht zu erstellen und der SVS, dem Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie dem Bundes­minister für Finanzen zu übermitteln.““

Begründung

Die Änderungen im Artikel 1 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler dienen der Vermeidung von Härtefällen. Die übrigen Anpassungen dienen der Bereinigung von Redaktionsversehen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag wurde an die Abgeordneten verteilt. Er ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Kollege Mag. Thomas Drozda. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.29.27

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir schreiben jetzt die Woche zwölf nach dem Shutdown, es sind also drei Monate vergangen, in denen die Künstlerinnen und Künstler de facto kein Geld gesehen haben. Dabei war von Anfang an klar, dass die Künstler die Ersten sein werden, die von dieser Krise betroffen sind, weil sie als Erste von den Schließungen betroffen waren, und es ist auch klar, dass sie die Letzten sein werden, bei denen wieder aufgesperrt wird – das zeigt sich ja jetzt Stück für Stück.

Daraus ergeben sich relativ schlichte Ableitungen, es sind zwei an der Zahl. Die erste Ableitung ist: Es bedarf einer Abgeltung für den Verdienstentgang der Künstlerinnen und Künstler – es war immer klar, dass das kommen muss, aber das fehlt nach wie vor –; und die zweite Ableitung ist: Es bedarf eines genauen, exakten Plans, wer wann wie und wo wieder arbeiten kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun muss ich schon gestehen, und das verhehle ich nicht, dass ich eigentlich am Montag in der Früh gedacht habe: Jetzt kommt eine zweitägige Regierungsklausur, und die werden zu dieser einen oder zu der anderen Thematik doch irgendetwas sagen! Am Ende aber muss ich sagen, es gibt weder einen Vorschlag zum Verdienstentgang, noch gibt es einen weiter gehenden Vorschlag, wie beispielsweise die Clubszene wieder in Arbeit kommen kann, wie beispielsweise Veranstalter wieder arbeiten können.

Wir haben das ja heute in der Früh erlebt – Eva, du hast es ja erwähnt –: Es gab heute in der Früh die Demonstration der Betriebsräte der Bundesmuseen. Na worum geht es da? – Da geht es darum, dass die sagen: Wir sind immer noch in Kurzarbeit, obwohl wir genug Arbeit hätten. – Na warum sind die in Kurzarbeit? – Weil es keine Idee gibt, wie man den Verdienstentgang für diese wichtigen Institutionen abgilt. Die haben überhaupt keine andere Möglichkeit, als in Kurzarbeit zu gehen, obwohl sie hinten und vorne – im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 111

Bereich Forschung, im Bereich Wissenschaft, im Bereich der Restaurierung – mehr als genug Arbeit hätten. Das ist die Situation, die ihr dort erzeugt! (Beifall bei der SPÖ.)

Beispiel zwei – ebenso eindrücklich –: Ich meine, wir sind hier vor drei Wochen gestanden und haben darüber diskutiert, dass wir jetzt den großen NPO-Fonds machen und dass dieser große NPO-Fonds besonders bald und besonders rasch in Arbeit kom­men wird. Gestern hörte ich in der „ZIB 2“ den Vizekanzler, der sagte: Na ja, wir arbeiten dran, wir arbeiten dran, wir arbeiten dran! – Ich meine, Freunde, das ist jetzt drei Monate her und es gibt den Fonds für die NPOs immer noch nicht?! Das sind 700 Millionen Euro – von denen ist exakt null ausbezahlt. Also ich halte das wirklich für eine Zumutung. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Dritten – und das bringt mich zu dem Thema, das wir heute zu behandeln haben –: Jetzt liegt der nächste Vorschlag vor: Wir gründen wieder einen Fonds, in diesem Fall einen Überbrückungsfonds, dotiert mit 90 Millionen Euro. – Ich bin sehr dafür, das zu machen, ich möchte das sozusagen wirklich nicht in Abrede stellen, nur braucht dieser Fonds auch wieder Richtlinien. Jetzt haben wir gerade von Eva vom Rednerpult aus gehört: Ja, die Richtlinien werden in den nächsten Tagen erarbeitet werden. – Also ich frage mich: Was hat euch davon abgehalten, die Richtlinien zwischen der Sitzung des Kulturausschusses vergangene Woche und dem heutigen Tag auszuarbeiten, sie also heute schon ausgearbeitet zu haben?

Im Übrigen haben wir zu diesem Thema einen Abänderungsantrag vorbereitet, weil das Problem bei dem Entwurf, wie er jetzt vorliegt, ist, dass der Betrag zu gering ist, dass die Dauer zu kurz ist und dass wieder eine bürokratische Abwicklung zu befürchten ist, weil die Künstlerdefinition, so wie sie jetzt ist, natürlich wieder nicht funktioniert, denn es gibt viele, die keine durchgängigen Einkommenssituationen haben und wieder Monate zwischen Selbstversicherung und Arbeitslosigkeit haben. Die schauen einmal mehr durch die Finger.

In Wahrheit ginge es ja um etwas ganz Einfaches: Es ginge jetzt darum, zu helfen und verlorenes Vertrauen wieder zu schaffen. Vertrauen ist meines Erachtens ein Schlüssel­begriff in der ganzen Diskussion: Wenn man wirklich helfen will, hilft man nur dann, wenn man tatsächlich auch Vertrauen schafft. Vertrauen aber schafft man nicht durch Pres­sekonferenzen, Vertrauen schafft man nicht durch zweitägige Regierungsklausuren, Vertrauen schafft man durch eine ganz profane und ganz banale Sache, und das ist irgendwie ganz konkret: die Ärmel hochkrempeln, arbeiten und dafür sorgen, dass die Dinge endlich umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie heißt es so schön in Brechts „Leben des Galilei“: „Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird.“ – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 589/A der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Über­brückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz) (218 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 112

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

I. Der Titel des Gesetzes lautet wie folgt:

„Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler erlassen wird und das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID19-Gesetz)“

II. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Der Titel des Gesetzes lautet wie folgt:

„Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler“

1a. Die Überschrift von § 1 lautet wie folgt:

„Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler“

2. In § 1 Abs. 1 wird die Wortfolge „Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler“ durch die Wortfolge „Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler“ ersetzt.

2.§ 1 Abs. 2 lautet:

„(2) Aus den Mitteln der „Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler“ sind an Künstlerinnen und Künstler Unterstützungsleistungen als privatwirtschaftliche Förderungen zur Abfederung der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie zu gewähren, damit diese in die Lage versetzt werden, ihre Tätigkeit weiterhin auszuüben.“

3. In § 2 Abs. 1 entfällt die Wortfolge „und zum 13. März 2020 gemäß § 2 GSVG als Künstlerinnen und Künstler in der Sozialversicherung der Selbständigen pflichtversichert sind“.

III. In Artikel 2 wird Z 2 wie folgt geändert:

1. In § 14e Abs. 2 wird die Wortfolge „Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler“ durch die Wortfolge „Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler“ ersetzt.

2. In § 14f wird die Wortfolge „Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selb­ständige Künstlerinnen und Künstler“ durch die Wortfolge „Fonds für eine Über­brückungsfinanzierung für Künstlerinnen und Künstler“ ersetzt.

Begründung

Das Anliegen der Abgeordneten Maria Großbauer und Mag. Eva Blimlinger Künstle­rinnen und Künstler, die stark von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffen sind, Überbrückungshilfen auszuzahlen, ist prinzipiell zu begrüßen. Allerdings bedarf es einiger Änderungen, um Künstlerinnen und Künstler bestmöglich zu unterstützen.

Erstens sind in dem Entwurf von Großbauer/Blimlinger nur Personen antragsberechtigt, die zum 13. März 2020 gemäß § 2 GSVG als Künstlerinnen und Künstler in der Sozial­versicherung der Selbständigen pflichtversichert waren. Darüber hinaus gibt es jedoch viele KünstlerInnen, die beispielsweise in kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen nach dem ASVG angestellt sind und deren Einkommen durch die Covid-19 Pandemie


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zu 100 Prozent weggebrochen sind. Diese haben oftmals aufgrund der Kurzfristigkeit ihrer Beschäftigungsverhältnisse keinen oder nur geringen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Die Covid-19 Pandemie betrifft sowohl selbständige als auch unselbständige KünstlerInnen, aus diesem Grund darf hier keine Einschränkung auf eine bestimmt KünstlerInnengruppe erfolgen. Daher sieht der Abänderungsantrag vor, alle KünstlerInnen bei dem Fonds bezugsberechtigt zu machen.

Zweitens bergen die in § 1 (2) normierten Fördervoraussetzungen unter Umständen Gefahren: Der Begriff der „Notlage“ wird nicht definiert. Es ist unklar, wann eine solche vorliegt. Des Weiteren müssen „Einnahmenausfälle“ vorliegen. Aus den Erfahrungen mit dem Härtefallfonds wissen wir, dass gerade KünstlerInnen über sehr unregelmäßige Einkommen verfügen und diese Bestimmung rasch zu einem Ausschlussgrund werden kann. Daher ist im Abänderungsantrag die Anforderung einer Notlage und eines Einnahmenausfalls gestrichen.

Drittens wäre es wichtig, in den Richtlinien die Höhe der Förderung zumindest an die aktuelle Armutsgefährdungsschwelle (60% des Median-Einkommens) in der Höhe von 1.286€ monatlich anzupassen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs von Großbauer/Blimlinger sind € 1.000 pro Monat für maximal 6 Monate vorgesehen.

Darüber hinaus ist durch größtmögliche Klarheit in den Richtlinien zu verhindern, dass es zu zahlreichen Rückzahlungsforderungen kommt. KünstlerInnen müssen bei Antrag­stellung Sicherheit darüber haben, ob sie bezugsberechtigt sind oder nicht. Künstle­rIn­nen, die sich subjektiv in einer Notlage befinden und aus der Überzeugung heraus, dass sie anspruchsberechtigt sind, die Überbrückungsfinanzierung beantragen, dürfen nicht rückwirkend in ihrer Existenz bedroht sein, weil die SVS in der Einschätzung der Notlage zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt. Selbstverständlich jedoch können in den Richtlinien Voraussetzungen definiert werden, beispielsweise bis zu welchem Ein­kommen eine Unterstützung beantragt werden kann.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er wurde gemäß § 53 Abs. 4 GOG verteilt und er steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.34.27

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der amerikanische Filmregisseur, Schauspieler, Komiker und Autor Woody Allen prägte einst folgenden Satz: „Wenn man im Leben scheitert, kann das gefährlich sein. Wenn man in der Kunst scheitert, ist das peinlich.“

Als Kunst- und Kultursprecher der Freiheitlichen Partei ist es mir ein Anliegen, die Wichtigkeit dieses Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstler zu betonen. Diese Unterstützung kommt nur leider viel zu spät. Viel zu spät kommen Sie da jetzt mit einem kleinen Rettungsring ums Eck und versuchen, die selbstständigen Künstler vor dem Ertrinken zu retten. Fraglich bleibt, ob diese 90 Millionen Euro schnell fließen werden – wenn man Mitte Juni überhaupt noch von schnell reden kann – und ob sie auch wirklich genügen werden, um das wirtschaftliche Überleben der Künstler sichern zu können. Die Richtlinie für die Auszahlung liegt – wie Kollege Drozda schon gesagt hat – natürlich noch nicht vor.

Im Übrigen: Auch für den 700-Millionen-Euro-Unterstützungsfonds für die gemein­nützi­gen Organisationen, der ja speziell – aber nicht nur – für Kunst- und Kultureinrichtungen,


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aber auch für Einrichtungen im Sportbereich geschaffen wurde, den wir vor knapp drei Wochen hier im Hohen Haus beschlossen haben, liegen die Richtlinien noch immer nicht vor. Das ist wirklich ein Armutszeugnis, sehr verehrte Damen und Herren. Es wird Zeit, nein, es ist längst überfällig, dass Sie in die Gänge kommen.

Wir bezweifeln daher, dass es – zumindest bei den selbstständigen Künstlern – zu einer schnellen Auszahlung kommen wird. Es wird hier mit dem heutigen Gesetz einmal ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt, aber jetzt liegt es nicht mehr am Gesetzgeber, sondern ausschließlich an der Regierung.

Die Freiheitliche Partei wird daher diesem Gesetzesantrag zustimmen, aber lassen Sie mich auch inhaltlich etwas kritisieren: In Ihrem Gesetzesantrag steht, dass die Richtlinie des Kunst- und Kulturministers Kogler mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, also mit Herrn Bundesminister Faßmann, im Einvernehmen zu erlassen ist. Wie auch bereits im Ausschuss im Zusammenhang mit anderen Gesetzen habe ich diese Praxis mehrfach kritisiert. Ich bin der Meinung, dass der Kulturminister eine eigenständige Kompetenz bei der Erstellung der Richtlinien bekommen sollte.

Die Argumentation von Frau Kollegin Blimlinger im Ausschuss, dass Herr Bundes­minis­ter Faßmann deswegen beigezogen worden sei, weil er für die Kunstuniversitäten zu­ständig sei, ist nichts anderes als eine fadenscheinige Ausrede. Bitte beleidigen Sie nicht unsere Intelligenz! In Wahrheit ist es nämlich so, dass die ÖVP nur ein inhaltliches Mitspracherecht in einem fremden Ressort gesichert haben möchte. Maximal konnten die Grünen bei der Auswahl des türkisen Gegenübers, bei der Auswahl von Herrn Faßmann, mitreden, aber sonst schon gar nicht.

Und, Frau Kollegin Blimlinger, zu der von Ihnen geforderten Kasernenumbenennung: Bitte beschränken Sie sich auf den Kulturbereich und lassen Sie Ihre Hände vom Bundesheer, denn davon verstehen Sie wahrlich nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend mein Appell an die Regierung: Bitte kommen Sie jetzt wirklich schnell in die Umsetzung und lassen Sie die Künstler nicht noch länger in der Luft hängen, denn wir wollen beim Fonds für die selbstständigen Künstler kein Dacapo des ins Stocken geratenen Fonds für die gemeinnützigen Organisationen erleben! (Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.37.44

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich finde es schon besonders witzig, Herr Kollege Drozda, dass Sie hier so über Vertrauen, über das Schaffen von Vertrauen reden – als ob es Vertrauen schaffen würde, wenn man Bilder, die einem nicht gehören, in einem Porsche durch Wien führt. Ich weiß also nicht, ob Sie wirklich der Experte für Vertrauen sind. (Rufe bei der SPÖ: Ha, ha, ha! Geh? – Zwischenrufe der Abgeordneten Drozda und Kollross.) – Aber lassen Sie mich jetzt zu meinem Redebeitrag kommen. (Abg. Leichtfried: Also das war jetzt ein bissl ein eigenartiger Einstieg!)

Wir diskutieren hier über den Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler in der Höhe von 90 Millionen Euro, also über eine maßge­schneiderte Lösung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler, wobei die Definition von Künstlern ist: „Personen, die Kunst und Kultur schaffen, ausüben, vermitteln oder lehren“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 115

Die Vielfalt in der Kunst und Kultur und auch der in der Kunst und Kultur Tätigen hat eben gezeigt, dass es verschiedene Unterstützungsmaßnahmen braucht, dass solche notwendig sind, um diese besonders schwer getroffene Branche durch die Krise zu bringen, weil Kultur systemrelevant ist – für unsere Gesellschaft, für den Austausch, für die Bereicherung, als Brücke zwischen Ländern und Kulturen (Abg. Leichtfried: Ich glaub, diesen Einstieg hat der Kollege Hörl vorgeschrieben!), besonders auch für Kinder und Jugendliche, aber auch für den Tourismus, für die Wertschöpfung und generell für das Menschsein.

Die Erarbeitung der Richtlinie läuft, wie Kollegin Blimlinger völlig richtig gesagt hat, auf Hochtouren. Wir haben seit letzter Woche natürlich daran gearbeitet, und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass das sehr, sehr rasch fertiggestellt sein wird. Das Ziel ist, dass eine Antragstellung ab Juli möglich ist und dass es eine einfache Methodik sein wird: unbürokratisch, aber natürlich kontrollierbar – das muss auch so sein –, und dass eine digitale Abwicklung über die Sozialversicherung der Selbständigen erfolgt, die Erfahrung im Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern und diesbezügliches Know-how hat und auch deren Bedürfnisse kennt. 6 000 Euro soll also die Höhe sein, anspruchsberechtigt sollen jene sein, die in der SVS freiwillig versichert oder pflichtversichert sind – diese Gruppe umfasst rund 15 000 Personen.

Kultur steht ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung, das hat auch kürzlich die Staatssekretärin wieder betont. Ja, die Bundesregierung des berühmtesten Kulturlandes der Welt kümmert sich um die Kultur. Sie hat bereits viele Maßnahmen auf den Weg gebracht beziehungsweise werden sie noch kommen, und ich möchte fünf davon erwähnen.

Der Künstler-Sozialversicherungsfonds hat ja schon bisher zusätzlich 5 Millionen Euro für Notfälle bereitgestellt.

Die Filmwirtschaft bekommt eine Rückversicherung in der Höhe von 25 Millionen Euro an nicht rückzahlbaren Ausfallszuschüssen zur Verfügung gestellt. Die Filmwirtschaft ist ein wichtiger Zweig in der Kreativwirtschaft, hat eine große Bedeutung für unser Land, aber auch für die Wertschätzung, für den Werbewert Österreichs, für den ideellen Wert natürlich, auch für die Identität. Ich freue mich sehr, dass mit dem Wirtschafts­ministe­rium, mit dem Kulturstaatssekretariat, mit der Wirtschaftskammer, mit dem ORF, mit heimi­schen Filmproduzenten so viele daran mitgewirkt haben, dass das ein funktio­nierendes Modell für diese Branche sein kann.

Der NPO-Fonds, der Fonds für gemeinnützige Organisationen, ist sehr weit fortge­schritten. Der Herr Vizekanzler hat selbst gesagt, es ist eine extrem komplexe Materie, von Sport bis Kultur alles in einer Richtlinie abzubilden. Es gibt ja so viele Vereine in Österreich – Gott sei Dank, deswegen ist Österreich auch ein so besonderes Land.

Der Härtefallfonds hat nicht überall gegriffen, ja, das hat man gesehen. Die Richtlinien wurden aber laufend verändert, erweitert, verbessert, auch der Bezieherkreis wurde erweitert.

Ich möchte Ihnen schon auch ein paar Zahlen aus dem Härtefallfonds zum Bereich Kultur nennen. In den Phasen eins und zwei wurden über 16 000 Anträge aus Kunst und Kultur bearbeitet und 9,5 Millionen Euro ausgezahlt – von wegen, es gab noch gar kein Geld, also davon kann nicht gesprochen werden.

Es gibt im neuen Sonder- und Entlastungspaket der Bundesregierung für Tourismus, Gastronomie und Kultur eben auch die Umsatzsteuersenkung auf 5 Prozent bis Ende des Jahres für Kunst und Kultur, Theater, Konzerte, Kinos, aber auch für Bücher.

Ja, es sind noch weitere Maßnahmen notwendig, das wissen wir alle, das weiß auch die Staatssekretärin; vor allem die Bundestheater – Staatsoper, Burgtheater, Volksoper –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 116

und die Bundesmuseen brauchen noch Unterstützung. Wir sind aber auf einem guten Weg, weil es der Bundesregierung und dem hervorragenden Krisenmanagement gelun­gen ist, dass Österreich früher als andere Länder schrittweise wieder zur Normalität zurückkehren konnte.

Zum Schluss meine Bitte an Sie alle, auch an Sie, liebe Zuseherinnen und Zuseher: Sollten Sie Urlaub machen, überlegen Sie sich, vielleicht Urlaub in Österreich zu machen (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) und auch so schnell wie möglich wieder Kultur­veranstaltungen, Konzerte, Theater, die es in ganz Österreich gibt, zu besuchen. Auch das wäre ein wesentlicher Beitrag. Unser Gust Wöginger hat gesagt: Heuer Almen statt Palmen!, und ich möchte ergänzen: Natur und Kultur! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Der Kollege Schellhorn wird jetzt was entgegnen!)


13.42.54

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Meine Vorrednerin, Frau Großbauer, hat den NPO-Fonds erwähnt. – Sehen Sie, das ist ja das Problem: Zuerst wird etwas angekündigt, und dann findet man heraus, dass es höchst kompliziert ist. Darunter leiden wir schon die ganze Zeit: dass wir immer wieder das Nachgebesserte nachbessern müssen. Das hilft diesen Non-Profit-Organisationen überhaupt nicht, sie bräuchten genau jetzt Hilfe.

Natürlich – und Kollege Obernosterer wird jetzt staunen – begrüßen wir diesen Schritt sehr (Abg. Obernosterer: Das freut mich wieder sehr! Super!), den Kollegin Blimlinger aufgezeigt hat. Natürlich ist das wichtig. Wir haben schon lange darüber gesprochen, dass die Freischaffenden, die Künstlerinnen und Künstler auch Hilfe benötigen. Bestmöglich soll auch heißen, dass sie nicht monatliche Bittsteller werden, sondern das vielleicht in kürzeren Tranchen abgehandelt werden kann; wir haben darüber ge­sprochen, Frau Staatssekretär. Lieber wäre uns natürlich gewesen, es wären vorher keine Fehler passiert, dann wäre es schneller gegangen. Aber das kann man natürlich nicht wissen, man hat ja auch noch nie damit gearbeitet.

Was aber wichtig ist – die Frau Staatssekretär hat das auch erwähnt; Sie haben das, glaube ich, in einem Interview gesagt –: Wenn man an die Zukunft denkt, dann sollten wir auch daran denken, dass auch Private mehr Geld in Kunst und Kultur investieren sollten, und dann müssen wir daran denken, dass wir dafür ein Steuerkonzept erar­beiten, dass wir eine steuerliche Absetzbarkeit ermöglichen, dass wir da noch viel mehr machen können. Sie wissen – nicht nur Sie, Frau Staatssekretär, sondern auch die Grünen und die Türkisen –, dass wir auch schon Vorschläge vorbereitet haben, um dies möglich zu machen.

Ebenso ist es ganz wichtig – und das möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnen –, dass wir positive Zeichen setzen, zum Beispiel mit einem Büro für zeitgenössische Kunst als Anlaufstelle, dass wir jetzt Optimismus verbreiten und aufzeigen, wie wir uns weiterentwickeln können, wie wir unsere Künstler, die in diesem Land auf der Bühne stehen, die in diesem Land arbeiten, vermitteln können.

Frau Staatssekretär, Sie haben auch gesagt – ich zitiere Sie –: „Was mir zentral ist, ist, dass Kunst und Kultur auf der Agenda der Bundesregierung ganz weit oben bleibt.“ – Das stimmt jetzt nicht ganz, denn in der letzten Zeit, vor allem seit die ÖVP sich auch der Kultur widmet, waren Kunst und Kultur noch nie richtig oben, wurden auch vernach­lässigt. Also das ist, glaube ich, ein Thema.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 117

Ich nenne Ihnen eine Zahl: In Frankreich, das genauso sagt, es sei eine Kulturnation, ist es gesetzlich festgeschrieben, dass 2,5 Prozent des BIP für Kunst und Kultur aufgewendet werden. Wir sind bei 0,24 Prozent, und dieser Betrag sinkt immer weiter. Und das ist eigentlich dramatisch. Damit wir diesen Betrag erhöhen können, müssen wir, glaube ich, einmal generell wissen, wohin die Gelder fließen, wohin das Ganze läuft, wie das mit unserem Föderalismus ist.

Deswegen möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kultur Sa­tellitenkonto“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, ein Kultur Satellitenkonto bei der Statistik Austria in Auftrag zu geben, damit die selbsternannte ,Kulturnation‘ Österreich Daten bekommt, mit denen die Politik auch evidenzbasiert arbeiten kann.“

*****

Das ist wichtig, auch in dem Sinne, wie ich vorhin gesagt habe, nämlich dass wir be­treffend Unterstützung von Kunstschaffenden, von freischaffenden Künstlern, von Kunst und Kultur wirklich dorthin kommen, dass wir, ähnlich wie die Kulturnation Frankreich, 2,5 Prozent des BIPs dafür bereitstellen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sepp Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kultur Satellitenkonto

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrats über Über­brückungsfinanzierungsfonds für selbständige Künstler_innen (22. COVID-19-Gesetz) (218 d.B.) – TOP 2

Die Corona-Krise zeigt die Vulnerabilität der ganzen Kulturbranche auf und die letzten Wochen führen uns deutlich vor Augen, dass das Kulturministerium zu wenig Daten hat, um schnell in den richtigen Bereichen zu helfen. Es gibt für den Kultursektor in Österreich seit Jahren nur sehr wenig valide Daten, auf die man sich in seinen politischen Ent­scheidungen stützen könnte. Da vor allem Förderungen von Bund, Ländern und Ge­meinden ausgeschüttet werden und bis heute keine befüllte Transparenzdatenbank existiert, ist es nicht nachvollziehbar, wo welche Förderungen landen, wie groß die Wert­schöpfung der Branche tatsächlich ist und mit welchen Daten man die selbsternannte „Kulturnation“ Österreich untermauern kann. Um das zu beheben, gäbe es eine ganz einfache Lösung: Die Beauftragung eines Kultur Satellitenkontos durch die Regierung bei der Statistik Austria. Die Kosten von geschätzt 200.000 Euro wären im Vergleich zu den Kosten, die entstehen, weil man Maßnahmen ohne Datengrundlage setzt, ver­schwin­dend gering und eine sinnvolle Investition in die Zukunft einer evidenzbasierten Kulturpolitik. Dafür wäre es in einem zweiten Schritt sehr wichtig, dass diese Daten auch in den Ländern und Gemeinden erhoben werden und in ein gesamtes Satellitenkonto


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 118

einfließen. Alle Kulturminister_innen und Staatssekretär_innen der letzten Jahre sprechen und sprachen von der Notwendigkeit einer Kulturstrategie für Österreich. Ohne einer stabilen und aussagekräftigen Datengrundlage werden wir diese jedoch nie auf sinnvolle Beine stellen können, sondern wahrscheinlich eher auf ideologische. Das wollen wir durch transparente Daten vermeiden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, ein Kultur Satellitenkonto bei der Statistik Austria in Auftrag zu geben, damit die selbsternannte "Kulturnation" Österreich Daten bekommt, mit denen die Politik auch evidenzbasiert arbeiten kann."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Staatssekretärin Mag.a Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Staatssekretärin.


13.47.25

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Es ist für mich eine große Freude, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren, heute hier im Nationalrat diese so wichtige Maßnahme, die Überbrückungsfinanzierung für freischaffende Künstlerinnen und Künstler, beschließen werden. Ich habe mich letzte Woche im Kulturausschuss sehr über den einstimmigen Beschluss gefreut und hoffe auch heute hier im Plenum auf eine möglichst breite Unterstützung für dieses Gesetz.

Als ich vor genau vier Wochen dieses Amt angetreten habe, war es eines meiner aller­ersten und wichtigsten Anliegen, so schnell wie möglich einen eigenen zielgerichteten Überbrückungsfinanzierungstopf für die selbstständigen Künstlerinnen und Künstler aufzumachen. Bereits eine Woche nach meiner Angelobung haben wir diesen Fonds der Öffentlichkeit vorgestellt, und es wurde ein entsprechender Initiativantrag hier im Hohen Haus eingebracht. Ich bedanke mich einerseits beim Herrn Finanzminister und anderer­seits bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren im Nationalrat, insbesondere bei Eva Blimlinger und Maria Großbauer, dass uns das gelungen ist.

Es ist eine spezielle Situation, vor der wir stehen, und eine, die wir uns auch nie wieder wünschen. Ich kann mich in all den Jahren meiner Tätigkeit im Kulturbereich nicht daran erinnern, dass es jemals gelungen ist, solch eine große Summe auf einen Schlag für Künstlerinnen und Künstler aufzustellen. Ich glaube, 90 Millionen Euro sind sehr viel Geld, gerade für die Kulturbranche, das kann sich sowohl in der Summe als auch im Tempo der Maßnahme sehen lassen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Allein das zeigt, dass Kunst auf der Agenda der Bundesregierung wieder ganz oben steht. Es geht nicht nur um die finanzielle Überbrückung für die Künstlerinnen und Künstler, auch andere Maßnahmen konnten in den letzten vier Wochen getroffen wer­den. Wir haben es geschafft, den Kunst- und Kulturbetrieb in Österreich wieder zu


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öffnen. Wir haben Maßnahmen zur Unterstützung von gemeinnützigen Kulturein­richtun­gen und kommerziellen Kulturanbietern festgelegt – wie jetzt eben auf der zweitägigen Regierungsklausur.

Zurück zum Fonds: Wir werden mit diesem neuen Überbrückungsfonds Anfang Juli sehr vielen Menschen helfen können. Das ist gut so, das ist wichtig. Ja, es stimmt, dass mit der Abwicklung über die SVS nicht alle künstlerisch Tätigen in Österreich erreicht werden können, das liegt in der Natur solcher Maßnahmen, ich möchte es nicht verhehlen. Die Menschen, die im Kulturbereich tätig sind, sind keine homogene Gruppe. Es gibt kein Verzeichnis, in dem alle erfasst sind, und daher auch keine Möglichkeit, wirklich alle auf einmal in einem Gesetz zu umfassen, aber gleichzeitig bin ich überzeugt, dass wir es, wenn wir alle Maßnahmen zusammen betrachten, schaffen werden, möglichst alle zu erreichen und zu unterstützen.

Sie wissen ja, auch der Härtefallfonds steht Künstlerinnen und Künstlern offen, auch wenn sie sich bisher nicht so sehr davon angesprochen gefühlt haben – das war ja der Grund für diesen Überbrückungsfonds. Der Härtefallfonds in seiner neuen, verbesserten Form hilft vor allem auch jenen, die im kulturnahen Bereich tätig sind: Kameraleuten, Tontechnikern und -technikerinnen, Cutterinnen und Cuttern, Bühnenbildnern und Mas­kenbildnern.

Ich weiß auch, dass es neben dem Härtefallfonds und dieser neuen Überbrückungs­finanzierung noch eine letzte, kleine Lücke geben wird, in die zum Beispiel jene künstlerisch Tätigen fallen, die mitversichert sind oder nur ein ganz, ganz geringes Einkommen haben. Auch sie wollen wir nicht vergessen. Ins Auge gefasst habe ich dafür den Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds, der ja schon unter meiner Vorgängerin Ulrike Lunacek ins Leben gerufen wurde und bei dem die zweite Phase der Auszahlungen noch offen ist. Wir werden gleichzeitig mit dem Start des Überbrückungs­fonds auch dafür eine Lösung finden, die einen gewissen Grad an Augenmaß ermöglicht, damit wirklich allen – und sei ihre Situation noch so speziell – geholfen werden kann und sie Unterstützung finden.

Kunst und Kultur gehören zu den Bereichen, die am meisten unter dieser Krise gelitten haben und auch noch weiter davon betroffen sein werden. Ich bin aber überzeugt, mit diesem Maßnahmenmix, mit diesen drei Unterstützungstöpfen im Zusammenspiel, haben wir eine wirklich gute Lösung gefunden, um auch die Künstlerinnen und Künstler in dieser Phase gut unterstützen zu können. Sie bilden eine gute Basis für die Menschen, die im Kunst- und Kulturbereich arbeiten, damit sie nicht nur in dieser Krise unterstützt werden, sondern auch die Kraft haben, dass sie wieder aus dieser Krise herauskommen. Dafür arbeiten wir. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid ist die nächste Rednerin. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.54.02

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten Wochen bin ich rund um die Diskussion zum Überbrückungsfonds für Kunst- und Kulturschaffende immer wieder zu einer Frage zurückgekommen: Welchen Wert haben Kunst und Kultur für uns und für unser Land?

Wir haben von Kollegen Schellhorn und auch von Ihnen, Frau Staatssekretärin, schon gehört, dass es ganz schwer ist, diesen Bereich in Zahlen zu gießen und ganz kon­kret zu fassen. Bei der Durchsicht der Statistiken bin ich auf zumindest zwei Zahlen


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gekommen, die die Branche gut skizzieren: Zum einen ist das die Eventbranche, die eine jährliche Wertschöpfung von 8,9 Milliarden Euro hat und 140 000 Arbeitsplätze sichert, zum anderen ist es der Kreativbereich, der 4 Prozent der Wertschöpfung und Wirt­schaftsleistung in Österreich erarbeitet, und das sind immerhin 20 Milliarden Euro. Dieser Bereich ist also immens groß und von immenser Wichtigkeit.

Das sind aber nur die Zahlen, Fakten und Euros. Der immaterielle Wert von Kunst und Kultur – das sage ich schon explizit – ist weit höher und geht weit darüber hinaus. Egal, wo man international hinkommt: Die erste Assoziation mit unserem Land ist immer Kunst und Kultur, und auch der Tourismus – sind wir uns ehrlich – lebt über weite Strecken genau davon. Wir wissen es alle: Seit Wochen leidet die Branche unter dem Ver­anstaltungsverbot, zahlreiche Kunst- und Kulturschaffende und Institutionen stehen wirklich vor dem Nichts und sind in existenziellen Nöten. Im Bild der Bundesregierung und in der Kommunikation der Regierung reihen sich diese Kunst- und Kulturschaf­fenden in eine Schlange von Bittstellern ein. Genau das meine ich: Sie sind zu Bittstellern degradiert worden.

Den Schaden, der uns allen als Gesellschaft entsteht, wenn wir Kunst und Kultur weiter aushungern und um Förderungen und Hilfen hinten anstellen lassen, möchte ich mir gar nicht ausmalen – weder materiell noch intellektuell. So sehr wir diesen Überbrückungs­fonds begrüßen und hoffen und bangen, dass das Geld wirklich bei den Kunst­schaffenden ankommt, so skeptisch sind wir hinsichtlich der Abwicklungsbedingungen, weil wir wieder einmal eine Blackbox haben, deren Richtlinien wir nicht kennen. In der vergangenen Zeit haben wir immer wieder vollmundige Ankündigungen der Regierung bekommen und am Ende des Tages haben wir gesehen, dass das Geld bei denjenigen, die es brauchen, nicht wirklich ankommt.

Wir haben deshalb einen Abänderungsantrag eingebracht – das hat Kollege Drozda schon skizziert. Wir wollen die Hilfen schneller, einfacher und mehr davon. Darüber hinaus aber müssen wir nachdenken, wie wir smarte Lösungen für unsere Kunst- und Kulturschaffenden anbieten können, die die strukturellen Probleme, die wir in dieser Branche haben, anpacken.

Dass man mit einer Krise wie dieser auch anders umgehen kann, zeigen uns einmal mehr internationale Beispiele wie Neuseeland. Neuseeland hat vorgeschlagen – und zwar die sozialdemokratische Premierministerin selbst –, Kunst- und Kulturschaffende an Schulen zu holen, sie an den Schulen einzustellen und mit ihnen Kunstprojekte zu machen, die sie gemeinsam definieren. An einer Schule über 20 Wochen für 100 Stun­den ein Projekt mit Künstlerinnen und Künstlern zu machen schafft Kreativität, Neugier und vor allem den Nachwuchs in Kunst und Kultur, den wir so dringend brauchen, und fördert das Kreative auch für Innovationen im Wirtschaftssektor. Das wäre eine super Idee für Summerschools, für die Sommerbetreuung, die vor der Tür steht, und für unsere Schulen, denn auch sie leiden darunter, dass im alltäglichen Schulleben wenig Zeit für Kunstunterricht ist. (Beifall bei der SPÖ.)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete MMag.a Dr.in Agnes Totter gelangt nun zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.58.26

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Parla­ment und Regierung tun ihr Allerbestes, um den Menschen und Unternehmen in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Dazu wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche Hilfs­maßnahmen gesetzt. Schnelles und effizientes Handeln war wesentlich und notwendig.


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Dabei haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien, im Parlament und in den Klubs fast rund um die Uhr gearbeitet. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch durch die vorbildhafte Mitwirkung der Bevölkerung scheint heute die schlimmste Gesundheitskrise der Zweiten Republik im Griff zu sein. In vielen Bereichen sind aller­dings die negativen wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise weiterhin spürbar. Darum ist es gut, richtig und wichtig, zielgerichtet allen Gruppen in unserer Gesellschaft, die eine diesbezügliche Unterstützung brauchen, zu helfen.

Österreich ist eine wunderbare Kulturnation, und Kultur lebt von den einzelnen Akteu­rinnen und Akteuren. Mit dem nun vorliegenden, bereits 22. Covid-19-Hilfspaket helfen wir all den selbstständigen Künstlerinnen und Künstlern – genauer gesagt Personen, die Kunst und Kultur schaffen, ausüben, vermitteln und lehren. Viele wurden von den vorangegangenen Hilfspaketen aus verschiedensten Gründen nicht erfasst, umso mehr freut es mich, dass wir nun 90 Millionen Euro für diese Gruppe zur Verfügung stellen können.

Antragsberechtigt sind alle freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, die in der Sozialversicherung der Selbständigen als solche pflicht- oder freiwillig versichert sind und sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden. Vorgesehen ist eine einfache und digitale Abwicklung über die Sozialversicherung der Selbständigen. Es ist wichtig, zu betonen, dass rund 15 000 Personen so mit maximal 6 000 Euro unterstützt werden können. Gleichzeitig wird an der zweiten Phase des Covid-Fonds des Künstler-Sozial­versicherungsfonds gearbeitet, erfasst werden sollen nicht im Härtefallfonds, in Über­brückungsfinanzierungen oder sonstigen Fonds inkludierte Personengruppen.

Insgesamt stehen Kunst und Kultur auf der Agenda der Bundesregierung weit oben, mit dem Ziel, dass niemand zurückgelassen werden soll – das wurde heute schon gesagt. Ich persönlich schätze die Kulturangebote in unserem Land sehr. Seit vielen Jahren engagiere ich mich in meinem Heimatbezirk in vielen verschiedenen Kulturgremien. Auch wir sind derzeit dabei, unser Sommerprogramm anzupassen, umzustellen und zu schauen, was möglich ist und was leider abgesagt werden muss. Jedenfalls bin ich sehr dankbar für all das Engagement, das Kulturschaffende trotz der momentan schwierigen Umstände weiterhin an den Tag legen.

Kultur findet nicht nur als Hochkultur in den Städten, sondern ganz besonders auch in ländlichen Regionen statt. Ich denke dabei an die vielen Lesungen, Konzerte, Theater­aufführungen und vieles mehr. Die Kulturarbeit leistet auch zur Regionalentwicklung einen wesentlichen Beitrag und ist sowohl ein bedeutender Bildungs- als auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Für die Entwicklung der Gesellschaft und somit auch für urbane, aber auch ländliche Regionen sind kulturelle Tätigkeiten unverzichtbar, weil sie die Lebensqualität erhöhen und eine absolute Bereicherung darstellen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Kulturausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.


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14.02.373. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 591/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kultur ist system­relevant – Rettungsschirm aufspannen und Zukunftsperspektiven schaffen (219 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 541/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristiges Investi­tionsprogramm von einer Milliarde Euro für die Kultur- und Kreativwirtschaft (220 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.03.21

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein Land der Kultur mit hohem mate­riellen Wert, das hat meine Kollegin Hammerschmid ja schon angesprochen. Der Be­reich Kunst und Kultur ist aber auch ein florierender Wirtschaftszweig mit einem ent­sprechenden Steueraufkommen. Den Kulturschaffenden und den Beschäftigten in diesem Bereichen gebührt natürlich auch eine entsprechende Unterstützung, schließlich war der von der Bundesregierung verordnete Lockdown nicht absehbar. Er hat die Kulturbranche besonders hart getroffen, sie war first down und last up, was die Verluste maximiert und die Planungssicherheit minimiert hat. Daher war es die Aufgabe der Politik, rasch und unbürokratisch zu helfen, schließlich sprechen wir bei den Künstle­rinnen und Künstlern von einer Gruppe, die eher einkommensschwach ist, weil sehr viele prekär beschäftigt sind und in vielen Fällen auch kein regelmäßiges Einkommen haben.

Die Hilfe ist nicht im Ansatz gelungen, erst heute kommt Bewegung in die Sache. Dass es aber auch besser gegangen wäre, hat Wien gezeigt. Dort hat man nachgedacht und bereits im März überlegt, wie man den Künstlerinnen und Künstlern rasch helfen könnte. Im Monat des Shutdowns, im März, ist mit dem Ausloben von Arbeitsstipendien be­gonnen worden, bis zu 3 000 Euro pro Person. (Beifall bei der SPÖ.) Das Gesamt­volumen hat immerhin 3,6 Millionen Euro ausgemacht.

Das heißt, die Stadt Wien kauft Kunst und die Kunstschaffenden haben Arbeit, also Geld für ihre Leistung, und das ist alles, was die Menschen wollen: Geld für ihre Leistung – Kunst machen und davon leben können.

Ich sage das, weil bei den knapp 100 Pressekonferenzen der Bundesregierung – zumindest empfinde ich das so – der Eindruck entstanden ist, dass die Regierung glaubt, dass die Menschen immer neue Titel, einseitige Zuwendungen haben wollen. Die Men­schen wollen eine faire Entlohnung oder einen Ersatz des entstandenen Schadens, was im Epidemiegesetz ja vorgesehen war, jedoch von den türkis-grünen Regierungs­frak­tionen – in diesen Punkten – abgeschafft wurde.

Mit den beiden Anträgen des Kollegen Drozda und der Kollegin Kucharowits soll nun nachhaltig sichergestellt werden, dass der gesamte Sektor abgesichert wird, auch im Bereich der Kreativwirtschaft und in allen kulturbegleitenden Branchen, die von der


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Regierung außen vor gelassen wurden. Wer sich die Leistungen dieses Sektors in der Vergangenheit angesehen hat, wird als langfristiges Investitionsprogramm für Künst­lerIn­nen und Kulturinstitutionen und Unternehmen der Kreativwirtschaft das Volumen von 1 Milliarde Euro als angemessen erkennen und es ebenso gerechtfertigt sehen, durch das Aufspannen eines Rettungsschirmes und durch viele Einzelmaßnahmen Zukunftsperspektiven für diese Menschen zu schaffen.

Ich ersuche um breite Zustimmung zu diesen beiden Anträgen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.07.01

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Lieber Herr Präsident! Liebe Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein paar Worte darüber verlieren, was eine Investition in Kunst und Kultur macht. Sie macht vieles auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig:

Erstens erlaubt sie einem Menschen, der Kunst macht, dass er seine Miete zahlt, dass er oder sie sich Essen kauft oder die Schulsachen für die Kinder.

Zweitens erlaubt sie ganz vielen anderen Menschen rundherum, dass sie Arbeit haben. Es war von den TontechnikerInnen und den Beleuchtern schon die Rede, aber es geht auch um Menschen, die sich um das Essen, um die Tickets, um die Kassa oder um die Garderobe kümmern.

Drittens erzeugt sie – ja – Schönheit, Irritation, Schmerzen. Das kann ich jetzt weniger gut in Geldbezüge fassen, was sich aber besser in Geld übersetzen lässt, ist die Tatsache, dass es unser Land interessant macht, weil sich das ja wiederum im Touris­mus, im Reisen und allem, was dazugehört, niederschlägt.

Ja, am Ende macht es natürlich auch unsere Gesellschaft stärker, stärkt unsere Widerstandsfähigkeit, auch was unsere Demokratie betrifft. Was es bedeuten kann, wenn es das nicht gibt, kann man ja in Nachbarländern, wie zum Beispiel in Ungarn, gut beobachten.

Aus all diesen Gründen müssen wir uns selbstverständlich aus der Krise heraus­inves­tieren, selbstverständlich auch im Bereich Kunst und Kultur, und deswegen wird das auch ein ganz wesentlicher Teil all unserer Überlegungen in Bezug auf die Konjunk­turpakete sein. In unserem Regierungsprogramm war schon einiges enthalten, und es wurde jetzt natürlich einiges durch die Krise beschleunigt, ich möchte hier nur ein paar Maßnahmen erwähnen:

Das eine betrifft die kulturelle Hardware, das sind Investitionen in Gebäude, in Kultur­einrichtungen, in Gedenkstätten, in Theater, in Festspielhäuser, auch in kleine.

Das Zweite sind Investitionen in spezielle Branchen – da gibt es Maßnahmen wie die Förderung des Filmstandortes, 25 Millionen Euro für die Filmproduktion; andere Branche: Musik, Erhöhung des österreichischen Musikfonds zum Beispiel; Dinge wie die Verlags­förderung und, ganz wichtig, Senkung der Umsatzsteuer auf 5 Prozent – das wird jedem und jeder in diesem Land, der oder die ein Kulturprodukt verkauft, massiv helfen.

Ein anderes Beispiel: Denkmalschutz: Es wird einen Bonus für Investitionen geben. Denkmalschutz ist ein Bereich, in dem es nicht nur um Arbeit für viele KMUs geht, sondern auch um FreiberuflerInnen, Restauratoren, ganz viele hochspezialisierte Fach­leute, die da über Monate und Jahre hinweg zu tun haben.


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An das Gemeindepaket, das wir morgen hoffentlich beschließen werden, möchte ich auch noch erinnern. Bei diesem geht es natürlich um die Stärkung von Ortskernen und auch um die Stärkung des gesellschaftlichen Lebens, und da werden selbstverständlich auch Investitionen in Museen, in Kirchen, in Kultureinrichtungen und sonstige Dinge gefördert.

Letzter Punkt Digitalisierung: Digitalisierung heißt natürlich immer, man reißt den Boden auf und verlegt Kabel – das ist auch Arbeit für Menschen –, und gleichzeitig heißt es aber natürlich auch, Menschen zu vernetzen, Kultur zu verbreiten, die Peripherie an andere Regionen anzubinden und am Ende vielleicht auch Menschen gescheiter zu machen.

Insofern der kurze Schluss: Investitionen in Kultur sind gut für die Bauwirtschaft und für die Dienstleister und für KMUs und für Kreative und für unsere Gäste. Sie sind auch Investitionen in ein besseres Leben; deswegen werden wir genau das auch machen, das ist versprochen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.11.06

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zum Antrag der SPÖ, dem Rettungsschirm, will ich eigentlich gar nicht viele Worte verlieren, weil ich mich sonst verhasple. Wir sind in vielen Detailpunkten unterschiedlicher Meinung, aber wir teilen die Haltung der SPÖ: Es geht um ein Signal an die Kunst- und Kulturszene; deshalb haben wir dem Antrag im Ausschuss auch zugestimmt, weil das, was wir im Moment brauchen, Zuversicht ist – wir brauchen ein Licht am Ende des Tunnels. Deswegen finden wir es schade, dass sich die Regierung gerade jetzt wieder im Klein-Klein und im Stückwerk für einzelne Branchen verliert.

Damit sind wir erstens auch schon beim Thema Mehrwertsteuersenkung. Wir begrüßen diese auch grundsätzlich, aber es ist halt wieder so eine ganz klassische unkoordinierte Regierungsaktion mit Scheuklappen gegenüber den anderen Branchen. Wenn wir nämlich über Mehrwertsteuersenkungen reden, müssen wir eben auch über andere Bereiche und Branchen sprechen. Es dürfen keine Klientelgutsis für die Freundinnen und Freunde der Regierungsparteien sein, und da muss man auch nicht weit schauen, es genügt ein Blick nach Oberösterreich zu KTM: Das Museum dort ist sehr großzügig bedacht worden, während auf der anderen Seite die Mittel für die freie Szene gekürzt worden sind.

Wie ist momentan die Situation? – Die Richtlinien für den Härtefallfonds bei der Wirt­schaftskammer verändern sich gefühlt alle 2 Stunden. Angeblich gibt es schon Studie­rende, die ihre Masterarbeit dem ausufernden Thema: Die unzähligen Abänderungen der Richtlinien des Härtefallfonds, März 2020 bis Mai 2020, widmen.

Zweitens: Der COVID-19-Fonds war ja auch eine schwere Geburt und wurde dem Künstler-Sozialversicherungsfonds über Nacht übergestülpt. Genauso haben dann die Hilfsmaßnahmen ausgesehen, denn die waren völlig chaotisch.

Drittens: Auf den Start des NGO-Fonds warten wir immer noch, bis jetzt sind keine Zahlungen geflossen. Ob aus den anderen Fonds wirklich bei allen Anspruchs­berech­tigten auch Geld angekommen ist, wissen wir noch nicht – ich persönlich kenne viele freischaffende Künstlerinnen und Künstler, die noch keinen Cent erhalten haben.


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Stattdessen wurde letzte Woche der Überbrückungsfinanzierungsfonds geschaffen, auch mit unseren Stimmen, weil wir Künstlerinnen und Künstler und ihre Arbeit wichtig finden und weil wir wollen, dass sie Hilfe bekommen. Für bis zu sechs Monate können Künstlerinnen und Künstler nun Hilfe beantragen, sie bekommen bis zu 1 000 Euro pro Monat. Noch einmal: Das ist wichtig und richtig so, aber was sagen eigentlich die EPUs, die Sie da papierln und die bis heute nur ein paar Groschen erhalten haben?

Mit diesen Maßnahmen spielen Sie Branchen und Existenzen gegeneinander aus. Da fragt sich die Blumenhändlerin, der Schneider, der Tontechniker, ob sie oder er nicht vielleicht einen falschen Beruf ergriffen hat – die schauen nämlich durch die Finger. Statt also die Branchen gegeneinander aufzuwiegeln und Neid zu schüren, brauchen wir sinnvolle Lösungen, ganzheitliche Lösungen, und das muss auch branchenübergreifend gedacht werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.14.21

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Österreich ist eine großartige Kulturnation mit einzig­artigen Künstlern. Kultur darf und muss uns auch etwas wert sein und muss und darf auch etwas kosten. Gerade in Zeiten der Krise gilt es für uns hier auch, entsprechend zu helfen, um die Kulturbetriebe und die Kunstbetriebe erhalten zu können, sie am Leben zu erhalten. Diese Hilfe muss projektbezogen und künstlerbezogen sein und muss ziel­gerichtet bei den Betroffenen ankommen. Eine Unterstützung nach dem Gießkannen­prinzip halten wir für nicht richtig.

Was für uns aber schon auch wichtig ist, ist, dass wir jetzt helfen, um diese Krise zu überbrücken, und dass wir erst am Ende dann sozusagen abrechnen – welche Ausfälle gibt es, welche Ausfälle hat es gegeben, wo muss nachgebessert werden und so weiter? Niemand darf am Ende des Tages zum Bittsteller werden. Niemand will zum Bittsteller werden. Jeder will arbeiten und jeder will auch etwas leisten, deswegen braucht es auch diese finanzielle Unterstützung – aber: Geld ist nicht alles.

Brauchbare Unterstützung wäre auch durch die Politik zu erbringen, zu leisten. Wenn man sich aber die Vergangenheit ansieht, zeigt sich, eine solche Unterstützung aus der Politik ist nicht wirklich angekommen. Wenn man, so wie „Der Standard“ zum Beispiel geschrieben hat, an die „glücklosen, aber auch von Fehlern und Pannen gekenn­zeich­neten“ Auftritte der ehemaligen Staatssekretärin Lunacek denkt: Da ist dann eben auch noch erschwerend zu jener Last, die der Kulturbereich ohnehin zu tragen hatte, Fol­gendes hinzugekommen, wie ebenfalls „Der Standard“ schreibt: „Vizekanzler Werner Kogler [...] waren die Kunst- und Kulturagenden offensichtlich egal.“ – Das heißt also, der Regierung Schwarz-Grün waren die Kulturagenden offensichtlich egal.

Geld ist nicht alles, Hohes Haus! Ich denke zum Beispiel auch an die Kinobetreiber, denn was macht der Kinobetreiber, wenn er nun keine Filme hat, weil nicht produziert wurde? Was macht der Theaterbetreiber, wenn er keine Aufführungen oder nur schlecht be­suchte Aufführungen abhalten kann, weil er nur jeden dritten oder vierten Sitzplatz be­setzen darf? Was macht der Konzertveranstalter, der nicht garantieren kann, dass Ab­standsregeln eingehalten werden können?

Es braucht also nicht nur eine finanzielle Unterstützung, sondern es braucht auch Sicherheit für die Kulturschaffenden, Sicherheit für die Kunstschaffenden, Sicherheit für Künstlerinnen und Künstler, für Theater, Schauspielhäuser, Museen und so weiter, und


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es braucht Vertrauen. Daher darf es auch in Hinkunft keine Politik der Angstmache, der Furcht und der Panikmache mehr geben. (Beifall bei der FPÖ.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Andrea Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.17.17

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! „Geld ist nicht alles“, hat mein Vorredner gesagt. Das ist natürlich richtig, aber in Zeiten, in denen es monatelang keine Möglichkeit gegeben hat, aufzu­treten, keine Möglichkeit gegeben hat, zu arbeiten, es kein Einkommen, keinen Verdienst gegeben hat, aber die Kosten weitergelaufen sind, ist Geld nicht alles. Geld ist aber sehr viel: Geld zu haben kann Existenzen sichern, und Geld nicht zu haben, keine Unter­stützung zu bekommen, kann Existenzen vernichten. Deshalb ist es natürlich sehr wichtig, dass wir uns einmal als Basis für alles andere auch im Bereich der Kultur, der Kulturschaffenden darum kümmern, dass weitergearbeitet werden kann und Existenzen mit den entsprechenden Unterstützungsmitteln gesichert werden können. Da ist es ganz wichtig, das Geld in die Hand zu nehmen und das Geld dorthin zu geben, wo es gebraucht wird; darum kommen wir nicht herum.

Wir diskutieren bei diesem Tagesordnungspunkt zwei Anträge, die meine Fraktion – unser Kultursprecher Thomas Drozda – eingebracht hat und bei denen es vor allem auch darum geht, einen wirklich umfassenden Rettungsschirm für den Kunst- und Kultur­bereich zu spannen, und bei denen es auch darum geht, langfristig Perspektiven zu eröffnen und langfristig Sicherheit zu bieten.

Das Problem der bisherigen Maßnahmen im Kunst- und Kulturbereich ist – wie auch in den anderen Bereichen –, dass die Maßnahmen, die Unterstützungsprojekte zu langsam kommen, dass das Geld nicht ankommt und dass es ein sehr großer bürokratischer Aufwand ist, mit dem man sich herumschlagen muss.

Wir haben vorhin einen weiteren Fonds diskutiert – wir beschließen das erst –, um in diesem Bereich unterstützend tätig sein zu können, um Überbrückungshilfe bieten zu können. Das ist wichtig. Frau Staatssekretärin, Sie sind noch nicht sehr lange in Ihrem Amt und ich möchte gar nicht Ihr persönliches Bemühen missachten oder hintanstellen, aber: Es ist einfach mehr notwendig! Es sind umfassendere und langfristigere Maß­nahmen notwendig, um den entstandenen Verdienstentgang zu kompensieren, um den Fortbestand von unseren so wichtigen Kulturinstitutionen und -unternehmen sicher­zustellen, um diesen zu helfen.

Wir brauchen mehr: Wir brauchen einen richtigen Wiederaufbauplan, ein langfristiges Investitionsprogramm. In unserem Antrag sprechen wir von 1 Milliarde Euro, die wir im Zeitraum von drei Jahren in die Hand nehmen sollten, um in diesem Bereich wirklich ein langfristiges und wirksames Investitionsprogramm auf die Beine stellen zu können (Beifall bei der SPÖ), denn, sehr geehrte Damen und Herren, es geht tatsächlich um die Existenz unseres Landes als Kunst- und Kulturland und es geht auch darum, die Existenz unserer Kreativen sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.20.55

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! So wie im Ausschuss ist es


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keine Überraschung, dass wir die zwei Anträge der Sozialdemokraten inhaltlich ablehnen werden. (Abg. Schellhorn: ... Mödling!)

Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat: Wenn ich mir die Pakete der Bundesregierung in ihrer Differenziertheit, wie die Frau Staatssekretärin auch richtigerweise gesagt hat, zusammenrechne, dann komme ich auf über 1 Milliarde Euro. Das ist allein das, was da vom Bund ausgelöst wird.

Thomas Drozda, den ich jetzt auch ein paar Mal ansprechen darf, weil er der Einbringer ist, darf ich vorweg sagen, dass ich seine Arbeit in Wien sehr, sehr geschätzt habe. – Du warst auch Minister und hast ja im Ausschuss auch richtigerweise festgestellt, dass unser Bemühen, das allgemeine Bemühen ja nicht von Parteipolitik geprägt sein sollte und ist, weil es ja quer durch Österreich, quer durch die Institutionen geht. Dazu darf ich jetzt sagen: Die Künstler, die dir in Wien zujubeln, sind in Niederösterreich auch die Freunde von Erwin Pröll und von Hanni Mikl-Leitner.

Was die Kulturfinanzierung in ihrer Differenziertheit selbst anbelangt, haben wir auch schon festgestellt, dass man ja eine Ebene des Bundes, der Länder, der Gemeinden und natürlich der verschiedensten Veranstalter hat, und damit auch, lieber Thomas, die verschiedensten Bedürfnisse, die man ebenfalls differenziert sehen muss und sehen kann. So haben viele Institutionen angestellte Ensembles, und gerade weil es um die Schwächsten im Kulturbetrieb geht – das sind ganz einfach die Freien, das sind die Veranstalter –, haben wir richtigerweise vorhin auch dieses Gesetz in Schwung ge­bracht. Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die auch schon taxativ vorgestellt worden sind.

Ich muss noch eines darbringen: Wer hat vor ein paar Wochen „Erlesen“ gesehen? Es gab das Match Föttinger gegen Paulus Manker. Mein Herz hat ja fast gelacht, war ja doch Föttinger – sage ich jetzt einmal – Ausgangspunkt des abermaligen Lunacek-Bashings. Er hat ja Furore gemacht in seiner Beschimpfung der Regierung, in Bezug auf die kulturellen Maßnahmen. (Abg. Schellhorn: Das darf er nicht, gell!) Es war dann schon sehr interessant, als Paulus Manker, der nicht unbedingt der ÖVP nahesteht, gesagt hat: Na ja, du kannst in der Josefstadt, du hast ein Ensemble, du redest eigentlich vielleicht aus Solidarität von etwas, was du nicht spürst. – Wir haben das letzte Mal auch schon festgestellt, dass ja die Stadtgemeinde Wien auch seinem Haus 1,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat.

Paulus Manker hat im Selbstverständnis des Künstlers auch gesagt: Wir sind Freie, ich bin Freier, das macht es aus, das macht das Risiko aus! – Föttinger hat gesagt: Ja, aber zur Freiheit gehört Geld! – Manker hat gesagt: Mag sein, dass Geld dazugehört, aber gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass es diese Freien gibt, die Dinge hier auch künstlerisch auf den Punkt bringen können! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir haben in dem Haus auch schon mehrmals versucht, die Frage des Künstlers zu beleuchten. Ist man Künstler aufgrund einer Selbstdefinition oder gibt man den Künstlern einmal mit auf den Weg, was das an Inhalt und an Können auch bedeuten kann? Das aber werden andere Diskussionen hier zeigen. Das Wichtigste ist – und das haben auch schon einige von uns festgestellt –, dass der kulturelle Betrieb wieder in die Gänge kommt, dass die Künstler spielen können, dass die Museen geöffnet sind. Es geht darum, dass in den Häusern wieder die große Kreativität herrscht.

Ich kann nicht hinweg, Kollege Schellhorn, wieder das Beispiel Mödling zu nennen, denn jetzt haben wir auch Daten (Abg. Schellhorn: Ich habe es geahnt!) – du hast es geahnt –: 21. Juni: Schrammeln mit Tini Kainrath, 28. Juni: die Penzinger, 2. Juli: Shakespeare, 3. Juli: Sommerkino (Abg. Schellhorn: Soll ich mit meinem Programm auch noch kommen?), 6. August: Orgelsommer, 9. August: Theater im Bunker, 14. August: The­ater, „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der


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SPÖ.) Ich zeige euch, was eine Provinzstadt an Kunst und Kultur initiieren kann, wenn sie will – und das mit einem sozialdemokratischen Kulturstadtrat. So gut funktioniert das. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schellhorn: Österreich muss Mödling werden!)

Die Älteren unter uns können sich vielleicht noch an Theodor Heuss erinnern, er war deutscher Bundespräsident im Jahr 1951 und hat einmal gesagt: „Mit Politik kann man keine Kultur machen; vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“ (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich auch diesbezüglich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Kulturausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

14.26.155. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 607/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Stellungnahme der Landeshauptleute zum Kunst- und Kulturland Österreich (221 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits. – Bitte schön, Frau Ab­ge­ordnete.


14.26.39

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich sage es ganz offen, ich komme mir eigentlich schon vor – ich glaube, Sie kennen den Film – wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ich spreche jetzt schon zum wieder­holten Mal von diesem Pult aus und appelliere an die Bundesregierung, weil die Unter­stützung und die notwendigen Hilfen für alle in der Kunst- und Kulturszene einfach immer noch nicht angekommen sind. Seit Monaten wird darauf gewartet, seit Monaten hängen Künstlerinnen und Künstler ganz einfach in der Luft. Ich werde auch nicht müde werden, das zu betonen, weil gerade viele Künstlerinnen und Künstler – auch schon vor Corona, aber natürlich noch mehr durch Corona – fast schon mit beiden Beinen in der Armut stehen. Da muss es endlich diese Unterstützungen geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gab nach etlichen Vertröstungen ein Aufflackern; Sie erinnern sich an alle diese Pres­sekonferenzen. Das Aufflackern waren zum einen der Hilfsfonds, das Gemeinnützig­keits­gesetz und der KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds, der adaptiert wurde. Aber offen gesprochen: Wo bleibt denn das Geld? – Viele, viele Menschen schauen ganz einfach immer noch durch die Finger. Der Aufstand, geschätzte Kollegen und Kolle­ginnen, war und ist groß.

Heute, Kollegin Kuntzl hat es angesprochen, werden höchstwahrscheinlich 90 Millionen Euro für freischaffende KünstlerInnen beschlossen – das ist gut so, aber was ist mit den unselbstständig Beschäftigten, was ist mit Kurzarbeitsmodellen, die auch wirklich der


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Lebensrealität von Künstlerinnen und Künstlern gerecht werden? Was ist denn mit jenen? Und auch jene, die vielleicht nicht immer vor dem roten Vorhang stehen, sondern oftmals dahinter, hängen noch immer in der Luft.

Es gab am Montag in Wien eine ganz große Kundgebung von jenen, die darauf auf­merksam gemacht haben, dass ihnen auch eine notwendige Unterstützung zukommen muss.

Was ist zum Beispiel mit Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerkern? Die haben Ausfälle, weil natürlich Märkte nicht stattfinden, weil auch jetzt noch die Angst groß ist, Märkte auf die Füße zu stellen. Alle Bereiche, die ich angesprochen habe, jede Branche ist davon betroffen, aber all das macht unsere Kulturnation aus. Um weiterhin Kultur­nation zu sein, geschätzte Kollegen und Kolleginnen der Regierungsfraktionen, müssen wir besser werden. Echte Unterstützungen schauen halt ganz einfach anders aus als nur leere Versprechungen.

Ich verstehe es wirklich nicht – es geht ja auch um den Antrag bezüglich der Stel­lungnahme der Landeshauptleute von Mitte Mai, in der diese ganz konkrete Dinge gefordert haben –, warum die ÖVP und die Grünen da nicht mitgegangen sind. Erklären Sie das bitte, und erklären Sie das vor allem auch den Betroffen, denn das kann niemand mehr nachvollziehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf deshalb wirklich erneut an die Bundesregierung appellieren: Zeigen wir, was die Kulturnation Österreich könnte, und lassen Sie im Sinne aller in der Kunst- und Kulturszene Ihr Modell dieser ewigen Fleckerlteppichlösungen hinter sich! Es ist jetzt höchste, höchste Zeit, Existenzen zu retten, aber auch das internationale Ansehen Österreichs im Kulturbereich zu retten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig gelangt zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.30.11

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Kulturstaatssekretärin! Frau Abgeordnete Kucharowits, „Und täglich grüßt das Murmeltier“? – Schalten Sie um! Es gibt drei ORF-Sender; es gibt auch einen ORF III, auf dem tolle Kunst- und Kultursendungen laufen. Raus aus der Dauerschleife! Wir sind bereits im Frühlingserwachen: im Frühlingserwachen der Kunst und der Kultur. (Abg. Kucharowits: Wir kennen kein Frühlingserwachen!) Und das ist, glaube ich, der wesentliche Punkt: dass die Stellungnahme der Landeshauptleutekonferenz (Abg. Schellhorn: Welche ... ist das?), die Sie angesprochen haben, aus dem Zeitraum Mitte Mai stammt. Seit Mitte Mai ist einiges passiert!

Da ist einiges passiert: Es gibt eine Lockerungsverordnung, es gibt ein umfangreiches Hilfspaket mit unterschiedlichen Hilfen – Härtefallfonds, Überbrückungshilfefonds –, Stundungen, der KSVF zahlt aus, es gibt Hilfen für die Filmbranche, für die Kinos, für die Verlage, für die bildende Kunst, für die Fotografie (Abg. Heinisch-Hosek: Kennt sich keiner mehr aus! Kennen Sie sich noch aus?), für das Thema freie Szene, Fair Pay – das alles ist dabei. Und ja, aus der Sicht der Betroffenen kam das um einiges zu spät, und ich verstehe das; ich verstehe aber auch, dass es Kontrolle braucht (Abg. Kucharowits: Wann kommen die Richtlinien, die notwendig sind? – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), dass es vernünftige Konzepte braucht, die auch wirken und auch bei den Kunst- und Kulturschaffenden ankommen.

Die brauchen jetzt Vertrauen, und dieses Vertrauen schenken wir Ihnen, Frau Kunst- und Kulturstaatssekretärin. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass das kulturelle Leben in Österreich jetzt wieder in allen Bereichen und in allen Phasen startet. Deshalb auch


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dieses Frühlingserwachen, das wir, glaube ich, mit den Beschlüssen, die wir heute gefasst haben, unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweiter Punkt: Wie wir wissen, ist die Landeshauptleutekonferenz im politischen System Österreichs eine sehr gewichtige Runde. Ja, die sind schon da und klopfen an. Mit den LandeskulturreferentInnen gibt es bestes Einvernehmen – gerade heute habe ich eine im Parlament begrüßen können, nämlich Frau Landesrätin Beate Palfrader aus Tirol. Die Kulturreferentinnen und -referenten sind da und sind in einem direkten Austausch, auch mit der Staatssekretärin. Hier passiert einiges, hier wird umgesetzt, hier wird gearbeitet.

Wir brauchen jetzt keine Stellungnahmen mehr zu beschließen, die bereits Geschichte sind – die gehören schon in die Geschichtsbücher hinein –, sondern wir sollten jetzt hinausgehen!

Ich möchte mit einem Zitat von Werner Kogler von gestern enden: „In die Zukunft schauen und mit Grünen Investitionen raus aus der Krise“. – Ich würde sogar besser sagen: Raus in die Zukunft! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kollross: Grüne Frühlingserwachen ... am Samstag fängt der Sommer an! – Heiterkeit bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.33.05

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): „Jede künstlerische Leistung ist ein Sieg über die menschliche Trägheit.“ – In Anlehnung an dieses Zitat von Herbert von Karajan spreche ich heute zu Ihnen über die Zukunft und das Fortbestehen der öster­reichischen Kunst- und Kulturlandschaft.

In den letzten Monaten ist nicht nur die heimische Wirtschaft ins Wanken geraten, sondern auch der Kunst- und Kulturbereich. Die politische Trägheit in den Reihen von Türkis-Grün gehört zum Erscheinungsbild der Bundesregierung. Während die Zahl der Covid-19-Erkrankungen inzwischen zu vernachlässigen ist, bleiben die lähmenden Einschränkungen in der Kunst- und Kulturlandschaft weiterhin bestehen.

Als freiheitlich denkende Bürger messen wir der föderalen Struktur unseres Bun­des­staates besondere Bedeutung zu. Demnach darf auch der politische Wille, der am 15. Mai in Linz von der Landeshauptleutekonferenz betreffend österreichische Kunst- und Kulturlandschaft festgestellt wurde, von der Bundesregierung nicht unter den Tisch gekehrt werden (Abg. Wöginger: Dass Landeshauptleute so positiv erwähnt werden ...!) – und die Landeshauptleute sind alles, aber ganz sicher keine Freiheitlichen: Es sind sechs Schwarze und nur drei Rote, also mit Masse Vertreter der Bundes­kanzlerfraktion. (Abg. Schellhorn: Zehnerblock ...!)

Konkret sprechen wir uns für jene Forderungen der Bundesländer aus, die weiterhin ein träges und ineffizientes Umgehen mit den Kunst- und Kultureinrichtungen bekritteln. Es ist schade, dass Sie Ihren eigenen Landeshauptleuten hier die entsprechende Gefolg­schaft versagen wollen und diesen Antrag ablehnen wollen. Es wundert mich aber nicht, denn ich habe diese Forderungen der Landeshauptleute mit einem gewissen Schmun­zeln gelesen, und sie decken sich in weiten Bereichen mit Forderungen und Anträgen von uns Freiheitlichen. (Abg. Wöginger: Ich glaube eher, der Antrag ist nach der Kon­ferenz geschrieben worden!)

Sie decken sich mit Anträgen, die leider bereits mit Regierungsmehrheit abgelehnt wur­den, und so fordern wir – jetzt auch unter Berufung auf Ihre eigenen Landeshauptleute – insbesondere drei Punkte: erstens eindeutige und klare Handlungsperspektiven und


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Handlungsanleitungen für den Betrieb von Kulturstätten; zweitens praxisnahe rechtliche Vorgaben, damit künstlerisches und kulturelles Leben in Österreich auch vor Publikum stattfinden kann; und drittens – heute schon öfter erwähnt – klare Richtlinien für den Unterstützungsfonds für die gemeinnützigen Vereine. (Abg. Schellhorn: Das ist ja fast so wie der ÖVP-Antrag!) Das sind die aus unserer Sicht drei wichtigsten Punkte aus dem Forderungskatalog der Landeshauptleute.

Ich wäre gerne ein Mäuschen gewesen, ein Mäuschen, um Telefonate mithören zu können: Telefonate zwischen Bundeskanzler Kurz und Wilfried Haslauer, Johanna Mikl-Leitner, Thomas Stelzer und anderen gewichtigen Landeshauptleuten, Telefonate, in denen der Bundeskanzler erklärt, warum die Regierungsfraktionen die Umsetzung der Stellungnahme der Landeshauptleute heute hier ablehnen werden. Ich bin mir ganz sicher, diese telefonische Begründung war eine ganz andere, als uns heute hier im Hohen Haus aufgetischt wird.

Ich würde gern Sebastian Kurz, auch wenn er heute nicht anwesend ist, sozusagen eine Warnung mitgeben: Eines Tages wird auch der Messias gekreuzigt (Abg. Schellhorn: Apostel Gust!), und der ÖVP-Obmann wird meistens durch verärgerte Landeshauptleute abserviert. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Danke, wir haben es noch im Griff! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.36.31

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar Präzisierungen, um nicht zu sagen Klarstellungen zu diesem Antrag: Er ist mittlerweile zum dritten Mal hier in Diskussion, sozusagen am Rednerpult gelandet und wurde bisher zweimal abgelehnt, und zwar, Herr Kollege Reifenberger von den Frei­heitlichen, bisher auch mit Ihrer Unterstützung und Zustimmung. Dass ihr jetzt diesem Antrag plötzlich zustimmt, das obliegt euch, wie auch immer ihr das erklärt und be­gründet, da möchte ich mich nicht einmischen.

Zu den Inhalten: Es wurde bereits gesagt, er ist schon seit dem 15. Mai eingebracht – es ist dies die Stellungnahme der Landeshauptleutekonferenz, die in ihrem Positions­papier und in ihren Inhalten sehr umfassend ist –, und seit diesem 15. Mai hat sich, wie es mein Kollege von der Regierungsfraktion der Grünen bereits gesagt hat, sehr viel getan.

Kunst und Kultur stellen mittlerweile ein zentrales Element in dieser Bundesregierung dar, weil wir alle sehr stolz sind auf das, was geleistet wird – im Ehrenamt, im Hauptamt, in den verschiedensten Institutionen dieses Landes, ob freischaffend oder eben auch staatlich geführt, und das ist eine wichtige Grundlage für unser tägliches Leben. Kunst und Kultur begleiten uns in den verschiedensten Facetten, und unser Land wäre nicht dieses, hätten wir dies nicht bereits so seit vielen Jahrzehnten, Jahrhunderten, auf die wir eben aufbauen können.

Warum keine Zustimmung? – Nicht, weil wir nicht mit den Inhalten d’accord gehen würden, sondern weil bereits vieles auf Schiene und weil vieles in Umsetzung gelangt ist – jetzt nicht nur, was die unmittelbaren Auszahlungen wegen der Krise betrifft, son­dern auch, was mittel- und langfristige Perspektiven betrifft. – Frau Staatssekretärin, vielen herzlichen Dank, dass Sie sich so rasch in diese Materie eingearbeitet und den Kontakt und auch das Gespräch gesucht haben, um hier Weichenstellungen vorzu­nehmen.


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Betreffend die Anspielung meines Kollegen von den Freiheitlichen: Wir von der ÖVP haben starke Landeshauptleute, und die brauchen nicht immer unsere Flanke. (Hei­terkeit des Abg. Loacker. – Zwischenruf des Abg. Scherak.) Die sind selbstbewusst genug und haben dieses Papier auch dort positioniert, wo sie es haben wollten, und das genügt uns in diesem Sinne. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer. – Ruf: Der Onkel Erwin!)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart, verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Kulturausschusses. (Abg. Wöginger: Jetzt sind wir aber ... am Schluss!)

14.38.57Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 2 bis 5


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir auch zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Kulturausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, richte ich wieder die Frage an die Klubs, ob eine Sitzungsunterbrechung gewünscht ist. – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend 22. COVID-19-Gesetz in 218 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Großbauer, Mag. Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneter Mag. Drozda, Kolleginnen und Kollegen vor. 

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile – entsprechend der Systematik des Gesetz­entwurfes – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Drozda, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungs­antrag betreffend Änderungen von Titeln, einer Paragrafenüberschrift sowie § 1 in Art. 1 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile samt Titel des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Drozda, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 1 § 2 Abs. 1 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Großbauer, Mag. Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben eben­falls einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 § 2 Abs. 1 eingebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 133

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Großbauer, Mag. Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend eine Einfügung in § 2 samt der daraus resultierenden Umnummerierung und Änderungen in den §§ 3 und 9 in Art. 1 sowie die Z 1 in Art. 2 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Drozda, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 2 Z 2 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Großbauer, Mag. Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben eben­falls einen Abänderungsantrag betreffend Art. 2 Z 2 eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen damit sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kultur Satellitenkonto“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Kultur­ausschusses, seinen Bericht 219 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Kultur­ausschusses, seinen Bericht 220 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Kultur­aus­schusses, seinen Bericht 221 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

14.43.396. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Zugang zur gewerblichen Berufsausübung – Reihe BUND 2019/37 (III-52/195 d.B.)


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7. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen – Reihe BUND 2019/31 (III­46/196 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Frau Präsidentin des Rechnungshofes.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Johann Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.44.17

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu einer für Rechnungshofberichte ungewöhnlichen Tageszeit beschäftigen wir uns heute mit einer Vielzahl von Berichten. Im Rahmen dieser Tagesordnungspunkte sind es zwei – der Herr Präsident hat es schon ange­kün­digt.

Mit dem Bericht über die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen möchte ich mich detaillierter beschäftigen. Diese Prüfung fand im ersten Halbjahr 2018 statt mit dem Ziel, die Aufgabenwahrnehmung der mit der Aufsicht betrauten Stellen zu beurteilen. Insgesamt wurden 34 Empfehlungen abgegeben.

Wenn wir von gemeinnützigen Bauvereinigungen sprechen, dann sprechen wir von österreichweit rund 180 Genossenschaften und Kapitalgesellschaften, die rund eine Million Wohnungen verwalten und rund 16 500 Wohnungen pro Jahr neu errichten. Sie sind damit ein wesentlicher Faktor in der österreichischen Wohnungslandschaft und in der Erfüllung der Aufgaben des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes auch Garant für günstigere Wohnungen.

Aufgrund der österreichischen Bundesverfassung sind in diesem Bereich der Bund für die Gesetzgebung und die Länder für die Vollziehung zuständig. Damit liegt die Aufsicht auch im Aufgabenbereich der Länder. Konkret wird die Legistik vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, die Aufsicht vom jeweils zuständigen Land und die Prüfung vom Revisionsverband wahrgenommen. Wenn eine öffentliche Eigen­tümerschaft beziehungsweise eine Beherrschung durch Gebietskörperschaften gege­ben ist, hat auch der Rechnungshof eine Prüfkompetenz.

Nun zurück zum konkreten Prüfbericht, zuerst zu den Kritikpunkten und Empfehlungen Richtung Länder: Festgestellt wurde, dass die Länder geringe Personalressourcen zur Verfügung stellen und daher auch die Prüfungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen in bescheidenem Ausmaß bis gar nicht stattgefunden haben. Daraus ergibt sich auch eine Empfehlung an die Länder, zusätzlich unabhängige Sachverständige bei Prüfungen heranzuziehen.

Weiters wurde die objektive Vergabe von Wohnraum angesprochen. Diese sollte auch entsprechend kontrolliert werden, wobei anzumerken ist, dass ein Großteil der Woh­nungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen von den Gemeinden entsprechend ver­geben wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht enthält auch Empfehlungen an uns als Gesetzgeber, und mit der Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, die wir im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 135

Juli 2019 dankenswerterweise beschlossen haben, wurden viele Anregungen umge­setzt. Ein paar darf ich ansprechen:

Ein wesentlicher Punkt war – dieser ist vom Rechnungshof auch immer wieder gefordert worden – die Stärkung der gemeinnützigen Vermögensbindung. Das heißt, das aufge­brachte Kapital darf sozusagen nicht an Spekulanten abfließen, sondern muss im Sinne eines Generationenausgleichs wieder für den gemeinnützigen Wohnbau verwendet werden.

Ein weiterer Punkt betraf die Klarstellung bezüglich der Geschäftskreisregelung, das heißt der Frage: Wo darf die gemeinnützige Bauvereinigung tätig sein und wo nicht?

Die vom Rechnungshof geforderten Stärkungen der Aspekte fit and proper, Compliance und Corporate Governance wurden umgesetzt beziehungsweise werden bis 2021 umgesetzt.

Es erfolgte auch eine stärkere Einbindung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort in die behördliche Aufsicht über die gemeinnützigen Bauver­einigungen.

Umgekehrt wurde – obwohl politisch geplant – die Wiedereinführung einer behördlichen Bedarfsprüfung für die Anerkennung einer gemeinnützigen Bauvereinigung, wie vom Rechnungshof vorgeschlagen, nicht entsprechend umgesetzt.

Damit darf ich abschließend festhalten: Der Nationalrat ist in hohem Maße den Emp­fehlungen des Rechnungshofes nachgekommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.49.18

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich widme mich der Gewerbeordnung. Sie ist 150 Jahre alt und wurde ungefähr 120-mal novelliert. Was wurde damit erreicht? – Leider nicht das gewünschte Maß an Entbürokratisierung und Vereinfachung.

Welche Kritikpunkte zeigt der Rechnungshof in seinem Bericht auf? – Die EU hat den Mitgliedstaaten großteils überlassen, wie Vereinfachungen zu Berufsqualifikationen in der Beschreibung dieser Qualifikationen erfolgen können. Was in Österreich aber völlig fehlt, ist eine Strategie, um wirklich nachhaltig zu beurteilen, ob diese Vorschriften zeit­gemäß beziehungsweise modern genug sind. Wir haben der Frau Bundesministerin im Ausschuss einen Vorschlag gemacht, der gelautet hat, sie möge sich doch die Ge­werberechtsmodelle anderer EU-Staaten anschauen und Brauchbares daraus überneh­men. Möglicherweise hätte man damit wirklich Best-Practice-Beispiel werden können und vor allem die Anwenderfreundlichkeit steigern können.

Wie gestaltet sich die Realität? – Das Ministerium hat sich im Großen und Ganzen auf die Umsetzung gesetzlicher Vorhaben beschränkt. Vollzogen haben die Gewerbe­ordnung aber die Länder. Was ist dabei problematisch? – Problematisch dabei ist, dass die Länder das auf unterschiedliche Art und Weise gemacht und dabei wenig Leistungs­daten gesammelt haben; auch die Datenqualität lässt zu wünschen übrig. Das heißt, das Ministerium hat seine Steuerungskompetenz nicht entsprechend wahrgenommen. Valide Daten wären aber da für die Bürgerinnen und Bürger wirklich von großem Vorteil.

Welche Feststellung hat der Rechnungshof noch getroffen? – Eine erfreuliche: Wir verzeichnen einen Zuwachs an Gewerbeanmeldungen bei freien Gewerben, das lässt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 136

auf eine verstärkte Gründungsdynamik schließen. Das ist sehr erfreulich. Umso bitterer, sehr geehrte Damen und Herren, ist es, dass Unternehmen genau dieser Sparte seit Wochen – und noch immer – auf Unterstützungsgelder aus dem Coronafonds warten. Leider sind sie die Leidtragenden dieser Krise, und sie hätten sich wahrlich etwas anderes verdient als leere Versprechen seitens der Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend darf ich noch einen Vorschlag unterbreiten, wie man im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung vielleicht modernisieren könnte. Es geht um die Onlineanmel­dungen. Wir wissen, dass lediglich 11 Prozent der Gewerbeanmeldungen online erfol­gen, wirklich eigenständig, ohne Unterstützung durch Interessenvertretungen. Gerade diese Eigenständigkeit gilt es aber zu fördern. Wir haben die Frau Bundesministerin gefragt, wie sie da vorzugehen gedenkt, und sie hat gesagt, sie werde sich mit ihrem Team beraten und dann auf uns zukommen. Wir als SPÖ-Fraktion warten gespannt darauf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.52.31

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Wir haben heute sehr, sehr viele Berichte des Rechnungshofes auf der Tagesordnung. Beim aktuellen Tagesordnungspunkt stehen zwei zur Auswahl, und auch ich widme mich dem betreffend Zugang zur gewerblichen Berufsausübung.

Der Rechnungshof hat im Jahr 2017 die Aspekte der Zugangsregulierung im Zusam­menhang mit der Erlangung von Gewerbeberechtigungen überprüft. Ziel war die Be­urteilung der wesentlichsten Zugangsvoraussetzungen, die Beurteilung der Effizienz und Kosten der Verwaltungsabläufe und die Beurteilung des Weiterentwicklungs­poten­zials unter Berücksichtigung europäischer Rahmenbedingungen.

Da kommt der Rechnungshof auf durchaus interessante Erkenntnisse. So kommt er unter anderem zum Ergebnis, dass die Gewerberechtsreform – die ja 2017 zum letzten Mal stattgefunden hat – nur teilweise Erleichterungen gebracht hat und die Gewerbe­ordnung weiterhin Flexibilität und Entbürokratisierung vermissen lässt. Außerdem kritisiert der Rechnungshof, dass der Zugang zu gewerblichen Berufen nach wie vor zu unübersichtlich und bürokratisch ist. Er stellt fest, dass die Struktur der Gewerbeordnung erhebliche Schwächen aufweist, die dringend zu bereinigen wären, und zwar im Sinne der Anwenderfreundlichkeit und des Bürgernutzens, denn grundsätzlich würde sich dies negativ auf die Transparenz und Verständlichkeit des gesamten Regelwerks für die Bürgerinnen und Bürger auswirken. Es würde Auslegungsprobleme fördern und wäre geeignet, die Vollziehung durch die zuständigen Gewerbebehörden zu erschweren, stellt der Rechnungshof eindeutig fest, und das, schreibt er, obwohl die seit 150 Jahren bestehende Gewerbeordnung „durchschnittlich fast jährlich“ novelliert wurde und die geplanten und angekündigten Maßnahmen für eine Liberalisierung und Vereinfachung des Berufszuganges in der Vergangenheit häufig nicht umgesetzt worden sind.

Fazit: Grundsätzlich bleibt die Gewerbeordnung durch die zahlreichen Sonder- und Ausnahmeregelungen und Spezialbestimmungen unübersichtlich und komplex. Es wäre dringend auf eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung hinzuwirken – so lautet eine der wesentlichen Empfehlungen des Rechnungshofes. Wir springen in diesem Zusam­menhang auf den Zug auf: Wenn der Rechnungshof schon Empfehlungen ausspricht, dann sollten diese auch entsprechend berücksichtigt und umgesetzt werden.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 137

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, mit der eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung mit dem Ziel der Schaffung eines zeitgemäßen, übersichtlichen und anwenderfreundlichen Regelwerks, einer Ver­einfachung des gewerblichen Berufszugangs sowie des Abbaus bürokratischer Hemm­nisse sichergestellt wird.“

*****

Da es konsequent wäre, auf eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung hinzuwirken, hoffe ich auf breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.55

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Wolfgang Zanger, Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6 über den Bericht des Rechnungs­hof­ausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Zugang zur gewerb­lichen Berufsausübung –Reihe BUND 2019/37 (III-52/195d.B.) in der 36. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Juni 2020

„(…) Damit blieb die Gewerbeordnung mit ihren zahlreichen Sonder– und Aus­nah­meregelungen sowie Spezialbestimmungen zu einzelnen Gewerben ein komplexes und unübersichtliches Regulierungsregime für die Anmeldung sowie die Ausübung von Gewerben.“

Allein dieser Auszug aus dem im Oktober des Vorjahres vom Rechnungshof veröf­fent­lichten Bericht betreffend den Zugang zur gewerblichen Berufsausübung (Reihe BUND 2019/37) macht deutlich, dass die Gewerbeordnung einer dringenden Reform und Neukodifizierung bedarf.

Der Rechnungshof kommt in seinem Bericht unter anderem zum Ergebnis, dass auch die Gewerberechtsreform 2017 nur teilweise Erleichterungen gebracht habe, und die Gewerbeordnung weiterhin Flexibilität und Entbürokratisierung vermissen lasse. Weiters kritisiert der Rechnungshof, dass der Zugang zu gewerblichen Berufen nach wie vor zu unübersichtlich und bürokratisch sei.

„Die Struktur der Gewerbeordnung wies erhebliche Schwächen auf, die – im Sinne der Anwenderfreundlichkeit und des Bürgernutzens – dringend zu bereinigen wären. Dies wirkte sich negativ auf die Transparenz und Verständlichkeit des gesamten Regelwerks für die Bürgerinnen und Bürger aus, minderte deutlich dessen Handhabbarkeit für die Gewerbeanmelderinnen und –anmelder, förderte Auslegungsprobleme und war ge­eignet, die Vollziehung durch die zuständigen Gewerbe-behörden zu erschweren,“ so das wenig erfreuliche Fazit des Rechnungshofs, der dann noch ergänzt, dass „obwohl die seit 150 Jahren bestehende Gewerbeordnung durchschnittlich fast jährlich novelliert


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 138

werde, in der Vergangenheit die geplanten oder angekündigten Maßnahmen zu einer Liberalisierung und Vereinfachung des Berufszugangs häufig nicht umgesetzt worden seien“.

Auf Basis seiner Feststellungen hob der Rechnungshof abschließend folgende Schluss­empfehlungen an das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hervor:

„Im Sinne der Vorgaben der Europäischen Kommission wären die Regulierungs­mecha­nismen – insbesondere hinsichtlich ihrer bürokratischen Hemmnisse – zu analysieren sowie deren ökonomische Auswirkungen mit dem Ziel zu bewerten, den gewerblichen Berufszugang weiter zu vereinfachen.

Die in vergleichbaren Staaten bestehenden Gewerberechtsmodelle wären zu analysie­ren und gegebenenfalls wäre eine dahingehende Adaptierung des österreichischen Gewerberechts einzuleiten.

Es wäre konsequent auf eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung hinzuwirken mit dem Ziel, ein zeitgemäßes, übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerk zu schaffen.

Die hohe Anzahl der reglementierten Gewerbe wäre einer Analyse und Beurteilung zu unterziehen.

Unter Berücksichtigung von Kosten–Nutzen–Aspekten wären im Rahmen der Bun­deskosten– und Leistungsrechnung die Kosten für die Vollziehung der Gewerbeordnung auf Bundesebene im Hinblick auf die Effizienz des Mitteleinsatzes transparent auszuweisen und unter Wirtschaftlichkeitskriterien zu beurteilen.

Die Länder wären dazu anzuhalten, ihre Kosten für die Vollziehung der Gewerbeordnung nach vom Ministerium vorgegebenen, einheitlichen Grundsätzen zu erfassen und dem Ministerium bekanntzugeben. Damit sollte eine transparente Darstellung der Gesamt­kosten für die Vollziehung der Gewerbeordnung als Basis für Steuerungsmaßnahmen durch das Ministerium geschaffen werden.“

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser seit Jahren bekannten Fakten wurde im ÖVP/FPÖ-Regierungsprogramm im Jahr 2017 unter anderem eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung und eine Evaluierung des Gewerberechts auch in Hinblick auf den Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten vereinbart.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, mit der eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung mit dem Ziel der Schaffung eines zeitgemäßen, übersichtlichen und anwenderfreundlichen Regelwerks, einer Ver­ein­fachung des gewerblichen Berufszugangs sowie des Abbaus bürokratischer Hemm­nisse sichergestellt wird.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 139

Zu Wort gelangt nun Frau Dr.in Elisabeth Götze. – Es sind 3 Minuten Redezeit geplant, und es wäre eine Punktlandung, wenn Sie das schaffen würden. – Bitte.


14.56.12

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich könnte mit einem: Happy Birthday!, beginnen, weil die Gewerbeordnung de facto sogar schon 160 Jahre alt ist. Sie ist am 1.5.1860 in Kraft getreten und wurde, es wurde schon gesagt, sehr häufig – fast jährlich, insgesamt über 120 Mal – novelliert. Das zeigt auch, dass im Laufe der Zeit einiger Verbesserungsbedarf entstand, weil sich ja seither viel verändert hat. Das „Profil“ hat einmal sogar gesagt, sie ist „das meistgehasste Gesetz“; sie hat also auch viel Kritik auf sich gezogen.

Worum geht es in der Gewerbeordnung? – Sie regelt, wie selbstständig ausgeübte Ge­wer­be ausgeübt werden können, von Einzelpersonen bis zu großen Industriebetrieben, und zwar regelt sie konkret zwei Dinge: erstens, unter welchen Voraussetzungen man Zugang zu dem Gewerbe bekommt, und zweitens, wie man es ausüben kann. – Diese Zugangs­be­rechtigung wurde von Ihnen (in Richtung Rechnungshofpräsidentin Kraker) untersucht.

Zunächst finde ich eine Zahl sehr erfreulich, das ist die Zahl der Gewerbeberechtigungen in Österreich, die in den Jahren, die Sie untersucht haben – 2010 bis 2017 –, gestiegen ist. Besonders stark, nämlich um 38 Prozent, ist sie im Bereich der nicht reglementierten, der freien Gewerbe gestiegen, im Bereich der reglementierten Gewerbe um 6 Prozent. In dem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass besonders viele Frauen selbstständig wurden. Die Zahl der Selbstständigen unter den Frauen hat sich im letzten Jahrzehnt um 20 Prozent erhöht; das ist eine, wie ich finde, sehr erfreuliche Zahl. Bei den Männern waren es nur 5 Prozent, und daher sind inzwischen auch 52 Prozent der Mitglieder der Wirtschaftskammer Frauen.

Bei der Gewerbeanmeldung – es wurde von meiner Vorrednerin Frau Greiner schon erwähnt – ist es aber leider so, dass sich nur 11 Prozent online anmelden. Da sehen wir wirklich großen Verbesserungsbedarf. Sowohl Entrepreneurship als auch Start-ups sind etwas, das die Regierung ja fördern will, und Bundesministerin Schramböck nimmt sich auch sehr darum an – ebenso wie der Digitalisierung –, deshalb denke ich, dass die Fäden bei ihr gut zusammenlaufen. Ich setze große Hoffnungen darauf, dass sich in diesem Bereich etwas verbessert.

In dem Sinne hoffe und vertraue ich darauf, dass wir da etwas beitragen können, auch um Österreich als Standort voranzubringen. Derzeit stehen wir nicht so gut da. Mit dem Ease of Doing Business Index wird gemessen, wie leicht es in einem Staat unter anderem ist, ein Unternehmen zu gründen. Österreich ist an 127. Stelle von 190 Staaten weltweit (Abg. Loacker: Das hört aber die Ministerin nicht gern!), also da haben wir wirklich Nachbesserungsbedarf, und mit dazu zählt eben die Anmeldung eines Gewerbes. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr, also nun, stattfinden kann.

14.59.56Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ (633/A)(E)



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 633/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gesetzten COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 haben massive negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, die Österreich die höchste Zahl an Arbeitslosen und die meisten Arbeitnehmer in Kurzarbeit seit 1945 beschert haben. Mit Stichtag 13. April 2020 wurden vom Arbeitsmarktservice (AMS) in Österreich insgesamt 588.234 Arbeitslose inklusive Schulungsteilnehmer registriert. Mit Stichtag 1. Juni 2020 wurde vom AMS COVID-19-Arbeitsmarktzahlen von 1.881.735 Arbeitnehmern in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit dokumentiert.

Gegenüber dem Vergleichszeitraum Mai 2019 hat die Arbeitslosigkeit (ohne Schu­lungsteilnehmer) im Mai 2020 über alle Branche hinweg ein Plus von 194.352 auf nicht weniger als 473.300 Personen oder +69,7 Prozent zu verzeichnen. Inklusive AMS-Schulungsteilnehmern lag man Ende Mai bei einer Gesamtarbeitslosenzahl von 517.221 Personen.

Bei den männlichen Arbeitskräften stieg die Arbeitslosigkeit um 100.194 oder +67,9 Prozent auf 247.764 Personen ohne Beschäftigung. Bei weiblichen Arbeitskräften stieg die Arbeitslosigkeit um 94.158 oder sogar um +71,7 Prozent auf 225.536 Personen. Die Arbeitslosenquote bei Frauen liegt aktuell bei 11,9 Prozent, die bei Männern per Ende Mai bei 11,3 Prozent. Auch die Ausländerarbeitslosigkeit ist bedingt durch die Aus­wirkungen der COVID-19-Maßnahmen um 80.542 Personen auf 169.821 oder +90,2 Prozent gestiegen. Demgegenüber stieg die Inländerarbeitslosigkeit um 113.810 oder +60 Prozent auf 303.479 Personen.

Die österreichischen Bundesländer sind ebenfalls in unterschiedlichem Ausmaß von den Folgen der Coronavirus-Pandemie am Arbeitsmarkt betroffen. Negative Spitzenreiter in Sachen Arbeitslosigkeit sind die Tourismusbundesländer Tirol mit einer Steigerung der Arbeitslosigkeit von +111,1 Prozent und Salzburg mit +100,1 Prozent. Es folgen die Steiermark (+84,6 Prozent), Vorarlberg (+77,9 Prozent), Oberösterreich (+77,0 Prozent), Kärnten (+70,6 Prozent), Burgenland (+63,5 Prozent), Niederösterreich (+58,7 Prozent) und Wien (+57,2 Prozent).

Bei den Altersgruppen, die von der COVID-19-Arbeitslosigkeit betroffen sind, sticht die Gruppe der Jugendlichen (bis zum 25. Lebensjahr) heraus, wo es zu einem Anstieg von +103,8 Prozent zum Vergleichszeitraum Mai 2019 gekommen ist. Es folgt die Beschäftigtengruppe im Haupterwerbsalter (25. bis 49. Lebensjahr) mit einem Anstieg von +75,5 Prozent und jene der Altersgruppe der über 50 Jährigen Arbeitnehmer mit +49,8 Prozent.

Bei den Ausbildungskategorien finden sich im Folge der COVID-19-Maßnahmen keine signifikanten Unterschiede zwischen Personen mit Pflichtschulabschluss und Aka­demikern. Die am stärksten betroffene Gruppe ist jene mit höherer Ausbildung (+74,2 Prozent), gefolgt von Personen mit Lehrausbildung (+70,0 Prozent), Personen mit max. Pflichtschulausbildung (+68,8 Prozent), Personen mit mittlerer Ausbildung (+67,2 Prozent) und Personen mit akademischer Ausbildung (+54,1 Prozent).

Die Wirtschaftssektoren sind ebenfalls in unterschiedlicher Art und Weise vom Wirtschaftseinbruch im Zuge der COVID-19-Krise betroffen. Der Sektor Beherbergung und Gastronomie hatte einen Anstieg von +143,3 Prozent im Vergleich Juni 2020 zu Juni 2019 zu verzeichnen. Es folgt die Bauwirtschaft mit +84,8 Prozent, gefolgt von Verkehr


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und Lagerei mit +83,6 Prozent, der Herstellung von Waren mit +62,9 Prozent, der Handel mit +59,9 Prozent, die Arbeitskräfteüberlassung mit +59,3 Prozent und das Gesundheits- und Sozialwesen mit +55,6 Prozent.

Dazu kommt, dass die Langzeitarbeitslosigkeit, (Personenkreis, der länger als 12 Monate arbeitslos ist), durch die einschneidenden Wirtschaftsmaßnahmen ebenfalls um 20,4 Prozent angestiegen ist und derzeit nicht weniger als 57.517 Personen beträgt.

Das bedeutet, dass weit mehr als eine halbe Millionen Menschen seit März 2020 mit lediglich 55 Prozent ihres letzten Nettogehalts ihre Lebenshaltung (Nahrungsmittel, Wohn- und Betriebskosten usw.) bestreiten müssen. Die weit überwiegende Anzahl dieser betroffenen Arbeitslosen hat durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundes­regierung den Arbeitsplatz verloren bzw. wurde der Chance beraubt, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit oder einer AMS-Aus-, Fort- und Weiterbildung wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Um dieser Gruppe von rund 500.000 Personen einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitsplatzvernichtung durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu gewährleisten und damit ihr ökonomisches Überleben abzusichern, ist aber eine Erhö­hung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes (inklusive Notstandshilfe) von 55 Pro­zent auf 70 Prozent dringend notwendig und auch volkswirtschaftspolitisch vernünftig. Dies ist durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge um 30 Prozent (entspricht einer Nettoersatzrate von 70 Prozent) umzusetzen.

Durch diese 15 prozentige Nettorersatzratenerhöhung wird die Kaufkraft und damit auch die innerösterreichische Konjunktur durch vermehrte Konsumausgaben gestärkt. Dies führt wiederum zu vermehrten Einnahmen der Unternehmer, aber auch Steuer­ein­nahmen und schafft dadurch neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsplätze ab.

Demgegenüber sind die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung, die von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Sozial­minister Rudolf Anschober (Die Grünen) vorgestellt worden sind, absolut untauglich. Ein „Arbeitsmarktbonus“ von lediglich 450 Euro für die Monate Juli bis September, wobei man zwei von diesen drei Monaten durchgehend arbeitslos sein muss, ist weder treffsicher noch sozial. Ganz im Gegenteil, die seit Mitte März durch Regierungs­maß­nahmen bewusst produzierte Arbeitslosigkeit wird ignoriert, und man enthält den be­troffenen Arbeitnehmern einen gerechten Ausgleich vor.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein "COVID-19-Ausgleich" für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversiche­rungs­leistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung, ausgezahlt werden.“


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In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antrags­steller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr.in Belakowitsch als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.00.25

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Ministerinnen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren daheim vor den Bildschirmen! Es ist jetzt ungefähr drei Monate her, da hat diese Bundesregierung der Republik Österreich einen Lockdown verordnet – einen Lockdown, der zu fürchterlichen wirtschaftlichen Folgen geführt hat. Parallel dazu ist sie aber nicht müde geworden zu erklären, wie viel Geld jetzt fließen wird, also Milch und Honig! Nahezu im Stundentakt wurde die Anzahl der Milliarden erhöht, bis wir irgendwann bei den 38 Milliarden Euro angekommen sind. Alles soll gut werden, niemand soll leiden, die Krise soll sozusagen fast an uns vorübergehen. – Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat die Krise erst so richtig in das Land gebracht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Stöger.)

Regelmäßig stellt sich der Herr Bundeskanzler, stellen sich die Minister dieser Bun­desregierung hin und sagen: Österreich ist ja so wunderbar durch diese Gesund­heitskrise gekommen, wir stehen besser da als alle anderen! – Nein, meine Damen und Herren, auch das ist nicht richtig. Man braucht nur zu schauen: Das vielgescholtene Ungarn beispielsweise hat weit weniger Todesfälle, die Slowakei, Slowenien. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt viele Länder, die gesundheitlich besser durchgekommen sind, aber auch sehr viele, nämlich die meisten, denen es wirtschaftlich besser geht als Österreich, und nicht, weil sie dort vielleicht keinen Lockdown hatten. – Nein, meine Damen und Herren, es geht ihnen besser, weil dort Hilfen wirklich geleistet wurden und Hilfen bei den Unter­nehmungen, bei den Arbeitnehmern angekommen sind – und das ist in Österreich eben nicht passiert, meine Damen und Herren. (Rufe bei der ÖVP: Wo? Wo denn? Wo ist das? Abg. Wurm: ...! Deutschland! Schweiz!)

Wenn man jetzt Österreich mit Ungarn vergleicht, dann weiß man: Die Ungarn haben das Parlament wieder hochgefahren, in Österreich arbeiten wir hingegen immer noch mit den Verordnungsermächtigungen. Ich bringe jetzt einmal ein Beispiel, nämlich den Unterrichtsminister, der bis zum Ende des nächsten Schuljahres am Verordnungsweg weiterbestimmen darf, was in unseren Schulen abgeht. Wenn wir uns die Maturanten heuer anschauen: Ohne Not haben Sie die in eine Kriegsmatura gezwungen! Die haben sich monatelang vorbereitet, wollten ihre vorwissenschaftliche Arbeit präsentieren. Die Matura ist ein wesentlicher Einschnitt im Leben von jungen Menschen. Das haben Sie denen kaputt gemacht. Sie durften einfach nichts mehr vorführen. Sie durften nichts präsentieren. (Abg. Salzmann: Das stimmt nicht!) Meine Damen und Herren, das ist ein Verbrechen, das da an diesen jungen Menschen begangen worden ist! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber auch die jüngeren Schüler: Bis zum heutigen Tag gibt es in Österreich keinen normalen Schulbetrieb. (Abg. Salzmann: Das stimmt nicht!) Die Dänen haben schon Ende April aufgesperrt und nichts ist passiert! Da läuft der Schulbetrieb seit Monaten


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wieder vollkommen normal. Nur in Österreich müssen sich die Schüler auf dieses einmal Ja, einmal Nein einstellen. In Österreich gibt es bis heute keinen normalen Schul­unterricht, meine Damen und Herren (Abg. Salzmann: Das stimmt nicht!), und das ohne Not. Das ist nicht notwendig, das sind diese Verordnungen, die Sie von der Regie­rungsbank herunterrufen, um die Österreicher unter Druck zu setzen. (Abg. Salzmann: Das stimmt auch nicht!) – Hören Sie auf, dauernd dazwischenzuschreien!

Man hat den Eindruck, meine Damen und Herren, es hat sich dieses Hahnen­schwanz­lerdenken, dieses Vernadern wieder etabliert. Man ist wieder wer in dieser Republik. Man kann die Mutter, deren Kinder mit dem Ball spielen, jetzt bei der Polizei anzeigen. Man kann die Leute anzeigen, die auf dem Parkbankerl sitzen. Man ist wieder wer in dieser Republik. Man hat endlich seit den Dreißigerjahren wieder das Sagen. Diese Mentalität ist in unsere Republik eingezogen, meine Damen und Herren, das ist das wahre Problem, und das haben wir Ihnen zu verdanken, mit Ihrer Art von Politik, der Politik des Vernaderns! (Abg. Wöginger: Das muss ausgerechnet eine Freiheitliche sagen!) Das ist ÖVP-Politik und das ist etwas, was abzulehnen ist, weil es auch der österreichischen Gesellschaft überhaupt nicht guttut, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Innenminister hat sich Anfang Februar hingestellt – tolle Pressekonferenz, tolle Präsentation, er hat gezeigt, er ist ein Mann von Welt –, hat bilateral nach China Hilfs­güter geschickt, hat Masken weggeschickt, hat Hilfsartikel weggeschickt, die uns dann wenige Tage später in Österreich gefehlt haben, meine Damen und Herren, aber wichtig war: Der Herr Innenminister hat eine Schlagzeile gehabt, der Herr Innenminister hat sich als Macher inszeniert. Gut, das ist ja sowieso in dieser Bundesregierung so: Die Inszenierung steht sowieso über allem. Man hat sich inszeniert: Man macht etwas, man tut etwas! – Die Hülle war wichtig, und das, was dahintergestanden ist, war eine Null. Da ist nichts herausgekommen, meine Damen und Herren!

Wenn man sich das jetzt anschauen möchte, was da passiert ist und was Sie den Leuten alles zugemutet haben, dann muss man zurück in den März gehen: Da war die ge­sundheitliche Situation diffus. Da gab es einen Lockdown, der hier einstimmig beschlos­sen worden ist. (Abg. Schnabel: ... war’s die Regierung!) Das war durchaus eine richtige Entscheidung, zu der stehen wir auch heute noch.

Was ist aber dann passiert? – Dann sind die Tage ins Land gezogen und nichts ist passiert. Wir haben den Lockdown, wir haben das Herunterfahren zur Kenntnis genom­men, und der Herr Bundeskanzler hat sich überhaupt nicht hinterfragt. Wäre er intelli­gent, dann würde er seine Entscheidungen täglich hinterfragen, denn in solch einer Krisensituation ist das dringend notwendig. Er hätte hinterfragen müssen: Sind die Entscheidungen noch wichtig? Sind sie noch richtig? Sind sie noch aufrechtzuerhalten? Sind die Berechnungen der Experten überhaupt noch richtig? Wo sind sie denn, die Leichenberge, die Leichensäcke? – Sie waren nicht da (Rufe bei der ÖVP: Gott sei Dank! Gott sei Dank haben wir keine Leichenberge gesehen!), und trotzdem hat man das Land in einem Stillstand gelassen, meine Damen und Herren! (Abg. Ottenschläger: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Haben Sie Leichenberge gesehen? Also ich nicht, glücklicherweise nicht. (Abg. Steinacker: Dafür haben wir sie in anderen Ländern gesehen!) Und wissen Sie, was ich sehe? – Ich sehe tagtäglich, dass es Geschäftsleute gibt, die seit Monaten Umsatzein­bußen haben, die von ihrer Bundesregierung nicht einen Cent Wiedergutmachung erhal­ten haben. – Ich weiß schon, dass Sie das aufregt. Es hält Ihnen einen Spiegel vor. Sie haben einen Bumerang weggeschossen, einen Bumerang, von dem Sie jetzt nicht genau wissen, wo er kreist, was er uns noch alles bringen wird und was er diesem Land noch


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alles aufzwingen wird, meine Damen und Herren – und das ohne Not, denn man hat bereits Ende März gewusst: Diese Berechnungen sind falsch. Es wird diese Leichen­berge nicht geben. Es ist dieses Virus nicht so gefährlich, wie der Herr Bundeskanzler gedacht hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Es waren die Berechnungen seiner Mathematiker und seiner Experten eben falsch.

Man kann ja auch einmal die Größe haben, sich hinzustellen und zu sagen: So, jetzt haben wir das Land für zwei, drei Wochen hinuntergefahren, jetzt fahren wir wieder rauf, denn es ist nichts dran, es ist nichts dahinter! Wir bleiben vorsichtig, aber wir lassen unsere Unternehmen wieder arbeiten! Wir lassen die Leute in der Beschäftigung, wir wollen die Wirtschaft nicht absolut kaputt machen (Abg. Steinacker: Im Nachhinein ist immer alles einfach!) nicht im Nachhinein, Frau Kollegin, sondern während dieser Zeit! (Abg. Kickl – in Richtung ÖVP –: Sie waren im Nachhinein auch nicht gescheiter!)

Genau dann, wenn man solche drastischen Einschnitte setzt, muss man das doch jeden Tag evaluieren, genau dann ist man doch dazu verpflichtet! Da passt es aber auch gut ins Bild, dass der Herr Innenminister sagt: Na, vom Krisenstab, da gibt es keine Proto­kolle! – Wenn das wahr ist – im Übrigen glaube ich es ihm nicht, aber das so nebenbei – und es von den Sitzungen des Krisenstabs im Innenministerium keine Protokolle gibt, meine Damen und Herren, dann ist der Innenminister rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

Es kann nämlich definitiv nicht sein, meine Damen und Herren, dass man drastische Einschränkungen macht, dass man die Leute bespitzeln lässt, dass man Strafen in Höhe von mehreren Hundert Euro dafür verhängt, dass jemand hinausgeht. Es kann nicht sein, dass man die Polizisten dazu missbraucht, dass sie die Leute bespitzeln, dass sie in die Wohnungen gehen sollen, dass sie schnüffeln gehen sollen. Das darf nicht sein. Und dann sagen Sie, es gibt keine Protokolle? Da ist doch etwas faul in dem Land, meine Damen und Herren! Bei jeder Sitzung gibt es Protokolle! (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, das Problem dieser Bundesregierung ist ja generell, dass sie sich einfach auf die Hülle beschränkt, auf Marketing – die sogenannte Marketing-Netflix-Amazon-Generation ist in der österreichischen Bundesregierung angekommen –, und genauso sind die Maßnahmen zu verstehen, meine Damen und Herren. Man schaut, dass man gut wegkommt. Dem Herrn Bundeskanzler ist es wichtig, dass er schön frisiert ist, dass er gegroomt ist – 600 Euro pro Groomingbehandlung –, vielleicht ist er auch noch ge­bleacht – ich meine da jetzt nicht unbedingt die Zähne –, all das ist dem Herrn Bun­deskanzler wichtig. Er ist sozusagen der Inbegriff der Hülle, der leeren Hülle ohne Inhalt, ohne nachzudenken, was morgen sein wird. (Abg. Hanger: Das ist aber schon pein­lich! Abg. Steinacker: Das ist sehr tief!)

Jetzt schauen wir uns an, was das Morgen gebracht hat! Jetzt schauen wir uns an, wo wir heute hier in Österreich stehen, meine Damen und Herren: der größte Einbruch der Wirtschaft. (Abg. Gabriela Schwarz: ... schützen Menschenleben und Sie ...! Zwi­schenruf der Abg. Kirchbaumer. Regen Sie sich nicht so auf, Sie wissen eh, was jetzt kommt: Über 1,8 Millionen Personen in Österreich sind entweder arbeitslos oder in Kurzarbeit, meine Damen und Herren. Das sind die nackten Zahlen! (Zwischenruf des Abg. Amesbauer. – Abg. Hanger: Da müsst ihr selber lachen, oder?) Das ist das Ergebnis der Arbeit, die diese Bundesregierung in den letzten drei Monaten geleistet hat, und das ist, muss ich Ihnen ehrlich sagen, ein sehr schlechtes Zeugnis. Es gibt jetzt für die Schülerinnen und Schüler demnächst das Zeugnis. Die Bundesregierung würde dieses Schuljahr nicht überleben, meine Damen und Herren, wenn man sich das anschaut. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Steinacker: Doch!)

Es gibt derzeit laut Wifo einen Einbruch von 5,8 Prozent beim privaten Konsum. Der wird noch weitergehen. Wir rechnen damit, alle Experten mit Ausnahme des Herrn Bundes­kanzlers und von ein paar Schreiern in der ÖVP rechnen damit, dass der private Konsum


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noch weiter zurückgehen wird, weil die Leute Angst haben, weil die Leute Hemmung haben.

Sie geben keine Sicherheit, dass die Krise jetzt vorbei ist und dass jetzt wieder normal gearbeitet werden darf. Nein, im Gegenteil: Da werden permanent Horrorzahlen gelegt und da wird jetzt schon von einer zweiten Welle im Herbst geredet. Glauben Sie allen Ernstes, das ist anregend für den privaten Konsum? – Na, mitnichten, das Gegenteil ist der Fall. Jeder ist jetzt gehemmt, jeder versucht jetzt, zu sparen und zu schauen, ob er überhaupt im Herbst noch in Beschäftigung ist, meine Damen und Herren!

Dann gibt es noch ein Problem: Was glauben Sie, was gegen Ende des Jahres passieren wird, wenn dann die fiskalischen Abschlüsse kommen? – Na, das wird im nächsten Frühjahr eine Pleitewelle geben, meine Damen und Herren, eine Pleitewelle, und die wird in Richtung Arbeitslosigkeit weitergehen. Das heißt, Sie produzieren diese Krise weiter und weiter.

Die Spirale geht weiter nach unten, und Sie stellen sich her, die Regierung stellt sich her mit ihren Pressekonferenzen. Da wird dann nachgebessert, da wird dann irgendein nächster Bonus ausbezahlt und dort wird ausbezahlt. Das Problem ist nur: Es kommt nicht an. Es kommt bei den Unternehmen nicht an, und was bei den Unternehmen nicht ankommt, können Arbeitnehmer nicht verdienen, und daher gibt es ja das Problem.

Ich frage mich langsam – jetzt ist Ende Juni –: Wann werden die Unternehmen wirklich einmal von Ihnen gefördert werden? Bei den Kurzarbeitsgeldern rühmt sich die Frau Ministerin, dass über 1 Milliarde Euro ausbezahlt wurde. 12 Milliarden Euro sind be­schlossen, und 1 Milliarde Euro ist ausbezahlt worden, meine Damen und Herren? Wie glauben Sie, sollen die Unternehmen das noch länger überleben können? Wie soll denn das funktionieren? Woher sollen die denn die Zwischenfinanzierung nehmen? Über all das haben Sie sich keine Gedanken gemacht. Es wird geknausert und geknausert und geknausert.

Meine Damen und Herren, wenn wir es nicht schaffen und wenn Sie es nicht schaffen, den Konsum wieder ein bisschen mehr anzuheben, dann sehe ich schwarz für unsere Wirtschaft. Dann wird es weiter bergab gehen und es wird dann noch viel, viel teurer, als würden Sie jetzt die Hilfsgelder auszahlen, meine Damen und Herren.

So, und jetzt sage ich Ihnen, was wir glauben, was sehr wichtig zu tun wäre: Zunächst einmal müssen wir schauen, dass wir unseren Unternehmern helfen, dass sie durch die Krise kommen, dass sie das auch überleben können, dass sie endlich die Hilfsgelder, die ihnen versprochen worden sind, auch bekommen. Ideal wäre es, wenn Sie das nach dem Epidemiegesetz machen würden, denn nur dann haben unsere österreichischen Unternehmen überhaupt die Möglichkeit einer Planbarkeit, einer Sicherheit. Nur dann können sie sich auch wieder bewegen und haben Luft und können auch investieren. Alles andere wird dazu führen, dass dieses Geld irgendwo im Raum verpufft und nicht ankommt, meine Damen und Herren.

Was fällt Ihnen dazu ein? – Wir machen halt eine Nachbesserung. Ich weiß nicht, Herr Kollege Wöginger, ob Sie im Kopf haben, wie viele Nachbesserungen Ihr Härtefallfonds schon gehabt hat. – Dutzende! Dennoch kommt es bei den Unternehmen nicht an, meine Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Maurer.)

Genau das ist das Problem. Sie bessern nach, statt dass Sie ein System, das nicht funk­tioniert, auf neue Beine stellen würden, statt dass Sie sagen würden: Gut, wir geben zu, der Härtefallfonds ist gescheitert, wir machen ein neues Instrument, und wir lassen vielleicht auch über die Finanzämter ausbezahlen; die haben das Know-how, die haben die Möglichkeiten, das zu tun.


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Die Wirtschaftskammer ist überfordert gewesen. (Abg. Scherak: Die ist grundsätzlich überfordert!) Die Wirtschaftskammer musste zuerst einmal überhaupt ein System aufbauen, damit sie das machen kann. Das haben Sie ganz bewusst dorthin gelegt, um Ihren Freunden etwas zu geben, meine Damen und Herren! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Der Finanzminister erklärt in einer Anfragebeantwortung: Ja, das war notwendig, weil die Finanzämter ja mit den Steuerstundungen so ausgelastet waren. – Ja, da frage ich mich: Warum haben die Steuerstundungen überhaupt per Antrag gemacht werden müssen? Warum ist das nicht ein automatisches Geschehen gewesen, meine Damen und Herren, wie das in anderen Ländern auch gegangen ist? (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Nur in Österreich ist das nicht gegangen, und das ist der Grund, warum die österreichische Wirtschaft so hinuntergefallen ist, weit mehr als der EU-Schnitt, meine Damen und Herren. Das ist die Verantwortung dieser ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann gibt es jede Menge arbeitslose Menschen, dann gibt es jetzt seit Wochen hier herinnen die Diskussion, arbeitslosen Menschen das Arbeitslosengeld auf eine Netto­ersatzrate von 70 Prozent zu erhöhen. Das würde nämlich den Konsum anregen. Das würde nämlich sofort in den Konsum gehen. Das sind nämlich nicht Leute, die sehr viel Geld und sehr viel Spielraum haben.

Dann wird das in den Ausschüssen vertagt – Kollege Wöginger hat ohnehin gleich gesagt: na, dann sollen sie Mindestsicherung beziehen –, dann wird herumdiskutiert, dann hat man den Eindruck, es kommt vielleicht doch. Der grüne Sozialminister hat gesagt, für ihn wäre es ein wichtiger, gangbarer Weg. Der grüne Sozialsprecher erklärt sowieso jedes Mal, er ist dafür.

Was passiert dann? – Dann geben Sie den Arbeitslosen im September eine Einmal­zahlung. Eine Einmalzahlung im September! Dafür muss man dann drei Monate arbeits­los gewesen sein. Das heißt, jene Menschen, die im März arbeitslos geworden sind, nämlich damals, als Sie die Wirtschaft runtergefahren haben, und sich jetzt bemüht haben und vielleicht im Juli oder August wieder Arbeit finden, fallen um die Einmal­zahlung um. Für die 450 Euro Einmalzahlung muss man im September mindestens drei Monate arbeitslos gewesen sein. Meine Damen und Herren, ich weiß gar nicht, wie ich das ausdrücken soll: Das ist nicht nur Verhöhnung, sondern da werden die Bürger vorgeführt.

Gleichzeitig gibt es genauso viel Geld, nämlich 450 Euro, monatlich für die Pensionen der Bauern, aber nur für die Bauernpensionisten. Da frage ich Sie jetzt, meine Damen und Herren: Wo haben die in der Krise weniger gehabt? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wir können generell darüber diskutieren, ob man Pensionen erhöhen soll. Das wäre eine eigene Dringliche Anfrage. Das können wir jederzeit tun, damit habe ich kein Problem. Aber jetzt frage ich Sie wirklich: Was, glauben Sie, denkt sich jemand, der bis Mitte März dieses Land, dieses System mit seinen Steuerabgaben, mit seinen Sozialabgaben am Leben erhalten hat und dann aufgrund Ihrer sinnlosen Maßnahmen arbeitslos wird und jetzt überhaupt nichts von Ihnen zurückbekommt? (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Wenn er die Zeitung aufschlägt, sieht er: Na, die Pensionisten der Bauern – ÖVP-Klien­tel, 95 Prozent der Bauernpensionisten wählen die ÖVP –, die kriegen 450 Euro monat­lich, dauerhaft, für immer. (Abg. Maurer: Jährlich!)

Erklären Sie jetzt einmal diese Geschichte! Erklären Sie sie den Mindestpensionisten, die keine Bauern waren! Erklären Sie sie den Arbeitslosen, die um jeden Cent kämpfen müssen! Erklären Sie, warum Ihre Klientel besser aussteigt als alle anderen in diesem Land, die genauso ihre Steuern und Abgaben bezahlt haben! Meine Damen und Herren, das werden Sie nicht zusammenbringen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.) Daher ist es notwendig, das Arbeitslosengeld auf eine Nettoersatzrate von 70 Prozent zu erhöhen.


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Es sind noch viele andere Punkte notwendig. Wir haben schon mehrmals den Antrag auf den Österreichtausender eingebracht, einen 1 000-Euro-Gutschein, der aber nur bei Unternehmen eingelöst werden darf, die in Österreich Steuern bezahlen. Das ist nämlich etwas, das bei Ihnen, in Ihrer Wirtschaftskompetenz völlig ausgeblendet ist. Da ist Amazon ganz wichtig und vorne dabei. Das waren die größten Gewinner bei Ihrer Politik neben den Maskenherstellern in China. Das waren die, bei denen die Leute im März und im April einkaufen konnten, als Sie alle Geschäfte runtergefahren haben. Die haben Gewinne geschrieben, und irgendwelche komischen Maskenhersteller in Fernost, die irgendwelche Masken – und das hat man in den Videos gesehen – dann auf den Fuß­boden geschmissen haben.

Sie haben die Österreicherinnen und Österreicher zum Maskentragen verpflichtet. Das war – und Sie wissen es ganz genau – völlig sinnlos, weil nämlich die Viren viel kleiner als die Poren in all Ihren Masken sind. Dann haben Sie auch noch Schals statt Masken erlaubt. Da sind dann auch noch Leute mit grauslichen, verdreckten Schals im Supermarkt gestanden. Das war besonders hygienisch und besonders sinnvoll, um Krankheiten zu bekämpfen. Das ist die Politik, die Sie gemacht haben, meine Damen und Herren.

Den Österreichtausender bräuchte es daher auch: 1 000 Euro für jeden Österreicher als Gutschein, einzulösen bei jedem Unternehmen, das in Österreich Steuern zahlt. Das kann ein Greißler sein, das kann ein Tourismusbetrieb sein, das kann aber auch ein Handwerker sein, wenn er in Österreich Steuern bezahlt.

Damit gäbe es einen doppelten Effekt: Wir würden einerseits den Konsum anregen, wir würden den Unternehmern einen Umsatz geben, und wir würden den Leuten die Mög­lichkeit geben, sich wieder ein bisschen Luft zu verschaffen, sozusagen Geld in die Hand zu nehmen. Das lehnen Sie alles ab. Da kommt von Ihnen überhaupt nichts.

Welche Ideen kommen dann von Ihnen? – Die Mehrwertsteuer. Na ja, also wissen Sie, die Senkung der Mehrwertsteuer, so wie Sie sich das vorstellen, wird den Konsum auch nicht so wirklich anregen. Mehrwertsteuersenkungen oder -halbierungen machen ja vor allem bei teuren Produkten Sinn. Bei den Lebensmitteln, bei Kleidung ist der Effekt eher gering. Das macht dann Sinn, wenn man sich ein Auto kauft. Da ist eine Reduktion der Mehrwertsteuer sinnvoll, da regt sie vielleicht auch den Kauf an. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Das ist aber das Einzige.

Das heißt, für Ihre Wohlhabenden, Ihre Reichen haben Sie etwas gemacht. Für die allgemeine Bevölkerung gibt es nichts außer einem weiteren bitte warten, bitte warten. (Abg. Hanger: Na geh bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, das finden Sie lustig. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Ich weiß schon, Herr Kollege Wöginger, Ihnen wäre es am liebsten, alle Arbeitslosen würden sofort zum Sozialamt gehen müssen und dort um Sozialhilfe und um Min­destsicherung betteln müssen. Das ist Ihr Weg, meine Damen und Herren, weil Sie ja gerne wollen, dass die Leute dankbar sind, dass sie Almosenempfänger sind und dass sie sich nicht selber rühren können. Meine Damen und Herren, das ist etwas, das einfach schäbig ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, jetzt komme ich noch zu Ihnen. Sie sind ja zuständig für das Arbeits­losengeld und für die Erhöhung. Ich würde Sie schon bitten, dass Sie das, was Sie bei Ihrer Regierungsklausur versprochen und beschlossen haben, diesmal auch einhalten, denn es gab ja hier im Parlament schon einmal einen Beschluss, dass die Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes angehoben werden soll. Was aber ist dann pas­siert? – Dann haben sich jene Leute, die eh schon fast nichts mehr haben, schon sehr gewundert, denn sie haben einen Brief bekommen: Diese Auszahlung ist auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 148

Die Leute brauchen das Geld aber jetzt, und die Wirtschaft, Frau Minister, würde das Geld jetzt auch brauchen! Wenn man sich überlegt, was Sie den Leuten antun werden, stelle ich mir schon die Frage, ob Sie das alles noch mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, ob Sie den Leuten tatsächlich noch in die Augen schauen können. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Es wird weitergehen – das verspreche ich Ihnen, meine Damen und Herren –, wenn Sie nicht endlich einmal den Retourgang einlegen und die Wirtschaft wieder wirklich arbeiten und leben lassen! Nur dann nämlich werden auch wieder neue Arbeitsplätze geschaffen. Es sind viele Wirtschaftskundige in Ihren Reihen, die das wissen. (Abg. Scherak: Wer denn?) Das hindert Sie ...


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Das hindert Sie nicht daran, den Menschen alles zu nehmen, was sie haben, den heimischen Mittelstand, die Klein­unternehmer und mittelgroßen Unternehmer zu zerstören. Das tun Sie, und ich sage Ihnen: Sie tun es mit voller Absicht und bewusst! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: ... Wirtschaftskompetenz ... ÖVP? – Abg. Scherak: Das hab’ ich mich auch gefragt!)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße die Ministerinnen und den Herrn Minister auf der Regierungsbank recht herzlich.

Zu Wort gemeldet ist Bundesministerin Aschbacher. – Bitte, Frau Bundesminister.


15.21.25

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen oder anderen Geräten zu Hause! Die Arbeit in den letzten Tagen war intensiv von unserer Regierungsklausur geprägt. Unser Ziel als Bun­desregierung war und ist zu jedem Zeitpunkt, die Menschen gut aus der Krise zu bekommen, zu unterstützen (Zwischenruf des Abg. Zanger), die Unternehmen aus der Krise zu führen und dafür Sorge zu tragen, dass vor allem Arbeit suchende Menschen wieder in Beschäftigung kommen.

Mit diesem Ziel vor Augen haben wir als Bundesregierung gemeinsam ein ent­sprechen­des Rettungs- und Investitionsprogramm von insgesamt 50 Milliarden Euro geschnürt, immer unter der Prämisse, die Menschen, die von der Krise am stärksten betroffen sind, zu entlasten.

Nun geht es darum, die Folgen dieser Weltwirtschaftskrise am Arbeitsmarkt auch weiter­hin zu bewältigen. Wir verzeichnen jetzt deutliche Fortschritte bei der Arbeitslosigkeit und auch bei der Kurzarbeit. Dabei ist und bleibt es zu jedem Zeitpunkt unser oberstes Ziel, jene, die beschäftigt sind, darin zu unterstützen, weiterhin in Beschäftigung zu bleiben, aber auch jene, die Arbeit suchend geworden sind, wieder in Beschäftigung zu bringen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Einerseits gelingt uns das mit der Coronakurzarbeit. Dazu darf ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, ein paar Hintergrundinformationen geben: Die Zahlen der Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit sind rückläufig. Mit dieser Woche liegen wir bei rund 1,1 Millionen Menschen, die sich nach wie vor in Kurzarbeit befinden. (Abg. Kickl: Mhm! Gut!) In einer Umfrage vom Arbeitsmarktservice und der Wirtschaftskammer sagen 94 Prozent der Unternehmen, dass sie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nach der Behaltefrist im Unternehmen behalten werden. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


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Die Abrechnung läuft auf Hochtouren und ich kann Ihnen berichten, dass wir mit dieser Woche 2 Milliarden Euro an die Unternehmen ausbezahlt haben, und zwar haben insgesamt über 95 000 Unternehmen ihr Geld bereits erhalten. Bei der Kurzarbeit werden die tatsächlichen Ausfallstunden monatlich abgerechnet, dementsprechend ist es jetzt nicht möglich, die Gesamtsumme in einem Stück zu überweisen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dazu möchte ich noch erwähnen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice österreichweit gemeinsam mit der Bundesbuchhaltungsagentur und der Unterstützung der Österreichischen Gesundheitskasse tagtäglich ihr Bestes geben, damit so viel wie möglich ausbezahlt werden kann. Wir zahlen die Gelder der Kurzarbeit tagtäglich in dreistelliger Millionenhöhe aus.

Dennoch hat das Ziel, dass wieder mehr Menschen ihre Arbeit aufnehmen können, immer die Grundlage meiner Arbeit gebildet. In diesem Zusammenhang haben wir uns immer gesprächsbereit gezeigt – vor der Krise, während der Krise und auch jetzt beim Wiederhochfahren –, bereit, dass wir uns alle Vorschläge anschauen und es dabei auch keine Tabus geben darf.

Lassen Sie mich einige Gedanken zur Erhöhung von Arbeitslosengeld beziehungsweise -unterstützung erläutern! Eine pauschale Erhöhung des Arbeitslosengeldes halte ich zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem wir uns aufgrund des Coronavirus mitten in einer Weltwirtschaftskrise befinden, für nicht zielführend. (Abg. Heinisch-Hosek: Warum nicht? – Abg. Kickl: Das machen wir dann, wenn’s keiner braucht!) Um die Betroffenen jetzt zu unterstützen, haben wir uns als Bundesregierung auf eine Einmalzahlung von 450 Euro geeinigt, und davon profitieren circa 400 000 Menschen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Heinisch-Hosek: Almosen!) Diese Einmal­zahlung wird automatisch mitüberwiesen, es muss kein Antrag gestellt werden.

Was wir jetzt zusätzlich noch brauchen, ist ein Fokus auf Ausbildungen, auf Qualifi­zierungsmaßnahmen, aber auch auf Beschäftigungsmaßnahmen (Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Kollross) wie beispielsweise arbeitsplatznahe Qualifizierung, Formen von Arbeitsstiftungen und vieles mehr. (Abg. Leichtfried: Was ist das – „vieles mehr“?)

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, zu betonen, dass auch jetzt der Arbeitsmarkt nicht stillsteht, sondern das AMS auf Hochtouren arbeitet. Seit dem Höhepunkt der Krise Mitte April konnten bereits über 107 000 Menschen wieder in Beschäftigung kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt aber sehr zögernd!)

Dennoch ist jeder Arbeitsuchende oder jede Arbeitsuchende einer oder eine zu viel. Es sind aktuell 480 896 Personen beim AMS vorgemerkt. Davon sind 434 553 Personen arbeitslos und 46 343 in Schulung. Schulungen wurden Mitte Mai wieder aufgenommen. Das sind 11 720 Personen weniger als in der Vorwoche, das heißt, innerhalb einer Woche war es möglich, 11 720 Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen.

Für jene Menschen, die durch die Krise leider arbeitslos geworden sind, haben wir bereits einige Unterstützungsmaßnahmen getroffen. Zum einen helfen wir den Arbeit­suchenden ganz gezielt beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, zum Beispiel mit dem Neustartbonus, der ab heute beim AMS, und zwar für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei denen nur eine Teilzeitanstellung möglich ist, beantragt werden kann, sodass sie bis zu 80 Prozent des Gehalts bekommen.

Zum anderen haben wir verhindert, dass jemand während der Krise in die Notstandshilfe abrutscht, indem wir gemeinsam beschlossen haben, dass bis mindestens September


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jeder und jede das Geld in Höhe des Arbeitslosengeldes bekommt. Dieses wird bereits mitausbezahlt und ist bis mindestens September garantiert.

Besonders die Familien haben in der Krise, während der Krise und auch jetzt, beim schrittweisen Wiederhochfahren, Herausragendes geleistet. Deswegen sollen sie auch besondere Unterstützungsleistungen bekommen. Wir haben den Familienhärtefonds beschlossen, bei dem es darum geht, dass Eltern, von denen einer in Kurzarbeit oder auch in Arbeitslosigkeit geraten ist, unterstützt werden. Auch Familien, in denen ein Elternteil bereits vor der Krise in Arbeitslosigkeit war, erhalten automatisch eine finan­zielle Unterstützung aus dem Familienkrisenfonds.

Im Zuge der Regierungsklausur haben wir nun noch weitere Schritte als Unterstützungs­maßnahmen in diesem Bereich gesetzt, und zwar bekommen alle Familien einen Kin­derbonus von 360 Euro pro Kind, für das man die Familienbeihilfe bezieht. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) In einem Beispiel, in dem es um weitere Entlastungen für die Familien geht, bedeutet das für eine Familie mit zwei Kindern rund 1 170 Euro an Entlastung.

Des Weiteren haben wir miteinander Investitions- und Entlastungsmaßnahmen be­schlos­sen, nämlich ein Investitionspaket von 12 Milliarden Euro zusätzlich in den Bereichen Regionalität, Digitalisierung und Ökologisierung, das auch viele neue Arbeits­plätze schaffen wird. Zudem – es wurde auch schon angesprochen – haben wir die Mehrwertsteuer in den Bereichen Gastronomie, Kultur und Medien gesenkt, was heuer eine Entlastung von rund 900 Millionen Euro bewirken wird.

All diese Maßnahmen zeigen, dass wir jeden Tag unser Bestes geben, um so viele Menschen wie möglich in Beschäftigung zu halten und wieder in Beschäftigung zu bringen. Gleichzeitig unterstützen wir mit zahlreichen Maßnahmen zusätzlich zum bestehenden sozialen Sicherheitsnetz dort, wo es notwendig ist.

Wir tun alles, um die Weltwirtschaftskrise abzufedern und den Arbeitsmarkt zu stärken. Jede und jeder Einzelne, die oder den wir wieder in Beschäftigung bringen, ist ein Erfolg und ein Schritt in die richtige Richtung. Danke für Ihre Unterstützung! Gemeinsam schaffen wir das! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.


15.30.47

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der in roter Schrift „Österreich 1000er“ zu lesen ist und zehn Hunderteuroscheine abgebildet sind.) Wir befinden uns leider in einer Rezession von historischem Ausmaß, und die ursprüng­liche Hoffnung, dass sich die Wirtschaft schnell wieder erholen wird, war eine Illusion. Je länger Einschränkungen und Maßnahmen, die gesetzt wurden, dauern, umso schlimmer wird es werden. Leider hat die Bundesregierung – vor allem die ÖVP, was für mich völlig unverständlich ist – mit ihrer Angstmache und mit ihrer Verunsicherung der Bevölkerung gute Arbeit geleistet – leider gute Arbeit, im negativen Sinn.

Laut der aktuellen Studie der Joanneum Research und ihrer Wirtschaftsprognosen lautete die Frühjahrsprognose betreffend EU: Einbruch des Wirtschaftswachstums in der Eurozone um 7,75 Prozent, in Österreich um 5,5 Prozent. Mittlerweile geht die britische Notenbank davon aus, dass wir die stärkste Rezession seit 325 Jahren haben werden: Eurozone minus 7,5 Prozent, Österreich minus 7 Prozent. Die Oesterreichische Natio­nalbank sagt: Österreich minus 7,2 Prozent, frühestens 2022 auf dem Niveau von 2019. Die Sparquote steigt, weil die Leute verunsichert sind, weil sie ihr Geld nicht ausgeben,


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und der private Konsum bricht ein. Das ist ganz logisch, weil man eben die Leute verunsichert und ihnen Angst gemacht hat.

Was waren die Maßnahmen der Regierung? – Wir haben sie ja schon x-fach hier diskutiert: Alle Coronapakete kommen nicht an. (Abg. Kickl: Es sind eh immer die gleichen!) Sie kommen nicht in der Wirtschaft an, sie verfehlen ihre Wirkung. Die Milliardenbeträge, die Sie täglich erhöhen, kommen nicht dort an, wo sie ankommen müssen. Sie haben heute, Frau Minister, den Neustartbonus so lobend erwähnt. Ich sage Ihnen, er wird wieder nicht funktionieren und wieder nicht ankommen, weil er so kompliziert ist und vor allem der Gastronomie überhaupt nicht helfen kann.

Wenn ich mit meinem Betrieb in der Gastronomie wieder hochfahre und einen Mitarbeiter einstelle, was nutzt es mir dann, wenn er mir zu 20 Prozent, 40 Prozent oder 60 Prozent zur Verfügung steht und er den Rest vom AMS gezahlt bekommt? Ich brauche ihn ja zu 100 Prozent, ich brauche die Arbeitsleistung im Betrieb. Wie soll denn das funktionieren? Man hätte lieber dem AMS einen Zuschuss von 50 Prozent für den Einstieg in den Betrieb geben sollen. Das hätte dem Betrieb geholfen. Das wäre eine einfache Möglichkeit und hätte dem Betrieb wirklich geholfen, aber Sie verkomplizieren alles. Sie machen alles so komplex, Sie bauen einen Überverwaltungswust auf, sodass es wiederum nicht funktionieren kann.

Schauen wir uns jetzt die notwendigen Maßnahmen an, die wir Ihnen vorgeschlagen haben: Eigenkapitalstärkung bei den Unternehmen – nicht gelungen. Wir wissen, 20 Prozent der österreichischen Unternehmen haben negatives Eigenkapital, vor allem auch im Gastronomie- und Hotelleriebereich.

Konjunkturelle Maßnahmen: Wir haben es lange versucht. Es hat Gott sei Dank in einem Punkt funktioniert, und zwar beim kommunalen Investitionspaket. Wir haben zwar gestern schon im Ausschuss darüber diskutiert, dass es auch da Kriterien gibt, die aus meiner Sicht die Gefahr in sich bergen, dass es wieder nicht bei den Gemeinden und in der Wirtschaft ankommen wird. Darüber sollte man auch noch einmal nachdenken, ob man es nicht einfacher macht, damit es wirklich dort ankommt, wo es hin soll, nämlich zu den KMUs. Es geht nicht darum, dass die Gemeinden Geld kriegen, es geht darum, dass die KMUs in den Gemeinden Geld kriegen. Den Gemeinden muss man finanziell natürlich auch die Luft und die Möglichkeit geben, dass sie sich zwischenfinanzieren, damit sie dieses Geld auch aufbringen und Projekte finanzieren und in Projekte inves­tieren können.

Das Nächste ist die Anregung des privaten Konsums. Eine Erhöhung des Arbeits­losen­geldes für die Personen, die von der Krise betroffen sind, die ohne ihre Schuld ihren Job verloren haben, für die Zeit der Krise oder zumindest einmal bis ins nächste Jahr, macht einfach Sinn, weil diese Leute das Geld auch brauchen, weil sie es ausgeben würden und weil das wirtschaftliche Effekte hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe diese Tafel wieder hierhergestellt, die ich ja schon mehrfach aufgestellt habe. Vielleicht braucht gut Ding Weile, und sie zeigt dann auch irgendwann einmal Wirkung, und die ÖVP denkt darüber nach. Sie haben ja heute die Einmalzahlung so gelobt. Wir haben eine Einmalzahlung von 1 000 Euro für jeden Österreicher, vom Kind bis zum Greis, schon lange vorgeschlagen.

Die Dänen haben es uns nachgemacht oder es uns vorgemacht, sie haben es schon übernommen. Die Dänen zahlen 1 360 Euro pro Einwohner. Das macht bei 5,8 Millionen Menschen circa 8 Milliarden Euro. Das ist auch ungefähr der Beitrag, der in Österreich dafür auszugeben wäre, und dieses Geld als Gutschein würde eins zu eins in der Wirt­schaft ankommen.


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Diesen Gutschein darf man auch nicht verkomplizieren, denn so, wie es jetzt die Wiener SPÖ mit ihrem Gastronomiegutschein macht, wenn ich dann kein Bier trinken darf, sondern nur eine Limo oder ein Mineralwasser, ist es ein völliger Schwachsinn, muss man ehrlich sagen. Es kommt wieder nicht an, es wird auch wieder nicht in Anspruch genommen werden und kommt nicht in die Wirtschaft. Wichtig ist, dass das Geld jetzt in der Wirtschaft ankommt, dass wir die Wirtschaft ankurbeln und diese Rezession zumin­dest noch abschwächen.

Deshalb richte ich noch einmal meinen Appell an die ÖVP, endlich umzuschalten. Ent­weder macht ihr das bewusst, dann ist es wirklich bedenklich, oder ihr verlasst euch da auf Leute, die das einfach so verkomplizieren, und es passiert euch einfach. Ich verstehe es nicht! Ich verstehe diese Maßnahmen, die ihr setzt, nicht. Wir haben 50 Milliarden Euro zur Verfügung. Da hätte niemand ein Problem, wenn das ausgegeben wird, jeder hätte Verständnis dafür. Aber ihr tut es nicht! Ihr gebt es den Menschen nicht, ihr gebt es den Unternehmen nicht, ihr gebt es der Wirtschaft nicht! Das ist für mich nicht nach­vollziehbar, das ist völlig unverständlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb bringe ich noch einmal folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gut­schein“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden kön­nen.“

*****

In diesem Sinne danke ich und ersuche um Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

15.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Michael Schnedlitz, Dr. Dagmar Belakowitsch und weiterer Abgeordneter betreffend „Österreich-Gutschein“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlicher Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme) in der 36. Sitzung des Natio­nalrates, XXVII. GP, am 17. Juni 2020

Die Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der Coronakrise führen zu einer his­torischen Wirtschaftskrise.

Mehr als 1,8 Millionen Menschen haben ihre Arbeit verloren oder haben durch die Kurz­arbeit deutliche weniger Einkommen. Zigtausende Wirtschaftstreibende haben ebenfalls ihre Einkommensgrundlage verloren. Und mit all diesen Menschen auch ihre Familien!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 153

Die österreichische Wirtschaft ist am Boden, zigtausende Betriebe wurden zwangs­geschlossen. Ob viele Betriebe, Gastronomiebetriebe, Touristiker, Handwerker, aber auch Dienstleister die Corona-Maßnahmen der Regierung wirtschaftlich überleben, darf angezweifelt werden. Dass die Auftragslage plötzlich wieder in die Höhe schießt, ist unwahrscheinlich. Sämtliche Wirtschaftsforscher prognostizieren eine schwere Rezes­sion. Hand in Hand mit einer drohenden gigantischen Pleitewelle geht der Konsum­schock.

Die österreichischen Familien und die heimischen Wirtschaftstreibenden haben nichts von Versprechungen. Von Hoffnung allein können sie nicht leben, sie brauchen jetzt konkrete Hilfe und Sicherheit.

Wenn wir die massive Pleitewellen abfedern wollen und die Kaufkraft stärken, braucht es schnelle Maßnahmen, die möglichst viele Menschen erreichen und besonders schnell die Kaufkraft österreichischer Familien stärken. Jeder Österreicher und jede Öster­reicherin – etwa 7,4 Millionen Menschen – soll völlig unabhängig vom Alter einen soge­nannten Österreich-Gutschein in der Höhe von 1.000.- Euro erhalten. Für eine vier­köpfige Familie sind das 4.000.- Euro.

Von dieser unbürokratischen Soforthilfe für österreichische Familien und heimische Betriebe in Höhe von rund 7,4 Mrd. Euro, die Arbeitsplätze sichert, die Wirtschaft ankurbelt und somit natürlich indirekt auch dem Sozialsystem zugutekommt, fließen rund 2,5 Mrd. Euro direkt in Form von Steuereinnahmen zurück in den Bundeshaushalt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nach-ste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischen Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2020 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden kön­nen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte.


15.37.39

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Minis­terinnen! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs schon ein paar Bemerkungen zu diesem Dringlichen Antrag machen: Wir sind es ja von der FPÖ gewohnt, dass, wenn man bis zum Hals im Skandalsumpf steckt, einmal wild um sich geschlagen wird. (Abg. Vogl: Die ÖVP nicht! – Abg. Kassegger: Die Schwarzen sind super sauber!) Frau Kollegin Belakowitsch hat das wieder einmal eindrucksvoll hier am Rednerpult bewiesen. Ich weise nur ganz entschieden zurück, einen Vergleich der Bundesregierung mit den Dreißigerjahren herzustellen. Frau Kolle­gin Belakowitsch, das ist völlig inakzeptabel! Wenn Sie das tun, dann können Sie es bei einem Parteitag der FPÖ tun, denn dort haben Sie wenigstens noch welche sitzen, die von dieser Zeit noch etwas halten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir sind das


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jedenfalls nicht! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Hafenecker: Warum hängt dann der Dollfuß noch bei euch im Klub? – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zum Zweiten: Sie kritisieren nach wie vor den Lockdown. Im Übrigen halte ich es für eine Ärztin für völlig unangebracht, wenn man von Leichenbergen spricht. An und für sich wäre es besser, glaube ich – gerade wenn man als Ärztin einen Beruf im Gesundheits­bereich ausübt –, dass man auch eine andere Wortwahl trifft. Aber Sie waren es mit Klubobmann Kickl, die am 13. März dieses Jahres den völligen Lockdown für Österreich eingefordert haben. (Abg. Kickl: Sie haben schon wieder nicht zugehört!) Das ist durch eine OTS-Aussendung der Freiheitlichen Partei nachweisbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Jetzt stellen Sie sich seit Wochen her und kritisieren diese Maßnahme.

Das ist der Zustand dieser Partei, den wir hier erleben. Wir können nichts dafür, dass Ihre Parteispitze im vorigen Jahr auf Ibiza war. Das hat auch dazu geführt, dass neu gewählt werden musste, aber damit müssen Sie leben und nicht ganz Österreich, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Zum Dritten: Sie legen uns einen Dringlichen Antrag vor, über den man ja durchaus diskutieren kann. Kollege Angerer hat wenigstens einen sachlichen Beitrag abgegeben; darüber kann man ja diskutieren, Sie (in Richtung Abg. Belakowitsch) aber haben erst in der 14. Minute Ihrer Begründung das Wort Arbeitslosigkeit überhaupt erwähnt. Ich würde Sie ersuchen, Frau Kollegin, wenn Sie einen Dringlichen Antrag einbringen – was ja gut und richtig ist, und das Thema ist diskussionswürdig, keine Frage –, etwas früher Bezug auf Ihren eigenen Antrag, den Sie hier mit Ihren Kollegen einbringen (Zwischenrufe bei der FPÖ), zu nehmen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), denn sonst führen wir auch dieses Instrument schön langsam ad absurdum. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kickl.)

Weiters: Wir sollten uns eigentlich schon einig sein, dass es sich hierbei um eine welt­weite Pandemie handelt – eine Pandemie! –, und daraus folgend haben wir die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. (Abg. Stöger: ... eure eigene Regierung! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Na ja, ich weiß nicht, in den sozialdemokratisch geführten Ländern reden sie auch von einer Pandemie, lieber Lois. Vielleicht fährst du einmal ein bissl herum in Europa und besuchst deine Genossinnen und Genossen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es gibt jedenfalls in Europa genügend Staatsverantwortliche, die der Sozialdemokratie ange­hören, die auch von einer Pandemie sprechen und bestätigen, dass wir es jetzt infolge der Pandemie mit einer weltweiten Wirtschaftskrise zu tun haben, die die größte seit dem Zweiten Weltkrieg ist.

Das ist natürlich eine gewaltige Herausforderung (Abg. Belakowitsch: Na dann machts endlich was!) für die politisch Verantwortlichen in jedem Land. Ich sage es noch einmal – und ich habe es schon oft von diesem Rednerpult aus gesagt (Zwischenruf des Abg. Leichtfried: Ich bin stolz, dass ich in diesem Land leben darf, weil Österreich bis jetzt besser durch die Krise gekommen ist als viele andere Länder. (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja gar nicht! – Abg. Leichtfried: Ja, aber die Arbeitslosen ... ! – Ruf bei der SPÖ: Ihr tut gar nichts, das ist das Problem! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Mir sind weniger Tote wichtiger als das, dass ich erklären muss, dass wir noch um Geduld ersuchen, wenn die Unterstützungszahlung vielleicht noch nicht angekommen ist. Mir ist es wichtiger, dass wir die Menschen in diesem Land geschützt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben uns mit den Folgewirkungen auseinanderzusetzen, und wir tun das. Wir tun das seit über drei Monaten, hier im Parlament, im Nationalrat, im Bundesrat, und


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natürlich auch die Bundesregierung tut das. Ich sage eines ganz klar und deutlich: Ich stehe nicht an, mich bei der gesamten Bundesregierung zu bedanken. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Also so weit sind wir! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Das aber ist euer Problem! Ihr müsstet halt einmal zu den Leuten gehen, denn dann würdet ihr hören, dass die Bevölkerung auch stolz auf diese Bundesregierung ist, weil wir bis jetzt gut durch diese Krise gekommen sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Das würde euch nicht schaden. Ihr habt ohnedies gefordert, dass man wieder fortgehen darf, also solltet ihr das auch tun! Wir jedenfalls kommen dem nach. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Natürlich gibt es viele Menschen – und ich komme jetzt zum Thema –, die arbeitslos geworden sind. Ihnen gebühren natürlich unser Respekt und unsere Anerkennung (Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ), weil das schwierige Situationen für diese Menschen sind, vor allem für jene, die jetzt aufgrund dieser Wirtschaftskrise in die Arbeitslosigkeit ge­kommen sind. Bevor ich zu den Arbeitslosenzahlen und zum Arbeitslosengeld komme, möchte ich die Kurzarbeit erwähnen.

Frau Bundesministerin, Sie haben gesagt, 1,1 Millionen Menschen sind jetzt noch in Kurzarbeit. In der Höchstphase der Krise haben wir über 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit gezählt. Gott sei Dank gibt es jetzt viele Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch wieder zurückholen, und ich sage ganz klar und deutlich: Dieses österreichische Kurzarbeitsmodell, das von den Sozialpartnern ausgearbeitet wurde, ist das beste Modell, das wir in ganz Europa finden. (Abg. Schellhorn: Na servas Gschäft! Und wie ist das in der Schweiz?!) Warum? – Weil es den Menschen, den Arbeit­neh­merinnen und Arbeitnehmern, das Einkommen in einer Höhe von 80 bis 90 Prozent sichert, sie bei den Unternehmen angestellt bleiben (Zwischenrufe bei der FPÖ), und sich die Unternehmer darauf verlassen können, dass sie, sobald sie die Arbeitneh­merin­nen und Arbeitnehmer wieder brauchen, weil wieder hochgefahren werden kann, diese auch wieder haben.

Es gibt überall Mängel, und wir sind wirklich auch dahinter – auch durch die Finanz­polizei –, dass Missbrauch eingedämmt wird. Es ist leider so: Es gibt überall, wo es gute Modelle gibt, auch Einzelne, die versuchen, das auszunutzen, beim Großteil aber funk­tioniert es sehr gut. Die Abrechnungen laufen auf Hochtouren, und dieses Kurzar­beitsmodell sucht auf der ganzen Welt seinesgleichen. Es ist ein Topmodell, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun zum Arbeitslosengeld und zur Notstandshilfe, zu den Fakten: Es gibt aktuell 481 000 Arbeitslose, 46 000 davon in Schulung. (Abg. Leichtfried: Das haben wir schon einmal gehört ... !) – Ja, ich sage es noch einmal, lieber Kollege Jörg Leichtfried, es schadet ja nichts! Es gibt jetzt um 107 000 Arbeitslose weniger, als es Mitte April waren. Das heißt, dass auch die Maßnahmen im AMS greifen (Ruf bei der FPÖ: Na wartet, bis der Bumerang kommt!), denn sonst hätten wir jetzt nicht über 100 000 Arbeitslose weniger, als wir Mitte April gehabt haben.

Worauf ich Wert lege, ist, dass wir unser Arbeitslosengeld etwas näher anschauen. Es ist zu wenig, wenn man nur den Prozentsatz bewertet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Rendi-Wagner.) Man muss sich das gesamte System anschauen, und da das Geld bekanntlich kein Mascherl hat, kommt es darauf an, was einer Person, einer Familie, die von Arbeitslosigkeit betroffen ist, letzten Endes wirklich zur Verfügung steht. Wir haben Familienzuschläge und Ergänzungsbeiträge, wobei die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld bei niedrigen Einkommen bis zu 80 Prozent beträgt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bringe ein Beispiel: Beide Elternteile haben 1 500 Euro brutto verdient – Mindestlohn bei uns in Österreich –; Nettoeinkommen mit zwei Kindern inklusive Familienbonus:


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2 546 Euro; Familienbeihilfe plus Absetzbetrag: 406,90 Euro; anteilige Sonderzahlun­gen: 415 Euro. Das ist ein Bruttogehalt von 3 368 Euro netto im Monat.

Arbeitslosengeld: 1 918 Euro inklusive Familienzuschläge; Familienbeihilfe: 406,90 Euro; dazu kommen Befreiungen wie die Ökostrompauschale von 36 Euro – sie wurde abge­senkt – und Zuschüsse. Letzten Endes kommen wir auch da - - (Rufe bei der SPÖ: Was erklärst du da?! Jetzt kennst du dich selbst nicht mehr aus!) – Das sind Zuschüsse, die es für Menschen gibt, die sich in dieser Situation befinden, und wir müssen doch auch diese Beträge werten. Genau deshalb haben wir ein breit ausgebautes Sozialsystem in Österreich, durch das wir mit Transferleistungen, mit Sozialunterstützungen diesen betroffenen Menschen helfen.

Diese Familie kommt auf 2 546 Euro im Monat, das sind 76 Prozent (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) sozusagen Nettoersatzrate, wenn man diese Leistungen dazuzählt. Das sind nicht 55 Prozent, sondern 76 Prozent. Ich ersuche nur, dass man alles in dieses Arbeitslosengeld mit hineinrechnet, weil Österreich eine andere Berechnungs­methode hat (Zwischenrufe bei der SPÖ) als viele andere Länder in Europa. Das muss man auch mitbewerten, meine Damen und Herren. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Viele europäische Länder haben eine höhere Nettoersatzrate, senken diese aber rasch ab. Wir haben die Notstandshilfe. Sie ist in Österreich unbefristet, das ist einzigartig in ganz Europa. Jetzt gibt es die 450-Euro-Einmalzahlung, das ist ein Nettobetrag, und für Kinder gibt es 360 Euro. So helfen wir den Menschen, die in Not geraten sind. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

15.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Muchitsch ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.48.55

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Wir behandeln jetzt einen Dringlichen Antrag der FPÖ. Es ist inhaltlich genau der gleiche Antrag, den wir seit 3. April bereits fünf Mal eingebracht haben. Unser Antrag liegt im Sozialausschuss, er ist vertagt worden. Er ist vier Mal abgelehnt und einmal vertagt worden. Wir haben heute die Gelegenheit, das noch einmal zu dis­kutie­ren, und werden unserem Antrag, den ihr übernommen habt, heute auch zustim­men.

Interessanterweise gibt es einen ähnlichen Antrag der Grünen im Wiener Landtag, eingebracht am 26. Mai, der, wie wir es als SPÖ fordern, ebenfalls eine Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 70 Prozent beinhaltet und in dem die Frau Arbeitsministerin aufgefordert wird, in Gespräche einzutreten.

Jetzt sind sich eigentlich alle einig, auch die Ökonomen in diesem Land, sowohl die Experten des IHS als auch des Wifo: Eine befristete Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist sinnvoll, weil sie Armut bekämpft und weil dadurch die Kaufkraft gestärkt wird. – Jetzt kommt überraschend dieser Vorschlag der Bundesregierung, die Grünen und die ÖVP sagen: einmalig 450 Euro. Ich kenne viele Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind und monatelang in Arbeitslosigkeit verbleiben müssen, die zu diesem Vorschlag der Bundesregierung für eine Einmalzahlung von 450 Euro völlig zu Recht sagen: Das ist einfach unwürdig und nichts anderes als eine Alibiaktion.


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Es tut mir ein bisschen weh, weil ich dabei die soziale Handschrift der Grünen vermisse. Gerade ihr, die Grünen, wart immer diejenigen, die auf eine Erhöhung in wirtschaftlich guten Zeiten gedrängt haben. Jetzt diesen Antrag und die einmalige Zahlung von 450 Euro so mitzutragen ist einfach nicht menschenwürdig. Das hilft den Betroffenen nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir brauchen, ist eine monatliche Erhöhung des Arbeitslosengeldes, damit wir die finanziellen Belastungen, die diese Menschen unverschuldet zu tragen haben, dem­entsprechend leichter abfedern können.

Es war vorgestern in der „ZIB 2“ ein bisschen befremdlich, als sich der Bundeskanzler im Interview bei Armin Wolf mit dem Thema Arbeitslosigkeit auseinandergesetzt und gesagt hat: Es „ist unser Ziel, dass wir die Menschen möglichst schnell wieder in Arbeit bringen und nicht zu viele Menschen zu lange in der Arbeitslosigkeit haben.“ Das ist unser aller Ziel.

Wenn aber hier die Zahlen auf den Tisch gelegt werden – wie von dir, August Wöginger – und gesagt wird, es gibt 480 000 Arbeit suchende Menschen, die nicht arbeitslos sein wollen wie es manche von euch behaupten sondern arbeiten wollen (Zwischenruf bei der ÖVP Zwischenruf des Abg. Leichtfried), und wenn es für diese 480 000 be­troffenen Menschen nur 57 000 offene Jobs gibt, dann ist klar: Viele, viele werden es nicht schaffen, in den nächsten Monaten einen Job zu bekommen. Viele, viele werden es nicht schaffen. Genau für diese Menschen, die es nicht schaffen, einen Job zu bekommen, braucht es diese monatliche Abfederung. Aus diesem Grund ist unser An­trag, der Antrag der SPÖ, der genau das fordert, der richtige, und ich appelliere an die ÖVP, noch einmal nachzudenken. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich von einigen Abgeordneten aus diesem Hohen Haus, aus den Regierungs­par­teien, aus dieser Hälfte (in Richtung ÖVP), in Ausschüssen höre, diese Arbeit suchenden Menschen seien Tachinierer und die wollen nicht, dann ist das auf das Schärfste zurückzuweisen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Tanja Graf: Wer hat das gesagt? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, niemand in diesem Land will arbeitslos sein und ein durchschnittliches Arbeitslosengeld von 900 Euro beziehen, im Wissen, dass diese Arbeitslosigkeit noch lange dauern wird. Was uns ein bisschen betrübt, ist, dass Sie offenbar nicht mit diesen betroffenen Menschen reden. (Abg. Haubner: Unwahrheit!) Reden Sie mit diesen Menschen, die jetzt arbeitslos geworden sind! Reden Sie darüber, wie es ihnen geht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen!

Wenn wir dann parallel dazu feststellen müssen, dass gerade in einer Krise nicht für alle Betroffenen in diesem Land mit gleichem Maß gemessen wird, Sie Pensionen für die Bauern – denen wir das gönnen, aber bitte behandeln Sie auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleich! erhöhen, wenn Sie gleichzeitig deutschen Aktionären be­treffend Lufthansa österreichische Steuermittel in der Höhe von 450 Millionen Euro zusagen und den Arbeitslosen in Österreich 450 Euro zusagen – 450 Euro pro betrof­fenem Arbeitslosen, 450 Millionen für die deutsche Lufthansa, da sind übrigens wieder sechs Nullen dazwischen –, dann passt das einfach nicht zusammen. Das passt nicht zusammen, da ist der Unterschied einfach zu groß, da messen Sie nicht mit gleichem Maß. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Arbeitsministerin, also unser Angebot, für Gespräche zur Verfügung zu stehen, steht immer. Du hast in deinem Redebeitrag gesagt, gemeinsam müssen wir das schaffen. Warum suchen wir nicht gemeinsam eine Lösung für jene Menschen, die jetzt unverschuldet arbeitslos geworden sind? Dieser Vorschlag mit 450 Euro ist


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unwürdig, ist eine Alibiaktion und kann aus keiner Sicht und von keinem aus unseren Reihen unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.


15.55.41

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen vor den Bildschirmen! 480 000 Ar­beitslose, das ist eine enorme Zahl, das sind sehr viele. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Auch wenn die Arbeitslosigkeit erfreulicherweise seit Mitte April zurückgegangen ist, sind wir mit einer Zahl konfrontiert, die so schnell nicht zurückgehen wird. Da brauchen wir uns keinen Illusionen hinzugeben, die Arbeitslosigkeit wird anhaltend hoch bleiben (Zwischenruf des Abg. Wurm), und daraus ergeben sich die Aufgaben der Politik.

Die aktuellen Aufgaben der Politik mitten in der Krise sind einerseits alles zu tun, um Beschäftigung bestmöglich zu sichern, zu erhalten und damit Einkommen zu sichern und zu erhalten. Dafür wurde jetzt die Coronakurzarbeit für weitere drei Monate verlängert und es wird auch nach dieser Coronakurzarbeit weitere Kurzarbeitsmodelle brauchen. Die Sozialpartner werden sich auch demnächst zusammensetzen und darüber dis­kutieren, wie auch noch in den nächsten Monaten Arbeit bestmöglich gesichert werden kann.

Da gehört andererseits dazu, wieder Beschäftigung zu schaffen und Maßnahmen zu setzen, die Beschäftigung fördern und möglichst viele Menschen wieder in gut bezahlte, sozial- und arbeitsrechtlich bestmöglich abgesicherte Arbeit zu bringen. Dafür braucht es eben die entsprechenden Konjunkturpakete. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dafür braucht es auch die entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, wie sie heute in der Früh auch Markus Marterbauer eingefordert hat.

Von da drüben (in Richtung SPÖ) wird gleich die Frage danach kommen: Natürlich werden die Maßnahmen kommen, das ist keine Frage. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja wo sind die?) Werner Kogler hat gestern in der „ZIB 2“ bereits angekündigt, dass die kommen werden und dass wir diese arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen natürlich auch mit den Sozialpartnern, sprich mit Gewerkschaften, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und allen anderen wesentlichen Stakeholdern in diesen Bereichen, bearbeiten und verhandeln werden, denn ein wesentlicher Punkt ist für uns, diese Form von Zu­sammenarbeit und Kooperation auch weiter zu pflegen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Weiß das Wöginger auch?) – Bitte? (Abg. Leichtfried: Weiß das Wöginger auch?) – Na selbstverständlich weiß es Wöginger, kein Problem. (Zwischenruf bei der ÖVP. Heiterkeit des Abg. Wöginger.)

So, und jetzt haben wir als letzten Punkt, dass natürlich die Menschen, die in Arbeits­losigkeit sind, ein Recht darauf haben, bestmöglich abgesichert zu sein, ein Recht darauf haben, jede Form von Unterstützung und Hilfe zu bekommen, und ein Recht darauf haben, Perspektiven geboten zu bekommen. (Abg. Kickl: Es gibt keinen TOP, wo die nicht ...! ... Salto mortale!)

Jetzt wurde ein Paket geschnürt, das sicher auch diskutiert werden muss, über das auch gestritten werden kann. In diesem Paket wurde von der Regierung auch eine Maßnahme beschlossen, dass das Arbeitslosengeld um 450 Euro erhöht wird. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Vogl. Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer rechnen kann, weiß, dass das, wo ein Plus davorsteht, eine Erhöhung und keine Re­duktion ist. Ja, die einmalige Erhöhung von 450 Euro (Abg. Kassegger: Ist nicht so üppig!), das gebe ich ganz offen und ehrlich zu, ist für uns nicht das Ende, der Plafond


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ist nicht erreicht, aber es ist ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, es ist die erste Erhöhung des Arbeitslosengeldes seit Jahrzehnten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wenn ich dann in den sozialen Medien lese, was so manche politische Parteien oder politische Funktionsträger dazu meinen! Da ist von Verhöhnung, Frotzelei (Abg. Belakowitsch: Ist es ja! – Abg. Kickl: Das geht vom Öllinger ...!) und Zynismus die Rede. Von einem Abgeordneten wurden wir sogar Verbrecher genannt, weil wir diese Erhöhung durchführen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, das war so.

Da frage ich mich: Wenn das, was wir gemacht haben, nämlich diese Erhöhung, eine Frotzelei, ein Zynismus, ein Hohn ist, was war dann bitte die letzten Jahrzehnte? Da war, egal ob gerade schwarze, blaue oder rote Minister im Arbeitsministerium und im So­zialministerium gesessen sind, die Erhöhung des Arbeitslosengeldes nie ein Thema! (Ruf bei der FPÖ: Die interessieren uns nicht! Uns interessieren die letzten Monate! – Abg. Heinisch-Hosek: ... jetzt!) – Ich weiß, das hören Sie nicht gerne, aber es ist leider so. Man muss sich der Vergangenheit stellen, um für die Zukunft zu lernen. Es führt kein Weg daran vorbei. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Aber es ist schon ..., was passiert!)

Die Frage ist: Warum war das nie Thema? Warum wurden in den letzten Jahrzehnten ständig Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft? Warum wurden – ich rede insbe­son­dere vom Arbeitslosengeld – die Sanktionen verschärft? Welche Minister und welche Ministerinnen waren das? (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Ich sage ganz ehrlich: Obwohl mir und uns allen klar ist, dass das allein als Maßnahme nicht reichen wird, freut es mich doch, dass wir mit dieser Regierung diesen Schritt gegangen sind, einen Schritt, den weder die SPÖ noch die FPÖ gemacht haben.

Im Gegenteil: Was ich sehr amüsant finde, ist, dass die FPÖ heute daherkommt und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes fordert (Abg. Belakowitsch: ... Arbeitslosen!), die gleiche FPÖ, die noch vor Kurzem die Notstandshilfe abschaffen wollte, die gleiche FPÖ, die die Mindestsicherung für die Ärmsten in diesem Land radikal gekürzt hat, die gleiche FPÖ (Abg. Heinisch-Hosek: Was?) – in der Regierung, ja –, die in Wirklichkeit ein Zweiklassensystem in der Arbeitslosenversicherung schaffen will, ein System für ausländische Arbeitslose und ein anderes System für inländische Arbeitslose. (Abg. Kickl: Sie sind ja schon ganz schwindlig vor lauter Verrenkungen!)

Lesen Sie das „Handbuch freiheitlicher Politik“, da steht das alles drinnen. Wenn Sie hier herauskommen und sagen - - (Zwischenruf des Abg. Deimek. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Lernen Sie lesen, in Ihren Büchern steht es! Aber dass Sie das „Handbuch freiheitlicher Politik“ nicht lesen, verstehe ich, denn es ist schwer auszuhalten. (Abg. Deimek: Lernen Sie ...!)

Es ist auf jeden Fall so, dass wir erstmals seit Jahrzehnten das Arbeitslosengeld erhöhen. Wir werden aber nicht dabei stehen bleiben können, das wissen wir ganz genau. Wenn jemand sagt: Es ist Hohn, es ist Verhöhnung, es ist Zynismus! (Abg. Kickl: Kriegen Sie eigentlich ein Schmerzensgeld für diese Performance?), sage ich: Es ist Hilfe. Es ist direkte Hilfe für die unmittelbar von Arbeitslosigkeit Betroffenen, es ist unmittelbare Hilfe für Menschen, die Notstandshilfe erhalten, es ist unmittelbare Hilfe für Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen, Notstandshilfe beziehen und die Mindest­sicherung aufstocken. Für all die wird es diese Form der Erhöhung geben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es braucht aber, wie gesagt, mehr, das hat auch Werner Kogler gestern gesagt. Für uns Grüne ist die Debatte nicht zu Ende, wenn es um die Frage der Erhöhung des Arbeits-


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losengelds (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und einer besseren sozialen Absiche­rung von arbeitslosen Menschen geht. Wir werden entsprechende Arbeitsmarktpakete verhandeln, und da wird das Arbeitslosengeld wieder ein Teil sein. Wir werden im Herbst entsprechende Maßnahmen und Schritte setzen, ja setzen müssen. (Abg. Schellhorn: ... viel Spaß!)

Zum Abschluss: Menschen, die Arbeit suchen, Menschen, die arbeitslos sind, brauchen Unterstützung statt Sanktionen, sie brauchen Perspektiven statt Strafen, und sie brauchen gute Arbeit statt prekärer Jobs. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Yılmaz.) Dafür werden wir uns weiter einsetzen und dafür werden wir auch in Zukunft stehen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.04.18

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Es ist natürlich der Job der Frau Ministerin und des Herrn Klubobmann Wöginger, zu sagen, dass alles super ist. Da mache ich der Frau Ministerin auch keinen Vorwurf, denn das wurde ihr so vorgegeben.

Herrn Wöginger wurde es nicht so vorgegeben beziehungsweise hat er sich, glaube ich, in der Fahrt, in der er gerade war, nicht genau an das Skript gehalten. – Also mache ich es dir ein bisschen mehr zum Vorwurf, Kollege Wöginger. (Heiterkeit bei NEOS und FPÖ. – Abg. Wöginger: Hast du eines?)

Es ist nämlich nicht alles so super. Blickt man auf die Zahlen von Mai und vergleicht die deutschen, die Schweizer und die österreichischen Zahlen (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), dann muss man halt sagen: In Deutschland ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gestiegen, in der Schweiz um 53 Prozent und in Österreich um 69,7 Prozent. Es ist also nicht alles so super, wie Sie es da beschreiben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Jetzt bringen die Freiheitlichen den Antrag ein und sagen: Wir wollen 70 Prozent Arbeitslosengeld, nämlich 70 Prozent vom Netto und nicht, wie bisher, 55 Prozent. Das hat 2009 der damalige Sozialsprecher der Grünen, Öllinger, gefordert. Die Grünen haben sich jetzt von dieser Forderung gelöst, und der damalige Sozialminister Hundstorfer hat 2009 gesagt: Das werden wir noch in dieser Legislaturperiode machen. – Irgend­etwas ist zwischenzeitlich seit 2009 verloren gegangen (Abg. Stöger: Öllinger! – Heiter­keit bei der SPÖ), und jetzt haben sich die Meinungen dahin gehend geändert. (Zwi­schenruf des Abg. Wurm.)

Nun kann man aber auch schauen, wie andere Länder das lösen und was heute international beim Arbeitslosengeld State of the Art ist. Da wird man fairerweise sagen müssen, in vielen Ländern ist am Beginn der Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld durchaus höher, als es jetzt bei uns in Österreich ist, aber – und das ist in Österreich nicht der Fall – es sinkt im Zeitverlauf. Jemand, der kurz arbeitslos wird – und das kann einfach jedem passieren, dass er seinen Job verliert, sei es, weil im Betrieb etwas nicht passt, sei es, weil es wirtschaftlich nicht läuft, das kommt im Leben leider vor –, wird in diesen Ländern stark abgefangen, aber Menschen, die lange arbeitslos sind, müssen in Kauf nehmen, dass die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung sinkt.

Das haben wir in Österreich nicht. Die Notstandshilfe ist so gut wie gleich hoch wie das Arbeitslosengeld und ist zeitlich nicht befristet. Diese zeitlich unbegrenzte Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gibt es in der ganzen EU nur in zwei Ländern, nämlich in


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Belgien und in Österreich. Insofern ist das System, das wir haben, ein sehr großzügiges. Ich glaube, da muss man einfach beide Seiten sehen.

Wir hätten aber gerne eine Angleichung an das internationale System, nämlich am Beginn höher und im Zeitverlauf sinkend. Daher bringe ich nachstehenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zeitliche Staffelung des Arbeitslosengeldes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine umfassende Reform von monetären Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vorsieht. Dabei sollen Arbeits­losengeld und Notstandshilfe in ein System zusammengeführt werden, in welchem die Ersatzrate am Beginn einer Arbeitslosigkeit höher sein und im zeitlichen Verlauf kontinuierlich reduziert werden soll. Zudem ist eine zeitliche Begrenzung dieser Leistung aus der Arbeitslosenversicherung vorzusehen.“

*****

Dann zu den Maßnahmen, die unter anderem auch Kollege Koza so gepriesen hat, zu diesen 450 Euro Einmalzahlung: Die kriegt man jetzt, wenn man von Juli bis September einen zweimonatigen Zeitraum der Arbeitslosigkeit hat. Wann haben in der Coronakrise die Arbeiter ihren Job verloren? – Ziemlich gleich, noch im März oder im April. Arbeiter haben kürzere Kündigungsfristen, da wird schnell aufgeräumt. Die kriegen es nicht. Wenn jemand in der Zwischenzeit wieder einen Job gefunden hat, bekommt er diese 450 Euro nicht, obwohl er im März, im April, im Mai und vielleicht auch im Juni arbeitslos war. Angestellte mit Kündigungstermin zum Quartalsende, zum Beispiel 30.6., haben eine höhere Chance, dieses Geld zu bekommen.

Überlegen Sie: Wer wählt wen? Wen wählen die Arbeiter und wen wählen eher die Angestellten? Dann wissen Sie auch, warum die ÖVP das so regelt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die machen das gezielt, ziehen diese Grünen über den Tisch, und die glauben, die Reibungswärme wäre Nestwärme. So schaut es aus. (Allgemeine Heiter­keit. – Beifall bei NEOS und FPÖ sowie der Abg. Yılmaz.)

Die Ärmsten im ganzen Spiel sind die Mitarbeiter im AMS, denn die erfahren von diesen Vorschlagsblumensträußen aus den Medien. Ihre Klienten im AMS fragen, wie das funktioniert, und der redliche Mitarbeiter dort muss sagen: Ich weiß es nicht, das hat die Ministerin im Fernsehen gesagt, wir wissen auch nicht mehr. – Und das passiert denen die ganze Zeit.

Die Mitarbeiter im AMS werden von den Klienten noch ihre Watschen kassieren, zu Unrecht, und ich sage Ihnen, warum: Jetzt ist einer im Juli und im August arbeitslos und kriegt im September wieder einen Job, weil eben in der Herbstsaison das eine oder andere Geschäft wieder Leute aufnimmt. Dann wird er der Meinung sein: Ich war zwei Monate arbeitslos, ich kriege 450 Euro. Er wird sie aber in vielen Fällen nicht kriegen, denn wenn er vom alten Job noch einen Urlaubstag offen gehabt hat, der ihm nach­gezahlt wird, verlängert das seine Versicherung in den Juli hinein, und dann waren es nicht zwei volle Monate und er kriegt die 450 Euro nicht. Und wer muss ihm das erklären? – Nicht die Frau Minister, nicht Klubobmann Wöginger, sondern der arme Mitarbeiter des AMS muss ihm erklären, dass er das Geld, das Sie ihm in vielen


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Pressekonferenzen versprochen haben, nicht bekommt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann muss man auch noch überlegen, welchen Anreiz man setzt. Es könnte natürlich auch sein, dass die Leute – die sind ja schlau – optimieren. Es könnte auch sein, dass einer einen Job bekommen hat, bei dem er am 20. August anfangen könnte, und er merkt: Ah, wenn ich mit dem neuen Chef rede, und frage, ob ich nicht ein bisschen später anfangen kann, dann komme ich über die zwei Monate und kann diese 450 Euro noch lukrieren. – Man setzt so also sogar einen Anreiz, zu verhandeln, eventuell noch 14 Tage länger arbeitslos zu sein, und das kann nicht im Sinne der Maßnahmen sein. Das ist aber das, wie Sie es konzipiert haben, und da sieht man, dass in dieser Regierung Leute sitzen, die vom Arbeitsmarkt einfach Nüsse Ahnung haben. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dann noch zu diesem Neustartbonus: Ich weiß, das ist ein Liebkind der Regierung. Es ist ein Bonus, es ist neu und es ist ein Start – das sind drei Wörter, die alle super klingen, also muss es ganz toll sein. Aber: Da wird man gefördert, wenn man Teilzeit arbeitet; also wer Vollzeit arbeitet, kriegt nichts, und wenn man 50 Prozent arbeitet, kriegt man diese Förderung und wird auf 80 Prozent aufgestockt.

Wer wird freiwillig 80 Prozent arbeiten, wenn man auch 50 Prozent arbeiten und gleich­zeitig 80 Prozent verdienen kann? Das ist der falsche Anreiz. Sie verstehen nicht, dass die Leute optimieren und wie sie denken. Sie setzen einen Anreiz, in Teilzeit zu arbeiten, und wir wissen, was Teilzeitarbeit langfristig auslöst. Wir haben zum Beispiel Probleme bei den Pensionsleistungen für die Frauen, weil zu viele Anreize gesetzt werden, dass sie in Teilzeit arbeiten. Und was machen Sie? Sie setzen noch einen Anreiz, in Teilzeit zu arbeiten, und das ist der Fehler. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dann kommt noch dazu, dass Sie jetzt Maßnahmen wie die Kurzarbeit setzen, die ihre Verdienste, aber auch ihre Abrisskanten hat. Sie setzen mit den 450 Euro Maßnahmen, die irgendwie versuchen, am Bewahrenden herumzuarbeiten. Was Sie aber nicht tun, ist, nach vorne zu schauen, auf das Entstehende. Krisen beschleunigen Veränderungs­prozesse, und so wird diese Krise zum Beispiel auch die Digitalisierung und die Verän­derung in der Arbeitswelt beschleunigen, und dann muss man hergehen und qualifizie­ren, in die Leute investieren. Und was machen Sie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik? – In Wirklichkeit nichts, die Budgetmittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind sogar gesenkt worden, und das ist das Gegenteil dessen, was wir aktuell brauchen würden. Die Maßnahmen gehen eins zu eins an dem vorbei, was der Arbeitsmarkt heute brauchen würde. (Beifall und Bravoruf bei den NEOS.)

16.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend zeitliche Staffelung des Arbeitslosengeldes

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrats über Dringlicher Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR betreffend Erhöhung der Netto­ersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19- Maßnahme)

Die wirtschaftlichen und technischen Veränderungen haben zu einer Veränderung eines sozialpolitischen Paradigmas in Europa geführt. In modernen Politikkonzeptionen werden die Elemente aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik nicht als getrennte Sys­teme verstanden, sondern vielmehr als interagierende Mechanismen (Hemerick 2017).


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Eine Reform der Arbeitsmarktpolitik muss immer Maßnahmen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik umfassen, um zu einem nachhaltigen und ausbalancierten Ergebnis zu kommen. Die Ausgestaltung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist eine zentrale Frage, wenn es darum geht, Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, einerseits angemessen sozial abzusichern, andererseits diese Personen auch wieder rasch in Beschäftigung zu bringen und die Dauer der Arbeitslosigkeit kurz zu halten.

Ziel ist es, den Versicherten Werkzeuge in die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Das bedeutet, dass die Zeiten von Arbeitslosigkeit möglichst kurz sein sollten, um die negativen sozialen Folgen, aber auch die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen der Betrof­fenen zu reduzieren. Gerade im Hinblick auf die Dauer der Leistungen der Arbeitslosen­versicherung ergibt sich für Österreich ein interessantes Bild: Ein europäischer Vergleich zeigt (siehe Grafik 1), dass die österreichische Ausgestaltung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht den europäischen Standards und vor allem nicht ökonomisch sinnvollen Konzepten entspricht.

Gerade die dauerhaft auf gleichem bzw. kaum verändertem Niveau bezahlte Leistung führt langfristig dazu, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht mehr mit dem Reservationslohn der betroffenen Person zusammenpasst. Im Laufe einer Arbeitslosig­keit nimmt nämlich der Reservationslohn aufgrund langsamer Dequalifizierung ab. Das bedeutet, es sinkt für eine arbeitssuchende Person im zeitlichen Verlauf die Höhe jenes Lohnes, den sie potenziell am Arbeitsmarkt erwirtschaften könnte. Dieser Tatsache wird in der passiven Arbeitsmarktpolitik in Österreich bis dato nur unzureichend Rechnung getragen durch den Übergang vom Arbeitslosengeld zur annähernd gleich hohen Not­standshilfe.

Grafik 1: Arbeitslosengeld im zeitlichen Verlauf in Europäischen Ländern 2018 (In Pro­zent des Letzteinkommens)

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(Quelle: https://data.oecd.org/benwage/benefits-in-unemployment-share-of-previous-income.htm)

Zu dieser Grafik inhaltlich zu ergänzen ist der Umstand, dass nicht alle EU-Länder eine gesetzliche Arbeitslosenversicherung haben und manche Länder (z.B. Dänemark, Schweden) mit Systemen der freiwilligen Arbeitslosenversicherung arbeiten.


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International anerkannte Standards setzen mit einer langsamen Variation bzw. Reduk­tion der Nettoersatzrate Arbeitsanreize und erhöhen diese Anreize im Zeitverlauf (Agen­da Austria 2017, Weishaupt 2019). Dies geschieht in Ländern wie Dänemark, Schweden aber auch in den Niederlanden. In Österreich verändert sich die Nettoersatzrate im zeitlichen Verlauf sehr wenig bis gar nicht. Ein derartiges System gibt es, mit Ausnahme von Österreich, in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat (Siehe Grafik 1). Im europäischen Vergleich ist die österreichische Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zwar am Beginn der Arbeitslosigkeit eher niedrig (gemessen an der Nettoersatzrate), im Zeit­verlauf, z.B. nach 6 Monaten, im Mittel - doch im Unterschied zu fast allen anderen EU-Ländern bei langer Arbeitslosigkeit über-durchschnittlich hoch und zeitlich unbegrenzt verfügbar.  Um die Arbeitslosenversicherung zeitgemäßer zu gestalten, wurden von wirt­schafts­wissenschaftlicher aber auch sozialpolitischer Seite unterschiedliche Einfluss­faktoren beleuchtet und Lösungsvorschläge für etwaige Problemstellungen erarbeitet. Eine lange bzw. zeitlich unbegrenzt verfügbare Arbeitslosenversicherung hat signifikant negative Effekte auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt (Katz and Meyer, 1990). Dem internationalen Standard entspräche also ein am Beginn der Arbeitslosigkeit etwas höheres Arbeitslosengeld, das im Zeitverlauf sinkt und insgesamt zeitlich begrenzt ist. Das Arbeitslosengeld sollte z.B. aus Sicht der Agenda Austria in den ersten 17 Wochen von derzeit 55 Prozent des Netto-Letztverdienstes auf 65 Prozent erhöht und dann schrittweise abgesenkt werden. Demnach läge die Nettoersatzrate in den nächsten 18 Wochen auf dem Niveau von 55 Prozent und würde nach einer Gesamtbezugsdauer von 35 Wochen auf dann 45 Prozent absinken. Wer länger ein-gezahlt hat, soll auch länger anspruchsberechtigt sein, so die Agenda Austria.

Im Bereich der passiven Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergeben sich aus diesen mikroökonomischen Überlegungen umfangreiche Vorschläge zu einer optimalen Ausgestaltung derselben. Insbesondere in Bezug auf die zeitliche Ausgestaltung von Ersatzraten, Dauer und Verpflichtungen für den Erhalt der Versicherungsleistung selbst. In anderen europäischen Ländern ist das Arbeitslosengeld zu Beginn höher als die österreichischen 55 Prozent, sinkt aber im zeitlichen Verlauf je nach Dauer auch deutlich unter diese 55 Prozent Nettoersatzrate. (Zu beachten ist auch, dass in anderen Ländern daneben keine oder weniger weitere Sozialtransfers erfolgen, als in Österreich neben dem Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung möglich sind.).

Eine zeitliche Staffelung würde auch ermöglichen, dass die Ersatzraten am Beginn einer Arbeitslosigkeit erhöht werden könnten. Denn gerade im Falle kurzer Arbeitslosigkeit (bzw. in den ersten Monaten einer Arbeitslosigkeit) zeigt sich, dass die österreichischen Nettoersatzraten im internationalen Vergleich leicht unterdurchschnittlich sind.  Alle diese Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen deutlich, dass in der öster­reichischen Arbeitsmarktpolitik die Steuerungsmöglichkeiten über passive Leistungen bisher nicht genutzt werden.

Abgesehen von der wirtschaftswissenschaftlich fragwürdigen Ausgestaltung fehlt auch eine Berücksichtigung von Interessen der Versichertengemeinschaft. Gleichzeitig ist die finanzielle Belastung der Arbeitslosenversicherung im Auge zu behalten. Das Versiche­rungsprinzip wird überspannt, wenn die Arbeitslosenversicherung Leistungen der Not­standshilfe zeitlich unbegrenzt ausbezahlt. Das überfordert die Solidarität der Versicher­tengemeinschaft, denn das Arbeitslosengeld und die ihr folgende Notstandshilfe stellen eine Geldleistung zur Kompensation des vorübergehenden Einkommensentfalls auf­grund eines Jobverlustes dar. Logisch folgt daraus eine Überführung von Notstands­hilfebezieher_innen in die Mindestsicherung nach einem länger andauernden Bezug und damit eine Zusammenführung der verschiedenen sozialen Sicherungssysteme in eine Logik. Eine Zusammenführung der sozialen Sicherungssysteme Notstandshilfe und Min­destsicherung zu einem gemeinsamen System der sozialen Absicherung fordert seit Jahren auch der Rechnungshof.


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Eine effizienzsteigerndere Umgestaltung von Leistungen in der Arbeitslosenver­siche­rung in Bezug auf die Höhe der Nettoersatzraten kann aufkommensneutral gestaltet werden: Am Beginn der Arbeitslosigkeit können die Nettoersatzraten höher sein als bisher, um dann im zeitlichen Verlauf zu sinken - auch unter das derzeitige Niveau. Außerdem ist der Leistungsbezug zeitlich zu begrenzen (Siehe Grafik 2).

Grafik 2: Beispiel einer zeitlichen Staffelung des Arbeitslosengeldes

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(Quelle: Agenda Austria)

Bei der Bestimmung und Veränderung der Nettoersatzrate muss eben darauf geachtet werden, dass Arbeitsangebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt tatsächlich zueinander­passen. Um unerwünschte ökonomische aber auch soziale Effekte und Mitnahmeeffekte durch ein zeitlich gestaffeltes Arbeitslosengeld zu vermeiden, kann z.B. die Bezugsdauer in Wochen je Stufe angepasst werden. Eine solche Ausgestaltung des Arbeitslosen­geldes soll einem "Mismatch" am Arbeitsmarkt entgegenwirken, die betroffenen Per­sonen finanziell absichern, aber auch genügend Anreize für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt setzen. Außerdem ist die Durchrechnung der Versicherungszeit so zu optimieren, dass wiederkehrende Phasen der Arbeitslosigkeit in kurzer Zeit nicht jedes Mal aufs Neue zum Ausnützen der ersten, erhöhten Stufe des Arbeitslosengeldes führen.

Eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik muss immer Maßnahmen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik umfassen. Ergänzend zum gegenständlichen Antrag werden daher parallel weitere Anträge eingereicht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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"Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine umfassende Reform von monetären Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vorsieht. Dabei sollen Arbeits­losengeld und Notstandshilfe in ein System zusammengeführt werden, in welchem die Ersatzrate am Beginn einer Arbeitslosigkeit höher sein und im zeitlichen Verlauf kontinuierlich reduziert werden soll. Zudem ist eine zeitliche Begrenzung dieser Leistung aus der Arbeitslosenversicherung vorzusehen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


16.12.55

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, es ist schon erschreckend, wie sozial kalt die ÖVP und die Grünen bei diesem Thema reagieren. Für die ÖVP ist die Situation am Arbeitsmarkt offensichtlich nicht sehr dramatisch, und die Grünen sagen zwar: Ja, es sind schon relativ viel, aber Genaues wissen wir Grüne nicht.

Ich bemühe mich jetzt, das für die Grünen und für die ÖVP und auch für die Mitglieder auf der Regierungsbank ein bisschen plastischer darzustellen: Wenn man die Arbeits­losen in Österreich und jene, die in Kurzarbeit sind, mit dem ominösen rosaroten Elefan­ten des Herrn Minister in einer Reihe mit 1 Meter Abstand aufstellt, dann steht diese Gruppe an Österreichern, die derzeit eingeschränkt arbeiten oder gar nicht arbeiten, bis kurz vor Moskau. Von Wien bis Moskau reicht diese Schlange an Personen, die das, was diese Regierung am Arbeitsmarkt angerichtet hat, derzeit betrifft. Ich hoffe, die Grünen haben jetzt vielleicht verstanden, welche Dimension das ausmacht.

Es freut mich, dass mittlerweile auch die Mitglieder auf der Regierungsbank ihre Masken abgelegt haben, es hat einiger Zeit und viel Einsatz unsererseits bedurft, um jetzt endlich wieder in den Normalzustand zu kommen. Ich darf schon sagen – im Grunde genommen ist es heute klar oder sollte es jedem klar sein, vor allem der Regierung –: Es ist we­sentlich leichter, zu zerstören als aufzubauen. Sie haben mit allen Ihren Corona­maßnahmen das Haus Österreich zerstört. Sie haben nicht nur den Dachboden oder den ersten Stock kaputtgemacht, nein, Sie haben im Grunde genommen wirtschaftlich und sozialpolitisch das Haus Österreich bis auf die Grundmauern beschädigt, und alle Versuche, die Sie jetzt starten, dieses Haus wieder aufzubauen, sind sehr, sehr mangel­haft und kommen leider Gottes weder bei der Wirtschaft noch bei den Arbeitnehmern wirklich an.

Zur Erinnerung noch einmal: knapp 500 000 Arbeitslose, 1,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit; das heißt, diese Gruppe von 1,6 Millionen Menschen hat jedes Monat deutlich weniger Geld am Konto. Bei den Arbeitslosen ist es so, dass wir da eben diese Nettoersatzrate von 55 Prozent haben, und unser Antrag und unsere Intention ist einfach, dass jene, die durch Corona und durch die Maßnahmen dieser Bundesregierung unverschuldet arbeitslos geworden sind, und das sind Hunderttausende, zumindest eine Nettoersatzrate von 70 Prozent erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sollte für jeden, der ein soziales Gewissen hat, überhaupt kein großes Ding sein; es ist ja auch zeitlich beschränkt und sollte nicht unendlich gehen. Es ist aber klar, dass man jenen Menschen helfen muss, und wenn Sie auch diese E-Mails und Anrufe bekommen, dann werden Sie wissen, es betrifft sehr, sehr viele. Es betrifft Menschen,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 167

die jetzt 200, 300, 400 Euro netto im Monat weniger haben und jetzt wirklich in Be­drängnis kommen. Da eine Hilfe anzubieten, ist, glaube ich, das Mindeste, was man machen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Es freut mich, wenn die ÖVP den Bauernpensionisten 450 Euro zukommen lässt, das ist ja okay, ich habe ja nichts gegen Bauern, ganz im Gegenteil, aber dann sollen das bitte auch alle Pensionisten in Österreich bekommen, oder zumindest die Mindest­pensionisten. Das wäre ein Vorschlag, vielleicht denken Sie einmal kurz darüber nach! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben die Situation, und Sie wissen es, glaube ich, alle, dass wir speziell bei den Jugendlichen ein Problem haben, und zwar nicht nur die Ferialarbeit, sondern auch die Lehrlingsausbildung betreffend. Wir haben ein Riesenproblem, denn sehr, sehr viele junge Leute stehen momentan vor dem Nichts und wissen nicht, was sie nach dem Sommer oder im Sommer machen sollen. Auch da, Frau Minister, sehe ich in Wahrheit nicht wirklich Maßnahmen, die greifen.

In Summe – und auf das läuft es halt in letzter Konsequenz immer hinaus –: Wir haben uns bemüht, Ihnen klarzumachen, dass Sie als Regierung trotz aller Probleme, die wir Anfang, Mitte März hatten, einfach viel zu spät in den Modus gekommen sind, für die Wirtschaft, für die Arbeitnehmer Vertrauen, Sicherheit und Optimismus auszustrahlen.

Deshalb ist die Konjunktur auch am Boden. Sie brauchen nur durch Wien, durch Innsbruck oder durch Salzburg zu spazieren. Sie werden das merken, da ist keine Kauflust da. Es ist alles relativ mau, das wird Ihnen jeder Unternehmer sagen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Kirchbaumer.) Wenn da nicht etwas passiert, wenn es da keinen Konjunkturimpuls gibt, dann werden wir das nicht in Gang bringen und dann wird es für die Unternehmer, aber auch für die Arbeitnehmer dramatisch werden; das heißt, wir kommen nicht runter von diesen Arbeitslosenzahlen.

Sie müssen bitte endlich in die Gänge kommen, Optimismus und dementsprechend Aufbruchsstimmung verbreiten und vor allem die Konjunktur ankurbeln. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Wir haben es heute schon mehrmals gesagt, da gibt es eben die Idee des Tausenders für Österreicher als Gutschein, womit wirklich in die Wirtschaft investiert werden könnte. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme und das ist auch nichts Unlauteres.

Vielleicht zum Abschluss, bevor ich unsererseits noch einen Antrag einbringe: Sie haben letztes Mal vom Comeback der österreichischen Wirtschaft gesprochen, Frau Minister. Ich spüre es nicht, die Unternehmer spüren es nicht, auch die Arbeitnehmer spüren es nicht. Ich bin gespannt, ob wirklich einmal konkret irgendetwas von Ihrer Seite passiert.

Die große Fragestellung ist – und das, glaube ich, fragen sich immer mehr Menschen in Österreich –: Wer wird die Rechnung bezahlen? Wer wird diese 50, 60, 70 Milliarden Euro – man weiß es ja nicht genau, wie viel es kosten wird – bezahlen? Anfang, Mitte März lag Ihre Schätzung bei 4 Milliarden Euro – ich kann mich noch gut an diese 4 Milliarden Euro im ersten Coronapaket erinnern, das war damals Ihre Einschätzung –, mittlerweile liegen wir bei weit über 50 Milliarden Euro. Die Frage ist: Wer wird das bezahlen? Werden es nur die Multimilliardäre bezahlen? Ich bin gespannt, wie Sie das machen, ob Sie die alle enteignen, und wie das gehen soll. Wer aber wird die Rechnung bezahlen?

Das spüren die Österreicher immer mehr, es wird für jeden greifbar. Jeder spürt lang­sam, dass diese Krise eine selbstgemachte Krise ist (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), die Sie nicht ideal gelöst haben. Sie haben sie nicht ideal gelöst. Sie haben sehr, sehr viele Fehler gemacht, fachliche Fehler gemacht. – Wer wird diese Rechnung bezahlen?

Ich möchte noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 168

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maß­nahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise beinhaltet. Dieses Maßnahmenpaket soll sektorale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesundheitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose beinhalten. Insbesondere sollen im Zuge dieser Maßnahmen auch die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise für den Arbeitsmarkt nachhaltig korrigiert werden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Das war eine schlechte Rede!)

16.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlicher Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme) in der 36. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Juni 2020

Ende Mai 2020 waren bei den regionalen Geschäftsstellen des AMS 473.330 Personen­arbeitslos vorgemerkt (+69,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat), 43.921 Per­sonen befanden sich in einer Schulung (31,6 Prozent).

Zählt man Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammen, ergibt sich für Ende April 2020 eine Veränderung der insgesamt vorgemerkten Personen um +50,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die geschätzte nationale Arbeitslosenquote beträgt aktuell 11,5 Prozent.

Männer&Frauen:

Frauenarbeitslosigkeit: +94.148 Personen oder +71,7 Prozent

Männerarbeitslosigkeit: +100.194 Personen oder +67,9 Prozent

Inländer&Ausländer:

Inländerarbeitslosigkeit: + 113.810 Personen oder + 60,0 Prozent

Ausländerarbeitslosigkeit: + 80.542 Personen oder + 90,2 Prozent


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 169

Altersgruppen:

Jugendliche (unter 25 Jahre): +27.701 oder +103,8 Prozent

Haupterwerbsalter (25 bis 49 Jahre): +120.632 Personen oder +75,5 Prozent

Ältere (50 Jahre und älter): +46.019 oder +49,8 Prozent

Ausbildungsstand:

Personen mit max. Pflichtschulausbildung: +84.934 oder +68,8 Prozent

Personen mit Lehrausbildung: +58.449 oder +70,0 Prozent

Personen mit mittlerer Ausbildung: +10.288 oder +67,2 Prozent

Personen mit höherer Ausbildung: +24.253 oder +74,2 Prozent

Personen mit akademischer Ausbildung: +12.565 oder +54,1 Prozent

Besondere Bedürfnisse&gesundheitliche Einschränkungen

Personen mit Behinderung: +2.921 oder +23,7 Prozent

Personen mit sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen: +20.259 oder +33,5 Pro­zent

Personen ohne gesundheitliche Einschränkungen: +171.172 oder +83,1 Prozent

Wirtschaftssektoren&Branchen:

Herstellung von Waren: +13.755 oder +62,9 Prozent

Bau: +13.293 oder +84,8 Prozent

Handel: +25.066 oder +59,9 Prozent

Verkehr und Lagerei: +12.704 oder +83,6 Prozent

Beherbergung und Gastronomie: +55.900 oder +143,3 Prozent

Gesundheits- und Sozialwesen: +4.360 oder +55,6 Prozent

Arbeitskräfteüberlassung: +17.301 oder +59,3 Prozent

Kurzarbeit:

Neben dieser hohen Arbeitslosigkeit sind aktuell rund 1,140 Millionen Arbeitnehmer zusätzlich in Kurzarbeit. Insgesamt sind aktuell in Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit inklusive Schulungen 1.620.367 Arbeitnehmer (Stand 15.Juni 20202 BMAFJ)

Die Bundesregierung, insbesondere das Arbeitsministerium und das Arbeitsmarkt­ser­vice, müssen hier dringend gegensteuern. Diese Gegensteuerungsstrategie muss unter der Überschrift „Österreicher zuerst“ stattfinden, damit sichergestellt werden kann, dass in einem Verdrängungswettbewerb in Folge der COVID-19-Krise hier nicht die öster­reichischen Arbeitnehmer unter die Räder kommen und von einer strukturellen Lang­zeitarbeitslosigkeit betroffen sind.

Man muss also mit einem entsprechenden Maßnahmenpaket, das auf die nachhaltige Beseitigung der sektoralen Arbeitslosigkeit abzielt, den negativen Folgen der COVID-19-Krise begegnen. Im Zentrum dieses Maßnahmenpakets sollen insbesondere auch sek­torale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesund­heitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose stehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 170

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich als Konsequenz der COVID-19-Krise beinhaltet. Dieses Maßnahmenpaket soll sektorale Zuzugsbeschränkungen auf dem Arbeitsmarkt für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger nach Maßgabe von Alter, Ausbildungsniveau, besonderen Bedürfnissen und gesundheitlichen Einschränkungen, bisheriger Berufstätigkeit, angestrebter Berufstätig­keit und branchenspezifischer kurz-, mittel- und langfristiger Konjunktur- und Arbeits­marktprognose beinhalten. Insbesondere sollen im Zuge dieser Maßnahmen auch die negativen Auswirkungen der COVID-19-Krise für den Arbeitsmarkt nachhaltig korrigiert werden."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Pöttinger. – Bitte.


16.21.17

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­he­rinnen und Zuseher! Herr Kollege Wurm, „eine selbstgemachte Krise“ – das kann wohl nicht Ihr Ernst sein! (Abg. Belakowitsch: Oja! – Abg. Fürst: Doch!) Wir haben auf der ganzen Welt eine Krise, und Sie tun so, als ob wir das heraufbeschworen hätten. Erklären Sie mir einmal, was wir davon hätten! – Das kann nicht Ihr Ernst sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich nehme an, wir sind uns hier im Parlament alle einig, dass die Arbeitslosigkeit raschestmöglich sinken soll. Ich nehme ebenso an, dass uns allen klar ist, dass wir möglichst viele Betriebe erhalten sollen. Auch nehme ich an, dass uns allen klar ist, dass es unsere Unternehmen sind, die Arbeitsplätze schaffen, und dass es wichtig ist, ein gutes Miteinander zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu haben.

Ja, wir befinden uns in einer absolut herausfordernden Zeit und ich bin sehr dankbar für die vielen Maßnahmen der Regierung. (Rufe bei SPÖ und NEOS: Danke!)

Ja, wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit, wir haben aber Gott sei Dank auch sehr viele Wiedereinstellungen. Ich kann aus dem eigenen Betrieb berichten: Ich habe ungefähr 50 Mitarbeiter, die alle voll in Beschäftigung sind. Die Maßnahmen wirken. Wir spüren das Wiederanspringen der Konjunktur. (Ruf bei der FPÖ: Wirklich?!)

Gerade jetzt, da die Gastronomie, die Hotellerie und der Handel wieder anspringen, werden wir diese Arbeitskräfte auch dringend wieder brauchen. Jeder Arbeitslose ist einer zu viel und viele davon sind sicher ganz unverschuldet in diese Situation geraten, und das tut mir auch für viele sehr, sehr leid. (Abg. Belakowitsch: Aber?!)

Ich bekomme aber auch sehr viele Anrufe von Unternehmern, die mich verzweifelt kon­taktieren und sich ihren Unmut von der Seele reden, weil sie offene Stellen nicht beset­zen können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Hoyos-Trauttmansdorff.) Das ist leider ein Phänomen. Ich habe selbst fünf offene Stellen, die ich seit längerer Zeit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 171

nicht besetzen kann. Sie können jetzt sagen: Ja zahlen Sie mehr!, oder dieses oder jenes, oder: Es wird nicht passen. – Nein, das ist nicht so.

Viele kommen, um sich vorzustellen. Manche arbeiten zwei, drei Tage. (Ruf bei der SPÖ: Legitim!) – Ja, das ist legitim, es ist alles klar. Es ist aber sehr wohl auch so, dass wir bei manchen Menschen leider feststellen müssen, dass sie das eine oder andere noch erledigen wollen, dass sie eine Teilzeitbeschäftigung beziehungsweise eine geringfügige Beschäftigung haben und erst später wieder anfangen wollen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und daher um Verständnis bitten.

Es ist natürlich auch so, dass mich die Betriebe und die Unternehmen anflehen und sagen: Bitte schaut, dass die Differenz zwischen dem Entgelt für das Nichtarbeiten und das Arbeiten nicht noch geringer wird! (Abg. Kollross: Wäre eine Möglichkeit ...!) Der Anreiz, in der Früh aufzustehen und in die Arbeit zu gehen, sollte doch gegeben sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei dieser 450-Euro-Einmalzahlung von Almosen oder Gutsherrenmentalität zu sprechen finde ich absolut nicht in Ordnung. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber es ist wahr! – Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.) Zugegeben, es werden sich viele Arbeitslose wünschen, wieder am Arbeitsleben teilzunehmen. Österreich hat ein sehr gutes Sozialsystem und viele Bewohner unserer Länder wären froh darüber. (Abg. Belakowitsch: „Unserer Länder“? Wie viele Länder habt ihr? – Abg. Loacker: Schön aufgeschrieben, schlecht vorgelesen!) – In den anderen Ländern, Entschuldigung!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FPÖ-Fraktion, in Ihrem Dringlichen Antrag steht wortwörtlich, dass die Arbeitslosigkeit bewusst durch Regierungsmaßnahmen produziert worden ist. Sie, Herr Kollege Wurm, haben es gerade noch bestätigt. – Diese Unter­stellung finde ich ungeheuerlich und es spiegelt Ihre Verschwörungstheorie wider, die Sie in vielen Bereichen schon von sich gegeben haben! (Abg. Belakowitsch: Ja, ja! Abg. Wurm: Was genau?) Man braucht sich nur Ihren Segelkurs anzusehen, um zu erkennen, wie Sie mit der Covid-19-Krise umgegangen sind.

Am Anfang waren alle unsere Maßnahmen zu wenig (Abg. Belakowitsch: Zu spät! Nicht zu wenig – zu spät!), dann wieder alle zu viel, dann wurde uns – insbesondere von Ihnen, Frau Kollegin Belakowitsch – immer wieder Schweden als Vorbild vorgehalten. (Abg. Belakowitsch: Wann? Und wo?) – In vielen Sitzungen, hier in diesem Haus (Abg. Belakowitsch: Wann und wo?) haben Sie das getan, absolut. Diese unglaublichen Kurswechsel würden sogar einen Wetterhahn am Blechdach davonfliegen lassen.

Die Maßnahmen der Bundesregierung greifen, wir sind auf einem guten Comebackkurs. Seit Mitte April haben immerhin 107 000 Menschen wieder ihren Job zurück (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried), über 40 000 Arbeitslose haben eine Wiedereinstel­lungszusage von den Betrieben und circa 50 000 haben zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung. Das attraktive neue Kombilohnmodell unserer Ministerin Christine Aschbacher und eine sehr gute Eingliederungsbeihilfe werden zusätzlich einen positiven Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit leisten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Loacker.)

Bei Betrachtung des gesamten Systems kommt man durch die diversen Sozialleistungen auf wesentlich höhere Ersatzraten, wie wir an den Beispielen schon gesehen haben. Unsere Arbeitslosenversicherung gehört gerade bei längerer Arbeitslosigkeit zu den großzügigsten im internationalen Vergleich, aber auch jetzt schon zu den teuersten. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Belakowitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 172

16.27.54

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Abgeordneter Pöttinger hat eben in seiner Rede behauptet, ich hätte hier herinnen mehrmals – wörtlich hat er gesagt: in zahlreichen Sitzungen – den Vergleich mit Schweden bemüht. – Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe hier nicht ein einziges Mal einen Vergleich mit Schweden bemüht, weder in den Nationalratssitzungen, noch in den Ausschuss­sitzun­gen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war immer der Kollege Wurm!)

16.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Oberrauner. – Bitte.


16.28.30

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Ich bemühe mich wirklich redlich, diese Debatte zu verstehen und habe versucht, mir selbst zu erklären, wie wir zu gewissen Aussagen kommen und wie Sie uns vielfach belehrend – das rechtfertigt scheinbar die Macht, die Sie vom Volk bekommen haben – erklären, wie die Welt aus­schaut.

Ich muss ehrlich sagen, das ist Themenverfehlung, denn wir reden über die Entwicklung einer Krise, und zwar einer Wirtschaftskrise, die zu bewältigen ist. Wenn die Kollegen sagen, wir sind jetzt im Krisenmodus, dann möchte ich sagen: Wenn wir über den Krisenmodus reden, reden wir nicht über die Gesundheitskrise – die haben wir mit viel Kompetenz, mit viel Wohlwollen von allen und Gott sei Dank mit viel Glück gut geschafft, weil wir eben Gott sei Dank nicht so hohe Ansteckungsraten hatten wie andere Länder, die aber für uns wichtige Handelspartner sind und zum Beispiel 23 Milliarden Euro in die Wirtschaft zwischen Österreich und Italien investieren. Da braucht man nicht so über­heblich zu sein und darüber nachzudenken, ob man in Europa irgendetwas finanzieren will oder nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir reden von einer Epidemie, die dann zu einer Pandemie geworden ist, weil sie nicht nur Österreich betrifft. Das ist in Ordnung, das ist auch so, aber es ist so wie bei einer Schularbeit: Wenn man den Rechenfehler in der ersten Zeile macht, dann zieht man ihn durch – und genau da sind wir jetzt. Wir haben – und nicht, weil wir recht haben wollten, sondern weil das für uns der Punkt war, der den Schadenersatz in diesem Krisenmodus am besten und am schnellsten abdeckt – immer darum gebeten – auch wenn wir mitgestimmt haben, aber mit einem Änderungsantrag –, nach dem Epidemiegesetz abzuwickeln. Es geht nicht darum, ein Förderpaket auf die Reise zu bringen, es geht darum, den Menschen den Schaden zu ersetzen, und das ist etwas ganz anderes. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht auch nicht darum, zu sagen: Super, wir haben bei den Arbeitslosen 100 000 weniger. Ja, warum? – Weil wir inzwischen wieder aufgesperrt haben, das ist der ganz normale Fakt. Das ist nicht das Verdienst irgendeiner politischen Maßnahme – es tut mir leid –, das ist das Verdienst der Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schellhorn.)

All die Pakete, die wir auf den Weg schicken – das ist in der Krise wahrscheinlich so –, kommen jetzt logistisch nicht an. (Abg. Schellhorn: Völlig richtig!) Das heißt, sie kommen nicht bei dem an, der sie braucht, und der, der sie dann brauchen wird, kann nicht bezahlen, weil es bei ihm auch nicht ankommt. In diesem Modus befinden wir uns, und das können wir uns nicht leisten. Ich bitte Sie wirklich dringend – auch die Kollegen


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von der ÖVP in der Regierung –, einzugestehen und anzuerkennen, dass Ihre Ideologie nicht krisenkompatibel ist. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht nicht darum, ob Sie ÖVP-Werte durchziehen oder ob Sie die Macht haben oder nicht, es geht um die Menschen und um den Standort Österreich. Österreich hat es nicht verdient, so ein Chaos zu erleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was ich am Allerübelsten finde: Kein einziger Politiker hat jemals einen Arbeitsplatz geschaffen, und jetzt erklären Sie uns, dass eine Einmalzahlung von 400 Euro nach drei Monaten genug für jemanden ist, der sich unverschuldet in Arbeitslosigkeit befindet, der einen Schaden durch die Abwicklung der Gesundheitskrise, weil alle zugesperrt haben, erlitten hat. Diesen Schaden hätte er nicht, wenn man nach dem Epidemiegesetz abge­wickelt hätte.

Ich sage Ihnen eines: Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent kommt vor allem und in erster Linie den Klein- und Mittelbetrieben zugute, die 60 Prozent des Um­satzes in Österreich machen, denn wenn die Menschen kein Geld mehr haben, dann werden sie nämlich nicht bei diesen einkaufen, nicht bei diesen tanken, nicht in die Gastronomie gehen und kein Konzert besuchen. Und dann frage ich Sie: Wie wollen Sie, nachdem Sie ganz Österreich in die Armut begleiten, Ihre Budgets aufstocken, denn Sie werden keine Steuern mehr einnehmen? (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb möchte ich wirklich betonen: Es geht der Opposition, jedem von uns, überhaupt nicht darum, recht zu haben. In einer kleinen Gemeinde oder in einer größeren Stadt geht es in der Krisensituation darum, dass alle Parteien das Bestmögliche zur Rettung aus dieser Situation und für die Menschen machen. Es geht nicht darum, ob Sie in der Regierung sitzen oder nicht und wie lange Sie dort sitzen. Es geht darum, dass die Menschen endlich wieder ein normales Leben führen können, nicht geprägt von Angst, nicht geprägt von Unsicherheit. Nicht einmal die Menschen, die Geld haben, investieren, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Ich weiß nicht, warum das bei Ihnen nicht ankommt. Steigen Sie aus Ihrem Paralleluniversum aus! Wir haben täglich mit diesen Menschen zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde ehrlich sagen, dass wir zusammenhalten müssen und dass Sie sich halt auch einmal etwas von Menschen, die es erlebt haben, sagen lassen müssen. (Abg. Kirchbaumer: Wir haben es nicht erlebt, oder?) Ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie Arbeitslosigkeit erleben, ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie in Armut geraten, aber die Menschen, die schon dort sind, wissen nicht, wie es weitergeht, die haben null.

Ich möchte Ihnen nur sagen, Sie haben mit der Aushebelung dieses Epidemiegesetzes – die Verteilaktion war ja politisch irgendwie reizvoll, denn dann ist man ja lässig, wenn man Geld vergeben kann – die Unternehmer sogar um die Betriebsunter­brechungsver­sicherung gebracht, weil durch diese Veränderung nicht gezahlt wird. Die Unternehmer haben keine Mindestsicherung, sie haben aus der Versicherungsleistung nichts und sie haben kein Arbeitslosengeld. (Zwischenrufe der Abgeordneten Tanja Graf und Hörl.) Und dann wollen Sie mir erklären, dass Arbeitsplätze geschaffen und dann Leute eingestellt werden? Wer wird sie denn einstellen, wenn die Unternehmen nicht mehr existieren? (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Tanja Graf.)

Deshalb ist das Fazit aus dieser Geschichte - - (Abg. Vogl: Zeit!) – Zeit! Entschuldigung! Ja, dann bringe ich noch einen Antrag ein (Heiterkeit bei der SPÖ), wenn ich auf die Zeit schauen muss, und zwar einen Antrag steuerlicher Natur.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Kollegin, Sie haben noch 4 Minuten Zeit. (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Vogl: Danke! – Abg. Wurm: Der Präsident hilft, Markus!)


Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (fortsetzend): Ja, ich habe jetzt leider meinen Antrag oben am Platz, es tut mir leid. – Nein, ich habe ihn, Entschuldigung!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 174

Es geht um folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „1.000 Euro Steuersenkung ab 1.7.2020“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert – zur Sicherung der Kaufkraft und Ankurbelung der Konjunktur – eine Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von zumindest 1.000 Euro pro Jahr ab 1.7.2020 sicherzustellen. Für Einkommen unterhalb der Steuergrenze ist eine permanente Erhöhung der Negativsteuer vorzusehen.“

*****

Ich kenne Ihr (in Richtung ÖVP) Klientel ganz genau, weil ich auch meinen Beitrag in der Wirtschaftskammer zahle. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schellhorn: Sehr gut!)

16.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pamela Rendi-Wagner

Genossinnen und Genossen

betreffend 1.000 Euro Steuersenkung ab 1.7.2020

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten

Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)

Deutschland steuert dem größten Wirtschaftseinbruch seit der Nachkriegszeit mit einem Konjunkturprogramm von 130 Milliarden Euro entgegen. Wie bei den Wirtschaftshilfen handelt Deutschland rasch und entschlossen. Die österreichische Bundesregierung dümpelt hingegen geradezu dahin. Aufgrund völlig unzulänglicher Wirtschaftshilfen hat man binnen weniger Wochen 200.000 zusätzliche Arbeitslose produziert. In Deutschland beträgt der Anstieg – gemessen an der Bevölkerung – nicht mal 50 Prozent des Anstiegs von Österreich. Warum? Weil man in Deutschland einfach klar und entschlossen reagiert hat.

Heute wissen wir: In Österreich waren die Wirtschaftshilfen zu gering und zu büro­kratisch. Was in Deutschland 24 Stunden gedauert hat, dauerte in Österreich deutlich länger als 24 Tage. Nun wiederholt die Regierung bei der Ankurbelung der Konjunktur denselben Fehler, den sie schon bei den Wirtschaftshilfen gemacht hat. Die Maßnahmen kommen spät und sind zu klein dimensioniert. Die Einmalzahlung an Arbeitslose von 450 Euro ist ein sozialpolitischer Hohn für die Betroffenen. Für die Stabilisierung der Kaufkraft bringt diese Maßnahme nichts, genauso wenig wie für die Ankurbelung der Konjunktur, zumal die Zahlung erst im Oktober fließen soll.

Die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer soll, nach wochenlangem Drängen der SPÖ, nun doch vorgezogen werden. Allerdings gilt das nur für einen Bruchteil der Steuersenkung. Der Eingangssteuersatz soll noch in diesem Jahr von 25 auf 20 Prozent


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 175

abgesenkt werden. Das bringt einem Arbeitnehmer mit einem Bruttogehalt von 2.000 Euro in etwa 30 Euro pro Monat. Das reicht für eine Stärkung der Kaufkraft und eine Ankurbelung der Konjunktur bei weitem nicht.

Eine Steuersenkung – wie sie die SPÖ seit längerem fordert – bei welcher die ersten 1.700 Euro steuerfrei gestellt werden, bringt allen Menschen mit einem Einkommen von 1.700 Euro oder mehr eine Steuersenkung von mehr als 1.000 Euro pro Jahr.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert – zur Sicherung der Kaufkraft und Ankurbelung der Konjunktur - eine Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen im Ausmaß von zumindest 1.000 Euro pro Jahr ab 1.7.2020 sicherzustellen. Für Einkommen unterhalb der Steuergrenze ist eine permanente Erhöhung der Negativsteuer vorzusehen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


16.35.43

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Wo fangen wir an? Fangen wir dort an, wo alles angefangen hat – beim Coronalockdown! (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es ist ja schon ein paar Mal so getan worden, als ob das Ganze aus Jux und Tollerei passiert wäre, als ob wir sozusagen absichtlich das ganze Land gegen die Wand gefahren hätten. Ich weiß nicht, aus welchem niedrigen Beweggrund heraus wir das hätten tun sollen. Vielleicht stehen wir sonst total irgendwie auf irgendwelche Krisen oder sonst etwas, aber bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem der FPÖ: Ich glaube, wir brauchen nur über die Grenzen zu schauen: Italien, Frankreich, Spanien, UK, Groß­britannien (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – also Großbritannien/UK, natürlich –, USA, Brasilien. Ich glaube, wir sehen, was dort überall passiert und was bei uns hätte passieren können, wenn wir nichts getan hätten. Den Lockdown haben wir also nicht aus Spaß und Jux und Tollerei gemacht – übrigens, ihr habt ihn ja selber gefordert, das habt ihr heute eh schon öfters gehört –, sondern wir haben ihn deswegen gemacht, weil es einfach notwendig war. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ihr sagt jetzt sozusagen: Na ja, der Grüne stellt sich da heraus und erklärt uns, dass das notwendig war! – Entschuldigung! Gestern bei der Veranstaltung Wissenschaft und Politik im Gespräch im Palais Epstein, organisiert vom Nationalratspräsidium, haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Akademie der Wissenschaften selber gesagt: Ja, da waren notwendige Maßnahmen dabei, das war notwendig, weil das eben die Art und Weise ist, wie man eine Epidemie, eine Pandemie bekämpft. – Also Ent­schuldigung! Wenn ihr mir das nicht glaubt, glaubt es bitte zumindest der Akademie der Wissenschaften! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Fakt ist: Wir reden heute über 480 000 Arbeitslose – das sind zum Glück schon einige weniger als noch vor einer Woche oder vor zwei Wochen – und wir reden über 1,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit, wobei die Kurzarbeit – das haben wir heute auch schon gehört – in Wirklichkeit fast ein bisschen das wichtigere Instrumentarium ist, weil wir damit zumindest 1,1 Millionen Menschen nicht in die Arbeitslosigkeit abrutschen lassen, weil wir damit Menschen im Beruf halten, im Job halten, in dieser Rotation drinnen halten und diese Menschen auch mehr verdienen als diese 55 Prozent Netto­ersatzrate, von der wir heute eben auch sprechen.

Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle auch einmal ganz ausdrücklich bei den Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern des AMS bedanken, die nämlich wirklich einen Knochen­job in den letzten Wochen vollbracht haben und sich darum kümmern, dass diese Kurz­arbeitsregelungen umgesetzt werden können. Genauso möchte ich mich an dieser Stelle bei den Sozialpartnerinnen und Sozialpartnern dafür bedanken, dass sie das Ganze, diese Kurzarbeitsregelung, auch ermöglicht haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Punkt zwei: Wir reden über Arbeitslosigkeit. Wir reden darüber, dass diese 480 000 Men­schen, die in Arbeitslosigkeit sind, mit 55 Prozent des Nettolohns auskommen müssen. – Entschuldigung! Diese 55 Prozent haben nicht die Grünen und die ÖVP gemeinsam beschlossen, sondern die sind ein Ergebnis der Kürzungspolitik der letzten Jahrzehnte. Ich meine, das muss man schon auch einmal hier festmachen: Das ist ein Ergebnis dessen, dass dreimal in den letzten, ich glaube, 40 Jahren das Arbeitslosengeld gekürzt wurde. Das ist ein Ergebnis dessen, dass eben in den letzten Jahren oder Jahrzehnten Arbeitslose eigentlich für alle hier herinnen immer so ein bisschen der Spielball waren, den man ganz gerne einmal dort ein bisschen triezen, da ein bisschen triezen und mit dem man etwas machen konnte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, einen Seitenhieb kann ich mir nicht verkneifen: 2008/2009 gab es die große Finanzkrise, und danach wurde das Arbeitslosengeld auch nicht erhöht. Es gab damals eigentlich auch keine große Diskussion, außer dass Karl Öllinger diese damals anzustoßen versucht hat. Man hat das ein bisschen zurückgestellt und gesagt: Na ja, hm, eh.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Wenn ich – jetzt muss ich euch leider mit dem BZÖ zusammenwerfen; das mögt ihr nicht so gerne, das weiß ich, aber ich tue es jetzt – FPÖ- und BZÖ-Regierungsbeteiligungen zusammenzähle, dann hattet ihr in der Zweiten Republik 4 397 Tage Zeit, das alles anders zu machen – das war nämlich die Zeit, in der ihr selber auch in der Regierung wart. Jetzt plötzlich stellt ihr euch hin und entdeckt sozusagen die arbeitslosen Menschen in diesem Land und deutet mit dem Finger auf die Regierung. – Ist okay, kann man machen, ist Oppositionspolitik. (Abg. Kickl: Das widerspricht jetzt dem Beginn Ihrer Rede! Das widerspricht völlig dem Beginn Ihrer Rede!)

Fakt ist, wir reden jetzt davon, dass wir beim Arbeitslosengeld erstmals eine Bewegung nach oben haben, indem wir eben diese 450 Euro auszahlen. Okay, die 450 Euro Einmalzahlung sind nicht 70 Prozent Nettoersatzrate – keine Frage –, aber es ist einmal ein erster Schritt, und es ist bei Weitem mehr, als ihr während einer Regierungs­be­teiligung in den letzten Jahren und Jahrzehnten zusammengebracht habt. Das ist nämlich Fakt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Leichtfried: Spärlicher Applaus bei der ÖVP! Sehr spärlicher Applaus!)

Zusätzlich gibt es dann noch andere Maßnahmen, wie beispielsweise die 360 Euro als zusätzliche Mittel für Kinder, damit wir eben Familien nicht in die Arbeitslosigkeit abrutschen lassen. (Abg. Belakowitsch: Was? Können Sie diesen Satz wiederholen?)

Klare Ansage: Das war der erste Schritt, aber es war mit Sicherheit nicht der letzte Schritt. Kollege Koza hat es erst schon ein bisschen skizziert (Abg. Kickl: Und der


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Wöginger hat gelacht!), dem schließe ich mich an. Wir werden mit Sicherheit im Herbst dann noch dementsprechend weiterdiskutieren. – Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.41.14

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Klubobmann Wöginger hat vorhin auch die Kurzarbeit so groß gelobt. Ich darf nur den Experten Schekulin – der war im Tourismusausschuss – von Prodinger & Partner, die die Lohnabrechnungen für circa 12 000 Mitarbeiter im Tourismus machen, noch einmal zitieren. Er ist ein wahrer Profi und er sagt, sie werden es fehlerhaft machen, weil es so kompliziert ist. Also von dieser Seite betrachtet, von der Komplexität her, ist die Kurz­arbeit wirklich das beste System. – Das möchte ich einmal richtigstellen: Daran ist nichts einfach. (Abg. Hörl setzt kurz an, Beifall zu spenden.) – Du klatscht, Kollege Hörl? – Ja, er hat recht, denn: Wer hat es gemacht? – Die ÖVP! (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Wir reden über eine dramatische Situation am Arbeitsmarkt. Wir haben jetzt nur über den 450-Euro-Zuschlag gesprochen, und wir setzen eigentlich die falschen Anreize. Kollege Pöttinger, auch der altgediente Andreas Khol oder Bundeskanzler Kurz loben sogar, dass wir die längste Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld haben, und sagen, das ist super. – Das sind doch die falschen Anreize! In Wahrheit ist es doch so, dass wir, wenn wir aus der Krise herauskommen wollen, den Faktor Arbeit entlasten müssen, dass wir Anreize schaffen müssen, damit wir in die Unternehmen, die sich jetzt in einer wirklichen Krise befinden, die jetzt wirklich auch auf ihre Rentabilität schauen müssen, wieder Menschen hineinbringen, dass wir diese von der Arbeitslosigkeit wieder in die Betriebe hineinbringen. Das heißt, der Kostenfaktor Arbeit muss dramatisch gesenkt werden. Mein Kernsatz – den könnt ihr euch hinter die Ohren schreiben – lautet: Die Mitarbeiter verdienen zu wenig und kosten zu viel. – Und wer hat das geschaffen, liebe ÖVP, in den letzten 11 000 Tagen? Wer hat nie eine Lohnnebenkostensenkung herbei­geführt, liebe ÖVP? – Das wart schon ihr!

Das Problem ist – ich möchte das noch einmal erwähnen, und das muss man jetzt auch erwähnen –: Eine Installateurstunde kostet im Schnitt 90 Euro. Der Installateur verdient davon 10 bis 15 Euro. Das heißt, das ist eine unglaubliche Schere. Im Endeffekt muss der Installateur oder der Automechaniker den ganzen Tag arbeiten, damit er sich eine Reparaturstunde leisten kann, ganz wurscht wo. Und wer hat das geschaffen in der letzten Zeit?

Wir müssen da mit den Kosten runter, um die Menschen aus der Arbeitslosigkeit wieder in die Betriebe hineinzubekommen. Das heißt auch, dass der Mitarbeiter viel mehr verdienen muss, damit er eine höhere Kaufkraft hat – und nicht, dass ihm von 4 000 Euro brutto 2 000 Euro weggenommen werden, sodass ihm 2 000 Euro bleiben. Das ist fatal. Das ist diese Dramatik. (Beifall bei den NEOS.)

Was aber machen Sie? – Sie machen Steuergeschenke. Im Endeffekt stehen die Bauern jetzt in der (die Arme verschränkend) Moneymaker-Endposition da (Heiterkeit bei den NEOS sowie der Abgeordneten Hörl und Kickl): Von oben rieselt es runter. Sie brauchen gar nichts zu machen. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben das geschaffen – während Sie den Unternehmerinnen und Unternehmern noch gar nichts gegeben haben.

Und das möchte ich auch noch dazusagen, Frau Arbeitsminister: Die EPUler haben Sie überhaupt vergessen. Das sind nämlich auch Arbeitslose, die haben auch kein Einkom­men. Aber Sie machen, nach jenem an die Gastronomie, das nächste Steuergeschenk


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an die Bauern, und das ist verwerflich. Jeder Touristiker, jeder Unternehmer, jeder Hotelier wird Sie fragen: Wann komme ich dran? Was machen Sie für mich? – Eine höchst komplexe Aktion mit der Kurzarbeit.

Kommen wir jetzt aber noch einmal zu den Lohnnebenkosten: Wie könnte man die senken? Was könnte man tun? Jetzt möchte ich einmal ansprechen, wovon wir da sprechen: von der Pensionsversicherung, von der Unfallversicherung, von der Kranken­versicherung, von der Arbeitslosenversicherung, vom Wohnbauförderungsbeitrag, vom Familienlastenausgleichsfonds, von der Kommunalsteuer, von der U-Bahn-Steuer in Wien, von der Arbeiterkammerumlage, von dem Arbeitslosenversicherungsabschlag. Da sind wir wirklich dankbar, dass von 4 000 Euro dann am Ende des Tages 2 000 Euro übrig bleiben.

Ich glaube, um eine Wende herbeizuführen, müssen wir es schaffen, den Faktor Arbeit dramatisch zu entlasten. Da wären Sie gefragt, liebe ÖVP und liebe Grüne. Nur so können Sie erreichen, dass die Betriebe bei ihrer engen Liquidität und bei ihrem Ren­tabilitätszwang wieder Arbeitsplätze schaffen, nämlich wenn Arbeitskräfte weniger kosten, dafür aber die Mitarbeiter mehr verdienen. Mehr Netto von weniger Brutto, das muss Ihre Devise sein. Nur so können wir eine Wende am Arbeitsmarkt herbeiführen und nur so können wir auch die Konjunktur wieder beleben. Auf keine andere Weise ist dies machbar.

Ihre Steuergeschenke können Sie irgendwo machen und irgendwann, wenn wir es uns leisten können. Machen Sie endlich einmal ein konzertiertes Programm, wie wir die Wirtschaft wieder ankurbeln! Das sind einfache Steuergeschenke. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Eine grandiose Rede! Grandios!)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte.


16.46.42

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte jetzt einiges zurechtrücken, was hier seitens der ÖVP wieder einmal verzapft wurde – zu Beginn der Debatte von Klubobmann Wöginger, aber auch Kollege Pöttinger hat das angeführt und hat den angeblichen Zickzackkurs der FPÖ kritisiert, denn wir wären ja die Ersten gewesen, die den totalen Lockdown Österreichs gefordert hätten. (Abg. Maurer: Das ist belegbar mit mehreren OTS, mit mehreren Parlamentsreden!)

Jetzt habe ich mir, Frau Kollegin Maurer (Abg. Maurer: Sogar die Frau Belakowitsch hat es geschafft, ...!), gerade zum ersten Mal diese Presseaussendung von damals, vom 13. März, in Ruhe und vollständig durchgelesen. Ich weiß nicht, ob Sie das gemacht haben. In dieser Presseaussendung findet sich eigentlich nichts von dem, was Sie hier ständig behaupten. Ich habe darin nicht gefunden, dass gefordert wurde, für Wochen und Monate der österreichischen Wirtschaft und in Wahrheit dem gesamten öffentlichen Leben den Stecker zu ziehen. Das steht mit keinem Wort drinnen. Es wurde nicht gefordert, dass Geschäfte, Wirtshäuser, Schulen und andere Institutionen gesperrt wer­den. Es wurde nicht gefordert, dass die Menschen daheim eingesperrt werden oder das Gefühl haben, sich selbst zu Hause einsperren zu müssen, und dass ihnen bei Ver­stößen oder angeblichen Verstößen gegen angebliche Gesetze und Vorschriften ge­droht wird, zum Beispiel vom Herrn Innenminister, der ja vor den Lebensgefährdern gewarnt hat, die er bestrafen wird und die er aus dem Verkehr ziehen wird. – Nur beim Herrn Kurz im Kleinwalsertal hat er dann weggeschaut. Da waren wieder die anderen schuld: Da waren die Journalisten schuld, da waren die Bürger schuld. Bei der ÖVP sind


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immer andere schuld – so auch bei Ihnen, Frau Ministerin: Als Sie mit dem Hunderter vor dem kleinen Kind, vor dem Baby gewachelt haben, da war dann plötzlich das Baby, das da hingegriffen hat, schuld. Bei der ÖVP sind also immer die anderen schuld. (Beifall bei der FPÖ.)

In der damaligen Presseaussendung der Freiheitlichen Partei wurde auch nicht gefor­dert, dass von der Polizei Einkaufstaschen von unbescholtenen Bürgern kontrolliert werden, ob sie auch tatsächlich nur für den täglichen Bedarf einkaufen. Es wurde nicht gefordert, dass ein Sportler für einen Klimmzug mit drakonischen Strafen belegt wird, und es wurde schon gar nicht gefordert, dass, wie in Vorarlberg passiert, Polizisten mit Warnschüssen gegen unbescholtene Spaziergänger vorgehen, die angeblich irgend­welche Babyelefantenabstände nicht eingehalten haben. Also das steht überhaupt nicht drinnen.

Was stand denn in dieser Presseaussendung der Freiheitlichen Partei vom 13. März drinnen? – Darin wurde zunächst einmal bemängelt – damals schon! –, dass Sie die Maßnahmen viel zu spät gesetzt haben, dass Sie sich anfangs weggeduckt haben und nicht reagiert haben. Vor allem von den Grenzschließungen – das ist der Hauptpunkt dieser Presseaussendung – zu allen Nachbarländern, insbesondere zu Italien, war damals Ihrerseits noch gar keine Rede. Damals wurde von uns schon gefordert, Schutz­ausrüstung für das medizinische Personal sicherzustellen – da hat es ja bis heute noch Schwierigkeiten gegeben. Es wurde auch gefordert, besondere Schutzmaßnahmen für Pflegeheime zu treffen – über die wir ja wissen, dass sie eine wichtige Rolle in den Infek­tionsketten spielen, etwa im Gegensatz zum Schulbereich.

Es wurde damals von uns schon gefordert, wirtschaftliche Existenzen abzusichern. Ich habe mir das aufgeschrieben: Klubobmann Kickl hat damals den Satz gesagt, „es dürften keine Betriebe zugrunde und keine Arbeitsplätze verloren gehen“. Die Realität sieht durch Ihre Maßnahmen, wie wir mittlerweile wissen, leider völlig anders aus.

Es wurde auch damals schon gefordert, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken und klar und nachvollziehbar zu kommunizieren. – Das ist das, was man in einer Krisen­situation machen sollte. Das, was Herr August Wöginger und Herr Laurenz Pöttinger heute hier verzapft haben, das sind Fakenews reinster Güte, und es war mir jetzt wichtig, das hier auch einmal klarzustellen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese klare Kommunikation haben Sie während dieser gesamten Zeit nie geführt. Sie haben keine Krisenkommunikation gemacht, kein Krisenmanagement, Sie haben eine Kriseninszenierung, eine Krisen-PR gemacht. Sie haben Angstpolitik betrieben, Sie haben die Menschen eingeschüchtert. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Bekannt sind ja die Aussagen von Herrn Kurz über die 100 000 Toten, dass bald jeder jemanden kennen wird, der an Corona gestorben ist. – Die Wahrheit sieht leider völlig anders aus (Ruf bei der ÖVP: Dank der Regierung!) – oder Gott sei Dank, was die Todesfälle betrifft. Ich kenne bis zum heutigen Tag glücklicherweise noch keinen einzigen Infizierten; nicht aber wegen Herrn Kurz – wegen Herrn Kurz aber kennt mittlerweile schon jeder jemanden, der aufgrund dieser Politik die Arbeit verloren hat, oder einen Unternehmer, der seinen Betrieb schließen musste. Das ist die Wahrheit, Frau Kollegin Kirchbaumer – wegen Ihres unqualifizierten Zwischenrufs vorhin! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt noch zur aktuellen Debatte: Das ist auch eine typische Geschichte. Sie verteilen, Sie wollen Almosen verteilen, aber – und das wissen wir schon – das Arbeitslosengeld wollen Sie nicht nachhaltig erhöhen. – Das werden sich die Menschen, die unverschuldet ihren Arbeitsplatz verloren haben, auch merken.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 180

Ich möchte jetzt noch einen Entschließungsantrag die Lehrlingssituation betreffend einbringen. Die schwarz-grüne Regierung hat ja kürzlich einen Lehrlingsbonus in Aus­sicht gestellt. Das hört sich zwar gut an, ist aber in Wahrheit wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir wissen aufgrund einer aktuellen Market-Studie, dass es schon im kommenden Herbst zu einem eklatanten Mangel an Lehrstellen und Ausbildungsplätzen kommen wird. Jeder dritte Betrieb, der im heurigen Herbst keine Lehrlinge einstellt, plant laut Umfrage eine solche Einstellung auch im nächsten Jahr nicht. Das wäre ein großer Schaden für die duale Ausbildung in Österreich.

Eine Möglichkeit, um da Abhilfe zu schaffen, wäre aus unserer Sicht die Wieder­ein­führung eines der aktuellen Situation angepassten Blum-Bonus. Sie kennen das ja, das hat es in den Jahren 2004 und 2008 schon gegeben, das hat sich bewährt und war erfolgreich. Er hat den Unternehmen einen monatlichen Zuschuss für Lehrlinge während der gesamten Lehrzeit in ihrem Betrieb garantiert. Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der ein an die aktuelle Situation angepasster ,Blum-Bonus‘, der einen monat­lichen Zuschuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf und ich bitte Sie, setzen Sie ein Zeichen für die unschuldig arbeitslos gewordenen Menschen, stimmen Sie dieser Maßnahme zu! Und setzen Sie auch ein Zeichen für unsere Lehrlinge und für die Unternehmer, die bereit sind, junge Menschen auszubilden, denn das sind die Fachkräfte von morgen! (Beifall bei der FPÖ.)

16.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter betreffend die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maß­nahme) in der 36. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2020

Laut einer aktuellen Market-Studie wird es im kommenden Herbst einen eklatanten Lehrstellenmangel geben.

„In Summe dürften das rund 10.000 Ausbildungsplätze weniger sein, als noch vor der Coronavirus-Krise geplant war“, so Studienautor David Pfarrhofer. Besonders betroffen sei dabei der Handel mit rund 3.500 Lehrstellen, der Bereich Gewerbe und Handwerk mit 3.000 und der Tourismus mit rund 2.000 Lehrstellen, die nicht besetzt würden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 181

Jeder dritte Betrieb, der im heurigen Herbst keine Lehrlinge einstellt, plant laut Um­frage, auch im nächsten Jahr keine Lehrlinge aufzunehmen. „Dies würde ei­nen massiven Schaden für die duale Ausbildung bedeuten,“ so Pfarrhofer. https://ooe.orf.at/stories/3048849/ 16.05.2020

Ein Lehrlingsbonus, den die schwarz-grüne Regierung kürzlich in Aussicht gestellt hat, wurde medial schön platziert, wird aber das vorherrschende Problem nicht lösen können und ist wieder nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ein Unternehmen investiert allein im ersten Lehrjahr pro Lehrling im Schnitt 19.739 Euro, im dritten bereits rund 26.500 Euro.

Bedenkt man, dass der Umsatzrückgang allein für Österreichs Gastronomie während des Corona-Lockdowns täglich ca 60 Millionen Euro betrug und laut Experten auch nicht wieder aufholbar ist, stellt sich die Frage, wie nun 2.000 Euro, die die Regierung beisteuern möchte, bei gleichzeitig hohen Lehrlingskosten und eingebrochenem Umsatz tatsächlich helfen sollen.

Eine Lehrlingsförderung zur Schaffung und zum Erhalt von Lehrplätzen, die dem tatsächlichen Stellenwert der Lehre für den Wirtschaftsstandort Österreich entspricht und die die Unternehmen, die sich den aktuellen Herausforderungen stellen, auch eine finanzielle Wertschätzung für ihr Engagement Fachkräfte auszubilden, entgegenbringt, ist daher ein Gebot der Stunde.

Die Problemlage bei den jungen Menschen ist dramatisch. So hat sich zuletzt die Arbeitslosigkeit bei den Jungen unter 25 verdoppelt und ist im Vergleich zum Vorjahr um nicht weniger als 104,1 Prozent gestiegen.

Österreich kann es sich nicht leisten, aufgrund der Corona-Krise ganze Jahrgänge junger Menschen zu verlieren.

Da nahezu alle Branchen von der Corona-Krise sehr stark betroffen sind, und es daher ohne unterstützende Maßnahmen sehr lange dauern wird, bis Jugendliche wieder eine Lehrstelle finden werden, muss der Staat hier die finanzielle Verantwortung über­neh­men.

Eine Möglichkeit in diesem Zusammenhang wäre die Wiedereinführung eines an die aktuelle Situation angepassten sogenannten Blum-Bonus, der in den Jahren 2004 und 2008 erfolgreich funktionierte.

Dieser hat sich bewährt und den Unternehmen einen monatlichen Zuschuss über die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge in ihrem Betrieb garantiert.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch Bundesministerin Magarete Schramböck Überlegungen in Richtung eines Blum-Bonus anstellt, wenn sie kürzlich in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten vom 18.01.2020 mitteilte, dass „wir prüfen, welche Anreize wir schaffen können und welche Strukturen Unternehmen brauchen, um mehr Lehrlinge auszubilden. Da wollen wir den Blum-Bonus als Input mitnehmen,“ stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 182

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der ein an die aktuelle Situation angepasster „Blum-Bonus“, der einen monat­lichen Zuschuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Zopf. – Bitte.


16.53.45

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen vor den Fernsehgeräten! Die Kollegin von der SPÖ, Julia Herr, hat uns heute bei Ihrer Rede zur Förderung der AUA, wodurch 7 500 Arbeitsplätze erhalten wurden, erklärt, dass dieses Geld besser als Arbeitslosengeld angelegt worden wäre.

Gewerkschaftskollege Muchitsch hat der ÖVP in der heutigen Presseaussendung knall­harte Klientelpolitik vorgeworfen. – Die Bauernpensionsanpassung kommt nur jenen Bäuerinnen und Bauern zugute, die weniger als 933 Euro, also weniger als die Mindest­pension, haben. Das kann doch kaum als unfair erachtet werden.

Einmal irren ist menschlich, zweimal irren ist sozialdemokratisch! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme aus einer Region, die so strukturiert ist, dass die Landwirtschaft fast aus­schließlich im Nebenerwerb betrieben wird. Das heißt im Volksmund: Zum Leben zweng, zum Sterben zvü! (Abg. Belakowitsch: Das ist ÖVP-Politik, ja!) Oft ist es so, dass diese Menschen schlechter bezahlte Arbeitsplätze in der Nähe ihrer Betriebe annehmen und nach Feierabend nach Hause fahren und in ihrer Landwirtschaft weiterarbeiten. Eine Siebentagewoche ist für jeden tierhaltenden Betrieb normal und ein Arbeitstag mit oft mehr als 12 Stunden ist selbstverständlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eines kann ich dazu aber ganz klar sagen: Diese Menschen sind nicht unzufrieden, nein! Unzufrieden sind jene, die keinen Job haben.

Laut Statistik Austria beträgt das durchschnittliche Arbeitslosengeld 1 120 Euro, ohne Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag oder andere Sonderzahlungen. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP.) Im Vergleich dazu verdient ein Nichtakademiker im öffentlichen Dienst rund 1 350 Euro netto. Man muss das gesamte System betrachten: Durch Fami­lien­zuschläge und Ergänzungsbeiträge beträgt die Nettoersatzrate beim Arbeitslosen­geld bei niedrigem Einkommen jetzt schon weitaus mehr als 55 Prozent. Mit einer weiteren dauerhaften Anhebung des Arbeitslosengeldes setzen wir die falschen Signale. Es kann nicht sein, dass es finanziell verlockender ist, zu Hause zu bleiben, als einen Job anzunehmen, der vielleicht nicht zu 100 Prozent den Vorstellungen entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch vor der Krise haben wir im öffentlichen Dienst Imagekampagnen gestartet, um überhaupt Personal zu bekommen. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit ist es schwierig, in gewissen Bereichen Arbeitskräfte zu finden.

Einige Beispiele: Wir haben zu wenig Pflegepersonal, wir haben zu wenig Lehrpersonal, und der Fachkräftemangel ist auch jetzt während der Krise noch aufrecht. Ohne aus­ländische Arbeitskräfte schaffen wir es gar nicht mehr, unsere Lebensmittel zu ernten. Auch das, meine Damen und Herren, muss uns zu denken geben.


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Des Weiteren darf ich meinen Vorredner, Kollegen Angerer von der FPÖ, korrigieren: Der Neustartbonus kommt nicht nur bei einer Beschäftigung von 20 Stunden zum Tragen, sondern ab 20 Stunden, egal bei welchem Stundenausmaß.

Ihnen, Herr Kollege Loacker, sei gesagt: Das Budget für den aktiven Arbeitsmarkt wurde definitiv nicht gekürzt.

Spannend finde ich, dass diesen Antrag die FPÖ gestellt hat. Jene Partei, die sich noch in den letzten Wahlkämpfen als die große Arbeitnehmerpartei präsentiert hat, ist nun die große Vertreterin der Arbeitslosen. Die FPÖ erachtet es in ihrem Antrag als „volks­wirtschaftspolitisch“ notwendig, dass das Arbeitslosengeld erhöht wird. Was wäre dann das Ergebnis? – Dass jene, die fleißig arbeiten, noch mehr arbeiten müssen, um die Arbeitslosen zu bewirten, ihr Essen zu ernten und sie mit Steuergeldern zu bezahlen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wurm: Das haben Sie nicht verstanden, Frau Kollegin! – Abg. Belakowitsch: Wir können das gerne besprechen!) Um das festzustellen, brauche ich keine Statistik und kein Studium, das sagt mir der Hausverstand.

Da die FPÖ gemeinsam mit der SPÖ das Nichtstun unterstützt, finde ich, dass das schon in meiner letzten Rede erwähnte Motto euer gemeinsames ist, und ich wiederhole es noch einmal: Land der Berge, Land der Äcker, wer was arbeitet, hat an Pecker. – Und das kann es für unser Österreich nicht sein. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: ... letztklassig jetzt!)

Wir werden uns weiterhin ganz klar für die Schaffung von Arbeitsplätzen einsetzen und schauen, dass wieder viele Menschen in Beschäftigung kommen. Unsere Maßnahmen greifen, wir haben seit Mitte April wieder 107 000 Menschen in Beschäftigung gebracht. Das ist gut für den Staat, und das ist auch gut für jene, die wirklich nicht arbeiten können, weil somit ihre Unterstützung gesichert ist. Politisch gesehen ist das Ganze auch nachhaltig. Wir sind das unseren Kindern und Enkelkindern schuldig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wöginger: Bravo!)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


16.59.34

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich habe selten eine widerlichere, verabscheuungswürdigere, verachtendere Rede gehört als jene dieser Kollegin jetzt, die Menschen degradiert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Es ist ein Menschenrecht, Recht auf soziale Sicherheit, Recht auf Schutz vor Arbeitslosigkeit, und Sie degradieren alle arbeitslosen Menschen zu Menschen, die gar nicht arbeiten wollen. Das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Weil Sie so viel über Landwirtschaft geredet haben: Schaut bitte einmal, wie Ernte­helfe­rinnen und Erntehelfer in diesem Land behandelt werden! – Auch das ist menschen­verachtend! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wollte aber ursprünglich über Folgendes reden – Frau Ministerin, ich weiß nicht, wie sehr Sie sich schon mit der Arbeitsmarktsituation von Frauen in diesem Land beschäftigt haben –: Mittlerweile sind mehr Frauen atypisch beschäftigt, wenn sie Arbeit haben, als vollzeitbeschäftigt oder eben typisch beschäftigt, in einem ganz normalen Arbeits­ver­hältnis. Jede zweite Frau ist teilzeitbeschäftigt, es gibt geringfügig beschäftigte Frauen, Leiharbeiterinnen, Frauen arbeiten als freie Dienstnehmerinnen, sind neue Selbststän­dige, sind als Ein-Personen-Unternehmen tätig, als fallweise Beschäftigte, aber es gibt eine Viertelmillion - - (Die Rednerin spricht die letzten Worte schon ohne Verstärkung


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durch die Mikrofonanlage. – Ruf bei der ÖVP: Jetzt haben Sie das Mikrofon abge­dreht!) – Ich habe nichts gemacht.

Es gibt auch eine Viertelmillion Arbeit suchende Frauen, und von dieser Viertelmillion – 25 000 davon sind in Schulung – ist die Hälfte unverschuldet arbeitslos geworden. Von den 200 000 Menschen, die arbeitslos geworden sind, weil Sie das Epidemiegesetz ausgehebelt haben, sind zirka 100 000 Frauen, die jetzt keine Arbeit haben. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich frage Sie, Frau Ministerin: Welche Beschäftigungsprogramme, die Sie jetzt zum fünften Mal ankündigen, wird es denn wirklich geben – nämlich heute und nicht im Herbst –, die Frauen im Zeitalter der Digitalisierung, beim Umschulen, beim Weiterbilden so helfen können, dass sie im Herbst nicht langzeitarbeitslos geworden sind? Wie wollen Sie als Regierungsparteien der Langzeitarbeitslosigkeit, die steigen wird, und der Arbeitslosigkeit, die bleiben wird – nicht nur als Langzeitarbeitslosigkeit, sondern es wird auch eine soziale Krise kommen – entgegenwirken? (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Jedes Konjunkturpaket muss auch ein Gleichstellungspaket sein, es geht sich nämlich nicht aus, wenn Sie die Frauen nicht unterstützen.

Sie sind ja auch Familien- und Jugendministerin: Im Herbst werden voraussichtlich 32 000 junge Menschen keine Arbeit haben. Wie schauen bitte diesbezüglich die Programme aus? Wollen Sie alte Muster fortschreiben oder modern denken und moder­nisieren? Wie wollen Sie den jungen Leuten Perspektiven geben? Wie wollen Sie den Frauen und arbeitslosen Menschen Perspektiven geben?

Weil mir Herr Hörl jetzt ins Auge sticht, muss ich sagen, dass gestern im Budget­aus­schuss von ihm – und das hat die Kollegin jetzt sehr widerwärtig wiederholt; und ich sage „widerwärtig“ dazu – die permanente Unterstellung gekommen ist, dass jeder Mensch, der die Arbeit verloren hat, das – anscheinend – absichtlich gemacht hat, sich darin suhlt und warten möchte und langzeitarbeitslos werden möchte. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist so eine Gemeinheit von Ihnen und eine so menschenverachtende Art, dass das nicht auszuhalten ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Gegenteil, wir müssen doch Armut verringern, nicht Armut vermehren – und der Weg, auf den ihr euch gemacht habt, bedeutet, dass die Armut vermehrt wird. Der nächste Schritt, nämlich in die Wohnungslosigkeit und vielleicht in die Obdachlosigkeit, ist ein ganz kleiner.

Ich nehme diese Woche wieder mit zwei Gruppen an Touren von Shades Tours Vienna teil, da führen ehemals obdachlose Menschen andere durch Wien und sagen: Ich habe es geschafft, ich bin stolz darauf! – Wenn wir diese Armut vermeiden wollen, dann müssen Sie, Frau Ministerin, jetzt die Beine in die Hand nehmen und für arbeitslose Menschen schleunigst auch etwas tun – jetzt und nicht erst im Herbst! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hörl: Alte Muster der Sozialdemokratie ...! Das ist eure Spezialität! – Abg. Leichtfried: Wenn da wer alt ausschaut, seid ihr das! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

17.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


17.03.47

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann sehr gut verstehen, dass diese Debatte hier emotional geführt wird: Wir alle sind von dieser


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 185

Krise betroffen, die einen mehr, die anderen weniger. Viele befinden sich noch immer in Kurzarbeit, andere wiederum haben ihre Jobs verloren, und die Chance auf einen neuen Job ist im Moment nicht gerade sehr rosig. Das heißt, den hier vorhandenen Frust und den Frust der Betroffenen kann ich sehr gut nachvollziehen.

Es wurde viel darüber gesagt, was die Regierung in dieser Krise in Bezug auf Arbeit und Arbeitslosigkeit gemacht hat, was sie nicht gemacht hat und, und, und. Egal wie jeder Einzelne von uns zu diesen Maßnahmen, die wir getroffen haben, steht, ich bin über­zeugt davon, dass wir alle einen gemeinsamen Nenner haben: Wir alle hier wollen Ver­besserungen schaffen. Wir alle wollen, dass es in Österreich wieder besser wird. Wir wollen Verbesserungen im Klimabereich, wir wollen Verbesserungen in der Wirtschaft, wir wollen Verbesserungen im Pflegebereich und, und, und.

Es gibt keine Debatte, in der wir nicht über die Krise reden – natürlich, denn wir befinden uns mittendrin. Die Krise hat vor allem auch den Gesundheits- und Pflegebereich sehr getroffen. Mittlerweile wissen wir, dass diese Berufe systemrelevant sind – das hätten wir auch vorher wissen können, aber jetzt ist es ganz klar. Die Mitarbeiter in dieser Branche waren und sind noch immer sehr gefordert und geben noch immer ihr Bestes. Wir wissen auch, dass es in dieser Branche einen enormen Pflegekräftemangel gibt. In der letzten Studie des Sozialministeriums – sie ist im November 2019 erschienen – wird ein Bedarf von 75 000 Arbeitskräften genannt. Das heißt, 75 000 Arbeitskräfte sind in die­sem Bereich bis 2030 notwendig, und 2030, meine Damen und Herren, ist nicht weit weg.

Davon, die Gunst der Stunde zu nutzen, wurde öfters gesprochen, auch davon, die Chance der Krise zu nützen. – Ja! Worauf will ich hinaus? – Auf der einen Seite haben wir eben leider diese hohe Arbeitslosigkeit – und wenn ich etwa an den Touris­mus­bereich denke, muss ich sagen, es wird leider eher länger dauern, bis dort wieder Nor­malität herrscht –, und auf der anderen Seite – ja, auch wir gehen zu den Menschen, nicht nur die FPÖ, reden mit den Menschen, reden mit den Betroffenen, reden mit den Arbeitslosen – gibt es eben viele Personen, die sich einen neuen beruflichen Weg wünschen und sich einen neuen beruflichen Weg auch vorstellen können, und da denke ich natürlich an die Gesundheits- und Pflegebranche.

Jetzt liegt es eben an uns, an der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, dafür zu sorgen, dass diese Umschulungen, diese Qualifizierungen, diese Ausbildungen auch unterstützt werden. Mit Unterstützung meine ich jetzt nicht nur, dass wir sagen: Ja, diese Angebote schaffen wir und die gibt es!, sondern ich meine natürlich auch die finanzielle Unterstützung, die es braucht. Wir alle wissen, dass es beim Wunsch allein nicht bleiben kann und darf, denn viele wünschen sich eine berufliche Veränderung, aber erstens können sie sich zum Teil die Ausbildung nicht leisten und zweitens müssen sie schauen, wie sie durch die Zeit kommen, in der sie diese Ausbildung machen, denn von irgendetwas müssen sie ja auch leben.

Diese Angebote muss es geben, Angebote für eine neue berufliche Zukunft – das wollen wir, das wollen wir schaffen. Aus unserer Sicht ist es so, dass wir jetzt schon dabei sind, genau in diese Richtung zu denken, also nicht nur im Klima-, Umwelt- oder Wirtschafts­bereich, sondern vor allem auch im Gesundheits- und Pflegebereich eine Wende her­beizuführen, eine Wende, die sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt und die Arbeits­losigkeit auswirken soll, und zwar positiv auswirken soll. Es braucht eine zukunfts­orien­tierte Lösung und diese wird auch kommen.

Leider ist der Gesundheitsminister heute nicht hier (Abg. Belakowitsch: Er war eh da!), aber er ist sicherlich einer der Faktoren, die auch mich optimistisch stimmen, dass diese zukunftsorientierte Lösung bald kommen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.08



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 186

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


17.08.27

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es gibt in unserem Land knapp 2,4 Millionen Familien, und von diesen 2,4 Millionen Familien sind 1,2 Millionen, also knapp die Hälfte, auch von der aktuellen Arbeitsmarkt- und Wirt­schaftskrise wirtschaftlich betroffen. Die Betroffenheit, der Einkommensverlust ist meis­tens darauf zurückzuführen, dass man in Kurzarbeit geraten ist, dass man in Arbeits­losigkeit geraten ist, oder auch darauf, dass man Unternehmerin oder Unternehmer in unserem Land ist und der Umsatz von einem Tag auf den anderen ausgeblieben ist.

Diese Familien, die von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit wirklich betroffen sind, stehen oft vor zentralen Fragen, und diese sind jetzt nicht mit irgendwelchen Floskeln wegzureden, sondern da geht es beinhart darum, ob sie am Anfang des Monats die Miete überweisen oder ob sie das Geld aufheben, um in diesem Monat das Essen für ihre Familie zu bezahlen. Es geht darum, dass sie sich fragen, wie sie die Zukunft gestalten, wie der Schulbeginn der Kinder im Herbst sein wird. Das sind also nicht immer Familien, die ausreichend angespart haben, sodass sie das auch entsprechend finanzieren können.

Es gibt Familien, die gerade ein neues Haus gebaut haben, die einen hohen Kredit haben. Es gibt Alleinerziehende, und obwohl der andere Elternteil gewillt ist, brechen jetzt die Alimente weg, weil auch er in Kurzarbeit ist.

All diese Geschichten passieren, und ich frage mich, wie die Maßnahmen der Bun­desregierung zur Realität der Menschen passen. Meistens tun sie das nicht, und so auch heute.

Wenn ich mir anschaue, welche Aufgaben vor uns liegen und wie lange die Krise dauern kann, sehe ich, dass eines ganz klar ist: Wir sprechen davon, dass wir in der Politik, als Republik, einen langen Atem für die Betroffenen brauchen werden. Ich glaube nicht, dass in zwei, drei, vier Monaten all jene Menschen, die jetzt betroffen sind, wieder in einer Beschäftigung sein werden. Genau dabei ist ein wesentlicher Punkt, dass es bei den politischen Instrumenten Treffsicherheit braucht – und die fehlt. Ich möchte nur zwei Beispiele herausnehmen, damit Sie wissen, wovon ich spreche.

Ich möchte einerseits den Kinderbonus erwähnen, der an sich für all jene Familien, die betroffen sind, tatsächlich begrüßenswert ist. Ich rede von den 1,2 Millionen Familien, die Einkommenseinbußen haben. Da ist es sehr nachvollziehbar, dass man neben dem Härteausgleich und verschiedenen anderen Zuschüssen einen zusätzlichen Bonus einführt. Er wird dort helfen, aber ich frage mich – und jetzt gehe ich weiter zur Treff­sicherheit –: Alle Abgeordneten hier im Haus, die Kinder haben, für die sie Familien­beihilfe beziehen, erhalten diesen Kinderbonus. Viele Menschen, die bei uns in der Ver­waltung arbeiten, oder Menschen, die einen anders gearteten sicheren Job haben, erhalten diesen Bonus. Wir können sagen: Hätten wir Überschüsse, wäre es kein Prob­lem, aber angesichts dessen, dass wir einen langen Atem brauchen werden und die Unterstützung auch tatsächlich den betroffenen Familien zugutekommen soll, halte ich es für falsch, 600 Millionen Euro auszugeben und auch all jene zu belohnen, die derzeit gerade nicht so sehr in der Krise stecken. Wir müssen zielgerichteter sein.

Ein zweiter Punkt, der als politischer Erfolg der ÖVP zu verbuchen ist, betrifft die Frage: Warum jetzt die Bauernpensionen? Wir sprechen in diesem Jahr bereits von 50 Millionen Euro, die als jährlicher Bonus an die Bauern und Bäuerinnen ausbezahlt werden. Das sind – ich habe mir das durchgerechnet und die „Wiener Zeitung“ hat einen Bericht darüber geschrieben – knapp 110 000 Bezieherinnen und Bezieher. Ich will den Menschen


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nicht ihre Pension madig machen, wenn es aber um krisenbedingte Maßnahmen geht, sehe ich nicht, warum eine Gruppe, die zufälligerweise der ÖVP sehr nahesteht, einen Bonus bekommen soll und viele andere Gruppen, die tatsächlich betroffen sind, nicht. All das ist nicht treffsicher und hilft den Familien im Moment überhaupt nicht.

Es ist – und da möchte ich schon eine klare Sprache sprechen – verantwortungslos, denn es gibt zwei Punkte: Es gibt nicht nur die Betroffenen, sondern auch diejenigen, die nachher die Zeche bezahlen müssen. Die 40, 50, 60, 70, 80 Milliarden Euro, die wir aufgrund der Krise ausgeben, werden nicht alle die jetzige Generation bezahlen, wenn wir uns anschauen, wie langsam wir unsere Staatsschulden abbauen, sondern die nächste Generation wird das voll schultern müssen. Wir geben gerade nicht nur für betroffene Menschen Geld aus – da ist es richtig –, sondern auch für viele, bei denen das nicht der Fall ist. All das werden unsere Kinder und Enkelkinder dann wieder abtra­gen müssen.

Stattdessen – und das ist der Punkt, an dem ich mich ganz stark an Sie wende, Frau Familienministerin – wäre es sinnvoll und mehr als wichtig, dass in Ihrem Haus wirklich die Hausaufgaben gemacht werden. Es gibt so viele Dinge, die nicht funktionieren. Ich beginne wieder einmal beim Familienhärteausgleich: 108 000 Menschen haben einen Antrag gestellt. Die ersten bekommen jetzt das Geld, viele haben jetzt eine Nummer bekommen, aber wir reden davon, dass sechs Wochen lang niemand eine Antwort und fast niemand Geld bekommen hat und mittlerweile tröpfchenweise Geld fließt. Die Menschen warten darauf, dass sie überhaupt eine Antwort bekommen. Der erste Schritt, der von Ihrem Haus jetzt zu machen wäre, wäre ein täglicher Bericht – also eine Kurzinformation –, wie lange man derzeit durchschnittlich wartet, bis man Antwort bekommt, und wie viele Anträge noch offen sind, damit die Menschen wissen, wann das Geld kommt.

Der zweite Punkt ist: Wir haben die Kurzarbeit verlängert – das ist löblich –, wir haben aber nicht die Möglichkeit geschaffen, dass man beim Härtefallfonds auch für mehr als drei Monate Förderungen beantragen kann. Wenn die Situation länger andauert, wird man auch eine Möglichkeit für eine längere Förderung aus dem Härtefallfonds brauchen.

Der dritte Punkt ist, dass es natürlich eine Anpassung des Kinderbetreuungsgeldes für Unternehmerinnen und Unternehmer, die nächstes Jahr das Kinderbetreuungsgeld beanspruchen werden, brauchen wird, weil nämlich das, was dieses Jahr durch die Bundesregierung an Umsatz gestrichen wurde, durch den Härtefallfonds vielleicht teilweise ausgeglichen wird, jedoch beim Kinderbetreuungsgeld jedenfalls fehlen wird.

Der vierte Punkt ist, dass es keine Koppelung verschiedener Härtefonds mehr geben darf. Wenn man derzeit als Unternehmer kein Geld bekommt, bekommt man als Familie plötzlich auch kein Geld mehr. Das muss losgelöst voneinander betrachtet werden.

Der letzte Punkt – und damit ende ich auch schon –: Man hört, dass es nicht nur extern bei den Familien mit den Anträgen und Auszahlungen nicht funktioniert, sondern dass es auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht funktioniert. Frau Ministerin, Sie sollten Ihr Haus in Ordnung bringen – im Sinne der Familien, aber auch im Sinne Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.


17.15.38

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei, es ist unerträglich, dass Sie sich hierherstellen und Hunderttausenden Arbeitslosen von


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diesem Podium aus einen Schlag ins Gesicht versetzen, indem Sie sie als Nichtstuer bezeichnen! Das – und das haben wir richtig gehört – ist menschenverachtend und hat hier wirklich nichts verloren! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.) Es hat vor allem deshalb hier nichts verloren, weil Sie bei vielen dieser Menschen dafür verantwortlich sind, dass sie sich in der Arbeitslosigkeit befinden. Sie wurden durch Ihr Missmanagement und Ihre Maßnahmen überhaupt erst in die Arbeitslosigkeit getrieben! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Silvan.  Bravoruf des Abg. Angerer.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir beim Nichtstun sind: Fragen Sie die Bevöl­kerung, wer in ihren Augen nichts tut! Zumindest von einer Arbeitsministerin hätten sich viele erwartet, dass sie endlich einmal die Arbeit aufnimmt (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und wirklich für geordnete Maßnahmen sorgt, um den Arbeitsmarkt zu stützen und den Betroffenen zu helfen.

Frau Ministerin, wissen Sie, wie sich viele Arbeitslose fühlen (Bundesministerin Aschbacher schaut auf ihr Handy) – es interessiert Sie nicht, ich sehe es eh gerade! (Abg. Belakowitsch: Sie schreibt SMS!) –, die Sie in die Arbeitslosigkeit getrieben haben? Ich meine nicht die, mit denen Sie Fotos gemacht haben, die Sie als Opfer vor die Kamera gezerrt haben. Dazu muss ich Ihnen auch noch sagen: Es dürfte ja so sein, dass Sie ein Naheverhältnis haben, wie „Der Standard“ aufgedeckt hat und richtig schreibt. Ich darf den „Standard“ zitieren: „Die Familienministerin, das Baby und zufällige Connections“. Es wäre für Sie sogar der gute Weg, wenn herauskommt, dass „Der Standard“ recht gehabt hat. Wissen Sie nämlich, was der absolut falsche Weg ist? – Wenn Sie als Ministerin zum Eigennutzen Opfer vor die Kamera zerren, die Hilfe brauchen, und österreichweit durch die Medien treiben, nur damit es Ihnen selbst nützt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir bei Ihren Maßnahmen sind – denn die Arbeit haben Sie bis jetzt ja noch nicht aufgenommen –: Es wäre sinnvoll, dass Sie unserem Antrag zustimmen, aber auch, dass Sie Beschäftigungsoffensiven auf den Weg bringen. Was Sie mit den 450 Euro Einmalzahlung machen, ist in etwas so, wie wenn Sie den Hunderttausenden Betroffenen ein Zündholz zuwerfen, das wegbrennt, wegbrennt, wegbrennt und nach drei Monaten wieder erlischt. Jene, die sich auf Sie verlassen, Frau Minister und sehr geehrte Bundesregierung, verbrennen sich nach drei Monaten die Finger. Das haben die Arbeitslosen in diesem Land nicht verdient! (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie dann noch die Arbeitslosen in zwei Gruppen aufteilen – ich danke Kollegen Loacker, der ja schön herausgearbeitet hat, warum Sie das machen –, kann man nur noch sagen, dass das dem Missmanagement auf dem Rücken der Betroffenen die Krone aufsetzt.

Ein ähnliches Missmanagement finden wir beim österreichischen Bundesheer. Um we­nigstens dem ein Ende zu bereiten, darf ich einen gemeinsamen Antrag aller Oppo­sitionsparteien – FPÖ, SPÖ und NEOS – einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Robert Laimer, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beseitigung der Entlohnungs-Ungerechtigkeiten von Soldaten im COVID-Einsatz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass als kurzfristige Ausgleichsmaßnahme zur Beseitigung der Entlohnungs-Ungerechtigkeiten bei Soldaten


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im COVID-Einsatz die Anerkennungsprämie auf die Höhe der Einsatzzulage angehoben wird und weiters das Heeresgebührengesetz dahingehend geändert wird, dass auch Einsatzpräsenzdienstsoldaten eine Einsatzprämie bekommen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Treten Sie diesem Schulterschluss – einem Schulterschluss, der wirklich etwas bringt –bei, dann haben Sie wenigstens für die Bevölkerung etwas weitergebracht!

Frau Minister, bei aller Wertschätzung: Wenn Ihnen die Schuhe als Ministerin zu groß sind, geben Sie Ihr Ressort an jemanden ab, der es besser macht. Mir würden einige einfallen – Kollege Obernosterer oder ähnliche. (Abg. Kollross: Der wird schon Finanz­minister! – Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ. – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Kommen Sie zumindest endlich in die Gänge! Die Bevölkerung hat es nicht verdient, dass nicht gehandelt, sondern einfach nur weiterhin gewurschtelt wird und dabei für die Bevölkerung nichts herauskommt! (Beifall bei der FPÖ.)

17.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schnedlitz, Dr. Bösch, Laimer, Hoyos-Trauttmansdorff

und weiterer Abgeordneter

betreffend Beseitigung der Entlohnungs-Ungerechtigkeiten von Soldaten im COVID-Einsatz

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes in der 36. Sitzung des National­rates, XXVII. GP, am 17. Juni 2020

Die "Kronen Zeitung" vom 14.06.2020 berichtete über die Entlohnungs-Ungerechtig­keiten der Soldaten im COVID-Einsatz:

„Unmut bei Milizsoldaten Ankündigung einer Prämie: Schuss ging nach hinten los Kommandanten wenden sich an die Ministerin

Offener Brief für Ende der ungleichen Bezahlung

Gleiche Arbeit, gleicher Dienstgrad, aber ungleiche Bezahlung – seit Wochen ist deshalb der Unmut bei den Milizsoldaten enorm. Zehn der 13 Kommandanten der zum Miliz-Einsatz einberufenen Kompanien richten nun in einem offenen Brief, der der „Krone“ vorliegt, klare Worte an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP): Sie wollen ein Ende der ungleichen Bezahlung.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner am Tag der Miliz vergangenen Dienstag. Das Besoldungsschema des Bundesheeres sorgt seit Wochen für Unmut bei jenen Soldaten, die aufgrund der Corona-Krise zum Miliz-Einsatz einberufen wurden. Denn das Heer unterscheidet in Sachen Bezahlung innerhalb der Miliz zwischen verpflichtend ein­berufenen und freiwillig gemeldeten Soldaten. Erstere bekommen monatlich um rund 1000 Euro weniger – und das trotz gleicher Arbeit und gleichen Dienstgrads. Dass das ein Problem ist, hat auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) erkannt, die am Tag der Miliz vergangenen Dienstag wie schon zuvor versprach, dass an einer gesetzlichen Lösung gearbeitet werde. Um die Gehaltskluft etwas zu schließen, stellte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 190

sie außerdem eine Prämie in Aussicht: Sie beträgt 1000 Euro für drei Monate im Einsatz – also monatlich 333 Euro. Damit wird die Kluft aber lediglich von 90 auf 60 Prozent reduziert.

Benachteiligte fühlen sich „als Soldaten 2. Klasse“

Den Unmut bei den Milizsoldaten konnte die Verteidigungsministerin dadurch nicht verringern – ganz im Gegenteil. Nun haben sich zehn der 13 Kommandanten der zum Miliz-Einsatz einberufenen Kompanien zusammengetan, um sich in einem gestern Nachmittag versendeten offenen Brief, der der „Krone“ vorliegt, an die Ministerin zu wenden.

Und dieser Brief, der auch an den Milizbeauftragten Generalmajor Erwin Hameseder ging, spricht eine klare Sprache: „Unsere Milizsoldaten, welche mit Engagement und Eifer ihren Dienst versehen beziehungsweise versehen haben, fühlen sich aufgrund der Entlohnung stark benachteiligt und daher als Soldaten 2. Klasse.“ Außerdem: „Wir Milizsoldatinnen und -soldaten wollen nicht, dass dieser Einsatz als ,Taglöhner-Einsatz‘ in die Geschichte eingeht, sondern als das, was er ist: ein Einsatz für Österreich und seine Bevölkerung.“ Gefordert wird, die Ungleichheiten in der Besoldung zu beheben.

Was so nicht im Brief steht, aber hinter vorgehaltener Hand gesagt wird: Der Unmut über die Prämie ist enorm. Das untermauert auch ein Mail, das ein Soldat vor wenigen Tagen unter anderen an Hameseder schickte und das der „Krone“ ebenso vorliegt. Darin steht etwa: „Diese propagierten 1000 Euro für 90 Tage Einsatz sind keine Wertschätzung oder Prämie, diese sind einfach nur Verhöhnung und ein Schlag ins Gesicht jedes einzelnen Milizsoldaten und zeigt nur, was wir wirklich für die Vertreter des Österreichischen Bundesheeres sind: billige Arbeitskräfte!“ Ein anderer Milizsoldat schreibt in einem Facebook-Posting sogar von „Hochverrat der Politik an uns Milizsoldaten“.“

Auf der anderen Seite wird ein 450 Millionen Euro schweres staatliches Rettungspaket für die AUA, die zu 100 Prozent zur deutschen Lufthansa gehört, ermöglicht. Das Politik-Institut der Uni Wien vermisst dazu noch eine Gegenleistung für den Zuschuss-Teil von 150 Millionen Euro, so „Die Presse“ vom 09.06.2020.

Somit sollten erst recht auch die finanziellen Mittel für die gerechte Entlohnung unserer Soldaten im Einsatz vorhanden sein.

Um das Gehaltsdelta zwischen Einsatzpräsenzdienst-Milizsoldaten und freiwillig waffen­übenden Milizsoldaten kurzfristig zu schließen, sollte die Anerkennungsprämie auf die Höhe der Einsatzzulage angehoben werden. Tanners präsentierte Anerkennungsprämie von 1.000 Euro für den gesamten Einsatz kompensiert den Betrag nur um 333 Euro monatlich. Das ergibt noch immer ein Minus von rund 60%, die Einsatzpräsenzdienst-Soldaten weniger verdienen als freiwillig-waffenübende Milizsoldaten.

Langfristig braucht es eine Gesetzesänderung im Heeresgebührengesetz dahingehend, dass auch Einsatzpräsenzdienstsoldaten in den Genuss einer Einsatzprämie kommen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass als kurzfristige Ausgleichsmaßnahme zur Beseitigung der Entlohnungs-Ungerechtigkeiten bei Soldaten


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im COVID-Einsatz die Anerkennungsprämie auf die Höhe der Einsatzzulage angehoben wird und weiters das Heeresgebührengesetz dahingehend geändert wird, dass auch Einsatzpräsenzdienstsoldaten eine Einsatzprämie bekommen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte.


17.20.11

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Schnedlitz, Kollegen Obernosterer kann man nicht als Nachfolger der Ministerin vorschlagen, denn den haben wir schon als Nachfolger für den Finanzminister vorgeschlagen (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und mehr Ressorts kann er nicht übernehmen. Das heißt, er ist die einzige Personaldecke, die wir noch in der ÖVP drüben haben, und die muss man wirklich für bessere Positionen aufheben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Meine Damen und Herren, Kollege Wöginger hat gesagt, wir sollten wieder zu den Menschen gehen. – Brauchen wir nicht, Kollege Wöginger, weil die Menschen zu uns kommen. Die kommen mit ihren Problemen zu uns, die ihr verantwortet habt, weil sie in einer dramatischen Situation sind, in einer Situation, in der es um ihre Existenz geht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie wollen von uns wirklich Lösungen haben, die wir ihnen auch anbieten werden.

Es wurde auch gesagt, das Kurzarbeitsmodell funktioniere gut. – Im Zuge dieser Debatte zum Dringlichen Antrag habe ich ein Mail erhalten, und in diesem schreibt mir eine Betroffene Folgendes:

„Das habe ich heute vom AMS bekommen, wir haben am 2. Mai den April abgerechnet. 46 Tage für diese Antwort, dabei hat mein Steuerberater die Eingabe gemacht !!!“

Diese Antwort lautet:

„Sehr geehrte Damen und Herren, die von Ihnen übermittelten Daten zur Teilabrechnung der bewilligten COVID-19 Kurzarbeitsbeihilfe können nicht verarbeitet werden, da diese entweder als allgemeine Nachricht an das AMS und nicht als projekt-bezogene Nachricht über ihr eAMS Konto übermittelt wurden oder der vom System generierte Dateiname der CSV-Datei von Ihnen geändert wurde. Bitte übermitteln Sie uns eine neue Abrechnung für April 2020 und ändern Sie NICHT den Dateinamen der csv.Datei. Erst nach erneuter Übermittlung und positiver Prüfung der Abrechnung für April 2020, kann die von Ihnen gesendete Abrechnung für Mai 2020 bearbeitet werden.“ (Abg. Heinisch-Hosek: Skandal!)

Wenn es wieder 46 Tage dauert, Frau Bundesminister, bis der April abgerechnet werden kann, sind wir also irgendwann einmal mit der Aprilabrechnung im August drinnen. Das heißt, die Firma kann Insolvenz anmelden, weil sie das für ihre Beschäftigten nicht be­zahlen kann, und es gibt wieder mehr Arbeitslose. Das ist die Situation, in der die Beschäftigten und die Betriebe sind, und zwar mit Maßnahmen, die Sie gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Meine Damen und Herren, was ist denn noch passiert? – Die Regierung hat gestern ein großes Paket beschlossen. Sie haben gestern ein bis 1.1.2020 rückwirkendes Ent­lastungspaket im Sozialversicherungsbereich für die Bauern beschlossen. Was ist denn


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da beschlossen worden? – Beschlossen worden ist eine Absenkung des Anrechnungs­prozentsatzes beim fiktiven Ausgedinge von 13 auf 10 Prozent, das macht für die Bauern in etwa 450 Euro im ganzen Jahr aus – auf immer, nicht als Einmalzahlung. Gestrichen wird der Solidaritätsbeitrag in der Höhe von 0,5 Prozent, den alle bäuerlichen Pen­sionisten zahlen. Zudem haben Sie die Krankenversicherungsmindestbeitragsgrundlage gesenkt, das entlastet die Einheitswertbetriebe um bis zu 350 Euro im Jahr und die Optionsbetriebe um bis zu 930 Euro im Jahr.

Bevor der Aufschrei kommt, wir seien gegen die Bauern: Nein, sind wir nicht! Wir wollen eh, dass die Bauern etwas kriegen, meine Damen und Herren, aber die Bauern kriegen die Krankenversicherung und die Pension nur, weil das ein Sozialdemokrat gemacht hat, nämlich Bruno Kreisky. Sonst hätten diese das bis heute noch nicht, denn von euch in der Alleinregierung haben sie es nicht bekommen, meine Damen und Herren – auch das gehört einmal dazugesagt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir vergönnen es ja den Bauern. Was aber wollen wir? – Wir wollen, dass alle Menschen gleich und fair behandelt werden. Das passiert aber mit dieser Regierung nicht. Schauen wir uns zum Beispiel an, was mit dem Arbeitslosengeld gemacht worden ist: Was ist da beschlossen worden? – Eine Einmalzahlung von 450 Euro; nicht eine Erhöhung, sondern eine Einmalzahlung von 450 Euro, und das erst im Nachhinein, im September. Heute ist oft genug gesagt worden, einige oder viele werden das nicht bekommen – das ist wahrscheinlich so geplant gewesen. Den Arbeitslosen, die unschuldig in die Arbeitslosigkeit geraten, helfen diese von der Regierung getroffenen Maßnahmen nicht bei dem Ganzen, sie haben nichts davon. (Zwischenruf des Abg. Prinz.)

Was hat denn der Bundeskanzler einmal in der Coronakrise gesagt? – Er hat in der Coronakrise gesagt: Jeder wird einen kennen, der durch Corona verstorben ist! – Gott sei Dank ist das nicht eingetroffen, muss man sagen; Gott sei Dank ist es nicht ein­getroffen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Eines können wir nun aber garantiert sagen, meine Damen und Herren: Jeder wird einen kennen, der durch die Maßnahmen der Regierung arbeitslos geworden ist oder in Kurzarbeit gekommen ist! (Zwischenruf bei den Grünen.)

Es gibt viele, viele Existenzen, die aufgrund dieser Maßnahmen an der Kippe stehen, und ich nenne Ihnen einige Beispiele dafür, wie die Situation von Betroffenen ausschaut. Kollege Wöginger hat uns ja ein theoretisches Rechenbeispiel aus dem Lehrbuch gebracht – ich nenne ihm ein Rechenbeispiel aus der Praxis, also von etwas, das passiert ist: Es geht um eine Friseurin, die mit 16.3. gekündigt worden ist. Bis dahin hat sie einen Jahresverdienst von 18 883 Euro gehabt und nun bekommt sie aufs Jahr gerechnet ein Arbeitslosengeld von 8 868 Euro. Das heißt, sie hat eine Nettoersatzrate von 46 Prozent, nicht von 55 Prozent.

Wie passiert denn so etwas, dass sie nur 46 Prozent Nettoersatzrate haben kann, meine Damen und Herren? – Sie war vorher Lehrling, und es wird da der letzte Jahresverdienst herangezogen. Sie hat auch keine Familienbeihilfe und keine Kinderbeihilfe, die sie für eine Erhöhung der Nettoersatzrate hernehmen kann. Sie bleibt bei ihren 46 Prozent Nettoersatzrate stehen und fürchtet schrecklich um ihre Existenz, weil sie ihre Miete und das alles nicht mehr bezahlen kann. – Auch das sind Maßnahmen der Regierung, die Sie gesetzt haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wie geht es denn noch weiter? – Sie hat keine Einzahlungen mehr in die Abfertigungs­kassa, das heißt, die Zeiten fehlen ihr dann irgendwann einmal in ihrem Berufsleben, falls sie jemals eine Abfertigung bekommen sollte. Sie hat keine anrechenbaren Pen­sionszeiten mehr, meine Damen und Herren, weil das ja keine Beitragszeiten, sondern Versicherungszeiten sind, die für die Pension nicht angerechnet werden. Das heißt, sie


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verliert auch Geld für die Pension. Sie hat in dieser Zeit auch kein Trinkgeld mehr, das bei den Friseurinnen und Friseuren immer ein Lohnbestandteil ist. All das aufgerechnet kommt sie auf eine Nettoersatzrate von nicht einmal 30 Prozent. – Wenn das das Verdienst dieser Regierung ist, na dann pfiat euch Gott, das brauchen wir nicht!

Ich möchte aber wieder zum Anfang meiner Rede zurückkommen: Alle Menschen in Österreich sollen gleich und fair behandelt werden. Ich glaube, das will jeder von uns hier herinnen. Das, was für die Bauern geschaffen wurde, wollen wir auch für die Arbeitslosen in Österreich haben, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Wir wollen, dass die, die unschuldig in die Arbeitslosigkeit geraten sind, mindestens 70 Prozent Nettoersatzrate erhalten, damit sie halbwegs anständig bei uns in Österreich leben können und nicht fürchten müssen, vielleicht nichts zum Essen zu bekommen, ihre Unterkunft nicht mehr zahlen zu können und obdachlos zu werden. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Eßl.)

Das ist wirklich notwendig, damit uns nicht im Herbst ein Desaster passiert, denn viele Firmen haben uns gesagt, sie können bis Ende August, bis Ende September die be­stehenden Aufträge, die sie haben, abarbeiten, aber dann sind sie fast auf null. Dann gibt es auch die Menschen in Kurzarbeit nicht mehr, denn die Firmen können sie nicht mehr weiterbehalten, wie Sie das gesagt haben, Frau Minister. Dann werden diese Menschen in die Arbeitslose kommen und die Menschen werden dann auf dem Markt sein, wo sie wirklich nichts bekommen. Damit das nicht passiert, bedarf es eines starken Investitions- und Beschäftigungspakets.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat das größte Investitions- und Beschäftigungsprogramm in der Geschichte der Zweiten Republik vorzulegen, das geeignet ist, Österreich mittelfristig zur Vollbeschäftigung zurückzuführen. Dies soll insbesondere durch ein Vorziehen der geplanten Steuerreform für kleine und mittlere Einkommen, öffentliche Investitionen – insbesondere im Bereich Klimaschutz –, die Schaffung von Investitionsanreizen für Unternehmen, öffentliche Beschäftigungspro­gramme sowie einer dauerhaften Anhebung des Arbeitslosengeldes gelingen.“

*****

Setzen Sie das um! Damit habe ich wieder etwas Hoffnung für die Zukunft in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pamela Rendi-Wagner, Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 194

Betreffend Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Michael Schnedlitz und weiterer Abgeordneter betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maß­nah­me)

Die Regierungsfraktionen haben Anfang Juni den nachfolgenden Konjunkturantrag der SPÖ abgelehnt. Mittlerweile hat Deutschland ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunk­turpaket beschlossen. Die österreichische Regierung zaudert und zögert auch hier. Arbeitslose werden mit Einmalzahlungen von 450 Euro verhöhnt. Besonders gönnerhaft ist man nur dort, wo man den Aktionären der deutschen Lufthansa österreichisches Steuergeld – ohne Bedingungen – schenkt. Die Regierungsfraktionen sollen daher nochmal die Gelegenheit haben, ein echtes Investitions- und Beschäftigungspaket auf den Weg zu bringen.

Die Ausgangslage

Der Lockdown hat eine soziale und wirtschaftliche Krise ausgelöst, die beispielhaft ist in der Zweiten Republik. Die Arbeitslosigkeit ist binnen kürzester Zeit explodiert (+76 % April 2020 im Vgl. zu April 2019), Unternehmen kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) erwartet angesichts der Corona-Pandemie in Österreich 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,2% (best case) bis 7,5% (worst case). Damit wäre das Wachstum der vergangenen zwei Jahre vernichtet und das BIP am Stand von 2017.

Österreich hat mithilfe der Bevölkerung und dank der gut ausgestatteten öffentlichen Spitäler das Corona-Virus bisher erfolgreich eingedämmt, bei der Bekämpfung der Ausbreitung der sozialen und wirtschaftlichen Krise versagt die Bundesregierung. Die Wirtschaftshilfen wurden zu spät beschlossen, sind zu wenig und zu bürokratisch. Den Ankündigungen in Pressekonferenzen folgen keine Taten – wortreich wird fast täglich mit Millionen jongliert, bei den Betroffenen kommt nichts davon an.

Steuern auf Arbeit senken, aus der Krise „hinausinvestieren“

Angesichts der negativen Wirtschaftsprognosen hat Österreich keine Zeit mehr zu verlieren. Es muss jetzt gehandelt werden. Der Beschäftigungsmotor muss gezündet werden, um die Arbeitslosigkeit zu senken und Beschäftigung zu schaffen. Senken wir die Steuern auf Arbeit, um den Konsum anzukurbeln. Investieren wir in Wachstum und Beschäftigung, um einen Neustart der heimischen Wirtschaft zu ermöglichen. Stellen wir die Wirtschaft auf ein widerstandsfähiges und nachhaltiges Fundament.

Das größte Investitions- und Beschäftigungspaket braucht einen vernünftigen Maß­nahmenmix:

1.          Nachfrage stabilisieren, Konsum stärken

•             Arbeitslosengeld auf 70% Nettoersatzrate anheben – damit erhöht sich das Einkommen aller Arbeitslosen und auch jener Menschen, die aufgrund von Corona unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind, um fast 30%.

•             Zwar wurde ein SV-Bonus zur Stärkung der kleinen und mittleren Einkommen beschlossen, für die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen greift diese Maßnahme allerdings erst 2021 und damit viel zu spät. Der SV-Bonus soll für alle schon ab 1.1.2020 greifen – rückwirkend!

•             Zusätzlich Tarifsenkung für die Lohn- und Einkommenssteuer vorziehen. Für kleine und mittlere Einkommen soll die Steuersenkung schon ab 1.7.2020 voll wirken.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 195

2.          Investitionsturbo starten

Die Unternehmen halten sich aufgrund des größten Wirtschaftseinbruchs seit den 1930er Jahren mit Investitionen zurück. Dies führt zu einem (weiteren) Rückgang des Wirtschaftswachstums. Damit die Unternehmen wieder mehr investieren, müssen Anreize geschaffen werden.

a.          Vorzeitige Abschreibung als Investitionsanreiz: Einführung einer zeitlich be­grenzten vorzeitigen Abschreibung – also steuerliche Anreize für Investitionen für Unter­nehmen, sodass Investitionen vorgezogen werden – zum Beispiel für Investitionen von 1.7.2020 bis 1.7.2021. Das stärkt die Industrie und belastet das Budget mittelfristig zudem nicht.

b.          Gemeinnützigen Wohnbau verstärken: Durch Zweckzuschüsse des Bundes für die Schaffung von leistbarem Wohnraum. Das schafft zusätzliche Arbeitsplätze.

c.          Sofortige thermische Sanierung aller öffentlichen Gebäude: Zur Stärkung der Bauwirtschaft und der Zulieferindustrie.

d.          Klimainvestitionspaket in Höhe von 1 Mrd. € jährlich (Verkehr, alternative Energien, Forschung und Entwicklung etc.)

e.          Infrastrukturinvestitionspaket für Städte- und Gemeinden: Aufgrund des Wirt­schaftseinbruchs droht bei den Gemeinden ein riesiger Investitionsstau. Der Städtebund rechnet mit bis zu 2 Mrd. € Einnahmeverlust. Das ist für die lokalen KMUs ein großes Problem – weil die Gemeinden wichtige Auftraggeber sind. Daher braucht es ein jährliches Investitionspaket für Gemeinden von zumindest 500 Mio. € jährlich.

f.            Thermische Sanierung für Privathaushalte. Für Privathaushalte mit alten Heizsystemen und schlechte gedämmte Wohnungen/Häusern soll es eine staatlich garantierte, zinslose Sanierungsaktion geben. Dabei soll bei der Bank die Bestä­ti­gung/Rechnung des Installateurs bzw. der Baufirma direkt eingereicht werden können. Die Bank übernimmt die Rechnung und die betroffenen Haushalte erhalten einen zinslosen Kredit der über 10 Jahre abzubezahlen ist.

3.          Beschäftigung stärken

Das WIFO hat festgestellt, dass uns bis 2030 rund 25.000 Pflegekräfte fehlen werden. Eine Investition in FacharbeiterInnenausbildung rentiert sich daher doppelt. Kurzfristig kommen Menschen in Schulungsmaßnahmen, mittel- bis langfristig mildern wir dadurch das Pflegeproblem.

a.          Qualifizierungsoffensive: Ein „Qualifizierungsgeld Neu“ soll allen Personen über 25 Jahre, die beruflichen Neuorientierungs- oder grundlegenden Weiterbildungsbedarf haben, eine Weiterbildung ermöglichen. Es soll mit Rechtsanspruch ausgestattet sein und auch gegenüber dem Arbeitgeber sollen Beschäftigte, die das Qualifizierungsgeld nutzen wollen, eine Freistellung für die Ausbildung analog zur Elternteilzeit durchsetzen können. Mit dem neuen Qualifizierungsgeld sollen schrittweise die bisherigen Instrumente Bildungskarenz, Bildungsteilzeit und Fachkräftestipendium ersetzt werden. Von dieser Offensive sollen als aller erstes potentielle Pflegekräfte erfasst sein.

b.          Aktion 20.000 zu einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose umwandeln: Die schwarz-blaue Bundesregierung hat mit dem vorzeitigen Stopp der „Aktion 20.000“ tausenden älteren Arbeitslosen die Tür vor der Nase zugeknallt. Im freien Spiel der Kräfte wurde eine Art „Aktion 20.000 light“ eingeführt. Dies wird angesichts Corona bei weitem nicht ausreichen, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit in dem Segment der älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen einzubremsen. Hier braucht es einen großen Wurf im Sinne einer Beschäftigungsgarantie für ältere Menschen und Lang­zeitarbeitslose.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 196

c.          Lehrlingspaket

Die dramatischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt treffen besonders Jugendliche sehr stark. Als letzte in den Betrieb gekommen, sind sie oft die ersten die ihren Job verlieren. Zuspitzen wird sich die Situation auch für jene, die jetzt die Schule abschließen. Sie werden im Herbst auf Lehrstellen bzw. Jobsuche sein. Die Aussichten hierfür sind allerdings düster: 5.000 Lehrstellen drohen zu fehlen.  Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivenlosigkeit für junge Menschen gehören zu den größten gesellschaftlichen Problemen und führen zu immensen sozialen Folgekosten. Dies wird nicht nur zu sozialen Verwerfungen führen, sondern in der Zukunft einen massiven Fachkräfte­mangel zur Folge haben.

Hier dürfen wir nicht tatenlos zu sehen. Ansonsten droht aus der Corona-Krise eine Jugendkrise zu werden, mit einer „Generation-Corona“, die in Jugendarbeitslosigkeit abdriftet. Es braucht daher dringend ein umfassendes Maßnahmenpaket insbesondere für Lehrlinge, um den Wegfall tausender Lehrstellen entgegen zu wirken. Lehrbetriebe, die trotz Corona-Krise Lehrlinge aufnehmen, müssen besser unterstützt werden. Die Ausbildungsplätze im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung müssen dringend aufgestockt werden. Hier braucht es eine Aufstockung der Finanzmittel um 70 Mio. Euro. Auch im staatlichen sowie staatsnahen Bereich müssen zusätzliche Lehrstellen ge­schaffen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat das größte Investitions- und Beschäftigungsprogramm in der Geschichte der Zweiten Republik vorzulegen, das geeignet ist, Österreich mittelfristig zur Vollbeschäftigung zurückzuführen. Dies soll insbesondere durch ein Vorziehen der geplanten Steuerreform für kleine und mittlere Einkommen, öffentliche Investitionen – insbesondere im Bereich Klimaschutz -, die Schaffung von Investitionsanreizen für Unternehmen, öffentliche Beschäftigungspro­gramme sowie einer dauerhaften Anhebung des Arbeitslosengeldes gelingen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


17.28.05

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Die Coronakrise und ihre Folgen haben unseren Arbeitsmarkt dramatisch verändert. Unsere Wirtschaft ist am Boden, die Arbeitslosenzahlen sind erschreckend hoch und unser Kanzler kündigt Qualifizierungsmaßnahmen an, die aber im aktuellen Covid-19-Paket nicht enthalten sind. Es ist von einer Arbeitsloseneinmalzahlung in der Höhe von 200 Millionen Euro die Rede. Das ist sicherlich gut gemeint; gut gemeint ist aber das Gegenteil von gut gemacht. Zahlreiche Arbeitslose kommen aus Branchen, die durch Corona einen dauerhaften oder jedenfalls nachhaltigen Einbruch erlebt haben. Da bedarf es sinnvoller Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 197

Ministerin Aschbacher, Sie sprechen schon seit Wochen und auch heute wieder vom großen Maßnahmenkoffer, aber immer mehr Menschen verzweifeln, weil auch dieser gar nicht oder sehr langsam gepackt wird. Ich frage mich, wo dieser Koffer ist. Es gibt keine finanziellen Mittel dafür, arbeitslosen Menschen eine neue Zuversicht zu bieten. Wir brauchen jetzt Maßnahmen und Lösungen, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer als auch jenen der Betriebe entsprechen. Wie genau helfen Sie diesen Menschen? Mit überbürokratischen Anträgen, von denen rund 40 Prozent aufgrund minimaler Fehler nicht einmal bearbeitet werden?

Sie haben auch gesagt, Sie sorgen dafür, dass Sie niemanden zurücklassen. Menschen mit Behinderung leiden auch unter dem Mangel an Qualifizierungsmaßnahmen. Sie sind bei Personalleasingfirmen beschäftigt und werden an Unternehmen vermietet. In Krisenzeiten werden diese Menschen als Erste gekündigt und erhalten als Letzte auch wieder einen Job. Da braucht es ein stärkenorientiertes Konzept, um die zahlreichen Talente in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Die Wirtschaftskrise 2008 hat schon gezeigt, dass solche Krisen die Digitalisierung vorantreiben. Dadurch wird Berufsqualifizierung immer wichtiger. Aktive Arbeitsmarkt­politik ist unumstritten von besonderer Bedeutung, um langfristige Erwerbschancen zu steigern und nachhaltig zu sichern.

Abgeordneter Wöginger, Sie haben gesagt, unser Kurzarbeitsmodell sei europaweit eines der besten. Von welchem Modell sprechen Sie? Das Modell ist so bürokratisch, dass sogar der Vizekanzler gestern gemeint hat, es muss dringend überarbeitet werden.

Die Regierung hätte jetzt die Chance gehabt, die österreichische Arbeitsmarktpolitik zukunftsgerecht und treffsicher zu machen, aus der Krise zu führen und die Ver­säumnisse der Vergangenheit aufzuholen. Es bleibt aber bei Einzelmaßnahmen, die keinen Menschen wieder in Beschäftigung bringen. (Beifall bei den NEOS.)

17.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


17.31.00

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, geschätzter Kollege Bernhard, diese Regierung hat sich mit dem Kinderbonus zu einem unbürokratischen Weg entschlossen, allen Familien diese Leistung von 360 Euro pro Kind zukommen zu lassen, weil auch alle Familien in der Coronazeit unglaubliche Leistungen erbracht haben, wie zum Beispiel Homeschooling, Betreuung und viele weitere Themen. Es war so viel an Leistungen, dass wir sagen können, die Familien waren es, die diese Gesellschaft durch die Krise getragen haben. Deswegen stehen wir auch zu dieser unbürokratischen Methode, Geld zu den Familien zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Familienhärtefonds sei auch eines gesagt: Faktum ist, dass es seit Mitte April die Möglichkeit gibt, Anträge auf Mittel aus diesem Fonds zu stellen. Man muss dazusagen, dass auch in den letzten Jahren in Bezug auf diesen Fonds circa 600 Anträgen pro Jahr eingegangen sind. Mit Beginn der Krise war es nun so, dass eine ganze Flut an Anträgen ins Ministerium gekommen ist und die Antworterfordernisse die Systeme überlastet haben, sodass die automatischen Antworten nicht mehr hinausgegangen sind und ein neues System aufgesetzt werden musste, damit da eben entsprechende Informationen zu den Menschen kommen.

Faktum ist, dass inzwischen mehr als die Hälfte aller Anträge bearbeitet ist und dass von den 30 Millionen Euro auch über 10 Millionen Euro ausbezahlt sind. Wir sind da also auf einem guten Weg, was uns auch sehr freut. Faktum ist auch, dass bei der Hälfte aller Anträge Angaben fehlen. Diese Anträge müssen nun einzeln – einzeln! – nachgearbeitet


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 198

werden. Die Antragsteller werden kontaktiert, damit der Antrag auch entsprechend ver­vollständigt wird. Dass das bei dieser Flut an Anträgen etwas dauern kann, das sollte, glaube ich, auch jeder verstehen.

Dass Anträge auf Mittel aus dem Familienhärtefonds in Fällen, in denen keine Kinder vorhanden sind – wir sprechen vom Familienhärtefonds – oder es zu keinem Einkom­mens­verlust gekommen ist, abgelehnt werden, sollte auch klar sein. Ich glaube, dass wir bei diesem Familienhärtefonds auf einem guten Weg sind und dass die Menschen da auch entsprechend zu ihrem Geld kommen. Ich danke der Frau Minister, dass man da mit aller Kraft dahinter ist.

Aber auch noch ein Wort zu den Pensionen der Bauern und zu Kollegen Schellhorn (Abg. Scherak: Sind super, oder?): Die Absenkung des fiktiven Ausgedinges bewirkt eine bescheidene Anhebung der Bauernpensionen. Diese Bauernpensionen, von denen wir hier reden, werden auch nach dieser moderaten Anhebung unter der Mindest­pension, unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen. Wenn ein erfolgreicher Hotelier wie Herr Kollege Schellhorn hier herinnen diesen Bauern diese bescheidene Anhebung vorwirft und vorhält, dann ist das ganz einfach schäbig, seinen ...

17.34

17.34.22


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter – ich habe Ihr Mikro ausgeschaltet (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen) –, ich wollte Sie ersuchen, sich in Ihrer Wortwahl zu mäßigen, auch wenn es eine sehr emotional geführte Debatte ist, und Sie darauf aufmerksam machen, dass die Fraktionsredezeit ausgeschöpft ist.

Es ist dazu jetzt auch niemand mehr zu Wort gemeldet, und somit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage, bevor wir jetzt in eine Reihe von Abstimmungen kommen, die Klubobleute, ob sie eine Sitzungsunterbrechung möchten oder ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang eintreten können. – Ich habe vernommen, dass wir sogleich zur Abstimmung schreiten können.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 633/A(E) der Abgeord­neten Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich-Gutschein“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zeitliche Staffelung des Arbeitslosen­gel­des“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Belakowitsch, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich“:

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 199

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rendi-Wagner, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „1.000 Euro Steuersenkung ab 1.7.2020“:

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Amesbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiederein­führung des Blum-Bonus“:

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schnedlitz, Laimer, Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beseitigung der Entloh­nungs-Ungerechtigkeiten von Soldaten im COVID-Einsatz“:

Wer für diese Entschließung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich braucht das größte Investitions- und Beschäftigungspaket in der Geschichte der Zweiten Republik“:

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

17.38.00Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag (COVID-19-Unterausschuss)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte.

Die kurze Debatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Krainer, Fuchs und Doppelbauer, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A eine Frist bis 18. Juni zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird sogleich die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag erfolgen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner, keine Rednerin länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung 10 Minuten Redezeit zukommen. Stellungnahmen vonseiten der Mitglieder der Bundesregierung sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Als erstem Redner der Debatte erteile ich Herrn Abgeordnetem Kai Jan Krainer das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.38.59

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist jetzt kein neues Thema, sondern da geht es um die Frage, wie das Parlament seiner Aufgabe der Kontrolle – das ist eine der Kernaufgaben des Parlaments – nachkommen soll, was die gesamten Covid-Hilfsmaßnahmen betrifft.

Da gibt es im Prinzip zwei Vorschläge: Der eine Vorschlag kommt von den Regie­rungsparteien. Da ist ein Beirat bei der Cofag, also bei irgendeiner Firma, über die ein Teil der Hilfsgelder läuft, eingerichtet worden, und der darf sich das bei einem Teil dieses Teils ansehen und auch eine Meinung abgeben – allerdings im Geheimen, im Stillen, im Verborgenen. (Abg. Maurer: ... alle!) Das ist der Vorschlag der Regierungsparteien.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 200

Die Oppositionsparteien halten sich eigentlich an das, was ich vor zwei Tagen am Abend im Fernsehen gehört habe, nämlich – ich habe hier ein Zitat –: Beim Hantieren mit Steuergeld braucht es Regeln und Kontrolle. – Zitatende. Wer hat das gesagt? – Das ist vielleicht vor allem für die ÖVP interessant, das war nämlich ÖVP-Chef Sebastian Kurz, und zwar in der „ZIB 2“ am Montag am Abend, also vor nicht einmal 48 Stunden: Beim Hantieren mit Steuergeld braucht es Regeln und Kontrolle.

Das Parlament ist zuständig für diese Kontrolle, und der Vorschlag der Oppo­sitions­parteien ist, genau das zu tun, nämlich einen eigenen Unterausschuss im Parlament, einen Covid-19-Kontrollausschuss, einzusetzen.

Was soll der machen? – Der soll nicht ein Instrument, nicht einen Topf kontrollieren, wie das der Vorschlag der Regierungsparteien ist, also nicht nur 15 Milliarden Euro, sondern die gesamten 50 Milliarden Euro. (Abg. Vogl: ... es 50 sind! – Abg. Leichtfried: Stimmt!) Die soll der Unterausschuss kontrollieren. Er soll das nicht im Dunkeln machen, wie es der Vorschlag der Regierungsparteien vorsieht, sondern im Licht, nämlich im Licht der Öffentlichkeit, in medienöffentlichen Sitzungen.

Er soll das nicht so machen, wie das der Vorschlag der Regierungsparteien ist, dass dort in Wahrheit niemand Rede und Antwort stehen muss, sondern dass alle Ent­scheidungsträger das betreffend alle Töpfe tun müssen. Egal, ob es da um Kurzarbeit geht, ob es um den Härtefonds für KünstlerInnen geht, ob es um die Frage Härtefonds für KMUs, für EPUs geht oder ob es um den Härtefonds für landwirtschaftliche Betriebe oder für die Großindustrie geht, der soll sich alles ansehen dürfen, und alle Entschei­dungsträger sollen vor diesem Ausschuss erscheinen dürfen, um Rede und Antwort zu stehen.

Darüber hinaus soll dieser Ausschuss auch in alle relevanten Unterlagen, die mit diesen Covid-19-Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang stehen, Einsicht nehmen können, sprich: Er soll einfach das machen können, was er machen können muss, wenn man das Wort Kontrolle ernst nimmt – und ich nehme das sehr, sehr ernst, wenn der Bundeskanzler sagt, dass es beim Hantieren mit Steuergeld Regeln und Kontrolle braucht. – Das finden wir auch.

Es gibt da einen Vorschlag der drei Oppositionsfraktionen. Wir haben uns das ge­meinsam überlegt, haben diesen Vorschlag vorgelegt; es gibt dazu ja auch bereits Verhandlungen mit den Regierungsparteien. In Wahrheit sind wir 5 Zentimeter vor der Ziellinie, was ja etwas Positives ist, aber das sind wir nun schon seit mehreren Wochen. Damit es hier also einen Anstoß gibt, diese letzten 5 Zentimeter noch zu gehen – und es trennen uns wirklich nur noch 5 Zentimeter vom Ziel –, gibt es diesen Fristset­zungs­antrag, damit wir morgen diesen Covid-19-Kontrollausschuss hier auch tatsächlich beschließen können. Das bedarf eh mehrerer Lesungen, aber so bringen wir das jetzt quasi wirklich auf Schiene, damit diese Kontrolle endlich beginnen kann. Am Ende des Tages wollen wir alle hier nämlich eines, und zwar dass die Hilfe ankommt: dass die Hilfe bei denen ankommt, die sie brauchen.

Unsere Aufgabe ist es natürlich auch, zu schauen, ob die Hilfe ankommt und welchen Beitrag wir leisten müssen, dass die Hilfe dort, wo sie heute nicht ankommt, morgen ankommt. Ich glaube, dass jeder einzelne Abgeordnete hier auch wirklich will, dass diese Milliardenbeträge, die wir beschlossen haben, bei denen ankommen, die sie brauchen. Ich bin mir sicher, dass Kollege Kopf genauso unzufrieden damit ist, dass manche Programme etwas zu bürokratisch sind, zu lange dauern und die Hilfe nicht ankommt. (Abg. Kopf: Ist besser geworden!) Wir alle bekommen diese E-Mails: Ich habe heute wieder eine E-Mail von einer Familie bekommen, die sagt, sie hat, nachdem sie vor zwei Monaten beim Familienhärtefonds angesucht hat, jetzt eine E-Mail bekommen, dass ihr


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 201

Antrag quasi aufgenommen wurde, jetzt bearbeitet wird und man sich in Kürze bei ihnen melden werde – und das nach zwei Monaten! Das ist ein Problem, das dauert zu lange.

Wir alle hier haben unsere Arbeit zu machen, und das ist die Kontrolle der Regierung. Dafür gibt es diesen Antrag und jetzt diesen Fristsetzungsantrag, damit wir diese letzten Kleinigkeiten, um die es noch geht, wirklich erledigen können. Wir stehen bereit – ich glaube, ich spreche für alle drei Oppositionsfraktionen –, dass wir das heute noch erledigen, damit wir das morgen beschließen können.

Beim Hantieren mit Steuergeld braucht es Regeln und Kontrolle: Es würde mich freuen, wenn Sie alle die Worte des Bundeskanzlers – und die Kontrolle ist unsere Aufgabe – so ernst nehmen wie die Opposition. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Kickl.)

17.44


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger ist der nächste Redner. – Bitte.


17.45.04

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Ja, eine unserer Kernaufgaben ist tatsächlich die parlamenta­rische Kontrolle. Im Moment gibt es auch für die budgetrelevanten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie drei Säulen der Kontrolle.

Die erste ist der Rechnungshof; dieser hat angekündigt, zu prüfen. Ich glaube, das ist unser wichtigstes Kontrollorgan, da sind wir uns hoffentlich einig. Die Zweite ist ein gesetzlich verankertes umfangreiches Berichtswesen der Regierung hin zum National­rat, das wir hier, glaube ich, alle gemeinsam auch so beschlossen haben. Und die dritte Säule ist – Sie haben es ja selber erwähnt – der Cofag-Beirat, also der Beirat der Gesellschaft, die jetzt einen großen, einen wesentlichen Teil dieser Hilfsgelder an die Unternehmen ausschütten soll.

Dort gibt es nämlich einen Beirat, der folgendermaßen zusammengesetzt ist (Zwischen­ruf des Abg. Leichtfried): Dort sitzen interessanterweise eine Vertreterin des ÖGB, ein Vertreter der Arbeiterkammer – die sich dort übrigens sehr, sehr konstruktiv einbringen (Abg. Krainer: Wie immer!) –, es sitzt ein Vertreter der Wirtschaftskammer drin (Abg. Krainer: Das ist ein destruktiver ...!), und es sitzen Abgeordnete der beiden Regie­rungsfraktionen drin. Wir haben da ein wirklich konstruktives Gesprächsklima. (Abg. Leichtfried: Ja, dann ist ja alles ...! Das ist ja ...! – Abg. Matznetter: ... einfach zustim­men, einfach aufstehen!)

Die Einladung, diesem Beirat beizutreten, steht nach wie vor, und ich verstehe bis heute nicht, warum man dieser Einladung nicht folgt, diesem Beirat nicht beitritt und seine jeweiligen Expertisen und Anmerkungen dort nicht entsprechend einbringt. (Abg. Kuntzl: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried, Matznetter und Doppelbauer.) Man wüsste dann, wenn man das täte, nämlich auch viel mehr – welche Kreditgarantien schon zu Tausenden ausgestellt wurden und welche Fixkostenzuschüsse schon ausbezahlt wurden – und bräuchte sich nicht immer unwissend hierherzustellen und zu behaupten, es sei noch überhaupt nichts geflossen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Nun zu Ihrem Antrag: Ja, es hat tatsächlich auch schon konstruktive Gespräche ge­geben – wie gesagt, die Einladung, dem Cofag-Beirat beizutreten und sich dort ein­zubringen, steht nach wie vor –, aber es gibt schon noch zwei Punkte, die aus meiner Sicht offen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 202

Sie fordern in dem Antrag „Einsicht in die einschlägigen Unterlagen“. Damit ist, so nehme ich an, die Dokumentation gemeint, warum zum Beispiel welcher Unternehmer einen Fixkostenzuschuss kriegt, warum es Kreditgarantien gibt et cetera, et cetera. Das muss dokumentiert sein. Das ist diese berühmte Bürokratie, über die Sie sich hier gleichzeitig sehr echauffieren. (Abg. Doppelbauer: Nein, das ist nicht die Bürokratie, nein!) Des­wegen gibt es sie auch – sie muss sein, leider.

Der zweite Punkt ist der Ausdruck „medienöffentlich“. Sie verlangen quasi eine Medien­öffentlichkeit für diesen Ausschuss, und da stellt sich für uns schon die Frage: Was bezwecken Sie damit? – Wollen Sie dann die Friseurin oder den Wirt oder andere Unter­nehmer sozusagen vor den Ausschuss bringen (Abg. Kassegger: Nein, Friseure nicht, den Best Friend, der ... Millionen kriegt, hätten wir gern!), und die sollen dann erklären, warum sie Unterstützungsmaßnahmen brauchen oder gebraucht haben? Wenn das das Ziel ist, dann sind wir sicher nicht dabei, weil das das ist, was wir nicht wollen: Jene, die Unterstützung brauchen, dann vielleicht noch medienöffentlich sozusagen an den Pranger zu stellen. Da sind wir nicht dabei! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Derartiger Stuss! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Karin Greiner zu Wort. – Bitte.


17.49.00

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich zitiere: In einem Rechtsstaat muss man eine Abrechnung durchführen. – Zitatende; Teil 2 der Aussage des Herrn Bundeskanzlers in der „ZIB 2“.

Warum fordern wir als SPÖ gemeinsam mit den anderen Oppositionsparteien einen Covid-Unterausschuss? – Weil es da um 38 Milliarden Euro beziehungsweise seit gestern um 50 Milliarden Euro an Steuergeldern geht, und da verlangen wir volle Trans­parenz bei den Vergaben – nicht nur das Mindestmaß, sondern die volle Transparenz. Das ist mir als Parlamentarierin wichtig, das ist mir als Rechnungshofsprecherin wichtig, aber das ist mir vor allem für die Bürgerinnen und Bürger wichtig, denn die haben volles Recht, zu erfahren, wohin wie viele Fördereuros fließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Rechnungshof prüft im Nachhinein, aber wir fordern entschieden hier im Parlament eine tief greifende, genaue, transparente Kontrolle dieser Vergaben, dieser 38 oder jetzt 50 Milliarden Euro, für die sich der Herr Finanzminister teilweise einen Blankoscheck ausstellen lassen will.

Für uns ist Kontrolle eine ureigene Aufgabe des Parlaments – mein Kollege hat das bereits betont –, und wir wollen hier den Einblick, nicht in einem Beirat, der der Ge­heimhaltung unterliegt. In diesem Ausschuss wäre uns auch der Finanzminister zu Auskunft verpflichtet. Dort wären auch alle Fraktionen vertreten, nach der Stärke, in der sie hier sitzen. Es werden die Mitglieder nicht nach dem Gutdünken der Regierung ausgesucht.

Ein weiterer entscheidender Vorteil dieses Ausschusses: Eine Prüfung würde ab dem ersten Fördereuro erfolgen und nicht wie im Beirat, der von den Regierungsfraktionen so gelobt wird, erst ab 25 Millionen Euro. Ist das volle Transparenz? – Nicht nach unserem Verständnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Ist dieser Ausschuss für Medien interessant? – Davon gehe ich aus. Er wäre medien­öffentlich. Zu meinem Vorredner von der ÖVP: Lieber Kollege Ottenschläger, wie kom­men Sie auf die Idee, dass da jemand herzitiert wird? Allein der Gedanke – und die Sprache! –, jemanden herzuzitieren, der eine Förderung braucht, ist doch weit weg von der Realität. Es geht darum, dass wir wissen wollen, wohin diese Fördergelder fließen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 203

Das sind Steuergelder, auch das sollte Ihnen völlig klar sein (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz), und von der Medienöffentlichkeit lebt die Demokratie eigentlich.

Ich verstehe die Unruhe nicht ganz. Ich verstehe sie nicht bei der ÖVP und ich verstehe sie auch nicht bei euch (in Richtung Grüne). Ich verstehe sie überhaupt nicht bei euch, bei den Grünen. Die ÖVP findet den Ausschuss generell nicht wahnsinnig erfreulich. Sie findet die Medienöffentlichkeit nicht gut, und sie findet auch nicht gut, dass die Ausschussmitglieder das Recht haben, Akten anzufordern. Liebe Kollegen, wovor haben Sie Angst? Warum haben Sie vor Kontrolle Angst? Was soll hier versteckt werden? Was wollen Sie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verschweigen? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Corona zieht enorme Kosten nach sich, und es ist wohl einem budgetären Verantwortungsbewusstsein und einem demokratischen Ver­ständnis geschuldet, Kontrolle über die Vergabe von Förderungen zu ermöglichen. Oder wie erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern die Vergaben? Vielleicht mit den Worten: Der Herr Finanzminister hat gemeint, dorthin soll eine Förderung fließen und dahin soll eine Förderung fließen, ein Finanzminister, der in den Budgetdebatten nicht wahnsinnig brilliert hat und der so zwischendurch einmal sechs Nullen vergisst!? – Ich würde mich für eine Erklärung, müsste ich sie geben, schämen.

Liebe Kollegen von der ÖVP! Liebe Kollegen von den Grünen! Die Zeichen für einen Unterausschuss waren schon sehr gut. Warum sind Sie so knapp vor der Ziellinie vom Verhandlungstisch aufgestanden? Kehren Sie doch zurück an diesen Verhandlungs­tisch! Treten wir doch gemeinsam dafür ein, dass Kontrolle überhaupt möglich ist!

Erinnern Sie sich: Am Anfang der Krise war es uns allen gemeinsam wichtig, richtige Schritte zu setzen, richtige Maßnahmen zu treffen. Jetzt muss es uns allen gemeinsam wichtig sein, für volle Transparenz bei der Vergabe von Coronageldern zu sorgen. Das erwarten sich die Bürgerinnen und Bürger mit vollem Recht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

17.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hubert Fuchs. – Bitte.


17.54.02

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Kollege Ottenschläger, wir waren ja selbst in der Besprechung, und das, was Sie da heute sagen, sind alles Ausreden. Sie wissen ganz genau, wir wollen überhaupt keine Unternehmer in den Ausschuss zitieren. Das ist überhaupt nicht intendiert! Ich habe es in unserer Besprechung erklärt und ich werde Ihnen auch heute noch einmal erklären, warum wir der Einladung in den Cofag-Beirat nicht nachkommen werden.

Die Gewaltenteilung ist ein grundlegendes Prinzip des österreichischen Staates, und der Gedanke der Trennung der Staatsgewalten zeigt sich im österreichischen Verfassungs­recht insbesondere in der organisatorischen Trennung von Gesetzgebungs- und Vollzugsorganen. Das ist gut so, das wollen wir beibehalten, und das ist auch der Grund, warum ein Abgeordneter im Cofag-Beirat nichts zu suchen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Cofag wurde die Erbringung von Dienstleistungen und das Ergreifen von finanziellen Maßnahmen übertragen, die zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und der Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen im Zusammenhang mit der Corona­krise geboten sind. Das sind klassische Akte der Vollziehung, nicht der Gesetzgebung. Es ist nicht Aufgabe eines Nationalratsabgeordneten, der AUA oder anderen Groß­unternehmen Überbrückungsgarantien zu gewähren. Es ist auch nicht Aufgabe eines Nationalratsabgeordneten, im Beirat der Cofag zu sitzen. Genau das wollen aber die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 204

Regierungsfraktionen. Nationalratsabgeordnete sollen im Cofag-Beirat an der Vollzie­hung mitwirken, diese Akte der Vollziehung im Covid-19-Unterausschuss selbst kontrollieren und dann so tun, als ob sie nicht wüssten, was in der Cofag alles passiert ist. So sieht Transparenz und Kontrolle aus Sicht der Regierungsfraktionen aus.

Eine wesentliche Aufgabe eines Nationalratsabgeordneten ist aber die Kontrolle der Regierung, und genau das wollen die Regierungsfraktionen verhindern. Die Cofag an sich ist bereits eine Umgehungskonstruktion, um sich der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen, und jetzt wollen die Regierungsfraktionen auch noch Nationalrats­abge­ordnete im zahnlosen Cofag-Beirat als Feigenblatt platzieren. Dafür wird sich die FPÖ nicht hergeben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Krainer.)

Ich fordere die Regierungsfraktionen auf, im Sinne von Transparenz und Kontrolle endlich ihre Blockadehaltung zu beenden und den Weg für einen Covid-19-Unter­ausschuss frei zu machen! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer. – Bitte.


17.57.12

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich werde diesen Redebeitrag für ein paar tatsächliche Berich­tigungen nutzen.

Es ist hier jetzt mehrfach behauptet worden, es könnte im Cofag-Beirat nur eingesehen werden, was außerhalb des Rahmens von 25 Millionen Euro genehmigt wird. – Das ist nicht richtig. Im Cofag-Beirat kann alles, was die Cofag (Abg. Schellhorn: Ich berichtige tatsächlich!) einbringt, eingeschaut werden. Ab der 25-Millionen-Euro-Grenze wird gemeinsam mit dem Aufsichtsrat sofort darüber informiert (Zwischenruf des Abg. Krainer), bei allem anderen sagt man, welche Unterlagen man gerne hätte, Kollege Krainer, und dann kriegt man sie auch. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Weiters ist es auch nicht so, wie hier mehrfach behauptet wurde, dass Kontrolle nicht möglich wäre. – Selbstverständlich! Wir sind ein Parlament, und für alles, was wir hier beschlossen haben, haben wir – auch auf Anregung von Kollegen Krainer und von Kollegin Doppelbauer – Sunsetclauses, Berichte an den Budgetausschuss und so weiter beschlossen. Diese Berichte gibt es derzeit bereits alle, und natürlich erfolgt auch da die Kontrolle. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Krainer: Stimmt ja gar nicht! – Abg. Leichtfried: Wo ist da ein Bericht gekommen bis jetzt? – Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Vogl.)

Weiters ist der Rechnungshof als Organ des Nationalrates dazu da, die Gebarung und diese Dinge zu prüfen. Rechnungshofpräsidentin Kraker hat auch bereits gesagt, dass das getan wird. Also ein bisschen Seriosität in der Debatte würde ich mir schon wünschen, denn selbstverständlich ist es so, dass Kontrolle absolut gegeben ist und auch gegeben sein muss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, wir haben eine sehr, sehr herausfordernde Zeit hinter uns, aber wir handeln im Rahmen von Gesetzen, und der Vollzug kann selbstverständlich gemacht werden. (Abg. Leichtfried: Also ihr seid jetzt gegen den Ausschuss?! Ist das der Tenor der Rede?) Es liegt ein Verhandlungsergebnis aller Fraktionen auf dem Tisch, Jörg Leichtfried (anhaltende Zwischenrufe des Abg. Leichtfried – Zwischenruf der Abg. Greiner), du warst beteiligt und weißt genau, was vereinbart worden ist. Es gibt den Vorschlag der Opposition (Abg. Leichtfried: ... Transparenz vergessen, Pressekonferenz absagen!), es gibt einen gemeinsam ausgearbeiteten Vorschlag auf KD-Ebene, über den man weiterreden kann und bei dem ich auch glaube, dass es sinnvoll ist, darüber


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 205

weiterzureden und sich für diesen einzusetzen. (Abg. Leichtfried: Eine Presse­konfe­renz über Intransparenz könnt ihr machen! Wird der ÖVP gefallen!)

Ich bin zuversichtlich, dass wir hier zu einer Lösung kommen. Ich glaube, das, was auf dem Tisch liegt, ist sehr gut, und in mehreren Sitzungen wurde auch schon von dir, Jörg, der du jetzt vor dich hinschimpfst (Abg. Krainer: Vier Wochen liegt das dort! Seit vier Wochen, und nichts tut sich!), gesagt, dass das in die richtige Richtung geht (Abg. Leichtfried: Weniger als das tut sich! – Abg. Krainer: Eiszeit!), ebenso vom Kollegen Fuchs, ebenso von Kollegin Doppelbauer, und dementsprechend würde ich dafür plädieren, dass wir von diesem Ausgangspunkt weiterdiskutieren. (Abg. Leichtfried: Ja, wir können jetzt noch Monate diskutieren! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Ich verstehe natürlich die Show mit diesem Fristsetzungsantrag, aber ich denke, es ist gescheit, wenn wir auf der parlamentarischen Ebene, auf Ebene der Klubdirektoren und ‑direktorinnen und der BudgetsprecherInnen tatsächlich weiterkommen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Krainer: Die ehemalige Kontrollpartei der Grünen hat gesprochen! – Abg. Leichtfried: Da ist es besser, der Loacker spricht zur Sozialpolitik!)

17.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


18.00.32

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! (Abg. Brandstätter: Hörts der Frau Doppelbauer zu!) Lassen Sie mich so beginnen: Es ist wirklich faszinierend, wie hier mit Parla­mentarismus und mit den parlamentarischen Tools, Instrumenten, die wir zur Verfügung haben, umgegangen wird. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Ein paar Monate in der Regierung verändern das Bild offenbar vollkommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kollross: Die waren schon immer so!) Ich bitte bei einem so großen Thema wirklich um mehr Ernsthaftigkeit. Wenn in den letzten paar Wochen so viel weitergegangen wäre, dann würden wir heute nicht hier stehen, ganz im Ernst. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Um zum Thema zu kommen: Diese Krise wird uns wahrscheinlich noch sehr, sehr lange beschäftigen. Wir wissen nicht – niemand von uns weiß das –, ob die bereitgestellten Gelder, die bis jetzt zur Verfügung gestellt worden sind – rund 40 Milliarden Euro an Unterstützungspaketen –, ausreichen werden. Das werden wir sehen. Was wir aber wissen, ist, dass es um verdammt viel Geld geht, und das Geld muss eben dazu ver­wendet werden, um die Wucht der Krise für die Betroffenen abzufedern.

Was wir auch wissen, ist, dass den großen Ankündigungen in den letzten Wochen viel Chaos gefolgt ist, was nicht zuletzt dazu geführt hat, dass wir NEOS – und nicht nur wir NEOS in diesem Haus – dem Herrn Bundesminister für Finanzen das Vertrauen ent­zogen haben. Ich sage nur: ein Papierkübelbudget, Riesenprobleme bei der Auszahlung des Härtefallfonds und auch bei der Kreditvergabe und letztendlich auch viel Chaos bei den Beteiligungen des Bundes. Zusammenfassend: Vieles muss man deutlich besser machen, man muss es schneller machen, man muss es treffsicherer machen.

Deswegen ist es so wichtig, dass wir da endlich bei diesen Fehlern einhaken und sagen, dieses Mal machen wir es besser. Wir brauchen hier Kontrolle der Gelder, die aus­gegeben werden, denn das sind Steuergelder. Wir als Opposition machen uns da natür­lich berechtigterweise Sorgen, denn wir wissen nicht – und genau darum geht es –: Wohin fließt aus welchen Gründen wie viel Geld und wohin fließt es vor allem auch nicht? – Und das wollen wir kontrollieren!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 206

Was haben wir bis jetzt – gerade wieder von Kollegen Ottenschläger und Klubobfrau Maurer – zum Thema Transparenz gehört? – Wir kriegen ja eh einen eigenen Abschnitt über die Coronamaßnahmen in den monatlichen Budgetberichten. Ja, eh. Ganz im Ernst: Das ist löblich, aber das ist natürlich Standard. Ich meine, ohne das würde es ja wohl gar nicht gehen. (Abg. Maurer: Natürlich! Nichts anderes habe ich gesagt!) – Nein, Sie haben sich hierhergestellt und gesagt: Das ist eh schon so toll, da muss man ja eh nichts mehr tun! (Abg. Maurer: Sie sagen, es gibt keine Kontrolle!) Auch Klubobmann Wöginger ist letztes Mal aufgesprungen und hat gesagt: Das ist ja schon so super, hier im Hohen Haus wird das alles ganz perfekt gemacht! Das ist keine begleitende Kontrolle, und das ist genau das, was wir wollen: Wir wollen eine begleitende Kontrolle!

Dann gibt es ja immer noch diesen wunderbaren und aus meiner Sicht vollkommen sinn- und zahnlosen Beirat in der Cofag. Das hat Kollege Fuchs von der FPÖ schon ganz, ganz treffend ausgeführt. Warum bietet man uns dort einen Sitz an?

Vielleicht kann ich noch einmal kurz erzählen, was das ist: In diesem Cofag-Beirat wird erstens nur ein Teil der Gelder kontrolliert. Dem unterliegt also nicht das gesamte Maß­nahmenpaket der Regierung in der Höhe von 28 Milliarden Euro, da geht es nur um 15 Milliarden Euro. Das ist der erste Punkt, warum das nicht wirklich der parlamen­tarischen Kontrolle zugänglich ist.

Das Zweite, was da passiert, ist: Man darf nicht darüber reden. Das heißt, man sitzt in einem Ausschuss, der der Geheimhaltungspflicht unterliegt. Das hat auch nichts mit parlamentarischer Kontrolle zu tun. Am Ende des Tages geht es nur darum, dass man sagt: Leute, ihr wart ja eh dabei und deswegen braucht ihr euch nicht nachher hier mit anderen Instrumenten zu melden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ottenschläger und Steinacker.)

Wir als Parlament müssen alle Gelder kontrollieren, und wir lassen es natürlich nicht zu, dass ordentliche parlamentarische Kontrolle nicht ausgelebt wird. Wir brauchen keine Kontrollzonen. (Abg. Wöginger: Jeden Tag scheint nicht die Sonne!) – Herr Klubob­mann Wöginger, ich glaube, Sie haben im April gesagt, es gibt ja eh den Budgetaus­schuss selbst und dort kann man ja alles nachfragen. Sie sind betreffend Geschäftsord­nung natürlich ein Fuchs, Sie sind ja lange dabei und wissen natürlich, wie das läuft. Natürlich wissen Sie auch ganz genau, dass richtige parlamentarische Kontrolle, nämlich begleitende parlamentarische Kontrolle, nur dann möglich ist, wenn man eben ein entsprechendes Konstrukt hat, so wie wir als Oppositionspartei uns das auch vorgestellt haben. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Ich darf noch einmal zusammenfassen: Worum geht es uns? – Es geht um begleitende parlamentarische Kontrolle, es geht um Kontrolle, die alle Förderpakete und alle För­dermaßnahmen mit einschließt, und es geht um Transparenz – und da geht es natürlich auch um Akteneinsicht und entsprechende Medienöffentlichkeit.

Am Ende des Tages sind das alles Steuergelder, die da verwendet werden. Es sind gerade keine Mitglieder der Bundesregierung anwesend, die dafür zuständig sind, aber das eine möchte ich schon noch sagen: Man braucht wirklich keine große Angst, man braucht keine große Furcht vor so einem parlamentarischen Instrument, vor diesem Ausschuss zu haben. (Abg. Schellhorn: Was würde der Anstand machen?) Es braucht parlamentarische Kontrolle, und wenn diese Regierung einen guten Job macht – noch einmal –, dann braucht sie sich vor Kontrolle nicht zu fürchten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

18.05

18.05.52


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 207

Ich frage die Klubs, ob wir gleich zur Abstimmung gelangen können. – Da es keinen Einwand gibt, werde ich so vorgehen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A – Covid-19-Unterausschuss – eine Frist bis 18. Juni 2020 zu setzen.

Wer sich für diese Fristsetzung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.06.35Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über die Tagesord­nungs­punkte 6 und 7 – Berichte des Rechnungshofes – wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer. – Bitte.


18.06.54

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Es geht in diesem Rechnungs­hofbericht – um den es vor 3 Stunden schon ging und jetzt wieder geht –, um die Kontrolle und Aufsicht über fast 200 Gesellschaften, über rund eine Million Wohnungen. Diese Gesellschaften, diese gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften, arbeiten privat­wirtschaftlich, aber im öffentlichen Auftrag. Dieser Auftrag lautet: gemeinwohlorientiert Wohnraum zu schaffen, sodass jeder und jede am Wohnungsmarkt die passende und für ihn oder sie auch leistbare Wohnung findet, um sie mieten oder kaufen zu können.

Um diesen Auftrag zu erfüllen, unterliegen die GBVs, die gemeinnützigen Bauvereini­gungen, speziellen Beschränkungen. Sie können Mieten nur bis zur Kostendeckung verlangen, sie müssen ihr Eigenkapital erhalten, sie haben eine Gewinnbeschränkung, sie bekommen jährlich einen großen Teil von etwa 2 Milliarden Euro an Steuergeldern aus der Wohnbauförderung, sie sind außerdem KöSt-befreit – das macht noch einmal mehrere Hundert Millionen Euro an Förderung aus – und sie bekommen sehr oft günstige Grundstücke von der öffentlichen Hand, insbesondere von Gemeinden.

Dieses System hat sich zweifelsohne bewährt, aber wir müssen es stetig verbessern: „Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein“. Viele der Vorschläge des Rechnungshofes in dem Bericht, um den es hier geht, wurden bereits umgesetzt – das ist richtig, das hat Kollege Singer vorhin auch ganz richtig gesagt –, aber eine ganz zentrale Forderung, ein ganz zentraler Vorschlag wurde nicht umgesetzt, obwohl es ihn schon seit 2015 gibt, und um den geht es mir heute.

Ein Knackpunkt beim Besserwerden – das wissen auch wir alle persönlich – ist die Kontrolle, das Feedback, am besten unabhängig, am besten ganz ehrlich. Das hilft, um besser zu werden und das garantiert im Falle von Einrichtungen wie den GBVs auch, dass Steuergeld bestimmungsgemäß verwendet wird. Überall dort, wo Steuergeld ver­wendet wird, wo damit gewirtschaftet wird, haben wir diese unabhängige Kontrolle. Jeder Kulturverein, der ein paar Tausend Euro von einem Land oder einer Stadt bekommt, wird irgendwann von einem Rechnungshof oder von einem Kontrollamt geprüft.

Obwohl es bei den gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen um Milliarden an Steuergeld geht, kann der Rechnungshof kaum eine dieser GBVs prüfen, außer die öffentliche Hand ist ausreichend daran beteiligt. Bei allen anderen gibt es die parlamentarische Kontrolle nicht – weder durch einen Landtag noch durch den Nationalrat. Das heißt, es kontrolliert


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 208

schon jemand. Da muss man aber genau sein: Sie kontrollieren sich nämlich selber. Sie haben einen Revisionsverband. Dort sitzen dann die Chefs der Vereinigungen, die der Revisionsverband prüfen soll, im Vorstand und im Aufsichtsrat. Das sind dieselben Chefs, die – wie wir in diesem Bericht lesen können – zum Beispiel verantworten, dass Gesellschaften Wohnungen an Familienmitglieder veräußern oder die sich selbst Auf­träge zuschanzen. Das können Sie alles in diesem Bericht nachlesen. Mit der Selbst­kontrolle der GBVs lassen wir den Hund auf die Wurst aufpassen, und das kann ja wohl nicht unser Anspruch sein.

Dann gibt es noch eine zweite Möglichkeit, zu kontrollieren, nämlich durch die Länder als Aufsichtsbehörde. Die sind jedoch, das stellt der Rechnungshof immer wieder fest, massiv überfordert und wenden sich dann ohnehin wieder an den Revisionsverband. Sie müssen nur die aktuelle Causa der oberösterreichischen Lawog oder jetzt gerade im Burgenland Pannonia, Riedenhof und Gesfö anschauen – das funktioniert so nicht, das ist ein Murks. Wir können den Hund nicht auf die Wurst aufpassen lassen. Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unab­hängige Kontrolle von Gemeinnützigen Bauvereinigungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit welchem eine bundesweite Aufsichtsbehörde zur Kontrolle Gemeinnütziger Bau­vereini­gungen geschaffen wird und der die Prüfung aller Gemeinnützigen Bauvereini­gungen durch den Rechnungshof ermöglicht, um so einerseits Unabhängigkeit und Transparenz im Sinne der parlamentarischen Kontrolle zu garantieren“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemeinnützige Bauvereinigungen sind ein - ‑


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen den Text weiterlesen! In dem mir vorliegenden Antrag gibt es im Entschließungstext noch zwei Zeilen, die Sie nicht verlesen haben. Nach „und so einerseits Unabhängigkeit und Transparenz im Sinne der parlamen­tarischen Kontrolle zu garantieren“ geht es noch weiter. – Sie müssen den Antrag ein­brin­gen, Herr Abgeordneter, nicht ich.


Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (fortsetzend): Ich schließe mit folgenden Worten: Das Gute ist, ein ähnlicher Antrag wird demnächst auch im Ausschuss verhandelt.

Gemeinnützige Bauvereinigungen sind ein unverzichtbarer Eckpfeiler des Wohnungs­wesens, das ist wohl klar. Mit ihnen können wir es schaffen, dass jede und jeder eine leistbare Wohnung mieten oder kaufen kann. Jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin leistet dazu auch einen Beitrag, nämlich 14 Mal im Monat 1 Prozent des Bruttoein­kommens. Deshalb ist es wichtig, dass wir da parlamentarische Kontrolle haben und dass der Rechnungshof das auch kontrollieren kann. – Vielen Dank. (Abg. Scherak – auf einen Mitarbeiter der Parlamentsdirektion weisend, der dem Redner ein Exemplar des Antrages reicht –: Felix, lies den Antrag fertig vor!)

Ich darf das noch fertig verlesen und dort anknüpfen, wo ich vorhin aufgehört habe. Ich setze fort bei:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 209

„[...] um so einerseits Unabhängigkeit und Transparenz im Sinne der parlamentarischen Kontrolle zu garantieren, und andererseits die Wirksamkeit und Effizienz des Einsatzes von Wohnbaufördermitteln zu erhöhen“.

*****

In diesem Sinne ist der Antrag dann auch richtig eingebracht. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei den NEOS.)

18.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unabhängige Kontrolle von Gemeinnützigen Bauvereinigungen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen – Reihe BUND 2019/31 (III-46/196 d.B.)– TOP 7

Gemeinnützige Bauvereinigungen erfüllen unter Einsatz der staatlichen Wohnbauför­dermittel, durch eine KÖSt-Befreiung gefördert und im Rahmen des Wohnungs­gemein­nützigkeitsgesetzes eine essentielle Aufgabe für den heimischen Wohnungsmarkt. Um den sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Einsatz dieser Mittel sicher­zu­stellen, bedarf es einer unabhängigen Kontrolle.

Während jeder kleine Kulturverein, der mit einigen tausend Euro gefördert wird, von Kontrollämtern oder Landesrechnungshöfen geprüft werden kann, kontrollieren sich die GBV im Revisionsverband selbst. Zwar gibt es eine Aufsichtsfunktion der Länder, diese sind im Rahmen ihrer Aufgabe jedoch aufgrund mangelnder Personalressourcen regelmäßig auf den Revisionsverband angewiesen  Diese Art der Aufsicht einstricht nicht dem Maßstab einer umfassenden, einheitlichen und effektiven Kontrolle. Eine Zen­tralisierung der Prüfungskompetenzen würde nicht nur zu einer dringend benötigten einheitlichen Kontrolle der unterschiedlichen Wohnbauträger führen, sondern auch eine wesentlich kosteneffizientere Durchführung der Aufsicht ermöglichen.

In diesem hunderte Millionen Steuereuros schweren Bereich ist es unbedingt nötig, Transparenz in den Vordergrund zu rücken sowie sämtliche Problemstellungen und allfällige Missstände unabhängig und mit größtmöglicher Expertise zu untersuchen. Der RH selbst merkte wiederholt und zuletzt auch im vorliegenden Bericht nachdrücklich an, dass die Selbstkontrolle der GBV im Rahmen des Revisionsverbands grundsätzlich zu hinterfragen ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit welchem eine bundesweite Aufsichtsbehörde zur Kontrolle Gemeinnütziger Bauver­einigungen geschaffen wird und der die Prüfung aller Gemeinnützigen Bauvereini­gungen durch den Rechnungshof ermöglicht, um so einerseits Unabhängigkeit und


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Transparenz im Sinne der parlamentarischen Kontrolle zu garantieren, und andererseits die Wirksamkeit und Effizienz des Einsatzes von Wohnbaufördermitteln zu erhöhen"

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Bauten und Wohnen vorgeschlagen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Jetzt hätten wir nur gerne den Antrag wieder am Präsidium, bitte. (Abg. Eypeltauer gibt dem Mitarbeiter der Parlamentsdirektion den Antrag zurück.)

Sie haben recht, jetzt ist dieser Antrag ordnungsgemäß eingebracht und steht auch mit in Verhandlung. 

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Schmidhofer. – Bitte.


18.12.21

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin des Rechnungs­hofes! Frau Nationalratspräsidentin! Sie haben eines gemeinsam: Sie kontrollieren sehr genau! – Wir haben das ja auch gerade bei dem Antrag gehört, als eine Zeile gefehlt hat. Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Der Rechnungshof, eine unabhängige Institution, geht zurück auf 1761, als Maria Theresia ihn als Hofrechencammer – mit „c“ geschrieben – geschaffen hat, und prüft als oberstes Kontrollorgan auf Richtigkeit, Rechtmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit – in diesem Fall unsere gewerbliche Berufsaus­übung. Der Nationalrat hat dazu den Bericht 2019/37 vorgelegt bekommen.

Der Rechnungshof kommt in diesem Bericht auch zu dem Schluss, dass die Gewerbe­ord­nung ein höchst komplexes Gebilde sei und die Übersicht in der Vergabe von Gewerbeberechtigungen schwer sei. Ja, die Gewerbeordnung ist komplex. (Abg. Loacker: K.-u.-k.-Hofgewerbeordnung!) Ich habe aber volles Vertrauen in die öster­reichische Gewerbeverwaltung, die seit 2010 jährlich in etwa 83 000 Gewerbe­anmel­dungen abgewickelt hat, Tendenz in den letzten Jahren steigend, und auch ständig im Austausch mit vergleichbaren Staaten wie Deutschland und Liechtenstein auf Länder­ebene zusammenarbeitet.

Ich darf aber gerade von Deutschland aus der Praxis berichten, dass es dort eine Novelle gab, 53 Berufe zulassungsfrei gestellt wurden und Deutschland gerade erst kürzlich, mit Beginn des Jahres, wieder zurückgerudert ist, weil der leichtere Zugang dazu geführt hat, dass der Preiswettbewerb ausgebrochen ist (Abg. Loacker mit demonstrativ weit aufgerissenen Augen, sich mit den Händen an den Kopf greifend –: Wettbewerb!) und dass weniger Lehrlinge ausgebildet wurden – bei den Raumausstatterbetrieben um 38 Prozent weniger Lehrlinge, bei den Fliesenlegern um 27 Prozent weniger. Darum hat Deutschland das wieder zurückgenommen.

Ich darf auch zu den Ausführungen von Frau Kollegin Greiner, die diesen Zugang heute schon erwähnt hat, noch ergänzen, das es zwar hinsichtlich der Onlineanmeldungen natürlich noch Luft nach oben gibt, dass aber offenbar das Vertrauen doch groß ist, direkt zur Gewerbebehörde zu gehen und das Gewerbe dann auch, von der Kammer beraten, anzumelden, übrigens auch online.

Der ständige Austausch der Gewerbereferenten auf Bundes- und Landesebene ga­rantiert den Fluss der Informationen und darüber hinaus der Erfahrungen und Anliegen der Länder.

Zusammengefasst darf man festhalten, dass wir diese 13 Schlussempfehlungen natürlich ernst nehmen, Frau Präsidentin – ich sage auch herzlich Danke für den Bericht,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 211

auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses. Wir nehmen, gemeinsam mit unserer Ministerin, unsere Arbeit und die Tatsache, dass es Luft nach oben gibt, ernst, und ich als Unternehmer bin ohnehin immer wieder aufgefordert, mich zu verbessern. Wenn am Ende auch das gelingt, dann haben wir gemeinsam das Ziel erreicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Seemayer. – Bitte.


18.16.16

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt schon ein paar Mal gehört: Die Gewerbeordnung wurde in den letzten 150 Jahren 120 Mal novelliert. Trotz­dem sind viele geplante und angekündigte Maßnahmen zur Vereinfachung des Berufs­zuganges nicht umgesetzt worden.

Die Gewerbeordnung ist somit – mein Vorredner hat es ja auch angesprochen – eine komplexe Regelung, die, wie der Rechnungshof in seinem Bericht angemerkt hat, im Sinne der Anwenderfreundlichkeit und des Bürgernutzens dringend reformiert und bereinigt gehört.

Der Entfall der Gebühren bei der Gewerbeanmeldung, der seit der Gewerberechtsreform 2017 gültig ist, hat natürlich zur Entlastung geführt und kann positiv bewertet werden. Die Anzahl der Gewerbeberechtigungen ist vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2017 erheblich gestiegen, aber nicht bei den reglementierten Gewerben, sondern bei den freien Gewerben. Mit Ende 2017 gab es da immerhin schon 860 000 Gewerbeberechtigungen, und von den 860 000 waren 577 000 freie Gewerbe. Natürlich ist dies eine positive Entwicklung, eine Zunahme von 38 Prozent im freien Gewerbe, allerdings ist es notwen­dig, dass man da dann schon genauer hinschaut: Welche Gewerbe sind das?, insbesondere wenn man weiß, dass genau im selben Zeitraum auch die Zahl der Fälle der Scheinselbständigkeit gestiegen ist.

Darum lohnt es sich, da hinzuschauen und zu fragen, welche Gewerbe das sind. Es gibt immerhin schon über 400 freie Gewerbeberechtigungen. In welchen Branchen ist da der Zuwachs erfolgt? Gibt es Schwerpunkte? Sind die Schwerpunkte erkennbar? Werden diese freien Gewerbe auch ausgeübt? Wie viele Arbeitsplätze wurden da geschaffen? Oder wird das eher nebenberuflich oder hobbymäßig ausgeübt? Kann im Rahmen der zahlreichen angemeldeten Gewerbeberechtigungen ein Lebensunterhalt bestritten werden? Wie viele Betriebe oder Personen haben mehr als 10, 20 oder 30 Gewer­bescheine angemeldet? – Nicht hinter jedem einzelnen Gewerbeschein steht auch ein einzelnes Unternehmen.

Genau diese Fragen sind, wenn man die Gewerbeordnung sinnvoll weiterentwickeln will, wichtig. Sie sind im Ausschuss von der zuständigen Ministerin natürlich nicht beantwortet worden, aber ich glaube, genau auf diese Fragen brauchen wir Antworten, wenn wir da eine ordentliche Reform zusammenbringen wollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte.


18.19.06

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist etwas unumstritten Wichtiges. Leider ist das nicht immer für jedermann leicht zu bewältigen. Genau aus diesem Grund


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sind soziale Wohnbauprojekte sowie geförderte Wohnungen sehr wichtig. In diesem Zusammenhang sind auch gemeinnützige Wohnbauvereinigungen maßgebend beteiligt und notwendig.

Von Februar bis Juli 2018 überprüfte der Rechnungshof die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen in Salzburg, Tirol und der Stadt Wien. Der Rechnungshof hat fest­gestellt, dass es an Personalressourcen in der Aufsicht mangelt. Es bestehen Defizite bei den Complianceberichten. Diese Gegebenheiten sowie weitere Probleme und Unge­reimtheiten bei Wohnungsvergaben und beim Verkauf von Anteilen der gemeinnützigen Bauvereinigungen lassen nur eine Schlussfolgerung zu, und zwar, dass da Freun­derl­wirtschaft betrieben wurde. Im Rechnungshofbericht sind dafür sogar einige Beispiele angeführt.

Meine Damen und Herren! Es wurde zum Beispiel durch den Aufsichtsrat einer gemein­nützigen Bauvereinigung in Tirol eine Wohnung für den Verkauf genehmigt. Die Woh­nung selbst hatte 105 Quadratmeter, ein Kellerabteil sowie zwei Kfz-Abstellplätze. Der Preis betrug 438 000 Euro. Tatsächlich wurde aber nicht diese Wohnung verkauft, sondern eine Wohnung mit rund 114 Quadratmetern zuzüglich Dachterrasse und Dach­garten mit 128 Quadratmetern, und zwar zu einem Preis von 479 608 Euro. Die Käuferin der Immobilie war dann auch noch zufälligerweise die Gattin des Geschäftsführers des Bauträgers.

Genau solche Aktionen und Handlungen müssen in Zukunft verhindert werden. Das kann doch nicht der eigentliche Sinn des Volkswohnungswesens sein, und daher hoffe ich, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes baldigst umgesetzt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Nina Tomaselli. – Bitte.


18.21.34

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es jetzt ja schon öfters gehört: Wir sprechen heute über die Prüfung der Revision des gemeinnützigen Wohnbaus. Unabhängig von diesem Bericht möchte ich die Möglichkeit nützen und den Bericht zum Anlass dafür nehmen, zu sagen, wie froh wir doch sein können, dass wir in Österreich im internationalen Vergleich einen so starken gemeinnützigen Wohnbau haben. Egal ob Krise oder Hochkonjunktur, nichts ist wohnbaupolitisch ein so verläss­licher Partner in Sachen leistbarer Wohnbau wie der gemeinnützige Wohnbau. (Beifall bei den Grünen.)

Der gemeinnützige Wohnbau – ich habe es jetzt angesprochen – ist einerseits wichtig für die Versorgung mit leistbarem Wohnraum, und andererseits muss er auch verlässlich sein. Wie kann er verlässlich sein? – Indem er transparent agiert und indem er objektiv agiert. Bezüglich dieser Transparenz und Objektivität hapert es vor allem bei der Woh­nungsvergabe, und das sagt auch dieser Bericht.

Wir Grüne teilen die Kritik des Rechnungshofes und sagen: Ja, da gibt es noch einiges an Nachholbedarf! Es geht nicht, dass einzelne Wohnbauträger sich einfach über die eigentlichen Ziele des gemeinnützigen Wohnbaus hinwegsetzen. Das sind erstens die Erreichung des sozialpolitischen Ziels des sozialen Zusammenhalts und zweitens die Bereitstellung von Wohnungen für diejenigen, die sie besonders brauchen.

Was wir aber im Bericht lesen, ist, dass tatsächlich Wohnungen in sehr, sehr frag­würdiger Weise weitergegeben werden, an Verwandte zum Beispiel. Es kann nicht sein – und so schaut es eben aus –, dass es sich die einen richten, während Zehn­tausende andere auf eine günstige Wohnung warten. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 213

Um das zu verändern, reicht es natürlich nicht, dass man einfach nur einen Appell in Richtung der gemeinnützigen Wohnbauträger setzt und sagt: Bitte, macht das besser!, es reicht natürlich auch nicht, dass man bessere Kontrollmechanismen installiert. Im Grunde genommen ist es eine politische Aufgabe, dort für Ordnung zu sorgen.

Ich darf mein Heimatbundesland Vorarlberg in dieser Sache als Beispiel bemühen. In Vorarlberg gibt es seit 2014 landeseinheitliche, transparente und objektive Wohnungs­vergaberichtlinien. Im ganzen Land gelten dieselben Wohnungsvergaberichtlinien. Die Wohnungsvergabe erfolgt nach objektiven Kriterien. Jetzt will ich überhaupt nicht sagen, dass dort alles perfekt ist, aber die Grundlage ist gut, und die Grundlage ist ein Punktesystem, das überall in Vorarlberg für alle gleich ist, das im Übrigen auch für alle Bevölkerungsgruppen gleich ist, für Österreicherinnen und Österreicher, für Eingeses­sene und für neu angekommene Menschen. Das traue ich mich zu sagen: Das System ist so gut – und es funktioniert immer besser –, dass man es durchaus in anderen Bundesländern als Vorbild bemühen kann. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.24


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Präsidentin des Rechnungshofes zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kraker.


18.25.04

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Debatte stehen zwei Berichte des Rechnungshofes, die zentrale Themen des Wirtschaftsressorts betreffen. Es sind dies der Zugang zur gewerblichen Berufsausübung und die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen. Damit geht es einerseits um das Thema der Gewerbeordnung, das Herzstück des Wirtschaftsressorts, und andererseits um das Wohnungsgemein­nützig­keitsgesetz.

Der Bericht zum Zugang der gewerblichen Berufsausübung hat Aspekte der Zugangs­regulierungen im Zusammenhang mit der Erlangung von Gewerbeberechtigungen in Österreich beleuchtet. Er stellt insbesondere dar – auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Europäischen Kommission –, welche Fortschritte in Bezug auf die reglementierten Berufe erreicht wurden und was noch offen ist.

Da gab es die Gewerberechtsreform 2017. Seit dieser Reform gibt es rund 100 regle­mentierte Gewerbe. Anstelle des einheitlichen Gewerbescheins, der für alle freien Gewerbe geplant war, gibt es die Gewerbelizenz, sozusagen eine Listung der Gewerbe. Die Reform hat damit nur einen Teil der ursprünglich geplanten Erleichterungen für Gewerbetreibende umgesetzt.

Das, was der Rechnungshof festgestellt hat, ist das, was hier in der Debatte schon öfters gesagt wurde – Sie wissen es noch besser als ich –: Die Gewerbeordnung wird nahezu jährlich novelliert, und damit entsteht ein sehr komplexes Regelwerk. Wir empfehlen auch unter dem Gesichtspunkt der Anwenderfreundlichkeit eine Neukodifikation der Gewerbeordnung.

Wir glauben, dass die mangelnde Benutzerfreundlichkeit und die Komplexität auch dazu beitrugen, dass die Onlineanmeldungen und die Möglichkeiten des Gisa-Webformulars nur sehr wenig genutzt wurden, nämlich zu 11 Prozent, und dass man sehr oft die Anmeldungen über das Gründerservice der Wirtschaftskammer und die Unterstützung der Wirtschaftskammer beansprucht hat.

Bei der Vollziehung ist es so, dass die Gewerbeordnung in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen wird, was damit einhergehen kann, dass die Gewerberechtsvollziehung unter­schiedlich ausfallen konnte und damit auch unterschiedlich dokumentiert war.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 214

Im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Berufszuganges ist es uns wichtig, dass es einen bundesweit einheitlichen Gewerberechtsvollzug gibt und dass die Übersicht im Minis­terium über diesen einheitlichen Gewerberechtsvollzug auch vorhanden ist und von der Steuerungskompetenz Gebrauch gemacht wird – Steuerungskompetenz einerseits dahin gehend, dass die Vollzugserfahrungen aus den Ländern in eine mögliche legis­tische Weiterentwicklung einfließen, und andererseits auch hinsichtlich des Ergreifens von Deregulierungsinitiativen.

Bei der Veröffentlichung des Berichtes wurde das System der dualen Berufsausbildung thematisiert. Ich möchte wirklich anmerken, dass der Rechnungshof das in keiner Weise infrage gestellt hat. Im Gegenteil: Wir haben es sehr positiv hervorgehoben, dass die Meisterprüfungen jetzt in den Nationalen Qualifikationsrahmen aufgenommen sind. Wir begrüßen es auch, dass das Ministerium einem vom Rechnungshof empfohlenen Qua­litäts­management für diese Meister- und Befähigungsprüfung positiv gegenübersteht.

Dass das einheitliche und zentrale Gewerberegister 14 dezentrale Register abgelöst hat, haben wir auch positiv hervorgehoben, aber natürlich gibt es da auch – es wurde schon öfters gesagt – Entwicklungspotenzial hinsichtlich der Datenpflege und der Datenqualität und auch hinsichtlich der Nutzung von Daten aus dem Gewerberegister.

Der zweite Bericht betrifft das Thema Wahrnehmung der Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen, über gemeinnützige Wohnbauträger. Das ist eben jener Prüfbericht, der einerseits das Wirtschaftsressort betrifft, das für die Legistik – für das Woh­nungsgemeinnützigkeitsgesetz und für die Verordnungen – zuständig ist, und anderer­seits die Länder, die für den Vollzug im Wohnbaubereich zuständig sind. Auf der einen Seite vergeben sie ja die Wohnbauförderung, und auf der anderen Seite nehmen sie auch die Aufsicht über die Wohnbauträger wahr.

Die Aufsicht gliedert sich in zwei Teile: einerseits Überwachung der Geschäftsführung und Gebarungsüberprüfung, und andererseits gibt es zustimmungspflichtige Rechts­geschäfte. Wir haben im Zuge der Prüfung festgestellt, dass die Länder ganz wenige Ressourcen für die Wahrnehmung der Aufsicht über Bauvereinigungen vorhalten.

Die Ressourcenausstattung ist sehr gering. Sie schwankt in den Ländern Tirol, Salzburg und Wien zwischen 0,4 und 1,5 Vollzeitstellen, die für diesen Aufgabenbereich einge­setzt werden. Wie ist das möglich? – Das ist deshalb möglich, weil man auf die Expertise des Revisionsverbands zurückgreift, und der Revisionsverband ist gleichzeitig die Revisionseinrichtung der Mitglieder, aber eben auch ihre Interessenvertretung.

In diesem Sinne wurde mit dem Entschließungsantrag – dessen vollständige Verlesung Sie eingefordert haben, Frau Präsidentin – schon angesprochen, wie die Kontroll­archi­tektur in diesem Bereich ausschaut, und es ist eben so, dass der Rechnungshof nur für 25 der 185 gemeinnützigen Wohnbauträger prüfzuständig ist. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass wir einen öffentlichen Anteil, und zwar einen Mehrheitsanteil, dafür brauchen, damit der Rechnungshof prüfzuständig ist. Natürlich arbeiten gemeinnützige Wohnbauträger sehr stark mit Mitteln der öffentlichen Hand et cetera, daher glauben wir, dass eine Prüfzuständigkeit des Rechnungshofes folgerichtig wäre.

Hinsichtlich des Ministeriums haben wir festgehalten, dass einige Begriffe im Woh­nungs­gemeinnützigkeitsgesetz und in den Durchführungsbestimmungen interpretations­be­dürftig sind und daher in der Vollziehung immer wieder Probleme machen. Da handelt es sich um die konnexen Zusatzgeschäfte, den Begriff der Angehörigen des Bauge­werbes sowie den mittelbaren und unmittelbaren Erwerb von Anteilen. Ebenso wären die Bestimmungen über Nebengeschäfte zu überarbeiten – das führt auch immer wieder zu übermäßig langen Verfahren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 215

Zudem fordert der Rechnungshof die verpflichtende Anwendung eines Corporate Gover­nance Kodex für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, um dort eine verantwor­tungsvolle Unternehmensführung sicherzustellen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

18.31


Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Präsidentin.

Es ist nun niemand mehr dazu zu Wort gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart, verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses.

18.32.168. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Digitalisierungsstrategie des Bundes – Reihe BUND 2020/11 (III-100/197 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Struktur österreichischer Vertretungen innerhalb der EU; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/18 (III-4/198 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Planung von baulicher Sicherheitsinfrastruktur im öffentlichen Raum in Wien – Reihe BUND 2019/5 (III-21/199 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend KELAG Wärme GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/15 (III­30/200 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Frontrunner-Förderaktion; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/17 (III­32/201 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen damit zu den Tagesordnungspunkten 8 bis 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte.



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18.33.15

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrte Präsidentinnen! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf auf den Bericht des Rechnungshofes betreffend Digitalisierungsstrategie des Bundes Bezug nehmen.

Gerade in Zeiten der Coronakrise hat sich gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung Öster­reichs in der heutigen Zeit ist. Viele Unternehmen mussten ihre Mitarbeiter ins Home­office schicken. Dabei wurde ein landesweites Problem noch sichtbarer: Bei der Ver­sorgung mit Breitbandanschlüssen zeigt sich in Österreich ein ganz starkes Stadt-Land-Gefälle, insbesondere hinsichtlich der Geschwindigkeiten.

Der in der letzten Woche von unserer Bundesministerin Schramböck präsentierte Digi­tale Aktionsplan bringt strategisch fundierte Umsetzungsmaßnahmen für eine erfolg­reiche Digitalisierung in Österreich.

Die zweite Breitbandmilliarde zur Förderung der digitalen Infrastruktur ist ein wichtiges und absolut richtiges Signal. Die Investition kommt nicht nur unserer Wirtschaft zugute, sondern auch unseren Schülern, Schülerinnen, Lehrerinnen und Lehrern.

Der 8-Punkte-Plan der Bundesregierung im Bereich Bildung ist sicher eine Revolution im Hinblick auf die digitale Schule des 21. Jahrhunderts. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zanger: Mit dem Wort Revolution ... man schon aufpassen!) Er ist der nächste Meilen­stein nach der Erfindung des Schulbuches und ein ganz wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Er umfasst das Portal Digitale Schule, die Vereinheitlichung beste­hender Plattformen, Lehrendenfortbildung, Eduthek, Gütesiegel für Lern-Apps, den Aus­bau schulischer Basis-IT-Infrastruktur und insbesondere auch digitale Endgeräte für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrerinnen und Lehrer.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt sind die Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft, darunter der Ausbau von E-Commerce, maßgeschneiderte Mitarbeiterqualifizierung und gezielte Förderungen und Programme, insbesondere für KMUs. Diese Maßnahmen zeigen, wie wichtig eine gut durchdachte Digitalisierungsstrategie ist. Der Rechnungshof hat in diesem Zusammenhang die Vorarbeiten zur digitalen Weiterentwicklung und die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie der Bundesverwaltung für die Jahre 2015 bis 2018 überprüft und auch beurteilt.

Da decken sich die Empfehlungen des Rechnungshofes mit den Vorhaben unserer Bundesministerin zu großen Teilen. Ziel der Digitalisierungsstrategie ist es vor allem, Onlineanwendungen auf mobilen Geräten zu erleichtern, dabei aber auch immer eine analoge Alternative beizubehalten. Das gut funktionierende Portal oesterreich.gv.at soll als Ansatzpunkt genutzt werden und für die Zukunft als Modell herangezogen werden. Auch der Rechnungshof anerkennt die Plattform als absolutes Positivbeispiel für künftige Verwaltungsapplikationen.

Ich zitiere aus dem Rechnungshofbericht:

„Der RH erachtete die Einrichtung einer zentralen Online–Plattform für sämtliche elek­tronische Amtswege im Sinne der Nutzereffizienz für die Bürgerinnen und Bürger als sehr wichtig. Er bewertet daher die Entwicklung der Online–Plattform ,oesterreich.gv.at‘ als Zusammenführung der bestehenden und künftigen Verwaltungsapplikationen positiv.“

Gemeint ist da auch eine sehr gute Abstimmung zwischen den bestehenden und neu zu errichtenden Systemen in Bund, Ländern und Gemeinden.

Ebenfalls wird in dem Bericht das von unserer Bundesministerin Schramböck voran­getriebene Once-Only-Prinzip thematisiert – ein wichtiger Schritt, um den Verwaltungs­aufwand zu verringern und eine Prozessoptimierung herbeizuführen. Klares Ziel dieses


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Prinzips ist die Unterstützung der Wirtschaft durch die Reduktion von Mehrfachmel­dungen identer Daten an Behörden; eine Vereinfachung, die unseren Betrieben und deren Mitarbeitern zugutekommt.

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung trifft unsere Wirtschaftsministerin mit dem Aktionsplan Austria den Zahn der Zeit. Das geplante virtuelle Kaufhaus Österreich ist mit Sicherheit eine ganz wichtige Bereicherung und kann unsere heimischen Unternehmen absolut stärken. Schwächen soll es die Konzernriesen aus Übersee. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Bereich Cybersicherheit ist ein neues Security Quiz App entwickelt worden. Das soll speziell die jungen Generationen auf dieses wichtige Thema vorbereiten. Ich glaube, wir werden in Zukunft wieder ganz vorne sein, speziell auch beim E-Government. Bei Mobile First sind wir im internationalen Vergleich jetzt schon spitze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.39


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.39.29

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzte Präsidentinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich über die ÖVP gerade gewundert – da hätte man lauter klatschen können! Kollege Pöttinger, du hast jetzt, glaube ich, eine Aufgabe aufgehalst bekommen, um die dich niemand beneidet hat.

Wir diskutieren einen katastrophalen Bericht zur Digitalisierung in Österreich, eine Bank­rotterklärung dahin gehend, was Schramböck in den letzten Jahre nicht weitergebracht hat, und du musst herausgehen und einen derartig negativen Bericht dann noch ver­teidigen und uns allen erzählen, was im Bereich der Digitalisierung weitergeht. Das ist ja alles eine Schmähpartie! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Nur zwei Beispiele – reden wir offen miteinander: Stellen wir uns bitte vor, für das Jahr 2019 hätten wir schon Laptops und Tablets für alle Schulklassen bestellt gehabt. Es gibt einen gewissen Minister Faßmann, der scheinbar für Bildung zuständig ist. (Abg. Vogl: Nur scheinbar!) Einer seiner ersten Schritte war, dass Herr Faßmann gesagt hat: Nein, die Digitalisierung brauchen wir nicht! Das bestellen wir ab, das brauchen wir nicht! – Jetzt in der Krise ist er draufgekommen: Es wäre vielleicht doch schlau gewesen, wenn man Tablets gehabt hätte. Herr Faßmann hat das alles abbestellt und stellt sich heute mit Kanzler Kurz hin und sagt, er ist so froh, endlich startet die Digitalisierung in Österreich. – Jetzt wird Herr Faßmann endlich munter! Er hat die Tablets abbestellt; heute ist er munter geworden, und auf einmal gibt es Tablets in Österreich. Das ist die Digitalisierung der ÖVP in Österreich.

Der zweite Punkt – da muss man ja wirklich lachen; Frau Rechnungshofpräsidentin, Sie kennen ja Ihren Bericht –: Da stellt sich Sebastian Kurz heute hin und dankt Ministerin Schramböck für die klare Digitalisierungsstrategie. (Heiterkeit des Redners. – Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Mir fehlen die Worte! Also, was es auch alles im Hause Schramböck gibt, aber eine klare Digitalisierungsstrategie gibt es ganz offensichtlich nicht. Das liegt ja auch am Tisch, das wissen wir alle.

Ich glaube, es ist zentral, dass wir im Bereich der Digitalisierung Gas geben, dass wir miteinander besser werden. Ein zentraler Kritikpunkt, den Frau Schramböck nämlich nie verstanden hat, ist: Digitalisierung ist nicht nur Technik und Computerkurse, sondern es geht dabei um Menschen. Der Mensch steht im Mittelpunkt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Was ist mit langzeitarbeitslosen Menschen, was ist mit Weiterbildung, was ist mit einer


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Konzernbesteuerung? Mir geht es darum, dass wir auch in Zukunft den Sozialstaat weiter finanzieren, die Gesundheitssysteme vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft weiter finanzieren. Das sind riesengroße Herausforderungen, bei denen sich die Gewerkschaften ganz, ganz viel Mühe machen. Diese haben einen breiten Zugang, sie sagen: Wir wollen vor dem Hintergrund der Digitalisierung niemanden zurücklassen.

Bei Frau Schramböck und Herrn Kurz ist das irgendwie ein nettes Türschild, mit Digitalisierung wirkt man irgendwie modern. Sie haben aber auf die sozialen Fragen bis heute keine Antwort. Da gibt es dann irgendwelche Presseaussendungen und Präsentationen und einen katastrophalen Rechnungshofbericht, den wir alle noch einmal lesen sollten.

Kollege Pöttinger, danke für die Mühe! Sie haben zumindest versucht, Kurz und Schramböck zu verteidigen. Danke, zumindest für den Einsatz, die Realität ist leider anders. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

18.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.


18.42.30

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsident des Rech­nungshofes! So ganz unrecht hat Kollege Kucher nicht, das muss man schon ganz ehrlich sagen. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Es war die erste Breitband­milliarde, die es gegeben hat, schon ein bissel undurchsichtig, und es hat in Wahrheit keiner in den Gemeinden gewusst, was er damit machen soll und wie er zu einem Breit­band kommt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hörl und Pöttinger.– Ja, ja, ja! Ihr tut immer nur groß reden! Ja, der Hörl! Ja, du bist mir der Richtige! Das freut mich! Bring du einmal Breitband nach Ischgl, dann würden die früher von Corona wissen, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Es ist zweifellos ein wichtiges Thema. Der Rechnungshof erkennt ja auch durchaus gewisse Bemühungen an, aber es darf halt nicht nur bei ein paar Bemühungen und Überschriften bleiben. Es gehört halt auch einmal gehandelt.

Für mich stellt sich ja noch eine andere Frage. Ich möchte das Ganze jetzt ein bissel mit einem Familienausschuss verquicken, den wir gehabt haben, in dem es ja auch um diese ganzen Fakenews gegangen ist, die in der Coronazeit von der Regierung als Fakenews identifiziert wurden. Frau Minister Aschbacher hat dabei meines Erachtens schon sehr tief blicken lassen. Als sie angesprochen hat, dass diese Sachen gefiltert werden, habe ich sie gefragt, wie das genau funktioniert. Darauf sagt sie, das schaut dann im Prinzip so aus: Diese Jugendplattformen schaut man sich an und dann setzt man irgendwelche kleinen Programme hinein, sodass diese Jugendplattformen zuerst die Infos der Regierung finden. – Das finde ich kritisch, da tritt schon wieder das Dollfuß-Gen von der ÖVP zutage. (Abg. Gabriela Schwarz: Jetzt reicht es aber, Herr Kollege Zanger! Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Geh sicher, ja natürlich! Ihr wollt, dass sie ganz gezielt nur die Infos der Regierung und von eurem Basti Kurz wissen! Das ist euer Ziel! Das kann es ja nicht sein! Bitte, wo sind wir denn?! Das geht ja komplett gegen demokratische Grundrechte und gegen Meinungsfreiheit. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) – Kollege Sieber, da kannst du dich aufquargeln, wie du willst: Das ist die Wahrheit!

Das ist die Kehrseite der Medaille bei der Digitalisierung. Da bin ich schon der Meinung, dass wir alle aufpassen müssen, was in diesem Land passiert. (Abg. Gabriela Schwarz: Sie! Passen Sie auf, was Sie sagen!) Wenn nur mehr ihr diktiert, was Österreich glauben


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 219

darf, dann wird es kritisch! – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Sieber: Dollfuß geht nicht! Und Basti geht auch nicht!)

18.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Süleyman Zorba. – Bitte.


18.45.00

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Sehr geehrte Präsidentinnen! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt wird es wieder ein bisschen sachlicher. Der vorliegende Bericht des Rechnungshofes zur Digitalisie­rungsstrategie des Bundes zeigt einige Versäumnisse und Missstände auf, die zweifellos existieren und behoben werden müssen.

Über viele Jahre war Österreich in Sachen E-Government Spitzenreiter in Europa. Seit 2010 wurde allerdings eine Vielzahl an Innovationsmöglichkeiten verschlafen, und wir haben den Anschluss an unsere europäischen Nachbarn verloren. Wichtig ist, dass wir in diesem Bereich nun erneut Impulse setzen, um wieder in eine Spitzenposition zu gelangen.

Im Regierungsprogramm haben wir diesbezüglich einige Maßnahmen festgehalten. Ich denke hier beispielsweise an eine Maßnahme zur IT-Konsolidierung, welcher bereits im erwähnten Bericht des Rechnungshofes eine hohe Umsetzungspriorität zuerkannt wird. Im Programm haben wir in Bezug auf diese unter anderem vereinbart, dass aus Kos­teneinsparungs- und Sicherheitsgründen die Konsolidierung bestehender Systeme im Bund vorangetrieben werden soll, inklusive einer gemeinsamen Beschaffung von Hard- und Software sowie eines einheitlichen Lizenzmanagements.

Ebenso merkt der Rechnungshof an, dass der elektronische Verkehr zwischen Behör­den, BürgerInnen und Unternehmen endlich umfassend ermöglicht werden muss. Auch hierzu finden sich einige Punkte im Programm, wie etwa der Ausbau des Digitalen Amtes auf oesterreich.gv.at zur zentralen Plattform von Interaktion zwischen Behörden und BürgerInnen, die Ermöglichung weiterer Verfahren wie zum Beispiel Nebenwohnsitz­meldungen oder Verlustmeldungen oder die Ausstellung von Strafregisterauszügen auf digitalem Weg. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Wichtig ist dabei, dass einem auch bewusst ist, dass Digitalisierung nicht nur bedeutet, analoge Wege eins zu eins digital abzubilden, sondern Prozesse im Sinne einer Nut­zerInnenfreundlichkeit zu vereinfachen, zu überarbeiten und in vielen Bereichen zu überdenken.

Digitalisierung ist eine Querschnittsmaterie und betrifft alle Ministerien und auch viele Bereiche. Deswegen ist es wichtig, einen guten Maßnahmenkatalog zu haben und eine gute Umsetzungsstrategie zu entwickeln. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns hier auf einem guten Weg befinden. Digitalisierung hört darüber hinaus natürlich nicht mit einem guten E-Government auf, sie muss auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens vorangetrieben werden.

Die Notwendigkeit und die Vorteile einer umfassenden Offensive hat uns die herr­schende Coronakrise sehr deutlich gezeigt. In den letzten Wochen und Monaten hat ein Großteil unseres Lebens im digitalen Raum stattgefunden. Wir haben Kontakt zu Freun­den und Familie per Videokonferenz gehalten, im Homeoffice sind wir unserer Arbeit nachgegangen. In manchen Bereichen, wie etwa der Bildung, hat sich ein dringender Investitions- und Nachholbedarf gezeigt.

Gerade deswegen ist es wichtig, den momentanen Elan nicht ungenutzt zu lassen. Wir müssen ins Umsetzen der angekündigten Maßnahmen kommen, um die Chancen der


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Digitalisierung bei der Vereinfachung von Behördenwegen, beim Klimaschutz, in der Wirtschaft, bei der Bildung sowie in vielen anderen Bereichen zu nutzen. Wir haben große Pläne, packen wir es an! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ist der nächste Redner. – Bitte.


18.48.23

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Verehrte Präsidentin des Rechnungshofes! Sie haben uns einen Bericht vorgelegt, der insbeson­dere von der ÖVP, glaube ich, nicht wirklich gelesen wurde. Herr Kollege Pöttinger, Sie haben am Anfang erzählt, wie großartig alles ist. Wenn man diesen Bericht durchliest, sieht man, dass genau das Gegenteil der Fall ist, nämlich dass wir bis zu den 2010er-Jahren Weltmeister beziehungsweise Europameister waren, immer Bester waren. Danach ist es stetig bergab gegangen, und mittlerweile stehen wir teilweise katastrophal da.

Wenn Sie sagen, wir sind Dritter, dann nehmen Sie einen einzigen Bereich aus all diesen Indizes, die es hier gibt, heraus. Wenn Sie den Querschnitt anschauen, dann sehen Sie, es ist nach wie vor katastrophal. (Zwischenruf des Abg. Pöttinger.) Man kann auch sehr schön im Rechnungshofbericht nachlesen, dass es nach 2010 eine Vielzahl von neuen Gremien gab, die gegründet wurden – IKT-Bund, Kooperationsgremien zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Städten und so weiter –, in denen zusammengefasst und geschaut wurde, dass man weiterkommt, dass wir an die Spitzenposition, die wir 2008 gehabt haben, anschließen können. Das Problem während der letzten Regierungen war, dass alle diese Arbeitsgruppen de facto nicht mehr aktiv sind, eingeschlafen sind, sich nicht mehr treffen. Dementsprechend ist nichts weitergegangen.

Dann gab es 2016 einen Ministerratsbeschluss zur digitalen Strategie für Österreich, aber auch dabei ist sehr wenig beziehungsweise nichts herausgekommen. Ganz abge­sehen davon war es keine Strategie, wie der Rechnungshof aus meiner Sicht sehr richtig in diesem Bericht erwähnt, sondern es war einfach nur einmal eine schöne Überschrift.

Wir haben das dann auch in der Umsetzung all dieser Dingen gesehen. Ich meine, Kollege Loacker – er sitzt ja im Raum – kann ein Lied davon singen, wie die Umsetzung dieser digitalen Strategie gelaufen ist. Die Posse um das Digitale Amt – man kann sich dort an seinem Wohnsitz anmelden –, glaube ich, kennen wir alle. Es ist bis heute so, zumindest soweit ich weiß, dass man beispielsweise Nebenwohnsitze über das Digitale Amt nicht um- oder anmelden kann. Das zeigt, dass man da nie wirklich ins Weiter­arbeiten gekommen ist.

Dann haben wir heute eine wunderbare Präsentation gehabt. Ich freue mich ja wirklich jeden Tag, wenn ich aufstehe, auf das, was von der Bundesregierung jeweils präsentiert wird, denn es wird von Tag zu Tag immer absurder. Heute wurden Gratistablets prä­sentiert. Wir statten unsere Schulen mit Tablets aus, endlich werden wir digitaler Vorreiter – großartig! Ich finde das inhaltlich ja wirklich notwendig. Wir haben gerade in dieser Zeit gesehen, wie notwendig es ist, Digitalisierungsmaßnahmen an der Schule durchzuführen, nur: Wissen Sie, was am 31. August 2018 war? – Große Präsentation der damaligen Bundesregierung: „Gratis Tablets: So wird die Schule der Zukunft“ – „Digitales Klassenzimmer: Die Regierung baut am ‚Masterplan Digitalisierung‘“.

Damals war der Herr Bundeskanzler in Singapur und in Hongkong, hat sich dort Schulen angeschaut und gesagt: Boah, die haben alle Tablets, die sind da alle digital unterwegs, das brauchen wir auch!, und hat ein paar Fotos gemacht. Daraus entsteht dann so ein


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Aktionsplan – und nichts ist passiert. Nichts ist passiert! Deswegen sind wir heute in genau dieser Situation. Das ist diese Showpolitik, die Sie in der Krise anwenden, die Sie aber auch in den letzten Jahren angewendet haben. Die Regierungen Kurz sind immer Show­politik, und umgesetzt wird nichts. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein weiteres Highlight ist das Digitale Amt – ich habe es vorhin schon kurz ange­schnitten. Das Digitale Amt wurde parallel – auch das kann man in diesem Rechnungs­hofbericht nachlesen, wenn man ihn sich zu Gemüte führt – zu digitales.wien.gv.at entwickelt. Das zeigt ganz eindeutig, wie ineffizient wir arbeiten. Jeder – Regierungen, die Landesregierung, die Bundesregierung, jeder Politiker – baut und schraubt an seinem eigenen Werkl, ohne mit anderen zu reden. Das Digitale Amt hat 2,5 Millionen Euro gekostet – das wissen wir aufgrund einer Anfragebeantwortung an uns –; dazu kamen noch einmal – weil es ja um die Show geht – 1,293 Millionen Euro an Inseraten­kosten. Das wird einfach nur beworben, es geht darum, schön in die Breite zu kommen. Warum haben Sie es gemacht? – Da hat sich jemand in einem Ministerium gedacht: Na, wir kommen vielleicht zu wenig vor, sagen wir Digitales Amt! Wie gesagt: Die Umsetzung ist katastrophal, die Dinge funktionieren nicht – Posse Gerald Loacker, Meldung im Digitalisierungsministerium.

Ich frage mich ja auch: Warum nennt sich die Digitalisierungsministerin eigentlich als Erstes Digitalisierungsministerin? Sie ist sehr stolz darauf, Digitalisierungsministerin zu sein, nur rauskommen tut am Ende nichts. Als Erstes steht Digitalisierungsministerin und dann Wirtschaftsstandortsministerin – ich glaube, so nennt sie sich –, Digitalisierung findet sich aber nahezu nirgends.

Auch in der Umsetzung aller – oder der meisten – großen, wichtigen europäischen Projekte sind wir säumig, egal ob es das Recht auf den elektronischen Verkehr ist oder Single Digital Gateway. Das sind Projekte, die wir eigentlich vorantreiben sollten, leider – und das ist auch im Rechnungshofbericht sehr gut nachlesbar – passiert diesbezüglich nichts; auch da, Ministerin Schramböck: Wenn es darum geht, Show zu machen, gerne, sonst sehr wenig.

Dann hat es letzte Woche eine tolle Präsentation gegeben – ich warte eigentlich schon seit Jahren darauf; ursprünglich hat das digitaler Masterplan geheißen, jetzt heißt es Digitaler Aktionsplan –: Der Digitale Aktionsplan wurde präsentiert.

Wir haben alle auf diese digitale Strategie gewartet; dann schaut man sich den Rech­nungshofbericht an, was die Empfehlungen beziehungsweise die Kritikpunkte waren, warum es bisher nichts gab, was man als Digitalisierungsstrategie hätte bezeichnen können, und darin sind insbesondere drei Punkte angeführt: Es braucht Verantwortliche, um so eine Strategie zu haben, also klare Verantwortlichkeiten, wer das umsetzt. Das ist eines der Hauptprobleme, die wir momentan haben. Es braucht eine klare Finan­zierung: Wer zahlt was? Genau das ist die Problematik zwischen Wien und Bund, beispielsweise, gewesen. Und: Es braucht einen Zeitplan. – Alle diese drei Punkte sind im wieder großartig in einer tollen Pressekonferenz präsentierten Digitalen Aktionsplan von Ministerin Schramböck nicht enthalten. Das ist wieder nicht die Strategie, die wir brauchen, und es ist wieder eine Bankrotterklärung des Digitalisierungsministeriums in diesem Bereich. (Beifall bei den NEOS.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte.


18.54.53

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Zunächst darf ich die Aussage von


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Kollegen Zanger in Richtung ÖVP, der da von einem „Dollfuß-Gen“ gesprochen hat, zurückweisen und bitte Sie, Frau Präsident, diese Aussage zu prüfen. Sie war absolut unangebracht und aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Wo habt ihr das Bild versorgt, das ihr abgehängt habt?)

Ich darf zum Rechnungshofbericht betreffend Kelag Wärme GmbH kommen. Es hat im Jahre 2016 eine Prüfung gegeben und im Jahre 2019 eine Follow-up-Überprüfung, die in diesem Bericht wiedergegeben wurde. Von den 13 Schlussempfehlungen dieses Follow-up-Berichtes wurden zwischenzeitlich zehn vollkommen, zwei teilweise umgesetzt, und ein Punkt wurde nicht umgesetzt. Also ausgehend von 2016, glaube ich, ist es durchaus angebracht, zu sagen, dass es Verbesserungen und Optimierungen gibt.

Zuerst zu den positiven Punkten: Erstens: Die Kelag hat eine vorgegebene Vergabe­ordnung, die vom Rechnungshof empfohlen wurde, ausdrücklich umgesetzt und in allen Bereichen vollkommen berücksichtigt. Zweitens: Die Steuerung der einzelnen Beteili­gungs­gesellschaften wurde verbessert. Es gibt ein sogenanntes Beteiligungsmana­ge­ment, inklusive eines operativen und strategischen Controllings. Und drittens: Aktuell wird das Best- beziehungsweise Billigstbieterprinzip durch die Kelag Wärme GmbH umgesetzt.

Mängel gibt es nach wie vor im Bereich der Auftragswerte bei den Vergaben. Da hat es, was die Schätzungen der Auftragswerte betrifft, durchaus Unterschiede geben, einer­seits waren sie zu hoch und andererseits in einigen Bereichen zu niedrig. Das hat dazu geführt, dass die Rahmenvereinbarung beendet wurde. Bei den Neuaufträgen hat es da und dort in den Vergabeverfahren falsche Annahmen gegeben.

Besonders kritisiert hat der Rechnungshof die Besetzung von Geschäftsführer­positio­nen. Da gibt es, glaube ich, durchaus Handlungsbedarf, den der Rechnungshof für die Zukunft beauftragt hat.

Insgesamt beinhaltet dieser Follow-up-Bericht drei Empfehlungen, einerseits was die Beteiligung betrifft, andererseits was die Auftragswerte betrifft und natürlich betreffend die Personalbestellungen. Es gibt einen klaren Auftrag an die Kelag Wärme GmbH im operativen Bereich. Insgesamt kann man aber aus diesem Rechnungshofbericht ab­leiten, dass es durchaus Verbesserungen gibt und die Empfehlungen größtenteils umge­setzt wurden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Gahr, es besteht gemäß Geschäftsord­nung die Möglichkeit, das Verlangen nach einem Ordnungsruf zu stellen; ich hole mir dann in der Regel auch die Stenographischen Protokolle.

Ich weise nur darauf hin, dass ich dem Redner sehr genau zugehört habe und den Ausdruck „Dollfuß-Gen“ natürlich gehört habe. Ich sage Ihnen aber gleichzeitig, dass dieser Ausdruck meiner Einschätzung nach nicht ordnungsrufwürdig ist, noch dazu, weil bis vor Kurzem das Porträt von Engelbert Dollfuß im ÖVP-Klub hing. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.) Ich sehe keine Ordnungsrufwürdigkeit und wollte das auch klarstellen.

*****

Ich erteile nun Herrn Abgeordnetem Michel Reimon das Wort. – Bitte, Herr Abgeord­ne­ter.


18.58.54

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ganz kurz ein paar Worte zum Bericht betreffend die Struktur


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österreichischer Vertretungen innerhalb der EU und der Follow-up-Überprüfung. Im Bericht geht es um die Jahre 2014 bis 2016, die Follow-up-Überprüfung war dann danach.

Es wurde ein Großteil der Empfehlungen umgesetzt. Ich finde, für den Nationalrat ist das ein gutes Beispiel dafür, wie solche Berichte funktionieren sollten und wie wir sie nehmen sollten. Betreffend eine der Empfehlungen kann man sich anschauen, ob diese weiterhin wirkt und umgesetzt wird, nämlich die Empfehlung, dass in Botschaften der Frauenanteil in Führungspositionen auf 50 Prozent oder über 50 Prozent gehoben wird. Es ist tatsächlich so, dass das 2014 als nicht zureichend erachtet wurde; in der Follow-up-Überprüfung hat sich gezeigt, dass die Situation schon ein bisschen besser ist.

Jetzt habe ich mich heute im Außenministerium erkundigt, was sich seitdem getan hat, und siehe da: Wir haben innerhalb der Europäischen Union und innerhalb Europas – wir haben uns jetzt die aktuellen Zahlen schicken lassen – inzwischen 50 Prozent Frauen­anteil beziehungsweise knapp unter 50 Prozent; ich glaube, 48 Prozent. Der Zustand ist also noch besser als im Follow-up des Rechnungshofberichtes. Es ist dann offensichtlich zwei, drei Jahre fortgesetzt worden. Ich finde, das ist eine sehr gute Sache, ein sehr gutes Resultat der Arbeit des Rechnungshofes.

Weltweit allerdings entwickelt sich der Frauenanteil bei den Botschaftsführungen noch nicht so gut, da haben wir ja jetzt auch die Zahlen bekommen. Schauen wir uns das für das nächste Jahr an, vielleicht gibt es dann wieder eine Überprüfung des Rechnungs­hofes, mit der man dann auch zufrieden sein kann! Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.00


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Präsidentin Kraker zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.00.51

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir nur ein paar kurze Bemerkungen zum Bericht zur Digitalisierungsstrategie des Bundes. Ich halte ihn deshalb für zentral, weil er sich mit dem Thema der Koordinationsfunktion im Digitalisierungsbereich auseinan­dersetzt.

Das Thema der Digitalisierung gehört ja seit einigen Jahren schon zu den Regierungs­schwerpunkten und hat jetzt man hat nicht zuletzt durch die Coronapandemie gesehen, wie sich die Arbeitswelt und die Arbeitsweise auch im Bereich der Verwaltung verändert  einen zusätzlichen Stellenwert erfahren. Es geht um Fragen der elektro­nischen Identität, der IT-Sicherheit, des Umgangs mit Daten im Allgemeinen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Was haben wir festgestellt? Seit dem Jahr 2018 sind die Kompetenzen für E-Govern­ment und IKT zentral im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angesiedelt. Wir sehen das als Chance, dass da eine klare Federführung besteht, und zwar geht es darum, Parallelentwicklungen zu vermeiden, nicht kommunikationsfähige Systeme zu vermeiden und ein klares Leadership zu entwickeln.

Für Österreich gilt es, wieder an die einstige Spitzenposition, die wir im Bereich des E-Governments hatten, anzuknüpfen. Dementsprechend geht es eben um die Aus­arbei­tung, um die Koordinierung der Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie durch das Digitalisierungsministerium. Die anderen Akteure – es gibt eine Vielzahl von Akteuren: CDOs, Taskforce, Digitalisierungsagentur et cetera – sollen in unterstützender Form ihren Beitrag leisten.


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Neben der Digitalisierung in der Verwaltung geht es um die digitale Transformation der Gesellschaft. Dafür gibt es auch einen Index; Österreich war dort im Jahr 2019 an 13. Stelle. Auch da gibt es eine große Herausforderung im Bereich der digitalen Transformation, etwa in der Konnektivität im Breitbandbereich. Die IT-Konsolidierung sehen wir naturgemäß positiv, deshalb eben auch die gebietskörperschaften­übergrei­fende Zusammenarbeit.

Wenn es Onlineplattformen gibt, ist es für uns auch wichtig, dass die Best Practices jeder Ebene herausgezogen werden und zum Vorbild genommen werden. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

19.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Frau Präsidentin!

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses und fahre in der Erledigung der Tages­ord­nung fort.

19.03.1313. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Leseförderung an Schulen – Reihe BUND 2020/3 (III-91/214 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auch da wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gelangt nun unser Kollege Andreas Kühberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.03.56

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Öster­reicherin­nen und Österreicher! Ich darf mich jetzt zu einem Bericht des Rechnungshofes äußern, der meiner Meinung nach ein ganz wichtiges und besonderes Thema behandelt. Es geht um die Leseförderung an unseren Schulen in Österreich.

Dazu hat der Rechnungshof das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung untersucht, genauso aber auch die Landesschulräte in Niederösterreich und Salzburg. Sie haben sich die Maßnahmen der beiden Länder bei der Leseförderung genau angeschaut. Geprüft wurde der Zeitraum der Schuljahre 2014/15 bis 2017/18. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass bei der Förderung der Lesekompetenz in der Vergangenheit leider immer wieder Fehler gemacht wurden.

Seit 2003 schneidet Österreich bei der Pisa-Studie im Bereich der OECD eher unter­durchschnittlich ab, erst 2018 war man erstmals wieder im OECD-Durchschnitt. Außer­dem können nach dem Ende der Sekundarstufe I, also der Volksschule, 17 Prozent der Kinder nur mit Mühe einfachste Leseaufgaben bewältigen, und das, obwohl in den Volksschulen 30 Prozent der Unterrichtsstunden – das bedeutet 30 Prozent der Res­sourcen – für die Fächer Deutsch, Lesen und Schreiben aufgewendet wurden. Der Rechnungshof hält dazu auch Gründe fest und sagt, dass sich die Bildung der Eltern stark auswirken kann. Auch Kinder mit Migrationshintergrund, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, werden als Risikogruppe eingestuft.


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Meine Damen und Herren, diese unterschiedlichen Startvoraussetzungen wurden eigentlich zu wenig berücksichtigt. Der Bericht kritisiert vor allem, dass die Lehrpläne zu allgemein gewesen wären und dass es keine einheitlichen Leistungsbeurteilungen gab. Die Folgen sind, dass 970 000 Österreicherinnen und Österreicher über eine sehr geringe Lesekompetenz verfügen, 240 000 sogar über eine extrem niedrige. Oft haben die Menschen dadurch natürlich auch Nachteile in ihrem Alltag. Ich glaube, es ist unser gemeinsames Ziel, die Lesekompetenz der österreichischen Schülerinnen und Schüler nachhaltig zu steigern.

Um diese Ziele zu erreichen, empfiehlt der Rechnungshof Maßnahmen zu folgenden Schwerpunkten: Die Lehrpläne und der Grundsatzerlass zur Leseerziehung sollen praxisorientiert überarbeitet werden, es soll eine einheitliche Qualitätssicherung und ein Qualitätsmanagement erarbeitet werden sowie verstärkt auf Steuerung und Monitoring gesetzt werden. Den Bildungsdirektionen in Niederösterreich und Salzburg wird empfoh­len, eine Ansprechperson zum Thema Lesen einzusetzen. Insgesamt zielt der Rech­nungshof also auf eine Bündelung in der nationalen Strategie zur Förderung der Lesekompetenz ab.

Obwohl der Rechnungshof auch positiv erwähnt, dass eine Vielzahl von Akteuren in die Leseförderung eingebunden ist, wird diese Tatsache bei den vorgeschlagenen Maß­nahmen meiner Meinung nach nicht genügend berücksichtigt. Insgesamt sieht der Bericht aber sehr positiv aus, er sieht es auch positiv, dass das Ministerium unter Minister Faßmann viele seiner Empfehlungen bereits umsetzt. Eine erfreuliche Nachricht haben wir auch in den letzten Tagen betreffend Deutschklassen gehört: 80 Prozent der Schüle­rinnen und Schüler können nach einem Jahr wieder am Regelunterricht teilnehmen, 32 Prozent davon brauchen eigentlich keine zusätzliche Betreuung mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Genau das sind Beispiele, die aufzeigen, dass verschiedene Maßnahmen nötig sind, da ja jeder Schüler andere Voraussetzungen hat, und man nicht wie früher vorgeht, als alle Schülerinnen und Schüler in einen Topf zusammengeschmissen worden sind und man einfach gehofft hat oder davon ausgegangen ist, dass sie sich irgendwo bei einem Sprachniveau treffen. Vor allem auch Kinder mit Migrationshintergrund, die in der ersten Phase erst Schritt für Schritt aufholen müssen, waren da sehr benachteiligt. Wie das Beispiel zeigt, sind diese Deutschklassen wirklich eine Erfolgsgeschichte. Ich hoffe, dass jetzt auch die Kritiker verstummen werden.

Ich glaube, wir sind sehr gut unterwegs, was die Lesekompetenz und auch die Bildung in Österreich betrifft. Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag.a Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.09.12

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident des Nationalrates! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorlie­gende Bericht des Rechnungshofes ist insofern besonders, als vier der fünf Prüfungs­gegenstände eher didaktischer als ökonomischer Natur waren.

Das ist natürlich, und das sage ich als ehemalige Lehrerin, in der Beurteilung nicht ganz einfach, wenn man ein scharfes Bild zeichnen möchte. Dass es das Problem beim sinnerfassenden Lesen gibt, zeigen unzählige Untersuchungen, aber natürlich auch die persönlichen Erfahrungen.

Mein Ehemann ist selbst Lesepate in meinem Bezirk Wien Donaustadt und leistet einen Beitrag, um bei den Schulkindern Interesse am Lesen zu wecken. Dieses Projekt


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wurde 2007 von der ehemaligen Bildungsministerin Claudia Schmied gestartet und läuft noch immer sehr erfolgreich.

Der Rechnungshof empfiehlt den Ländern Salzburg und Niederösterreich, in diesem Bereich bei der Qualität und der Herausgabe der Richtlinien nachzubessern.

Was sich in der Praxis zeigt und was auch die Lesepaten erleben, ist, dass die Kinder heutzutage über eine sehr hohe Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien verfügen. Es ist interessant, wie gut die Kinder im Umgang mit Tablets sind und wie schlecht sie eigentlich aus dem Buch lesen können.

Dennoch ist das Lesen eine Schlüsselkompetenz, um Wissen zu erlangen, auf dem Lesen baut die Schulbildung auf. Ein Beispiel dafür, wie es gut gelingen kann, die Kinder für Bücher zu begeistern, ist das alljährliche Kinderlesefest im Wiener Rathaus. Dieses Event wird jedes Jahr von Tausenden Kindern regelrecht gestürmt. (Beifall bei der SPÖ.) Sie können sich dann drei Bücher aussuchen. Heuer wurde dieses Fest aufgrund von Corona mobil gemacht. Das heißt, die Schulen können bestellen und die Bücher werden in die Schulen geliefert. Dieses Lesefest versteht sich als Leseförderung der anderen Art und möchte das Lesen als positives Erlebnis darstellen.

Das Wichtigste ist natürlich die Förderung zu Hause, vorleben ist einfach die beste Möglichkeit der Förderung. Man muss aber, glaube ich, auch ganz klar sagen: Sie werden lange Eltern suchen, die nicht wollen, dass ihre Kinder flüssig lesen können, aber sie werden genug Eltern finden, die nach der Arbeit nicht mehr die Kraft haben oder selbst auch nicht die Voraussetzungen haben, um die Kinder ausreichend zu fördern. Daher ist da der Staat, die Schule und die Gemeinschaft gefordert, um das zu unter­stützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

19.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.12.17

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Präsi­dentin! Wir dürfen dem Rechnungshof und seinen Prüfern wirklich dafür dankbar sein, dass sie so stringent, so akkurat ihrer Aufgabe nachkommen und schonungslos aufzeigen und ans Tageslicht bringen, was nicht funktioniert und wo die Fehler liegen.

Im Bericht zeigt sich unter anderem, nämlich dort, wo es um das Abtesten der Lese­kompetenz von Erwachsenen geht – das ist also die Gruppe der 16- bis 65-Jährigen –, dass 17 Prozent über eine niedrige und 4,3 Prozent über eine sehr niedrige Lese­kom­petenz verfügen. Ich sage das deswegen in Prozent, weil es in absoluten Zahlen eigentlich schockierend ist: Das sind 970 000 Menschen in Österreich mit niedriger Lesekompetenz und 240 000 Menschen mit sehr niedriger Lesekompetenz.

Oder nehmen wir das Thema Bildungsstandardüberprüfungen – da geht es um die Standardprüfungen nach der 4. Schulstufe zum Abschluss der Volksschule. 13 Prozent dieser Kinder können die Standards nicht einmal teilweise erfüllen. In der 8. Schulstufe, also nach der 4. Klasse Hauptschule/neue Mittelschule/Gymnasium, beträgt dieser Anteil sogar schon 17 Prozent, und das steigt dann noch einmal.

Der Bericht definiert auch diese Risikogruppe in der neuen Mittelschule, und da liegt der Wert bei 24 Prozent. Das heißt, jeder vierte Schüler in der neuen Mittelschule ist diesbezüglich gefährdet, könnte Probleme beim Lesen haben – und das bedeutet natürlich auch Probleme in der Zukunft, im beruflichen Werdegang. Das ist er­schreckend, das ist bedenklich! Hier braucht es Unterstützung, hier braucht es Hilfe, hier braucht es Verbesserungen!


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Der Rechnungshof gibt einige Empfehlungen dazu, unter anderem schreibt er: „Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sollte den Grundsatzerlass Leseerziehung so umformulieren, dass er von allen Pädagoginnen und Pädagogen – egal welcher Fachrichtung – auf einfachem Weg in die Praxis umgesetzt werden kann.“

Ein Wahnsinn! So eine Empfehlung ist eine Ohrfeige für das Bildungsministerium. Im Bericht ist weiters auch die Rede von gekürzten Schulstunden, fehlenden Schul­biblio­theken oder Schulbibliotheken, die mit Büchern ausgestattet sind, in denen noch die alte Rechtschreibung verwendet wird.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch, wie es in den letzten Wochen zu Verordnungen kommen konnte, die am Ende des Tages stets mehr Fragen aufgeworfen haben, als sie Antworten gegeben haben. Da wäre zum Beispiel die Einführung der Sommerschule. Dazu wurde am 5. Juni angekündigt:

„Zielgruppen sind außerordentliche Schülerinnen und Schüler [...], die in Deutsch zwischen den Noten 4 und 5 stehen“ oder „die aufgrund der vergangenen Monate einen besonderen Aufholbedarf haben“. „Ausschlaggebend ist die ‚Empfehlung‘ des Klas­sen­lehrers beziehungsweise der Schulleitung.“

Dabei hat gerade in den letzten Wochen, wie wir wissen, nicht nur die Lesekompetenz gelitten, sondern es wurde grundsätzlich ein Bildungsmanko mehr oder weniger wieder hervorgerufen, nämlich dadurch, dass man die Schule im wahrsten Sinne des Wortes zugesperrt hat und von zu Hause aus unterrichtet hat.

Ich darf zur Beantwortung vieler Fragen, die sich hier gestellt haben – nämlich: wieso gibt es die Sommerschule nur für ausgewählte Schüler und Schülerinnen?, wieso gibt es nur einen Deutschschwerpunkt?, welche Lehramtsstudenten sollen da kostenlos mithelfen und arbeiten?, wer sind die ausgewählten guten Schüler, die sozusagen als Buddys dienen sollen? –, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Som­mer­schule für alle Schülerinnen und Schüler ermöglichen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, die geplante Sommerschule 2020 für alle Schü­lerinnen und Schüler auf freiwilliger Basis zugänglich zu machen, und dabei unter ande­rem sicherzustellen:

- ein breites Angebot, nicht nur Deutschförderung

- keine Kosten für die Schülerinnen und Schüler

- ausreichendes Lehrpersonal

- eine ordentliche Bezahlung von eingesetzten Lehramtsstudenten – zumindest in der gleichen Höhe wie außerordentliche Zivildiener“.

*****

(Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zum Abschluss noch: Kollege Hoyos-Trauttmansdorff hat die Digitalisierung ange­sprochen, die heute von Minister Faßmann großartig verkündet wurde, mit: Wir digita­lisieren die Schule.


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Der Kollege hat es richtig gesagt: Es geht um die Show, es geht um die schwarz-grüne Show. Wir haben es heute erfahren: Die Kinder, unsere Schüler werden mit Hardware, mit Laptops, mit PCs ausgestattet. – Ja, das ist die Hardware, aber kein Mensch spricht von der Software, und wenn ich Software sage, meine ich jetzt nicht die Programme, sondern dann meine ich das Wissen, das in den Lehrern und in den Schülern drinnen ist, das man braucht, um so etwas umzusetzen!

Wer wird denn da unterrichten? Wer werden die Lehrer sein? Wie werden diese Lehrer ausgebildet werden? Wie wird unterrichtet? Was sind die Bildungsziele? Was soll erreicht werden? Was soll vermittelt werden? Wie sehen die Lehrpläne tatsächlich aus? Das sind Ankündigungen über Ankündigungen, aber keine Antworten und viel mehr Fragen als vorher. Es geht tatsächlich um die schwarz-grüne Show. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Künsberg Sarre.)

19.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Sommerschule für alle Schülerinnen und Schüler ermöglichen

eingebracht in der 36. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 17. Juni 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 13, Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Leseförderung an Schulen – Reihe BUND 2020/3 (III-91/214 d.B.)

„Laut der sogenannten PIAAC–Studie 2012, die Kompetenzen von Erwachsenen testet, verfügten 17 % der 16– bis 65–Jährigen in Österreich (rd. 970.000 Personen) über eine niedrige Lesekompetenz, 4,3 % (rd. 240.000 Personen) über eine sehr niedrige Lese­kompetenz. Schlechte Lesekompetenz kann mit Benachteiligungen im Alltag und Beruf verbunden sein.“, ist im Rechnungshofbericht betreffend Leseförderung an Schulen nachzulesen.

Durch den von der Bundesregierung verursachten defacto Unterrichtsausfall von meh­reren Wochen leidet nicht nur die ohnehin schon schlechte Lesekompetenz, sondern es entsteht ein generelles Bildungsmanko. Ein teilweiser Ausgleich wäre durch eine Sommerschule für alle Schülerinnen und Schüler – auf freiwilliger Basis – möglich.

Seitens der Bundesregierung ist allerdings für den Sommer 2020 nur für einen kleinen Teil der Schülerinnen und Schüler eine solche Sommerschule vorgesehen.

Angekündigt wurde am 5. Juni unter anderem:

In den kommenden Tagen soll per Elternbrief an Volksschulen sowie Sekundarstufe eins (v.a. Neue Mittelschule und AHS-Unterstufe) über das Angebot informiert werden. Ziel­gruppe sind außerordentliche Schüler bzw. Schüler, die in Deutsch zwischen vier und fünf stehen oder die aufgrund der vergangenen Monate einen besonderen Aufholbedarf haben. Ausschlaggebend ist die "Empfehlung" des Klassenlehrers bzw. der Schul­leitung. Faßmann schätzte die potenzielle Zahl der in Frage kommenden Schüler auf 40.000 bis 42.000.

Wieso diese „Sommerschule“ nur für ausgewählte Schülerinnen und Schüler zur Verfügung steht, wieso es nur einen Deutschschwerpunkt geben soll, ob die Zielgruppe überhaupt gewillt ist daran teilzunehmen, welche Lehramtsstudenten als kostenlose


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Arbeitskraft zur Verfügung stehen, wer die ausgewählten guten Schüler als "Buddies" sein werden, wer die Lehrer sind, die als Mentoren und Begleiter der Studenten fun­gieren sollen und vielen andere Fragen bleiben offen. Damit wird heuer auf Grund der Versäumnisse des Bildungsministeriums die grundsätzlich begrüßenswerte Sommer­schule zur Farce werden.

Noch ist Zeit für eine Kurskorrektur!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, die geplante Sommerschule 2020 für alle Schü­lerinnen und Schüler auf freiwilliger Basis zugänglich zu machen, und dabei unter an­derem sicherzustellen:

-             ein breites Angebot, nicht nur Deutschförderung

-             keine Kosten für die Schülerinnen und Schüler

-             ausreichendes Lehrpersonal

-             eine ordentliche Bezahlung von eingesetzten Lehramtsstudenten – zumindest in der gleichen Höhe wie außerordentliche Zivildiener“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Sibylle Hamann. – Bitte, Frau Abgeord­nete.


19.17.47

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Liebe Frau Präsidentin! Beim Lesen funktioniert offenbar schon recht lange etwas nicht in Österreich. Die Zahlen wurden ja schon zitiert: Bei den 16- bis 65-Jährigen sind es 17 Prozent, die das nicht gescheit können. Das ist der gleiche Prozentsatz wie bei den Schülern und Schülerinnen der 8. Schulstufe. Da ist also schon sehr lange etwas, das nicht ideal läuft, das hat mit der Generation Youtube oder so ganz sicher nicht direkt etwas zu tun.

Danke dem Rechnungshof dafür, dass er da nachforscht! Danke auch für den ersten konkreten Hinweis, dass er sich die Leseerlässe angeschaut hat, also den Hinweis, dass man Leseerlässe tunlichst so formulieren sollte, dass man sie auch verstehen kann. Den werden wir ganz sicher dankbar als eine der ersten Anregungen aufnehmen.

Was können wir sonst noch an Aufträgen für unsere Bildungspolitik mitnehmen, wenn wir hier etwas zum Besseren ändern wollen? Ich mache es einmal subjektiv, was ich mitnehme. Ich hoffe, es widerspricht nicht ganz dem, was Sie da herausgefunden haben.

Das Erste muss ganz sicher ein viel stärkerer Fokus auf Elementarpädagogik sein, speziell auf die Sprachförderung schon im Kindergarten, denn das ist es, worin Lesen wurzelt: im Verständnis und in der Lust an Sprache.


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Das Zweite ist die Neuformulierung der Lehrpläne. Das ist ein großes Projekt, das derzeit im Gange ist. Die Lehrpläne sollen kompetenzorientiert, knapp gehalten, konkret, praxis­nah und verständlich sein, um wieder beim Thema Lesen zu bleiben. Sprache ist ja, wie wir wissen, in allen Fächern der Schlüssel zum Verständnis. Wir haben das erst jetzt wieder an der Mathematura gemerkt: Wenn man die Beispiele nicht sinnerfassend lesen und verstehen kann, wird man auch nicht zu Ende rechnen können.

Ich kann versprechen, wir werden schauen, dass die Sprachkompetenz in diesen Lehrplänen ganz zentral verankert wird, und zwar nicht nur die Kompetenz in Deutsch, von der immer die Rede ist, sondern auch die Kompetenz in der Erstsprache und auch die Alphabetisierung in der Erstsprache, denn es ist ganz sicher so, dass die Lust am Lesen, die ja in einer Biografie sehr früh wurzelt, ganz oft auch in der Erstsprache ge­weckt wird.

Zum dritten Punkt, zur IKM  sie wurde schon erwähnt –, das ist die informelle Kom­petenzmessung: Das ist noch ein großes Projekt, das gerade läuft. Im Kern heißt das, man soll jedes Kind regelmäßig anschauen, dessen Entwicklung anhand von stan­dardisierten Faktoren beobachten, schauen, wo es Talente, wo es Förderbedarf hat, was es kann, was es weniger gut kann, und regelmäßig mit den Lehrkräften und auch mit den Eltern darüber reden.

Dieses große Projekt ist gerade im Finalisierungsstadium, und da werden wir drauf schauen – und das ist ein Versprechen, das ich abgebe –, dass das kein Beschämungs- und Selektionsinstrument für Kinder in der Schule wird, sondern die Grundlage für individuelle Förderpläne, damit jedes Kind ganz sicher sein Potenzial voll ausschöpfen kann. – Das nehme ich mit. Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

19.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.a Martina Künsberg Sarre. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.21.12

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! „Wie Sie sicherlich wissen, kann die Grippe im Winter schnell und weiträumig zuschlagen. Ihre Opfer liegen dann oft wochenlang krank im Bett. Der beste Weg, das Virus zu bekämpfen, ist ein fitter und gesunder Körper. Tägliche Bewegung und eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse sind sehr zu empfehlen, um das Immunsystem in seinem Kampf gegen diesen Krank­heitserreger zu unterstützen.“

Was ist das für ein Text? Das ist ein kurzer Auszug eines Lesekompetenzbeispiels aus der Pisa-Studie, und wir wissen ja aus den Ergebnissen der Pisa-Studie, dass gut ein Viertel der 15-Jährigen nicht sinnerfassend lesen kann. Was heißt das für das Hohe Haus hier? – Wenn man dieses Viertel runterbricht, dann sind das circa 45 Abge­ord­nete – ich schaue mal in diese Richtung (in Richtung ÖVP blickend) –; es sind leider, glaube ich, nicht 45 da, aber Sie alle könnten diesen Text nicht sinnerfassend verstehen. (Abg. Leichtfried: Die Richtung passt ...!)

Die Lesekompetenzzahlen sind auch deswegen so wichtig, weil sie uns klarmachen, dass rund ein Viertel der 15-Jährigen so wichtige Informationen wie beispielsweise zum Coronavirus nicht sinnerfassend verstehen und dementsprechend auch nicht umsetzen können, was sie zu tun haben. Da helfen der Bundesregierung Grün und Türkis auch die besten und teuersten Grafiken oder Hochglanzbroschüren nichts, wenn so viele Men­schen in Österreich diese nicht lesen können. Sie (in Richtung Abg. Taschner) finden es


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anscheinend lustig, ich finde es eher traurig, dass viele Menschen in Österreich einfach die Dinge, die auch Sie rausschicken, nicht verstehen können.

Also uns NEOS blutet das Herz – Sie (in Richtung Abg. Taschner) lachen immer noch – und ich hoffe, anderen blutet bei diesen Zahlen auch das Herz. Für uns NEOS steht Bildung seit dem Anfang an oberster Stelle, weil wir glauben, dass Bildung ein Türöffner, ein Schlüssel für alles ist; für ein selbsterfülltes Leben, für die persönliche Entfaltung, für eine gute Ausbildung, für ein gutes Erwerbsleben und auch für ein gesünderes, be­wussteres Leben. Durch Bildung kann man überhaupt erst einmal am gesellschaftlichen und sozialen Leben teilhaben und – da schaue ich jetzt in Richtung der Grünen, und das wissen Sie alle auch schon sehr lange, oder wir wissen es alle schon sehr lange – Bildung ist auch ein Schlüssel zu einer besser gelingenden Integration. Was dieses Thema anbelangt, erwarte ich mir auch von Ihrer Richtung deutlich mehr Schritte in Richtung Türkis.

Aus unserer Sicht braucht es eine umfassende Lesestrategie, auch mit operationalen Zielen, wann etwas erreicht werden soll. Es braucht eine Bündelung der Maßnahmen, denn es kann ja nicht sein, dass der Bund Maßnahmen setzt, neun Länder und dann zig Gemeinden verschiedenste Maßnahmen setzen, die vielleicht im Einzelnen alle gut sind, aber natürlich nicht das große Ganze im Blick haben. Und es braucht eine Strategie, wie man wieder Lust aufs Lesen, auf Bücher macht.

Diejenigen, die so alt sind wie ich oder älter, kennen das Zitat „Lesen ist Kino im Kopf“, und das braucht es nicht erst ab der Schule. Kollegin Hamann, Sie haben gerade gesagt, das braucht es auch in der Elementarbildung, Sprachförderung und so weiter. Wir haben dazu erst vor Kurzem einen Antrag eingebracht – ich freue mich auf Unterstützung.

Es braucht in jeder Schule Schulbibliotheken, die Bücher mit aktueller Rechtschreibung und nicht mit veralteter Rechtschreibung haben, weil es ja keinen Sinn macht, dass ein Kind in der Volksschule etwas lernt, dann in die Bibliothek geht, sich ein Buch ausborgt und darin ganz etwas anderes steht – das ist ja eigentlich irre.

Natürlich braucht es in den Schulbibliotheken auch, und da können Sie Ihre Digitalisie­rungsoffensive nehmen, ein digitales, multimediales Angebot.

Herr Kollege Kühberger hat gerade vorhin gesagt, wir wären in der Leseförderung auf einem guten Weg. – Also ich sehe das nicht so, da ein Viertel der Jugendlichen, wenn sie die Schule verlassen, nicht gut lesen können.

Ich möchte mich beim Rechnungshof für diesen richtig gut gemachten und sehr, sehr ausführlichen Bericht bedanken. Ich glaube, die Bundesregierung kann da sehr, sehr viele Maßnahmen umsetzen, und ich glaube, Sie sollte das rasch tun. Danke. (Beifall bei den NEOS.)

19.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Andreas Kollross ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.25.52

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Es freut mich, dass wir uns heute einmal fast zur Primetime über wichtige Themen unterhalten, weil ich ja wie immer der Meinung bin, dass Ihre Arbeit und die der Kolleginnen und Kollegen Ihres Hauses ganz, ganz wichtig ist, auch für unsere poli­tischen Analysen.

Ich möchte nur davor ganz kurz eine Anmerkung zu Kollegen Kühberger von der ÖVP machen, zu seinem Schlusssatz, in dem er, wenn ich das sinngemäß richtig verstanden habe, gesagt hat: „Ich glaube, wir sind sehr gut unterwegs, was die Lesekompetenz [...]


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in Österreich betrifft.“ – Ich glaube das nicht (Abg. Kühberger: ... Deutschförder­klas­sen ... ja!), und ich glaube, wir sollten uns auch nicht damit zufriedengeben, wenn wir wissen – das haben ja auch andere Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt –, dass jeder sechste Jugendliche in diesem Land nicht sinnerfassend lesen kann. Da kann man wohl nicht sagen, dass wir mit der Lesekompetenz in diesem Land gut unterwegs sind, sondern ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir uns alle miteinander überlegen, wie wir diese Situation verbessern. Ich glaube auch nicht, dass man sich damit zufrieden­geben sollte, dass man sagt, man hat es jetzt in einem Jahr geschafft, vom mittleren Feld der OECD in den Durchschnitt der OECD gekommen zu sein, weil ich erstens einmal nicht glaube, dass wir uns mit dem Durchschnitt zufriedengeben sollten, und wir uns zweitens vielleicht einmal noch anschauen sollten, ob nicht der Durchschnitt gesun­ken ist und das der Grund war, warum Österreich auch in den Durchschnitt aufgestiegen ist. (Zwischenruf des Abg. Kühberger.)

Ich möchte aber, weil ich das wirklich sehr interessant finde, auch als Niederösterreicher, zu einem Teil im Rechnungshofbericht kommen, der die Frage der Schulbibliotheken betrifft. Ich habe das ganz, ganz spannend gefunden und muss fairerweise sagen, das habe ich so auch nicht gewusst. In Niederösterreich gibt es zum Beispiel in nur 46 Pro­zent der Volksschulen und in nur 76 Prozent der neuen Mittelschulen Schulbibliotheken. Wir haben diese Diskussion auch schon im Rechnungshofausschuss geführt, auch mit dem zuständigen Minister, und da war ich schon ein bisschen verwundert, als wir ihn auf das angesprochen haben, und seine erste Reaktion eine formale war, nämlich zu sagen: Ich bin dafür nicht zuständig, für die Schulbibliotheken sind die Schulerhalter zustän­dig. – Formalrechtlich, hinsichtlich des Föderalismus hat er natürlich recht, aber ich würde mir von einem politisch Verantwortlichen, nämlich vom obersten Bildungs­verant­wortlichen der Republik, schon erwarten, dass er sich für die Lesekompetenz zuständig fühlt, dass er sich auch zuständig fühlt, wenn es in Schulen keine ausreichende Aus­stattung gibt, dass er das zum Thema macht und diskutiert und sich in diesem Bereich auch engagiert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

In diesem Sinne glaube ich, dass es ganz, ganz wichtig wäre, dass wir gemein­schaftlich über Parteigrenzen hinweg anerkennen, dass es da wirklich Schwächen gibt, und dass wir gleichzeitig den Föderalismus sein lassen und nicht über Zuständig­keiten debattieren, sondern darüber, wie wir die Lesekompetenz unserer Kinder stär­ken. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.29.18

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Ja, Frau Kollegin Hamann hat völlig recht, dieses Problem liegt schon län­ger zurück, schon zig Jahre, und zwar mindestens zwölf, und davon haben wir elf Jahre sozialistische Bildungsministerinnen gehabt; Frau Schmied, Frau Heinisch-Hosek – sitzt eh heute noch da – und Frau Hammerschmid – sitzt heute auch noch da. (Abg. Kollross: Ein Mal positiv!) – Und das ist das ganze Dilemma.

Woher kommt denn die Analyse des Rechnungshofes, dass die Lesekompetenz trotz weniger Schüler unterdurchschnittlich ist, dass die Lehrpläne schlecht sind, dass es keine konkreten Lehrzielniveaus gibt (Abg. Leichtfried: Jetzt tust den Faßmann ver­teidigen? Das brauchst aber auch nicht!), dass der Grundsatzerlass für Leseerziehung nicht praxisnah ist? Woher kommt denn das? – Elf Jahre sozialistische Bildungs­minis­terinnen; und jetzt gendere ich sogar für dich, Kollege Leichtfried! (Abg. Kucharowits: Geh bitte!) Es gibt keine strukturierten Konzepte für den Leseunterricht. Das sind elf


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Jahre sozialistische Bildungspolitik! (Abg. Leichtfried: Aber den Faßmann musst nicht verteidigen!) Und dann wundert man sich, dass wir vor zwölf Jahren draufgekommen sind, dass es wichtig wäre, zuerst Deutsch zu lernen und dann in die Schule zu gehen, denn in dieser Zeit, in der nichts passiert ist, in der es keine Leseförderung für die Ausländerkinder gegeben hat, haben unsere natürlich auch gelitten – das ist ja wohl logisch!

Dem habt ihr euch aber immer verweigert und seid wichtig aus der Kiste gesprungen, wenn man etwas gesagt hat. Und jetzt stellt sich Kollross her und tut so (die Hände zusammenschlagend): Ja, na, das haben wir alles, und innerhalb von einem Jahr kann das ja nicht so signifikant besser geworden sein! – Wenigstens ist einmal etwas passiert mit diesen Schulklassen – zuerst einmal Deutsch unterrichten und dann in die Schule gehen! (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Es ist etwas passiert! Siehst du das nicht einmal, Kollege? Und wenn du schon von deinen Schulbibliotheken redest: Ich bin völlig bei dir, aber schau einmal rein, was da drinnen steht, ob man da qualitative Lektüre findet, etwas, das für die Kinder und Jugendlichen interessant ist, oder irgendeinen Schund! Das würde ich auch empfehlen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kollross: Ja, diskutieren wir drüber!)

Im Übrigen glaube ich, dass es auch darum geht, die Kinder und Jugendlichen zum Lesen zu motivieren. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Das ist nicht nur die Pflicht der Lehrer, das ist auch die Pflicht der Eltern. Und da kommt auch wieder ihr ins Spiel: Ihr lasst den Eltern keine Zeit mehr für die Kinder! Nein, die Kinder werden in irgendeine Betreuungseinrichtung abgeschoben, und das haben wir jetzt davon. (Abg. Kollross: Kann dem irgendjemand sagen, dass es nicht mehr Schwarz-Blau gibt? Der hat sich die falsche Rede mitgenommen! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ja, ja, ja!

Eines sage ich auch gleich noch dazu: Schreiben und Lesen gehören zusammen, das bedingt einander. Früher einmal – ich kann mich erinnern – haben wir ein Fach in der Schule gehabt, das sich Schönschreiben genannt hat. (Ruf bei der SPÖ: Aber gleich nach dem Krieg!) Durch das Schönschreiben sind wir auch zum Lesen motiviert worden, weil man sich das dann gerne angeschaut hat. (Abg. Kucharowits: Geh bitte!) Ich weiß nicht, ob das heute noch möglich sein wird, aber gescheit wäre es auf alle Fälle, weil das, was die Jugendlichen heute hinkraxeln, kann keine Sau mehr - -, kein Mensch mehr lesen. (Ruf: Erstaunlich!)

Noch etwas würde mich interessieren, nämlich ob es in dieser Lesegeschichte ein Stadt-Land-Gefälle gibt, weil mir eines auffällt: In den ländlichen Schulen, wo wir noch nicht so hohe Ausländeranteile bei den Kindern haben, sind die wesentlich besser drauf als die ganzen Stadtkinder, und das ist schade. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lausch: Gute Rede! – Abg. Eypeltauer: Erstaunlich!)

19.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist der nächste Redner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.32.42

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Prä­sidentin! Es ist jetzt nicht ganz einfach, hier wieder irgendwie Ordnung reinzubringen, Herr Kollege Zanger. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.) Sie mögen ja mit Teilen Ihrer Kritik recht haben, aber ich glaube, die Ausdrucksweise ist trotzdem nicht unbedingt angebracht gewesen, und es war auch nicht einfach, Ihnen zu folgen. Sei’s drum!

Der Bericht des Rechnungshofes – das muss man, glaube ich, noch einmal ganz deut­lich sagen – ist wirklich sehr, sehr detailliert und sehr gut aufgearbeitet. Ich glaube


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generell, dass er einen sehr schönen Überblick über alle Studien gibt, die in diesem Bereich zur Verfügung stehen, er ist einfach ein wirklich schöner Unterbau, der gerade auch für uns Politiker ein wirklich gutes Fundament ist, um weiterzuarbeiten. Ich hoffe und bitte insbesondere die bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen, das auch wirklich ernst zu nehmen und als Fundament zu nutzen, denn ich glaube, dass es uns in unserer täglichen Arbeit weiterbringen kann.

Es wurde schon sehr, sehr viel gesagt. Insbesondere frappierend ist aus meiner Sicht – darauf wurde noch nicht genau eingegangen –, dass zwischen der 4. und 8. Schulstufe der Anteil jener, die schlecht bis nicht lesen können, leider steigt. Das heißt, wir haben nach der Volksschule, nach der 4. Schulstufe knapp 13 Prozent, die schlecht bis nicht lesen können, in der 8. Schulstufe sind es dann 17 Prozent, und das ist durchaus etwas, was uns zu denken geben sollte und wo man genau hinschauen sollte.

Darüber hinaus muss man auch ganz genau auf den gesamten Themenkomplex Grund­kompetenzen absichern schauen. Das ist eine Maßnahme gewesen, die 2017 von der damaligen Bundesregierung mit dem Willen getroffen wurde, Schritte zu setzen und dann bis 2022 zu vergleichen: Wie wurde das umgesetzt und welche Maßnahmen wurden dadurch verbessert? – Wir haben jetzt leider die Situation, dass die Messgröße, die damals geschaffen wurde, nämlich die Bildungsstandards, in dieser Form nicht mehr gegeben sind und zur Kompetenzmessung umgewandelt wurden. Minister Faßmann hat uns versichert, dass er alles dafür tun wird, dass das gleich bleibt. Er hat gesagt, dass die Bildungsstandardfragen in der Kompetenzmessung genauso drinnen sind, was jetzt für mich nicht ganz nachvollziehbar ist, weil es einen diametral anderen Zugang dazu gibt. Wir werden dann am Ende, 2022, messen können, ob das wirklich so gekommen ist, weil das natürlich die Basis ist, um das Projekt Grundkompetenzen absichern um­zu­setzen, was hinsichtlich der Grundrichtung natürlich ein wichtiger Schritt gewesen wäre.

Kollege Kollross ist schon auf das Thema Schulbibliotheken eingegangen. Ich glaube, auch das ist etwas sehr Wichtiges. Da hat man genau gesehen, wo es in diesem Bereich momentan hakt. Es hakt in diesem Bereich dahin gehend – Kollege Kollross hat es aus meiner Sicht sehr richtig angesprochen –, dass die Bundespolitik sagt: Na ja, da sind ja eh großteils die Gemeinden zuständig!, und sich eben nicht in der Verantwortung sieht.

Die Verantwortung eines Bildungsministers ist, sich herzustellen und zu sagen: Ja, wir geben auch den Gemeinden ein Paket in die Hand, die Möglichkeiten in die Hand, Dinge umzusetzen, um den Schülerinnen und Schülern der Volksschule und vielleicht sogar der Kindergärten – Kollegin Hamann hat es angesprochen, darauf werde ich noch kurz zu sprechen kommen – auch wirklich eine Basis zu geben. Da gibt es dann so Absur­ditäten wie jene, dass in den Volksschulen teilweise noch Bücher in der alten Recht­schreibung zur Verfügung stehen. Als Bundesminister kann man da ganz einfach Maß­nahmen setzen, um diese zumindest zu kennzeichnen, um einfach darauf hinzuweisen. Man muss allerdings dazusagen, dass Bundesminister Faßmann durchaus gesprächs­bereit war und ich das Gefühl gehabt habe, dass er im Ausschuss unsere Maßnahmen zumindest aufgenommen hat. Jetzt wird es daran liegen, ob er sie umsetzt.

Noch ein letzter Satz zu den Grünen: Frau Kollegin Hamann, Sie haben gesagt, es ist Ihnen besonders wichtig, dass man in der Schule beziehungsweise im Kindergarten, in der Elementarpädagogik schon beginnt, Sprachförderung zu forcieren. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Kollegin Künsberg hier gerade erst einen Antrag eingebracht hat – es war im letzten oder vorletzten Plenum. Ich zitiere den letzten Satz aus dem Ent­schließungsantrag betreffend „Sprachförderung“: „Weiters wird der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung aufgefordert, in seinem Wirkungsbereich einen Ausbildungslehrgang für Sprachförderung in der Elementarpädagogik ins Leben zu rufen und bundesweit anzubieten.“ – Sie haben leider gegen diesen Antrag gestimmt. Ich hoffe, dass Sie das in Zukunft nicht mehr tun, weil es genau diese Anträge sind, die uns


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als Parlament stärken und die am Ende die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler stärken.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der es für junge Menschen nicht einfach sein wird, in Zukunft einen Job zu kriegen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir enorm viele Arbeitslose haben, in der es darüber hinaus massive Probleme gibt, junge Menschen weiterzubringen. Genau in dieser Zeit müssen wir Maßnahmen setzen, um jungen Menschen das Handwerkszeug für die Zukunft zu geben, und eine Basis dafür ist natürlich das Lesen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Hammerschmid und Kollross.)

19.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Präsidentin Kraker zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


19.37.47

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bedanke mich zunächst für die ausführliche Debatte zum Bericht be­treffend Leseförderung an den Schulen und kann mich eigentlich dem Appell des Ausschussobmannes anschließen, dass die Berichte auch für die Fachausschüsse oft sehr interessant sind und ein reiches Feld an Informationen bieten, etwa für den Bildungsbereich, wie beispielsweise der Bericht zur Leseförderung. Da gibt es sehr viele Handlungsfelder, die sich da auftun.

In diesem Bericht wollte der Rechnungshof ein umfassendes Bild geben, einerseits über die Situation, die wir in Österreich in Bezug auf die Lesekompetenz vorfinden, und andererseits über die Maßnahmen, die gesetzt wurden. Wir haben dabei die Situation in zwei Ländern verglichen, nämlich in Niederösterreich und in Salzburg.

Lesen ist ja gerade im Zeitalter der Digitalisierung mehr denn je eine Kulturtechnik, die gepflegt werden muss, und die Lesekompetenz ist eine zentrale Fähigkeit, die für die persönliche und berufliche Entwicklung jedes Einzelnen wichtig ist. Der Prüfschwerpunkt des Rechnungshofes betrifft die Qualität der öffentlichen Leistungserbringung, und unter diesem Blickpunkt haben wir uns auch die Leseförderung angeschaut. Wir haben ge­schaut, ob die Maßnahmen stimmen, die an den Schulen – insbesondere in der Volks­schule und in der Sekundarstufe I, also bis zur 8. Schulstufe – gesetzt werden, um den Schülerinnen und Schülern ausreichend Lesekompetenz zu vermitteln; das ist der Fokus des Berichtes.

Die Pisa-Tests der letzten Jahre zeigen eben, dass die Lesekompetenz tendenziell abnimmt und seit dem Jahr 2000 unterdurchschnittliche Leseergebnisse bei den 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern erzielt wurden. Auch der Pisa-Test 2018 brachte keine Trendwende – es war feststellbar, dass auch der OECD-Schnitt insgesamt gesunken ist. Bei den Erwachsenen, bei den 16- bis 65-Jährigen sehen wir, dass 17 Prozent über eine niedrige Lesekompetenz verfügen.

Deshalb müssen wir uns die Fragen gefallen lassen, was getan wird, ob genug getan wird, ob das Richtige getan wird. Nach Auffassung des Rechnungshofes braucht es struk­turierte und aufeinander abgestimmte Maßnahmen – ein ganzes Bündel an Maß­nahmen – zur Erhöhung der Qualität des Leseunterrichts. Dazu gehört zunächst, dass dieser Grundsatzerlass Leseerziehung, der heute schon genannt wurde, auch in der Praxis umgesetzt werden kann und umsetzbar ist. Der Österreichische Rahmenlese­plan, der mit hohem Personaleinsatz entwickelt wurde, wurde 2016 wieder gestoppt. Damit fehlt eine mit operationalen Zielen unterlegte nationale Strategie zur Förderung der Lesekompetenz.


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Die Bildungsstandardüberprüfung hat gezeigt, dass 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den Volksschulen die Standards nicht einmal teilweise erreichten, in der Sekundarstufe I waren es 17 Prozent – das heißt, auch die Ergebnisse der 8. Schulstufe haben sich verschlechtert –, in der NMS sind es 24 Prozent.

Die Studien und Tests zeigen, dass es Leserisikogruppen gibt. Das sind Buben, die schlechter lesen als Mädchen, Schüler mit Migrationshintergrund, Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsniveau. Da sind zielgerichtete, richtige und nachhaltige Maßnahmen zu setzen. Es geht darum, die Gruppe der leistungsstarken Leserinnen und Leser zu stärken und den Anteil der leistungsschwächeren Kinder zu verringern.

Natürlich geht es auch in der Covid-Krise um die Frage: Wie hat sich die Gruppe der von der Schule kaum Erreichbaren in dieser Zeit entwickelt? – Ich denke, dass man da schon dabei ist, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, und im Allgemeinen geht es um die Frage, ob wir insgesamt genug für die jüngere Generation tun.

Die Bedeutung der Schulbibliotheken wurde ebenfalls angesprochen. Diese können natürlich einen wesentlichen Beitrag zur Leseförderung leisten. Es sollte auch da eine Weiterentwicklung in Richtung einer aktiveren Rolle, etwa einer Einbeziehung im Bereich der schulischen Tagesbetreuung, geben.

Bei der Weiterentwicklung der Bildungsstandards und der Zusammenführung mit der informellen Kompetenzmessung ist es uns – nach Auffassung des Rechnungshofes – schon auch wichtig, dass nach wie vor eine evidenzbasierte Unterstützung der Schulen in der Qualitätsentwicklung möglich ist. Es geht um die Vergleichbarkeit mit den bereits durchgeführten Bildungsstandardüberprüfungen, denn es gibt in diesem Bereich Daten­bestände, die schon aufgebaut sind und die man weiterhin nutzen sollte. Davon soll nichts verloren gehen.

Ich möchte auch noch den Ressourceneinsatz ansprechen. Für den schulischen Erfolg ist es wichtig, dass ausreichend Unterrichtszeit zur Verfügung steht. Das versteht sich, glaube ich, von selbst. Wir haben festgestellt, dass es 2003 zu einer Kürzung der Wochenstunden kam, die Auswirkungen aber nicht analysiert wurden. Wir haben auch festgestellt, dass der Ressourceneinsatz – gerade in den Volksschulen – unter dem OECD-Schnitt liegt. Es ist daher noch einmal angebracht, zu evaluieren, ob diese Stundenkürzungen eventuell Auswirkungen auf die Grundkompetenzen der Schülerin­nen und Schüler haben. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

19.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses und fahre in der Erledigung der Tages­ordnung fort.

19.43.3714. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Universitätsräte; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/22 (III-37/215 d.B.)


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15. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nebenbeschäftigungen der Universitätsprofessorinnen und -profes­soren – Reihe BUND 2019/20 (III-35/216 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Studienwahl – Beratung und Information – Reihe BUND 2020/4 (III-92/217 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 16 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner. – Bitte, Herr Abgeord­ne­ter.


19.44.17

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich werde mir erlauben, zu dem letztgenannten Punkt ein paar Bemerkungen zu machen. Der Rechnungshof prüft bei seinen vielen Kontrollen auch das Beratungs- und Informationsangebot bei der Wahl des richtigen Studiums und hebt dabei lobend hervor, dass auf der einen Seite von der Hochschülerschaft und auf der anderen Seite vonseiten des Ministeriums jetzt – die Bundesregierung hat es versprochen – Aktionen gesetzt und intensiviert werden.

Das ist ein Thema, bei dem man – wenn man es oberflächlich betrachtet – annehmen würde, dass es nur marginaler Natur wäre; aber in Wirklichkeit ist es gar nicht so leicht­gewichtig. Es ist für den Einzelnen tatsächlich nicht leichtgewichtig: Das richtige Studium zu wählen bedeutet ja, eine Weichenstellung für das künftige berufliche Leben zu treffen, und das ist eine sehr wichtige Entscheidung. Es ist aber auch für den Staat wichtig, zu wissen, dass die richtige Studienwahl getroffen wird, damit die Bürgerinnen und Bürger des Staates in Zukunft in ihrer Karriere so viel Geld verdienen, dass der Staat dadurch Erfolge erzielen kann und in dieser Hinsicht auch aufblühen wird.

Es gibt vielleicht drei Kriterien bei der Wahl des richtigen Studiums, die ich erwähnen möchte und auf die man achten sollte. Das eine Kriterium ist die Eignung für dieses Studium, das zweite Kriterium ist die Neigung zu diesem Studium, und das dritte Krite­rium ist der Bedarf, also dass dieses Studium tatsächlich eines ist, das in Zukunft auf zukunftsweisende Arbeit und auf eine erfolgreiche Arbeit hinzielt. (Abg. Leichtfried: Das ist wie wenn man ...!) Den öffentlich interessanten Bereich, den Bedarf, darf ich als Erstes erwähnen, vor Eignung und Neigung – das ist der privat interessante Bereich –, und alle diese drei Kriterien sind ja nicht unabhängig voneinander, sondern sind ineinan­der verwoben.

Was den Bedarf anlangt, möchte ich doch eines erwähnen: Bedenken Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass in China in zwei Studienjahren mehr Ingenieure oder Mint-Absolventen ausgebildet werden als Österreich Einwohner besitzt! Also sind wir in dieser Hinsicht sicherlich gefordert. Der Mint-Bereich ist tatsächlich ein Bereich, bei dem es wesentlich ist, dass wir den Bedarf, der vorhanden ist, darlegen, sodass diese Fächer studiert werden.


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Die einzige Möglichkeit, nebenbei gesagt, dass wir gegenüber dem gigantischen Geg­ner – wenn Sie so wollen – oder Kontrahenten China noch bestehen können, besteht darin, dass wir eine Ausbildung im Ingenieurwesen vorlegen, die mehr beinhaltet, als nur Techniker des Wissens auszubilden. Das heißt, wir haben einen Bedarf an Humanities, der auch abgedeckt werden muss. Nur in diesem Zusammenhang wird es gelingen.

Es ist wirklich sehr stark zu fördern, den jungen Damen und Herren darzustellen, dass es auf der einen Seite die Mint-Fächer gibt, die wesentlich zu studieren sind, und dass, sobald irgendwie Eignung und Neigung vorhanden sind, unbedingt dieses Studium zu ergreifen ist, auf der anderen Seite aber die Humanities nicht zu vergessen, denn hinter dem Ingenieur – das Wort kommt ja von Genie – steckt mehr, als nur Techniker des Wissens zu sein, sondern da steckt - - (Abg. Leichtfried – auf Abg. Vogl deutend –: Wir haben ein Genie unter uns! Wobei es nicht immer einfach mit ihm ist, das muss man sagen!) – Ja, bitte, selbstverständlich! Also dann wissen Sie, welche Bedeutung Sie in Ihrem Studium erlangt haben. Man lernt mehr in der Mathematikvorlesung, das ist in den Ingenieurvorlesungen die geisteswissenschaftliche Vorlesung schlechthin. Also Sie lernen da mehr von der Welt als nur, dass Sie Techniker sind, um einen Fortschritt nach dem nächsten zu erzielen – klein, klein –, sondern Sie sind wirklich überblickend.

Das Zweite ist dann Eignung und Neigung. Die Eignung wird ja bei uns im Wesentlichen mit der Matura festgestellt. Wir wissen ja, meine sehr verehrten Damen und Herren – darauf möchte ich auch zu sprechen kommen –, dass bei der Matura noch ein gewisser Nachholbedarf besteht. Noch sind wir nicht am Ziel dessen, wo wir hingelangen wollen. In der Mathematik zum Beispiel ist es ja der Fall, dass man das Gefühl hat: Was in Mathematik bei der Matura verlangt wird, ist nicht das, was Mathematik als solches bedeutet. Da gibt es noch ein Gap zu überwinden.

Um die Eignung wirklich feststellen zu können, müssen wir auch geeignete Instrumente haben, sodass die Eignung als richtige Eignung für das Studium angewandt werden kann – sonst machen wir nämlich die Studierfähigkeit nicht richtig. Sonst wären die Uni­versitäten gezwungen, auf der einen Seite Nullerkurse einzuführen, was ein Verbrauch von Ressourcen ist – ich brauche keine Nullerkurse; ich will Studenten und Studentinnen haben, die bereits dafür geeignet sind, dieses Studium zu ergreifen –, und auf der anderen Seite mit rigorosen Zugangsbeschränkungen zu kommen, die ja auch nicht sinnvoll wären, wenn man möchte, dass die Matura die Studierreife darstellen soll.

Zur Neigung möchte ich sagen, dass sie nur durch die Persönlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer hervorgerufen wird. Ich will betonen – Frau Künsberg Sarre hat davon ge­sprochen, dass es da in unserem Schulsystem irgendwie noch krankt –: Das Beste, um dieser Krankheit des Schulsystems zu begegnen, ist die Qualität der Lehrerinnen und Lehrer. Auf die kommt es an, denn sie schaffen Neigungen, sie schaffen die wirklichen Neigungen für das richtige Studium. Da sind wir eigentlich ganz gut aufgestellt. Das wird jetzt sogar noch besser.

Ich möchte darauf zu sprechen kommen: Wir haben heute von dem Achtpunkteplan, der kommen wird, gehört, mit welchem das Digitale in der Schule eingeführt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bedeutet nicht nur, dass Tablets verteilt werden, sondern es kommt ein wirklich großer Plan. Es ist ein Meilenstein in der Schulgeschichte, der tatsächlich mit jenem Meilenstein vergleichbar ist, von dem gesprochen worden ist, als damals unter Kanzler Kreisky und Unterrichtsminister Sinowatz die Gratisschul­bücher eingeführt wurden. Das ist mindestens in der gleichen Weise zu sehen. Es wird da wirklich etwas geleistet, was weit darüber hinausgeht, dass man nur sagt, man verteilt Tablets, sondern da wird der digitale Unterricht vorwärtsgetrieben, damit wir für die Mint-Fächer besser vorbereiten können.


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Das ist sehr klug vorbereitet worden. Frau Kollegin Hammerschmid, das Bessere ist da der Feind des Guten. Wir machen es wirklich besser als es vorher, vor drei, vier, fünf Jahren, geplant war. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Wir werden mit den digitalen Geräten die Neigung der Kinder hervorrufen und die digitalen Geräte aber auch mit den Humanities, von denen ich gesprochen habe, verbinden. Es wird also nicht nur das Digitale allein sein, sondern dieses wird mit dem geisteswissenschaftlichen Umfeld verbunden werden, damit wir dann die jungen Leute haben, die nach der Matura zur Hochschülerschaft hingehen oder in die Institute gehen oder sich vom Ministerium beraten lassen, was die Frage betrifft: Was für ein Studium soll ich ergreifen?, und die dann wissen, dass dieses Studium für sie das richtige ist, weil sie gut vorbereitet worden sind. (Beifall bei der ÖVP.)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Karin Greiner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.51.28

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Taschner, Sie sagen, die Digitalisierung ist sehr gut vorbereitet, es gibt einen wirklichen Plan Ihrer Ministerin. Ich erinnere an den Rechnungshofausschuss: Im Bericht wurde bekrittelt, dass es eben keinen Plan gibt – und einen Tag nach dieser Sitzung des Rechnungs­hofausschusses hat die Frau Ministerin dann den Plan präsentiert. Es war also gut, dass der Rechnungshofausschuss tagte, denn er war offensichtlich motivierend.

Ich spreche ebenfalls zur Studienwahlberatung, werde mich aber auf den Bericht beziehen. Was ist das Ziel einer Studienwahlberatung? – Das Ziel ist es, Abschlüsse zu erhöhen und Studienwechsel und vor allem -abbrüche zu vermeiden. Wie sollte eine Information der Maturantinnen und Maturanten erfolgen? – Betrachtet man die schulrechtlichen Bestimmungen, so sollte für alle Maturantinnen und Maturanten eine Beratung erfolgen. Leider hat es laut Bericht im Ministerium aber keine Aufzeichnungen dazu gegeben, ob es wirklich so war. Man hat dann Schätzungen vorgenommen, und da hat sich herausgestellt, dass maximal 64 Prozent der Schulen diese Beratungs­an­gebote in Anspruch genommen haben, was natürlich sehr schade ist. Wir haben den Herrn Wissenschaftsminister dann nach seinen innovativen Ansätzen, um diese Pro­zentzahl zu erhöhen, gefragt – die Ansätze waren leider nicht wirklich erkennbar.

Der Bericht zeigt auch auf, dass das Wissenschaftsministerium im Zuge der Beratungs­tätigkeit externe Dienstleister beauftragt hat, leider ohne Einholung von Vergleichs­ange­boten. 390 000 Euro und 108 000 Euro: Auf meine Frage, wer denn die Empfänger die­ser Zahlungen waren, bekamen wir leider keine Antwort.

Kurz gehe ich noch auf die psychologische Studierendenberatung, die auch Thema dieses Rechnungshofberichtes war, ein. Es wurde kritisiert, dass diese zwar an sechs Hochschulstandorten in Österreich stattfindet, aber unterschiedlich erfolgt und dass darüber auch die Dienststellen unterschiedlich befinden. Die Empfehlung des Rech­nungs­hofes war, ein angemessenes Leistungscontrolling zu implementieren. Außerdem ist durch diese psychologische Beratungstätigkeit der Personalplan umgangen worden, was eigentlich auch nicht im Sinne der Sache ist. Auch da wurde empfohlen, das doch im Personalplan zu berücksichtigen.

Abschließend vielleicht noch zwei Empfehlungen, die wert sind, betont zu werden: Es ist natürlich im Zuge der Beratung zu klären, welche Tätigkeiten eine ÖH übernehmen kann, wann dann externe Dienstleister zu beauftragen sind und wie man deren Leistungen auch nachvollziehbar darstellen kann, nämlich nachvollziehbar hinsichtlich der Leistung


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und vor allem auch in der Abrechnung. Ich glaube, das sind fundierte Empfehlungen, die man beherzigen sollte. Es geht schließlich darum, öffentliche Gelder sinnvoll und ziel­gerichtet in die Beratung beginnender, angehender Studentinnen und Studenten zu investieren, zum Wohle der StudentInnen. Ich glaube, diese haben es sich verdient, wirklich gut informiert zu sein, um für sich eine gute Entscheidung treffen zu können. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Der Kollege Zanger könnte sich jetzt wieder der ÖVP zuwenden! – Ruf bei der FPÖ: Das wäre euch lieber! – Abg. Zanger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Lieber Kollege Leichtfried, danke für deine Vorgaben, aber ich wende mich jetzt der Frau Präsidentin zu! Das ist mir lieber als ihr alle miteinander! – Rufe bei der SPÖ: Uns auch!)


19.54.38

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Herr Präsident! Wir behandeln jetzt den elften Rechnungshofbericht am heutigen Tag, und, ich glaube, zusammenfassend ist auch einmal ein Dank an den Rechnungshof zu rich­ten. Dieses Konvolut, das wir da heute abgearbeitet haben, war auch Gegenstand intensiver Ausschusstätigkeit mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern, und es zeigt schon auf, welche Breite der Rechnungshof insgesamt abdeckt. Das ist meiner Ansicht nach schon eine sehr beeindruckende Anzahl, und es ist auch eine beeindruckende Tätigkeit, die im Rechnungshof stattfindet.

Zum Abschluss habe ich mir noch einen dieser Berichte herausgesucht, und zwar jenen über die Follow-up-Überprüfung der Universitätsräte. Mir geht es jetzt gar nicht so sehr um das Inhaltliche, sondern um die Feststellung, dass 90 Prozent der Empfehlungen umgesetzt worden sind. Das ist eigentlich eine Zahl, die sehr schön ist, sehr hoch ist und auch sehr gut dargestellt werden kann. Aus meiner Sicht sind allerdings jene 10 Prozent der Empfehlungen, die nicht umgesetzt wurden, diejenigen, um die es eigentlich prioritär gehen sollte. Der Rechnungshof hat nämlich festgestellt, dass bei der Besetzung der Universitätsräte eine Dokumentation der Voraussetzungen für die Kandidaten erfolgen sollte – also etwas, das meiner Ansicht nach total wichtig ist –, und er hat festgestellt, dass die Regelungen der Reisegebührenvorschrift 1955 zur Anwendung kommen sollten – etwas, das aus meiner Sicht ebenfalls als prioritär und von sehr hoher Wichtig­keit einzuschätzen ist.

Jetzt sage ich einmal: Diese 10 Prozent, die nicht umgesetzt worden sind, wiegen eigentlich in Wahrheit schwerer. Im Zusammenhang mit der 80/20-Geschichte, die wir immer diskutieren, wenn wir den Jahresbericht von Ihnen bekommen und sehen, heißt das für mich nicht, dass 80 Prozent jenes Potenzials umgesetzt worden sind, das Sie erhoben haben. Ich denke, dass es gut wäre – aber ich weiß nicht, ob das überhaupt geht –, wenn Sie im Rechnungshof versuchten, auch einzuschätzen, welche Priorität das alles hat und wie viel von dem Potenzial, das zu heben möglich gewesen wäre, wirklich gehoben worden ist.

Das ist ein Gedanke, den ich mitgeben möchte. Das ist sicher nicht ganz einfach, aber halt einmal so dahingedacht, und man darf ja auch einmal philosophieren. – Danke schön, Frau Präsidentin. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt eine fast philosophische Rede! Fast!)

19.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger ist die nächste Rednerin. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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19.57.50

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es geht eigentlich um drei Bereiche aus diesem Rechnungs­hofbericht. Der erste ist jener über die Follow-up-Überprüfung der Universitätsräte, der zweite betrifft die Nebenbeschäftigung von Universitätsprofessoren und der dritte die Beratung und Information bei der Studienwahl.

Das erste Thema, Universitätsräte, ist, glaube ich, mehr oder weniger gelöst. Da ist es noch um die Frage der Reisegebühren, die übrig geblieben war, gegangen – das ist so­zu­sagen mehr oder weniger auf allen Universitäten durch Anwendung der Reisege­büh­ren­vor­schrift gelöst. Die andere Frage betrifft die Dokumentation darüber, wie Universi­tätsräte ausgesucht werden. Das ist aus meiner Sicht ein notwendiges Vorgehen, denn es gibt immerhin 140 Universitätsräte, aber das müsste dann im Wissenschaftsressort, das ja das Vorschlagsrecht für die Bundesregierung hat, und an den Universitäten, denn dort sind die Senate damit befasst, gleichermaßen passieren, weil sonst ein Ungleich­gewicht ent­steht, das, glaube ich, nicht sinnvoll ist. In der Debatte im Ausschuss habe ich auch vorge­schlagen, ob es nicht eine Möglichkeit wäre, sich zum Beispiel zu bewer­ben, denn 140 hoch qualifizierte Menschen zu finden ist auch nicht ganz einfach. Das wäre also ein Weg.

Der zweite Punkt, Nebentätigkeit, Nebenbeschäftigung von Universitätsprofessoren: Zur Erörterung dieses Themas reicht meine Zeit leider nicht aus. Als ehemalige Rektorin kann ich nur sagen, dass es sich dabei um eine weitverbreitete Situation handelt, wobei es so ist, dass die Beschäftigungen auch nicht gemeldet werden. Die Rektoren, Rek­torinnen, die ja Vorgesetzte sind, sind hinsichtlich der Frage, wie damit umzugehen ist, ein bisschen macht- und ratlos, insbesondere was die Meldung von GutachterIn­nen­tätigkeiten betrifft. Ehrlich, ich weiß nicht, wie man dem beikommen kann. Das ist ein ungelöstes Problem.

Drittens – und dafür möchte ich sie besonders loben –: Was die Studienberatung betrifft, ist die ÖH in einem hohen Maße aktiv, entwickelt Programme. Ein besonders gutes Programm ist Studieren probieren. Im Rechnungshofbericht wird die Doppelgleisigkeit angemerkt, und ich kann nur sagen: Das sollte man wirklich der ÖH überlassen. Die ist da kompetent, die macht gute Programme. Da sich ja nach und nach die Bedeutung der Matura hoffentlich auflöst – wir haben das jetzt durch Covid gesehen, es geht auch einfacher – und es vielmehr eine Korridorsituation zwischen 8. Klasse und Studienwahl, sei es Uni, FH et cetera, ist und da vonseiten der HochschülerInnenschaft auch ein hohes Maß an Energie in MaturantInnenberatung, aber auch schon vorher, eben wie durch Studieren probieren, aufgebracht wird, bin ich ganz dafür, dass man diese Doppelgleisigkeit, die da angemahnt wird, auflöst und das in die Hand der Österreichi­schen HochschülerInnenschaft legt.

Das wäre mein Vorschlag, auch als Plan sozusagen aufgrund dessen, was aus dem Rechnungshofausschuss kommt.

Ceterum censeo: Die Windisch-Kaserne soll in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist zu Wort gemeldet. – Bitte Herr Abgeordneter.


20.01.31

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Prä­sidentin! Ich werde mich kurz mit den Nebenbeschäftigungen der Universitäts­profes­soren auseinandersetzen. Sie haben in diesem Bericht die rechtlichen Grundlagen sehr


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schön festgehalten, nämlich dass es natürlich grundsätzlich möglich ist, Neben­beschäfti­gungen zu haben, und haben zwei Universitäten herausgehoben: Das ist auf der einen Seite die Uni Innsbruck und auf der anderen Seite die Uni Wien, und es ist durchaus erstaunlich, welche Zahlen da zum Vorschein kommen.

Es ist so, dass bei der Uni Wien im Zeitraum 2013 bis 2016 rund 200 Neben­be­schäf­tigungen gemeldet wurden – diese Nebenbeschäftigungen sind bei der Universität mel­depflichtig, ansonsten wäre sogar die Entlassung möglich –, bei der Uni Innsbruck, die doch wesentlich kleiner ist, sind es allerdings 376 Nebenbeschäftigungen. Da stellt sich natürlich die Frage: Entweder wird auf der Uni Wien wirklich weniger nebenher be­schäftigt, sage ich einmal, als auf der Uni Innsbruck – das würde ich jetzt nicht erwarten –, oder dort ist einfach die Moral der Meldung nicht ganz so stark ausgeprägt.

Man sieht auch an den Zahlen – das muss man dazusagen, wenn man sich den Zeit­verlauf ansieht –, dass ab dem Moment, ab dem klar war, dass der Rechnungshof prüft, die Moral, solche Nebenbeschäftigungen zu melden, an beiden Universitäten massiv gestiegen ist. Das ist, glaube ich, durchaus auch ein erster Erfolg, den der Rechnungshof für sich verbuchen kann: dass es eindeutige Ergebnisse gibt und gleichzeitig auch eine Steigerung sichtbar ist.

Darüber hinaus habe ich auch die Zahl der Gutachten als sehr spannend empfunden – auch die Gutachten müssen gemeldet werden. Es ist so, dass in diesem Zeitraum nur vier Gutachten an der Uni Wien gemeldet wurden. Auch das ist etwas, das ich für nicht ganz nachvollziehbar halte beziehungsweise das man durchaus hinterfragen kann. Ich weiß, dass meine eigene Fraktion immer wieder Gutachten an der Uni Wien in Auftrag gegeben hat, also dieser Umstand allein würde dieser Zahl durchaus widersprechen. Dementsprechend glaube ich auch, dass dieser Rechnungshofbericht für die Univer­sitäten durchaus als Anreiz gesehen werden kann, der Meldepflicht besser nach­zukom­men.

Darüber hinaus ist auch sehr interessant – wenn man sich die Zahlen, die erhoben wur­den, genau anschaut –, inwiefern die Nebenbeschäftigungen zu einer Veränderung be­zie­hungsweise zu einer Beanspruchung von sowohl personellem als auch Materialauf­wand an einer Universität geführt haben. Auch diese Zahlen sind sehr unterschiedlich. An der Uni Innsbruck sagen 43 Prozent, dass es eine personelle oder materielle Bean­spruchung gegeben hat; an der Uni Wien sind das nur 9,5 Prozent. Auch diese Zahlen driften massiv auseinander.

Ich glaube, dass es durchaus auch im Interesse des Bundesministers sein sollte, da genauer hinzusehen und es insbesondere vielleicht auch über die Leistungsver­einbarun­gen möglich zu machen, mehr Transparenz walten zu lassen.

Es gibt auch ein Best-Practice-Modell, das Sie vorgeschlagen haben, nämlich von der Uni Zürich. Ich glaube auch, dass sich das sehr gut eignen würde. Es ist sehr schön ausgeführt, und wir haben es dem Bundesminister im Ausschuss auch mitgegeben. Ich bin durchaus überzeugt, dass er es sich zumindest anschaut, und ich würde mich auch sehr über die Umsetzung freuen.

Ich glaube, dass es im Sinne von uns allen ist, dass es diese Nebenbeschäftigungen gibt, weil sie die Lehre durchaus bereichern können. Dieses Mehr an Input ist, glaube ich, durchaus etwas Spannendes, auch für die Studierenden, aber es darf natürlich nicht dazu führen, dass die Lehre darunter leidet. Dazu gab es auch einen Fall an der Uni Innsbruck, mit dem wir uns in den letzten Jahren beschäftigen mussten. Das darf natür­lich nicht das Ziel sein.


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Dementsprechend ist es wichtig, dass es klare Transparenzregeln gibt. Ich hoffe und glaube, dass dieser Rechnungshofbericht ein gutes Beispiel und ein erster Schritt in diese Richtung war. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

20.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.05.29

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute auf der Tagesordnung stehenden elf Berichte sind eigentlich ein Zeichen dafür, dass wir im Rechnungshofbereich gute Arbeit geleistet haben. An dieser Stelle auch durchaus ein Kompliment an meinen Vorredner als Obmann, an die Frau Präsidentin: Man sieht, neben der Krisenbewältigung ist es dem Parlament auch wichtig, die normale Arbeit zu leisten.

Ich darf mich auch auf den Bericht konzentrieren, der sich mit den Universitätsräten beschäftigt: 140 gibt es in den 22 öffentlichen Universitäten. Der Universitätsrat ist ver­gleichbar mit dem Aufsichtsrat eines Unternehmens: als Kontrollorgan mit Steuer­funktion. Zusammen mit dem Rektorat und dem Senat leiten die Universitätsräte die Universitäten und haben schon auch ein bisschen die Aufgabe, Universitäten, die sich in ihrer Forschung mehr mit sich selbst beschäftigen, mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Realitäten der Außenwelt zu verbinden.

Genau genommen handelt es sich bei diesem vorliegenden Bericht um eine Follow-up-Prüfung, die im letzten Jahrzehnt, Anfang des letzten Jahrzehnts begonnen wurde. Da es damals Turbulenzen auf der Medizinuni in Innsbruck und auch auf der Kunstuni in Graz gab, hat man sich diese beiden Universitäten genauer angesehen.

Von den 21 Empfehlungen – das wurde schon gesagt – sind 90 Prozent erfüllt, 10 Pro­zent bleiben übrig. Der Schnitt bei der Erfüllung liegt bei 80 Prozent. Kollege Zanger hat das auch schon kritisiert, ich denke, das kann man auch differenziert sehen: Es geht um die Auswahlentscheidung. Wie werden die Universitätsräte gewählt? – Die Hälfte der Universitätsräte wird vom Universitätssenat bestellt, was auch nicht kritisiert wird, aber bei jenen, die vom Wissenschaftsministerium, also vonseiten der Politik bestellt werden, wird moniert, dass man zu wenig Auswahlkriterien hätte, dass man das öffentlicher machen müsste und so weiter und so fort.

Ich denke, dass das allemal eine politische Entscheidung ist, und das ist auch gut so, denn es handelt sich dabei um verdiente Persönlichkeiten aus dem gesellschaftlichen Leben, die aus der Wirtschaft, aus Politik und aus vielen Bereichen kommen und eben die Aufgabe haben, die Universitäten oder das Umfeld der Universitäten nach außen hin zu vertreten und die gesellschaftlichen Notwendigkeiten auch aus der Wirtschaft in die Universitäten einzubringen; und 140 qualifizierte Menschen immer wieder zu finden und neu zu bestellen ist doch eine Aufgabe. Deshalb sollte man das auch einigermaßen großzügig sehen, auch wenn Minister Faßmann bereits angekündigt hat, seine Nominie­rungsvorschläge in Zukunft freiwillig besser zu dokumentieren.

Das Zweite, das kritisiert wird, ist die Reisekostenverordnung; Herr Zanger hat das auch schon gesagt. Ich denke, da das wirklich Menschen des öffentlichen Lebens sind, die man erst dazu bringen muss, dass sie diese Funktion für 1 000 Euro übernehmen – also nicht sehr viel Geld für diese renommierten Personen für diese Beschäftigung –, könnte man ja das Ganze rund um die Reisekostenverordnung auch etwas großzügig hand­haben, um nicht als zu kleinlich und peinlich zu wirken.


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Alles in allem glaube ich, dass hier gute Arbeit geleistet wird. Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Präsidentin, auch für die umfassende Arbeit bedanken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.08.53

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zwei Rechnungs­hofberichte betreffend die Universitätsräte und die Nebenbeschäftigung der Univer­sitätsprofessorinnen und -professoren möchte ich kurz beleuchten. Ich danke dem Rech­nungshof für die guten Berichte, die auch uns für unsere parlamentarische Arbeit dienlich sind.

Ich möchte mit dem Bericht zu den Universitätsräten beginnen. Ich bin nicht ganz der Meinung der Kollegin Blimlinger, dass die Reisegebührenvorschrift, in der es um die Aufwandsentschädigungen der Universitätsräte geht, sinngemäß umgesetzt worden ist. Meiner Meinung nach haben wir weiterhin das Problem, dass diese Reisegebühren­vorschrift aus dem Jahr 1955 nicht angewendet wird, und wir haben auch das Problem, dass es keine Standardisierung der Aufwandsentschädigungen gibt. Deshalb gibt es unterschiedliche Entlohnungen im Bereich der Universitätsräte. Das hat man am Beispiel von Wien, Innsbruck und auch Graz gesehen.

Da ist Handlungsbedarf, da ist Arbeitsbedarf vorhanden, der Herr Bundesminister wird sich diesen Themenbereich auch in einer Arbeitsgruppe anschauen müssen. Es kann nicht sein, dass es unterschiedliche Behandlungen gibt. Allein die Medizinische Uni­ver­sität Innsbruck hat für Transparenz gesorgt, indem sie die Vergütung für die Uni­versitätsräte dargestellt hat. Alle anderen sind ohne Transparenz und im Endeffekt auch ohne Vergleichbarkeit geblieben.

Der wesentliche Punkt ist meiner Meinung nach aber die Willkür der Auswahl von Uni­versitätsräten, meiner Meinung nach sogar eine politische Willkür, weil Personen nach Nominierungslisten ausgesucht werden, um Universitätsräte in Universitäten zu sein. Ich habe nicht gefunden, dass es einen Katalog von Auswahlkriterien gibt, ich habe nicht gefunden, dass es ein Anforderungsprofil gibt, in dem Kriterien festgelegt worden sind, und ich habe schon gar nicht eine Dokumentation über diese Kriterien gefunden. Deshalb ist es auch passiert, dass es in der neuen Periode, 2018 bis 2023, keine Personen mit juristischen, wissenschaftlichen und Finanzkenntnissen gibt.

Das zweite Problem ist die Nebenbeschäftigung. Wir alle wollen, dass sie erlaubt ist, aber ohne die Interessen des Arbeitsvertrages und die wesentlichen dienstrechtlichen Bedürfnisse zu beeinträchtigen. Anders geht das nicht, und deshalb sage ich: Die Nebenbeschäftigung ist in der derzeitigen Form ein Problem. Wenn man sich die Meldeverpflichtungen anschaut, sieht man, dass das ein Tohuwabohu ist. In Innsbruck hat man einen Monat, in Wien gar keinen Monat, gar keinen Tag – wie soll man da eine Nebenbeschäftigung genehmigen beziehungsweise untersagen, wenn man keine Möglichkeit hat, fristgerecht zu agieren?

Deshalb bin ich, sind wir der Meinung, dass die Nebenbeschäftigung in dieser Form auch nicht geregelt ist. Der Herr Bundesminister ist heute nicht hier. In der Ausschusssitzung hat er zugesagt, dass er eine Arbeitsgruppe einrichten wird. Er war der Einzige, der diese Plexiglaswand – als Covid-Maßnahme – mit seiner Größe überragt hat, das war ein wenig furchterregend. Ich glaube, dass wir weiterhin dranbleiben müssen und gemein­sam, Frau Rechnungshofpräsidentin, allen Beteiligten auf die Finger schauen müssen,


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damit diese von Ihnen angesprochenen Empfehlungen umgesetzt werden. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Christian Lausch ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.12.15

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof überprüfte zwischen September 2017 und Jänner 2018 die Nebenbeschäftigungen von UniversitätsprofessorInnen der Unis Wien und Innsbruck, und das Ergebnis ist sehr abenteuerlich. Ich muss sagen, da bin ich schon froh, dass es den Rechnungshof gibt, da man auch sagen kann, dass das zuständige Ministerium, in diesem Fall das Bildungsministerium, kläglich versagt hat, denn Nebenbeschäftigungen sind im Bundesdienst natürlich meldepflichtig und auch genehmigungspflichtig. Und wenn das nicht hinhaut – die Zahlen hat Kollege Hoyos-Trauttmansdorff ja schon genannt – und das dem zuständigen Ministerium nicht auffällt, dann zeugt das von einem Versagen des Bildungsministeriums, das immerhin die Fachaufsicht bei den Universitäten hat.

Es gibt darüber dann natürlich auch negative Medienberichterstattung, so titelte „Der Standard“ am 10. Mai 2019: „Rechnungshof kritisiert geschäftstüchtige Professoren“. – Na ja, die Geschäftstüchtigkeit ist ein bisschen süffisant gemeint. Es gibt darüber weitere Berichte, etwa vom ORF, und auch „Die Presse“ berichtete: „Uni-Professoren: Laxer Umgang mit Nebenjobs“. Das Ministerium ist natürlich gefordert, darauf zu achten, dass so etwas nicht vorkommt, da das kein Ruhmesblatt in der medialen Berichterstattung ist.

Ich danke dem Rechnungshof, dass er das aufgedeckt hat. Es hört sich ja der Spaß auf, wenn im Bericht zu lesen ist: „An der Universität Innsbruck gab es seit 2014 wiederholt Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der Erfüllung von Lehrverpflichtungen an der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Neben dem Rektorat gingen auch das Ministerium und der Universitätsrat den Vorwürfen nach. Beide sahen keine relevanten Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen.“

Der Rechnungshof stellte aber fest: Es gab „Anhaltspunkte dafür, dass ausgefallene Lehrveranstaltungen“ – für die natürlich Geld kassiert wurde – „nicht immer nachgeholt wurden, zumal Belege für nachgeholte Stunden nicht immer vorgelegt werden konn­ten.“ – Es ist eigentlich ein sehr, sehr trauriger, um nicht zu sagen ein krimineller Vor­gang, was da abgegangen ist, denn man sollte schon den Hauptjob ernst nehmen und diesen einmal erfüllen, die Lehrveranstaltungen abhalten, und dann kann man Neben­beschäftigungen nachgehen.

Einen Dank an den Rechnungshof, an Sie, Frau Präsidentin, an Ihre Mitarbeiter: Dies ist eine wichtige Sache, damit man sieht, was da schiefläuft, und ich hoffe, dass bei der nächsten Überprüfung ein besseres Ergebnis und ein besseres Bild für die Universitäten Wien und Innsbruck herauskommen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Martina Künsberg Sarre. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.15.40

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank für die Follow-up-Überprüfung betreffend Universitätsräte. Ausdrücklich positiv möchte ich erwähnen, dass – wie die Vorredner


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auch schon angesprochen haben – 19 von 21 Maßnahmen oder Empfehlungen umge­setzt wurden. Das zeigt ja einmal mehr, wie viel Handlungsbedarf es im Themenbereich Universitätsräte gegeben hat.

Nichtsdestotrotz wurden zwei Maßnahmen nicht umgesetzt, und die sind natürlich nicht unwesentlich und betreffen das Ministerium: Die eine ist die Reisekostenvergütung der Universitätsräte. Kollegin Blimlinger hat gemeint, es wird mit dieser Reisege­bühren­vor­schrift bereits sehr einheitlich abgerechnet. Es gibt jedoch keinen vorgegebenen ein­heitlichen Abrechnungsmodus, und es wäre wünschenswert, dass das festgelegt ist.

Die andere Empfehlung ist wichtiger – noch wichtiger, wie ich glaube –, nämlich die Qualifikation und die Transparenz über die Bestellung der Universitätsräte. Die hat näm­lich schon einen irrsinnig langen Bart, nämlich schon so lange, solange es das Univer­sitätsgesetz 2002 gibt, ist diese Bestellung der Universitätsräte nicht sehr nachvoll­ziehbar.

Usus ist, dass sich das beide Regierungsparteien aufteilen und ihre Nominierungslisten abgeben. Es freut mich, dass die SPÖ mittlerweile auch erkannt hat, dass es da einen Reformbedarf gibt. In den letzten Jahren, als Sie in der Regierung waren, haben Sie da nicht sehr viel hinterfragt, und auch die FPÖ hat, als sie in der Regierung war, da mitgemacht.

Zu Recht hat der Rechnungshof moniert, dass dieser Entscheidungsprozess und die Auswahlkriterien nicht nachvollziehbar sind. Ich glaube, es ist wichtig, dass in solch einem wichtigen Gremium, einem De-facto-Aufsichtsrat einer Universität klar ist, wer dafür nominiert wird und warum. Laut Stellungnahme des Ministeriums ist die Doku­mentation der Auswahlentscheidungen gesetzlich nicht erforderlich. Ich hoffe, dass es im Herbst eine Novelle des UG 2002 gibt, und ich erwarte mir hier in Bezug auf die Qualifikation und Bestellung der Universitätsräte eine klare Nachschärfung. (Beifall bei den NEOS.)

20.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner gelangt zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.18.04

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Präsi­den­tin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! In der vergangenen Sitzung des Rechnungs­hofausschusses haben wir uns neben anderen wichtigen Themen mit der Thematik Beratung und Information betreffend Studienwahl beschäftigt. Das gemeinsame Ziel ist klar: Wir wollen die Zahl der Bildungsabschlüsse erhöhen und natürlich Studienwechsel und ‑abbrüche verhindern. Deshalb bedanke ich mich auch bei der Präsidentin und ihrem gesamten Team für die Gebarungsprüfung und die daraus resultierenden Empfeh­lungen.

Der überprüfte Zeitraum betrifft die Schuljahre 2011/2012 bis 2016/2017. Der Rech­nungshof ist zu der Ansicht gekommen, dass die Studienwahlberatung beziehungsweise das Programm 18plus strukturiert ist, die Entwicklung des Programms funktioniert und die wesentlichen Akteure gut eingebunden sind.

Von den 31 Empfehlungen, welche das damalige Bildungsministerium, das Wissen­schaftsministerium, aber auch die Österreichische Hochschülerschaft betroffen haben, wurden fast alle durch die Zusammenlegung der Ministerien umgesetzt. So wurden im Bericht genannte organisatorische, strukturelle und auch budgetäre Herausforderungen gelöst.


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Im Zuge der Digitalisierung sind weitere Maßnahmen geplant. So soll der dicke Studien­ratgeber nicht mehr gedruckt werden, sondern online abrufbar sein. Es ist auch geplant, in Zukunft die beiden Webseiten zur Studienwahlberatung zusammenzulegen, dadurch sollen administrative Mittel eingespart werden, die dann in anderen Bereichen eingesetzt werden können.

Es muss auch unser Ziel sein, dass es weiter zu Verbesserungen in der Studien­wahlberatung kommt. Gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung wird es entscheidend sein, dass wir die jungen Menschen bei der Auswahl möglichst gut unterstützen, damit sie auch schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt kommen. Dafür müssen wir natürlich – mein Kollege Rudi Taschner hat es angesprochen – auch berück­sichtigen, die Menschen in jenen Bereichen auszubilden, in denen sie im wirtschaftlichen Kreislauf dann später auch gebraucht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

An dieser Stelle möchte ich aber auch sagen, dass das für alle Bildungsbereiche gilt. Wir brauchen überall gut ausgebildete Menschen. Wenn ich ein Haus baue, brauche ich natürlich den Architekten, den Planer, aber auch die Handwerker, die den Plan dann ausführen. Wenn ich gesundheitliche Sorgen habe und eine Operation brauche, brauche ich natürlich die Ärztin, die mich operiert, aber auch die OP-Assistenten, die ihr dabei helfen.

Darum ist für mich klar, man macht am besten das, was man gern macht, und darum müssen wir die jungen Menschen auch genau dorthin bringen. Darum ist es auch wichtig und richtig, dass wir weiter in die Berufs- und Studienorientierung investieren und sie laufend verbessern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.21.41

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es war ein Match zwischen der Uni Wien, 655 Jahre, und der Uni Innsbruck, 331 Jahre, bei dem man sich die Nebeneinkommen der Professoren näher angesehen hat. Das ist an und für sich ein Thema, das ja sofort mit Neidkomplexen behaftet ist. Wenn man sich aber in die Materie vertieft, wird man gesehen haben – das darf ich richtigstellen –, dass Nebenbeschäftigungen nicht geneh­migungspflichtig, sondern ausschließlich meldepflichtig sind. Würde eine Meldung nicht vonstattengehen, wäre dies sogar ein Kündigungsgrund.

Im Beobachtungs- und Prüfungszeitraum wurde die nicht gemeldete Doppelbe­schäf­tigung eines Wiener Professors im Ausland stark kritisiert, seine Wochendienstzeit wurde dann auf 50 Prozent korrigiert.

Ein weiterer Punkt war, dass es unterschiedliche Gutachten, unterschiedliche Bewertun­gen, Arbeiten zwischen Wien und Innsbruck gibt, wobei auffällig war, dass die Inns­brucker Kollegen 376 Meldungen an Nebenbeschäftigungen haben, die Wiener 200 und dass bei den Gutachten Wien gar nur 2 Prozent der Gutachten macht, während die Innsbrucker 13 Prozent der Gutachten gemacht haben.

Ich darf eines noch grundsätzlich sagen: Bei der Frage der Nebenbeschäftigungen wäre vielleicht ein Ansatz, diese transparent und öffentlich zu machen; darüber wird diskutiert. Wir leben ja alle in einer transparenten Gesellschaft, auch wir als Parlamentarier, als Nationalräte.

Eines aber auch vorweg: Ich bin froh und dankbar, dass Universitätsprofessoren sich auch der Politik widmen und so ihre Erfahrung einbringen, daher ein Dankeschön an


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Minister Heinz Faßmann, an Rudi Taschner, an Eva Blimlinger, an Agnes Totter und einige andere, die im Hochschulbereich tätig sind. Vivat academia, vivant professores! (Beifall bei der ÖVP.)

20.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich die Präsidentin des Rechnungshofes, Frau Dr. Margit Kraker, zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Prä­sidentin.


20.24.10

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, am Ende der Debatten zu den Rech­nungshofberichten noch kurz zu den drei Berichten, die unter diesen Tagesordnungs­punkten behandelt wurden, Stellung zu nehmen.

Was die Follow-up-Überprüfung der Universitätsräte betrifft, ist es tatsächlich so – und das ist für den Rechnungshof ein erfreuliches Ergebnis –, dass 90 Prozent der Empfeh­lungen umgesetzt wurden. Die eine Empfehlung, die die Dokumentation der Voraus­setzungen der vom Ministerium vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten für die Tätigkeit als Universitätsräte betrifft, soll nach den Aussagen des Herrn Bundesministers nun auch aufgegriffen werden, was ich als erfreulich ansehe. Weiterhin offen ist die sinngemäße Anwendung der Reisegebührenvorschrift. Da halten wir unsere Empfeh­lung aufrecht.

Was die Umsetzungsquote betrifft, ist diese sicherlich quantitativ zu sehen, aber der Rechnungshof ist schon seit längerer Zeit bemüht, auch eine qualitative Auswertung zu machen. Das haben wir auch im Tätigkeitsbericht so gemacht, in dem wir punktuell gesagt haben, welche Empfehlungen nachhaltig nicht umgesetzt werden und daher als zentrale Empfehlungen offen sind. Das werden wir auch weiterhin so handhaben.

Hinweisen möchte ich auf den Bericht zu Nebenbeschäftigungen der Universitätspro­fessorinnen und Universitätsprofessoren, der schon ausführlich besprochen wurde. Es handelt sich dabei um Beschäftigungen außerhalb des Dienstverhältnisses. Diese sind natürlich zulässig, aber wir haben Lücken bei den Meldungen festgestellt und wir haben Handlungsbedarf festgestellt, und zwar Handlungsbedarf insofern, als noch Maßnahmen zur Hebung der Meldemoral gesetzt werden müssen, als regelmäßig an die Melde­verpflichtungen erinnert werden muss und als etwa in der Betriebsvereinbarung der Begriff der wesentlichen dienstlichen Interessen von Universitäten definiert werden muss, um auch eine einheitliche Handhabung bei der eventuellen Untersagung von Nebenbeschäftigungen zu haben. Es gehört eben eine korrekte Meldung der Neben­beschäftigungen dazu, um die dienstlichen Interessen der Universitäten zu wahren.

Wir haben festgestellt, dass an der Universität Wien im Vergleich zur Universität Inns­bruck etwa nur halb so viele Nebenbeschäftigungen gemeldet wurden, obwohl die Uni­versität Wien doppelt so viele Universitätsprofessorinnen und -professoren beschäftigt. Da können wir aber weiters wirklich sagen, dass wir es als Soforterfolg wahrgenommen haben, dass bereits im Zuge unserer Vor-Ort-Überprüfung die Meldungen an der Uni­versität Wien deutlich angestiegen sind. Daher konnte schon unsere Prüfung das Bewusstsein für diese Verpflichtung zur Abgabe von Meldungen heben. Im Zuge einer Follow-up-Überprüfung werden wir dann tatsächlich feststellen, ob der Trend auch anhält.

Hinweisen möchte ich noch auf das Züricher Modell. Wir haben dieses Modell dar­gestellt. Es ist dies ein transparentes System in Form eines Registers der Interessen­bin­dungen, wonach als Nebenbeschäftigungen anzusehende Beschäftigungen allgemein


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zugänglich im Internet ersichtlich sind. Die Schaffung ähnlicher Transparenzregeln könnte auch in Österreich angedacht werden.

Es gibt ja keine Ortsgebundenheit bei der Tätigkeit an Universitäten, daher ist die Überwachung schwierig, aber es könnte natürlich einen Einfluss auf die Lehre haben. Da gab es an der Universität Innsbruck immer wieder Probleme, das ergaben Lehr­veranstaltungsevaluierungen, die dort stattgefunden haben. An der Universität Wien, das haben wir auch kritisiert, wurden diese Fragen – ob eine Lehrveranstaltung pünktlich begonnen hat, ob die Abhaltung regelmäßig erfolgt ist – überhaupt aus der Lehrver­an­staltungsevaluierung ausgeschlossen. Wir meinen, das sollte so nicht sein. Das heißt also, wir glauben, es sollte immer wieder Prozesse geben, im Rahmen derer auch die vollständige Abhaltung von Lehrveranstaltungen stichprobenweise von den Universi­täten geprüft wird.

Der Bericht betreffend Studienwahl beschäftigt sich mit dem Übergangsmanagement zwischen der Schule und den Universitäten, dem tertiären Bereich. Da muss eben das Zusammenspiel funktionieren. Da gibt es die Projekte MaturantInnenberatung der Öster­reichischen Hochschülerschaft, das Programm 18plus zur Studienwahlberatung, die Schüler- und Bildungsberatungen. Es gab da nur eine freiwillige Teilnahme, maximal 64 Prozent der Schulen nahmen teil. Wir glauben auch da, dass die Programm­ab­deckung noch ausbaufähig ist.

Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung des Rechnungshofes im Rahmen der Debatte und für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

20.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Rechnungshofausschusses.

20.29.14Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 6 bis 16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Rechnungshofausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine Sitzungs­unterbrechung gewünscht ist. – Das ist nicht erkennbar.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Zugang zur gewerblichen Berufsaus­übung, III-52/195 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen, III-46/196 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unabhängige Kontrolle von Gemeinnützigen Bauvereinigungen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Rech­nungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Digitalisierungsstrategie des Bundes, III-100/197 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Rech­nungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Struktur österreichischer Vertretungen innerhalb der EU; Follow-up-Überprüfung, III-4/198 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Planung von baulicher Sicherheitsinfrastruktur im öffentlichen Raum in Wien, III-21/199 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend KELAG Wärme GmbH; Follow-up-Überprüfung, III-30/200 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Rech­nungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Frontrunner-Förderaktion; Follow-up-Überprü­fung, III-32/201 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch da jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Leseförderung an Schulen, III-91/214 der Bei­lagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch da jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sommerschule für alle Schülerin­nen und Schüler ermöglichen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 251

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Universitätsräte; Follow-up-Überprüfung, III-37/215 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Rech­nungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Nebenbeschäftigungen der Universitätsprofes­sorinnen und -professoren, III-35/216 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Mandatare, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Studienwahl – Beratung und Information, III-92/217 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich darf mich von der Frau Präsidentin des Rechnungshofes verabschieden und wün­sche ihr noch einen schönen Abend.

20.33.5517. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 583/A(E) der Abge­ord­neten Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Corona-Krise“ (208 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 603/A(E) der Abge­ordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktionsplan Frauengesundheit (212 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.34.35

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseher via Livestream, die trotz der fortgeschrittenen Zeit doch noch bei uns sind! An niemandem gehen die Pandemie, das Coronavirus und die getroffenen Maßnahmen spurlos vorüber. Jeder ist in irgendeiner Form betroffen, und dass uns die Auswirkungen dieser Krise noch länger beschäftigen werden, steht außer Zweifel.

Eine Untersuchung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen ist natürlich genau so wichtig wie eine nachträgliche Beurteilung der gesamten Covid-19-Pakete. Dr. Kogler von der Uni Graz stellt fest, dass viele Menschen in den letzten Wochen enorme Stärke gezeigt haben. Diese Menschen sind jetzt richtig in der Krise angekommen. In Kurz­arbeit, arbeitslos, erschöpft finden sie sich in unsicheren Zeiten wieder, und die Sorgen überschatten die aufkeimende Hoffnung.


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Bereits Anfang April wurde in einer OECD-Studie festgestellt, dass die Frauen beson­ders unter der Coronakrise leiden, weil sich – noch einmal – überwiegend Frauen um Kinderbetreuung, die ältere Generation und Homeschooling gekümmert haben und noch immer kümmern. Es gab keine Entlastung in der häuslichen Pflege, weil die mobilen Dienste auch nicht gearbeitet haben, und es gibt noch immer geteilten Unterricht.

Auch bei denjenigen, die ihren Arbeitsverpflichtungen nachgekommen sind, war nichts normal – denken wir nur an das Gesundheitswesen, die Seniorenheime oder den Handel! Dazu kam immer die Sorge, infiziert zu werden und das Virus zu seinen Liebsten nach Hause zu bringen – alles in allem eine höchst belastende Situation.

Da muss man schon feststellen: Im Antrag der Regierungsparteien wird wohlwollend, quasi mit einem Schulterklopfen festgestellt, was schon alles getan wurde. Sie zählen auf: Stärkung des Gewaltschutzes – mit dem Erfolg, dass es schon wieder zwei Frauen­morde gab –, Gewährung von Sonderbetreuungszeit – ja, die ist leider verbraucht, und neun Wochen Ferien stehen vor der Tür –, Stärkung des Angebots zum seelischen Wohlbefinden – wie, was oder wo soll das sein?, davon habe ich noch nie gehört! –, Erleichterung des Zugangs zum Unterhaltsvorschuss – ja, er wurde erleichtert, aber wann gibt es endlich eine zufriedenstellende Lösung dafür? –, Familienkrisenfonds, Familienhärteausgleich – das dauert alles viel zu lange. Wenigstens soll es im Sep­tember 360 Euro pro Kind als Einmalzahlung geben. Unser Antrag für drei Monate zusätzliche Familienbeihilfe – exakt derselbe Betrag – hätte im letzten Plenum schon beschlossen werden können, wurde von den Regierungsparteien aber abgelehnt.

Zu unserem Antrag, der hier mitverhandelt wird: Im Aktionsplan Frauengesundheit sind gute Projekte verankert, die aber einer zusätzlichen jahresaktuellen Betrachtung bedür­fen. Bedürfnisse und Fakten verändern sich schnell. Frauen leben länger als Männer, haben aber nicht mehr gesunde Jahre. Ein Berufsleben bis zum Alter von 65 in meinem Jahrgang, Vereinsamung im Alter und vieles mehr sind herausfordernde As­pekte. Darum haben wir eine Weiterentwicklung gefordert: mehr Bewerbung des Brust­krebs­vorsorge­programms, Miteinbeziehung der Osteoporosevorsorgeuntersuchungen.

Wie aber sollen zielorientierte Projekte für die Prävention angegangen werden, wenn wir nicht wissen, wie die gesundheitliche Ist-Situation von jungen Frauen aussieht? Wir wissen über die Zahngesundheit unserer Jüngsten Bescheid und können darauf auf­bauen. Wir haben eine Tauglichkeitsuntersuchung bei den Wehrdienstpflichtigen und wissen, dass dort vermehrt Drogenprobleme und Wirbelsäulenprobleme festgestellt wer­den. Was, Frau Minister, wissen wir über den Gesundheitszustand der jungen Frauen? Wie wollen Sie mit dem Gesundheitsminister Ziele im Frauenaktionsplan ohne Kenntnis der Ist-Situation evaluieren?

Darum bringe ich dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Integration und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, eine Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in


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Österreich zu beauftragen, dem Nationalrat zu übermitteln und diese als Basis für gen­dergerechte Gesundheitsmaßnahmen zu nehmen.“

*****

So weit, so gut, aber, liebe Mitglieder der Regierungsparteien im Ausschuss, nicht zum ersten Mal und nicht zum letzten Mal wird ein Antrag der Opposition – jetzt unser Antrag – von euch mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt, und dafür wird ein anderer Antrag aus dem Hut gezaubert, weiter oder konkreter gefasst – je nachdem, wie es für euch besser erklärbar ist.

Ich zeige wirklich gerne klar auf, wie hier mit Anträgen der Opposition und auch mit guten und mit sachlichen Ideen umgegangen wird, und nenne es nicht wenig wertschätzend, sondern ich nenne es Zynismus. Der von uns eingebrachte Antrag wurde im Ober­öster­reichischen Landtag einstimmig beschlossen. Vielleicht könnten ja unsere Regierungs­parteien diesem Umgang miteinander etwas abgewinnen und das in die künftige Aus­schussarbeit einfließen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 18, Bericht des Gleichbehand­lungsaus­schus­ses über den Antrag 603/A(E) der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktionsplan Frauengesundheit (212 d.B.), in der 36. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2020

Studien zeigen leider immer wieder, dass der Gesundheitszustand vieler jungen Öster­reicher alles andere als ideal ist. Die Zahl der Jugendlichen, die übergewichtig sind, steigt; im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in Österreich eine sehr hohe Zahl von Jugendlichen, die rauchen und Alkohol konsumieren.

Der Mutter-Kind-Pass dient der gesundheitlichen Vorsorge für Schwangere und Klein­kinder. Die ärztlichen Untersuchungen sind bis zum 5. Lebensjahr des Kindes vorge­schrieben. Danach werden die Kinder bis zum Ende ihrer Schulzeit schulärtzlich unter­sucht.

Während die männlichen österreichischen Staatsbürger im Rahmen der verpflichtenden Stellung auch medizinisch untersucht werden, gibt es für Mädchen vor dem 18. Geburtstag keine medizinische Untersuchung mehr. Daher gibt es auch keine Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in Österreich. Eine solche wäre im Sinne der Gesundheitsvorsorge, des Ergreifens zielgerichteter gesundheitlicher Maß­nahmen zur weiteren Entwicklung von Frauen aber auch für einen Vergleich des Gesundheitszustandes von jungen Männern und jungen Frauen wichtig.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Integration und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, eine Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in Österreich zu beauftragen, dem Nationalrat zu übermitteln und diese als Basis für gendergerechte Gesundheitsmaßnahmen zu nehmen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.40.35

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher vor den Bildschirmen! Die beiden Anträge, die wir jetzt unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren, haben auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz viel miteinander zu tun, auf den zweiten, genaueren Blick aber doch, wie ich meine. Zum einen geht es um einen Antrag an die Bundesregierung, eine Erhebung über die geschlechtsspezifischen Aus­wirkungen der Coronakrise durchzuführen, zum anderen wollen wir, dass die Finan­zierung und Forcierung des Nationalen Aktionsplans Frauengesundheit sichergestellt wird.

Beide Anträge zeigen auf, dass Frauen anders als Männer betroffen sind, sowohl von der Coronakrise als auch dann, wenn es um den Erhalt ihrer Gesundheit bezie­hungs­weise um die Behandlung ihrer Krankheiten geht. Deswegen braucht es auch in beiden Themenbereichen einen differenzierten Blick auf die Dinge.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich bitte zuerst ein paar Sätze zu den Auswirkungen der Coronakrise sagen! Es existieren bereits erste Studien zu den geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Krise – eine von der OECD, das hat Frau Kollegin Ecker auch schon gesagt –, und diese warnen davor, dass die Krise die bestehenden Ungleichheiten zwischen Mann und Frau zumindest kurzfristig verstärken könnte. Viele Frauen haben mir in diversen persönlichen Gesprächen diesen Eindruck auch bestätigt. Daher ist es wichtig, dass wir gut aufbereitete österreichische Daten bekommen, um aus ihnen dann die entsprechenden richtigen Maßnahmen abzuleiten. Es sind ja derzeit viel strapazierte Worte, dass Krisen auch Chancen eröffnen, diese wollen wir aber nutzen und zum Wohle der Frauen ergreifen.

Den Rest meiner Redezeit möchte ich gerne der Frauengesundheit widmen. Frauen sind anders krank als Männer, und Frauen leben länger, haben aber weniger gesunde Jahre. Frauen haben zum Beispiel aufgrund des Hormons Östrogen ein stärkeres Immun­sys­tem, weil es die Vermehrung von Viren hemmt. Das beweisen auch die aktuellen Zahlen zu den Ansteckungen mit dem Coronavirus. Frauen sind aber auch aufgrund ihrer Physiologie anders krank, daher benötigen sie auch eine andere medizinische Behand­lung. Es reicht nicht, anzunehmen, dass die Frau – unter Anführungszeichen – „der kleinere Mann“ sei. Krankheiten zeitigen bei Frauen oft andere Symptome als bei Männern, in der Medizin aber ist der Mann nach wie vor Norm; das beginnt schon bei der Erforschung von Krankheiten.

Österreich hat bereits vor einigen Jahren erkannt, dass da großer Handlungsbedarf besteht, und mit dem Aktionsplan Frauengesundheit europaweit ein einmaliges Konzept geschaffen, welches die Gesundheit von Frauen in den Mittelpunkt rückt. Die von


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Experten erarbeiteten 17 Wirkungsziele und 40 Maßnahmen des Aktionsplans berück­sich­tigen alle Lebensphasen von Frauen. Wir wissen, dass Gesundheit durch viele Faktoren beeinflusst wird und Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten wesentlich sind. Der Aktionsplan Frauen­gesundheit greift diese Unterschiede auf und zeigt Möglichkeiten von einem lebens­weltbezogenen Verständnis von Gesundheit und Krankheit sowie der Förderung für ein gesundes Leben.

Wichtig ist es – und das ist mir persönlich ein ganz großes Anliegen –, die Gesundheits­kompetenz der Frauen zu stärken, damit sie selbstbestimmte und informierte Entschei­dungen treffen können. Dazu gehört zum Beispiel auch ein positives Selbstbild von jungen Frauen und Mädchen. Das ist ein Bereich, in welchem noch sehr viel getan wer­den muss, was man erkennt, wenn man nur bedenkt, welcher Druck zum Beispiel wegen ihres Aussehens heute bereits auf junge Mädchen ausgeübt wird – speziell durch die sozialen Medien.

Wir fordern in unserem Antrag auch, dass insbesondere Frauen über 60 besser unter­stützt werden, um eben diesen eingangs erwähnten Unterschied, dass Frauen weniger gesunde Jahre als Männer haben, zu bekämpfen.

Unserer Frau Ministerin Raab ist die psychische Gesundheit der Frauen ein ganz großes Anliegen. Gerade während der Coronakrise waren und sind die psychischen Belas­tungen deutlich gestiegen, und daher wurde dafür gesorgt, dass Beratungshotlines und -dienste aufgestockt worden sind. Das alleine wird aber sicher nicht reichen, wir brauchen eine deutliche und vor allem nachhaltige Aufstockung von psychologischer Betreuung – nicht nur für Frauen.

Im Rahmen des Budgetausschusses hatten wir die Gelegenheit, auch mit Herrn Ge­sundheitsminister Anschober darüber zu diskutieren, und er hat uns versichert, dass ihm bewusst ist, dass gerade in diesem Bereich der psychologischen Betreuung großer Handlungsbedarf besteht.

Als letzten Punkt, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich noch den Bereich Gendermedizin herausgreifen. Wir in Tirol haben ja sowohl einen Lehrstuhl für Gen­dermedizin an der Uni als auch eine Frauengesundheitsambulanz an der Uniklinik in Innsbruck. Dort werden Frauen unter gendermedizinischen Aspekten internistisch betreut. Ich würde es großartig finden und es wäre so ungemein wichtig, wenn es in naher Zukunft gelingen könnte, der Gendermedizin im Medizinstudium und im Gesund­heitswesen jenen Stellenwert zu geben, den sie brauchen würde.

Es ist mir wichtig, abschließend festzuhalten, dass von der genderbasierten Medizin ja nicht nur Frauen profitieren würden. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.46.32

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Leider ist der Herr Präsident jetzt nicht da, der ja beim letzten Mal während der Budgetdebatte da oben sehr stolz gesagt hat: Wow, es ist Primetime für Frauen- und Gleichstellungsthemen. – Heute sind wir mit Frauen- und Gleichstellungsthemen leider wieder einmal ganz am Schluss dran. Richten Sie also vielleicht Ihrem Präsidenten aus, er könnte sich das nächste Mal wieder ein bisschen mehr für Frauenthemen in die Bresche schmeißen.


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Ich habe auch gerade eine E-Mail von einer Zuseherin bekommen, die meint, es ist erstens bei unseren Themen nicht viel los im Saal und zweitens ein relativer hoher Geräuschpegel. Ich finde es ein bisschen schade, dass Gleichstellungsthemen, Frauen­themen anscheinend auch hier im Raum so wenig Beachtung finden, dass das von den Zuseherinnen draußen bemerkt wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Leider gehen die Ankündigungen in die nächste Runde, und es bleibt bei Ankündigungen. – Frau Bundesministerin, diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Ich habe mir erlaubt, vor meiner Rede zu schauen, wie viele Aussendungen Sie gemacht oder Interviews Sie gegeben haben, seit Sie Ministerin sind. Also viel habe ich nicht gefunden. (Abg. Loacker: Viel macht der Anschober, das ist auch nicht besser!) Sie haben zu Ihrer Auffassung von Integration einiges gemacht, Sie haben sich, glaube ich, als Kultusministerin mit der Bischofskonferenz oder mit Herrn Kardinal Schönborn zusammengesetzt. Ich glaube, es gab eine Pressekonferenz mit Kollegin Aschbacher. Gerade jetzt, in Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen Frauen ja besonders betroffen sind – wir haben heute schon davon geredet –, habe ich nichts von Ihnen gehört. Es gibt eine letzte OTS, in der Sie den Familienhärtefonds loben und sagen: Großartig, Alleinerzieherinnen kriegen jetzt 100 Euro für die Kinder drauf, wenn sie wenig verdienen; großartig, Alleinerzieherinnen kriegen über drei Monate 50 Euro pro Kind aus dem Familienhärtefonds. – Ich weiß nicht, ob das genug ist, Frau Ministerin.

Eine Frauenministerin, glaube ich, sollte sich wirklich nicht auf einzelne wenige Themen fokussieren, sondern sollte sehr breit aufgestellt sein, auch wenn das Budget klein ist, auch wenn die legistischen Durchsetzungsmöglichkeiten sehr beschränkt sind, denn ihre Aufgabe ist es, sich überall einzumischen, überall hineinzuhorchen, auch in die Bevölkerung hineinzuhorchen und zu horchen, was die Frauen jetzt brauchen. Ja, wir können ihnen applaudieren, das ist keine Frage, aber wir brauchen mehr als diesen Applaus für die Frauen, wir brauchen für die Arbeitnehmerinnen Antworten, wir brauchen für alleinerziehende Frauen Antworten, wir brauchen für von Gewalt betroffene Frauen – und das ist das Thema, dem Sie sich hauptsächlich widmen, was gut ist –, für diese große Gruppe von Frauen viele, viele Antworten und Möglichkeiten.

Da jetzt hier ein Antrag vorliegt (besagten Antrag in die Höhe haltend) darf ich Ihnen auch erzählen, dass letzte Woche die erste Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses seit über einem Jahr stattgefunden hat – die allerletzte Zusammenkunft haben wir davor am 12. März 2019 gehabt. Wir wollten mit der vorigen Ministerin noch im Mai des Vorjahres etwas machen, das ist nicht zustande gekommen, denn dann hat Sebastian Kurz die Regierung gesprengt. (Heiterkeit und Widerspruch bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.) – Siehst du, das stimmt, Sie bestätigen es, ja! Sie haben es soeben bestätigt, super!

Dann hatten wir die Übergangsregierung, da ist dann auch nichts gegangen. Im Jänner und Februar haben wir uns so bemüht, dass wir uns mit Ihnen einen Termin aus­machen – daraus ist auch nichts geworden.

Jetzt, am 9. Juni, hat es gnädigerweise eine Sitzung des Gleichbehandlungsaus­schus­ses gegeben, in der wir 19 Tagesordnungspunkte verhandelt haben und Sie zu einem Trick gegriffen haben, der mir nicht gut gefällt: Sie haben zu vier Anträgen von uns Oppositionsparteien eigene Anträge eingebracht, damit Sie unsere ablehnen und Ihre eigenen durchsetzen können. (Abg. Pfurtscheller: Genau!) – Das ist nicht die feine englische Art, wie man Themen am Leben erhält, wenn dann mit sehr abgeschlankten beziehungsweise sehr breiten Wischiwaschianträgen unsere wirklich guten Anträge so­zusagen kontaminiert wurden.


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Also wenn das die Arbeit ist, die Sie sich für und mit Frauen und mit uns Parla­mentarierinnen vorstellen, dann sage ich Ihnen, Sie sind auf dem Holzweg. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schmidhofer: Sie sind grantig, weil Sie nicht mehr Ministerin sind! – Ruf bei der SPÖ: Ah so!)

20.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, könnten Sie den Zwischenruf wiederholen? (Abg. Schmidhofer: Dass die Frau Kollegin grantig ist, weil sie nicht mehr Ministerin ist! – Ruf bei der SPÖ: Na, bravo! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Dann habe ich mich verhört.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Meri Disoski. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.


20.51.35

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Es geht um die Auswirkungen der Coronakrise auf Frauen, und eine Auswirkung dieser Krise darf nicht sein, dass Frauen in diesem Land konsequenzenlos von Politikern sexistisch beschimpft werden können (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ) – aber der Reihe nach.

Am 4. Juni fällt der stellvertretende Landeshauptmann von Tirol Josef Geisler der Gewässerschutzsprecherin des WWF Marianne Götsch wiederholt ins Wort und bezeichnet sie als „widerwärtiges Luder“. Er weiß nicht, dass er gefilmt wird. (Abg. Loacker: Von wem ist das der Koalitionspartner?) Der massiven Kritik an seiner frauenverachtenden Äußerung folgt eine Presseaussendung Geislers. (Zwischenruf des Abg. Bösch.) Er entschuldigt sich, stellt aber gleichzeitig den Vorfall falsch dar und behauptet, die WWF-Sprecherin sei ihm ins Wort gefallen. – Das Video beweist das Gegenteil.

Am nächsten Tag erklärt das Büro von Geisler, der Ausdruck Luder sei nicht zwingend negativ und in keiner Weise frauenfeindlich gemeint. Ja wie denn sonst, sehr geehrte Damen und Herren?! Wie denn sonst? (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Als Frauensprecherin meiner Fraktion bin ich entsetzt über den Umgang der Tiroler ÖVP mit dem Sager ihres stellvertretenden Landeshauptmanns. Geislers Aussage und dieser Umgang seiner Partei mit dem Vorfall belegen ganz eindeutig: Die Tiroler ÖVP hat ein Problem mit Sexismus. Es ist so. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Statt Konsequenzen aus diesem Verhalten zu ziehen, nutzt Landeshauptmann Günther Platter seine Machtposition aus und tut das, was er wahrscheinlich vorher im Lehrbuch der Männerseilschaften nachgelesen hat. In dem Fall heißt das, er macht ihm die Mauer.

Garniert wird das Ganze dann noch mit einer medienwirksam platzierten Nebelgranate, nämlich der Neuwahldrohung Richtung Koalitionspartner, und Platter spricht von grünen „Koalitionsgefährdern“. Das eigentliche Problem, der sexistische Sager von Geisler, soll so banalisiert und in den Hintergrund gerückt werden. (Abg. Kickl: Die Frau Minister wird dann darauf eingehen!) Medien springen auf und diskutieren über die Grünen.

Gerne führe ich deshalb hier die Debatte dorthin zurück, wo sie ihren Ursprung hat und wo sie auch hingehört. Sie erinnern sich: Der stellvertretende Landeshauptmann von Tirol nannte die WWF-Gewässerschutzsprecherin ein „widerwärtiges Luder“.

So, und was hat das jetzt mit unserer heutigen Plenardebatte zu tun, sehr geehrte Damen und Herren? – Sehr viel, weil wir heute Anträge zum Thema Gewalt gegen


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Frauen behandeln – einige davon habe ich selbst mit eingebracht –, und wir wissen, dass wir da in Österreich ein massives Problem haben.

Verfassungsministerin Edtstadler hat zur Causa Geisler Folgendes festgehalten – ich darf sie zitieren –: „Gewalt gegen Frauen beginnt sehr oft bei Worten“. – Als studierte Linguistin stimme ich ihr zu, und ich habe zusätzlich einen Blick in ein Buch von Senta Trömel-Plötz, einer Universitätsprofessorin, einer Linguistin, geworfen, das den Titel „Gewalt durch Sprache“ trägt. Ich zitiere daraus: Sie sagt, „durch Sprechen, wird [...] anderen Gewalt angetan, denn wir handeln, indem wir sprechen. Solche Sprechhand­lungen, in denen verbal Gewalt angewendet wird, sind z. B. Beleidigung, Beschimpfung, [...] Herabminderung, Mißachtung“.

Dieser Definition folgend: Wenn ein Politiker eine politische Aktivistin als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet, ja selbstverständlich beleidigt und beschimpft er sie dann! Ja was denn sonst?! Das steht ja nicht zur Diskussion. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und NEOS.) Und selbstverständlich disqualifiziert er sich mit einem solchen Verhalten für ein politisches Amt.

Sexistische Verbalattacken sind keine bedauerliche Entgleisung oder irgendein komi­scher Einzelfall, mit dem man keine Freude hat. Dahinter steht ein entsprechend frauen­feindliches, sexistisches Weltbild, und ein solches hat in der Politik nichts verloren – nichts! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Das sieht übrigens auch die ehemalige ÖVP-Frauenministerin so. Maria Rauch-Kallat hat Geisler nahegelegt, er müsse sich überlegen, ob er auf dem richtigen Platz sei. – Aber ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren, was gibt es denn da noch zu überlegen? (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Was gibt es da zu überlegen? (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Ja, Frau Heinisch-Hosek, Sie können gerne wieder versuchen, was Sie eh schon getan haben, nämlich ein Problem eines sexistischen Politikers einer Frau umzuhängen. (Abg. Heinisch-Hosek: Na, na, na ...!) Interessante Strategie, finde ich nicht gut – aber gut.

Ich erwarte mir, dass die Tiroler Volkspartei jetzt nicht den Mantel des Schweigens über diese Causa breitet, sondern sich mehrere Fragen stellt, wie zum Beispiel: Wie kann es denn überhaupt sein, dass es in unserer Partei solche Aussagen gibt? Haben wir in der Partei Strukturen, die das befördern? – Diese Fragen sollte sich die Tiroler ÖVP stellen und nicht versuchen, per Presseaussendung diese Diskussion ad acta zu legen und zu sagen: Ja, das haben wir jetzt diskutiert, alles gut! (Abg. Martin Graf: Sie hat vollkommen recht! – Heiterkeit des Abg. Kickl.)

Ich komme zum Schluss, und ich möchte eine Nachricht mit Ihnen teilen, die ich vor einigen Tagen bekommen habe. Ich zitiere Ihnen das. Jemand hat mir Folgendes ge­schrieben: Als Lebenspartner, als Vater einer dreijährigen Tochter, als Bruder, Onkel und als Feminist wünsche ich mir, dass unser Land nicht von Politikern regiert wird, die eine Frau in der Öffentlichkeit so beschimpfen können und trotzdem im Amt bleiben. – Zitatende. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

20.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.56.45

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Also ich möchte da schon etwas anmerken: Es gibt ja noch eine zweite Seite. Es gibt auch die grüne Landeshauptmann-Stellvertreterin (Abg. Kickl: Sie ist befangen!), die ja auch eine etwas merkwürdige Vorstellung von


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Feminismus hat und gesagt hat: „In meiner feministischen Grundhaltung geht es auch darum, dass man schaut, wo es Versöhnlichkeit gibt.“ Feminismus bedeutet Verzeihen, hat sie ausrichten lassen. – Also dieses Verständnis von Feminismus ist grundfalsch und schadet auch einer echten Diskussion über Rollenbilder und dem Rollenverständnis in unserer Gesellschaft. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Was in dieser Aussage sichtbar wird, ist ein ganz tief verwurzeltes konservatives Rollen­verständnis der Frau als versöhnliches Wesen (Zwischenruf der Abg. Disoski), die dafür verantwortlich ist, dass jetzt Ruhe ist im Karton (Zwischenrufe bei den Grünen), und das ist im Grunde auch die Form einer Mutterrolle als Kümmerin, die dafür zuständig ist, den Frieden wiederherzustellen. (Abg. Kickl: Das ist viel spannender, als ich mir gedacht habe!) Also da haben wir schon noch einen weiten Weg vor uns, um wirklich für Gleich­stellung zu sorgen.

Zum eigentlichen Thema: „Money, money, money / Must be funny / In the rich man’s world“. – Ich bemühe jetzt ABBA – heute hat ja jemand schon Reinhard Mey zitiert –: Das wird jetzt seit 44 Jahren besungen und ist immer noch traurige Realität. Männer haben das Geld nach wie vor recht fest in der Hand.

Der Genderpaygap ist allgegenwärtig. Frauen verdienen nachweislich weniger als Män­ner, auch wenn sie im selben Beruf arbeiten.

Es gibt aber nicht nur den Genderpaygap, sondern auch den Gendercaregap: Frauen leisten mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer – das ist eine Feststellung, die jetzt nicht sonderlich überrascht. Wir wissen, dass berufstätige Frauen und Mütter einer ständigen Doppel- und Dreifachbelastung ausgesetzt sind. Sie kümmern sich um die Pflege der alt gewordenen Eltern, sie schupfen den Haushalt, sie bringen die Kinder in die Schule, zum Musikunterricht, zum Turnunterricht, zum Arzt, sie gehen länger in Karenz als ihre Partner. Sie arbeiten auch häufig Teilzeit, schlittern dabei in die Alters­armut oder sind, wenn sie Vollzeit arbeiten plus Carearbeit leisten, immer am Rande eines Burnout.

Diese klassischen Strukturen haben sich ja besonders in Zeiten der Coronakrise massiv verhärtet. Wir wurden auf ein Frauenbild der Fünfzigerjahre zurückgeworfen. Quasi von heute auf morgen war klar, wer sich kümmert, wer die Betreuungspflicht übernimmt: Es sind die Frauen.

Wie viel unbezahlte Arbeit Frauen heute aber tatsächlich leisten, wissen wir nicht. Grüne und ÖVP haben einen Antrag eingebracht, in dem sie fordern, dass geschlechter­spezifische Diskriminierung von Frauen in der Coronakrise untersucht wird. Das klingt ja auf den ersten Blick ganz gut, bei genauerem Hinsehen merkt man aber: Weitere Initiativen in diese Richtung werden in diesem Antrag nicht gefordert.

Es sollen also lediglich die Auswirkungen der Krise auf Frauen durch vorhandene Daten evaluiert werden, und dabei soll auch die Verwaltung bitte nicht zusätzlich belastet werden – also die Verwaltung ist nicht zusätzlich zu belasten, weil Frauenangele­gen­heiten anscheinend eine Belastung sind. Vor allem muss sich ja die Verwaltung auf Daten aus dem Jahre 2008 stützen, denn so lange ist die letzte Zeitverwendungsstudie her. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wir NEOS haben einen Antrag eingebracht, in dem wir gefordert haben, dass Österreich an der europaweiten Zeitverwendungsstudie teilnimmt, damit wir endlich neue Zahlen und Daten bekommen, die zeigen, wie viel unbezahlte Arbeit in Haushalten geleistet wird und wie die Rollenverteilung heute vonstattengeht. Dieser Antrag wurde von ÖVP und Grünen abgelehnt, und ich frage mich schon, wie wir evidenzbasierte Politik machen wollen, wenn die Teilnahme an einer Zeitverwendungsstudie abgelehnt wird.


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Sie wollen keine validen Zahlen zum Gendercaregap, es reichen Ihnen veraltete Daten oder Vermutungen, und Sie wollen eben auch ohne zusätzliche Verwaltungslasten auskommen. Also: Frauen dürfen nichts kosten, das ist die Zusammenfassung.

Ich bitte Sie da schon, Ihre Haltung zu überdenken. Lassen Sie uns aktuelle Daten erheben, damit wir wissen, wie viel unbezahlte Arbeit Frauen jetzt leisten, und damit unbezahlte Arbeit nicht nur sichtbar, sondern auch honoriert wird! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Smodics-Neumann. – Bitte. (Abg. Kickl: Jetzt bin ich gespannt! – Abg. Loacker – in Richtung Bundesministerin Raab –: Frau Minister, sagen Sie irgendwas oder schauen Sie nur zu? – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


21.01.13

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseher! Ich darf die Diskussion wieder zu den beiden Tages­ordnungspunkten zurückbringen und darf Sie einladen, mit mir ein Experiment zu machen und ein bisschen eine andere Sicht der Dinge zu erfahren.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass eine Gleichstellung dann funktioniert, wenn wir uns alle in unserer Unterschiedlichkeit so akzeptieren, wie wir sind – egal welchen Geschlechtes wir sind. Das würde ich gerne einmal vorausschicken, denn das ist wichtig für dieses Experiment. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sind uns alle einig, dass die Kinder, wenn sie in die Schule kommen, nach ihren Stärken und Schwächen, nach ihren Talenten gefördert werden sollen. Da machen wir keine Unterschiede, sondern wir wollen sie fördern, damit sie den richtigen Beruf finden, für den sie mit Leidenschaft brennen. Irgendwann kommt dann die Berufswahl, und dann heißt es auf einmal: Na ja, auch wenn du jetzt mit Leidenschaft Verkäuferin bist, Verkäuferin ist aber kein wertvoller Job!, oder vielleicht: Schneiderin – so wie ich es bin – ist kein wertvoller Job!

Ich habe heute den Begriff der atypischen Arbeitsverhältnisse gehört. Also mit Verlaub, was ist ein atypisches Arbeitsverhältnis? – Dezidiert aufgezählt: In atypischen Arbeits­ver­hältnissen sind Teilzeitbeschäftigte, Einpersonenunternehmer, freie Dienstnehmer. Also bei aller Wertschätzung: Das lasse ich mir jetzt eigentlich nicht sagen. Ich habe als Einpersonenunternehmen in einem typischen Frauenberuf begonnen, bin das dritte Kind in einer Familie mit konservativer Rollenaufteilung, Baujahr 1970. Glauben Sie mir: Bei uns hat es wirklich die klassische Rollenverteilung gegeben. Trotzdem habe ich einen anderen Weg gewählt – einen selbstbestimmten –, und ich bin unglaublich gerne in einem klassischen Frauenberuf.

Nehmen wir doch also alle so, wie sie sind, und lassen wir ihnen auch die Leidenschaft, auch wenn es ein Beruf ist, den der eine oder andere nicht als wertvoll empfindet! Da meine ich: Werten wir nicht, sondern akzeptieren wir einander so, wie wir sind, damit wir eine Gleichstellung erhalten! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zwei ganz wichtige Instrumente dazu – inhaltlich schon von meinen Vorrednerinnen sehr gut ausgeführt –: die geschlechtsspezifischen Auswirkungen zu ermitteln und auch die Forcierung der Gendermedizin. All das werden Informationen sein, die uns dabei weiter­helfen, wie wir in Zukunft Arbeitsverhältnisse, wie wir in Zukunft Arbeitswelten ge­stalten können. Da können auch ganz, ganz wichtige Dinge und neue Dinge entstehen, die einer Gleichstellung ganz, ganz besonders entgegenkommen werden.


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Deswegen lade ich Sie ein: Bewerten Sie nicht die Unterschiedlichkeit der Geschlechter, nehmen Sie sie zur Kenntnis, dann sind wir bei der Gleichstellung einen ganz be­deutenden Schritt weiter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher – ein Feuerwerk! – Bitte.


21.04.51

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Kollegin, ich muss mich entschuldigen: Ihre Rede war mir jetzt deutlich zu philosophisch. Ich habe dem nicht ganz folgen können, was Sie jetzt mitteilen wollten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Werten Sie nicht, bewerten Sie nicht? Was ist atypisch beschäftigt und was nicht? – Machen wir es ganz einfach: Ich weiß, in der Coronazeit war es nicht so leicht, diese persönlichen Gespräche zu haben, aber - - (Abg. Hörl: Jeder muss seine Grenzen kennen!) – Danke, Kollege Hörl, für diesen produktiven Beitrag zu den Grenzen.

Was heißt: Werten wir nicht und bewerten wir nicht? Wir alle haben während dieser Zeit, in dieser Coronakrise weniger persönliche Kontakte gehabt, weniger Menschen persön­lich kennengelernt. In dieser Zeit aber, in der wir doch Rückmeldungen bekommen haben, egal ob es per E-Mail, telefonisch, beim Einkaufen im Supermarkt oder bei persönlichen Gesprächen war, hat es Menschen gegeben, die in ganz schwierigen Zeiten für uns da waren, und ganz viele dieser Menschen waren in klassischen, typi­schen Frauenberufen, hinsichtlich derer wir jetzt nicht werten sollen, etwa jene, die im Supermarkt gestanden sind. Das sind doch Eindrücke und Bilder von Menschen, die wir alle haben – etwa wenn wir daran denken, wie wir in den ersten Tagen in den Supermarkt gegangen sind, wo alle Angst gehabt und sich gefragt haben: Habe ich eine Maske auf, ja oder nein? Ist die Maske vorhanden oder nicht? – Da waren Frauen, die in schwie­rigsten Situationen für uns alle da waren: im Pflegebereich, in den Gesund­heitsberufen. Das alles waren Menschen, die für uns da waren.

Der Punkt ist eben: Bei alldem, was wir politisch miteinander gestalten, geht es um Schicksale von Menschen. Da geht es eben um die Mutter, die daheimsitzt, die selber vielleicht den Job verloren hat, und der Tochter, mit der sie Hausaufgaben macht, Zuversicht geben muss, Mut machen möchte, für sie da sein möchte und selbst nicht weiß, wie es weitergeht.

Frau Ministerin, das ist mein größter Kritikpunkt, bei allen unterschiedlichen Positionen: In dieser Zeit der Krise habe ich von Ihnen als Frauenministerin nie gehört, dass Sie irgendwann einmal aufgestanden wären und genau für diese Menschen Partei ergriffen hätten (Beifall bei der SPÖ), dass Sie gesagt hätten: Schöne Worte, irgendwelche Kalendersprüche allein – das kann es doch nicht sein!

Ich meine, Sebastian Kurz hat sich im letzten Budget seine Repräsentationsausgaben vervierfacht. Der hat viermal so viel Geld zum Verjubeln, das war wichtig für Sebastian Kurz. (Abg. Schellhorn: Dafür ist er immer Holzklasse geflogen!) Dann stehen Sie als Frauenministerin da, verteidigen es und sagen: Das ist eh super, Sebastian, hast halt 2 Millionen Euro zur Verfügung, werde glücklich damit! – Und gleichzeitig heißt es für arbeitslose Menschen, für Frauen, die ihren Job verloren haben: Na ja, einmal 450 Euro werden wohl reichen!

Wissen Sie, was ich meine? Es wäre doch Ihr Job, zu sagen: Da gibt es Frauen, die jetzt nicht wissen, wie es weitergeht. Kämpfen wir dafür, dass die einen Job bekommen! Kämpfen wir dafür, dass es – Wertung hin, Wertung her – eine gute, faire Bezahlung gibt! Man könnte als Lehre aus der Krise auch sagen: Wir wollen, dass alle Menschen, die Vollzeit in Österreich arbeiten, auch gut davon leben können! Da gibt es doch jede


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Menge Ableitungen. All diese Fragen aber, die wir miteinander diskutieren, haben wir von der Frauenministerin nie gehört. Sie haben sich da nicht zu Wort gemeldet.

Das wäre die Einladung, dass Sie die Rolle als Frauenministerin wirklich auch intensiver wahrnehmen, offensiver wahrnehmen. Ich weiß, dass das in der ÖVP schwer ist, ich weiß, dass das im Rahmen der Messagecontrol nicht erlaubt wird, aber dieser Mut, dieser erste Schritt beginnt ja in der eigenen Partei. Die Tiroler Kollegen in der ÖVP können davon ja einiges berichten. Es wäre also wichtig, dass Sie sozusagen auch in den eigenen Reihen einmal aufstehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

21.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Großbauer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


21.08.05

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Bevor ich zu meinem Redebeitrag komme, möchte ich nur ganz kurz festhalten: Wir haben mit unserer Frauenministerin Susanne Raab eine Ministerin, die sich jederzeit, immer, in jeder Situation gegen Sexismus äußert. Das möchte ich festhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstätter: Heute auch? – Abg. Loacker: Jetzt gerade? – Abg. Kickl: Das war jetzt eine Steilvorlage!)

Betreffend Aktionsplan Frauengesundheit, zu dem ich gerne sprechen möchte, muss man sagen: Es ist ein zentrales Steuerungselement in puncto Gleichstellungs­maßnah­men im Gesundheitsbereich. Die Wirkung und die Möglichkeiten sollen natürlich weiter verstärkt werden, damit die Situation für Frauen – vor allem die gesundheitliche Situation von Frauen – in allen Lebensbereichen weiter verbessert wird, maßgeblich verbessert wird. Das hat ja auch die Bundesregierung im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 ganz klar unterstützt.

Zur Erinnerung: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen. In Österreich leben über 4,4 Millionen Frauen, über 51 Prozent der Menschen in Österreich sind also Frauen. Die Gesundheitsrisiken und das Gesundheitsverhalten und auch die Krankheits­verläufe unterscheiden sich natürlich von jenen von Männern. Frauen leben zwar länger, sind aber nicht länger gesund und bei guter Gesundheit. Die gesundheitliche Chancen­gerechtigkeit ist natürlich für alle Menschen wichtig, aber Frauen sind schon vermehrt von sozioökonomischen Einflüssen auf die Gesundheit betroffen – zum Beispiel ist Armut da natürlich ein großes Thema. Gesundheit bis ins hohe Alter wünschen sich alle Menschen, aber natürlich sind auch die Ernährungsgewohnheiten, die Lebensmodelle bei Frauen unterschiedlich.

Frauen beobachten andere Symptome, sprechen anders darüber, verhalten sich anders, gehen eher zur ärztlichen Untersuchung und kümmern sich eher um die Gesundheit der gesamten Familie.

Die Ausbildung unserer Ärztinnen und Ärzte ist besonders wichtig, um optimal sicher­zustellen, dass schon bei der Diagnose, bei Symptomen besser auf Frauen eingegangen werden kann. Auf Bundesebene wurde mit dem Aktionsplan Frauengesundheit ein in Europa einmaliges Projekt geschaffen, das die Gesundheit von Frauen in den Mittelpunkt rückt. Es ist ein sehr gut durchdachtes Modell, es enthält 17 Wirkungsziele, über 40 Maßnahmen und es geht natürlich um die physische und um die psychische Gesundheit von Frauen in den verschiedenen Lebensphasen. Kooperiert wird natürlich mit dem Gesundheitsministerium. In allen Bundesländern gibt es eigene Stellen und es gibt natürlich auch einmal im Jahr einen Frauengesundheitsdialog und einen sehr regel­mäßigen Austausch.


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Um Diagnosen weiterhin oder besser erstellen zu können – den Unterschied zwischen Frauen und Männer einbeziehend – und in Zukunft geeignete Therapien entwickeln zu können, ist natürlich wieder einmal die Forschung, die es natürlich weiterhin zu unter­stützen und zu fördern gilt, ein ganz, ganz großes und wichtiges Thema. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

21.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? (Abg. Leichtfried: Zur Geschäftsord­nung!) – Herr Kollege Leichtfried zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

*****


21.11.48

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident, ich melde mich in Bezug auf die Geschäftsordnung. Diese eröffnet ja der Ministerin die Möglichkeit, wenn sie angesprochen wird und wenn Fragen an sie gerichtet werden, zu antworten. (Abg. Kopf: Dafür ist es zu spät! – Ruf bei der ÖVP: Das braucht sie nicht!) Sie kann so auf die Dinge eingehen, in deren Zusammenhang sie angesprochen wird. Herr Präsident, vielleicht könnten Sie der Frau Ministerin mitteilen, dass diese Möglichkeit durchaus gegeben ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Martin Graf: Das war jetzt ein frauen­feindlicher Untergriff! – Ruf bei der SPÖ: Sickerwitz!)

21.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sind noch weitere Wortmeldungen zur Geschäfts­behandlung gewünscht? – Keine weiteren Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung. (Abg. Krainer: Fragen Sie sie, ob sie nicht doch antworten will!) – Die Frau Minister hat das gehört, sie hat sich nicht zu Wort gemeldet. (Ruf bei der SPÖ: Man kann sich nur wundern!)

*****

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Gleichbehandlungsausschusses und fahre in der Erledigung der Tages­ordnung fort.

21.12.5219. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 582/A(E) der Abge­ord­neten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerpunktsetzung: Gewalt an Frauen und Mädchen (209 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 96/A(E) der Abge­ord­neten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortfüh­rung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt (210 d.B.)


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21. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 376/A(E) der Abge­ord­neten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend regel­mäßige Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich (211 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 bis 21 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


21.13.43

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, die nächste Gelegenheit, sich in Bezug auf den Themenschwerpunkt Gewalt an Frauen zu Wort zu melden, bieten die diesbezüglichen Anträge. 85 Frauen­morde seit 2018 sind die Spitze des Eisbergs betreffend Gewalt an Frauen. Es ist aber auch ein klarer Handlungsauftrag, hier endlich aktiv zu werden, Maßnahmen auf den Boden zu bringen und in die Realität umzusetzen.

Seit ich hier im Hohen Haus bin, nimmt, wenn wir frauenpolitische Themen diskutieren, der Themenschwerpunkt Gewalt an Frauen eine wichtige Position ein. Wir diskutieren Gewalt an Frauen bei jeder frauenpolitischen Diskussion. Das ist gut, das ist richtig und wichtig. Bei Ihren Redebeiträgen zu diesen Debatten, glaube ich, können wir feststellen, dass wir uns alle einig sind, dass wir Gewaltschutz und Gewaltprävention miteinander weiterbringen wollen. Wir entnehmen das zumindest Ihren Redebeiträgen und Ihren Bekenntnissen. Wie schaut es in der Realität aus? Wir diskutieren heute einen – in Oberösterreich sagt man – No-na-net-Antrag (Ruf bei der SPÖ: In Wien auch!) – in Wien auch, sehr gut, dann hat man mich verstanden – der ÖVP und der Grünen, mit dem die Ministerin ersucht wird, die politische Schwerpunktsetzung zu Gewalt an Frauen und Mädchen mit verstärkter Information und Kommunikation in der Öffentlichkeit fortzufüh­ren. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Sehr geehrte Damen und Herren, das ist doch die Jobdescription einer Frauenministerin und sollte eigentlich ihr alltäglicher Ar­beits­schwerpunkt sein! (Beifall bei der SPÖ.)

85 Frauenmorde zeigen, wir müssen – und wir wollen! – aktiv Maßnahmen setzen, diese endlich in die Realität umsetzen, um den Gewaltschutz und die Gewaltprävention voranzutreiben. Die notwendigen Maßnahmen liegen auf dem Tisch. Wir haben sie hier hierinnen schon mehrfach in unterschiedlichsten Konstellationen – zum Beispiel mit Expertinnen und Experten im Zuge der Debatte rund um das Frauenvolksbegehren – diskutiert. Die Maßnahmen sind bekannt. Wir bekennen uns alle miteinander zu diesen Maßnahmen. Sie liegen auf dem Tisch, nur fehlt es an der Realisierung und Umsetzung. Genau deswegen haben wir dazu Anträge eingebracht.

Einer behandelt die Hochrisikofallkonferenzen, die multiinstitutionellen Hochrisikofall­konfe­renzen, die von Innenminister Kickl abgeschafft worden sind. Wir haben leider vorvergangenes Wochenende, als ein Kärntner seine Frau und eine Freundin ermordet hat, drastisch vor Augen geführt bekommen, dass es dringend notwendig ist, diese Hochrisikofallkonferenzen sofort wieder einzuführen. Gegen diesen Gewalttäter hat es nämlich schon zwei Wegweisungen, also zweimal Betretungsverbot gegeben. Hoch­risikofallkonferenzen sind genau für solche Fälle da, um darüber zu diskutieren und Wiederholungstaten, wie eben bei diesen Gewalttätern, zu vermeiden und am besten konkret zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen mit unserem Antrag diese Hochrisikofallkonferenzen in der bewährten Form so rasch als möglich wieder einsetzen. Was aber machen ÖVP und Grüne mit diesem


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Antrag? – Sie lehnen diesen Antrag ab und bringen einen eigenen Antrag ein, in dem verlangt wird, ein Konzept für solche Konferenzen zu erstellen. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ein Hohn!) Ähnliches machen sie mit unserem Antrag betreffend Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt, den es, unter Frauenminis­terin Gabi Heinisch-Hosek, 2014 bis 2016 in Österreich gegeben hat und der sich bewährt hat. Jetzt könnte er fortgeführt und weiterentwickelt werden. Auch diesen Antrag haben Sie im Ausschuss abgelehnt, und dann haben Sie einen Antrag, der eine Evaluierung und Weiterführung vorsieht, eingebracht. (Abg. Heinisch-Hosek: Der nächste Hohn!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie Ihren Worten, Ihrem Bekenntnis endlich Taten folgen lassen wollen, dann stimmen Sie unseren Anträgen zu. Was Sie machen: bremsen, verzögern und blockieren. Das hilft keiner einzigen gewaltbetroffenen Frau in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich mich bei Kollegin Disoski ganz herzlich für die klaren Worte in Richtung ÖVP Tirol bedanken. „Widerwärtiges Luder“ ist widerwärtiger Sexismus und hat auf keiner politischen Ebene Platz! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Blödsinn! – Abg. Wöginger: Das sagt’s dem Dornauer auch einmal!) – Sehr geehrter Herr Wöginger, wir SPÖ-Frauen haben das – im Gegensatz zu den ÖVP-Frauen – Kollegen Dornauer ganz klar ausgerichtet. Das können Sie gerne nachlesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Aber er schwirrt noch überall herum! – Zwischenruf des Abg. Scherak. – Ruf bei der ÖVP: Das haben wir auch getan!)

Gewalt an Frauen beginnt bei Sexismus. Sexismus darf keinen Platz haben! Sehr geehrte Frau Ministerin, was mir abgegangen ist, ist, dass Sie hier ganz deutlich Partei für die Frauen ergriffen haben und konsequent auf der Seite der Frauen gestanden sind. Mit einer Entschuldigung, wie Sie das auf Twitter kommuniziert haben, kann das nicht abgetan werden. Da braucht es konkrete Konsequenzen! Diese Konsequenzen fordern wir, und deswegen haben wir heute auch einen Antrag betreffend „STOPP Sexismus!“ eingebracht. Wir werden ihn im Gleichbehandlungsausschuss diskutieren, da können wir gemeinsam Farbe bekennen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS.)

21.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.


21.19.51

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne noch kurz auf die Kritik der Kollegin Brandstötter hinsichtlich der Zeitverwen­dungs­studie eingehen, weil mir das wirklich wichtig ist. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja! Macht ihr’s? – Zwischenruf der Abg. Brandstötter.)

Die Zeitverwendungsstudie steht in unserem Regierungsprogramm und wird deshalb auch kommen. Es gibt aber eine sehr gute Begründung – und das möchte ich jetzt gerne ausführen dürfen –, warum sie jetzt im Moment nicht wirklich Sinn macht. Es ist nämlich so: Eurostat hat aufgrund der Coronakrise den Wunsch, dass die Länder Zeitver­wendungsstudien beauftragen, zurückgestellt. Wir wollen ja die europäischen Standards erfüllen, und das versteht wirklich jeder Mensch, der sich ein bisschen mit Statistik befasst, dass man, wenn man eine Zeitreihe hat, in der man immer wieder Untersuchun­gen zu einer bestimmten Themenstellung macht, nicht eine Krisenzeit hernehmen kann,


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weil man dieses Ergebnis dann ja nicht mehr mit den vorangegangenen Ergebnissen vergleichen kann, weil einfach die Gegebenheiten ganz andere sind.

Ich glaube, das kann wirklich jeder verstehen, und ich bitte Sie einfach um ein bisschen Geduld. Sobald sich die Lage hinsichtlich der Coronapandemie etwas entspannt hat, wird auch diese Zeitverwendungsstudie in Auftrag gegeben werden. Sie steht wie gesagt auch in unserem Regierungsprogramm. Ich hoffe, dass das jetzt ein für alle Mal geklärt ist (Abg. Heinisch-Hosek: Aber das werden wir wieder diskutieren!) und wir das nicht jedes Mal, bei jeder Sitzung wieder neu diskutieren müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wegen der besonderen Situation aufgrund der Coronakrise haben die beiden Ministerin­nen Raab und Zadić Ende März eine breite Informations- und Sensibilisierungsoffensive gegen häusliche Gewalt gestartet. Es gab ja wirklich Grund zur Besorgnis. Zahlen aus China und Italien – diese Länder mussten sich ja schon früher zu einem Lockdown entschließen – ließen befürchten, dass sich auch bei uns in Österreich die Zahl der Über­griffe auf Frauen im häuslichen Bereich, also im Privatbereich, erhöhen würde.

Aufgrund des Stresses, unter dem viele Paare und Familien durch den Lockdown, durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit, Homeschooling und so weiter standen, war ja auch zu erwarten, dass es vermehrt zu Gewalteskalationen kommen könnte. Die Informations­offensive, die Ende März gestartet wurde, hatte zum Ziel, Frauen bestmöglich auf ver­schiedenen Wegen über die diversen Hilfsangebote wie die Frauenhelpline oder Online­beratung zu informieren.

Jeder betroffenen Frau sollte schnellstmöglich geholfen werden, keine sollte sich allein­gelassen fühlen. Auch Justiz und Polizei wurden miteinbezogen, und Vorkehrungen wurden dafür getroffen, dass gegebenenfalls auch unter Quarantäne stehenden Frauen geholfen werden könnte. Zum Beispiel wurde auch das Einbringen eines Antrages auf einstweilige Verfügung bei Gericht auf elektronischem Wege ermöglicht. Die Opfer­schutz­einrichtungen konnten das im Namen von Betroffenen erledigen.

All diese Maßnahmen waren wichtig und richtig, und man kann an den aktuellen Zahlen der Zugriffe ablesen, dass sie auch erfolgreich waren – obwohl man ja bei Gewalt an Frauen nicht von Erfolg sprechen kann, wenn es viele Meldungen gibt.

Ich möchte Ihnen dazu noch zwei Zahlen nennen, damit Sie sich vorstellen können, in welchem Bereich wir uns da befinden: Vom 19.3. bis zum 9.6. gab es um 43 Prozent mehr Anrufe bei der Helpline, und der Helpchat wurde in dieser Zeit von ungefähr 400 Personen genutzt.

Der Lockdown ist mittlerweile beendet und wir kehren auch Schritt für Schritt zur Nor­malität zurück. Die Zahlen sprechen allerdings eine derart deutliche Sprache, dass wir mit unserem Antrag die zuständigen Ministerinnen auffordern wollen, die regelmäßige und verstärkte Information und Öffentlichkeitsarbeit intensiv fortzuführen. Wir sind davon überzeugt, dass damit weiterhin wichtige Präventionsarbeit geleistet werden kann.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, damit setzen wir einen weiteren Schritt in Richtung Stärkung des Gewaltschutzes in Österreich. Nach der Erhöhung des Frauen­budgets, das ja fast vollständig für Gewaltschutz und Frauen- und Mädchenberatung eingesetzt wird, folgt nun eben die Fortsetzung dieser so wichtigen Informations­kam­pagne. Deswegen verstehe ich auch nicht, geschätzte Kolleginnen von der SPÖ, warum Sie in einer Tour trommeln, wir würden nichts tun, die Frau Ministerin würde nichts tun. Wir haben in den letzten Monaten sehr viele Akzente gesetzt, und ich denke, das sollten Sie auch einmal anerkennen und unterstützend zur Kenntnis nehmen.

Es gibt in diesem Zusammenhang noch zwei weitere Anträge, einen zur Weiterent­wicklung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt und einen zu


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den sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Dazu werden aber meine KollegInnen noch sprechen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Mühlberghuber ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


21.25.15

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Werte Damen und Herren! Wir diskutieren das Thema Gewalt an Frauen, und dazu möchte ich eingangs festhalten, dass wir jede Art von Gewalt ablehnen, ob das körperliche Gewalt ist, ob das sexuelle Gewalt ist oder ob das psychische Gewalt an Frauen, an Kindern oder an Männern ist.

Das Thema Gewalt, insbesondere häusliche Gewalt, stellt in der Gesellschaft eine große Herausforderung dar; Präventionsarbeit ist wichtig, Opferschutz ist wichtig, aber auch opferschutzorientierte Täterarbeit ist wichtig. Was brauchen wir? – Wir brauchen entsprechende politische Rahmenbedingungen, damit Frauen dieser Gewaltspirale entkommen beziehungsweise überhaupt nicht in diese Gewaltsituation kommen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Faktum ist, dass wir ohne die Migrationskrise vom Sommer 2015 nicht diese Form von Gewalt gegen Frauen hätten (Beifall bei der FPÖ), denn diese Migrationsströme haben auch Wertehaltungen wie etwa radikalen Islamismus zu uns importiert. (Abg. Yildirim: Ablenkungsmanöver!) Damit verbunden ist auch ein Frauenbild, das von uns ganz klar abgelehnt wird, denn es ist damit eine völlige Entwertung der Frau verbunden – der Mann verfügt über die Frau –, und so kommt es auch zu extremen und schweren Gewaltverbrechen.

Ich möchte zu zwei Beispielen, zu zwei Fällen kommen: Vor einigen Wochen wurde in Niederösterreich ein tatverdächtiger Afghane wegen eines Vergewaltigungsversuchs an einer 55-jährigen Frau auf freien Fuß gesetzt, statt in Haft genommen zu werden. Oder ein zweiter Fall: Einer Frau, die 2015, damals 71-jährig, in Traiskirchen von zwei Asylwerbern brutalst vergewaltigt worden war, verweigert das Sozialministerium Schmer­zensgeld gemäß dem Verbrechensopfergesetz. Grund der Verweigerung soll sein, dass es keine schwere Körperverletzung gewesen sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesminister! Wenn das wirklich so ist und eine Vergewaltigung keine schwere Körperverletzung ist, dann müssen wir uns hier einmal eine Gesetzesänderung überlegen, diese einbringen und auch umsetzen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es ist auch höchst an der Zeit, das Problem bei Verbrechen und Gewalt an Frauen einfach an den Wurzeln zu packen. Eines muss jetzt auch einmal gesagt werden, und da schaue ich ganz bewusst zu den Grünen: Geht es um Rassismus, geht es um Diskriminierung in eine Richtung, dann sind Sie laut. Geht es aber um Vergewaltigung von Österreicherinnen (Abg. Deimek: Und Kindern!) durch Asylwerber, dann sind Sie leise. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

21.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.


21.29.05

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kollegin von der FPÖ! Auch wenn Sie es hier noch so oft sagen und litaneiartig wiederholen: Blödsinn wird nicht wahrer, umso öfter man ihn hier hervortut.


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Nein, Gewalt gegen Frauen kennt keine geografischen Grenzen, keine Herkunft, keine Nationalität, keine soziale Zugehörigkeit! (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Zanger. – Abg. Ries: ... Minister Anschober!) Männer verletzen und töten Frauen. Das ist so, und das ist nicht auf eine Nationalität zurückzuführen. Ich bitte Sie, wirklich endlich damit aufzuhören, das zu sagen. Das ist wirklich ungut! (Abg. Deimek: Warum zahlt er dann nicht?)

So, jetzt zum Thema: Zeitgleich mit dem Einsetzen der coronabedingten Ausgangsbe­schränkungen in Österreich haben internationale Berichte bestätigt, dass die Corona­krise mit einem Anstieg an körperlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen einhergeht. Auch in Österreich gab es dementsprechende Zahlen, die sich in einer Zunahme der Betretungs- und Annäherungsverbote ausgedrückt haben. Auch die Frauenhelpline – darauf wurde von Kollegin Pfurtscheller schon verwiesen – hat einen Anstieg bei den Anrufen nachweisen können. Umso wichtiger war es, dass die Ministerinnen Raab und Zadić sehr schnell eine Offensive gegen häusliche Gewalt vorgestellt haben.

Von wegen Worte und Papier seien geduldig: Wir erinnern uns schon noch alle daran, dass im Februar der Frauenhelpline gegen Gewalt das Aus drohte oder sehr massive Kürzungen im Raum standen. Was hat die Bundesregierung gemacht? Was hat die Frauenministerin gemacht? – Sie hat sehr schnell reagiert, sie hat finanziell und personell aufgestockt und so auch das Onlineberatungsangebot weiter ausgebaut. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zusätzlich hat sie noch etwas gemacht, was die Frauenhäuser und die Frauenhelpline seit Langem gefordert haben, nämlich eine sehr breite Informations- und Sensibilisie­rungskampagne zum Thema Gewalt gegen Frauen lanciert. – Danke dafür, das war sehr wichtig, Frau Ministerin, dass Sie da schnell reagiert haben!

Diese Schwerpunktsetzung im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen soll fort­gesetzt werden – das besagt der entsprechende Antrag, den Kollegin Pfurtscheller und ich hier gemeinsam eingebracht haben. Dass wir den Schwerpunkt auf Gewalt­schutz legen, ist in Österreich sehr wichtig, weil wir wissen: Wir sind europaweit Spitzen­reiter, wenn es um das Thema Gewalt gegen Frauen geht.

Kollegin Schatz hat schon darauf hingewiesen: Am 6. Juni sind in Kärnten zwei Frauen erschossen, ermordet worden. Aktuelle Medienberichte haben gesagt, dass der Täter zuvor bereits viermal von zu Hause weggewiesen worden ist – und genau da setzen auch die Maßnahmen an, die wir heute beschließen.

Die multiinstitutionellen Hochrisikofallkonferenzen sind schon genannt worden. Unter der türkis-blauen Regierung sind sie de facto abgeschafft worden, wir führen sie wieder ein. Das ist gut und das ist wichtig! Wichtig ist natürlich auch, dass diese Fallkonferenzen künftig auch von den Opferschutzorganisationen einberufen werden können. Das haben wir im Koalitionsübereinkommen so vereinbart und das steht so im Antragstext. Bitte, schauen Sie sich das an! Das ist mir auch als Frauensprecherin wichtig, dass wir diese Möglichkeit abgesichert haben.

Ich habe kaum mehr Redezeit, ich kann aber heute nicht hier stehen, ohne ein Wort zu Salzburg zu sagen, zur Neuausschreibung des Betriebs der Frauenhäuser durch die zuständige NEOS-Landesrätin Andrea Klambauer. Ich habe mich dazu in der Vergan­genheit schon sehr klar ablehnend positioniert und möchte das hier gerne noch einmal wiederholen: Ich halte diese Neuausschreibung durch die NEOS-Landesrätin Klambauer für einen sehr schweren Fehler. Mit dieser Neuausschreibung bedroht sie ein über Jahrzehnte gewachsenes, ein bestens etabliertes und gut funktionierendes Angebot von Gewaltschutz – ohne jede Not. Ich habe dafür kein Verständnis und schließe mit dem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 269

Satz: Neoliberaler Gewaltschutz ist kein Gewaltschutz! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

21.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Schwarz ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.32.49

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren, vor allem Frauen, die uns jetzt hoffentlich noch zuschauen! Ich möchte da einige Dinge klarstellen: Diese Frauen­ministerin, Susanne Raab, ist die erste Frauenministerin seit zehn Jahren, die es fertiggebracht hat, mehr Budget für Frauen und mehr Budget für den Gewaltschutz aufzubringen. – Dafür sage ich herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Fakt ist auch, dass sich Ministerin Raab anlässlich der Causa Tirol sofort geäußert hat und sofort ihren Standpunkt dargestellt hat, und er ist eindeutig: eindeutig gegen Sexismus, auch gegen Verbalinjurien. – Auch dafür sage ich herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir beide kommen aus unterschiedlichen Generationen. Ich bin die Generation vor ihr; und glauben Sie mir – ich bin jetzt 58 –: Ich habe in meiner langen Berufskarriere viel erlebt, verbale Verletzungen und auch andere, und ich bin ein Leben lang dafür ein­gestanden, dass Frauen das nicht mehr erleben müssen. Egal ob das Mentoringpro­gramme waren oder eine Taskforce der Frauen, ich stehe für starke Frauen, und diese Ministerin ist eine starke Frau. Sie genießt unser vollstes Vertrauen.

Ich bin überzeugt davon, dass sie gemeinsam mit allen in diesem Land, allen Frauen und Männern, die guten Willens sind, einiges zur Stärkung der Frauen weiterbringen wird. Selfempowerment ist dabei ein Standpunkt, die Gewaltschutzzentren sind ein extrem wichtiger Teil davon, und: Wehret den Anfängen, wenn es um Worte geht, ge­schweige denn um Taten!

Du hast unser vollstes Vertrauen, Frau Ministerin, wir stehen dir mit all unseren Mitteln zur Verfügung, als Frauen mit Hirn, Herz und Verstand. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Prammer.)

21.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.


21.34.50

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Kollegin Schwarz hat soeben behauptet, dass Frau Ministerin Raab die erste Ministerin wäre, die das Frauenbudget erhöht hat. – Das ist unrichtig. (Die Abgeordneten Pfurtscheller und Gabriela Schwarz: In den letzten Jahren!)

Ich stelle richtig, dass im Jahr 2006 Frau Bundesministerin Bures das Frauenbudget um 60 Prozent erhöht hat. (Heftiger Widerspruch bei der ÖVP.) – Lassen Sie mich ausreden! Weiters hat im Jahr 2016 Frau Ministerin Oberhauser das Frauenbudget um eine halbe Million Euro erhöht, was Sie dann wieder gekürzt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Raab. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Da schau her! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 270

21.35.32

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Präsident! Zuerst einmal möchte ich mich ganz herzlich für die sehr konstruktiven Gespräche im Gleichbehandlungsausschuss bedanken. Ich schätze die Zusammen­arbeit mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete.

Ja, ich weiß, dass wir noch viel Arbeit miteinander haben, was die Gleichstellung von Mann und Frau in Österreich betrifft, was den Kampf gegen Gewalt und auch den Kampf gegen Sexismus betrifft. Dazu habe ich mich in der Vergangenheit ganz klar geäußert und werde mich auch in Zukunft immer zu Wort melden. Die Frauenpolitik ist meine Leidenschaft und ich freue mich, mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, künftig zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte gerne zwei Themen aufgreifen, die im Gleichbehandlungsausschuss auch vielfach diskutiert wurden – zu Recht vielfach diskutiert wurden –, und ich möchte diese Themen, die uns in der Coronakrise, aber natürlich auch nachhaltig für die Zukunft umfassend beschäftigen werden, etwas näher ausführen.

Das erste Thema ist der Gewaltschutz von Frauen, das zweite Thema ist die Frauen­gesundheit.

Gewalt gegen Frauen – und ich glaube, es ist wirklich wichtig, dass wir uns das immer in unser Bewusstsein holen – ist ein universelles, gesellschaftliches Problem, das alle Frauen betrifft, egal welchen Alters, welcher Herkunft, welcher Religion oder welcher Hautfarbe; und Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen. Wir wissen alle – eine EU-weite Erhebung zeigt das –, dass jede fünfte Frau von physischer und/oder sexueller Gewalt betroffen ist.

Selbstverständlich geht es auch darum, dass wir bereits bei den Worten beginnen, dass wir bereits bei den seelischen Verletzungen und bei den verbalen Verletzungen be­ginnen. Das ist nicht nur in der Frauenpolitik mein Anliegen, sondern am Ende des Tages geht es darum: Wie wollen wir in einer Gesellschaft miteinander leben? Wie wollen wir in einer Gesellschaft miteinander sprechen und umgehen?

Vor allem aber während der Covid-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkun­gen war der Gewaltschutz – auch nach Meinung der Expertinnen und Experten – von Beginn an ein großes Thema. Durch die sozialen Einschränkungen und die Einschrän­kungen im Wohnraum waren natürlich viele Frauen in Gefahr, und Expertinnen und Experten haben davor gewarnt, dass Frauen womöglich glauben, sie könnten nicht mehr in ein Frauenhaus gehen, es gebe keine Beratungseinrichtungen mehr, es gebe wo­möglich keine Hilfe mehr, die sie aufsuchen könnten, weil durch die Ausgangsbeschrän­kungen solche Einrichtungen geschlossen wären.

Da wollten wir Frauen von Beginn an vermitteln, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Hilfe und Unterstützung bekommen. Deshalb haben wir frühzeitig eine umfassende Informationsoffensive gestartet. In einer Kooperation mit dem Handelsverband haben wir in den Supermärkten die Informationen ausgerollt und haben den Frauen vermittelt, dass die Frauenhäuser, in denen sie Hilfe und Unterstützung bekommen, offen sind, dass die 24-Stunden-Frauenhelpline für sie zur Verfügung steht, dass diese personell und finanziell aufgestockt wird und auch in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung steht. Man sieht an unseren Zahlen, dass diese Informationsoffensive sehr gut ange­nommen wurde und dass, so hoffen wir auch, viele Frauen präventiv Unterstützung in der Krise bekommen haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 271

Die Zahlen zeigen uns auch: Ja, es gibt – und gab es auch jetzt nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen – einen leichten Anstieg bei den Zahlen, was Betretungs­verbote und Wegweisungen betrifft. Wir haben im April und Mai erstmals mehr als 1 000 solcher Betretungs- und Annäherungsverbote. Das ist kein signifikanter Anstieg, aber doch eine leichte Tendenz, die wir ganz genau beobachten müssen.

Unser Informationsangebot wurde gut angenommen. Ich bin davon überzeugt, dass wir ganz viele Frauen erreicht haben. Wir haben bei den Anfragen bei der Frauenhelpline eine 43-prozentige Steigerung verzeichnet, und auch unser Onlinechat wurde gut ange­nommen, denn es gibt viele Frauen, die nicht anrufen können, weil sie eben nicht alleine zu Hause sind, und da ist das Schreiben oft ein besseres Mittel.

Eines möchte ich aber schon sagen, wenn ich über die Ausgangsbeschränkungen und die Coronakrise spreche: Ja, die Coronakrise war für viele Frauen und für viele Familien eine enorme Mehrfachbelastung – darauf möchte ich auch später noch eingehen –, aber sehr viele Familien haben diese Situation für sich und auch für ihre Kinder gut gemeistert und sind zueinandergestanden.

Zum Thema Gewalt möchte ich weiter ausführen, dass es erstmals seit 2010 eine reguläre Erhöhung des Frauenbudgets um 2 Millionen Euro gibt. Es ist auch mein Anliegen, dass wir den Gewaltschutz und den Opferschutz weiter stärken. Ich bin davon überzeugt – und so hat mir das auch beispielsweise die UNO-Sonderbeauftragte für Gewaltschutz bestätigt –, dass wir in Österreich ein gutes Netz an Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen haben, von denen Frauen und Mädchen in allen Lebenslagen beraten werden. Es war mir auch ein Anliegen, dieses System zu stärken. Dementsprechend habe ich allen Beratungseinrichtungen für Frauen und Mädchen eine 12-prozentige Erhöhung zukommen lassen, die bereits ausgeschüttet wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Des Weiteren habe ich erst vor wenigen Tagen einen sogenannten Fördercall im Volu­men von 1,25 Millionen Euro getätigt, wodurch Projekte zum Schutz von Frauen und Mädchen gefördert werden. Das ist nicht nur ein Outcome aus der Coronakrise, bei der wir gesehen haben, wie wichtig es ist, präventiv Gewaltschutz zu stärken. Für mich ist das Wichtigste, dass jede Frau selbstbestimmt ihr Leben leben kann. Die wichtigste Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben ist ein gewaltfreies Leben. Dementsprechend werden wir auch den Gewaltschutz mit einem neuen Förderaufruf mit dem Volumen von 1,25 Millionen Euro stärken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zusätzlich werden wir aus dem Integrationsbudget auch Geld für die Schnittstelle von Frauen und Integration und für den Kampf gegen kulturell bedingte Gewalt an Frauen und Mädchen zur Verfügung stellen. Dabei geht es mir auch um die Kinder: um Kinderehe, Zwangsehe, aber auch um weibliche Genitalverstümmelung. Auch für diese Schnittstelle und die Prävention gegen kulturell bedingte Gewalt werden wir weitere 2 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Natürlich ist mir darüber hinaus die Zusammenarbeit mit allen Parteien, aber auch mit den zuständigen LandesrätInnen und mit allen anderen Ministerien in diesem Bereich sehr wichtig. Gewalt und die Gewaltprävention sind ein gesamtgesellschaftliches Thema, es ist genauso wie die Frauenpolitik an sich eine Querschnittsmaterie, nicht nur eine Angelegenheit der Frauenministerin, sondern eine Angelegenheit aller Menschen in Österreich, aller Ministerien, aller Bundesländer, aller Ebenen. Ich bin wirklich froh und stolz darauf, dass ich als Frauenministerin auf ein Regierungsprogramm zurückgreifen darf, in dem sich die Gleichstellung von Mann und Frau in allen Themenbereichen wiederfindet, denn das ist gelebte Frauenpolitik. In allen Themenbereichen muss die Frauenperspektive mitgedacht und auch zentral mitbehandelt werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 272

Ein zweites Thema, das im Ausschuss eingehend behandelt wurde – worüber ich auch sehr froh bin, weil ich glaube, dass es wirklich ein Zukunftsthema ist –, ist die Frauen­gesundheit, die mir auch persönlich sehr am Herzen liegt. Bei der Frauengesundheit geht es ja nicht nur um Verhütung und Behandlung von Krankheiten, die nur Frauen betreffen können, wie beispielsweise Gebärmutterhalskrebs, oder auch die Betreuung im Falle von Schwangerschaften und Mutterschaft, sondern Frauengesundheit umfasst auch ganz zentral die Selbstbestimmung von Frauen in allen gesundheitlichen Belangen und natürlich auch genderspezifische Aspekte der Vorsorge und der Versorgung. Die Betroffenheit von Krankheiten, die Symptome, durch die sich Krankheiten äußern, die Verschreibungspraxis, die Wirkung und die Verträglichkeit von Medikamenten, all das hängt nämlich vielfach von biologischen, von sozialen und von kulturellen Faktoren ab, die sich natürlich bei Männern und Frauen unterscheiden.

Nicht zuletzt spielt ja auch das unterschiedliche Risiko- und Gesundheitsverhalten eine Rolle. Wir sehen auch, dass die Zahlen vieler Krankheiten, die vermeintlich immer Männerkrankheiten waren, wie Herz-Kreislauf-Krankheiten oder auch Lungenkrebs, bei Frauen im Steigen begriffen sind. Deshalb bin ich dankbar, dass ich mit Gesundheits­minister Rudolf Anschober diese Themen zentral weiter stärken und auch in die Zukunft bringen darf.

Lassen Sie mich abschließend betonen, dass die Coronakrise, wie ich schon gesagt habe, eine enorme Herausforderung für alle Menschen in unserem Land und insbe­sondere auch für viele Frauen in der Vereinbarkeit von Homeschooling, Homeoffice und Haushalt war. Ich denke, kein Dank ist genug, und ich möchte jede Gelegenheit nutzen, den Frauen auch als Frauenministerin meinen Dank dafür, was sie in der Krise geleistet haben, auszusprechen.

Mir ist auch völlig klar, dass wir nun beim Hochfahren des Landes in allen Lebens­bereichen die Frauenperspektive konsequent mitdenken müssen, denn Frauen stellen die Hälfte der Beschäftigten dar und machen mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Dementsprechend haben wir natürlich auch als Bundesregierung alle Maßnahmen im umfassenden Entlastungspaket auch mit einer Frauenperspektive geschaffen, nämlich die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommensbezieherinnen durch die Senkung der ersten Lohnsteuerstufe von 25 auf 20 Prozent für das Jahr 2020, bereits rückwirkend ab September. Für alle, die aufgrund ihrer geringeren Einkommen keine Lohnsteuer zahlen, wird es ebenfalls eine Entlastung durch eine Negativsteuer in der Höhe von 100 Euro geben. Und zur besonderen Unterstützung von Familien gibt es einen Kinder­bonus in der Höhe von 360 Euro pro Kind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man sich all das anhand von praktischen Beispielen durchrechnet, wird man sehr wohl sehen, wie viel Substanz dahintersteckt, und dann wird man sehen, dass eine Familie mit zwei Kindern durch diese Maßnahmen im Durchschnitt 1 000 Euro zusätzlich an Entlastung erfährt. Selbstverständlich profitieren von diesen Maßnahmen insbeson­dere Frauen, Mütter und Alleinerziehende.

Neben der Krisenhilfe wie der Coronakurzarbeit, dem Familienhärtefonds und auch der Sonderbetreuungszeit geht es uns jetzt also um die Entlastung. Dabei ist es meine Aufgabe als Frauenministerin, die ich sehr ernst nehme, dass wir die Frauenperspektive in all diesen Entlastungs- und weiteren Maßnahmenpaketen, die wir als Regierung verabschieden werden, mitbedenken.

Ich versichere Ihnen, dass meine Leidenschaft der Frauenpolitik in Österreich gilt, und ich freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.47



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 273

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yılmaz – immer eine Freude zu später Stunde! – Bitte. (Abg. Yılmaz – auf dem Weg zum Red­nerpult –: Herr Präsident, jedes Mal Hollywood geht nicht, und überhaupt lässt das dieses Thema ja überhaupt nicht zu! – Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek.)


21.47.33

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Pfurtscheller, Sie haben gesagt, wir sollen Geduld haben, das haben Sie in Ihrem Koalitionsabkommen stehen. – Wir haben keine Geduld mehr, denn: „Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen“. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist der Titel eines Films. Ich empfehle Ihnen, schauen Sie ihn an! So viel Geduld hat noch niemand aufgebracht.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Seien wir ehrlich: Es gibt doch in jeder Partei einen Geisler, einen Efgani Dönmez, einen Dornauer, einen Zanger. (Abg. Zanger: He! Ich? – Allgemeine Heiterkeit.) – Ich weiß eh! Wir brauchen uns also nicht in die Tasche zu lügen. Das heißt, es gibt ein strukturelles Problem.

Was bis jetzt in diesem Parlament immer geklappt hat, war eine gute Zusammenarbeit der Frauenpolitikerinnen und Frauenpolitiker – die gibt es wirklich. Das hat bis jetzt, bis vor Kurzem sehr gut geklappt. Deswegen waren wir ja auch Vorreiter in der EU, was Gewaltschutz von Frauen betrifft. Wir waren für viele, viele Länder ein Leitbild, weil wir so gut zusammengearbeitet haben. Das hat meistens geklappt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Etwas ist aber seit ein paar Jahren neu. Es kam Schwarz-Blau, Marac-Konferenzen wur­den abgeschafft, ein Gewaltschutzpaket, das übrigens von allen Institutionen zerrissen wurde, wurde beschlossen. Dann kam Schwarz- oder Türkis-Grün. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Es kam ein bisschen Hoffnung mit, aber leider ist die Hoffnung am Koalitionsaltar geopfert worden.

In der letzten Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses, werte Kolleginnen und Kollegen, haben die Regierungsparteien diesen gemeinsamen Weg für die Frauen verlassen. Um sich nicht die Blöße zu geben, gegen die Marac-Fallkonferenzen zu stimmen, haben die Grünen einen Abänderungsantrag eingebracht, dass man ein neues Konzept erarbeiten solle. Das klingt natürlich nett. Liebe Leute, liebe Frauen, liebe Freunde, warum soll man ein neues Konzept erarbeiten, wenn man schon ein Konzept hat, das erfolgreich funktioniert hat? – Das ist wirklich ein politisches Hickhack auf dem Rücken der Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen kein neues Konzept, wir brauchen auch keine Evaluierung des Nationalen Aktionsplans; der wurde nämlich schon evaluiert. Sie wollen also den Frauen Gewalt­schutz mit einer angezogenen Handbremse angedeihen lassen. – Das geht nicht. Da gibt es einen Kolbenreiber. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) So kommt niemand mehr weiter. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Meine Bitte an alle Fraktionen: Besinnen wir uns, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht, wieder auf jene Zeiten, als wir es gekonnt haben – bis auf ein paar Ausreißer oder Immer-wieder-Ausreißer von der FPÖ. Ich kann mich aber auch an sehr gute Gespräche mit Frau Schimanek erinnern. Ich erwarte mir, dass das auch jetzt der Fall ist und nicht, dass Sie die Oppositionsparteien so links, rechts – oder wie auch immer – mit einem Abänderungsantrag überholen wollen, der alles verwässert. Ich sage Ihnen, das hilft keiner einzigen Frau.

Heuer wurden bereits zehn Frauen umgebracht, neun davon von ihren engsten Mitmen­schen, um nicht zu sagen, von ihren liebenden Menschen. – Danke. Ich glaube, Sie sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 274

einverstanden, oder? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Bernhard und Loacker.)

21.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ribo. – Bitte.


21.52.23

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Viele wichtige Aspekte wurden bereits erwähnt, ich möchte einen weiteren Aspekt ansprechen. Als SeniorInnensprecherin möchte ich ganz kurz an den letzten Montag erinnern. Der letzte Montag – das war der 15. Juni – war der internationale Tag gegen Gewalt an älteren Menschen. Gewalt ist eine Menschenrechtsverletzung. Ältere Menschen und insbeson­dere Frauen sind diesem gesellschaftlichen Phänomen in besonderer Weise ausgesetzt. Menschen, die Pflegebedarf haben, leben oft in einem Abhängigkeitsverhältnis, und wie das bei Abhängigkeitsverhältnissen so ist, wird das leider oft sehr ausgenutzt.

In Sachen Gewalt und Misshandlung ist bei älteren Menschen auch das eigene Zuhause ein gefährlicher Ort, weil immer noch – das betone ich hier sehr gerne – zwei Drittel der zu pflegenden Menschen von ihren nahen Angehörigen zu Hause gepflegt werden. Wenn ich von Gewalt an älteren Menschen spreche, dann muss ich natürlich auch auf die Einrichtungen aufmerksam machen. Mit Einrichtungen meine ich die Pflegeheime, die Altersheime, aber auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Menschen, die dort leben, erfahren sehr oft Gewalt durch das Personal.

Das Thema Gewalt im Alter ist aber auch aus einer geschlechtersensiblen Sicht sehr wichtig, und zwar aus folgenden Gründen – einige wurden ja schon genannt –: Frauen werden häufiger Opfer von Gewalt als Männer. Das gleiche gilt für Frauen im Alter. Frauen werden älter als Männer. Das heißt, auf der einen Seite pflegen sie zum Teil ihren Partner oder Ehemann zu Hause, und sie selbst sind dann auf der anderen Seite diejenigen, die in externen Einrichtungen gepflegt werden, wo wiederum Gewalt pas­sieren kann. Auch gesellschaftspolitische Machtverhältnisse tragen dazu bei, dass Frauen benachteiligt sind – Stichwort: niedrige Pensionen.

Zu all dem kommt Corona hinzu und verschärft alles. Obwohl es noch zu wenige Daten und Zahlen gibt, gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass das bereits be­stehende hohe Ausmaß an häuslicher Gewalt in der Krise angestiegen ist und weiterhin ansteigen wird. Frauen waren und sind gerade in dieser Krise gezwungen, bei ihren gewalttätigen Partnern in Isolation zu bleiben. Das gilt auch für ältere Frauen, denn Alter bedeutet kein Ende der Partnergewalt, Gewalt kennt leider kein Alter.

Einen Punkt möchte ich hier noch erwähnen, und zwar: Ältere Menschen sind oft auch von verschiedenen Formen der Vernachlässigung betroffen. Ich spreche da zum Bei­spiel von körperlicher, seelischer und medizinischer Vernachlässigung. Das ist ebenfalls eine Form der Gewalt, die oft zu wenig sichtbar ist und somit kaum berücksichtigt wird. Deswegen danke ich für diesen Antrag, der ein guter Schritt in die richtige Richtung ist. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei der Frauensprecherin der ÖVP, Kollegin Pfurtscheller, und auch bei unserer Frauensprecherin Disoski sehr herzlich zu bedanken. Ich beneide euch um euer Engagement. Das ist bewundernswert. Macht weiter so! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 275

21.56.39

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen hier im Saal! Zehn Morde heuer – und wir reden wieder von mehr Gewaltprävention, von Opferschutz statt Täterschutz, von Wegweisung und davon, verstärkt Untersuchungs­haft zum Schutz der Opfers zu nützen. Für die Familien der Opfer ist es unerklärlich, weshalb zwei Betretungsverbote noch zu wenig sind, die Gefahr als nicht so hoch eingestuft wird und dann eine Familie dennoch die Mutter verliert oder eine Schwester, eine Tochter so zu Tode kommt.

Wir müssen die Öffentlichkeit noch viel mehr wachrütteln. Wir müssen noch viel mehr Bewusstsein schaffen. Bei meiner Anfrage betreffend Frauenhelpline fällt positiv auf, dass 2019 auch 12 Prozent Männer angerufen haben, heuer waren es bis Ende März schon 9 Prozent. Es sind Männer und Buben, die aus dem Umfeld von gewaltbetroffenen Frauen stammen und sich Sorgen machen. Nicht wegschauen, sondern hinschauen: in der Öffentlichkeit, in der Verwandtschaft, in der Bekanntschaft oder im Arbeitsumfeld, denn zwei Drittel der Frauen wenden sich bei Gewalt in der Beziehung nicht an die Frauenorganisationen und auch nicht an die Polizei.

Erst vor Kurzem wurde hier, Frau Minister, Ihr Budget beschlossen. Ihr Budget ist bereits verplant. Wie wollen Sie die zusätzlichen Maßnahmen rasch und zügig umsetzen, wenn Ihre Projekte schon stehen? Bei welchen Frauenprojekten werden Sie etwas weg­nehmen? Um Frauen, aber nicht nur Frauen, sondern alle Betroffenen, auch Männer – wenige, aber doch – und besonders Kinder endlich umfassend vor Gewalt zu schützen, braucht es tatsächlich eine intensivere Zusammenarbeit aller Ressorts.

Gewalt hat viele Gesichter. Sichtbar ist oft die körperliche, sexuelle Gewalt: blaue Flecken, gebrochene Knochen, Zurückzucken bei Berührungen. Daneben gibt es aber die psychische Gewalt, subtil und gemein. Diese Gewalt ist spurenlos, nicht sichtbar, hinterlässt traumatische Verletzungen. Diese Gewalt schränkt das Handeln der Opfer gewaltig ein: Angst, ohne dass ein Gegenüber da ist.

Ein absolutes Tabuthema ist Gewalt gegen ältere, beeinträchtigte Menschen oder auch gegen Pflegepersonal. Es muss schon auch klar aufgezeigt werden, dass es traditions­bedingte Gewalt im Kontext mit Migration gibt. Oder wollen Sie, Frau Disoski, sagen, dass Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Morde im Namen der Ehre ihre Wurzeln in Öster­reich haben oder vielleicht sogar noch österreichische Gepflogenheiten sind? – Mit Sicher­heit nicht! Das ist Gewalt durch Zuwanderung, aufgrund eines fatalen Frauen­bildes.

Minister müssen vernetzt arbeiten, zum Beispiel im Gesundheitsbereich, in der Inte­gration, aber auch im Justizbereich, gerade jetzt, da Besuchsregelungen und Schei­dungs­verfahren zum Großteil ausgesetzt waren. Das sind, genauso wie Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste, Brennpunkte, die oft Gewalt hervorrufen.

Nicht zustimmen werden wir dem Antrag auf regelmäßige Abhaltung von Hochrisiko­fallkonferenzen. Auch wenn Kollegin Schatz den Mordfall in Kärnten dafür als aktuellen Grund nimmt: Ich habe schon im Ausschuss ausgeführt, dass in Kärnten ganz aktuell die Vertreter der Landespolizeidirektion, der Beratungsstelle gegen Gewalt, des Frauen­hauses Klagenfurt und des Gewaltschutzzentrums Kärnten unisono erklärt haben, dass die derzeitige Regelung völlig ausreichend ist. In Notfällen muss schnell gehandelt werden, und die Einrichtungen arbeiten dort gut vernetzt zusammen. Es wurde auch klargemacht, dass eine regelmäßige Einberufung einer Hochrisikofallkonferenz unnötig und daher eher kontraproduktiv wäre. In Kärnten fand so eine Konferenz noch nie statt.

Wir verlassen uns dabei auf die Experten, die tagtäglich mit dem konfrontiert sind, worüber wir nur gescheit reden. (Beifall bei der FPÖ.)

22.01



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 276

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber, einer von den apostrophierten Frauenpolitikern. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Der Beste!)


22.01.21

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Da Klubobmannstellvertreter Leichtfried nicht im Saal ist: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie! Wir debattieren Berichte des Gleichbehandlungs­aus­schusses, und, ganz ehrlich, ich empfinde den Beitrag Ihres Klubobmann­stellver­treters zur Geschäftsbehandlung (Abg. Heinisch-Hosek: Warum?), mit der er die Frau Ministerin während laufender Diskussion über den Herrn Präsidenten zu einer Wortmel­dung auffordert, als wirklich deplatziert. (Abg. Heinisch-Hosek: ... war ja nichts Bös­artiges!) Das ist absolut deplatziert! Unsere Frau Ministerin ist eine starke Frau und Ministerin (Beifall bei der ÖVP), sie braucht keine Aufforderung des Herrn Klubobmann Leichtfried, sich zu Wort zu melden. Richten Sie ihm das bitte aus! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. Abg. Schellhorn: Möchtest du zu den Frauen auch was sagen? Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Mitgliedschaft im Gleichbehandlungsausschuss ist für mich eine meiner wichtigsten Ausschussmitgliedschaften. Immer wieder werden in die­sem Ausschuss Bereiche aufgezeigt, in denen Frauen diskriminiert oder substanziell benachteiligt sind oder werden. Das Bemühen um Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern ist – und davon gehe ich aus – uns allen ein erklärtes Ziel. Bedrückend ist es, wenn man, wie in der letzten Ausschusssitzung, sieht, wie sehr in unserer Gesellschaft vielleicht heute, ja womöglich in diesem Moment, Frauen unter Gewalt – unaussprechlicher Gewalt, die bis zur Ermordung geht, Gewalt im engsten Umfeld, die meist vom Partner oder Ex-Partner ausgeht – zu leiden haben.

34 Frauen, meine Damen und Herren, 34 Frauen wurden im vergangenen Jahr von ihrem Partner beziehungsweise Ex-Partner ermordet. Diese Zahl ist ob ihrer Unfass­barkeit zutiefst bedrückend. Auch in diesem Jahr wurden bereits acht Frauen Opfer eines Gewaltverbrechens. (Abg. Heinisch-Hosek: Leider zehn! Ganz aktuell!) – Dann sind es zehn. Jeder Mord, jede Gewalttat ist eine zu viel und wird von uns allen auf das Ent­schiedenste abgelehnt.

Die empörte Ablehnung allein wäre ganz sicher zu wenig, handeln ist angesagt. Ich bin daher von der Notwendigkeit überzeugt und auch dankbar dafür, dass bereits während der Coronakrise, während des Lockdowns 2 Millionen Euro für eine Sensibilisierungs­kampagne bereitgestellt wurden. Aus dem Innenministerium wurden weitere 2 Millionen Euro für die Bekämpfung von Gewalt an Frauen mobilisiert; in Summe also 4 Millionen Euro, die zusätzlich für den Kampf gegen Gewalt an Frauen zur Verfügung stehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Aus welchem Budget?)

Der §-27-Antrag unserer Kolleginnen Mag.a Meri Disoski und Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller zielt darauf ab, diesen Kampf gegen Gewalt an Frauen zu unterstützen und zu optimieren. In diesem Entschließungsantrag heißt es: „Die Bundesregierung, insbe­sondere die Bundesministerin für Frauen und Integration und der Bundesminister für Inneres werden dazu aufgefordert, ein Konzept zu den sicherheitspolizeilichen Fallkon­ferenzen zu erarbeiten.“ – Dabei ist eben wichtig, dass bei der Entwicklung des Settings ganz besonders die Opferschutzeinrichtungen mit eingebunden werden.

Meine Damen und Herren! Jede erhobene Hand, jeder Schlag ins Gesicht einer Frau, jede Gewalttat und jeder Mord an einer Frau, ist einer zu viel, ist entschieden abzu­lehnen. Wir werden in diesem Kampf gegen Gewalt an Frauen und zum Schutz aller


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 277

betroffenen Frauen nicht wieder nachgeben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Brandstötter ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


22.05.44

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Ich muss jetzt einmal ein paar Dinge sortieren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Erstens einmal betreffend Salzburg (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen): In Salzburg wurde über einen wirklich langen Zeitraum gegen Förderverträge verstoßen. Das haben nicht nur wir bemerkt, das hat schon die grüne Vorgängerin in der Landesregierung bemerkt, das hat schon die ehemalige SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller bemerkt. (Abg. Heinisch-Hosek: ... ins Rathaus verlegen ...!) Sie wurden von den BetreiberInnen immer unter Druck gesetzt: Wenn man etwas ändert, dann scheppertʼs! (Abg. Disoski: Das stimmt nicht!) Unsere Andrea Klambauer lässt sich davon nicht beirren und schreibt aus, sodass wir schlechten BetreiberInnen nicht gutes Geld nachwerfen und sodass wir vor allem nicht 1,2 Millionen Euro Förderung pro Jahr einfach freihändig vergeben.

Diese Ausschreibung wird begleitet von der Polizei, von Sozialarbeitern, vom Salzburger Gewaltschutzzentrum – das sind ja alles Profis, die wissen ja, was sie tun. Wir arbeiten einfach an einem moderneren, besseren und nachhaltigeren Gewaltschutz für Frauen und ihre Kinder – und dieses Dirty Campaigning lässt uns wirklich kalt. (Beifall bei den NEOS.)

Dann möchte ich noch etwas zu Kollegin Pfurtscheller und der Zeitverwendungsstudie sagen. Auf der einen Seite sagen Sie: Der Lockdown ist beendet (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), die Normalität kehrt zurück!, gleichzeitig wird aber die Teilnahme an der europäischen Zeitverwendungsstudie abgelehnt, denn – hey! –: Wir haben ja Corona! Sie merken schon selber, dass diese Argumentation nicht sehr schlüssig ist. Wir-haben-Corona ist das neue Der-Hund-hat-die-Hausaufgaben-gefressen. – Das ist schon ganz schön billig. (Beifall bei den NEOS.)

22.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Deckenbacher ist zu Wort ge­meldet. (Abg. Heinisch-Hosek – auf dem Weg zum Rednerpult –: ... zu spät!) – Ich habe es nicht am Radar, aber Sie kommen sofort dran, Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Jetzt ist Frau Abgeordnete Deckenbacher dran. – Bitte.


22.07.49

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Nachdem Herr S. seine Frau mit mehreren Messerstichen getötet hatte, trug er sie ins Bett, setzte sich neben sie, trank Schnaps und schrieb einen Brief an seine zwei Kinder. – Zitatende.

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Minister! Das ist ein Auszug aus einem Bericht einer Zeitung des letzten Jahres und ein Beispiel für – leider Gottes – viele andere Fälle mit tödlichem Ausgang für von Gewalt betroffene Frauen, die folgten.

Kein Ort ist für Frauen in Österreich gefährlicher als ihr eigenes Zuhause. 2017 suchten circa 19 000 Opfer familiärer Gewalt Hilfe in Schutzeinrichtungen, 83 Prozent davon waren Frauen und Mädchen, die in den allermeisten Fällen vor ihrem Partner oder einem anderen Mann in der Familie flüchteten. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, die häufigste Menschenrechtsverletzung gegen Frauen ist die Gewaltausübung durch einen nahestehenden Menschen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 278

Eine EU-weite Erhebung besagt, dass jede fünfte Frau, das sind 20 Prozent der Frauen, ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist, jede dritte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erfahren musste, und jede siebente Frau ab ihrem 15. Lebensjahr von Stalking betroffen ist. Ja, Gewalt hat viele Erscheinungsformen.

Nationale wie internationale Studien belegen nicht nur das enorme Ausmaß an häus­licher oder familiärer Gewalt, sondern auch deren weitreichende Folgen für die betrof­fenen Frauen selbst, für ihre Kinder, aber auch für die gesamte Gesellschaft und für uns alle.

Mit dem Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt setzt Österreich wichtige Forderungen des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt um.

Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm klar zu einer Ver­besserung des Gewaltschutzes. Der erste Schritt ist mit der Erhöhung des Frauen­budgets getan, und ja, Frau Kollegin Schatz, weitere werden und müssen folgen, das ist klar.

Neben der bestmöglichen Umsetzung der Istanbulkonvention und dem Ausbau des Opferschutzes und der Gewaltschutzzentren sowie auch der Interventionsstellen sieht dieser Aktionsplan auch Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Bildung und Sen­sibilisierung vor.

Ich möchte betonen, dass Österreich zu den ersten zehn Ländern gehörte, die die Istanbulkonvention 2011 ratifiziert haben. Deshalb ist die Fortsetzung des Nationalen Aktionsplans, Frau Heinisch-Hosek, selbstverständlich auch für uns wichtig. Nichts­destotrotz muss besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, wie realisierbar, wie nachhaltig die Maßnahmen sind.

An dieser Stelle möchte ich ganz klar sagen: Jeder einzelne Fall in Verbindung mit Gewalt an Frauen ist einer zu viel! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

22.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.11.37

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Kollegin Brandstötter hat zwei unrichtige Dinge behauptet. Zum Ersten hat sie behauptet, die damalige Landes­hauptfrau Gabi Burgstaller habe ein Frauenhaus schließen wollen. – Das ist unrichtig. Richtig ist vielmehr, dass es eine Standortfrage war und dass die Frage war, wie man eventuell ein Frauenhaus an einen anderen Standort verlegen kann.

Zum Zweiten hat sie behauptet, dass die Frauenhausbetreiberinnen schlecht gewirt­schaftet hätten und schlechte Frauenhausbetreiberinnen gewesen wären. Ich kenne die Leute dort. (Abg. Schellhorn: Das hat sie nicht gesagt!) – Sie hat gesagt, schlechte Betreiberinnen. (Abg. Schellhorn: Das hat sie auch nicht gesagt! – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich berichtige tatsächlich: Seit Jahrzehnten sind dort wunderbare Frauen am Werk und das sind gute Betreiberinnen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rosa Ecker.)

22.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Strache. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 279

22.12.32

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Um die Lasten der Coronakrise so gut wie möglich bewältigbar zu machen, müssen wir uns langsam, aber sicher neben den wirtschaftlichen Konsequenzen auch Gedanken über die psychologischen Konsequenzen des Lockdowns machen, Konsequenzen, welche vor allem die Zukunft und das Leben der Frauen in diesem Land besonders stark be­treffen werden.

Eine Studie der Donauuniversität Krems untersuchte eine für Österreich repräsentative Stichprobe von rund 1 000 Personen. Die Anzahl derer, die angaben, unter depressiven Verstimmungen zu leiden, war von 4 Prozent auf 20 Prozent gestiegen, die von Menschen mit Angstsymptomen von 5 Prozent auf 19 Prozent. Die Studienautoren vermuten zusätzlich eine hohe Dunkelziffer bei der Zunahme von depressiven Erkran­kungen. Die Leidtragenden sind aber nicht nur die psychisch Erkrankten selbst, sondern auch deren Angehörige.

Es sind eben vor allem Frauen, die disproportional davon betroffen sind, wenn der Partner in eine emotionale Krise stürzt. Die meist verbreiteten Tatmotive sind patriarcha­les Besitzdenken, Eifersucht, Kontrolle, Macht – alles Motive, welche besonders in Zeiten großer Unsicherheit, verbunden mit Existenzängsten, tendenziell eher zunehmen als abnehmen.

Es gibt auch bereits erste Anzeichen, die diese Vermutung bestätigen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es über 50 Prozent mehr an Betretungsverboten; Gewaltschutzein­richtungen in ganz Österreich berichten davon, längst an die Grenzen ihrer Kapazität gelangt zu sein. Der Antrag betreffend „Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ ist also nicht nur begrüßenswert, sondern leider auch dringend notwendig.

Neben Frauen sind aber auch Kinder ganz stark betroffen. Wie der Grevio-Schatten­bericht eindeutig festhält, ist die Zahl der Kinder in Frauenhäusern gleich hoch bezie­hungsweise oftmals höher als jene der Frauen. Frauenhäusern mangelt es aber an Personal, im Besonderen wenn es um die Kinderbetreuung geht. Es ist vor allem ein schmerzlicher Punkt, dass es nicht genügend Plätze für männliche Jugendliche über 14 Jahre gibt. In diesen Fällen müssen die Jungen mitunter weiterhin bei ihren gewalt­tätigen Vätern leben, wo sie tagtäglich erneut Gewalt ausgesetzt sind. Darüber hinaus gibt es immer noch keine ausreichende Anerkennung des psychischen Schadens, der Kindern durch das Miterleben von häuslicher Gewalt angetan wird.

Schutzmaßnahmen sollten geändert werden. Die Voraussetzungen für zivilrechtliche Schritte bei psychischen Gewalterfahrungen sollten adaptiert werden, um den Behörden das Ausüben ihrer Schutzfunktion zu erleichtern. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Tatsache, dass Betretungsverbote zum Schutz von Kindern vor Gewalt nur relativ selten erlassen werden, nährt den Verdacht, dass es auch da erhöhten Handlungsbedarf gibt. Schutz von Frauen und Kindern muss Hand in Hand gehen, nur so kann einer Familie ganzheitlich und vor allem rasch und unbürokratisch geholfen werden.

Wie der Schattenbericht weiters feststellt, erhalten Interventionsstellen und Gewalt­schutz­zentren Finanzierungen nur für die Unterstützung von Kindern, die direkt von Gewalt betroffen sind, nicht aber für Kinder, die Gewalt bloß miterleben müssen. So unterstützte im Jahr 2015 zum Beispiel die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie 474 betroffene Kinder, aber 5 733 Kinder, die Gewalt tagtäglich miterleben, konnten aufgrund fehlender Mittel nicht betreut werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 280

Diese Kinder und Jugendlichen müssen oftmals traumatisierende Erlebnisse ohne Unterstützung verarbeiten. Die Anträge bezüglich Hochrisikofallkonferenzen und Fort­führung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ sind also mehr als zeitgemäß. Es muss allerdings dringend Ergänzungen geben, gerade solche, die den Schutz der Kinder verbessern.

Nur so können wir nicht nur heute helfen, sondern auch sicherstellen, dass aus den potenziellen Opfern von heute nicht durch ein unbehandeltes Trauma vielleicht die Täter von morgen werden. Schaffen wir bitte einen Rahmen, der es betroffenen Frauen leichter macht, ihren mutigen Schritt in eine gewaltfreie Zukunft für sich und ihre Kinder zu gehen, einen Schritt, der wahrlich kein leichter ist, einen Schritt, bei dem wir alle hier die Betroffenen nicht alleine lassen dürfen – in einer Welt, die geprägt ist von Wut, Schmerz und Angst, in einer Welt, in der es einer Mutter oftmals nicht einmal möglich ist, sei es aus Gründen der psychischen oder physischen Gewalteinwirkung, ihr eigenes Kind zu beschützen!

Betroffene Frauen und Kinder haben verdammt noch einmal ein Recht darauf, dass wir hier im Parlament alles auf politischer Ebene Mögliche unternehmen, um ihnen diesen Schutz zu gewährleisten! – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünschen die Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir werden am Ende abstimmen, wie das bei den anderen Tagesordnungspunkten bereits der Fall war.

22.18.0722. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Ab­geordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 22.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte.


22.18.33

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Anlass zu diesem Tagesord­nungspunkt heute zu später Stunde ist ja ein abgelehnter Antrag von uns NEOS – er wurde bei der letzten Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses abgelehnt –, der umfassende Maßnahmen gegen Diskriminierung und gegen Gewalttaten gegenüber LGBTIQ-Personen fordert.

Dieser Antrag war aber nur einer von sechs Anträgen unseres Antragspakets, das wir im Gleichbehandlungsausschuss diskutiert haben. Die anderen fünf Anträge wurden nicht einmal abgelehnt, sondern wurden vertagt. Ich sage „nicht einmal“, denn für mich als neuen, jungen Abgeordneten hier im Parlament ist diese Praxis des Vertagens fast noch schlimmer.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 281

Man muss das allen, die nicht wissen, was das bedeutet, erklären: Die Vertagung eines Antrages bedeutet, dass man ihn in eine Schublade gibt, die Schublade zusperrt, den Schlüssel wegwirft und dieser Antrag nie wieder das Tageslicht erblicken wird. Das ist mit diesen anderen fünf Anträgen passiert, und das im Monat der Regenbogenparade – beziehungsweise der nicht stattfindenden Regenbogenparade, aber der Pride –, das ist schon ein starkes Stück.

Ich habe hier schon öfter gesagt, dass wir das insbesondere auch den Grünen vorwerfen. Unser Eindruck ist, dass sie der vermeintlichen Klimapolitik – da haben wir auch noch nicht so viele Ergebnisse gesehen – alles geopfert haben, dass ihr Grund- und Menschenrechte, der Einsatz für die LGBTIQ-Community, aber auch viele andere Punkte wie zum Beispiel betreffend Asylfragen geopfert wurden. (Abg. Schellhorn: Ungarn!)

Das haben wir schon oft gesagt und auch oft vorgehalten, aber ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, ein bisschen in den Fokus zu rücken, wer denn eigentlich der Schwarze Peter ist, wenn man so will.

Wir wissen alle, dass es die ÖVP ist, die nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten auf der Bremse steht, wenn es um gleiche Rechte für Lesben, Schwule, Transsexuelle oder intergeschlechtliche Menschen geht. Die neue ÖVP ist im Kopf nämlich eigentlich ganz alt. Bei mir hat es da irgendwie klick gemacht, als ich dieses Buch gelesen habe. (Der Redner hält ein Exemplar des Buches „Inside Türkis Die neuen Netzwerke der Macht“ von Klaus Knittelfelder in die Höhe.) – Das zu lesen, wie die ÖVP tickt, kann ich vielleicht nicht den Leuten in der neuen ÖVP, aber allen anderen empfehlen. Die, die mit der ÖVP verhandelt haben, haben das vielleicht auch am eigenen Leib gespürt, wie die ÖVP tickt – Inside Türkis. In diesem Buch des „Krone“-Journalisten Klaus Knittelfelder heißt es: „Wider alle Vorurteile ist das keine ideologiebefreite Buberl-Partie, sondern eine teils erzkonservative Truppe mit politischen Hardlinern“.

Wenn man diesen Satz so liest oder wenn man den so hört und sich dann auch die Handlungen anschaut, dann macht auch vieles Sinn. Angefangen an der Spitze bei Sebastian Kurz: Schon 2016, als er noch nicht Bundeskanzler war, hat er am Tag der Regenbogenparade, an dem Hunderttausende Menschen für gleiche Rechte demonstrieren, zeitgleich am Marsch für Jesus teilgenommen, also der Gegen­demons­tration zur Regenbogenparade, wo teils abstruse Aussagen getätigt werden. 2019, Awakening Europe – Sie erinnern sich vielleicht noch alle –: Ich glaube, es war in der Stadthalle, wo wir alle für Sebastian Kurz – Seite an Seite mit einem fundamen­talchristlichen und homophoben Prediger – gebetet haben. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Der Kabinettschef des Bundeskanzlers, Bernhard Bonelli, ist eng mit Opus Dei vernetzt – das ist auch offen – (Zwischenruf des Abg. Hörl), und auch hier im Parlament haben wir mit Kollegin Gudrun Kugler eine Vertreterin – das ist ja auch legitim, aber man muss es, glaube ich, aussprechen – des erzkonservativen Flügels.

Kollegin Kugler hat zum Beispiel 2015, also kurz bevor die Ehe für alle eingeführt wurde, in der Zeitschrift „Couleur“ gesagt – ich zitiere –: „Die Homoehe führt unweigerlich zu schrittweisen Erweiterungen wie Polygamie [...] oder eine Ehe [...] unter Geschwistern.“ (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der NEOS sowie Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das muss man sich einmal vor Augen führen, und dann versteht man vielleicht auch, warum hier so wenig möglich ist. Was zeigt uns das alles, was ich hier aufgezählt habe? – Die ÖVP ist in gesellschaftspolitischen Fragen viel, viel konservativer als die österreichische Bevölkerung und vor allem viel konservativer als es viele in Österreich glauben. Das ist der erste Punkt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 282

Der zweite Aspekt, und da wieder Richtung Grüne: Gaukeln Sie uns nicht vor, dass es mit dieser ÖVP, mit diesen Menschen, mit diesen Zitaten, die ich gerade genannt habe, möglich ist - - (Rufe bei der ÖVP: Hallo! – Abg. Lopatka: Was soll das?! Abg. Steinacker: Wir sind schon noch Menschen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Was ist daran jetzt - - (Ruf bei der ÖVP: ... wir Menschen sind!) – Sie sind doch Menschen? Ja, okay, gut.

Gaukeln Sie uns nicht vor, dass mit dieser Partei, dass mit diesen Politikerinnen und Politikern eine progressive Politik möglich ist! Sie haben bei den Verhandlungen – das ist legitim – eine Abwägung getroffen. Sie haben alles auf zumindest einen Verhand­lungserfolg beim Klima gesetzt und alles andere unter den Tisch fallen lassen. Also gaukeln Sie uns nicht vor, dass mit dieser Partei ein Fortschritt in LGBT-Fragen oder in Menschenrechtsfragen möglich ist! Wir nehmen zur Kenntnis – das habe ich auch schon gesagt –, dass Sie so der Community nicht mehr als verlässlicher Partner zur Seite stehen, aber bitte vernebeln Sie das nicht.

Und ja, unser Antragspaket wurde abgelehnt. Das wird ja heute auch kein großer Wurf mehr werden, aber das ist mein letzter Punkt. Was wir uns erwarten, ist schon, dass zumindest das Wenige, das im Regierungsprogramm festgeschrieben ist, umgesetzt wird. Im Regierungsprogramm ist ja festgelegt – das ist ja auch schon so ein Minimum –, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu intergeschlechtlichen Menschen, zum dritten Personenstandseintrag umgesetzt wird.

Deswegen bringe ich heute einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „3. Geschlechts­eintrag - VfGH-Erkenntnis endlich umsetzen!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu setzen, um das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes von Juli 2018 (G77/2017 zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013) vollumfänglich und umgehend umzusetzen. Davon umfasst ist die Aufhebung des Erlasses des ehemaligen Innenministers Herbert Kickl, der die Umsetzung des höchstgerichtlichen Urteils verhindert und die Diskriminierung intergeschlechtlicher Personen fortführt.“

*****

Setzen Sie Ihr Regierungsprogramm um! Dazu lade ich Sie herzlich ein. Danke. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Was sagt Opus Dei? – Abg. Loacker: Schwer zu erklären jetzt!)

22.24

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend 3. Geschlechtseintrag - VfGH-Erkenntnis endlich umsetzen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 283

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213d.B.)– TOP 22

Seit dem Erkenntnis des Bundes-Verfassungsgerichtshofes im Juli 2018 (G77/2017 zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013) ist es Personen in Österreich so wie auch schon in 19 anderen Ländern der Welt theoretisch möglich, im zentralen Personenstandsregister ZPR neben den Geschlechtskategorien "männlich" und "weiblich" eine dritte Geschlechtskategorie zu wählen. Obwohl verfassungsgerichtlich anerkannt, bleibt die dritte Geschlechts­kate­gorie faktisch jedoch eine Utopie. Schuld daran ist eine Weisung des ehem. Innen­ministers Herbert Kickl an die Standesämter im Dezember 2018. Daraus geht einerseits hervor, dass aufgrund der beschränkten Möglichkeiten der Ministeriumssoftware als dritte Geschlechtskategorie lediglich der Begriff "divers" anzuerkennen sei - eine unnötig enge Fassung des Ausdrucks des dritten Geschlechts, dem das Erkenntnis des VfGH deutlich mehr Spielraum einräumt. Andererseits soll die Zuerkennung der dritten Ge­schlechtskategorie ausschließlich "auf Basis eines einschlägigen medizinischen Gutach­tens" erfolgen und zwar durch eigens zusammengestellte "interdisziplinäre und multi­professionelle medizinische Expertengruppen" bzw. "Boards". Laut eines Artikels in der Tageszeitung Der Standard vom 23.12.20191 sind ebendiese Boards ein Jahr später immer noch nicht eingerichtet, womit für betroffene Personen eineinhalb Jahre nach dem verfassungsgerichtlichen Erkenntnis faktisch immer noch nicht die Möglichkeit besteht, die dritte Geschlechtskategorie auch tatsächlich eintragen zu lassen. Nicht nur werden solche verpflichtenden medizinischen Gutachten von LGBTIQ-Organisationen, wie der HOSI Salzburg, als "pathologisierend" und "potentiell traumatisierend" eingestuft und daher strengstens abgelehnt, sondern sie dienen offensichtlich durch ihren obliga­torischen Charakter bei gleichzeitiger Nichtkonstituierung der dafür notwendigen Boards auch dazu, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes schlicht zu umgehen. Dieser Schwebezustand ist für die Betroffenen untragbar, zumal die Sachlage schon längst verfassungsrechtlich geregelt wurde und kann daher nur als Schikane aufgefasst werden. Außerdem kommen zahlreiche Länder wie Norwegen, Portugal, Malta, Belgien, Dänemark und Irland hinsichtlich der dritten Geschlechtskategorie ganz ohne ab­schreckende verpflichtende medizinische Untersuchungen aus, sondern vertrauen auf die Selbsteinschätzung der betroffenen Personen.2 Außerdem entschied das ober­österreichische Landesverwaltungsgericht (LVwG-750727/5/MZ) in Bezug auf diesen Erlass, dass ein solcher "nicht dazu geeignet ist, Rechte und Pflichten für die Rechts­unterworfenen zu begründen, und dass das Verwaltungsgericht keiner Erlassbindung unterliegt".

1 https://www.derstandard.at/story/2000112574005/weisung-kickls-als-minister-blockiert-eintrag-des-dritten-geschlechts;

2 https://www.salzburg24.at/news/salzburg/drittes-geschlecht-hosi-kritik-am-verpflichtenden-arztattest-62674825;

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu setzen, um das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes von Juli 2018 (G77/2017 zu § 2 Abs. 2 Z 3 PStG 2013) vollumfänglich und umgehend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 284

umzusetzen. Davon umfasst ist die Aufhebung des Erlasses des ehemaligen Innen­ministers Herbert Kickl, der die Umsetzung des höchstgerichtlichen Urteils verhindert und die Diskriminierung intergeschlechtlicher Personen fortführt."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


22.24.39

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es geht heute bei diesem Tagesordnungspunkt ja auch um Diskriminierung allgemein und auch um die ganze Rassismusdebatte rund um Black Lives Matter, und ich möchte am Anfang auch einmal sagen, dass ich glaube, dass dieser Grundkonsens in diesen Fragen, der immer wieder strapaziert wird, vielleicht doch nicht so belastbar ist, wie wir manchmal glauben wollen.

Ich möchte ein Beispiel bringen, denn es wird ja immer so dargestellt, als wären Menschenrechte etwas Linkes und dass jemand, der links ist, diese automatisch intus hat und wir sowieso mit „diesen Menschen“ gemeint sind, wie ihr sagt.

Beispiel Wien: Dr. Karl Lueger, ein ehemaliger Bürgermeister von Wien, bewiesener­maßen ein Antisemit, nach dem ein Teil des Rings benannt war. Die Stadtregierung hat gesagt, das geht nicht, denn nach einem Antisemiten kann kein Teil des Rings benannt werden, daher wurde dieser in Universitätsring umbenannt. Dieselbe Stadtregierung lässt sich vor dem Karl-Marx-Hof ablichten, obwohl doch Karl Marx auch nach­gewie­senermaßen ein Antisemit und Rassist war. Gibt es da verschiedene Kategorien von Antisemiten? (Abg. Heinisch-Hosek: Das stimmt ja nicht! Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Entscheidet eine Partei, wer gute, wer schlechte sind (Zwischenruf des Abg. Shetty), oder sollten wir uns darauf besinnen, dass wir vielleicht alle diesen Grundkonsens haben und da auch konsistent sind, egal ob der jetzt der eigenen Partei irgendwie nähersteht oder nicht? Das, finde ich, ist Antirassismus, wie er wirklich gemeint ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den NEOS: Ich habe jetzt kein Buch mit, aber ich habe einmal gerüchteweise wahrgenommen (Abg. Matznetter: Das sind diese Dinge, wo man drin lesen kann!), dass NEOS eine konstruktive Oppositionspartei ist. Jetzt war ja Gleichbehandlungs­ausschuss (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), und da habe ich auch ganz klar zu diesen fünf Anträgen, die du erwähnt hast, Yannick, gesagt, in welchem Status wir uns da befinden, wie da die Verhandlungen sind und wo wir Fortschritte machen. Jetzt hast du dich dafür entschieden, du machst einen Tweet, in dem du sagst: Alle Anträge abgelehnt – was einfach unwahr ist. (Die Abgeordneten Schellhorn und Shetty: Vertagt!) Ich habe dich auch darauf hingewiesen, und du hast gemeint, du hast dich verschrieben, weil abgelehnt und vertagt ja sehr ähnliche Wörter sind. Geändert hast du es nicht (Abg. Shetty: Das stimmt ja nicht!), und das sind einfach so Dinge.

Gleiches, drittes Geschlecht, Personenstandsregister: Du bist dir nicht zu schade, dass du dich heute zu einer Pressekonferenz hinstellst, da eine Strafanzeige gegen den In­nenminister eingebracht wird. Wir – die Ministerin und auch ich – haben im Gleich­behandlungsausschuss ganz klar gesagt, dass wir gerade daran arbeiten und dass am 26. Mai Innenminister Karl Nehammer die Erarbeitung eines neuen Erlasses, der all diese Dinge berücksichtigt, in Auftrag gegeben hat. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


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Also ich frage mich halt schon manchmal: Ist da die Inszenierung einer Person im Pridemonat wichtiger oder geht es jetzt wirklich um sachliche Arbeit, mit der man den Menschen, von denen wir hier reden, auch etwas Gutes tut und die Probleme abarbeitet? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß nicht: Ich würde mich jetzt selbst als sachlichen Politiker bezeichnen. Ich glaube, so macht man nicht sachliche Politik. Ich bin da ehrlich gesagt auch ein bisschen enttäuscht, auch wenn ich dir glaube, dass du es ernst meinst. Die Art und Weise ist alles andere als konstruktiv, und ich würde mich freuen, wenn wir diese Themen, zu denen wir sagen, es sind Menschenrechte, bei denen wir uns alle einig sind – nicht nur links, alle sind wir uns einig, dass Menschenrechte wichtig sind –, wirklich konstruktiv abarbeiten und uns nicht gegenseitig irgendwo Dinge unterstellen und uns gegenseitig irgendetwas oder irgendeine Art von Menschlichkeit absprechen. Ich finde das nicht okay.

Seien wir uns doch dieser Verantwortung bewusst, die wir in diesem Haus haben! Arbeiten wir zusammen und beschwören wir nicht nur in Sonntagsreden Einigkeit, sondern vielleicht auch, wenn es um die konkrete politische Arbeit geht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Leichtfried: Kollegiale Zusammenarbeit heißt bei euch nur zustimmen!)

22.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


22.28.40

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Es geht in diesem Tagesordnungspunkt ausschließlich um LGBTIQ-Personen und um Anträge dazu. Wenn Sie die Rassismusdebatte um George Floyd und dessen Folter, wie er zu Tode kam, hereinholen, soll uns das auch recht sein. Ich wollte nur klarstellen: Thematisch würde es in den Menschenrechtsausschuss und nicht direkt zu dieser Debatte gehören. Wenn wir darüber reden, dann ist das auch in Ordnung.

Wir wollen heute darüber reden, wie man den Diskriminierungsschutz für schwule, les­bische, bisexuelle, transidente, intersexuelle und queere Personen ausweiten kann – nämlich nicht am Arbeitsplatz, in der Arbeitswelt, denn dort ist das alles geregelt, dort kann man dagegen vorgehen, wenn man diskriminiert wird. Wir wollen darüber reden, wie es ist, wenn man als schwules oder lesbisches Pärchen eine Wohnung mieten möchte und abgewiesen wird, wir wollen darüber reden, wie es ist, wenn ein schwules oder lesbisches Pärchen in einem Hotel einchecken möchte.

Jetzt muss ich den damaligen Vizekanzler Spindelegger zitieren, der hier an diesem Rednerpult/Rednerinnenpult einmal gesagt hat: Das können wir doch Familien – Mutter, Vater, Kinder – nicht zumuten, wenn ein schwules Pärchen daneben Urlaub macht. – Schämen Sie sich heute noch für diese Aussage! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Brandstötter.) Wir leben im 21. Jahrhundert! Er hat es leider wirklich gesagt, und das waren diese hanebüchenen Argumente: Unternehmerische Freiheit muss doch bedeuten, dass ich meine Wohnung vermiete, an wen ich will. – Entschuldigung! Da geht es um Menschenrechte, da geht es um Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeits­welt. Das würden wir gerne nach zehnjähriger Anlaufzeit einmal geklärt haben.

Es wäre heute ein guter Zeitpunkt, dass man die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Religion und Weltanschauung sowie des Alters außerhalb der Arbeitswelt mit aufnimmt. Ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht und Behinderung sind geklärt, aber nichts für diese so wunderbare Community, die natürlich nach wie vor auf dem Arbeitsplatz diskriminiert wird. Eine große europäische Studie hat wieder gezeigt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 286

dass mehr als ein Drittel der LGBTIQ-Personen nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in der Freizeit diskriminiert wird – wenn sie ein Lokal betreten wollen: wenn sich zwei Frauen im Prückel küssen, werden sie rausgeschmissen. (Abg. Zanger: Haben ja nix verloren ...!) All das war ja der Fall, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, es wäre höchst an der Zeit, das zu regeln. Ich mag auch küssen, wen ich will und wo ich will, und das sollen lesbische Pärchen erst recht können. Bitte lachen Sie nicht darüber, wenn Sie das lächerlich finden, haben Sie es nicht verstanden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Disoski.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „voller Diskriminierungsschutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle – ‚Levelling Up‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Integration sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesentwurf zur Beschluss­fassung vorzulegen, mit dem der Schutzgrund der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, inklusive Wohnraum, im Gleichbehandlungsgesetz und im Gesetz über die Gleichbehandlungs­kommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft verankert und damit der umfas­sende rechtliche Schutz vor Diskriminierung für Schwule, Lesben und Bisexuelle garantiert wird.“

*****

Nachdem es Sozialpartnereinigungen gegeben hat, nachdem es einen Ministerrats­beschluss gegeben hat, haben einmal die Bischofskonferenz und einmal der ÖVP-Klub Nein gesagt. Zweimal war das Levelling-up zwischen den damaligen Koalitionspartnern also schon quasi paktiert, und irgendwelche ganz konservativen Kräfte haben das verhindert. Geben Sie sich doch heute einen Ruck und kommen Sie im 21. Jahrhundert an! (Beifall bei der SPÖ.)

22.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

betreffend voller Diskriminierungsschutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle – „Levelling Up“.

eingebracht im Zuge der Debatte in der 36. Sitzung des Nationalrates am 17. Juni 2020 zu TOP 22 Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 287

Schwule, Lesben, Bisexuelle, Trans*- und intergeschlechtliche Personen sind auch in Österreich noch immer mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Zahlreiche Erhebun­gen zeigen, dass Diskriminierungserfahrungen bis heute für viele Angehörige der LGBTIQ-Community zum traurigen Alltag gehören. Die Aufgabe der Politik muss es daher sein, für alle Menschen in Österreich gleichen Schutz vor Ausgrenzung und Schlechterstellung zu garantieren. Dabei haben wir noch einen langen Weg vor uns.

Bis heute sind Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, inklusive dem Zugang zu Wohnraum, nicht verboten. Damit bleibt Österreich eines der letzten EU-Länder, das diese Form der Schlech­terstellung nicht gesetzlich untersagt. Während Schwule, Lesben und Bisexuelle also in der Arbeitswelt vor Diskriminierung geschützt sind, endet dieser Schutz in Lokalen, in Taxis, bei der Wohnungssuche und in jedem anderen Feld des Privatlebens. Durch das Gleichbehandlungsgesetz sind nämlich bisher im Privatbereich nur Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, einer Behinderung oder des Geschlechts ver­boten.

Dass es höchste Zeit ist, auch die sexuelle Orientierung als Schutzgrund in diese Reihe aufzunehmen bewies erst im Mai 2020 die bisher größte Erhebung zur Situation der LGBTIQ-Community durch die europäische Grundrechteagentur FRA. Dort zeigte sich, dass insgesamt 35 Prozent der befragten LGBTIQ-Personen in Österreich im letzten Jahr Diskriminierungen außerhalb der Arbeitswelt erleben mussten: 7 Prozent der Befragten wurden bei der Wohnungssuche diskriminiert, 21 Prozent in Bars oder Restau­rants, 10 Prozent in Geschäften. Auch von zahlreichen nationalen und internationalen Organisationen wird Österreich daher seit Jahren dazu aufgefordert, endlich einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung für die LGBTIQ-Community zu bieten.

Die Debatte über eine Ausweitung des Gleichbehandlungsgesetzes und der Rechte der Gleichbehandlungsanwaltschaft und -kommission sind in Österreich keine neuen Diskussionen: Vor genau zehn Jahren, im Juli 2010, wurde der erste Gesetzesentwurf für ein solches „Levelling Up“ ins Parlament eingebracht. Die Umsetzung des Schutzes aufgrund der sexuellen Orientierung im Privatbereich scheiterte aber seit damals, trotz Einigung der Sozialpartner und breiter Unterstützung aus der Gesellschaft, mehrmals. Das österreichische Warten auf eine etwaig dahingehende EU-Richtlinie scheint ange­sichts des fast überall garantierten Schutzes für Schwule, Lesben und Bisexuelle schlecht begründet.

Im Jahr 2021 wird unser Land das 50. Jubiläum der Entkriminalisierung von Homo­sexualität und damit einen Meilenstein in der Geschichte der Gleichstellung feiern. Es ist daher höchste Zeit, dass Österreich seinen schwulen, lesbischen und bisexuellen Bür­gerInnen auch endlich den grundlegenden Schutz garantiert, den sie verdienen!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Integration sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesentwurf zur Beschluss­fassung vorzulegen, mit dem der Schutzgrund der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, inklusive Wohnraum, im Gleichbehandlungsgesetz und im Gesetz über die Gleichbehand­lungs­kommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft verankert und damit der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 288

umfassende rechtliche Schutz vor Diskriminierung für Schwule, Lesben und Bisexuelle garantiert wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist hinreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


22.32.56

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Minister! Liebe Kollegen! Liebe Menschen, die trotz der fortgeschrittenen Tageszeit doch noch nicht abgeschaltet haben und noch bei uns sind! Jeder Fünfte berichtet von erfahrener Diskriminierung in Arbeit und Job, an zweiter Stelle wird der Bereich Wohnen genannt und bei beiden Bereichen sind besonders beeinträchtigte Menschen betroffen. 10 Prozent klagen über Diskriminierung im Gesundheitsbereich sowie über den Zugang zu diesen Leistungen. Diskriminierendes Verhalten ist unserer Gesellschaft nicht dien­lich, darüber sind wir mit Sicherheit alle einer Meinung. Es gilt, zu schauen, was präventiv dazu getan werden kann, damit keine Diskriminierung stattfindet, und in weiterer Folge, was zu tun ist, wenn es doch dazu kommt.

Es gibt auch viele Studien zur Diskriminierung: 28 Prozent aller Betroffenen zeigen auf, dass sie aufgrund mehrerer Merkmale diskriminiert worden sind. Besonders häufig sind dabei die Merkmale Herkunft und Religion, gemeinsam werden aber auch die Merkmale Geschlecht und Alter, körperliche Beeinträchtigung und Alter sowie Geschlecht und Familienstand und Kinder genannt; Familienstand und Kinder wird häufig in Kombination genannt. Belastend ist auch die zwischenmenschliche Diskriminierung durch Gerüchte, Tuscheln, unangenehme Anspielungen. Meine Damen und Herren hier im Saal, davor sind wir alle nicht gefeit – oder wer wollte heute alle freiheitlichen Abgeordneten zum Drogentest schicken?

Es gibt in Österreich festgeschriebene Diskriminierungsgründe: Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung, Behinderung, sexuelle Orientierung, Alter. Das Diskriminierungsverbot gilt für den Bereich Arbeitswelt; beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen besteht auch Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und Behinderung. Ganz ähnliche Regelungen gibt es in den Landesgesetzen.

Wir denken, dass unser Land auch bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts mit diesen Gesetzen ausreichend Schutz vor Diskriminierung bietet, es liegt aber an jedem Einzelnen. Es ist natürlich eine Frage des persönlichen Benehmens und auch des Verhaltens gegenüber anderen Menschen. (Beifall bei der FPÖ.)

22.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Dziedzic. – Bitte.


22.35.20

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wann Homosexualität in Österreich legalisiert worden ist. – Es ist nicht einmal 50 Jahre her: 1971. Und ja, tatsächlich fehlte in diesen knapp 50 Jahren der politische Wille, die rechtliche Ungleich­behandlung, die Diskriminierung abzuschaffen. Es waren allesamt Gerichtsurteile, die dazu führten, dass die Ehe für alle eingeführt worden ist und das Vereinsverbot für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 289

LGBT-Vereine gefallen ist. Bei der dritten Option gibt es jetzt ein VfGH-Urteil, und wir haben uns darauf geeinigt, dieses entsprechend umzusetzen.

Jede zehnte Person in Österreich gibt an, in den letzten fünf Jahren nur aufgrund der Geschlechtsidentität oder Orientierung von Gewalt betroffen gewesen zu sein. 45 Prozent trauen sich nicht oder haben schlicht Angst, zu sagen, dass sie homo- oder transsexuell sind. – Diese Zahlen sind schon erschreckend für ein westeuropäisches Land im Jahr 2020.

Wir befassen uns mit diesen Baustellen, die noch offen sind, wie ich finde, zu Recht auch immer wieder hier im Parlament, weil es notwendig ist, darauf aufmerksam zu machen, dass es diesen politischen Willen endlich braucht. Und ja, ich habe schon des Öfteren referiert, an welchen Baustellen wir arbeiten, worauf wir uns nicht einigen konnten, was nicht möglich war – Kollegin Heinisch-Hosek hat gesagt, Levelling-up war zweimal im Ministerrat. (Abg. Heinisch-Hosek – in Richtung ÖVP –: Da drüben, bitte!) Es war euch als Kanzlerpartei und uns als kleinerem Koalitionspartner nicht möglich, dass wir uns da einigen. Wir haben uns beispielsweise auf die Ausweitung des Schutzes vor Diskriminie­rung geeinigt, wir haben uns aber auch auf die Umsetzung des VfGH-Urteils geeinigt und so weiter und so fort. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Yılmaz.) Das heißt, vieles von dem, was bisher gar nicht möglich war, wird jetzt auch möglich gemacht.

Und ja, ich verhehle es überhaupt nicht: Es war ein Kampf, es war ein zähes Ringen und es ist ein zähes Ringen. Natürlich gibt es unterschiedliche Perspektiven, unterschied­liche Einschätzungen, aber ich denke, dass wir bei dem, worauf wir uns geeinigt haben, doch behaupten können, dass etwas weitergeht. Ich gebe dir, Yannick, recht, dass es mir persönlich zu wenig progressiv ist. (Beifall bei den Grünen.) Ich würde aber eines von uns – in dem Fall – weisen, nämlich dass Vertagungen immer nur ausschließlich dazu dienen, dass etwas in der Schublade landet. (Abg. Loacker: Ja, wozu denn?) – Nein, das ist nicht der Fall. Gerade in dem Bereich sind wir beim Ausverhandeln von diversesten Dingen, und vertagt wurde auch deshalb, weil wir im Hintergrund daran arbeiten, einen entsprechenden Antrag der Regierungsparteien einzubringen. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Danke.

Viele Anträge der Opposition – weil auch immer behauptet wird, dass wir das voll­kommen ignorieren und eben ablehnen oder vertagen – nehmen wir auch tatsächlich auf und bringen sie sogar in einer erweiterten Form wieder ein. Das ist zum Beispiel der Fall beim Antrag der Kollegin Rendi-Wagner, der im EU-Hauptausschuss in Bezug auf die USA gestellt worden ist und heute auch wieder vorliegt. Da geht es um das Bekenntnis der Bundesregierung gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA. Ich würde sagen: Na no na net!, allein der Außenminister selber hat die Polizeigewalt verurteilt. Wir haben natürlich nicht nur diese Dinge, die da drinnen stehen, gutgeheißen, sondern bringen heute einen eigenen Entschließungsantragsantrag ein, der weit­reichender ist und aus meiner Sicht auch viel mehr als der Antrag der SPÖ vorgibt.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktuelle Situation in den USA nach dem Tod von George Floyd“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 290

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird anlässlich der aktuellen Situation in den USA“ - - (Unruhe im Saal.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung, ich bitte um Aufmerksamkeit! In den letzten Minuten werden wir ja noch so viel Disziplin aufbringen können, dass wir der Rednerin zuhören. (Beifall bei den Grünen.)


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (fortsetzend): - - „nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd aufgefordert, sich weiterhin auf internationaler und europäischer Ebene für die Einhaltung und Stärkung der Grund- und Menschenrechte einzusetzen.

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Beziehungen wird zudem ersucht, sich weiterhin aktiv auf internationaler und europäischer Ebene, in den entsprechenden internationalen Gremien, gegen Rassis­mus, Verhetzung und Diskriminierung weltweit einzusetzen.

In diesem Zusammenhang wird der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, aufgefordert, Österreichs aktuelle Position im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen als Mitglied aktiv zu nützen, um eines der grundlegendsten menschenrechtlichen Prinzipien, nämlich der Gleichheit aller Menschen an Würde und Rechten Ausdruck zu verleihen, und entsprechende Initiativen zur Bekämpfung von Rassismus, Verhetzung und Diskriminierung weiterhin zu unterstützen.

Der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, wird“ schließlich auch „aufgefordert wie im Regierungsprogramm vorgesehen die Stärkung der Zivil­gesellschaft, von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Journalistinnen und Journalisten und demokratischen Kräften zu unterstützen.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für europäische und internationale Bezie­hun­gen dazu aufgefordert, die aktuellen Ereignisse auch auf bilateraler Ebene mit den USA entsprechend zu thematisieren.“

*****

In diesem Sinne: Ja, danke für die Anregungen, danke auch für die Oppositionsarbeit, die, wie ich finde, in diesem Parlament ganz, ganz wichtig ist; aber nein, es stimmt nicht, dass die zwei Regierungsparteien das schlicht ignorieren. Im Gegenteil, wir nehmen das auf, wir verhandeln das. Und ja, es ist nicht immer einfach, das stimmt – wir wissen, wo ÖVP und Grüne jeweils in den einzelnen Bereichen stehen. Manchmal erfordert das ein wenig Zeit – aber geben Sie uns diese Zeit! Ich bin mir sicher, es wird progressiver als in den letzten Jahrzehnten werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Scherak: Die klatscht, die progressive ÖVP!)

22.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic

Kolleginnen und Kollegen

betreffend aktuelle Situation in den USA nach dem Tod von George Floyd

eingebracht im Zuge der Debatte Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 291

Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213 d.B.) (TOP 22)

Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd war tragischer Auslöser von weltweiten Protestbewegungen unter dem Titel „Black Lives Matter“, die sich seit Jahren gegen Rassismus, Polizeigewalt, Diskriminierung von Afroamerikanerinnen und Afro­amerikanern und die Missachtung der Menschenrechte einsetzen. In unmittelbarer Reaktion hat sich nicht nur die politische Öffentlichkeit der USA klar zu rassistisch moti­vierten Vorkommnissen geäußert, diese aufs Schärfste verurteilt und die zugrund­liegen­den Probleme erneut thematisiert. Gegen die Hauptbeteiligten wurde in weiterer Folge wegen Mordes zweiten Grades, also wegen Mordes, der ursprünglich nicht voraus­ge­plant war, Anklage erhoben.

Der Diskurs in den USA, der durch die vielfältigen und weitestgehend friedlichen Proteste der Zivilgesellschaft eingesetzt hat, führte in weiterer Folge zu klaren Rufen nach tief­grei­fenden Systemreformen. Dabei werden Selbstverständnis, Praxis und Befugnisse der Polizei hinterfragt und klare Regelungen für den Polizeidienst und -einsätze gefordert. Zah­len, Daten und Statistiken im Zusammenhang von Todesfällen durch einen Schuss­waffen­gebrauch der Polizei in den USA weisen laut der mehrjährigeren Erhebung der US-amerikanischen Tageszeitung Washington Post etwa 1.000 Fälle pro Jahr auf. Gemäß diesen Zahlen ist der Anteil durch Schusswaffen getöteter männlicher Afroamerikaner bei Polizeieinsätzen doppelt so hoch wie ihr Anteil an der Gesamt­bevölkerung.

Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse, die durch einen weiteren Todesfall eines Afroamerikaners in Atlanta – Raychard Brooks wurde am 13. Juni 2020 bei einem Polizeieinsatz erschossen -  weiter an Bedeutung erlangt haben, unterstützen auch die unterzeichnenden Abgeordneten insbesondere in Momenten großer Polarisierung jene Stimmen der Zivilgesellschaft, die ihre Stimme gegen Rassismus und Polizeigewalt erheben und Gerechtigkeit und Rechtsschutz, die Wahrung demokratischer und rechts­staatlicher Grundwerte und die Einhaltung der Menschenrechte fordern. Medienberich­ten zufolge kam es in den letzten Tagen vermehrt zu Polizeiübergriffen auf friedliche Demonstrierende sowie Journalistinnen und Journalisten. Die Rücknahme des Schutzes von Trans-Personen vor Diskriminierung im Gesundheitswesen ist zudem eine weitere besorgniserregende Entwicklung.

Die USA und Europa sind eine Wertegemeinschaft, die auf Demokratie, Rechts­staat­lichkeit und der Achtung der Menschenrechte basiert. Auch bilateral besteht zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich eine langjährige enge Zusammen­arbeit und Freundschaft. Gerade auf Grundlage dieser guten Beziehungen können und sollen auch unterschiedliche Positionen, wie etwa in Bezug auf den effektiven Multilateralismus und den Schutz und Achtung der Menschenrechte, angesprochen werden. Gerade auf Grundlage dieser transatlantischen Partnerschaft, ist es wichtig, breite und friedliche zivilgesellschaftliche Bewegungen zu unterstützen.

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in den USA und entsprechend Österreichs Einsatz für die Bekämpfung von Rassismus und für die Achtung der Menschenrechte, die einen integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik bilden, sollte die Republik Österreich insbesondere in der aktuellen Situation ihre menschenrechtliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundhaltung verstärkt vermitteln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 292

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird anlässlich der aktuellen Situation in den USA nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd aufgefordert, sich weiterhin auf internationaler und europäischer Ebene für die Einhaltung und Stärkung der Grund- und Menschenrechte einzusetzen.

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und inter­natio­nale Beziehungen wird zudem ersucht, sich weiterhin aktiv auf internationaler und euro­päischer Ebene, in den entsprechenden internationalen Gremien, gegen Rassismus, Verhetzung und Diskriminierung weltweit einzusetzen.

In diesem Zusammenhang wird der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, aufgefordert, Österreichs aktuelle Position im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen als Mitglied aktiv zu nützen, um eines der grundlegendsten men­schenrechtlichen Prinzipien, nämlich der Gleichheit aller Menschen an Würde und Rechten Ausdruck zu verleihen, und entsprechende Initiativen zur Bekämpfung von Rassismus, Verhetzung und Diskriminierung weiterhin zu unterstützen.

Der Bundesminister für europäische und internationale Beziehungen, wird aufgefordert wie im Regierungsprogramm vorgesehen die Stärkung der Zivilgesellschaft, von Men­schenrechtsaktivistinnen und –aktivisten sowie Journalistinnen und Journalisten und demokratischen Kräften zu unterstützen.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für europäische und internationale Bezie­hungen dazu aufgefordert, die aktuellen Ereignisse auch auf bilateraler Ebene mit den USA entsprechend zu thematisieren.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der umfangreiche Antrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


22.42.52

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! (Abg. Martin Graf: Das ist ja eine massive Kritik! Der Minister wird aufgefordert, seine Arbeit aufzunehmen! Das ist eine massive Kritik am Bundesminister! Da könnt ihr ja gleich einen Misstrauensantrag stellen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Graf, wenn Sie sich zu Wort melden wollen, dann bitte ich Sie ans Rednerpult. (Abg. Martin Graf: Ich muss ja den Bundesminister verteidigen! Der macht schon seinen Job!) Herr Graf, das ist nicht notwendig. Bitte, das Rednerpult ist jederzeit für Sie frei.


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Martin Graf: Ich muss den Minister verteidigen!) Ich bedanke mich bei Abgeordneter Ernst-Dziedzic dafür, dass sie diesen Entschließungsantrag eingebracht hat.

Meine Damen und Herren! Menschenrechte sind unteilbar, und wir sollten alles dafür tun, dass sie universell weltweit durchgesetzt werden. Das ist unsere Positionierung, und da brauchen wir von niemandem Zurufe. Menschenwürde hat in allen Parteiprogrammen der Österreichischen Volkspartei einen ganz zentralen Platz, sie steht in der Mitte unserer Arbeit (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), und wir lassen uns da von niemandem auch nur in irgendeine Schachtel, in ein Kastl rücken, meine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 293

Damen und Herren. Wir sind da richtig und durchaus fortschrittlich positioniert. (Heiter­keit bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wenn Sie glauben, dass die SPÖ vorne ist, dann irren Sie sich gewaltig (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), das sage ich Ihnen, Kollege Leichtfried. (Abg. Leichtfried: Das war der Kollege Matznetter, der ... hat!) Sie sind in vielen Bereichen weit hintennach!

Wenn wir mit der SPÖ jetzt darüber diskutieren müssen, dass wir heute hier über den gewaltsamen Tod von George Floyd – und da geht es um brutalen Rassismus – reden (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), dann widersprechen Sie sich wieder einmal. Es war Ihre Parteivorsitzende, die veranlasst hat – wofür ihr zu danken ist –, dass wir uns in einer eigenen Ausschusssitzung ausführlich mit diesem Thema beschäftigt haben. Wir diskutieren das Thema weiter – jetzt passt es Ihnen wieder nicht, Frau Kollegin Heinisch-Hosek. Also bei Ihnen ist es wirklich nicht einfach, sage ich Ihnen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Es ist wirklich nicht einfach! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Diese wichtigen Fragen haben für uns einen entsprechenden Stellenwert, und daher – auch wenn es schon spät ist – ist es gut, dass wir uns die Zeit nehmen, um ernsthaft darüber zu diskutieren, denn: Das, was hier angesprochen worden ist, Rassismus, ist ein weltweites Problem; und wenn es ein weltweites Problem ist, dann ist jeder der 193 Nationalstaaten gefordert, vor seiner Haustüre zu kehren, wie es richtigerweise die deutsche Bundeskanzlerin Merkel auch eingefordert hat.

Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt in diesem Entschließungsantrag den Fokus vor allem auf die USA richten, dann darf ich schon vorweg bemerken: Natürlich gibt es andere Staaten, viele, viele andere Staaten, in denen die Situation mindestens so prekär, wahrscheinlich – nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher – noch viel prekärer ist, ob das China, Venezuela, Iran oder Saudi-Arabien ist. Daher halten wir in diesem Antrag auch fest, dass die USA und Europa eine Wertegemeinschaft sind, die auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte basiert. Das verbindet uns, Europa und die USA. Österreich ist bilateral in vielen Bereichen mit den USA eng verbunden, umso mehr ist man aber, auch unter Freunden, gefordert, sich gegenseitig dann, wenn es notwendig ist, freundschaftlich aufzufordern.

Was da durch diese Polizeigewalt, durch diese rassistische Polizeigewalt passiert ist, das darf uns nicht kaltlassen. Da müssen wir Verständnis aufbringen, wenn die Men­schen auf die Straße gehen. Wir sollten diese friedvollen Demonstrationen sehr ernst nehmen. Gleichzeitig muss man natürlich sagen, dass es kein Verständnis für Gewalt­exzesse geben kann. Mich hat aber schon berührt, dass in Europa und auch hier in Wien so viele Menschen bereit sind, sich hinzustellen und ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. (Abg. Matznetter: Danke für die ...!) – Kollege Matznetter, Sie können gerne diesem Antrag zustimmen.

Was ich hier aber sagen möchte, ist, dass die USA – und da sollten wir nicht selbst­gerecht sein – sehr rasch reagiert haben. In der betroffenen Stadt, in Minneapolis in Minnesota, ist sehr rasch reagiert worden – und ich weiß nicht, ob wir so schnell eine Sitzung des Justizausschusses hätten –: Einen Tag nach dem Begräbnis von George Floyd ist sein Bruder im Justizausschuss des Repräsentantenhauses in den USA eingeladen gewesen – auch der Anwalt war dort –, damit man sofort mit Reformen beginnt. Man hat also erkannt, dass da Reformbedarf besteht, das sollte man schon auch sehen.

Meine Damen und Herren, auch wir haben hier ständig Maßnahmen zu setzen, denn Diskriminierung jeder Art, Rassismus, Antisemitismus dürfen keinen Platz haben. Das österreichische Parlament – lesen Sie nach im Jahresbericht 2019 des Nationalrates,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 294

den wir heute erhalten haben und der das aufzeigt (Abg. Weidinger hält ein Exemplar des Berichts in die Höhe); ein Kollege zeigt ihn gerade und hält ihn in die Höhe –, unser Parlament hat im letzten Jahr diesen Fragen – und das sage ich in Richtung NEOS – ganz breiten und großen Raum gewidmet, und das sollte auch die Opposition zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


22.49.11

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte zuerst auch noch über die Hassverbrechen sprechen beziehungsweise dann unser starkes Zeichen in Form des Entschließungsantrages setzen.

Ja, die Weltöffentlichkeit ist schockiert über den grauenhaften Tod des Afroamerikaners George Floyd, das ist schon richtig, nur: Das, wozu US-Präsident Trump die Bundes­beamten angewiesen hat, nämlich Tränengas und Gummigeschosse gegen Amerikaner, die friedlich protestieren, einzusetzen (Abg. Schnedlitz: Das ist ja lächerlich!), das sind aus unserer Sicht Maßnahmen, die nicht in die richtige Richtung gehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Drohungen, Soldaten gegen die Protestierenden einzusetzen. – Diese Gewalt­androhungen sind aufs Schärfste zurückzuweisen. Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht dürfen nicht eingeschränkt werden. Die Ausübung staatlicher Macht hat den Menschen­rechten und der Rechtsstaatlichkeit zu entsprechen. Dazu muss es eine klare Positio­nierung der Bundesregierung und auch der Europäischen Union geben, nämlich: Dieses Vorgehen des US-Präsidenten ist aufs Schärfste zu verurteilen! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Regierungsübereinkommen heißt es zum Thema Menschenrechte: „Österreich be­kennt sich zu einem umfassenden Menschenrechtsschutz als fester und integraler Bestandteil der österreichischen Außenpolitik“.

Gerade Österreich als Sitzstaat der Vereinten Nationen und der OSZE sollte zu Polizeigewalt und Rassismus nicht schweigen, daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klares Bekenntnis der Bundesregierung gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler und der Bundesminister für europäische und internationale Ange­legenheiten werden im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod von George Floyd bei einem Polizeieinsatz aufgefordert, jegliche Form von Rassismus zu verurteilen, klare Worte gegen die brutale Vorgehensweise der amerikanischen Polizei zu finden und sich klar gegen Maßnahmen auszusprechen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht einschränken. Darüber hinaus werden der Bundeskanzler und der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufgefordert,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 295

sich in diesem Sinn für eine einheitliche Stellungnahme in der Europäischen Union einzusetzen.“

*****

Ich komme jetzt noch auf das zweite Thema unter diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen. Es geht um die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen. Seit mehr als zehn Jahren – habe ich recherchiert – wird hier im Hohen Haus immer wieder über dieses Thema, nämlich über die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen im privaten Bereich, diskutiert, und es hat sich jetzt für mich erschlossen, dass die ÖVP immer noch in einer Scheinwelt lebt, in der es Vater, Mutter, Kind und sonst keine Zusammenlebensformen gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist immer an der ÖVP gescheitert, dass man diesen Menschen, dieser Perso­nen­gruppe, Diskriminierungsschutz zukommen lässt. In der Arbeitswelt ist das inzwischen gelungen, aber im Bereich Dienstleistungen und beim Zugang zu Gütern ist das immer noch nicht gegeben. Wachen Sie auf und stellen Sie sich der Realität! 35 Prozent der Menschen geben an, dass sie außerhalb der Arbeitswelt Diskriminierung erfahren haben. Für junge Menschen, die eine Wohnung suchen, ist es in der Zwischenzeit leider traurige Normalität geworden, dass sie bei einer Besichtigung einer Wohnung nach ihrer Sexualität und sexuellen Orientierung gefragt werden. – Ich meine, was soll denn das in der heutigen Zeit?! (Beifall bei der SPÖ.)

Alle Menschen sollten in Österreich gleichbehandelt werden, wir leben im 21. Jahr­hundert! Es wäre wichtig, dass wir das LGBTIQ-Personen durch Ausweitung des Gleich­behandlungsgesetzes ermöglichen, indem wir die sexuelle Orientierung in den Diskri­minierungsschutz für den privaten Bereich, für den Zugang zu Gütern und Dienstleis­tungen aufnehmen.

Es braucht jetzt Maßnahmen für eine echte Gleichstellung in allen Bereichen des Lebens, stoppen wir diese Ungleichbehandlung! Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich irre, was die Haltung der ÖVP betrifft. Belehren Sie mich eines Besseren, ich wäre sehr froh! Stimmen Sie dem zu, damit wir gemeinsam die Ungleichbehandlung stoppen und uns für eine offene, bunte Welt einsetzen können, in der alle Menschen ihren Platz frei wählen können! In diesem Sinne wünsche ich allen noch einen restlichen Happy Pride Month! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

22.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, MSc, Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

betreffend klares Bekenntnis der Bundesregierung gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A (E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen (213 d.B.) (Top 22)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 296

Die Weltöffentlichkeit ist schockiert und betroffen über den grauenhaften Tod des Afroamerikaners George Floyd, der infolge eines brutalen Polizeieinsatzes verstarb. Dieser erschütternde Vorfall hat zu einer Welle von Protesten gegen Rassismus, Ungleichbehandlung und Polizeibrutalität quer durch die Vereinigten Staaten geführt.

Medien und auch viele prominente US-BürgerInnen berichteten in den letzten Tagen von Übergriffen der Polizei am Rande friedlicher Demonstrationen. So soll US-Präsident Trump Bundesbeamte angewiesen haben, Tränengas und Gummigeschosse gegen AmerikanerInnen einzusetzen, die friedlich protestierten. Darüber hinaus soll US-Präsident Trump gedroht haben, Soldaten gegen die Protestierenden in den USA ein­zusetzen. Diese Gewaltandrohung ist erschütternd und auf das Schärfste zurückzu­weisen.

Mittlerweile wurde auch ein weiterer Vorfall in den USA bekannt, bei welchem ein junger Amerikaner bei einem Polizeieinsatz ums Leben kann. Dies hat die Proteste ein weiteres Mal aufflammen lassen und zeigt, dass der Tod George Floyds kein Einzelfall ist. 5367 Personen wurden Medienberichten seit Anfang 2015 in den USA von der Polizei er­schossen, 1265 davon waren Afroamerikaner.

Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, das Recht auf freie Meinungs­äuße­rung und das Demonstrationsrecht dürfen nicht eingeschränkt werden. Die Ausübung staatlicher Macht hat den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit zu entsprechen. Dazu muss es neben einer klaren Position der österreichischen Bundesregierung auch eine klare Positionierung der Europäischen Union geben. Dieses Vorgehen des ameri­kanischen Präsidenten ist aufs Schärfste zu verurteilen.

Zum Thema Menschenrechte heißt es im Regierungsübereinkommen der österreichi­schen Bundesregierung: „Österreich bekennt sich zu einem umfassenden Menschen­rechtsschutz als fester und integraler Bestandteil der österreichischen Außenpolitik.“

Gerade Österreich als Sitzstaat der Vereinten Nationen und der OSZE sollte zu Polizei­gewalt und Rassismus nicht schweigen, auch nicht zu Maßnahmen, die darauf hinaus­laufen das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht einzu­schränken.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler und der Bundesminister für europäische und internationale Ange­legenheiten werden im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod von George Floyd bei einem Polizeieinsatz aufgefordert, jegliche Form von Rassismus zu verurteilen, klare Worte gegen die brutale Vorgehensweise der amerikanischen Polizei zu finden und sich klar gegen Maßnahmen auszusprechen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht einschränken. Darüber hinaus werden der Bundeskanzler und der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten aufge­fordert, sich in diesem Sinn für eine einheitliche Stellungnahme in der Europäischen Union einzusetzen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 297

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte.


22.54.44

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz ein paar Dinge klarstellen.

Herr Kollege Shetty, Sie haben den Marsch für Jesus 2016 und die Anwesenheit des Kanzlers erwähnt. Sie haben gesagt, das war die Gegenveranstaltung zur Regen­bogenparade. Ich berichtige tatsächlich, das war damals so: Die Organisatoren hatten den Marsch für Jesus bereits angemeldet und den ganzen Ring für sich reserviert. Dann kam die Anfrage der Regenbogenparade, man brauche den Ring, und die Organisatoren für den Marsch für Jesus haben gesagt: Wir sind nicht gegen jemanden, wir machen Platz!, und haben Platz gemacht, damit die Regenbogenparade stattfinden kann. – Das waren die Organisatoren im Jahr 2016. (Abg. Shetty: Haben Sie die Schilder gesehen beim Marsch für Jesus?) – Herr Kollege, das ist eine Tatsache. Ich erzähle Ihnen das, Sie müssen es so zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zweitens, Herr Kollege Shetty: Sie haben nicht nur mit einem Tweet aus dem Ausschuss Falschmeldungen gebracht, wie Herr Kollege Marchetti schon erklärt hat, sondern Sie haben auch ein Zitat von mir aus dem Ausschuss falsch wiedergegeben und es als wörtlich ausgegeben. Das ist dann auf Webseiten aufgetaucht. Ich habe mich wehren müssen, ich habe mich dort beschwert, ich habe sogar einen Anwalt einschalten müs­sen, dann hat man das wieder zurückgenommen, und Sie haben sich bei mir ent­schuldigt. Ich nehme diese Entschuldigung an, aber ich möchte doch Ihre Methoden hinterfragen. Muss man wörtliche Zitate aus Ausschüssen, die der Betreffende selbst nicht weitergibt, die noch dazu falsch sind, verbreiten oder können wir uns unter Erwachsenen treffen, unsere Meinungen rund um eine Sache austauschen und gemeinsam für wichtige Anliegen Politik machen? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein letzter Punkt: Man hat sich heute mehrfach – auch Kollege Shetty, aber auch andere Kollegen – über Menschen, die beten, lustig gemacht. Ich möchte jetzt einmal darauf hinweisen, dass sich in diesem Land 7 Millionen Menschen zu unterschiedlichen Reli­gionsgemeinschaften bekennen, und ihnen ist das Thema Gebet wichtig. Der Bun­deskanzler wollte nicht, dass für ihn gebetet wird, es war nicht so ausgemacht, und er hat das auch mehrfach klargestellt, aber dass es in diesem Land viele Menschen gibt, denen ihre Religion wichtig ist, das kann man nicht abstreiten, und ich wünsche mir hier für diese Menschen auch Respekt, denn Menschenrechte betreffen auch die Religions­freiheit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, aber Respekt und Toleranz betreffen nicht nur die besprochenen Communitys, sondern auch Menschen, denen diese Dinge wichtig sind, und ich bitte das Hohe Haus, über diese Menschen nicht mehr so respektlos zu reden, wie das heute mehrfach geschehen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


22.58.22

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Das ist jetzt explizit keine tatsächliche Be­richtigung, aber ich möchte in meinen Ausführungen einiges berichtigen, was hier einfach falsch dargestellt wurde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 298

Also zum ersten Punkt – vielleicht trennen wir diese beiden Punkte –: Was tatsächlich stimmt, ist – wo ist Frau Kollegin Kugler? –, dass wir vergangene Woche telefoniert haben. Das stimmt. Ich habe zwar kein Zitat von Ihnen weitergegeben, aber ich habe im Kontext etwas aus dem Ausschuss mit einem Journalisten besprochen. Nennen wir es einen Anfängerfehler eines neuen Abgeordneten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, es ist kein Kapitalverbrechen, dass man etwas im Kontext aus einem Ausschuss auch nach außen trägt.

Ich habe die Ansicht, das habe ich Ihnen auch gesagt, dass man zu dem, was man im Ausschuss sagt – natürlich ist ein Ausschuss vertraulich (Abg. Scherak: Ist er ja nicht!); das ist übrigens auch etwas, was wir ändern möchten –, dass man zu der politischen Überzeugung ja auch grundsätzlich stehen können muss.

Ich habe nicht, wie Sie gesagt haben, ein Zitat weitergegeben, sondern im Kontext vielleicht etwas falsch vermittelt. Ich habe auch gesagt, das tut mir leid, deswegen überrascht es mich, dass Sie das hier jetzt wieder groß ausbreiten.

Worum es aber eigentlich geht, und das zeigt ja Ihr Redebeitrag ganz gut: Es wird mit unterschiedlichen Methoden und unterschiedlichen Angriffen versucht, das, für das man wirklich steht, zu vernebeln. Das zeigt dieses Beispiel mit dem Ausschuss, das zeigt auch das andere Beispiel, das Sie genannt haben. Sie versuchen, das, für das Sie wirklich eintreten, zu verschweigen. Ich respektiere Ihre Ansicht, die eine andere als die meine ist, die – ich würde sie erzkonservative Ansicht nennen – einfach Ihre Ansicht ist, die sich in einem ganz anderen Spektrum bewegt als die meine.

Ich respektiere sie, aber Sie trauen sich nicht, öffentlich dazu zu stehen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Blimlinger. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie haben überraschenderweise nicht Ihre Aussage zu Polygamie und zur Geschwister­ehe berichtigt. Sie haben sie nicht berichtigt, weil sie auch nicht berichtigenswert ist, weil sie nämlich so getätigt wurde. Stehen Sie zu Ihren Aussagen! Stehen Sie zu Ihren Haltungen! (Abg. Wöginger: Das tut sie eh!)

Die Leute sollen das wissen, die Menschen in Österreich (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), die 2015 zu 67 Prozent die Ehe für alle befürwortet haben. Sie haben ja in unserem Telefonat auch gesagt, Sie sind eine Volkspartei und Sie vertreten das Interesse des Volkes. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das Volk hat damals zu mehr als zwei Dritteln die Öffnung der Ehe befürwortet und nicht solche Aussagen, wie Sie sie getätigt haben. (Abg. Wöginger: Aber ein Drittel hat es nicht gemacht!) Stehen Sie zu Ihren Aussagen, damit die Menschen, die Sie wählen, auch wissen, wen sie wählen! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Tomaselli. – Abg. Martin Graf: Eine Bezie­hungskiste der besonderen Art!)

23.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

23.00.58Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 17 bis 21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Gleichbehandlungsausschusses, die ich über jeden Tagesordnungs­punkt getrennt vornehme.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 299

Ich darf die Klubobleute fragen, ob wir die Abstimmung nun vornehmen? – Das ist der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17, die dem Ausschuss­bericht 208 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Geschlechtsspe­zi­fische Auswirkungen der Corona-Krise“.

Ich bitte die Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (56/E)

Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 18:

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 212 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 603/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 212 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „des Nationalen Aktionsplan zu Frauengesund­heit“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wieder einstimmig angenommen. (57/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erfassung des gesundheitlichen Zustandes von jungen Frauen in Österreich“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19, die dem Ausschuss­be­richt 209 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Schwerpunktset­zung: Gewalt an Frauen und Mädchen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (58/E)

Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 20:

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 210 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 96/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 210 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Fortführung des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (59/E)

Wir kommen nun zu den Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 21:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 300

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 211 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 376/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 211 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „regelmäßige Hochrisikofallkonferenzen in ganz Österreich“.

Wer dafür ist, den darf ich um ein Zeichen bitten. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (60/E)

*****

Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 22:

Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 213 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 593/A(E) zur Kenntnis zu neh­men.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 213 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Gewalterfahrungen und Diskriminierung“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum einstimmig angenommen. (62/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „3. Geschlechtseintrag - VfGH-Erkenntnis endlich umsetzen!“

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „voller Diskriminierungsschutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle – ‚Levelling Up‘“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Dr. Lopatka, Dr. Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktuelle Situation in den USA nach dem Tod von George Floyd“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (61/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „klares Bekennt­nis der Bundesregierung gegen Rassismus, Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 17. Juni 2020 / Seite 301

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.05.32Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 633/A(E) bis 700/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.06 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

23.06.06Schluss der Sitzung: 23.06 Uhr

 

 

 

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