Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

68. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 28. März 2019

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

68. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode            Donnerstag, 28. März 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 28. März 2019: 9.06 – 22.36 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Ge­schäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die aktuelle Situation vor dem Hinter­grund des Terroranschlags in Neuseeland“

2. Punkt: Bundesgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechnikergesetz 2019 – ZTG 2019)

3. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Euro­päischen Kommission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates

4. Punkt: Bericht über den Antrag 662/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppel­bauer, Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Agrarmärkte und regionale Produktion

5. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019

6. Punkt: Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits

7. Punkt: Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits be­treffend den Beitritt Ecuadors

8. Punkt: Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Uni­on und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits

9. Punkt: Bericht über den Antrag 432/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder, Mag. Roman Haider, Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alma Za­dić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in Ve­nezuela

10. Punkt: Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits

11. Punkt: Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 2

12. Punkt: Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits

13. Punkt: Bericht über den Antrag 626/A(E) der Abgeordneten Mag. Andreas Schie­der, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Ende des INF-Vertrags verhindern

14. Punkt: Bericht über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förderungsgesetz 2012 geändert werden

15. Punkt: Bericht über den Antrag 19/A der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz über Förderungen des Bundes für politische Parteien (Parteien-Förderungsgesetz 2012 – PartFörG) geändert wird

16. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (504 St 208/18m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Gude­nus, M.A.I.S.

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsrufe ....................................................................................  70, 79, 80, 191, 240

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschussberichts 563 d.B. gemäß § 44 (2) GOG .................................................................................................................. 37

Antrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen,
dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den An­trag 522/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Halbe-Halbe bei Pensionen: Automatisches Pensionssplitting umset­zen“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 24. April 2019 zu setzen                   37

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ............................................................................................................................... 38

RednerInnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 162

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 165

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 166

Michael Bernhard ....................................................................................................... 167

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ........................................................................ 168

Ablehnung des Fristsetzungsantrages ........................................................................ 169

Antrag der Abgeordneten Mag. Roman Haider und Dr. Reinhold Lopatka, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 512 d.B. betreffend „Konsulargesetz – KonsG“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen – Annahme .....  38, 257

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                     38


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 3

Unterbrechung der Sitzung ...........................................................................  49, 79, 119

Mitteilung der Präsidentin Doris Bures betreffend § 102 GOG ................................ 79

Wortmeldungen betreffend die Abwesenheit von Bundeskanzler Sebastian Kurz:

August Wöginger ......................................................................................................... 96

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 96

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 97

Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes ............................................................ 191

Fragestunde (8.)

Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ................................................................... 13

Peter Haubner (97/M); Rudolf Plessl

Ing. Reinhold Einwallner (100/M); Christoph Stark, Mag. Bruno Rossmann

Ing. Wolfgang Klinger (94/M); Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann

Josef Schellhorn (92/M); Doris Margreiter, Martina Kaufmann, MMSc BA

Mag. Bruno Rossmann (103/M); Dr. Jessi Lintl

Dr. Maria Theresia Niss, MBA (98/M); Nurten Yılmaz

Cornelia Ecker (101/M); Ing. Christian Höbart, Mag. Gerald Loacker

MMMag. Dr. Axel Kassegger (95/M)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (93/M)

Stephanie Cox, BA (104/M); Mag. Peter Weidinger, Werner Neubauer, BA

Eva-Maria Himmelbauer, BSc (99/M)

Philip Kucher (102/M)

Christian Hafenecker, MA (96/M); Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 36

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Jugend ernst nehmen, Klimakatastrophe verhindern.“ (702/A)(E) .................................................................... 119

Begründung: Stephanie Cox, BA ............................................................................... 125

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 129

Debatte:

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 134

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 136


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 4

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 138

Walter Rauch .............................................................................................................. 139

Michael Bernhard ....................................................................................................... 141

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ........................................................................ 143

Claudia Plakolm ......................................................................................................... 145

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 146

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 148

Melanie Erasim, MSc (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 150

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 150

Franz Hörl .................................................................................................................... 152

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 153

Sandra Wassermann ................................................................................................. 155

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd................................................................................ 156

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 157

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 158

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 160

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 160

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 161

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 702/A(E) .............................. 162

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroranschlags in Neuseeland“    ............................................................................................................................... 38

Bundesminister Herbert Kickl .................................................................................... 39

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 GOG .......................... 39

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 43

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 46

Dr. Irmgard Griss ......................................................................................................... 49

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 50

Dr. Alma Zadić, LL.M. .................................................................................................. 52

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ................................................................................. 54

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 56

Christoph Zarits ........................................................................................................... 58

Dr. Stephanie Krisper ...........................................................................................  59, 92

Werner Herbert ............................................................................................................. 64

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 65

Bundesminister Herbert Kickl .................................................................................... 70

Mag. Peter Weidinger .................................................................................................. 73

Angela Lueger .............................................................................................................. 76

Hans-Jörg Jenewein, MA ............................................................................................ 77

Mag. Peter Weidinger (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 81

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 81

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 82

Mag. Günther Kumpitsch ............................................................................................ 84

Sabine Schatz ............................................................................................................... 85

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 87

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 89

Mag. Martin Engelberg ................................................................................................ 90

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann .................................................................................. 91

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 93


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 5

Johann Rädler .............................................................................................................. 94

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 95

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einsetzung einer Sonderkommission be­treffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich – Bericht­erstattung der Kommission an den Ausschuss für innere Angelegenheiten“ – Ab­lehnung ....................................................................................................................  45, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“ – Ablehnung         61, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strategie gegen Rechtsextremismus“ – Ablehnung                                                            62, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts, so­wie Einführung je eines Berichts zu Linksextremismus und religiösem Extremis­mus“ – Ablehnung .............................  69, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dr. Walter Ro­senkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strategie gegen Extremismus“ – Annahme (E 60) ...............  74, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichtes jetzt!“ – Ab­lehnung ............  86, 97

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (478 d.B.): Bundesgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechniker­gesetz 2019 – ZTG 2019) (530 d.B.)              ............................................................................................................................... 98

RednerInnen:

Peter Haubner ............................................................................................................... 98

Cornelia Ecker .............................................................................................................. 99

Ing. Wolfgang Klinger ................................................................................................ 100

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 101

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................. 102

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 103

Christoph Stark .......................................................................................................... 104

Doris Margreiter ......................................................................................................... 105

Annahme des Gesetzentwurfes in 530 d.B. ................................................................ 106

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kom­mission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-258/527 d.B.) ................................................................................................................ 106

RednerInnen:

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................. 106

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 110

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 112

Maximilian Linder ....................................................................................................... 113

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 114

Andreas Kühberger ................................................................................................... 115

Erwin Preiner .............................................................................................................. 116

Walter Rauch .............................................................................................................. 170


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 6

Michael Bernhard ....................................................................................................... 171

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................... 171

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 173

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 176

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd................................................................................ 177

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 178

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 180

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „stoppglyphosat.spoe.at“ – Ablehnung ................................................................  107, 181

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „gerechtere Verteilung der EU-Fördermittel und Stärkung der Bio-Landwirtschaft“ – Ablehnung  118, 181

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern“ – Ablehnung                                               174, 181

Kenntnisnahme des Berichtes III-258 d.B. ................................................................... 181

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 662/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarmärkte und regionale Produktion (528 d.B.) ........................................................ 182

RednerInnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 182

Ing. Markus Vogl (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 183

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 183

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 184

Maximilian Linder ....................................................................................................... 187

Cornelia Ecker (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 188

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 188

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 189

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 190

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 192

Ing. Klaus Lindinger, BSc .......................................................................................... 193

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 194

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „AMA-Gütesiegel nur bei Gentechnikfreiheit des gesamten Herstellungsprozesses!“ – Ablehnung         186, 194

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 528 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Agrarmärkte und regionale Produktion“ (E 61) ........................................................... 194

5. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht der Bun­desministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitspro­gramm 2019 (III-251/524 d.B.) ........ 194

RednerInnen:

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 195

Mag. Roman Haider ................................................................................................... 198

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 200

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................. 202

Robert Laimer ............................................................................................................. 204

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 207

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 208

Mag. Martin Engelberg .............................................................................................. 209


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 7

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................... 210

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Brexit – Österreichs Interessen sichern – Runder Tisch gefordert“ – Ablehnung  196, 212

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozial­dumping bekämpfen“ – Ablehnung           205, 212

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne – Mitbestim­mung des Parlaments sichern“ – Ablehnung      206, 212

Kenntnisnahme des Berichtes III-251 d.B. ................................................................... 211

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorla­ge (441 d.B.): Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ih­ren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits (518 d.B.)                                                                                212

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorla­ge (436 d.B.): Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Euro­päischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru an­dererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (519 d.B.) .......... 212

8. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorla­ge (504 d.B.): Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäi­schen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika anderer­seits (520 d.B.) ........................................................................ 212

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 432/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder, Mag. Roman Haider, Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in Venezuela (525 d.B.)         ............................................................................................................................. 212

RednerInnen:

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ............................................................................ 213

Mag. Dr. Martin Graf .................................................................................................. 214

Bundesministerin Dr. Karin Kneissl ........................................................................ 217

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 220

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 221

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 222

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 223

Mag. Roman Haider ................................................................................................... 223

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................... 225

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Dr. Mar­tin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle politische Situation in Venezuela“ – Annahme (E 63)  216, 226

Genehmigung der drei Staatsverträge in 518, 519 und 520 d.B. ................................. 226

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 525 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „die aktuelle politische Situation in Venezuela“ (E 62) ........................................................ 226

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 8

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (330 d.B.): Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada anderer­seits (521 d.B.) ............................................................................ 226

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorla­ge (283 d.B.): Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Eu­ropäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits (522 d.B.) ............................................................................... 226

RednerInnen:

David Lasar .............................................................................................................. ... 227

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 227

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................. 229

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der biologischen Vielfalt der Meere und gegen die kommerzielle Bejagung von Walarten durch Japan“ – Ablehnung ............................................................................................................  228, 230

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 521 und 522 d.B. .................................... 230

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (475 d.B.): Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Euro­päischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits (523 d.B.) .................................... 230

RednerInnen:

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 231

David Lasar ................................................................................................................. 232

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 232

Genehmigung des Staatsvertrages in 523 d.B. ........................................................... 233

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 626/A(E) der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Ende des INF-Vertrags verhindern (526 d.B.) ...................................................................................................................... 233

RednerInnen:

Dr. Reinhard Eugen Bösch ....................................................................................... 234

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................. 234

Bundesministerin Dr. Karin Kneissl ........................................................................ 235

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 235

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 526 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „das Ende des INF-Vertrags verhindern“ (E 64) ................................................................... 236

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 619/A der Ab­geordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Par­teien-Förderungsgesetz 2012 geändert werden (548 d.B.)                236

15. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 19/A der Ab­geordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz über Förde­rungen des Bundes für politische Parteien (Parteien-Förderungsgesetz 2012 – PartFörG) geändert wird (549 d.B.) ...................................................................................................................... 236


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 9

RednerInnen:

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 237

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 238

Mag. Gerald Loacker (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 240

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 240

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 243

Dr. Peter Pilz ......................................................................................................  244, 252

Karl Nehammer, MSc ................................................................................................ 248

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 249

Dr. Markus Tschank ................................................................................................... 250

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................... 254

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Verbot von Parteispenden für öffentliche Unternehmen und Un­ternehmen, die im Auftragnehmerkataster aufscheinen“ – Ablehnung ............................................................................................................  252, 256

Annahme des Gesetzentwurfes in 548 d.B. ................................................................ 255

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 549 d.B. ..................................................... 256

16. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Wien (504 St 208/18m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (563 d.B.)                                                                                    256

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 256

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Jugend ernst nehmen, Klimakatastrophe verhindern.“ (702/A)(E)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einset­zung einer Sonderkommission betreffend vollständige Aufklärung des tragischen Mor­des an den Leiter des Sozialamts in Dornbirn“ (703/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausreichende Ressour­cen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus (704/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strategie gegen Rechts­extremismus (705/A)(E)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vermehrtes Anbringen von digitalen Wechselverkehrsschildern vor Autobahnauffahrten zur Verhin­derung von gefährlichen Situationen und Verringerung von Stauzeiten in stark frequen­tierten Tourismusregionen“ (706/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage eines mit Zahlen hinter­legten Forschungsfinanzierungsgesetzes“ (707/A)(E)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zeitgemäße Sexualpädagogik im Schulunterricht!“ (708/A)(E)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer neuen Strafbestimmung bei Anfertigen von Nacktfotos ohne Einwilligung der Betroffenen (709/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 10

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gemeinsame Agrarpolitik der EU entwicklungspolitisch verträglich gestalten (710/A)(E)

Birgit Silvia Sandler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der fem:Help-App (711/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweckwidmung der Lohnsteuer­mehreinnahmen durch die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages (712/A)(E)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend Erarbeitung einer Daten­bank zu politisch, weltanschaulich und religiös motivierten Gewalttätern (713/A)(E)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts, sowie Einführung je eines Berichts zu Linksextremismus und religiösem Extremismus (714/A)(E)

Johannes Schmuckenschlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endlager an Öster­reichs Grenzen (715/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend verstärkte Schutzmaßnahmen und Kontrollen bei Glyphosat in Lebensmitteln und Hygieneartikeln (716/A)(E)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Informationskampagne zur Schädlichkeit von Zigarettenstummeln in der Umwelt (717/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend „anonyme Wertkarten und mangelnde Information der Konsumentinnen und Kon­sumenten“ (3157/J)

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend „Verzögerung des Starttermins für die berittene Polizei“ (3158/J)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Digitalisierungsstrategie für den Tourismus (3159/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Abschiebung von Asylwerbern in der Lehrzeit (3160/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Abschiebung von Asylwerbern in der Lehrzeit (3161/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Abschiebung von Asylwerbern in der Lehrzeit (3162/J)

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Österreichs Beitrag zur Internationalen Klimafinanzierung (3163/J)

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreichs Beitrag zur Internationalen Klimafinanzierung (3164/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 11

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Österreichs Beitrag zur Internationalen Klimafinanzierung (3165/J)

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Österreichs Beitrag zur Internationalen Kli­mafinanzierung (3166/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend JA-Insasse durfte nicht zur Verabschie­dung der eigenen Mutter (3167/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend „Restrukturierung der Volksbankengruppe zu Lasten Ihrer Kunden und Kundin­nen?“ (3168/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend nicht elektrifizierte Bahnstrecken in Oberöster­reich (3169/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend nicht elektrifizierte Bahnstrecken in Niederös­terreich (3170/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz eines Bundestrojaners (3171/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Einsatz eines Bundestrojaners (3172/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Mentoringprogramm des BKA für Künstlerinnen (3173/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3174/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3175/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3176/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3177/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3178/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3179/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3180/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 12

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3181/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3182/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3183/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3184/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentli­chen Dienst und Sport betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3185/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Leistungen des Bundes im Bun­desland Wien (3186/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Leistungen des Bundes im Bundesland Wien (3187/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend personelle Identitäten zwischen den Identitären und den Burschenschaften (3188/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Volle Aufklärung des Behördenversagens bei Mordfall in Dornbirn (3189/J)

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Missstände bei Tiertranspor­ten – unnötiges Tierleid (3190/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Finanzierung Hilfs- und Pflegepersonal an Schulen (3191/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „Strafrechtlich relevante Ver­schleuderung einer Bundesimmobilie am Heumarkt durch ÖVP-Kreise samt satzungs­widriger Verwendung des Erlöses sowie Blockade der strafrechtlichen Ermittlungen durch das BMVRDJ, 1. Folge“ (3192/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Reformprozess Bundesdenkmalamt (3193/J)

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus betreffend Fachgremium „AMA-Tiertransport“ der AMA-Mar­keting GmbH (3194/J)

Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Fachgremium „AMA-Tier­transport“ der AMA-Marketing GmbH (3195/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Ermittlungen gegen Mitglieder der Burschenschaft Germania (3196/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend die Auflösung der Burschenschaft Germa­nia (3197/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Entlassungen von Lehrer_innen (3198/J)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 13

09.06.17Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dri­tte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****

09.06.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete, die 68. Sitzung des Nationalrates ist hiermit eröffnet. Ich darf Sie am zweiten Sitzungstag recht herzlich in alter Frische willkommen heißen. Mein Gruß gilt den Da­men und Herren auf der Galerie sowie den ZuseherInnen zu Hause vor den Fernseh­geräten.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Barbara Krenn, Nico Marchetti, Jo­sef Muchitsch, Dr. Dagmar Belakowitsch, Petra Steger, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES und Dr. Alfred J. Noll.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt mitgeteilt, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz durch Vizekanzler Heinz-Christian Strache vertreten wird.

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung wie üblich von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III in voller Länge live, ab 19.15 Uhr zeitversetzt, übertragen wird.

09.07.17Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen. Für die Anfrage- und Zusatzfrage­steller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Für die Beantwortung der Anfragen gibt es 2 Minuten Redezeit, für jene der Zusatzfragen 1 Minute.

Ich darf die Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort recht herz­lich begrüßen.

Digitalisierung und Wirtschaftsstandort


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 1. Anfrage. Ich darf Herrn Abge­ordneten Haubner ans Rednerpult bitten.

09.07.56


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minister! Ös­terreichs Wirtschaft ist ja sehr erfolgreich, und man sieht auch im internationalen Ver­gleich, dass wir ein gutes Wachstum haben. Die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran. Österreich wird einfach digitaler. Man muss auch den österreichischen Unternehmern, die die Arbeitsplätze schaffen, Danke sagen.

Man merkt es bei den Unternehmen: Sie schätzen es sehr, dass diese Regierung die Unternehmer auch wertschätzt – das ist neu, das haben wir in den letzten Jahren leider nicht erleben dürfen –, und deshalb denke ich, dass wir auf einem sehr, sehr guten Weg sind.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 14

Frau Minister, meine Frage lautet:

97/M

„Welche Maßnahmen zur Absicherung und Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe (KMU), die das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden und 99,6 % aller Unternehmen Österreichs umfassen, mehr als 54.000 Lehrlinge ausbilden, mehr als zwei Millionen Mit­arbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen, planen Sie auch im Hinblick auf die leicht eintrübende internationale Konjunktur?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herzlichen Dank für die Frage. – Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen. Die mittelständischen Unternehmen spielen eine ganz wesentliche Rolle in der österreichischen Wirtschaft. Sie tragen we­sentlich zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Wenn wir uns anschauen, wie die Umsätze der KMUs in den vergangenen Jahren ge­stiegen sind, dann sehen wir, dass sie die großen Leitbetriebe um einiges outper­formen. Die Umsätze von KMUs sind in den Jahren 2008 bis 2016 um 12,3 Prozent ge­stiegen – bei Großunternehmen hingegen um 1,4 Prozent –, und die Anzahl der Be­schäftigten ist im selben Zeitraum um 9,4 Prozent gestiegen – bei Großunternehmen um 0,8 Prozent. Sie zu unterstützen ist also ein wesentlicher Teil der Aufgaben der Bundesregierung.

Der erste Bereich, in dem wir die mittelständischen Unternehmen unterstützen, ist die Digitalisierung: Es gibt das Förderprogramm KMU digital, um den mittelständischen Unternehmen zu helfen, davon zu profitieren. Immerhin sehen über 70 Prozent dieser Unternehmen das als einen wesentlichen Punkt.

Das zweite Thema ist, die Unternehmen dabei zu unterstützen, Fachkräfte zu gewin­nen. Dieser Bereich hat drei Säulen: Erstens ist vor allem die Lehre wichtig, für die die mittelständischen Unternehmen stark stehen. Diese Lehre aufzuwerten und neu zu ge­stalten ist ein wichtiger Punkt. Zweitens ist es wichtig, den Unternehmen dabei zu hel­fen, Fachkräfte zu gewinnen. Da baut die Austrian Business Agency ihre Aufgaben ent­sprechend aus. Eine dritte ganz wichtige Säule ist die Finanzierung: Mittelständische Unternehmen brauchen mehr als andere eine Unterstützung bei der Finanzierung. Wir haben hierzu die AWS, die ihre Kredite, Zuschüsse und Garantien für Eigenkapital ent­sprechend aufwertet, und wir arbeiten ganz klar daran, dass wir mehr Venture Capital vor allem für die mittelständischen und kleinen Start‑ups gewinnen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Die österreichische Wirtschaft ist ja auch von 250 Leitbetrieben geprägt, die mit über 90 000 KMUs zusammenarbeiten, was auch ganz wichtig ist, und die 6 von 10 Euro im Ausland verdienen. Unsere Wirtschaft ist al­so sehr international aufgestellt.

Deshalb meine Frage: Welche Maßnahmen setzen Sie zur Unterstützung der Interna­tionalisierung der österreichischen kleinen und mittelständischen Unternehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Export und Import sind sehr, sehr wichtig. Jeder zweite Arbeitsplatz und 6 von 10 Euro im Bruttoinlandsprodukt entstehen in Österreich durch den Export. Die KMUs sind diejenigen, die auch ganz stark vom Export profitieren.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 15

Was haben wir in dem Zusammenhang gemacht? – Wir haben eine neue Außenwirt­schaftsstrategie entwickelt und dabei einen besonderen Fokus auf die österreichischen mittelständischen Unternehmen gelegt, um sie zu unterstützen. Die KMUs bedürfen ganz besonders multilateraler EU-Handelsabkommen. Deshalb setzen wir uns klar für diese ein, denn hiervon profitieren die mittelständischen Unternehmen ganz besonders.

Ein wichtiges Programm ist go-international, das gerade neu verhandelt wird. Wir un­terstützen ganz klar die mittelständischen Unternehmen vor Ort, in jenen Ländern, in die sie gehen wollen. Die konkreten Bedürfnisse der heimischen KMUs wollen wir stär­ken und sie so unterstützen, dass sie ihre innovativen Produkte im Ausland gut ver­kaufen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.


Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Wirtschafts­ministerin! Sie haben hier mittgeteilt, dass die kleinen Wirtschaftsbetriebe unterstützt werden. Die Aktionen der schwarz-blauen Regierung gerade in der letzten Zeit – etwa die Ankündigung, dass die Körperschaftsteuer reduziert wird – stellen keine Unterstüt­zung für Klein- und Mittelbetriebe dar, sondern nur für ganz wenige Betriebe wird da etwas in Aussicht gestellt – für jene Betriebe, die Sebastian Kurz im Wahlkampf unter­stützt haben.

Ich möchte festhalten, Frau Wirtschaftsministerin: Sie benötigen Geld – da müssen Sie auch Ihre Hausaufgaben erledigen! Ich habe schon Anfragen gestellt, in denen es um die Gegengeschäfte beziehungsweise um diesen Vertrag geht, der von Bartenstein da­mals im Zuge des Ankaufs von Rüstungsgütern von Eurofighter abgeschlossen wurde.

Da gibt es über Tausend Verträge, die als Gegengeschäfte anerkannt worden sind, und Sie als Wirtschaftsministerin haben ja die Möglichkeit, das zu überprüfen. Bis jetzt sind Sie laut Ihren Aussagen untätig geblieben, diese Geschäfte abzuarbeiten und da­rauf zu schauen, dass die Republik Österreich bis zu 180 Millionen Euro bekommt.

Meine Frage lautet: Würden Sie diese bis zu 180 Millionen Euro, wenn Sie diese Ab­arbeitung einmal durchführen, auch für die Förderung der Klein- und Mittelbetriebe ver­wenden, und bis wann gedenken Sie, diese Gegengeschäfte überprüft zu haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Zur ersten Frage bezüglich Körperschaftsteuer: Die Körperschaftsteuer orientiert sich nicht nur an der Größe, sondern an der Gesellschaftsform – es gibt zum Beispiel die kleine GmbH, die ebenso körperschaftsteuerpflichtig ist –, das betrifft also auch kleinere Betriebe.

In der Steuerreform planen wir, besonders auch die Klein- und Mittelbetriebe zu entlas­ten, genauso wie die kleinen Einkommen. Die Körperschaftsteuer ist nur ein Element einer gesamten Steuerreform, und es führen vor allem auch die generellen Unterstüt­zungen, die wir eingeführt haben, wie zum Beispiel der Familienbonus zu höherer Nachfrage und damit zur Unterstützung vor allem der mittelständischen Unternehmen, weil die Familien dieses Geld ausgeben können, zum Beispiel für unterschiedliche Pro­dukte, die sie für die Kinder brauchen.

Zum Thema Gegengeschäfte: Da ist mein Ministerium laufend im Prüfen begriffen und bearbeitet auch laufend die Inputs – auch jene, die von Ihnen gegeben wurden. – Dan­ke schön.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Einwall­ner. – Bitte.

09.15.05



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 16

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Minis­terin! Diese Bundesregierung hat ja eine große Steuerreform angekündigt und von ei­nem Volumen von 14 Milliarden Euro gesprochen. Übrig bleiben wird dann im Endef­fekt ein Minipaket, das jetzt in Umsetzung kommt, und auch da zeichnet sich wieder ein großes Ungleichgewicht in der Verteilung ab. Ich spreche auch diese angekündigte KÖSt-Senkung an.

Frau Ministerin, wir wissen, dass 80 Prozent der KÖSt-Einnahmen von 5 Prozent der Unternehmen in Österreich kommen, 86 Prozent der Unternehmerinnen und Unterneh­mer werden von einer KÖSt-Senkung nicht profitieren und davon ausgeschlossen sein.

Daher meine Frage:

Wo sind Ihre wirtschaftspolitischen Zielrichtungen? Welche Ziele verfolgen Sie als Wirt­schaftsministerin mit dieser Körperschaftsteuersenkung, wenn die Unternehmenssteu­ern im Verhältnis zu den Steuern, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen, ja niedriger sind und eine Körperschaftsteuer, wie ausgeführt, nur 5 Prozent, also einen sehr, sehr kleinen Teil, der Unternehmen betrifft und Einpersonenunternehmen kom­plett ausgeschlossen sind?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 100/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welches wirtschaftspolitische Ziel verfolgen Sie als Wirtschaftsministerin mit einer Körperschaftsteuersenkung, wenn die Unternehmenssteuern im Vergleich zu den Ab­gaben für ArbeitnehmerInnen ohnehin niedrig sind und bei einer Körperschaftsteuer­senkung nur 5 % der KÖSt-pflichtigen Unternehmen 80 % der Entlastung bekommen würden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ich danke für die Frage. – Ich habe im Zuge der Beantwortung der vo­rigen Frage schon ausgeführt, dass die Senkung der Körperschaftsteuer nur ein Teil ei­ner generellen Steuersenkung im Ausmaß von rund 3,6 Milliarden Euro ist. Der Fami­lienbonus ist da auch beinhaltet, und zwar mit circa 1,5 Milliarden Euro.

Wir werden bei dieser Steuerreform, von der vor allem die Klein- und Mittelverdiener und auch die Klein- und Mittelbetriebe profitieren werden, in drei Stufen entlasten. Es geht nicht darum, mit einer Senkung der Körperschaftsteuer eine einzelne Aktion zu setzen, sondern diese ist Teil eines Gesamtpakets, in dessen Rahmen auch die Lohn­nebenkosten gesenkt werden; auch das planen wir dezidiert.

Es braucht Anreize, um den Wirtschaftsstandort international abzusichern, und da braucht es dieses Gesamtpaket. Für Investitionen, die in Österreich getätigt werden, kommt nicht nur ein Kriterium zum Tragen, sondern die Kriterien sind allesamt maß­geblich. Die Senkung der KÖSt ist dabei eben ein Baustein, der wie gesagt für alle Un­ternehmen, die KÖSt-pflichtig sind, anwendbar ist, und zwar nicht abhängig von deren Größe, sondern abhängig von der Rechtsform.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Ministerin, dann frage ich jetzt konkret nach: Welche Vorschläge haben Sie als Wirtschaftsministerin in die Verhand-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 17

lungen mit dem Finanzminister konkret eingebracht? Können Sie konkretisieren, wie Sie sich die weiteren Entlastungsschritte für die Klein- und Mittelbetriebe vorstellen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Wir werden im Rahmen der Präsentation der Steuerreform, die sehr bald kommt, das Gesamtpaket präsentieren. Ich möchte dem jetzt nicht vorgreifen. Ein wichtiger Punkt ist jedoch, dass die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen unter­stützt werden. Darauf werden wir ganz besonders achten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Stark, bitte.


Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Frau Ministe­rin, Sie haben die Rolle und Bedeutung der KMUs ja bereits unterstrichen und arbeiten auch daran, dass die KMUs in Österreich erfolgreich sein können.

Meine Frage: Welche Maßnahmen setzen Sie zur Deregulierung, um für bessere Rah­menbedingungen für die KMUs zu sorgen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Neben der Steuersenkung sind natürlich Deregulierungsmaßnahmen ein wichtiger Punkt, so wie Sie es angesprochen haben. Die Deregulierung ist fast noch wesentlicher für mittelständische Unternehmen, zumindest kriege ich das immer wieder als Feedback, wenn ich mit den Unternehmern und Unternehmerinnen spre­che – ich stehe in einem sehr intensiven Austausch mit ihnen.

Hierfür ist es ganz wichtig, auf die mittelständischen Unternehmen zu schauen und da­rauf zu achten, dass sie zum Beispiel bei Anlagengenehmigungen nicht mehr so stark belastet werden. Wir haben deshalb am 7. Juli 2018 gemeinsam die 2. Genehmigungs­freistellungsverordnung verabschiedet; damit werden 18 000 Unternehmen entlastet werden und es fallen 1 000 Genehmigungen pro Jahr weg. Wir arbeiten weiter daran, diese auszudehnen, denn es macht wirklich keinen Sinn, dass eine Schneiderin mit einer Nähmaschine eine Anlagengenehmigung braucht. Wir wollen die Kleinen entlas­ten. Damit sind zum Beispiel auch Frühstückspensionen mit bis zu 30 Betten oder Ein­zelhandelsunternehmen mit einer Fläche bis zu 600 Quadratmeter gemeint.

Was steht noch an? – Mit Mai 2018 haben wir eine kostenlose öffentliche Abfrage des Gisa, des Gewerbeinformationssystems, ermöglicht. Das ist ein wichtiger Punkt, weil gerade Klein- und Mittelbetriebe immer wieder beklagt haben, dass sie hierfür bezah­len müssen und dass es im Verhältnis zu ihrer Beschäftigung oder ihrer Größe relativ viel kostet. Nun kann man den Auszug kostenlos und ohne Wartezeit digital beantra­gen.

Wir werden daran noch weiter arbeiten. Ende 2019 erfolgt eine öffentliche Schnittstelle, über die sich Systeme aus der Wirtschaft weiterhin kostenlos an das Gisa anhängen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit, bitte!


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck (fortsetzend): Ein dritter, wichtiger Punkt ist das Once-only-Prinzip, das wir auch umsetzen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Rossmann, bitte.


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Schönen guten Morgen! Die ökono­mischen Wirkungen von Senkungen der Körperschaftsteuer sind ja äußerst umstritten.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 18

Ich bin daher gegen eine Senkung der Körperschaftsteuer, auch Mitarbeiter der Agen­da Austria sehen das sehr, sehr kritisch.

Meine Frage an Sie in diesem Zusammenhang ist daher: Wäre es nicht sinnvoller, die Unternehmen, insbesondere auch die kleinen Unternehmen, durch eine aufkommens­neutrale Senkung der Lohnnebenkosten zu entlasten, beispielsweise durch eine auf­kommensneutrale ökosoziale Steuerreform?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Rossmann, danke für die Frage. – Wir werden das Thema Lohnne­benkostensenkung auch berücksichtigen. Wir haben immer klar eine Indikation dahin gehend gegeben, dass es nicht nur die KÖSt-Senkung allein sein wird, sondern ein ge­samtes Paket, um kleine Einkommen zu entlasten, um kleine Unternehmen zu entlas­ten, und sicherlich ist die Senkung der Lohnnebenkosten unser gemeinsames Ziel.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, jener des Herrn Ab­geordneten Klinger. – Bitte.

09.21.27


Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Immer wieder mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass in Öster­reich wichtige Projekte mit überregionaler Bedeutung eben auch durch überbordende UVP-Verfahren massiv in die Länge gezogen wurden. Ich erinnere nur an den Linzer Westring oder den Lobautunnel oder zum Beispiel auch an die dritte Piste am Flug­hafen Wien. Der Wirtschaftsausschuss hat in Zusammenarbeit mit der neuen Regie­rung das neue Standort-Entwicklungsgesetz auf den Weg gebracht, das dann auch hier im Parlament beschlossen wurde.

94/M

„Seit Anfang des Jahres 2019 ist das Standort-Entwicklungsgesetz in Kraft. Welche Umsetzungsschritte sind bereits erfolgt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Das Standort-Entwicklungsgesetz ist ein wichtiger Schritt für Projekte, die von großem öffentlichen Interesse sind. Da gibt es seit Anfang des Jahres die Mög­lichkeit, Anregungen für standortrelevante Vorhaben einzubringen. Hierfür gibt es eine eigene Mailadresse, die eingerichtet worden ist, sodass auch die Einbringung online möglich ist. Weiters gibt es einen eigenen Leitfaden, wie und in welchen Fällen man einbringen kann. Auf der Homepage unseres BMDW ist das auch sehr ausführlich er­klärt.

Daneben wird es auch eine Vorlage für die Einbringung der Anregungen geben, also auch eine entsprechende gesetzliche, also rechtliche Vorlage. Wir haben auch den Standortentwicklungsbeirat eingerichtet: ein sehr wichtiges Instrument, ein Gremium hochkarätiger Fachexperten, das so zusammengesetzt ist, dass es mich und Herrn Mi­nister Hofer sehr gut in unseren Entscheidungen beraten kann, geleitet von Frau Dr. Ul­rike Baumgartner-Gabitzer.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Klinger, bitte.


Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Eben zum Standortentwicklungsbeirat: Welche Projekte kommen für eine Behandlung durch den Standortentwicklungsbeirat im neuen Standort-Entwicklungsgesetz infrage?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 19

Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Es handelt sich um Projekte, die im öffentlichen Interesse sind. Das sind größere Projekte, die zum Beispiel Regionen verbinden, bei denen Regionen ange­schlossen werden, wodurch Pendler es leichter haben, ihre Arbeitsstelle zu erreichen. Es geht um Projekte im Bereich der guten Energieversorgung; Niederösterreich hat da sehr viele Windparks in den vergangenen Jahren gehabt. Auch solche Projekte wären für die Anwendung des Standort-Entwicklungsgesetzes geeignet.

Ein standortrelevantes Vorhaben im Sinne des Gesetzes ist ein Vorhaben, bei dem be­reits eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Es können nicht andere Vorhaben eingereicht werden. Vorhaben, die schon eingebracht wurden, kön­nen nicht eingereicht werden. Das ist ein wichtiger Punkt. Die Vorhaben sind gemäß Anhang 1, Spalte 1 oder 2 oder gemäß dem dritten Abschnitt auch grundsätzlich fest­gelegt. (Abg. Klinger: Danke schön!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bißmann, bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Schönen guten Morgen, Frau Ministerin! Es gibt ja diesen Mythos der Unvereinbarkeit von Um­welt und Wirtschaft, der sich zum Teil noch hartnäckig hält. Jetzt haben Sie eine Kol­legin, Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger, die nicht müde wird, zu betonen, dass zwischen Wirtschaft und Umwelt ein Und stehen soll und kann.

Sie ist Nachhaltigkeitsministerin, Sie sind Wirtschaftsministerin. Jetzt interessiert mich sehr Ihre Sichtweise bei dem ganz konkreten, brennenden Thema Klimaschutz und noch konkreter bei der stärksten Klimaschutzwaffe: der aufkommensneutralen ökoso­zialen Steuerreform.

Ist für Sie Klimaschutz ein Schaden oder ein Nutzen für die Wirtschaft? Ist für Sie die ökosoziale Steuerreform ein Schaden oder ein Nutzen für den Wirtschaftsstandort, Stich­wort Standortentwicklung?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Für mich betrifft das wesentliche Kriterium, das aus meiner Sicht am stärksten zum Umweltschutz beitragen kann, die Möglichkeiten der digitalen Transfor­mation. Wir sehen, dass zum Beispiel die Voest das digitalste Stahlwerk der Welt in Kapfenberg in der Steiermark baut, dort alle Arbeitsplätze auch absichert, und dass es Möglichkeiten gibt, gerade den Klimaschutz durch neue Erfindungen, durch Innova­tionen, durch das Thema der Kreislaufwirtschaft zu unterstützen, dadurch, dass neue Produkte und Lösungen auf den Markt gebracht werden, die umweltfreundlicher sind und deren Umweltfreundlichkeit auch im Produktionsprozess garantiert wird.

Ich war vor wenigen Tagen bei einem Unternehmen in Weissenbach an der Triesting, das gerade dies tut. Es ist Weltmarktführer in der Herstellung von Maschinen, die si­cherstellen, dass zum Beispiel PET-Flaschen wieder recycelt werden. Europa und Ös­terreich können da eine Vorreiterrolle spielen. Für mich ist das das wichtigste Instru­ment in der Unterstützung des Klimaschutzes. Da kann die Wirtschaft sehr viel beitra­gen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 4. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.

09.26.34


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minis­ter! Nun haben Sie im Mittelstandsbericht explizit darauf hingewiesen, dass der Fach­kräftemangel eine der zentralen Herausforderungen ist und dass Sie dem auch mit einer Lehrlingsinitiative entgegenwirken wollen. Im September 2018 ist ja sozusagen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 20

ein Verbot erlassen worden, AsylwerberInnen eine Lehre beginnen zu lassen. Für wie zieldienlich halten Sie es, sie – wenn sie schon im Land sind – nicht eine Lehre begin­nen zu lassen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 92/M, hat folgenden Wortlaut:

„Im Vorwort des aktuell vorliegenden Mittelstandsberichtes weisen Sie auf den akuten Fachkräftemangel als zentrale Herausforderung hin und betonen dem Rückgang der Lehrlingszahlen entgegenwirken zu wollen. Inwiefern sind das am 12.09.2018 erlas­sene Verbot für Asylwerbende, eine Lehre in Mangelberufen zu beginnen, und die Ab­schiebung von Lehrlingen dabei zieldienlich?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke für Ihre Frage. – Ich stelle fest, dass es eine große Lobby in Ös­terreich für jene 1 000 Asylwerber gibt, die in einer Lehre sind. Leider gibt es kaum Für­sprecher für die 30 000 Asylberechtigten, die beim AMS gemeldet sind und hier sind, die wir zuerst in Beschäftigung bringen müssen. Wir haben uns daher als Regierung sehr intensiv beraten; wir wollen uns auf jene jungen Menschen und jene Menschen konzentrieren, die hier sind. Es sind – noch einmal – 30 000, die nicht in Beschäftigung sind, die hierbleiben dürfen und asylberechtigt sind, versus 1 000 Asylwerber, von de­nen ein Teil hierbleiben darf und ein anderer Teil eventuell nicht hierbleiben darf.

Ich möchte auch noch einmal genau hinschauen, wie sich diese 30 000 zusammenset­zen: Es sind 10 000 unter 25-Jährige, denen wir besonders eine Zukunft geben müs­sen. Wir müssen Ihnen eine Zukunft geben und müssen darauf achten, dass sie einen Job finden, egal, ob im Tourismus oder in anderen Bereichen. Deshalb haben wir die Jobbörse in Wien veranstaltet, wo wir Asylberechtigte und Firmen zusammenbringen. Die nächsten Jobbörsen sind am 9. Mai in Oberösterreich und danach auch in der Stei­ermark.

Die Lehrlingszahlen steigen generell, das ist ein gutes Zeichen. Das ist auch eine Mög­lichkeit, genau jene Asylberechtigten in Beschäftigung zu bringen. Darauf liegt unser Fokus. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schellhorn, bitte.


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Minister! Das ist nicht neu, denn wir hatten ja schon vor 2015 zum Beispiel Bezirke, in denen es über 300 offene Lehrstel­len und nur unter 20 Lehrstellensuchende gab. Das erwähne ich immer wieder auch gerne von meinem Heimatbezirk Bischofshofen.

Meine Frage war natürlich klar darauf abgezielt – und es wird Sie jetzt nicht überra­schen, dass ich eine logistische Frage dazu habe –: Wer schreibt Ihre Antworten? Das Kabinett oder die ÖVP? (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ich verstehe Ihre Frage nicht. Können Sie sie bitte erklären? (Heiterkeit bei den NEOS.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 21

Abgeordneter.


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Aber Sie wissen doch, dass es vor allem die Unternehmerinnen und Unternehmer schon über fünf Jahre hinweg beschäftigt, dass wir einen massiven Fachkräftemangel haben. Ich präzisiere es noch einmal: Der Wirt­schaftskammerpräsident hat letzten Sommer noch nichts von einem Fachkräftemangel gewusst und wird dahin gehend jetzt vor allem mit jenen Menschen umgehen müssen, die in diesem Land sind, die von Abschiebung bedroht sind, die auch einen Lehre ma­chen, weil sie sich integrieren wollen. Darum glaube ich, dass Ihre Antwort ideologisch und einer Wirtschaftsministerin nicht dienlich ist. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Jetzt verstehe ich Ihre Frage, danke. (Abg. Schellhorn: Ich habe es präzisiert!) Es geht um den Fachkräftebedarf in Österreich. Betreffend den Fachkräfte­bedarf in Österreich gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten, das hat oberste Priorität für mich.

Sie wissen ja, ich habe 22 Jahre Erfahrung in der Wirtschaft, also ich kann meine Ant­worten sehr gut selber schreiben und auch selber antworten. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

Aus meiner Erfahrung als CEO und nicht nur als Politikerin weiß ich, dass man da ver­schiedenste Ansätze haben muss. Man muss zum Beispiel wissen, dass wir 8 000 jun­ge Menschen in der überbetrieblichen Ausbildung haben, die eben nicht in Betrieben arbeiten. Es ist so, dass sehr viele schon viel früher auch in den Betrieben, wie in Ihrem Betrieb, arbeiten könnten; deshalb haben wir da einen Fokus auf die Charta Wir geben Zukunft gelegt, um jene überbetrieblichen Lehrlinge rascher in die Betriebe zu holen.

Wir haben 8 000 Leute da, wir haben 10 000 junge Menschen unter 25, also 18 000 jun­ge Menschen in Österreich, die nicht arbeiten. Ich habe eigene Programme, mit denen ich sie dabei unterstütze, dass sie diese Kluft überwinden können, dass sie integriert werden, mit Sprachkursen und so weiter. Also es ist wichtig, dass wir uns auf diese 18 000 konzentrieren und nicht immer so tun, als gäbe es diese nicht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Margreiter, bitte.


Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Auch ich möchte noch einmal auf die Asylwerbenden zu sprechen kommen, denn wenn es auch nur 1 000 Menschen sind, so sind es 1 000 wichtige Personen. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen den Abgeordneten Schellhorn und Höbart. – Präsident Sobotka gibt das Glo­ckenzeichen.) Im Februar 2019 veröffentlichten Universitätsprofessor Dr. Dr.h.c.mult. Fried­rich Schneider und Dr. Elisabeth Dreer, MSc eine Studie über die Kosten und Nutzen von Asylwerbenden in Lehre. Wenn Asylwerbende, die sich in Lehre befinden, abge­schoben werden, sind die für die Ausbildung anfallenden Kosten verloren und die zukünftige Wertschöpfung dieser Fachkräfte entfällt.

Zahlreiche Parteifreunde von Ihnen, zum Beispiel auch Ihr Amtsvorgänger Mitterlehner, haben sich gegen die Abschiebung von Lehrlingen ausgesprochen. Warum haben Sie, Frau Ministerin, entgegen medialen Ankündigungen die Abschiebung von Lehrlingen nicht gestoppt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke für Ihre Frage. – Ich habe damals sehr deutlich gesagt, dass wir prüfen werden, wie die rechtliche Lage ist. Nach einer sehr gründlichen Prüfung, die


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 22

wir als gesamte Regierung getätigt haben, haben wir festgestellt, wir konzentrieren uns auf jene, die hierbleiben dürfen.

Ich wiederhole noch einmal: Es sind 30 000 Asylberechtigte, die nicht beschäftigt sind, die hier sind; auf diese werden wir uns konzentrieren. Und auch auf jene 8 000 jungen Menschen, die in einer überbetrieblichen Lehre sind, von denen viele vielleicht schon in Betrieben arbeiten möchten, es aber nicht können, weil sie zum Beispiel noch keinen Praktikumsplatz haben.

Wir legen den Fokus hierauf, und ich würde mir – ich kann es nur wiederholen – wün­schen, dass jene, die hierbleiben dürfen, genauso eine Lobby hätten wie die 1 000 Asyl­werber, die noch keinen positiven Bescheid haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Martina Kaufmann. – Bitte.


Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin, auch von meiner Seite! Auch wenn es Herr Kollege Schellhorn und Frau Margreiter nicht verstehen: Mir als Unternehmerin ist es sehr, sehr wichtig, dass wir die Asylbe­rechtigten in die Unternehmen bringen, und zwar weil wir sie langfristig auch in unse­ren Unternehmen ausbilden und so aufbauen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie haben es schon angesprochen: Die nächsten Jobbörsen nach dem Start im Jänner in Wien werden in Oberösterreich und auch in meinem Heimatbundesland, in der Stei­ermark stattfinden.

Welche zusätzlichen Maßnahmen wird es geben, um auch die Unternehmen dabei zu unterstützen, gewisse Barrieren zu überwinden, um asylberechtigte Jugendliche in die Unternehmen zu bringen und dort auszubilden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke für Ihre Frage. – Wir haben festgestellt, dass die jungen Men­schen, vor allem jene 10 000, die hier sind, oft nicht wissen, wie sie Zugang zum Ar­beitsmarkt bekommen. Sie werden gut vom AMS unterstützt, aber wir wollen da noch zusätzliche Maßnahmen setzen. Bei diesen Jobbörsen werden Win-win-win-Situa­tionen hergestellt – sowohl für die Menschen, die sich bewerben und für die es gut ist, jeden Bewerbungsprozess zu durchlaufen; für die Unternehmen, die plötzlich auch viel mehr Zugangsmöglichkeiten erkennen und die Chancen erkennen; und natürlich auch für uns als Republik und für die Steuerzahler, weil hier eindeutig eingespart wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 5. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Ross­mann. – Bitte.

09.35.02


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Ministerin! Die digitale Trans­formation bringt sicher positive Effekte und Chancen für Österreich und andere Volks­wirtschaften mit sich, aber es entstehen auch zahlreiche Risiken am Arbeitsmarkt. Im Mittelstandsbericht, gleich einleitend, gehen Sie auf einige dieser Risiken am Arbeits­markt ein, nämlich auf die mit der digitalen Transformation verbundene zunehmende Plattformarbeit, das sogenannte Crowdworking, aber auch auf Minijobs.

Weiters wird im Mittelstandsbericht auch sehr deutlich auf die negativen Effekte hinge­wiesen, die mit diesen neuen Formen der Arbeit und insbesondere mit der damit ein­hergehenden Flexibilität verbunden sind. In der Praxis bedeutet dies für die prekär Be­schäftigten – und das sind prekär Beschäftigte –, dass sie auf Abruf bereitstehen müs­sen, teilweise sogar über 24 Stunden hinweg, im Regelfall schlecht bezahlt sind, keine feste Anstellung haben und vielfach auch keine Sozialversicherung haben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 23

Daher meine Frage an Sie, Frau Ministerin:

103/M

„Welche konkreten Maßnahmen sind seitens der Regierung geplant, um der im Mit­telstandsbericht thematisierten zunehmenden Entgrenzung der Arbeit“ – so nennen Soziologen dieses Phänomen – „sowie der unzureichenden sozialen und rechtlichen Absicherung von Beschäftigten in einer digitalisierten Arbeitswelt, insbesondere der Plattformarbeit, zukünftig entgegenzuwirken?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ich habe mir in der Vorbereitung sehr genau angeschaut, wie die Si­tuation betreffend diese Crowdworker, wie man sie auch nennt, ist, und ich habe eine Studie aus dem Jahr 2016, auf die ich mich beziehe, die im Auftrag der Arbeiterkam­mer Wien erstellt wurde. Diese zeigt ganz klar, dass 98 Prozent der Crowdworker die­se neue Arbeitsform zum Zusatzverdienst nutzen. Das ist eine wichtige zusätzliche In­formation, die uns auch hilft, besser zu verstehen, wer diese Personen sind. Im Falle Österreichs sind es vor allem IT- und hoch spezialisierte Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, die zum überwiegenden Teil in einem Anstellungsverhältnis sind und eben zu 98 Prozent noch Zusatzverdienste aus dieser Tätigkeit haben. Ich selbst habe in der Praxis auch immer wieder gesehen, dass das genutzt wird.

Was müssen wir also tun? – Wir müssen erstens schauen, dass für die digitale Trans­formation das IT-Know-how, das digitale Know-how entsprechend steigt – wir haben hierfür die Plattform Fit4Internet gegründet, mit der wir Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern der Unternehmen helfen, ihr digitales Know-how zu steigern –, und zweitens wird es Digital Pro Bootcamps geben; auch das in Kombination Leitbetriebe und mittelstän­dische Unternehmen.

Betreffend arbeitsrechtliche Entwicklungen möchte ich auf Kollegin Hartinger-Klein ver­weisen. Ich sehe betreffend dieses Thema eine gewisse Herausforderung, diese ist aber in Österreich nicht so groß wie vielleicht in anderen internationalen Märkten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Rossmann, bitte.


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Sie sind jetzt nicht auf die mit diesen Arbeitsformen verbundenen Nachteile der Flexibilisierung eingegangen. Da haben Sie auf Frau Ministerin Hartinger-Klein verwiesen. Wir haben aber vor wenigen Monaten im Zusammenhang mit der Flexibilisierung hier im Hohen Haus einen Beschluss gefasst – wir nicht, aber die Regierungsfraktionen – betreffend die Erhöhung der Höchstarbeits­zeit auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche.

Steht das nicht im Widerspruch zu dieser Entgrenzung der Arbeit und der damit ein­hergehenden Flexibilisierung?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Nein, also ich sehe keinen Widerspruch. Wir haben den Bedarf nach neuen Formen der Arbeit abgedeckt, und zwar mit der Möglichkeit, sich flexibel stärker einzuteilen, wie man arbeiten möchte. Die Arbeitswelten haben sich stark verändert, Menschen sind im Projektgeschäft, Menschen sind im Vertrieb tätig, Menschen arbei­ten in kreativen Jobs. Wenn man in der Industrie arbeitet, ist das in fast hundert Pro­zent der Fälle in einer Regelung zwischen vertretendem Betriebsrat und dem Unter­nehmen entsprechend anders abgedeckt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 24

Wir haben eine generelle Regelung geschaffen, die die Lage vor allem der klein- und mittelständischen Betriebe und der Mitarbeiter dort erleichtert. Einen unmittelbaren Zu­sammenhang zum Thema der Digitalisierung im Sinne von mehr Crowdworking durch Flexibilisierung der Arbeitszeit sehe ich nicht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Lintl, bitte.


Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! In Österreich hat eine ausgezeichnete Ausbildung für Fachkräfte eine lange Tradition. Das Modell der dualen Ausbildung wird immer wieder kopiert und im Ausland gelobt, trotzdem bekla­gen zahlreiche Firmen einen Fachkräftemangel.

Welche Maßnahmen setzen Sie, Frau Minister, um Lehrberufe wieder attraktiver zu ma­chen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke schön. – Ich freue mich ganz besonders, dass die Lehrlings­zahlen wieder steigen. Die Lehranfängerzahlen steigen wieder, seitdem wir ein stär­keres Augenmerk darauf richten, und das ist sicher ein gemeinsamer Erfolg, auch ge­meinsam mit den Betrieben.

Wie schauen diese Zahlen aus? – Per Ende Februar sind die Zahlen generell gestie­gen: die Zahl der Lehrlinge in Unternehmen um 2,7 Prozent, die Zahl der Lehranfänger sogar um 4,7 Prozent. Einen besonders großen Anstieg sehen wir bei der Zahl der Lehr­linge in den Unternehmen, und das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Was wir geschaffen haben, ist eine Screeningstelle, ein Screening der Lehrberufsland­schaft. Wir schauen uns alle Lehrberufe sehr genau an, bis zum Jahresende sollen die­se gescreent und das mit neuen Inhalten gefüllt werden, denn ich glaube, dass heute jeder Maurer, jeder Bäcker, jeder Tischler ganz stark digitale Inhalte braucht. Ich weiß das aus eigener Erfahrung; in meiner Familie gibt es den einen oder anderen Tischler, Techniker oder die eine oder andere Technikerin, und die zeigen mir ganz klar auf, dass es mehr Digitalisierung braucht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 6. Anfrage, jener der Abgeord­neten Niss. – Bitte.

09.41.29


Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Österreich ist ein Hochlohnland. Wir werden nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn wir jetzt die richtigen Maßnahmen ergreifen, um unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand abzusichern.

Forschung, Technologie und Innovation haben dank dieser Regierung zum ersten Mal wieder einen hohen Stellenwert. (Zwischenruf des Abg. Plessl. – Abg. Höbart – in Rich­tung Abg. Plessl –: Die Regierung ist gut unterwegs!) Es wird gerade ein Pakt für For­schung erarbeitet, der für eine langfristige Planbarkeit in diesem Bereich sorgen soll.

98/M

„Wie wird sich das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort in die von der Bundesregierung angekündigte Strategie für Forschung, Technologie und In­novation [...] einbringen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ja, das ist uns sehr wichtig, weil wir, mein Ministerium, auch für die an­gewandte Forschung zuständig sind. Wir sind auf Platz zwei in Europa und liegen nur


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 25

hinter Schweden. Vor allem die Erhöhung der Forschungsförderungsprämie auf 14 Pro­zent, die wir gleich am Anfang unserer Regierungstätigkeit beschlossen haben, trägt hierzu natürlich viel bei.

Was tun wir? – Wir bringen uns sehr stark in die neue FTI-Strategie ein, und zwar da­hin gehend, dass die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird, dass Forschung in Unterneh­men getätigt wird, was von Vorteil ist. Was wir auch wollen, ist die langfristige Bere­chenbarkeit. Wir wollen die Programme längerfristig anlegen und nicht so kurzfristig, denn das brauchen die Unternehmen, sie brauchen diese Berechenbarkeit.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sie haben es schon angespro­chen, die Forschungsprämie ist ein sehr wichtiger Faktor für Österreich, nicht nur, um die Forschung und Entwicklung in Österreich auszubauen, sondern auch, um Investi­tionen nach Österreich zu holen; man denke dabei nur an die Milliardeninvestitionen von Boehringer und Infineon, die insgesamt knapp 1 500 Arbeitsplätze schaffen wer­den. Diese Prämie wird aber immer wieder von vielen Seiten kritisiert.

Wie stehen Sie dazu?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Die Prämie ist ein wichtiger Entscheidungsfaktor für die Investition, fast noch wichtiger als etwa ein KÖSt-Steuersatz. Wir sehen das vor allem im Life-Science-Bereich, wir sind diesbezüglich ein Zentrum, vor allem der internationalen Pharmain­dustrie. Meine Aufgabe ist es, das noch viel bekannter zu machen. In der Vergangen­heit hat man das versäumt, deshalb bewerbe ich das, wo immer ich bin, wie immer ich kann, und spreche die individuellen Branchen gezielt an, denn die internationale IT- und Telekombranche nutzt dies zum Beispiel viel zu wenig.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Yılmaz, bitte.


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Welche finanziel­len Mittel werden von Ihrem Ressort den Förderagenturen AWS, Austria Wirtschafts­service, und FFG, Forschungsförderungsgesellschaft, in den Budgetjahren 2019 und 2020 zur Umsetzung der Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie zur Ver­fügung gestellt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke für Ihre Frage. – Wir haben Mittel von 100 Millionen Euro pro Jahr, die wir in diesem Bereich in die angewandte Forschung investieren. AWS und FFG – Sie haben es erwähnt – sind sehr wichtige Agenturen, die wir auch weiter stär­ken wollen. Die Erkenntnis der letzten eineinhalb Jahre ist, dass wir nicht unbedingt mehr Mittel brauchen, das sagen uns auch die Unternehmen, wir müssen sie nur effi­zienter einsetzen und wir müssen sie schneller zu den Unternehmen bringen.

Der Dschungel der manchmal unbekannten Förderung ist vor allem für kleinere Unter­nehmen sehr, sehr groß, und wir haben deshalb eigene Institutionen und eigene Pro­zesse eingerichtet. Zum Beispiel kann man beim AWS seit Kurzem seine Idee pitchen, das sind die jungen und kleinen Unternehmen gewohnt. Sie gehen hin und präsentie­ren sich, so wie sie es kennen, in 2 Minuten. Alle relevanten Stakeholder sind dort und beraten. Beim Rausgehen hat das Unternehmen in seiner Inbox, per E-Mail, sofort ei­nen Vorschlag und ein Paket. Das heißt nicht, dass es sofort genehmigt wird, aber das ist viel schneller geworden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Frage stellt Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.

09.45.42



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 26

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin. Die Automobilin­dustrie unterliegt einem Strukturwandel, etwa mit dem Umstieg auf alternative Antriebs­formen oder aufgrund des geänderten Mobilitätsverhaltens. Aktuell wird in der Branche der Sparstift angesetzt. Volkswagen-Chef Herbert Diess erklärte beispielsweise vor Kurzem, dass in den nächsten fünf Jahren bei der Kernmarke VW im Pkw-Bereich 5 000 bis 7 000 Stellen abgebaut werden. In Deutschland zählt man in der Automobilin­dustrie derzeit 800 000 Arbeitsplätze, 10 bis 15 Prozent könnten in naher Zukunft ver­loren gehen. Die österreichische Zulieferindustrie ist eng mit der deutschen Automobil­industrie verflochten, die Konjunkturprognosen werden laufend nach unten revidiert.

Meine Frage hierzu: Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Strukturwandels und der aktuellen Prognoseentwicklung der deutschen Automobilbranche auf die österreichi­sche Wirtschaft, insbesondere auf die Zulieferindustrie, ein, und welche Maßnahmen halten Sie für brauchbar, um negative Auswirkungen auf die Beschäftigung in Öster­reich abzufedern?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 101/M, hat folgenden Wortlaut:

Welche Maßnahmen halten Sie für brauchbar, um negative Auswirkungen des Struk­turwandels der deutschen Automobilbranche auf die Beschäftigung, insbesondere in der Zulieferindustrie, in Österreich abzufedern?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ja, es ist eine Entwicklung, dass das Wachstum etwas zurückgeht, ich möchte aber schon auch darauf hinweisen, dass die Wirtschaft in Europa das siebte Jahr in Folge wächst. Sie wächst nicht mehr so schnell, und vielleicht ist das in dem einen oder anderen Fall auch etwas besser, wenn wir sehen, wie überhitzt die Märkte teilweise sind und wie schwer es ist, entsprechendes Fachpersonal zu finden und Auf­träge überhaupt anzunehmen. Das Gute ist, sie wächst noch, und auch die mittelstän­dische Wirtschaft ist zu 91 Prozent positiv gesinnt, und die macht ja 99,8 Prozent unse­rer Wirtschaft aus.

Ja, die Automobilindustrie ist uns sehr wichtig, darum schaffen wir diese Rahmenbe­dingungen, setzen wir Maßnahmen wie etwa die Einführung der Flexibilisierung der Ar­beitszeit; wir planen, die Steuern zu senken, wir planen, die Lohnnebenkosten zu sen­ken. Das alles wirkt sich auch auf die Automobilindustrie aus, und da einen Rahmen und Rahmenbedingungen zu schaffen, ist für diese natürlich genauso wichtig wie für die anderen.

Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass man sehr schnell neue Märkte erschließt und beste­hende absichert. Das heißt, gerade für die Automobilindustrie sind Handelsabkommen wesentlich, auch das mit den USA, deshalb drängen wir auf ein rasches Abkommen und ein gutes Abkommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Ist Österreich aus wirtschaftspolitischer Sicht ausreichend auf den angesprochenen Strukturwandel, etwa durch das Förderpro­gramm im Bereich der E-Mobilität, vorbereitet, und welche weiteren Maßnahmen pla­nen Sie als Wirtschaftsministerin, um einen gerechten Übergang in eine entkarboni­sierte Wirtschaft sicherzustellen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 27

Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Die bestehenden Fördermaßnahmen sind wichtig und richtig für den ös­terreichischen Standort. Wir werden in Zukunft natürlich gemeinsam mit den Unterneh­men alle Chancen für die Elektromobilität nutzen, deshalb auch das Standortentwick­lungsgesetz, um beispielsweise den Umstieg auf umweltfreundliche Energien zu er­möglichen, wie es Niederösterreich vorgelebt hat. Es ist also ein Gesamtprozess, in dem wir zu jedem Zeitpunkt die richtigen Schritte setzen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Höbart, bitte.


Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Guten Morgen, Frau Wirtschaftsministe­rin. Ja, wir erkennen, dass der deutsche Konjunkturmotor zu stottern scheint. Im Be­reich der Industrie gibt es jetzt eine Delle, aber auch wir sehen es so, dass nach Jahren des Wachstums, nach einer sehr gedeihlichen Wirtschaftsentwicklung auch ein­mal eine Delle entstehen kann. Man muss auch feststellen, dass die Inlandsnachfrage, der Binnenmarkt in Deutschland nach wie vor sehr stark ist, daher gehen auch wir von einer Konjunkturdelle und nicht von einer nachhaltigen Wirtschaftsschwächung aus.

Was Österreich betrifft, sehen wir, dass wir besser aufgestellt sind, vor allem besser als unser deutscher Nachbar. Wir orientieren uns auch sehr stark Richtung Osten, und dort boomt die Wirtschaft. Dennoch ist es für uns natürlich entscheidend, weitere In­vestitionen nach Österreich zu holen.

Dazu die konkrete Zusatzfrage: Welche Maßnahmen und Anreize setzen Sie, um aus­ländische Investitionen nach Österreich zu holen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke. – Ein wichtiges Mittel dafür ist die Austrian Business Agency, die wir weiter stärken. Diese hat im vergangenen Jahr 355 Ansiedelungen von Unterneh­men betreut; es wurden dadurch 3 000 neue Arbeitsplätze in Österreich geschaffen und Investitionen in Höhe von 700 Millionen Euro getätigt. Deshalb ist es mir sehr, sehr wichtig, die ABA weiter zu stärken und auch auszubauen, und zwar nicht nur dahin gehend, Investitionen nach Österreich zu holen, sondern auch hinsichtlich Konzentra­tion auf das Thema Fachkräfte, das ein sehr dringendes für die Unternehmen ist.

Unsere Zielmärkte sind asiatische Märkte, da setzen wir besondere Schwerpunkte. Die ABA organisiert gemeinsam mit uns jedes Jahr Invest in Austria; da wurden in den vergangenen eineinhalb Jahren über 200 CEOs und Entscheidungsträger eingeladen, hierher zu kommen, sich vor Ort ein Bild zu machen und in Österreich zu investieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Loacker, bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es wird oft über die Gefahren durch den Strukturwandel und die wegfallenden Arbeits­plätze aufgrund der Digitalisierung geklagt.

Welche im Strukturwandel und in der Digitalisierung liegenden Chancen – im Konkre­ten für die Beschäftigung – sehen Sie?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Es zeigen sich ganz deutliche Chancen. Es entstehen neue Jobs, die neuen Lehrberufe sind gute Beispiele dafür: E-Commerce-Trader, E-Commerce-Kauf­mann/-frau, oder Applikationsentwickler – Coding. – Also ja, es gibt eine Veränderung im Jobprofil. Wir müssen sicherstellen, dass wir alle auf diesem Weg mitnehmen, und das tun wir mit unserer Plattform Fit4Internet.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 28

Eine weitere Chance liegt in unseren Innovationen, in unserer Innovationskraft. Es wer­den nicht jene Länder und Märkte voran sein, die die besten Schutzzölle haben, son­dern jene Länder, die am meisten in Forschung und Entwicklung investieren, in die In­novationen. Das tun wir, darum sind wir auch die Nummer zwei in Europa und wollen das auch noch ausbauen. Bei der Digitalisierung müssen wir zu den Topländern auf­schließen. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 8. Frage stellt Herr Abgeordneter Kasseg­ger. – Bitte.

09.52.18


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesmi­nister! Es ist ja unbestritten, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation gibt, insoweit als das Bereiche sind, die auch die Basis für wirtschaftlichen Erfolg darstellen. Das Thema Forschung und Innovation funktioniert ja bei Großunternehmen auch aufgrund der infrastrukturellen Vorausset­zungen sehr, sehr gut. Wir haben – das ist jetzt schon mehrmals erwähnt worden – in Österreich die besondere Situation, dass 99 Prozent der Unternehmen nach EU-Defi­nition klein- und mittelständische Unternehmen sind.

Meine ganz konkrete Frage lautet:

95/M

„Welche Maßnahmen setzt das BMDW, um die Bewusstseinsbildung für Forschung und Innovation, insbesondere im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen, zu stärken?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herzlichen Dank. – Das ist ein ganz besonderer Punkt, und am besten schauen wir uns an, wie viel die Forschungsförderungsgesellschaft als eine wichtige Agentur für die KMUs ausgegeben hat: Von den insgesamt 377 Millionen Euro sind 182 Millionen Euro an Förderung an die KMUs gegangen, das sind 48 Prozent.

Zu den Mitteln, die wir haben, zum Beispiel die Christian-Doppler-Labors: Ein Chris­tian-Doppler-Labor ist so aufgesetzt, dass wir und die Unternehmen die Kosten teilen. Die KMUs werden da bessergestellt als die größeren Unternehmen, indem sie 60 Pro­zent anstatt 50 Prozent erstattet bekommen.

Auch das Programm Coin, Cooperation & Innovation, hat einen besonderen Schwer­punkt auf Technologie- und Innovationstransfers für Mittelständische.

Der Innovationsscheck ist ein Instrument, das für Mittelständische geschaffen worden ist. Sie bekommen eine Förderung in Höhe von bis zu 10 000 Euro – das ist speziell für sie zugeschnitten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Der Bereich der Digitalisierung ist in einer Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ein enorm wichtiger Bereich. Diese Bundesre­gierung hat das ja auch erkannt und diesem Thema einen ganz besonderen Stellen­wert zugewiesen, äußeres Zeichen ist insbesondere auch der Name Ihres Ministeri­ums – Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Auch hinsichtlich der KMUs haben wir ähn­liche Aufgabenstellungen.

Meine konkrete Zusatzfrage: Welche Maßnahmen haben Sie in Ihrem Ministerium ge­setzt, um insbesondere das Thema Digitalisierung im Bereich der klein- und mittelstän­dischen Unternehmen voranzutreiben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 29

Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Wir haben die Digitalisierungsagentur gegründet. Die DIA ist speziell da­rauf ausgerichtet, vor allem mittelständische Unternehmen zu unterstützen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Frage, was sie tun sollen, sondern auch im Dialog, um Ängste auszuräumen.

Ganz konkret aber sind Projekte wie die Innovation Hubs, die gerade in Ausschreibung sind. Innovation Hubs soll es in allen Bundesländern geben, sodass die klein- und mit­telständischen Unternehmen dazu leicht Zugang haben. Ein Beispiel: Ein Glocken­bauer in Innsbruck will Zugang zu 3D-Printing. Er geht zum Innovation Hub und be­kommt dort die Unterstützung, um die richtigen Partner und Kontakte zu finden.

Das Zweite sind die Digital Pro Bootcamps; das sind Ausbildungen speziell für die Mit­arbeiter in mittelständischen Unternehmen mit Schwerpunkt Digitalisierung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 9. Frage stellt Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.

09.55.47


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Guten Morgen, Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Wir wissen, dass gerade für Start-ups und junge Unternehmen das Umfeld, das Biotop sozusagen, das man bereitstellt, etwas ganz besonders Wich­tiges ist, dementsprechend müssen wir darauf schauen, dass wir anschlussfähig zu den anderen europäischen Staaten sind. Wir wissen, dass wir, was beispielsweise Fi­nanzierungen und Venturecapital betrifft, weit hinter den anderen europäischen Staa­ten liegen. Ich glaube, in Österreich waren es 2018 rund 200 Millionen Euro, in Deutsch­land 5 Milliarden Euro; da sieht man durchaus eine Diskrepanz.

Jetzt lautet meine Frage:

93/M

„Im jüngsten Mittelstandsbericht bekräftigen Sie, dass, wie im Regierungsprogramm angekündigt, die GIN-Initiative (Global Incubator Network) umfassend ausgebaut wer­den soll. Welche konkreten Maßnahmen sind für diesen Ausbau geplant und wie wird ihr Einfluss auf die Standortverbesserung evaluiert?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke schön. – Das Global Incubator Network, das GIN-Programm, hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Es ermöglicht kleinen österreichischen Start-ups in verschiedene Länder zu gehen, wie zum nach Beispiel Israel.

Unser Hauptfokus liegt im Moment darauf, vor allem in China Fuß zu fassen, den Start-ups zu ermöglichen, dort Zugang zu bekommen. Man spricht da den Zentralraum rund um Shanghai an, das ist im Wesentlichen der Schwerpunkt. Für die Start-up-Szene oder die Start-up-Unternehmen werden wir in nächster Zeit auch ein Start-up-Paket vorsehen, das sie unterstützen soll.

Zu den Verbesserungen bei den Finanzierungen: Da teile ich Ihre Ansicht, da müssen wir stärker werden. Die Start-ups konnten im letzten Jahr mehr Kapital anziehen, aber mit unserem Start-up-Paket, das in nächster Zeit kommt, wollen wir sie noch stärker unterstützen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Was da natürlich auch hi­neinspielt, ist das Thema Standort in Österreich, und das betrifft nicht nur Start-ups, sondern generell alle Wirtschaftsbetriebe. Wir haben da nach wie vor – ich würde fast


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 30

sagen – ein Bürokratiemonster, wenn man sich anschaut, wie lange eine Unterneh­mensgründung in Österreich dauert, nämlich 28 Tage. In anderen EU-Staaten, wie bei­spielsweise in Estland, sind es zwei Tage. Da besteht eine enorme Diskrepanz.

Was sind die konkreten Schritte, die Sie diesbezüglich planen? Bisher ist von dieser Bundesregierung dazu noch sehr wenig gekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sehr konkrete Schritte sind, dass wir zum Beispiel das Digitale Amt eingeführt haben, das den Österreicherinnen und Österreichern eine Million Amtsstun­den erspart, und natürlich verbrauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Stun­den auch nicht, weil sie nicht auf ein Amt gehen müssen – also diese Flexibilisierung mit dem Digitalen Amt nützt den Unternehmen.

Ein zweites großes Projekt nennt sich Once Only, das heißt, Daten werden nur einmal erfasst. Wir arbeiten konkret an diesem umfassenden IT-, rechtlichen und kulturellen Projekt für Österreich. Aus meiner Sicht ist es wahrscheinlich das wichtigste Projekt, das wir hinsichtlich Deregulierung für mittelständische und alle Unternehmen umset­zen. Das bedeutet, wir wollen nicht, dass jedes Unternehmen immer und immer wieder die gleichen Informationen geben muss, das kostet die Wirtschaft im Jahr 4 Milliarden Euro; Unternehmen müssen 230 Millionen Meldungen pro Jahr machen. Wenn wir es durch ein sehr kluges IT-Projekt, gleichzeitig mit einer Änderung der rechtlichen Lage, schaffen, dass Informationen nur einmal gegeben werden müssen, haben wir gewon­nen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße die Schülerinnen und Schüler der BHAK Wien 10 recht herzlich auf der Galerie. Wir sind gerade bei der Fragestunde mit Ministerin Schramböck, und die Abgeordneten fragen abwechselnd ihre Themen ab. – Herzlich willkommen hier! (Allgemeiner Beifall.)

Die 10. Frage stellt Frau Abgeordnete Cox. – Bitte.

09.59.35


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Guten Morgen! Sehr spannend, dass Sie gerade das Digitale Amt mit dem Gründen in Ver­bindung gebracht haben, dass sie das im Zusammenhang mit Unternehmen anführen, denn so wie ich es verstanden habe, wurde das Digitale Amt eingerichtet für Behör­dengänge rund um die Geburt eines Kindes, man kann seinen Wohnsitz ummelden, man kann Wahlkarten beantragen. Also es gab die Präsentation, und man hat schon Zugriff darauf.

Die Frage, die ich hier stelle, lautet:

104/M

„Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung haben Sie eingesetzt, um sicherzustellen, dass das ,digitale Amt‘ für alle Bürgerinnen und Bürger verlässlich zugänglich ist?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herzlichen Dank für Ihre Frage. – Das Digitale Amt hat auch Punkte, die für Unternehmen sehr interessant sind. Zum Beispiel sind das Unternehmensservice­portal und auch das Rechtsinformationssystem integriert, nämlich als einfache Such­funktionen, die man dann immer in der Hosentasche mit dabeihaben kann, oder auch der Strafregisterauszug. Es sind also Teile dabei, die für Unternehmen sehr interessant sind.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 31

Wir haben auf 20 Jahre Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen bei help.gv.at aufge­baut, die uns sehr geholfen haben, da eine sehr gute Weiterführung zu machen. Wir haben ein eigenes Testteam gehabt, das laufend überprüft hat, Bürgerinnen und Bür­ger haben uns immer wieder Feedback gegeben, und zu Sicherheitsaspekten haben wir die Experten von der TU Graz, von A-SIT und von Egiz – also beste Experten – mit­einbezogen.

Wir verwenden die Handysignatur, die 1,1 Millionen Österreicherinnen und Österrei­cher schon haben. Dabei wird etwas Bewährtes benutzt, das schon weitverbreitet ist, für die unterschiedlichsten Anwendungen. Die Qualität wird immer dadurch sicherge­stellt, dass wir Feedback der Bürgerinnen und Bürger einholen. Es wird immer wieder Releases geben. Wir werden immer wieder Anpassungen machen, um es noch konsu­menten- und nutzerfreundlicher zu machen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abge­ordnete.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Wenn da zur Qualitätssicherung beigetra­gen wurde, wie kann es dann sein, dass beispielsweise bei vielen Android-Smart­phones die Anmeldung per App nicht funktioniert? Andere NutzerInnen berichten von Log-in-Abbrüchen, Abstürzen der App; Support- und Hilfsthemen sind nicht in der App integriert. Außerdem funktioniert das Log-in per App nur in Kombination mit Touch ID beziehungsweise Face ID. Damit schließt man ja die User aus, deren Smartphone kei­ne Finger- und Gesichtserkennungsfunktionen haben. Wie gehen Sie mit dem Feed­back um, das Sie dazu bis jetzt bekommen haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Touch ID und Face ID – sprich: eine zusätzliche Erkennung – dienen der Sicherheit. Es handelt sich hier nicht um eine ganz normale App. Sie können diese App auch ohne die zusätzlichen Sicherheitskriterien nutzen, dann können Sie aber auch die Informationen bekommen, wenn Sie ins Web gehen. Im Web sind alle Infor­mationen zugänglich.

Wenn Sie aber einen wirklichen Behördengang machen wollen, brauchen Sie eine zweifache Identifizierung. Diese ist Ihr Kennwort für die Handysignatur und eine zu­sätzliche Touch ID. Alles andere wäre nicht sicher genug gewesen.

Zu den unterschiedlichen Anbietern im Android-Bereich: Bei Launches von Applika­tionen treten immer wieder Themen zutage, weil sehr viele ältere Endgeräte auf dem Markt sind. Da geht Sicherheit vor. Darum haben wir alles nicht nur über die App zur Verfügung gestellt, sondern auch über das Web, wo das mobile Endgerät dann keine Rolle spielt. Also ich kann heute sagen: Jeder, der einen Internetzugang hat, hat Zu­gang: der eine mobil, der andere über das Web.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Weidinger.


Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesministerin! Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, braucht es Hardware und Software, sowohl den Ausbau des Glasfasernetzes als auch jenen von 5G. Wir freuen uns sehr darüber, dass es gelungen ist, jetzt als Pilotprojekt 17 Ge­meinden österreichweit auszustatten. In Kärnten sind es zwei, Lendorf und meine Hei­matgemeinde Villach.

Andererseits brauchen wir Software. Dank Ihres privatwirtschaftlichen Hintergrunds haben Sie ja auch die Lehrberufe digitalisiert, wie im Bereich Coding, und Sie digita­lisieren die staatlichen Dienstleistungen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 32

Meine konkrete Frage: Welche weiteren Services wird es im Bereich des Digitalen Amtes heuer noch geben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke für Ihre Frage. – Mitte des Jahres wird es eine neue große Welle geben, dann wird man nämlich auch die Ummeldung des Zweitwohnsitzes durchführen können. Im Moment ist es im Wesentlichen der Hauptwohnsitz.

Weiters wird es Mitte des Jahres eine sehr interessante und praktische Möglichkeit ge­ben: Wenn man Dokumente verliert, wird man den Verlust über die Web- oder die App-Lösung melden und neue Dokumente beantragen können. Wir werden den Chatbot auch weiter ausbauen.

Am Ende des Jahres beziehungsweise Anfang nächsten Jahres sollen dann noch Füh­rerschein und Zulassungsschein dazukommen, und Anfang nächsten Jahres kommt noch etwas sehr Wichtiges hinzu. Es ist jetzt schon integriert, wird aber erst am 1.1. nächsten Jahres wirklich schlagend, nämlich MeinPostkorb. Damit kann ich mir Kom­munikation über Bescheide et cetera, die auf der Basis von Bundesgesetzen bestehen, jederzeit in meinen digitalen Postkorb legen lassen.

Auch jetzt sind schon ganz viele andere Funktionen vorhanden. Ich möchte vor allem auf die Suchfunktion verweisen: Wir suchen über vier Register gleichzeitig, und man muss nicht mehr wissen, wo man genau sucht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Neubauer.


Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Bundes­ministerin! Gestatten Sie mir, dass ich Ihren Fokus auf die Personengruppe der Se­nioren lege. Die Senioren stehen Neuerungen durchaus offen gegenüber. Tatsache ist aber, dass sie natürlich auch sehr kritisch sind, wie zum Beispiel die Umstellung von analog auf digital beim ORF gezeigt hat. Dazu hat es sehr viele kritische Stimmen ge­geben. Es ist natürlich auch eine Frage der Sicherheit, die immer damit verbunden ist, die den Menschen naturgemäß sehr wichtig ist.

In Anlehnung daran, was Kollegin Cox Sie schon gefragt hat, erlaube ich mir, folgende Frage an Sie zu richten: Welche Sicherheitsmaßnahmen in der Qualitätssicherung ha­ben Sie eingesetzt, um sicherzustellen, dass das Digitale Amt für Senioren verlässlich und sicher zugänglich ist?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Wir haben dieselben Sicherungsmaßnahmen sichergestellt, die wir für alle Österreicherinnen und Österreicher haben, das heißt eine Identifikation über die Handysignatur und ein weiteres Sicherheitskriterium. Wir haben auch sichergestellt, dass man es eben nicht nur über das mobile Endgerät machen kann, sondern auch, wie man es gewohnt ist, über das Notebook oder den PC.

Was mir auch wichtig ist: Es ist auch sichergestellt, dass jeder weiterhin auf das Amt gehen kann. Das heißt, man entscheidet selbst, wie man mit dem Amt in Kontakt treten will. Man muss es nicht digital nutzen, man kann weiterhin aufs Amt gehen. Das ist, glaube ich, gerade für unsere Seniorinnen und Senioren ein sehr wichtiger Punkt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir Kaffee Digital eingeführt haben. Das ist ein österreichweites Schulungsangebot, mit dem wir gerade der Generation 60 plus mehr Zugang zum Internet geben, mehr Möglichkeiten im Internet zeigen wollen. Wir haben bereits über Tausend Seniorinnen und Senioren geschult und gehen jetzt auf Tour mit


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 33

mindestens 45 Stationen in ganz Österreich, um ihnen auf diesem Weg zu helfen und sie zu dabei zu unterstützen, auch mit ihren Enkelkindern gut kommunizieren zu kön­nen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 11. Anfrage. – Frau Abgeord­nete Eva-Maria Himmelbauer, bitte.

10.07.27


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Man merkt schon in der Fragestunde, dass das Thema Digitalisierung ein sehr aktuelles ist und fortlaufend diskutiert wird. Wir merken, dass Digitalisierung ein fortlaufender Prozess ist. Ihr persönlicher Anspruch wie auch unser Anspruch ist es, möglichst viele auf diesen Weg mitzunehmen. Wir wissen, dafür brauchen wir Maß­nahmen. Das beginnt bereits bei den Bürgerinnen und Bürgern, beispielsweise durch Vermittlung von Grundkenntnissen, damit sie eben die Technologie an sich nutzen können und somit die Services und Leistungen, die das Internet, die Digitalisierung bie­ten, in Anspruch nehmen können.

Ein wichtiger Themenbereich betrifft aber auch die KMUs. Wir wollen natürlich, dass sie, langfristig gesehen, wettbewerbsfähig sind. Die Verwaltung geht natürlich auch da einen wichtigen Schritt. Sie haben heute schon das Thema Digitales Amt angespro­chen.

Die Frage, die ich Ihnen in diesem Zusammenhang stellen möchte, lautet:

99/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um die Bevölkerung und die Klein- und Mittelunter­nehmen an der Digitalisierung der Verwaltung – welche laut Regierungsprogramm ein zentrales Thema ist – teilnehmen zu lassen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ganz wichtig ist, dass wir da auf digitale Kompetenzen beziehungswei­se auf deren Aufbau setzen. Das beginnt eben bei der Überarbeitung der Lehrberufe, der Schaffung neuer digitaler Lehrberufe wie zum Beispiel Coder/Coderin oder E-Com­merce-Kaufmann/-Kauffrau.

Das geht weiter mit der Unterstützung durch unsere Plattform Fit4Internet, die wir im Schulterschluss mit der Wirtschaft gegründet haben und über die wir Schulungsmög­lichkeiten anbieten, und zwar nicht nur für die Generation 60 plus, wie vorhin erwähnt. Diese Plattform arbeitet auch an einem digitalen Selfcheck, vor allem für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in mittelständischen Unternehmen. Sie sollen Zugang zu densel­ben Möglichkeiten wie Mitarbeiter in Großunternehmen haben: zuerst einen digitalen Selfcheck und dann einen offenen Zugang zu digitaler Bildung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Ministerin, wie gesagt, Sie haben heute schon sehr viel über das Digitale Amt gesprochen. Ich darf zu diesem europäischen Leuchtturmprojekt ganz herzlich gratulieren. Einerseits erleichtert das Digitale Amt den Zugang zu Behördenwegen, andererseits bietet die Digitalisierung na­türlich auch Möglichkeiten, um eine Effizienzsteigerung im Verwaltungsbereich umzu­setzen.

Daher auch meine Frage in diese Richtung: Welche Digitalisierungsprojekte werden innerhalb der Verwaltung gesetzt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 34

Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ein ganz wichtiges Projekt ist das Digitale Amt. Das ist nicht die App, sondern da geht es um eine Koordination und Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Da hatten wir vor kurzer Zeit den Startschuss, denn es ist ja notwen­dig, festzustellen: Wo sind die Hürden? Wo sind die Steine im Weg? Wo können wir unterstützen, um durch die Digitalisierung gerade die Themen, die sich sonst oft im analogen Weg ergeben, zu überbrücken? – Dafür laden wir Gemeinden und Länder ein, mit uns zu diskutieren und vor allem einen Fahrplan auszuarbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 12. Anfrage. – Herr Abgeordne­ter Kucher, bitte.

10.10.41


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie mer­ken, wir alle könnten, glaube ich, stundenlang über die Themenbereiche der Digitalisie­rung sprechen. Deswegen darf ich Sie noch einmal im Namen aller Kollegen herzlich in den Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung einladen. Das haben wir im letzten Jahr leider nicht so oft geschafft, aber die heutige Diskussion zeigt, glaube ich, dass es da einige Themenbereiche gibt, die wir diskutieren sollten.

Ich möchte auf die medialen Ankündigungen zum Forschungsfinanzierungsgesetz, das für den gesamten Forschungsbereich in Österreich natürlich zentral wäre, zurückkom­men. Wir haben sehr viele Jahre darüber diskutiert und auch immer wieder versucht, die Wissenschaftsminister sowie Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger im Bereich des Wirtschaftsministeriums mit ganzer Kraft zu unterstützen. Witzigerweise waren es dann immer parteiintern die Finanzminister, die nicht ganz mitgespielt haben. Meine konkre­te Frage dazu lautet:

102/M

„Wann soll ein mit Zahlen hinterlegtes Forschungsfinanzierungsgesetz dem österreichi­schen Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden?“

Wie können wir Sie da unterstützen, damit den Worten endlich Taten folgen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Danke. – Es ist ein gemeinsames Projekt, das wir haben, das ganz, ganz wichtig für Österreich ist. Danke auch für die Einladung.

Unser Hauptziel ist – darauf möchte ich noch einmal kurz eingehen –, dass wir länger­fristige Planungszyklen und Finanzierungssicherheit für die Unternehmen und für jene, die in Forschung und Entwicklung investieren, schaffen. Ich glaube, das ist unser ge­meinsames Ziel. Damit einhergehend müssen wir auch die Governance der For­schungsförderungsagenturen verändern. Der Begutachtungsentwurf des Gesetzes wird im Mai präsentiert, und noch vor der Sommerpause soll er zu Ihnen in den Natio­nalrat kommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Wie auch beim Forschungsfinanzierungsgesetz gilt, glaube ich, bei allen großen und wichtigen Projekten, dass man alle Beteiligten ein­bindet. Da Sie das jetzt schon öfter angesprochen haben, wäre meine Frage zur App, ob da in der Praxis die Probleme gelöst wurden.

Nach dem Meldegesetz könnte ich mich nicht einfach bei Ihnen zu Hause als Unter­mieter anmelden, da müssten Sie das Ganze unterschreiben. Über die App hingegen ist es jetzt durchaus möglich, dass ich mich bei Ihnen als Untermieter anmelde. Hat


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 35

man da sozusagen vergessen, die gesetzlichen Grundlagen nachzuschärfen? Hat man da auch mit der Verwaltung genügend kommuniziert? Wurde das inzwischen auch be­hoben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Es wurde sehr viel kommuniziert und die Gesetze wurden auch hier im Parlament beschlossen, sie wurden dankenswerterweise auch von Ihrer Seite mitbe­schlossen.

Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Vorher war die Unterschrift des Unter­kunftgebers notwendig. Niemand hat etwas damit gemacht. Im Sinne der Entbürokrati­sierung haben wir – auch ich – nachgefragt: Überprüft jemand, ob diese Unterschrift mit der Originalunterschrift übereinstimmt? Das heißt, es wurde da einfach getan. Man konnte sich auch genauso wie jetzt noch überall anmelden, also nicht unbedingt in der Gemeinde, in die man siedelt.

Das heißt, die Situation war vorher nicht anders, als sie jetzt ist. Jetzt ist sie sicherer, weil wir über die Handysignatur jeden eindeutig ausfindig machen können und jeder, der sich theoretisch bei mir anmelden würde, eindeutig identifizierbar ist. Ich möchte daran erinnern, dass dieser Teil der Behördenwege gut abgesichert und gut durch­dacht ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur letzten Anfrage, zur Anfrage 13, die von Abgeordnetem Hafenecker gestellt wird. – Bitte.

10.14.01


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminis­ter! 42 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe messen leider Gottes den digitalen Tech­nologien noch keine große Bedeutung zu. Es ist aber wichtig, dass man gerade neben den Leitbetrieben, die schon die Wichtigkeit erkannt haben, auch die kleinen und mitt­leren Unternehmen auf diese neuen Technologien aufmerksam macht, weil sie auf der einen Seite das Rückgrat unserer Wirtschaft sind und auf der anderen Seite auch neue Geschäftsfelder erschließen können.

Es ist also wichtig, da ein Bewusstsein zu schaffen, deswegen gibt es von Ihnen auch die Initiative KMU digital. Ich komme zu meiner Frage:

96/M

„Wie gut wurde die Maßnahme KMU.DIGITAL von den Unternehmen angenommen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Die Maßnahme wurde von den Unternehmen sehr gut angenommen. Es ist wichtig, dass wir die mittelständischen Unternehmen unterstützen. Circa 8 000 fer­tiggestellte Förderfälle zeigen, dass die mittelständischen Unternehmen sich entspre­chend damit beschäftigen. Wir haben auch festgestellt, dass es nicht nur in Wien an­genommen wird, sondern vor allem auch in den Bundesländern, insbesondere in Nie­derösterreich, das an zweiter Stelle ist, aber auch in allen anderen Bundesländern.

Auch die anschließenden Analysen zur Zufriedenheit sind sehr, sehr positiv und haben zum Beispiel in Salzburg 1,22 oder im Burgenland 1,07 ergeben. Wir werden deshalb das Programm fortsetzen. Wir arbeiten gerade daran, es auch zu erweitern. Es ist wichtig, dass wir noch mehr Augenmerk auf die KMUs legen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Ein Schlüsselbereich ist natürlich der ländliche Raum, gerade im Zusammenhang mit den kleinen und mittleren Unter-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 36

nehmen. Digitalisierung kann uns dabei helfen, zusätzliches Verkehrsaufkommen ein­zuschränken, den Pendlern die Möglichkeit zu geben, von zu Hause aus zu arbeiten, somit auch unsere Klimaziele zu erreichen.

Deswegen meine Zusatzfrage: Inwieweit greift diese Maßnahme im ländlichen Raum?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sie greift im ländlichen Raum sehr stark. Wie schon erwähnt, ist Nieder­österreich auf Rang zwei. Auch Kärnten und Oberösterreich sind sehr gut vertreten. Wir werden dafür Sorge tragen, dass KMU digital in allen Bundesländern weiter gut an­kommt. Wie Sie richtig gesagt haben, hilft die Digitalisierung bei der Verfolgung der Kli­maziele. Sie ist aber auch sonst, etwa im Sinne einer besseren Work-Life-Balance, ein wichtiges Thema. Diese Chancen wollen wir bestmöglich nutzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste und damit letzte Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Nur kurz anschließend: Ich finde die Digitalinitiative sehr, sehr gut, aber ich glau­be, man muss sich auch darauf konzentrieren, die Infrastruktur dahinter gerade im ländlichen Raum zur Verfügung zu stellen. Wenn man sich anschaut, wie das Ausrol­len der Internetmöglichkeiten im ländlichen Raum im Augenblick weitergeht, muss man feststellen, dass da noch viel zu tun ist. Ich komme aus einer sehr kleinen Gemeinde in Oberösterreich. Dort hat man mir gerade gesagt, dass es noch zwei bis drei Jahre dauern wird, bis ich Internet auf meinem Bauernhof bekomme.

Das ist aber nicht meine Frage. Meine Frage dreht sich eigentlich um die Investitions­zuwachsprämien – ein Thema, das zu Ihrem Kerngebiet gehört. In der UG 40 haben wir festgestellt, dass im Jahr 2018 sowohl die Investitionszuwachsprämien für große Unternehmen wie auch die Investitionszuwachsprämien für KMUs nicht abgeholt wur­den. Es ging da, glaube ich, um 18,5 Millionen Euro bei den großen Unternehmen und knapp 12 Millionen Euro, die bei den KMUs nicht erreicht wurden.

Haben Sie evaluiert, warum das im Jahr 2018 nicht abgeholt wurde? Und haben Sie Maßnahmen für 2019 gesetzt, um den Unternehmen zu helfen, da zu besseren oder zu mehr Investitionen zu kommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.


Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Ja, wir haben uns sehr genau angeschaut, welche Förderungen es aus der Vergangenheit, vor allem auch von der Vorgängerregierung, gab, die sehr oft kurz­fristig ein Jahr zuvor beschlossen wurden. Viele davon haben sich in einer Hochphase des Wachstums, die wir hatten, als nicht richtig und nicht gut erwiesen. Deshalb haben wir sie abgeschafft.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Da alle Anfragen nunmehr zum Aufruf gelangt sind (Beifall bei ÖVP und FPÖ), darf ich die Fragestunde für beendet erklären.

10.18.28Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 37

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 3157/J bis 3198/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Justizausschuss:

Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 – ZZRÄG 2019 (560 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Gebührenanspruchsge­setz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz und das Bundesverwaltungsge­richtsgesetz geändert werden (561 d.B.)

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (559 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (562 d.B.)

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (557 d.B.)

Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasse­förderung-Grundsatzgesetz) (558 d.B.)

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um den Punkt 16 der Tagesordnung in Ver­handlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfor­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzuse­hen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (563 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub JETZT hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 702/A(E) der Abgeordneten Cox, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Jugend ernst nehmen, Klimakatastro­phe verhindern.“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.

Fristsetzungsanträge


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Ausschuss für Arbeit und


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 38

Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 522/A(E) der Abgeordneten Mag. Ge­rald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Halbe-Halbe bei Pensionen: Auto­matisches Pensionssplitting umsetzen“ eine Frist bis 24. April 2019 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren.

Da für die heutige Sitzung bereits die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss daran stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird am Schluss dieser Debatte erfolgen.

*****

Schließlich darf ich mitteilen, dass die Abgeordneten Haider und Lopatka beantragt haben, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über die Regierungs­vorlage 512 der Beilagen betreffend Konsulargesetz eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist weiters vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 6 bis 9, 10 und 11 sowie 14 und 15 der Tagesordnung jeweils zusammen­zufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so ange­nommen.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Prä­sidialkonferenz ist eine Tagesblockzeit von 7,5 „Wiener Stunden“ in Aussicht genom­men, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: 139 Minuten für die ÖVP, SPÖ und FPÖ jeweils 124 Minuten, NEOS und JETZT jeweils 41 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Ta­gesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 21 Minuten. Da­rüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Einstimmig ange­nommen.

10.22.231. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zum Thema „Die aktuelle Situation vor dem Hinter­grund des Terroranschlags in Neuseeland“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren 1. Punkt, der Erklärung des Bundesministers für Inneres.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 39

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden und ausreichend unterstützten Verlangen eine Debatte stattfinden.

Ich begrüße den Herrn Bundesminister und darf ihm das Wort erteilen. – Bitte.


10.22.53

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehapparaten! Ich bedanke mich zunächst ganz herzlich für die Gelegenheit, dass ich hier und heute diese Erklärung zur aktuellen Situation vor dem Hintergrund des Terroranschlages in Neuseeland abgeben darf. So wie Sie es sind, so wie ganz Öster­reich es ist und so wie die gesamte zivilisierte Welt es ist, so bin auch ich entsetzt und betroffen über diesen schrecklichen rechtsextremen Terroranschlag, der in Neuseeland stattgefunden hat.

Unsere Aufgabe ist es jetzt, da der Täter glücklicherweise verhaftet wurde, sein Umfeld und die Hintergründe dieser Bluttat genauestens aufzuarbeiten. Selbstverständlich nehmen wir als österreichische Sicherheitsbehörden dabei alle Hinweise im Zusam­menhang mit dem Attentäter und sämtliche Spuren sehr, sehr ernst, gerade, weil diese durch eine Reihe von europäischen Ländern führen. Auch wenn diese Spuren vielleicht gar nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Attentat stehen, kann doch jede Spur mögliche Hinweise zu Verstrickungen und Netzwerken liefern. Es kann aber genauso gut sein, dass dadurch umgekehrt entsprechende Befürchtungen entkräftet werden.

Die notwendige Klarheit können wir nur durch konsequente und durch systematische Ermittlungen erreichen, denn nichts, meine Damen und Herren, ist schlimmer als dif­fuse Ängste nach Attentaten wie diesem. Das ist ja auch eines der Ziele, das die Ter­roristen verfolgen: die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und diesen Zustand möglichst lange aufrechtzuerhalten.

Der Terror, meine Damen und Herren, trifft mitten in die Herzen der Menschen und hält sie ohnmächtig gefangen. Daher ist es mir ganz besonders wichtig, möglichst schnell Klarheit und Transparenz über alle Hintergründe dieser Schreckenstat zu erlangen.

Nach dem Terroranschlag in Neuseeland ist sehr, sehr schnell sehr viel über den Täter bekannt geworden – vor allem auch deshalb, weil es ja sein eigenes Bestreben gewe­sen war, sich selbst und seine Motive öffentlich bekannt zu machen. Er hat, ähnlich wie es der norwegische Terrorist Breivik gemacht hat, im Zusammenhang mit seiner Tat ein Pamphlet veröffentlicht, und darin hat er versucht, seine wirren und abstrusen Vor­stellungen wortreich darzulegen und damit eine Rechtfertigung für seine Taten zu lie­fern.

Der Attentäter hat darüber hinaus über sein Auftreten in den sozialen Medien Spuren hinterlassen, die auf seine zuletzt offenbar recht aktive Reisetätigkeit durch mehrere europäische Länder hinweisen. Aus seinem Social-Media-Auftritt ist rasch klar gewor­den, dass der Terrorist auch in Österreich gewesen sein dürfte. Ich darf Ihnen daher hier und heute einen Überblick darüber geben, was unsere Ermittlungsbehörden zu seinem Österreichbezug wissen. Gleichzeitig muss ich Sie um Verständnis dafür bitten, dass es nicht möglich ist, auf alle vorliegenden Erkenntnisse bis ins Detail einzugehen. Sie wissen, dass es morgen einen entsprechenden Unterausschuss des Innenaus­schusses geben wird, der geheim tagt, und dass am Montag der Nationale Sicherheits­rat zusammentreten wird – auch dieser ist geheim –, und dort gibt es selbstverständlich die Möglichkeit, auch weitere Details offenzulegen.

Der Titel des eigens für diese Bluttat verfassten Manifests, „The Great Replacement“, ist die wörtliche Übersetzung der Parole: der große Austausch. Das ist ein Slogan, wie er auch von der Identitären Bewegung Österreich seit mehreren Jahren in Kampagnen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 40

verwendet wird. Dieser Slogan geht auf den Titel eines Buches aus dem Jahr 2012 zurück, verfasst vom französischen Schriftsteller Renaud Camus. Seither wird dieser Begriff oder diese Parole von einwanderungskritischen Kreisen in verschiedensten Ländern eingesetzt; das betrifft nicht nur Europa, das betrifft auch die Vereinigten Staa­ten. Auf sichergestellten Waffen wurde diese Parole ebenfalls vorgefunden, und wei­ters fanden sich auf diesen Waffen die aufgemalte Jahreszahl der Zweiten Türkenbela­gerung Wiens, also das Datum 1683, sowie der Name Graf Ernst Rüdiger von Star­hemberg; er war der Wiener Stadtkommandant während der Zweiten Türkenbelage­rung.

Im genannten Manifest erwähnt der Terrorist auch, dass Österreich eines jener Länder sein könnte, in denen der sogenannte Aufstand beginnen könnte – was immer damit gemeint ist.

Was die Reisetätigkeit des späteren Attentäters betrifft, sei Folgendes vorausgeschickt: Die Tatsache, dass der Mann noch bis Ende letzten Jahres problemlos durch Europa reisen konnte, zeigt, dass er von den neuseeländischen Behörden nicht als Gefährder eingestuft war. Uns wurde von neuseeländischer Seite mitgeteilt, dass er bis zu seinen Wahnsinnstaten als unauffällig gegolten hat.

Nun zu seiner Reisetätigkeit durch Österreich: Der bisher bekannte Aufenthalt des spä­teren Terroristen in Österreich dauerte eine Woche, und zwar konkret vom 27. Novem­ber 2018 bis zum 4. Dezember 2018. Die Einreise nach Österreich, konkret nach Wien, erfolgte am 27.11.2018 per Zug aus Budapest. Davor hielt er sich insgesamt etwa zweieinhalb Wochen lang in Bulgarien, Rumänien und Ungarn auf. In Wien hat er ein Leihauto angemietet, und zwar vom 27. November bis zum 2. Dezember, und mit die­sem Fahrzeug hat er knapp über 2 000 Kilometer zurückgelegt. In dieser Phase dürfte auch sein Besuch in Deutschland stattgefunden haben, den er ebenfalls über Face­book dokumentiert hat. Die genaue Reiseroute wird derzeit anhand der vorhandenen Spuren rekonstruiert. Die Ausreise erfolgte am 4.12.2018 via Flughafen Wien-Schwe­chat nach Tallinn, Estland.

Die Behörden ermitteln derzeit, ob es in Österreich Kontakte zu extremistischen Perso­nen, Gruppierungen oder Netzwerken gegeben hat. Derzeit besteht lediglich der Nach­weis einer Spendenaktivität an die Identitäre Bewegung beziehungsweise an ihren Sprecher.

Dieser Zahlungsfluss ist bereits länger Gegenstand von finanzstrafrechtlichen Ermitt­lungen, und jetzt eben auch von strafprozessualen Ermittlungen. Diese Ermittlungen haben bereits zu gerichtlich angeordneten Maßnahmen geführt. Es hat eine Haus­durchsuchung stattgefunden, und die beschuldigte Person wurde bereits einvernom­men. Die weiteren Ermittlungsergebnisse werden abzuwarten sein.

Darüber hinaus wurde – wie ja gestern auch vonseiten der Regierungsspitze bereits angekündigt – umgehend veranlasst, ein Prüfungsverfahren durch die zuständigen Vereinsbehörden betreffend die Auflösung von Vereinen, die den Identitären zugeord­net werden, einzuleiten. Es handelt sich dabei um zwei Vereine in Graz und einen Ver­ein in Linz. Die Zuständigkeit liegt also bei den Landespolizeibehörden in der Steier­mark und in Oberösterreich. Überdies war der spätere Täter von Neuseeland im Jahr 2014 Mitglied einer Reisegruppe mit Ziel Nordkorea. An dieser Reise haben auch drei Österreicher teilgenommen. Auch da laufen aktuell Erkundigungen über den Hin­tergrund dieser Reise, um mögliche Kontakte genauer zu durchleuchten.

Zusammengefasst: Es gab eine finanzielle Unterstützung einer politischen Bewegung, deren Motiv und Umstände derzeit noch näher ermittelt werden. Es gab einen einwö­chigen Aufenthalt in Österreich Ende November, Anfang Dezember 2018, den der Täter selbst mit Fotos dokumentiert hat. Persönliche Kontakte zu extremistischen Per-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 41

sonen oder Organisationen sind nicht bekannt. Es gab Bezüge auf die österreichische Geschichte, sowohl im erwähnten Pamphlet als auch auf den Tatwaffen, und es wurde der Slogan The Great Replacement verwendet, der unter anderem eben auch von ei­ner in Österreich aktiven Bewegung eingesetzt wird. Die Verwendung derselben Parole lässt jedoch nicht automatisch darauf schließen, dass zwischen den Personen und Gruppen persönliche Kontakte bestanden haben oder bestehen.

Wir erwarten uns ergänzend zu den eigenen Ermittlungen natürlich auch entsprechen­de Ermittlungsergebnisse aus Neuseeland selbst, denn dort sind ja gerade die Einver­nahmen des Attentäters im Laufen.

In diesem Zusammenhang ist es mir sehr wichtig, zu betonen, dass Österreich bei Weitem nicht das einzige Land ist, auf das sich der Terrorist in seinen Motiven bezo­gen hat und das er auch bereist hat. Er kam, wie gesagt, über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich, und er ist nach Estland weitergereist. Bereits im Frühjahr und im Herbst 2016 hat er zwei Balkanreisen unternommen. Im Jahr 2017 soll er in Westeuropa unterwegs gewesen sein, und zwar konkret in Spanien, in Frankreich und in Portugal. Auch in Asien war er unterwegs, von Nordkorea haben wir schon gehört; eine weitere Destination, die er besucht hat, war Pakistan.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern: Ich habe den kla­ren Auftrag gegeben, dass sämtliche Spuren und Zusammenhänge mit Österreichbe­zug in diesem Fall genauestens überprüft werden.

Über die heutige Erklärung hinaus – ich habe es schon erwähnt – wird es morgen eine Sitzung des Unterausschusses des Innenausschusses geben, und am Montag wird der Nationale Sicherheitsrat tagen. Der Direktor des BVT wird Sie dort aktuell über den letzten Stand informieren. Ich denke, dass wir darüber hinaus, wenn sich neue Er­kenntnisse ergeben, diese Informationsplattform auch weiter nutzen.

Dasselbe gilt selbstverständlich auch im Zusammenhang mit einem Netzwerk, das vor Kurzem unter dem Begriff Schattenarmee bekannt geworden ist. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von aktiven und ehemaligen Angehörigen der deutschen Bundeswehr, von Sicherheitsbehörden sowie privaten Sicherheitsunternehmungen. Der Attentäter von Neuseeland soll Medienberichte über diese Gruppierung gepostet und kommen­tiert und so einen inhaltlichen Konnex hergestellt haben. Auch diesbezüglich möchte ich Ihnen einen Überblick über alles geben, was unserem Nachrichtendienst bezie­hungsweise unseren Behörden hierzu bekannt ist.

2017 versteckte der deutsche Bundeswehrangehörige Franco A. eine Waffe in einer Toilette am Flughafen Schwechat. Beim späteren Zugriff auf diese Waffe – im von ös­terreichischen Beamten observierten Versteck – ist er festgenommen worden. Die Er­mittlungen haben dann gezeigt, dass dieser Offizier eine zweite Identität in Deutsch­land angenommen – diese zweite Identität war jene eines syrischen Asylwerbers – und sich in ein Flüchtlingsheim eingeschleust hat. Weitere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass er Teil eines Netzwerks ist, das, wie gesagt, aus aktiven und ehemaligen Solda­ten der deutschen Bundeswehr sowie deutschen Sicherheitskräften gebildet wurde. Ob auch Österreicher involviert waren oder sind, ist Gegenstand von laufenden Ermitt­lungen.

Offizieller Auftritt dieser Vereinigung ist der deutsche Verein Uniter, dessen Gründer ein gewisser André S. alias Hannibal, ein Bundeswehroffizier beim Kommando Spe­zialkräfte, ist. Es ist bestätigt, dass die Kommunikation dieser Gruppe über einen Chat­kanal gelaufen ist, in dem sich offensichtlich geografisch organisierte Gruppen ausge­tauscht haben. Die Chatgruppen Süd und Nord sind bestätigt. Es wird vermutet, dass es auch die Gruppen Ost und West gegeben haben dürfte. Für Österreich soll eine ei­gene Chatgruppe vorhanden gewesen sein, die aber derzeit nicht verifiziert werden kann.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 42

Zweck dieser Verbindung war die Vorbereitung auf einen Tag X, der zu politischen Un­ruhen und einem Systemsturz führen sollte. Im Zuge der Vereinsaktivitäten von Uniter wurden offensichtlich auch Schießtrainings veranstaltet. Es wird ermittelt, ob auch in Österreich solche Trainings stattgefunden haben.

Das Netzwerk steht im Verdacht, für diesen besagten Tag X Anschläge zur Destabili­sierung der öffentlichen Ordnung geplant zu haben. Auch sollen Todeslisten mit Na­men von Politikern und anderen bekannten Personen, die von den Aktivisten als Geg­ner definiert wurden, aufgelegt worden sein. Ebenso sollen Pläne zu deren Festset­zung und Liquidierung erstellt worden sein. Die bisher vorliegenden Informationen zu diesen Listen betreffen Personen in Deutschland, ein entsprechender Österreichbezug ist nicht bekannt.

Der Verein Uniter war von August 2017 bis März 2019 Mitglied der österreichischen Lazarus Union. Hinweise, dass die Vertreter der Lazarus Union in Machenschaften der Uniter in irgendeiner Form involviert gewesen wären, liegen nicht vor. Auch für das Uniter-Netzwerk gilt, dass die Sicherheitsbehörden in Österreich intensiv ermitteln und jedem Hinweis nachgehen, selbstverständlich in intensivem Kontakt mit den deutschen Behörden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Folgende Aspekte sind mir in dieser Debatte wichtig:

Erstens: Beide Fälle zeigen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen BVT und den internationalen Partnerdiensten eine hervorragende ist und dass das BVT seinen gesetzlichen Aufgaben in vollem Umfange nachkommt. In beiden Fällen konnten unsere Behörden – neben eigenen Ermittlungsergebnissen – wertvolle Infor­mationen von internationalen Partnerdiensten erhalten und auf dieser Basis wiederum weiter tätig werden.

Zweitens: Gerade der Anschlag von Neuseeland verdeutlicht die problematische Rolle von sozialen Medien im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten. Das Internet dient nicht nur der Radikalisierung, der Rekrutierung und der Aufstachelung zur Ge­walt, sondern es ist in diesem Fall auch für eine heroische Selbstinszenierung miss­braucht worden.

Ich denke, dass es umso wichtiger ist, dass es während des österreichischen Ratsvor­sitzes gelungen ist, einen wichtigen Fortschritt auf europäischer Ebene hinsichtlich terroristischer Onlineinhalte zu erzielen. Sie wissen, wovon ich spreche: Ich spreche von der Verpflichtung, terroristische Inhalte binnen einer Stunde aus dem Internet zu löschen beziehungsweise den entsprechenden Zugang zu diesen Inhalten zu sperren. Ich hoffe, dass die zurzeit noch existente Blockade des Europäischen Parlaments da bald gebrochen wird.

Ein dritter Aspekt ist mir wichtig: Es zeigt sich anhand der aktuellen Fälle – besonders im Zusammenhang mit dem deutschen Netzwerk –, wie wichtig es gewesen ist, dass wir im Rahmen des Sicherheitspakets im vergangenen Jahr hier in diesem Parlament Überwachungsmöglichkeiten für internetbasierte Kommunikation beschlossen haben. Damit haben wir eine wesentliche Lücke bei der Strafverfolgung geschlossen.

Bei begründetem Verdacht auf Straftaten im Bereich des Terrorismus haben die Be­hörden die Möglichkeit, auch verschlüsselte Internetkommunikation zu überwachen, und darunter fallen beispielsweise auch Chatgruppen über verschiedene Dienste, wie WhatsApp einer ist.

Noch etwas ist mir wesentlich zu betonen: Beide Fälle zeigen auch, wie wichtig und richtig der eingeschlagene Weg einer Reform des BVT ist, denn diese Reform zielt auf eine noch professionellere Bekämpfung sicherheits- und staatspolizeilich relevanter


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 43

Phänomene ab. Ein wesentliches Ziel ist es, die Informationsbeschaffung im BVT zu stärken – Stichwort vorbeugende Gefahrenerforschung.

Dies alles muss unter der Maßgabe einer klaren Trennung zwischen Vorfeldermittlung und kriminalpolizeilicher Ermittlung stattfinden. Durch diese Trennung sollen staats­feindliche Phänomene und Bedrohungen früher erkannt und dadurch die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nicht nur durch die Aufklärung von Straftaten, sondern eben auch durch die bestmögliche Verhinderung von Verbrechen im Vorfeld wesentlich er­höht werden.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Sicherheitslage in Österreich durch den Anschlag in Neuseeland laut bisher gewonnenen Erkenntnissen in keiner Weise verändert hat. Die Bedrohungslage im Bereich des Terrorismus wird vom BVT wie schon bisher als abstrakt erhöht eingeschätzt. Österreich gilt nicht als eines der pri­mären Zielländer, es gibt keine konkreten Hinweise auf konkret geplante Terroraktivitä­ten – und ich darf Ihnen auch sagen, dass die größte Gefahr, der wir in Österreich aus­gesetzt sind, die des islamistischen Terrors ist.

Ich denke, es ist wichtig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bewusst sind, dass ab­solute Sicherheit zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort von keinem Sicherheitsapparat dieser Welt garantiert werden kann, aber genauso wichtig ist es, zu wissen, dass Ös­terreich eines der sichersten Länder dieser Welt ist, und unsere Polizistinnen und Poli­zisten leisten den vollen Beitrag zur Erhaltung und zur Erhöhung dieser Sicherheit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ebenso können sich die Österreicherinnen und Österreicher auf unsere Staatsschutz­behörden verlassen, auch in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Erlauben Sie mir, aus aktuellem Anlass noch auf einen großen Fahndungserfolg hinzuweisen, der sich gerade auch aus dieser Zusammenarbeit ergeben hat! Sie haben von dieser Hausdurchsuchung in einem Wiener Gemeindebau gehört. Da ist ein sehr, sehr wich­tiger Schlag gegen einen mutmaßlichen irakischen Terroristen gelungen, und gerade erst gestern wurden in Prag in Tschechien zwei weitere mutmaßliche Terroristen, mit denen dieser Iraker eine gemeinsame Zelle gebildet hat, festgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherheit, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bedingen einander, und jeder Angriff – egal, aus welcher Richtung er kommt – ist ein Angriff auf uns alle, dem wir mit der vollen Entschlossenheit des Rechtsstaates entgegenzutreten haben.

Ich kann Ihnen versichern, dass es den Terroristen nicht gelingen wird, die Bevölke­rung dauerhaft in einen Zustand von Angst und Schrecken zu versetzen und den Boden für die Verbreitung ihrer fanatischen Gesinnung aufzubereiten. Es wird ihnen in Neuseeland nicht gelingen und es wird ihnen in Österreich nicht gelingen. (Lang anhal­tender Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülergruppe aus der Neuen Mittel­schule im Großen Walsertal herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Leichtfried. – Bitte.


10.44.34

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Geschätztes Publikum auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Ich muss sagen, nach dem, was Sie jetzt be­richtet haben, Herr Innenminister – einiges war ja medial bekannt, anderes mir persön­lich nicht so –, bin ich noch entsetzter als zuvor. Es war Marcellus in „Hamlet“, der die Umstände in Dänemark mit dem berühmt gewordenen Satz: „Something is rotten in the


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 44

state of Denmark“ charakterisiert hat. Die Umstände heute in Österreich lassen einen ähnlichen Satz zu: Da ist etwas faul im Staate Österreich – aber ordentlich! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Das Gespenst des Rechtsextremismus droht in diesem Land zu einer realen Plage zu werden. (Ruf: Warum?) Die Gefahr von rechtsextremem Terror ist real, und das ver­wundert nicht, denn, Herr Innenminister, was haben Sie für die letzten eineinhalb Jahre zu verantworten? – Sie haben das BVT erwähnt, aber sollte es wieder funktionieren, ist es nicht Ihr Verdienst, denn kurz nach Ihrem Amtsantritt, Herr Kickl, haben Sie eine illegale Razzia initiiert, bei der diese Behörde lahmgelegt worden ist. Sie, Herr Kickl, haben zu verantworten, dass die Leiterin des Rechtsextremismusreferats aus dem Amt gemobbt werden sollte (Ruf bei der FPÖ: Stimmt ja gar nicht!) und auch der Leiter des BVT aus dem Amt gemobbt werden sollte. Sie haben zu verantworten, dass wir inter­national isoliert waren. Ich frage Sie: War das Ihre Absicht, Herr Kickl, dass Sie das ge­macht haben? (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Und das alles ist passiert, während in Deutschland gegen ein rechtsextremes Netzwerk ermittelt wurde, wo – Sie haben es erwähnt – Todeslisten mit Namen von Menschen geführt wurden, die anderer politischer Auffassung waren, wo man sich auf den Tag X vorbereitet hat, an dem man mit Waffengewalt die Macht ergreift und seine politischen Gegner umbringt.

Das war nicht nur irgendein Netzwerk, es war ein Netzwerk in den innersten Sicher­heitsstrukturen der Bundesrepublik Deutschland, und Spuren haben eindeutig auch nach Österreich geführt. Gerade in dieser Zeit, Herr Kickl, haben Sie uns de facto wehrlos gemacht. Das war Ihre Leistung in den letzten eineinhalb Jahren, und das muss man hier auch einmal festhalten, Herr Kickl! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Ich frage Sie: Wo gab es in dieser Zeit die österreichische Ermittlungen? – Ich fürchte, sie haben nicht stattgefunden; und das alles, als sich langsam herausgestellt hat – und das ist ja das für mich überhaupt Unbegreiflichste –, dass dieser Christchurch-Atten­täter nicht nur in Österreich war, sondern scheinbar – beziehungsweise nicht schein­bar, sondern jetzt weiß man es – die Identitäre Bewegung unterstützt hat.

Das ist jene Bewegung – und da schaue ich jetzt Sie von der FPÖ an –, die nicht nur von vielen FPÖ-Funktionären sehr freundlich behandelt wurde (Zwischenruf des Abg. Deimek); das ist jene Identitäre Bewegung, die von Ihnen, Herr Vizekanzler, auf Face­book hofiert wurde – Sie haben das Posting jetzt gelöscht, aber Sie haben es ge­macht –, jene Identitäre Bewegung, Herr Vizekanzler (Abg. Gudenus: Da spricht die Salafisten-Partei!), mit deren Mitgliedern Sie in der Südsteiermark im Gasthaus geses­sen sind, und jene Identitäre Bewegung, Herr Innenminister, bei der Sie mit großer Be­geisterung eine Rede gehalten haben und – das man muss auch sagen – jene Iden­titäre Bewegung, die anscheinend Kontakte in höchste Regierungsstellen in Österreich hat, während der Bundeskanzler bis jetzt kein Wort der Kritik an diesen Kontakten gefunden hat. Das muss man auch einmal festhalten. (Beifall bei SPÖ und JETZT.) Herr Bundeskanzler, Sie sind hier mitverantwortlich!

Unter diesen Umständen ist es klar, dass das Parlament aktiv werden muss, weil das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Regierung in dieser Causa nicht mehr gegeben ist. Die Öffentlichkeit ist erschüttert. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Ja, Sie lachen darüber, aber dann lesen Sie einmal Zeitungen und schauen Sie, was die Menschen empfinden: Die haben inzwischen Angst vor Rechtsextremismus, und da gibt es nichts zu lachen. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Gudenus: Das ist so peinlich!)

Deshalb hat dieses Parlament den Herrn Innenminister gebeten, zu kommen, deshalb ist der Unterausschuss des Innenausschusses eingesetzt worden, und deshalb tagt


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 45

der Nationale Sicherheitsrat: weil diese Situation eine Gefahr für die nationale Sicher­heit Österreichs ist, geschätzte Damen und Herren, und die haben Sie mitzuverantwor­ten. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Wenn es Todeslisten gibt, wenn es Vorbereitungen für den Tag X gibt, wenn Rechts­extreme die staatlichen Institutionen unterwandern, ist es Zeit, dass der Rechtsstaat mit all seinen Mitteln zurückschlägt, geschätzte Damen und Herren, und das ist Ihre Verantwortung. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

An dieser Verantwortung wird Sie die Geschichte messen. Diese Bundesregierung wird an dieser Verantwortung gemessen werden, und ich hoffe in unser aller Interesse, dass Sie da nicht scheitern, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Wir bieten aber auch unsere Unterstützung an (Ruf bei der FPÖ: Danke!), und deshalb stellen wir einen Entschließungsantrag, den ich nun einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umge­hende Einsetzung einer Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremis­tischen Terrors in Österreich – Berichterstattung der Kommission an den Ausschuss für innere Angelegenheiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sowie der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, um­gehend eine Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich einzurichten, welche längstens bis 30. Juni dieses Jahres einen Bericht an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorlegen soll.“

*****

Wenn Sie gegen rechtsextremen Terror auftreten wollen, werden Sie heute an dieser Resolution und Ihrer Unterstützung gemessen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie der Abg. Bißmann.)

10.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Leichtfried,

Genossinnen und Genossen

betreffend „umgehende Einsetzung einer Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich – Berichterstattung der Kommission an den Ausschuss für innere Angelegenheiten“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundesministers für Inneres über „Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroranschlags in Neuseeland“

Die Aussagen einer Reihe von Expertinnen und Experten zum Thema Terrorismus ha­ben gezeigt, dass in Europa eine aktuelle Bedrohung durch rechtsextremistische Netz­werke latent vorhanden ist. Während im Nachbarland Deutschland dies erkannt wurde und umfangreiche Ressourcen für die Beobachtung und Bekämpfung dieser Gefahr in-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 46

vestiert werden – so wurden die Personalressourcen in diesem Bereich um 50 % er­höht –, ist in Österreich nicht erkennbar, dass angesichts dieser Bedrohung und auch der jüngsten Ereignisse entsprechend reagiert wird. Vielmehr wurde in der Diskus­sionssendung „Im Zentrum“ am 24. März dieses Jahres durch den Leiter des BVT Pe­ter Gridling bekannt, dass dem BVT keine Ressourcen im Bereich von Ermittlerinnen und Ermittlern für Social-Media-Aktivitäten zur Verfügung stehen, obwohl alle Expertin­nen und Experten der Überzeugung sind, dass gerade in diesen Foren die Netzwerke gebildet werden und dort der inhaltliche Austausch stattfindet.

Auch bei der Einvernahme von Auskunftspersonen im laufenden BVT-Untersuchungs­ausschuss werden solche Sachverhalte laufend bekannt. Es sollen daher im Rahmen dieser Sonderkommission und deren Berichterstattung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten auch Vorschläge formuliert werden, in welche Ressourcen investiert werden muss, um die rechtsextremen Netzwerke, die auch Österreich betreffen, zu zerschlagen. Diese Berichterstattung soll längstens bis 30. Juni dieses Jahres erfolgen. Damit hätte der Ausschuss für innere Angelegenheiten die notwendigen Informationen, um allfällige Gesetzesinitiativen voranzutreiben sowie budgetäre Vorschläge zu erstat­ten.

Welche wertvolle Arbeit eine solche Sonderkommission leisten kann, zeigt der Bericht der Sonderkommission Brunnenmarkt, der klare Empfehlungen aus den Erkenntnissen seiner Arbeit formuliert hat und diese auch transparent der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sowie der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, um­gehend eine Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Österreich einzurichten, welche längstens bis 30. Juni dieses Jahres einen Bericht an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorlegen soll.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Rosenkranz. – Bitte.


10.51.50

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher! Nach dieser Erklärung des Herrn Bundesministers habe ich gedacht, dass wir uns eigentlich alle von der Rednerliste streichen lassen könnten (Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Bernhard) und es eine Sitzung werden wird, nach der man über einen Terroranschlag, der sich Tausende Kilometer von hier ereig­net hat, aber auch einen Bezug zu Österreich hat, eigentlich alles weiß.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 47

Diese Sitzung hat jetzt aber mit einer für mich inakzeptablen Rede begonnen – die freie Rede ist hier aber zulässig. (Zwischenruf der Abg. Greiner. – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)  Ist sie nicht? – Ach so, Entschuldigung, soll ich wieder an meinen Platz zurückgehen (Abg. Lindner: Ja!), darf ich dann auch nichts sagen? Danke an die Kolleginnen unter den Genossen! Sie wollen mir also den Mund verbieten?! Das ist unerhört, Frau Kollegin Greiner, unerhört ist das! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Herr Leichtfried hat jetzt deutlich gemacht, wo er das Versagen von Herrn Innenminis­ter Kickl sieht, der ganz klar dargestellt hat, wie gut es um die Verfolgung jeglicher kri­mineller Handlung in Österreich bestellt ist. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)

Die neuseeländischen Behörden haben diesen Mann, diesen Attentäter, der in einer geistigen Welt lebt, die ich aufgrund mangelnder Fachkenntnisse nicht beurteilen kann – da wäre vielleicht medizinisches Wissen gefragt –, nun gefasst. Wer ist aber schuld daran, dass die Neuseeländer nicht schon vorher gewusst haben, dass das ein potenzieller Gefährder ist? – Innenminister Kickl!

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es unter ehemaligen und aktiven Soldaten ein Netzwerk, das aufgeflogen ist und von dem ein Ausläufer nach Österreich gereicht hat, eine Person mit einer Waffe. Was ist passiert? – Österreichische Sicherheitsbehörden haben diese Person sofort kassiert, aber in der Bundesrepublik Deutschland gibt es dieses Netzwerk. Wer ist schuld daran, dass das dort, in der Bundesrepublik Deutsch­land, passiert ist? – Innenminister Kickl!

Ich glaube also, so wie Sie von der SPÖ das darstellen, dürfte Herbert Kickl für sämt­liche kriminellen Taten, die auf der ganzen Welt passieren, und sämtliche existierenden kriminellen Netzwerke verantwortlich sein. (Abg. Schieder: Sie sind ein Verharmloser! Reden Sie doch einmal zum Thema!) – Jetzt sind wir sogar noch Verharmloser. Ich meine, Sie sind hier wirklich nicht mehr in der Rolle der politischen Argumentation. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben ganz genau erfahren – und das stimmt mich eigentlich positiv –, dass wir alles wissen, dass sogar die entsprechenden rechtsstaatlichen – und das ist das Wich­tige dabei – Maßnahmen getroffen wurden. In diesem Zusammenhang dem Innenmi­nister auch zu unterstellen, dass eine Aktion wie eine Hausdurchsuchung, die von ei­ner Staatsanwaltschaft angeordnet und von einem Untersuchungsrichter bewilligt wur­de - - (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... als rechtswidrig ... festgestellt wurde! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie war rechtswidrig, aber wen trifft denn das, den In­nenminister oder den unabhängigen Richter? Oder wollen Sie vielleicht sogar sagen, dass dieser Superweltinnenminister, dem Sie nichts zutrauen, in dieser Republik und auf der ganzen Welt eigentlich auch der Superjustizminister sein soll?

Kurz und gut – so wie diese Bundesregierung: Kurz und gut (Widerspruch bei der SPÖ) – ist es ganz einfach so, dass dieser Innenminister trotz der Unkenrufe, Verdäch­tigungen und Verschwörungstheorien, die Sie aufgebaut haben, seine Arbeit macht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... Kommentar zu den Iden­titären?) – Bitte, was? (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Gibt es einen Kommentar zu den Verbindungen mit den Identitären?) – Na, keine Sorge! Keine Sorge, für Sie, Herr Kol­lege Feichtinger, tue ich doch fast alles. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei SPÖ und NEOS.)

Wir haben über die Ermittlungen gehört, dass morgen ein Unterausschuss stattfindet, in dem sogar vertrauliche Dinge behandelt werden. Sie von den – ich muss es jetzt wirklich so sagen – vereinigten Linken (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek – weite­re Zwischenrufe bei der SPÖ) glauben wahrscheinlich, dass der Innenminister jetzt sagen wird: Wir haben einen Verdacht gegen den Herrn Sowieso.

Zu den NEOS: Wir haben heute ja schon in der Zeitung gelesen, ob sie jetzt mit einem neuen Geschäftsführer nach links abbiegen. Der Wechsel zwischen Grün und NEOS


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 48

oder sonst etwas ist überhaupt kein Problem. Da ist ja die Unterhose nicht einmal so schnell gewechselt, wie das funktionieren kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Drozda: Reden Sie zur Sache! Reden Sie zum Rechtsextremismus! Das ist unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir reden hier über einen Terroranschlag in Christchurch, und was unerhört ist – das können Sie sich von hier heraußen abschminken. (Präsident Sobotka gibt das Glo­ckenzeichen.) Was unerhört ist?! – Sie hören jetzt einmal mir zu, und zwar meiner ganzen Rede, oder soll ich schon aufhören? Was glauben Sie denn? (Widerspruch bei der SPÖ.) Sie wollen einem den Mund verbieten! Ja, so schaut es aus bei Ihnen (Prä­sident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen), das ist Ihr Verständnis von Rechts­staatlichkeit und Demokratie! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sparen Sie sich Ihre Zwischenrufe – das zeigt Ihre wahre Geisteshaltung –, auch Sie, Herr Drozda! Jetzt hätte ich mich fast wieder beim Namen versprochen. (Abg. Drozda: Nicht nervös werden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nervös bin ich Gott sei Dank überhaupt nicht (Zwischenruf des Abg. Vogl), weil ich nämlich weiß, wie sicher wir in diesem Land leben können, trotz Ihrer Verunsicherungskampagnen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Drozda, der mit einer Hand nach oben weist.) – Ich habe Sie jetzt leider nicht gehört, Kollege Drozda, es tut mir furchtbar leid. Ich werde mir erlauben, das dann im Zwischenrufprotokoll nachzulesen. (Abg. Witt­mann: Arrogant und inhaltsleer ist Ihre Rede! – Ruf bei der SPÖ: Die Redezeit ist eh schon ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – So, jetzt geht es wieder munter wei­ter.

Jetzt wird natürlich versucht, die Chance zu nutzen, den Kontakt zu den Identitären meiner Fraktion, einer Regierungspartei, anzulasten (Zwischenruf des Abg. Loacker), und nun komme ich zu dem, was Sie erwarten. (Zwischenruf des Abg. Scherak. – Wei­tere Zwischenrufe bei den NEOS.) Ich sage Ihnen eines: Es geht verdammt schnell, dass man in einen Verdacht kommt. Da gibt es mehrere, und da möchte ich Ihnen nur einen zeigen, der sich mit dem Chef der Identitären, Herrn Sellner, abbilden ließ. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der Bundespräsident Van der Bellen mit Martin Sellner abgebildet ist, darunter der Text: „Ziemlich beste Freunde. Oder?“ – Abg. Droz­da: Unterirdisch!) Sie kennen ihn alle, manche aus der Fraktion haben sogar: Lieber Sascha!, gesagt. – Nein, das ist unser Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen. Aber dort sind Sie blind! (Abg. Leichtfried hält eine Tafel in die Höhe, auf der Vize­kanzler Strache und andere Personen – zwei davon als Identitäre gekennzeichnet – an einem Wirtshaustisch sitzend abgebildet sind.)

Sie sagen mit Ihrem Antrag, der Rechtsextremismus – und dazu bekennen wir uns – muss bekämpft werden, wenn er kriminell wird. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nur: Gesinnungsterror wird es keinen geben! Gesinnungsterror wird es keinen geben, aber wir sind nicht auf einem Auge blind! Wo sind Sie denn, wenn es um den Linksextremismus geht, aufgrund dessen die meisten Opfer von Straftaten zu beklagen sind? (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wo sind Sie denn, wenn es um den is­lamischen Terrorismus geht, der hier in Österreich stattfindet? – Wenn es um diejeni­gen geht, die das in ihren Reihen befördern, bleibt sogar die Wiener SPÖ ganz ruhig. (Abg. Rendi-Wagner: Was?)

Der Innenminister ist in keinem Bereich des Extremismus blind (Widerspruch bei der SPÖ), und Sie haben es gehört (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen): Der Terrorist, der jetzt im Zusammenhang mit islamistischem Terror gefasst wurde, ein Iraker, ist kein Rechtsextremist.

Zum Schluss: Sehr interessant an der Reisetätigkeit dieses Terroristen aus Neusee­land: Er war sogar in Nordkorea – vielleicht hat das noch Heinz Fischer als Präsident


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 49

der Freundschaftsgesellschaft eingefädelt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schieder: Der Präsident schläft schon wieder! – Abg. Krainer: Bitte, was soll das?)

10.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich glaube, es gehört zum guten Ton, dass man jemandem zuhört. (Abg. Krainer: Sie als Präsident sollten zuhören! – Haben Sie ihm zugehört?) Es gehört zum guten Ton, dass man jemandem zuhört. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie können sich ja dann zu einer Widerrede zu Wort melden, Herr Krainer, das steht ja jedem frei. (Abg. Krainer: Sie sollten sich melden!) – Ich brauche keine Beleh­rungen, das können Sie der Präsidiale melden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ. – Abg. Schieder: O ja! – Abg. Krainer: Schon! Oft!)

Nun ist Frau Abgeordnete Griss zu Wort gemeldet. (Abg. Krainer: Er hat gerade den Bundespräsidenten mit einem Terrorattentäter in Verbindung gebracht – und Sie haben hier den Vorsitz! Das ist ja das Letzte! Diese Vorsitzführung ist unterirdisch! Unter­irdisch ist Ihre Vorsitzführung! – Abg. Jarolim: Eine erbärmliche Rede ohne jede Reak­tion!)

Ich unterbreche die Sitzung zur Abhaltung einer Stehpräsidiale.

*****

(Die Sitzung wird um 11 Uhr unterbrochen und um 11.06 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf darum ersuchen, in einer Situation, in der es um ein sehr heikles Thema geht, in einer Diskussion, die für den Gesamtstaat von besonderer Wichtigkeit ist, bei der Wortwahl, bei Zwischenrufen mit der nötigen Sorgfalt vorzugehen und die Möglichkeit der Deeskalierung wirklich zu nutzen. Ich bitte alle, dass wir hier trotzdem gemeinsam, mögen die Haltungen noch so verschieden sein, das Ganze sehen.

Ich darf als Nächste Frau Abgeordnete Griss zum Rednerpult bitten.


11.07.16

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich hätte meinen Beitrag, unabhängig von dieser Aufregung jetzt, ohnehin etwas ruhiger und allgemeiner angelegt. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte von einem Kommentar ausgehen, der am vergangenen Montag in der „Pres­se“ erschienen ist. In diesem Kommentar wurde beklagt, dass die Opfer von Christ­church so viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, dass aber kaum darüber berichtet wird, dass Christen verfolgt und getötet werden. Meiner Meinung nach ist dieser Kom­mentar, dieser Artikel typisch für eine bestimmte Geisteshaltung. Ich glaube, dass die­se Geisteshaltung wesentlich ist und nicht, wo der Attentäter sich überall aufgehalten hat, denn diese Geisteshaltung beruht darauf, dass zwischen Menschen unterschieden wird, dass Opfer unterschiedlich eingeordnet werden, dass Leid gewichtet wird, dass es schwerer wiegt, wenn das unsere Leute betrifft, und nicht so schwer, wenn es die anderen betrifft, dass es Menschen gibt, die anders sind, anders als wir (Zwischenruf des Abg. Taschner), dass Menschen in ein bestimmtes Kästchen eingeteilt werden, so wie das Thomas Bauer in der „Vereindeutigung der Welt“ beschreibt, dass wir die Men-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 50

schen sortieren (Abg. Taschner: Das ist falsch! Da haben Sie ihn falsch gelesen!), nach ihrer Ethnie, nach ihrem Religionsbekenntnis. Thomas Bauer führt als Beispiel auch die sexuelle Orientierung an. Das sind dann andere Menschen, sie sind anders, und was anders ist, macht Angst. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Sie kennen wahrscheinlich die Erzählung von Franz Kafka „Die Verwandlung“. Gregor Samsa verwandelt sich in einen Riesenkäfer. Wenn man diese Erzählung liest, spürt man die Angst, die mit dieser Verwandlung, mit diesem Fremdwerden verbunden ist, geradezu körperlich. Es ist beängstigend.

Diese Angst vor dem Anderen ist auch die Grundlage dieses Buches, das der Herr In­nenminister zitiert hat: Renaud Camus’ „Le Grand Remplacement“ – The Great Re­placement, der große Austausch. Wir sind in einer Situation, in der die Gefahr besteht, dass Menschen aus Nordafrika – Nordafrikaner, Menschen ist in diesem Zusammen­hang schwierig – und aus Subsahara-Gebieten Europa kolonialisieren, dass es hier zu einem Austausch der Bevölkerung kommt. Dieser drohende Austausch der Bevölke­rung zwingt uns, unsere Kräfte zu mobilisieren, und er rechtfertigt dann in der obskuren Ideologie mancher Menschen solche Taten. Sie fühlen sich dadurch gerechtfertigt, sie sehen sich als Mittel, um eine große Gefahr für uns abzuwenden. Sie sehen den Men­schen, den anderen, nicht mehr als Menschen so wie uns, sondern als ein Objekt, und sie wenden sich damit von allem ab, was Grundlage unserer Zivilisation und Kultur ist.

Artikel 1 der Grundrechtecharta sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Da heißt es nicht: Die Würde des weißen Europäers ist unantastbar, die Würde des Chris­ten ist unantastbar. Es heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Immanuel Kant, dem wir die Aufklärung und damit unsere Zivilisation zu einem großen Teil verdanken, hat gesagt, der Mensch muss immer auch Zweck sein, er darf nie nur Mittel sein. Wenn es, wie beim Attentäter von Christchurch, zur Verbindung von unbe­grenzter Überheblichkeit – ich gehöre der besseren Rasse an! – und religiösem, ras­sistischem Fundamentalismus kommt, dann fühlt sich so jemand gerechtfertigt, so eine Tat zu begehen. Er fühlt sich als Werkzeug seiner verqueren Hoheit – Gott oder wes­sen Willen er immer hier auf Erden verwirklichen will.

Die Wurzel all dessen aber ist die Abgrenzung – der andere ist anders –, denn aus der Abgrenzung folgt die Ausgrenzung, und die Ausgrenzung führt in extremen Fällen zur Auslöschung. Gerade wir – mit unserer Geschichte – müssen besonders wachsam sein. Wir werden nicht sagen können: Wir haben das nicht kommen sehen! Daher rufe ich Sie alle, uns alle auf: Wehren wir den Anfängen und treten wir gegen solche Geis­teshaltungen auf! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße auf unserer Galerie Vertreter des Senioren­bundes aus Kobersdorf. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.


11.14.06

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vize­kanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Innenminister, ich möchte an den Beginn meiner Ausführungen einen Dank an Sie für diese sehr ru­hige, klare und umfassende Erklärung, die Sie im Hohen Haus abgegeben haben, stel­len (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn ich glaube, dass das Thema nicht dazu angetan ist, billige Punkte zu machen, sondern das Thema ist in jeder Hinsicht ernst, meine Da­men und Herren!

Ich denke, wir alle sind über den Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch bestürzt und schockiert, mit welcher Kaltblütigkeit wahllos auf Menschen bei der Ausübung ihrer


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 51

Religion geschossen worden ist. Ehrlich gesagt: Es ist in so einer Situation nicht von Bedeutung, ob es sich um Muslime, um Christen, um Juden oder um Buddhisten han­delt. Es ist in jedem Fall ein Verbrechen, das zu verachten und zu verurteilen ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Ich meine, es ist auch angebracht, dass wir am heutigen Tag aller Opfer gedenken und ihren Angehörigen unser Mitgefühl zum Ausdruck bringen, auch das darf am heutigen Tag einmal gesagt werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

In den Medien wird derzeit von einem rechtsextremen Netzwerk gesprochen, das auch in österreichische Sicherheitsbehörden hinein Verbindungen haben soll. Meine Damen und Herren, jede potenzielle Bedrohung ist ernst zu nehmen! Ich denke, dass gerade die Hausdurchsuchung am Beginn dieser Woche auch gezeigt hat, Herr Innenminister, dass die österreichischen Sicherheitsbehörden genau das sehr, sehr ernst nehmen. Gott sei Dank, meine Damen und Herren, wird das ernst genommen! Jede Verbindung des Attentäters in Christchurch nach Österreich und natürlich in alle anderen Länder ist umfassend zu untersuchen und zu hinterfragen. Ich denke, dass in dieser einen Ange­legenheit eines wichtig ist, nämlich dass es auch so etwas – und da bin ich altmodisch, nicht böse sein! – wie einen politischen Schulterschluss gibt und nicht ein Wechseln von politischem Kleingeld, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben ein weiteres großes Problem: Wenn ein solcher Attentäter eine derart un­glaubliche Tat über eine Helmkamera live ins Netz überträgt und das innerhalb von 24 Stunden 1,5 Millionen Mal gepostet wird, meine Damen und Herren und Hohes Haus, dann wird einem auch bewusst, welche Dimension ein derartiger terroristischer Anschlag plötzlich gewinnen kann. Wir haben alles zu tun, alle technischen Möglich­keiten zu entwickeln, um solche Vorgänge künftig hintanzuhalten.

Ich denke, dass unser Verfassungsschutz, unsere Landesämter für Verfassungsschutz nicht erst jetzt, sondern auch in der Vergangenheit, insbesondere was die Terrorismus­abwehr betrifft, eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Wir sind Gott sei Dank, meine Damen und Herren, bisher in Österreich von terroristischen Anschlägen verschont ge­blieben. Das hat unterschiedliche Gründe, aber ganz ohne Grund ist es nicht, dass un­sere Sicherheitsbehörden – das Bundesamt, die Landesämter – in den vergangenen Jahren bis zum heutigen Tag eine exzellente Arbeit geleistet haben, denn lange bevor es die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ oder in London oder sonst wo in Europa gege­ben hat, sind unsere Verfassungsschützer in jene Bereiche hineingegangen, haben die größte Razzia der Zweiten Republik mit über 900 Beamten – die „Operation Palmyra“ ist Ihnen allen bekannt – durchgeführt. Ich denke, dass wir da halt schon einige Male rechtzeitig dran waren.

Deshalb ist es falsch, diese Behörden – in welcher Form auch immer – zu schwächen oder ihnen Dinge zu unterstellen, wie das jetzt zum Teil passiert, weil es vielleicht den einen oder anderen Irrläufer geben mag; deshalb dürfen wir dennoch nicht unsere Si­cherheitsbehörden in irgendeiner Art schlechtreden oder sie im Ganzen in Netzwerke verwickeln, in denen sie ganz sicherlich nicht sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Leichtfried, ein Letztes: Ihr Vorschlag einer Sonderkommission ist sicher­lich ein interessantes und gut gemeintes Signal. Ich möchte aber dennoch sagen, dass wir ausreichend Gremien haben. Es gibt zeitnahe eine Sitzung des Ständigen Unter­ausschusses des Ausschusses für innere Angelegenheiten, in der wir Parlamentarier noch mehr Informationen erhalten werden, als das heute aus ermittlungstaktischen Gründen möglich war. Manche haben gemeint, der Innenminister habe jetzt vielleicht nicht alles gesagt – na ja, wie schon Wittgenstein sagt: „Wovon man nicht sprechen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 52

kann, darüber muss man schweigen.“ Wir haben die Möglichkeit, im Ständigen Unter­ausschuss Detailinformationen zu erhalten. Nächste Woche tagt der Nationale Sicher­heitsrat, ein weiteres Gremium. Ich denke, dass das Hohe Haus mit all seinen Interpel­lationsmöglichkeiten auch jede Möglichkeit hat, jene Informationen zu erhalten, die not­wendig sind.

Rücken wir also in so einer Situation ein bissel zusammen und wechseln wir nicht Klein­geld, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.20


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Dr.in Zadic. – Bitte.


11.21.11

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Vi­zekanzler! Geschätzte Regierungsmitglieder! Die Gefahr, die von Rechtsextremismus ausgeht, wurde viel zu lange unterschätzt. Sie, Herr Innenminister, haben uns hier im Plenum erklärt – und ich zitiere wörtlich –: „die Begriffe Rechtsextremismus, Neonazi – alles Dinge, die unsere Rechtsordnung im Übrigen in der Form als Straftatbestände nicht kennt“. – Auch wenn Sie formell recht haben, so ist diese Aussage inhaltlich völlig verfehlt und äußerst bedenklich. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Dass das Verbot des Neonazismus oder der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn sogar in Verfassungsrang steht, wissen wir alle. Sind Sie etwa der Meinung, Herr In­nenminister, dass wir nichts gegen Rechtsextremismus tun sollten? (Zwischenruf des Abg. Neubauer. – Ruf bei der FPÖ: Das hat er nicht gesagt! – Abg. Steinacker: Die Rede ist vorbereitet, da kann ...!) Meines Erachtens, unseres Erachtens sollten wir uns alle mit aller Kraft und entschieden gegen jegliche Form von Extremismus zur Wehr setzen, und dazu gehört auch der Rechtsextremismus. Wir haben gestern entspre­chende Anträge eingebracht, die allesamt abgelehnt wurden.

Der Terror in Neuseeland hat uns vor Augen geführt, welche Gefahr von Rechtsextre­mismus ausgeht, welche Gefahr von dieser Ideologie ausgeht. Der Täter, der Terrorist in Neuseeland, war von der rechtsextremen Szene in Europa und auch in Österreich inspiriert. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, die sogenannte weiße Rasse vor dem – unter Anführungszeichen – „großen Austausch“ zu schützen. Er will die – unter Anfüh­rungszeichen – „weiße Rasse“ vor den Andersgläubigen schützen, allen voran vor Muslimen, vor Afrikanern, vor Asiaten. Der Täter in Neuseeland hat diese Ideologie so verinnerlicht, dass er nicht davor zurückgeschreckt ist, auf Kinder zu schießen, auf Fa­milien zu schießen, auf Menschen zu schießen, die in ihrem Gotteshaus beten. Er hat sie auf brutalste Art und Weise ermordet, weil für ihn diese Personen keine Menschen waren.

Diese Ideologie, meine Damen und Herren, hat keinen Platz in Europa, und sie hat auch keinen Platz in Österreich! (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Genau diese Ideologie wird aber von sogenannten neuen Rechten be­feuert, und zu diesen neuen Rechten gehört auch die Identitäre Bewegung Österreich. Sie ist in Europa sehr gut vernetzt, und ihre Vernetzung reicht auch bis zu den höchs­ten politischen Ämtern – auch in Österreich. (Abg. Hauser: Ah geh! – Abg. Höbart: Bis zum Bundespräsidenten! Ja! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auch in Österreich werden ihre Inhalte und ihre Ideologie bereitwillig verbreitet.

Ich erinnere nur an den Ministerratsvortrag im Oktober letzten Jahres, als es um den UN-Migrationspakt gegangen ist. Da wurde ja sogar die Übersetzung dieses Migra­tionspakts, die von den Identitären selbst stammt, verwendet, und nicht die offizielle Übersetzung – die Übersetzung der Identitären!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 53

Ich möchte daran erinnern, dass beispielsweise auch Abgeordneter Gudenus von einer systematischen Umvolkung gesprochen hat. Genau damit verbreiten Sie, liebe Abge­ordnete, Angst in Österreich und spalten die Gesellschaft.

Ich erinnere aber nicht nur an Abgeordneten Gudenus. Innenminister Kickl hat sich im Jahr 2016 bei einem Kongress, dem Kongress Verteidiger Europas, zu Wort gemeldet und dort eine Starrede gehalten. Dieser Kongress Verteidiger Europas ist – ich möchte es einmal kurz sagen – ein Treffen von Rechtsextremen, bei dem sich selbsternannte Retter des Abendlandes gegen die ethnokulturelle Verdrängung der europäischen Völ­ker versammeln und sich gegenseitig befeuern. Unterstützt und begleitet wurde dieses Treffen von Publikationsplattformen, zum Beispiel „Info-direkt“ oder unzensuriert.at, die heute mit Steuergeld aus FPÖ-geführten Ministerien gesponsert werden.

Bei Ihrer Rede, Herr Innenminister, bei diesem Kongress der rechtsextremen Verteidi­ger Europas, haben Sie sich gefreut – und ich zitiere wörtlich – „unter Gleichgesinnten“ zu sein. – Wollen Sie uns vielleicht heute erklären, zu welchen Gleichgesinnten Sie sich zählen? Wer sind denn diese Gleichgesinnten? (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Ich zitiere weiter aus Ihrer Rede, Sie haben gesagt: Es ist „ein Publikum, wie ich mir das wünsche und wie ich mir das vorstelle“. Dann erzählen Sie weiter: „Wir können tun und machen, was wir wollen“. Weiters sagen Sie bei diesem Treffen der Rechtsextre­men: Aber wir müssen diesen Kampf offensiv aufnehmen – das sind Ihre Worte! – und dürfen uns hier keinen Millimeter zurückdrängen lassen! Der Widerstand muss von uns allen überall mit gleicher Vehemenz geführt werden! – Zitatende.

Haben Sie, Herr Innenminister, tatsächlich vor Rechtsextremen zum Kampf aufgeru­fen? Zum Kampf gegen wen? Wollen Sie uns das vielleicht heute erklären? (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Unglaublich!) Sie haben dazu aufgerufen, dass dieser Widerstand mit gleicher Vehemenz geführt werden soll. – Um welche Vehemenz handelt es sich denn?

Weiters haben Sie gesagt, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstan­des sei ein „Verein, der an der Spitze der sogenannten Skala der unnötigen Vereine steht“. (Beifall und Bravoruf des Abg. Gudenus. – Ruf bei der SPÖ: ... klatschen?! – Abg. Gudenus: ... ja richtig!) Ist das Ihr Ernst? Ist das der Verein, gegen den Sie Eu­ropa verteidigen wollen? Oder sind es vielleicht die Schutzsuchenden, die Migranten, sind es Andersgläubige, gegen die Sie Europa verteidigen wollen?

Menschen, die zu uns kommen, bezeichnen Sie von der FPÖ als Invasoren. Auch Sie, Herr Minister Hofer, haben erwähnt, dass Menschen, die zu uns kommen, Invasoren sind. Auch Sie, Vizekanzler Strache, haben gesagt, dass Menschen, die zu uns kom­men, Invasoren sind. – Das sind alles Begriffe, die zum Kampf aufrufen. Der Duden de­finiert Invasion als ein „feindliches Einrücken von militärischen Einheiten in fremdes Gebiet“. – Befinden wir uns im Kriegszustand? Wie rufen Sie Ihre Gleichgesinnten auf, sich gegen Invasoren zu wehren? Sind Sie bereit – und ich stelle diese Frage an Sie alle hier –, zu akzeptieren, dass gewalttätig gegen Menschen vorzugehen ist, die Sie als Invasoren bezeichnen? Wenn Sie es nicht sind, dann müssen Sie das hier offen bekennen! (Abg. Stefan: Geh bitte! Das ist doch unerhört, so ein Vorwurf! – Zwischen­rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das war eine Frage! – Abg. Stefan:... ein Vor­wurf! Wir müssen uns ...!)

Diese Art, über Menschen zu sprechen, werte Abgeordneten, kennen wir nur allzu gut. Schauen Sie sich um! Schauen Sie sich in der Geschichte um! Schauen Sie sich um, wie in den 1920er- und 1930er-Jahren über Andersgläubige gesprochen wurde und wozu das geführt hat! (Abg. Stefan: Sie sind Juristin! Sie müssen das schon ordentlich formulieren!) Schauen Sie sich um! Sie brauchen gar nicht so weit zurückzugehen, bleiben wir in Europa: Schauen Sie sich die Reden an, die zehn Jahre vor dem Jugos-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 54

lawienkrieg von Politikern gehalten wurden! Schauen Sie sich an, welche Sprache, welche Worte, welche Reden dazu geführt haben, dass Nachbarn gegen Nachbarn aufgehetzt wurden, dass Familienmitglieder gegen Familienmitglieder aufgehetzt wur­den!

Man hat damit angefangen, die Gesellschaft in ein Wir und ein Sie aufzuspalten, dann hat man gesagt, die anderen gehören nicht dazu, sie sind Invasoren. Dann hat man angefangen, aufzurüsten, und dann hat man zum Kampf aufgerufen; dann hat man ge­sagt, man muss zu den Waffen greifen, um sich gegen diese anderen zu verteidigen.

Das, meine Damen und Herren, will ich nicht in Österreich haben! Ich will das nicht in Europa haben! (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit unsere Gesellschaft nicht aufge­spalten wird, damit andere Menschen nicht als Invasoren bezeichnet werden und damit morgen nicht zu den Waffen gegriffen wird. Ich werde alles tun, damit unsere Kinder nicht einen Krieg erleben, wie ich ihn erleben musste, sondern in Frieden und Freiheit aufwachsen. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei JETZT und SPÖ, bei Abgeordne­ten der NEOS sowie der Abgeordneten Bißmann und Dönmez.)

11.30


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Gudenus. – Bitte. (Abg. Lindner – in Richtung des am Weg zum Rednerpult kurz mit Bundesminister Hofer sprechenden Abg. Gudenus –: Die letzte ... abgeholt!)


11.30.49

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mi­nister! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Es ist ein sehr emotionales Thema, wie man sieht, trotzdem, glaube ich, ist es wichtig, das Ganze auf den Boden der Sachlich­keit herunterzubrechen (Zwischenrufe bei der SPÖ), deswegen möchte ich nicht auf die eher entbehrlichen Ausführungen des Kollegen Leichtfried und der Frau Zadić ein­gehen.

Ein paar Worte vielleicht doch: Frau Zadić, eine Invasion ist ein Einmarsch, ja – das einmal dazu. Das Zweite ist, Frau Zadić: In totalitären Systemen gilt die Beweislast­umkehr. Was Sie uns gerade vorgeworfen haben, wir müssen erklären, dass wir keine Gewalt gegen die – unter Anführungszeichen – „Invasoren“ anwenden, ist so eine Be­weislastumkehr, die in totalitären Regimen vorherrscht. Wenn man weiß, dass Ihr Lis­tengründer Peter Pilz den Revolutionären Marxisten angehört hat: Das mag vielleicht ein Grund dafür sein, dass diese Geisteshaltung bei JETZT noch immer vorherrschend ist. Das ist schade, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: ... zu Verbindungen mit den Identitä­ren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde mir auch wünschen, dass Frau Zadić zum Beispiel dieselbe Empathie für Opfer anderer Terroranschläge an den Tag legt, wie sie es zu Recht für die Opfer in Neuseeland gemacht hat.

Heute wurde schon öfter sinngemäß der Artikel von Gudula Walterskirchen zitiert, der vor ein paar Tagen in der „Presse“ erschienen ist – ich glaube, Frau Griss ist auf den Artikel eingegangen, ohne ihn zu zitieren, und auch andere meiner Vorredner –: Es wird immer wieder mit zweierlei Maß gemessen. Wenn in Neuseeland Moslems Opfer werden, was verwerflich ist, dann wird natürlich darüber geklagt. Täglich werden welt­weit Christen verfolgt und getötet – in Nigeria, in Afghanistan, in Pakistan, in Nordafri­ka, im Nahen Osten, da und dort noch immer auch im Kosovo; Verfolgung, Tötung viel­leicht nicht –, das ist aber mittlerweile eine Sache, auf die man gar nicht mehr eingeht. Das ist eben ein Punkt, wo man davon sprechen muss, dass da und dort mit zweierlei


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 55

Maß gemessen wird. Das haben sich die Opfer nicht verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Terror bleibt Terror und Opfer bleiben Opfer, und ein Opfer kann sich nicht aussuchen, von wem es getötet oder geschlachtet wird. Ein Opfer ist ein Opfer, Familien verlieren Angehörige, Eltern verlieren Kinder, Kinder verlieren Eltern, Verwandte, Freunde. Ein Opfer bleibt ein Opfer, egal ob es ein Anschlag war, der rechtsextrem war, der radikal islamistisch war, der sonst irgendwie einen irrsinnigen Hintergrund hatte, egal wer die Opfer sind.

Werter Herr Innenminister, ich bedanke mich an dieser Stelle für Ihren nüchternen, kla­ren Überblick über die aktuellen Ermittlungsergebnisse; die Ermittlungen werden natür­lich weitergehen, aber das ist der aktuelle Stand. Wir sind auch sehr interessiert daran, wie es weitergeht, das ist überhaupt keine Frage. Herr Innenminister, man sieht, der Rechtsstaat handelt unter Ihrer Ägide im Ministerium entschlossen. Er handelt ent­schlossen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Ich verwehre mich auch gegen die absurden Vorwürfe, die hier getätigt wurden, Herr Kickl lege den Sicherheitsapparat lahm oder Herr Kickl lähme das Ermitteln der Behör­den, Herr Kickl lasse das BVT stürmen und dergleichen. – Das alles ist ja erstens im Endeffekt schon entkräftet worden. Zweitens sieht man an den aktuellen Ergebnissen, die in den letzten Tagen bekannt wurden, dass ein IS-Verdächtiger (Abg. Wurm: Ge­meindebau!) in einem Simmeringer Gemeindebau gefasst wurde. Er hat wahrschein­lich sieben Jahre in Wien gelebt, und man kann auch unterstellen, dass er Mindestsi­cherung kassiert hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er ist anscheinend auch politisch in­teressiert, scheint sich offenbar für die SPÖ, aber auch ein wenig für die Grünen zu in­teressieren. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich würde diese Aussage aber nie zum Anlass nehmen, zu behaupten, dass Sie hinter einem IS-Anschlag stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren; umgekehrt würden Sie es tun, und das ist verwerf­lich! Das ist Ihr Verhalten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ganz egal ob politisch motivierter oder religiöser Extremismus und Gewalt: Das gilt es nicht nur strikt abzulehnen, sondern es ist mit allen Mitteln, mit allen gebotenen Mitteln des Rechtsstaates kompromisslos zu verfolgen und zu sanktionieren.

Der Herr Innenminister hat heute gesagt, was er im letzten Jahr schon dagegen getan hat: Die BVT-Reform kommt. Das Sicherheitspaket wurde beschlossen, eben auch mit der Möglichkeit, übers Internet hineinzuschauen und die Überwachung auszuweiten. Die Möglichkeit einer Sicherungshaft ist in Planung. Und natürlich kommt zukünftig das Verbot des politischen Islam, der die Wurzel vieler Terroranschläge in Europa und welt­weit ist. Hier in Österreich wollen wir ein Gesetz schaffen, ein Strafgesetz, durch das der politische, radikale Islam verboten wird – und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist unsäglich, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und von den anderen Parteien der linken Hälfte, diese Amoktat eines geistesgestörten Rechtsextremen in Neuseeland heranzuziehen und daraus hier in Österreich politisches Kleingeld schla­gen zu wollen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist unsäglich, das ist unwürdig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das Problem in Österreich und in Europa sind die Islamisierung und der politische Islam. Das ist das Problem, das Hauptproblem, vor dem wir nicht nur hier, sondern in der gesamten Europäischen Union stehen – Madrid, Paris, Brüssel, Berlin, Nizza. Das wahre Problem ist eben der organisierte und blutige Terror radikaler islamistischer Ter­rorbewegungen, die unsere Kultur zerstören wollen. Das haben sie in vielen Manifes­ten, Pamphleten und sonstigen Aufrufen im Internet, aber auch verbal immer wieder un­ter Beweis gestellt. (Abg. Leichtfried: Redezeit!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 56

Ich darf auch daran erinnern, dass vor 30 Jahren am Flughafen Wien oder 1981 in ei­ner Synagoge in Wien auch schon blutige Anschläge verübt worden sind.

Nicht umsonst hat der ehemalige Bundeskanzler Kern Pfosten, also Poller vor dem Bundeskanzleramt errichten lassen. Warum kam das wohl? Warum errichtet man Pfos­ten, Poller vor dem Bundeskanzleramt? Ich will jetzt die Debatte darüber, wie viel das gekostet hat und welche Machenschaften im Hintergrund gelaufen sind, auslassen. Er hat ja selber Wasser ausgeteilt und konnte sich dann nicht daran erinnern, dass die Poller gebaut wurden.

Warum aber baut man Poller in der Hauptstadt eines westlichen Landes? Warum baut man Poller bei der Kärntner Straße? Warum baut man Poller um den Rathausplatz? – Weil die Gefahr radikal islamistischer Attentate real besteht, weil genau diese Gefahr nicht nur besteht, sondern in Paris, in Berlin, in anderen Städten auch zur Realität wur­de, wo Lkws in die Menschenmengen hineingefahren sind und nachher mit dem Mes­ser hantiert wurde und noch mehr Menschen getötet wurden. (Abg. Leichtfried: Jetzt widersprechen Sie aber massiv dem Innenminister! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau solche Anleitungen wurden auch im Internet seitens radikal islamistischer Strömungen verbreitet, dass eben mit dem Auto, mit dem Messer zu agieren ist. Daher wurde auch bei sogenannten Einzel­fällen in diese Richtung gehandelt.

Ich sage in aller Klarheit: Das sind keine Amokläufer, keine Amokläufe einzelner Perso­nen. Das sind keine wenn auch noch so schrecklichen Amokläufe einzelner Personen, sondern fanatische, religiös motivierte Attentatsserien mit eiskaltem System. Das ist ra­dikaler Islamismus mit terroristischer Ausprägung, und dagegen kämpfen wir in Öster­reich mit aller Gewalt des Rechtsstaates. – Danke sehr, Herr Innenminister Kickl! (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Loacker: ... Redezeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme schon zum Schluss, damit auch die folgenden Redner noch zu Wort kommen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried): Es ist, glaube ich, wichtig, kein politisches Kleingeld zu schlagen, und notwendig, unseren Innenminister in all seinem Handeln zu unterstützen, wenn es darum geht, extremisti­sche Taten, egal aus welcher Richtung, zu verhindern und zu ahnden. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Klubvorsitzende Dr.in Pa­mela Rendi-Wagner. – Bitte.


11.40.12

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Innen­minister! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Es ist wirklich schwer, nach dieser Rede des Kollegen Gudenus Worte zu finden (Beifall bei der SPÖ – Abg. Gudenus: Ja genau! – Abg. Martin Graf: Weil er alles ge­sagt hat!), aber ich möchte ganz bewusst, weil es, so wie es notwendig ist, in dieser Form heute noch nicht getan wurde, der 50 unschuldigen Opfer von Christchurch hier auch seitens des Hohen Hauses und der Sozialdemokratie gedenken (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Kollege Amon!) und vor allem ihren Angehörigen unser Mitgefühl ausspre­chen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Kitzmüller: Amon hat das schon gesagt! – Abg. Rosenkranz: Das war zu wenig!)

Ich würde Sie auffordern, hier einige Sekunden im Gedenken an diese unglaubliche Tat innezuhalten! (Die Rednerin schweigt für einige Sekunden.)

Sehr geehrter Klubobmann Rosenkranz, bevor ich mit meiner eigentlichen Rede begin­ne, möchte ich noch Folgendes sagen: Ich erachte es als wirklich unglaubliche, ja inak-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 57

zeptable Entgleisung, dass Sie hier unser Staatsoberhaupt, den Bundespräsidenten in eine vermeintliche Nähe zum oder in einen Zusammenhang – durch das Bild, das Sie hier an diesem Rednerpult gezeigt haben (Rufe bei der FPÖ: Aber umgekehrt geht es! – Abg. Gudenus: Unglaublich! – Ruf bei der FPÖ: Peinlich!) – mit dem Rechts­extremismus in diesem Land bringen. Ich erachte das als inakzeptabel. Ich erwarte mir, dass Sie dem Staatsoberhaupt dieser Republik hier mit allem Respekt begegnen, wie wir alle das tun, und ich erwarte mir, dass Sie sich dafür entschuldigen! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Kassegger: ... Vizekanzler dieser Republik ...!)

Ja, wir haben in den letzten Tagen und Wochen gesehen, dass in Österreich Rechts­extremismus nicht nur in der öffentlichen Debatte, im Diskurs um sich greift. Nein, das Problem ist konkreter, das Problem ist real. Das Problem sind rechtsextreme Netzwer­ke, die eine echte Gefahr darstellen. Das Problem ist auch, dass wir einen FPÖ-Innen­minister haben, der da offenbar im Vorfeld nichts unternommen hat (Abg. Hauser: So ein Blödsinn! Das ist unerträglich!), der in den letzten 15 Monaten offenbar seinen Bei­trag geleistet hat, dass unser Schutz gegen diese rechtsextremen Netzwerke sogar geschwächt wird; ein Innenminister, der durch die vermeintliche Nähe seiner eigenen Fraktion zu diesen Netzwerken auch eine fragwürdige Glaubwürdigkeit in der Aufklä­rung und Untersuchung dieser Netzwerke hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten von NEOS und JETZT. – Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Wahnsinn!)

Wir haben in den letzten Wochen auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie seit sechs Wochen jegliche Aufklärung betreffend den tragischen Mordfall in Dornbirn ver­weigern, Herr Innenminister. Sie haben von uns dazu zehn Fragen gestellt bekommen, um Klarheit zu schaffen; aber seit sechs Wochen haben Sie keine einzige Frage dazu beantwortet – keine einzige! (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das sind sechs Wochen, in denen Sie als für die Sicherheit zuständiger Minister dieses Landes offenbar jegliche Verantwortung dafür von sich weisen. Und Sie machen es erneut, wie Sie es immer in solchen Situationen machen: tarnen, täuschen und mit dem Finger auf andere zeigen.

In diesem Fall schieben Sie die Verantwortung auf den Vorarlberger Landeshauptmann Wallner. Ich verstehe den Landeshauptmann nur allzu gut, dass er Ihre Suppe nicht auslöffeln möchte, Herr Minister Kickl. Ich frage mich: Wo ist genau da die ÖVP und wo ist der Herr Bundeskanzler? Wollen Sie (in Richtung ÖVP) das zulassen? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wollen Sie zulassen, dass Ihr Innenminister die Verantwortung auf einen Landeshauptmann schiebt, Ihren Parteifreund und Kollegen, der da eingetunkt wird?

Ja, Herr Innenminister, wissen Sie, das perfide daran ist, dass Sie zuallererst einmal angeblich nicht verantwortlich sind, und dann gehen Sie noch weiter. Sie haben diesen tragischen Fall zum Anlass genommen, um über eine sogenannte Sicherungshaft in Österreich zu diskutieren (Zwischenbemerkung von Bundesminister Kickl – Zwischen­ruf des Abg. Martin Graf) beziehungsweise in diesem Land diskutieren zu lassen. (Abg. Hauser: Ist auch gut!)

Wie immer: tarnen und täuschen. Anstatt zu untersuchen und Fakten zu schaffen (Bun­desminister Kickl: Doskozil ...! – Zwischenruf des Abg. Neubauer), treten Sie in eine höchst emotionale Debatte ein (Abg. Stefan: Wie ist das mit dem Doskozil?), brechen diese öffentlich vom Zaun und lehnen sich wie immer – wie auch jetzt – zurück. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Reden Sie da mit dem Doskozil darüber? – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Ja, Herr Kickl kann zufrieden sein. Wieder einmal hat er die Verantwortung von sich geschoben, und das Land diskutiert. (Abg. Gudenus: Doskozil!)

Sie wissen, es gibt jüngste mediale Recherchen, die deutlich zeigen: Sie haben in der Frage Dornbirn völlig versagt. Es sind zahlreiche Expertinnen und Experten – und Sie wissen es –, die meinen, man hätte den mutmaßlichen Täter rechtzeitig in Haft neh-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 58

men können. Die rechtlichen Instrumente müssen nicht erst geschaffen werden, nein, wir haben sie bereits, Herr Innenminister! (Abg. Herbert: Das ist aber spannend! Nach welcher gesetzlichen Bestimmung wäre denn das möglich gewesen, Frau Kollegin?) Ja, ein neues Gesetz alleine sorgt nicht für ein Mehr an Sicherheit. Es braucht funktio­nierende Behörden, und es braucht einen Innenminister, der nicht wegschaut. (Zwi­schenruf des Abg. Gudenus.)

Der Mord in Dornbirn erschüttert bis heute die Öffentlichkeit, und Ihre Untätigkeit schafft jeden Tag immer mehr Verunsicherung, eine Verunsicherung, die Sie zu verantworten haben. Und die Frage ist: Warum? Warum wollen Sie nicht aufklären? Was gibt es da zu verbergen? – Keine Antwort, nur laut Sicherungshaft schreien! (Bundesminister Kickl – in Richtung SPÖ –: Sie sollte zur Sache kommen, oder!?) Auch das dient nur einem Zweck: tarnen und täuschen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Reden wir doch über ein weiteres massives Sicherheitsproblem, bei dem Sie erneut wegschauen, ein Sicherheitsproblem, das beängstigt (Abg. Gudenus: SPÖ!): die nun bekannt gewordene Verbindung des Christchurchattentäters zu rechtsextremen Netz­werken in Österreich. Diese Frage darf nicht unbeantwortet bleiben, wir fordern Sie auf, da tätig zu werden. (Abg. Stefan: Das hat er schon erklärt! Ich weiß nicht, ob Sie zugehört haben! Genau das hat er erklärt! Interessant, dass Sie das fordern, was er eh schon erklärt hat!) Wir fordern Sie auf, eine unabhängige und transparente Aufklärung des Dornbirner Mordfalls sicherzustellen. (Zwischenruf bei der ÖVP: Die Rede war schon vorher geschrieben!) Die Menschen haben ein Recht darauf. Wer da untätig bleibt, ist eine Gefahr für dieses Land und ist eine Gefahr für die Menschen. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei NEOS und JETZT. – Abg. Wöginger: Die Rede war für den Beginn geschrieben!)

11.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Chris­toph Zarits. – Bitte.


11.47.24

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Zuerst möchte ich mich einmal ganz herzlich bei un­serem Innenminister Herbert Kickl für die Erklärung heute und für die klaren Worte ge­gen jede Art von Extremismus und Terrorismus bedanken. – Ein herzliches Danke­schön dafür. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei der FPÖ.)

Ein herzliches Dankeschön auch an die Sicherheitsbehörden, und ein herzliches Dan­keschön an das Bundesministerium für Inneres für die richtigen und wichtigen Schritte, die bereits gesetzt wurden. – Ein herzliches Dankeschön dafür.

In den Medien wird derzeit sehr, sehr viel von einem rechtsextremen Netzwerk berich­tet, das bis nach Europa reicht, das sogar bis nach Österreich reichen soll – und der Herr Innenminister nimmt jede potenzielle Bedrohung unserer Sicherheit sehr, sehr ernst. Es ist daher auch wichtig und konsequent, auf politischer Ebene umgehend zu agieren, weshalb der Ständige Unterausschuss des Ausschusses für innere Angele­genheiten einberufen wurde, wo die Abgeordneten von den zuständigen Ministern in­formiert werden sollen, und am Montag, haben wir gehört, soll auch der Nationale Si­cherheitsrat tagen.

Für uns ist eines klar: Jede Verbindung zwischen dem Attentäter und den Mitgliedern der Identitären Bewegung muss restlos und schonungslos aufgeklärt werden. Die in­tensiven Ermittlungen, die der Herr Innenminister schon erwähnt hat, und beispiels­weise auch die Hausdurchsuchungen Anfang dieser Woche haben gezeigt, dass unser Rechtsstaat funktioniert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 59

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österrei­cher! Extremismus und Terrorismus ist in jeder Form etwas, das in unserer Welt, das in Österreich keinen Platz haben darf, egal ob von links oder von rechts, egal ob aus ideologischen oder religiösen Motiven. Dieses Thema und unsere Sicherheit sind zu wichtig, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen. Wir sagen: Null Toleranz bei je­der Form von Extremismus! Extremismus verfolgt immer nur ein Ziel, die Gesellschaft zu spalten, und das werden wir nicht zulassen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Stephanie Kris­per. – Bitte.


11.50.03

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr In­nenminister! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ein Mann hat vor 14 Tagen 50 Menschen ermordet. An dem Massenmord in Christchurch sehen wir, was auf die Spitze getriebener paranoider Hass und Rechts­extremismus anrichten können – eine Ideologie, die durchtränkt ist von Hass und Hetze gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, anderer Kultur, anderer Sprache, ande­rer Religion. An dem Massenmord in Christchurch sehen wir, dass sich auch in gefes­tigten Demokratien rechtsextremes Gedankengut unbemerkt verbreiten und zu Taten mit vielen Opfern führen kann.

Wir müssen daher auch in Österreich wachsam sein, nicht erst seit wir wissen, dass der Massenmörder von Christchurch an den Obmann der Identitären Bewegung Öster­reich Martin Sellner gespendet hat. Es bestehen auch inhaltliche Verbindungen. Der Attentäter teilte ein Manifest mit dem Titel „The Great Replacement“ – der große Aus­tausch –, ein Slogan, den auch die Identitäre Bewegung verwendet. Und da ist der Punkt, an dem wir als Opposition gegenüber den Regierungsparteien wachsam wer­den müssen, denn ähnlicher Slogans bedienen sich auch Strache und andere FPÖ-Politiker in teils abgewandelter Form. „Bevölkerungsaustausch“ – in Anführungszei­chen – ist lediglich eine moderne Variante des NS-Begriffs der Umvolkung. Wir haben also mit der FPÖ eine Partei in der Regierung, die mit der Identitären Bewegung ver­flochten ist.

Ja, der Vizekanzler hat gestern gemeint, die FPÖ hätte mit den Identitären nichts zu tun. Das behaupteten auch Sie noch, Herr Innenminister, als FPÖ-Generalsekretär in den sozialen Medien. Der Vizekanzler und seine Aussagen zeugen eher von Vergess­lichkeit, denn er hat als Parteichef der FPÖ noch vor ein paar Jahren öffentlich via Facebook viel von Identitären geteilt und Loblieder auf sie gesungen. (Die Rednerin hält Ausdrucke der erwähnten Postings in die Höhe.)

Es gibt aber auch noch eine ganze Menge anderer Leute in den Reihen der FPÖ, die sich mit den Identitären pudelwohl fühlen, und da geht es nicht um Zufallsfotos wie das mit dem Herrn Bundespräsidenten. Ich verweise auf Mario Eustacchio (Zwischenruf bei der FPÖ), Grazer Vizebürgermeister, Dominik Nepp, Wiener FPÖ-Gemeinderat, Ger­hard Kurzmann, Dritter Landtagspräsident in der Steiermark, Luca Kerbl, Grazer Be­zirks-FPÖ, Heinrich Sickl, Grazer Gemeinderat, ehemaliger „Aula“-Herausgeber und Vermieter des Identitären-Vereinslokals, sowie den FPÖ-Gemeinderat aus Sollenau Heinz Peter Stanko, der sich sein Facebook-Profilbild mit einem Identitären-Logo (ei­nen entsprechenden Ausdruck in die Höhe haltend) verschönert hat.

Ich verweise auf unseren Kollegen Herrn Zanger (Abg. Yildirim: Aha! Aha!), der am 13. Februar 2016 bei einer Kundgebung der Identitären Bewegung Steiermark (ein entsprechendes Foto in die Höhe haltend) in Judenburg eine Rede hielt. (Hallo-Rufe bei der SPÖ.) Weiteres finden Sie auf FPÖ-Fails unter dem Titel – ich zitiere nur –: „Strache: Die Identitären-Lüge“. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 60

Sie sehen, liebe Bürgerinnen und Bürger, die Regierungspartei FPÖ ist verflochten mit einer rechtsextremen Bewegung, die auch paramilitärischen Charakter hat und damit verfassungsgefährdendes Potenzial. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Nun wird es absurd, denn für unseren Schutz vor diesen Gefahren ist Innenminister Kickl zuständig, der als FPÖ-Generalsekretär 2016 beim Kongress Verteidiger Europas mit rechtsextremem Einschlag als Stargast sprach. Leiter der Kommunikationsabtei­lung ist Mag. Marakovits, der Chef der Identitären Bewegung war; er war in das be­rüchtigte E-Mail gegen kritische Medien eingebunden, in dem die Landespolizeidirek­tionen auch aufgefordert wurden, ausländische Straftäter besonders hervorzuheben. – Sie sehen, das passt alles zusammen. Die Kommunikation unserer Sicherheitsbehör­den läuft über die Identitären; so macht man den Bock zum Gärtner.

Die Identitäre Bewegung ist also mit ihrer Wortwahl, ihren Inhalten in den Reihen unse­rer Regierung angekommen, und sie hat mit Herbert Kickl – sagen wir es freundlich – beste Verbindungen zum Sicherheitsapparat. Morgen tagt auf Anregung von uns NEOS mit SPÖ und JETZT der Geheimdienstausschuss. Ich habe schon vorab eine lange Liste an Fragen geschickt, denn nur so, wenn Sie uns die Antworten geben, be­weisen Sie uns, dass Sie es mit Ihrem Versprechen, den Rechtsextremismus im Auge zu behalten und zu bekämpfen, auch ernst meinen.

Der Herr Bundeskanzler vermittelte gestern den Anschein, es mit den Gefahren, die von den Identitären ausgehen, ernst zu meinen und diese ernst zu nehmen. Er verkün­dete die Prüfung der Auflösung des Vereins. Das klingt gut, das klingt nach einer Schlagzeile – gute Schlagzeilen beherrscht unser Bundeskanzler –, doch er glaubt doch nicht ernsthaft, dass sich so eine Sache mit einem kleinen vereinsbehördlichen Bescheid abschließend regeln lässt, abgesehen davon, dass es rechtlich auch nicht möglich sein wird. Ich erinnere hier auch an die Schließung der Moscheen: Da blieb ja auch nur eine Schlagzeile.

Wenn es der Kanzler in der Sache ernst meint, sollte er sich auch substanziell mit Rechtsextremismus in Österreich auseinandersetzen. Und ob er und ihr, liebe ÖVP, es mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus ernst meint, könnt ihr beweisen, wenn ihr unseren Anträgen zustimmt.

In dem einen Antrag fordern wir eine personelle Aufstockung im Extremismusreferat des BVT, damit wir diese rechtsextremen Umtriebe auch im Blick behalten können; im anderen Antrag fordern wir, eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen, in­klusive einem Aussteigerprogramm, gegen Rechtsextremismus zu erarbeiten.

Hinsichtlich Dschihadismus ist die Regierung sehr aktiv, und wir NEOS wollen mit diesen Anträgen dafür sorgen, dass unser Sicherheitsapparat nicht auf dem rechten Auge blind ist; daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausrei­chende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, eine umgehende Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vorzunehmen. Damit soll eine effek­tive, rasche und umfassende Aufklärung der aktuellen Enthüllungen rund um rechts-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 61

extreme Netzwerke sowie auch in Zukunft eine engmaschige Informationsgewinnung und Überwachung extremistischer Tendenzen gewährleisten werden.“

*****

Weiters stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strate­gie gegen Rechtsextremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des ‚bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung‘ (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogamme) gegen Rechts­extremismus zu erarbeiten.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.56

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus

eingebracht im Zuge der Debatte in der 68. Sitzung des Nationalrats über über die Er­klärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terror­anschlags in Neuseeland"– TOP 1

Die jüngsten Enthüllungen rund um rechtsextreme Netzwerke in Deutschland, die möglicherweise auch nach Österreich reichen, zeigen, wie wichtig der Kampf gegen Extremismus im Allgemeinen und auch gegen Rechtsextremismus im Besonderen ist. Von diesen Netzwerken geht ein enormes Gefahrenpotential aus, als diese zumindest in Deutschland versuchen sich direkt in staatliche Institutionen, wie etwa Polizei, Bun­desheer und Justiz einzunisten und somit Zugriff u.a. auf Exekutivgewalt zu erhalten.

Anhand der aktuellen Medienberichterstattung verdichten sich überdies die Indizien, dass der australische Attentäter von Christchurch in den letzten Jahren nicht nur mehr­mals in Österreich aufhältig war, sondern auch direkte Kontakte mit Vertretern der rechtsextremen Szene in Österreich hatte. So dürfte er den Betrag von € 1500.- an die Identitäre Bewegung Österreich überwiesen haben.

Auch in Österreich gab es in der Vergangenheit bereits rechtsextrem motivierten Ter­ror, etwa die Bombenanschlagserie durch Franz Fuchs. Dass rechtsextreme Ideologie auch heute in gefestigten westlichen Demokratien zu Gewalt führen kann, zeigt der jüngste Massenmord in Christchurch/Neuseeland. Der Umgang mit Extremismus und radikalen Strömungen innerhalb der Bevölkerung stellt unsere demokratische Gesell­schaft in Bezug auf die innere Sicherheit und damit für den gesellschaftlichen Frieden


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 62

vor große Herausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen.

So wie es zu befürworten ist, dass Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus mit hoher Priorität und Intensität nachgegangen wird, so ist dies auch für Rechtsextremis­mus sicherzustellen. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämp­fung (BVT) kommt hier eine zentrale Rolle zu. Dessen Leiterin erwähnte im BVT-Un­tersuchungsausschuss mangelnde Ressourcen, und auch BVT-Direktor Mag. Peter Gridling führte im Rahmen der ORF-Sendung "Im Zentrum" am 24. März 2019 aus, dass weitere Ressourcen in diesem Bereich wünschenswert wären.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, eine umgehende Aufstockung der personellen und technischen Ressourcen des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vorzunehmen. Damit soll eine effekti­ve, rasche und umfassende Aufklärung der aktuellen Enthüllungen rund um rechts­extreme Netzwerke sowie auch in Zukunft eine engmaschige Informationsgewinnung und Überwachung extremistischer Tendenzen gewährleisten werden."

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Strategie gegen Rechtsextremismus

eingebracht im Zuge der Debatte in der 68. Sitzung des Nationalrats über die Erklärung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Na­tionalrates zum Thema "Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroran­schlags in Neuseeland"– TOP 1

Dass rechtsextreme Ideologie auch in gefestigten westlichen Demokratien zu Terror und Mord in großem Ausmaß führen kann, zeigen die jüngsten Anschläge auf zwei Mo­scheen in Christchurch/Neuseeland. Der Umgang mit Extremismus und radikalen Strö­mungen innerhalb der Bevölkerung stellt unsere demokratische Gesellschaft in Bezug auf die innere Sicherheit und damit für den gesellschaftlichen Frieden vor große He­rausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen.

Am 23. Oktober 2018 wurde im Innenministerium im Rahmen eines "Präventionsgip­fels" die "österreichische Strategie Extremismusprävention und Deradikalisierung" vor­gestellt. Diese Strategie enthält dabei sehr unterstützungswürdige Rahmenvorstellun­gen gegliedert in acht Themenfelder:

1.          Sicherheit, Strafvollzug und Resozialisierung

2.          Politik und Demokratiekultur

3.          Kooperation und Ressourcen

4.          Bildung, Arbeitsmarkt und Resilienz

5.          Soziale Verantwortung und Gesundheit


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 63

6.          Wissenschaft und Forschung

7.          Internet und Medien

8.          Gender

Das vorgestellte Strategiepapier enthält jedoch nicht mehr als eine Zusammenfassung bereits bekannter allgemeiner politischer, wenn auch sehr unterstützungswürdiger Ziel­vorstellungen. Das Strategiepapier weist gleich an mehreren Stellen darauf hin, dass Extremismusprävention und Deradikalisierung einen interministeriellen Ansatz erfor­dert. In seinem Vorwort erklärt sich der Herr Bundesminister für Inneres für das Thema aus der Perspektive der inneren Sicherheit für zuständig. Die Generaldirektorin für öf­fentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, kündigte im Rahmen des Gipfels einen Aktions­plan zur Umsetzung konkreterer Schritte und Maßnahmen im Bereich an.

Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das staatliches Handeln in vielen Bereichen fordert, insbesondere in der Inneren Sicherheit, der Justiz, der Bil­dungseinrichtungen, der sozialen Sicherheit. Am 27.03.2019 kündigte der Bundeskanz­ler aufgrund der kurz zuvor bekannt gewordenen Spendenzahlung des Christchurch Attentäters an, die Auflösung der Vereins der "Identitären" zu prüfen.

Neben solchen restriktiven Maßnahmen ist es es jedoch unumgänglich, sich auch auch substantiell wie inhaltlich mit rechtsextremen Gruppierungen und Individuen aktiv aus­einanderzusetzen und gezielte Deradiaklisierungsmaßnahmen (wie sie etwa auch für islamistisch radikalisierte Personen existieren) zu entwickeln. Weiters hat das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (dBfV) bereits im Jahr 2001 ein "Aussteigerpro­gramm für Rechtsxtreme" initiiert, um Einzelpersonen den Ausstieg aus der rechts­extremistischen Szene zu ermöglichen. Das dBfV bietet vielfältige und individuelle Maßnahmen:

•             Beratung von Eltern, Familienangehörigen und Lebenspartnern der Betroffenen

•             Persönliche Begleitung und Betreuung während des Ausstiegs

•             Hilfe bei der Vermittlung von schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaß­nahmen

•             Hilfe bei Behördenkontakten

•             Gespräche mit Arbeitgebern und Bewährungshelfern

•             Vermittlung von externen Hilfsangeboten, z. B. bei Alkohol-, Drogenproblemen oder Überschuldung

•             Unterstützung bei Bedrohung durch Angehörige der rechtsextremistischen Sze­ne, z. B. durch Hilfe bei Wohnungssuche und Umzug.

•             In Einzelfällen und für zwingend erforderliche Umzugsmaßnahmen können auch einmalig finanzielle Hilfen gewährt werden.

Auch im Schulbereich gilt es hier einen noch stärkerer Fokus auf die Problematik von Radikalisierung zu legen. In diesem Zusammenhang wäre beispielsweise anzuregen, die neue geschaffenen Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bildungsmi­nisterium auch explizit mit dem Thema Rechtsradikalisierung zu betrauen und mit dem­entsprechenden (personellen) Ressourcen auszustatten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 64

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des "bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung" (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogamme) gegen Rechts­extremismus zu erarbeiten."

*****


Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher mit in Verhandlung. (Abg. Krisper legt die von ihr in die Höhe gehaltenen Ausdrucke vor Bundesminister Kickl auf die Regierungsbank. – Bundes­minister Kickl: Unglaublich! Wie einem sowas passieren kann! Das kann ja kein Lap­sus sein!)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Werner Herbert. – Bitte.


11.57.04

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Innenminis­ter! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf ein­gangs grundsätzlich feststellen, dass dieses Massaker in Christchurch, von einem Wahnsinnigen verübt, ein Terrorakt war, der entschieden abzulehnen ist, und es ist – und das hat auch Innenminister Kickl in seinem Eingangsstatement ausgeführt – auch klar zu hinterfragen, welche Verbindungen es da nach Österreich gab, welche rechtli­chen Konsequenzen daraus abzuleiten sind und wie man zukünftig oder in weiterer Folge zum Schutz unserer Bevölkerung etwaige Folgehandlungen in krimineller Hin­sicht verhindern kann.

Wenn ich den Ausführungen des Innenministers in seinem Eingangsstatement folgen darf, dann sehe ich, dass das Innenministerium unter der Führung von Innenminister Kickl – entgegen allen Unkenrufen der Opposition – seine Arbeit sehr gut gemacht hat. Es hat das gemacht, was es als Sicherheitsbehörde zu tun hat, nämlich auszufor­schen, was die Zusammenhänge sind, die nun klar auf dem Tisch liegen, was es an in­ternationalen Kontakten zu bedienen gilt, um ein möglichst genaues Lagebild zu be­kommen, und welche Maßnahmen zu ergreifen und zielführend sind, um den sicher­heitspolizeilichen, aber auch den strafrechtlichen Zugang und Ansatz fortzuführen.

Kollege Leichtfried sagte an dieser Stelle, Innenminister Kickl hätte Österreich „wehrlos gemacht“. – Nein, Kollege Leichtfried, nein! Österreich funktioniert, der Rechtsstaat ist intakt. Das beweist nicht nur diese Bundesregierung, die sich schon zu Beginn, bei Be­kanntwerden dieses Massakers, klar positioniert hat, sondern das zeigt auch die Arbeit von Innenminister Kickl auf, der – und hätten Sie beim Eingangsstatement gut zuge­hört, dann hätten Sie sich diese Ausführungen ersparen können – seinen Job, seine Arbeit als oberster Sicherheitspolizist, um es so auszudrücken, klar und konsequent gemacht hat.

Ich denke, es ist einmal mehr klar festzustellen: Jeder Terror – egal von welcher Seite, egal von welcher Ideologie gesteuert – ist grundsätzlich abzulehnen, ist grundsätzlich verwerflich.

Wenn ich wahrnehme, wie die Opposition hier fast pathetisch das Gemeinwohl und das Mitgefühl mit den Angehörigen zelebriert, das aber schlussendlich nur für eine Abrech­nung mit der FPÖ zwecks politischen Kleingelds verwendet, dann finde ich das nicht nur absolut unpassend, sondern zutiefst heuchlerisch. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Aber Kleingeld ist irgendwie, ich weiß nicht - -!)

Ich glaube, die rechte Ideologie ist grundsätzlich genauso legitim wie die linke Ideolo­gie. Es kommt immer darauf an, was die jeweiligen Personen, die die Handlungen voll­ziehen, daraus machen. Attentäter sind dort wie da absolut zu verurteilen und haben


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 65

dort wie da in unserer Geschichte und in unserem Österreich nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn ich vielleicht noch einmal kurz auf Kollegin Rendi-Wagner zurückkommen darf: Frau Kollegin, ich verstehe Ihre vielleicht differenzierte Haltung zu meiner Fraktion schon, aber wenn Sie hier dem Innenminister Dinge unterstellen, die rechtlich nicht haltbar sind (Zwischenrufe bei der SPÖ), beispielsweise dass der Attentäter von Dorn­birn (Zwischenruf des Abg. Krainer) auch unter den jetzigen gesetzlichen Bestimmun­gen in Haft hätte genommen werden können (Zwischenruf der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Rendi-Wagner), ohne zuvor Handlungen zur Ausführung seines Verbrechens getätigt zu haben, dann sage ich Ihnen, das stimmt einfach nicht (Zwi­schenruf des Abg. Drozda), das ist unwahr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Lesen Sie in der Strafprozessordnung nach! (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Fragen Sie einen Ihnen bekannten Anwalt, der wird Ihnen das auch sagen! (Abg. Rendi-Wag­ner: Klären Sie auf, Sie haben die Möglichkeit!) – Sie haben keine Ahnung, Sie haben keine Ahnung. (Abg. Rendi-Wagner: Ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben gestern schon festgestellt, dass die SPÖ leider schneller redet als denkt und halt vielfach etwas behauptet, was rechtlich nicht so fundiert ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Abschluss noch ein Wort an dieser Stelle (Abg. Plessl: Sie sitzen doch im Sumpf!): Bitte legen Sie doch Ihre gespielte Empörung und Ihre Empfindlichkeit ab! (Abg. Ren­di-Wagner: Täuschen und tarnen!) Als Sie hier ein Foto, das unseren Vizekanzler Strache mit dem Sprecher der Identitären zeigen soll, propagierten (anhaltende Zwi­schenrufe bei der SPÖ), haben wir das so zur Kenntnis genommen. (Abg. Leichtfried hält eine Tafel, auf der ein Tweet mit dem Text „Der Vizekanzler hat anscheinend die­ses Posting über die Identitäre Bewegung gelöscht“ zu sehen ist, in die Höhe.) Wenn Sie sich aber darüber aufregen, dass ein Foto gezeigt wird, auf dem der gleiche Spre­cher der Identitären mit dem Bundespräsidenten abgebildet ist, und darin einen großen politischen Skandal sehen (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner), meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ (Zwischenruf bei der FPÖ), dann müssen Sie, glaube ich, mit Ihrer politischen Arbeit noch einmal von vorne beginnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das kommt bei der Bevölkerung nicht an, das sage ich Ihnen als Kollege in diesem Ho­hen Haus. Lernen Sie dazu, machen Sie Ihren Job ordentlich, aber machen Sie ihn nicht peinlich! – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Plessl: ... im Sumpf! – Rufe bei der FPÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Pilz –: Guten Morgen, Herr Kollege! Jetzt sind Sie ausgeschlafen!)


12.03.52

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Innenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zumindest in dieser Legislaturperiode habe ich noch nie Freiheitliche erlebt, die im Plenum des Nationalrates so unsicher und so kleinlaut auf­getreten sind. (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wer Freiheit­liche in diesem wackligen Zustand erlebt (Abg. Schimanek: Na, heute ist er ausge­schlafen!), der weiß, dass sie dafür immer einen Grund haben. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Es ist, glaube ich, sehr vernünftig, in aller Ruhe über diesen Grund zu reden.

Zuerst möchte ich aber einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Zadić einbrin­gen, der den Freiheitlichen die Möglichkeit gibt, zumindest ein bisschen etwas von


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 66

dem, was sie in den letzten Jahren angestellt haben, wiedergutzumachen (Zwischenruf der Abg. Winzig):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wie­dereinführung des Rechtsextremismusberichts, sowie Einführung je eines Berichts zu Linksextremismus und religiösem Extremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird ersucht, den Rechtsextremismusbericht wieder als eigenständigen Bericht – neben dem Verfas­sungsschutzbericht – einzuführen. Zudem sollen Extremismusberichte zu den Berei­chen ‚Linksextremismus‘ und ‚religiöser Extremismus‘ als eigenständige Berichte erar­beitet werden. Die Berichte sollen eine umfassende Dokumentation und Analyse der aktuellen rechtsextremistischen Szene in Österreich, ihre Verbindungen in die Politik und ihre Vernetzung online und offline beinhalten.

Diese Berichte sollen jährlich dem Nationalrat vorgelegt und öffentlich gemacht wer­den.“

*****

Nun bin ich wirklich gespannt, ob es eine einzige Abgeordnete oder einen einzigen Ab­geordneten in diesem Raum gibt, die oder der sagt: Nein, dem kann ich nicht zu­stimmen! Nein, diese Berichte soll es nicht geben! – Ich bin auf diese Abstimmung ge­spannt. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Dieser Entschließungsantrag ist auch ein Angebot an die Kolleginnen und Kollegen der beiden Regierungsparteien.

So, und nun zu dem, was offensichtlich das Problem ist – wir sollten offen darüber re­den –: Immer, wenn es einen großen terroristischen Anschlag gibt, gibt es Staatsan­wälte, Polizeibeamte und selbstverständlich auch einen Justizminister und einen Innen­minister, die sagen: Wir schauen uns das ganz genau an! Wir wollen nicht nur wissen, wer der Täter oder die Täterin ist, wir wollen nicht nur wissen, welche extremistische Organisation dahintersteht, sondern wir wollen auch wissen, was das ist und wer das politische Umfeld ist! Wie sieht das politische Umfeld aus, das das Klima, die Politik und den Hass erzeugt hat, das letzten Endes dazu geführt hat, dass einige nicht bei den Hasspredigten bleiben, sondern noch einen Schritt weiter gehen und zu den Waf­fen greifen?

Das ist die entscheidende Frage an einen Innenminister und an einen Justizminister: Wer ist das Umfeld? Wohin führt die politische Spur? – Das wissen wir und das weiß auch der Innenminister. In diesem Punkt aber habe ich ein gewisses Verständnis. Zei­gen Sie mir einen einzigen Innenminister auf der ganzen Welt, der sich vor den Natio­nalrat hinstellt und sagt: Werte Abgeordnete des österreichischen Parlaments, ich muss Ihnen bedauerlicherweise berichten, dass eine der politischen Spuren zu mir selbst führt!

Das ist wahrscheinlich etwas viel verlangt, aber es ist die Wahrheit. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir müssen die Wahrheit vom Innenministerium verlangen, wir müssen die Wahrheit vom Innenminister verlangen. Wir müssen verlangen, dass der Innenminister und damalige Generalsekretär der Freiheitlichen Partei politisch für das geradesteht, was er angestellt hat. (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Abg. Gudenus: Stinkefinger weg! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 67

Na, wie schaut es denn aus (eine Tafel, auf der ein Foto von Innenminister Kickl, an ei­nem Rednerpult mit der Aufschrift „Verteidiger Europas“ stehend, zu sehen ist, auf das Rednerpult stellend): Das war nicht der Innenminister, sondern der freiheitliche Gene­ralsekretär. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Was steht den darunter: „Verteidiger Euro­pas“. Das war dieser berüchtigte Kongress im Oktober 2016 in Linz; meine Kollegin Alma Zadić hat schon zitiert, was der Innenminister dort gesagt hat. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Er wendet sich an Rechtsextremisten aus Deutschland und Österreich – an Neonazis, an Identitäre – und begrüßt sie als Gleichgesinnte. (Abg. Deimek: Schäden an den Gebäuden durch linke Demonstranten!)

Im nächsten Satz sagt er, dass das ein viel besseres Publikum sei, als jenes Publikum, dem er sich gewöhnlich im österreichischen Nationalrat gegenübersieht. Er erklärt (Rufe bei der SPÖ: Ein Skandal! Wahnsinn!), dass das dort seine Leute sind, nicht die Abgeordneten zum Nationalrat – darum geht es. (Beifall bei JETZT.) Dann sagt er zu seinen Gleichgesinnten, zu den Identitären – ich wiederhole es –: Aber wir müssen die­sen Kampf offensiv aufnehmen und dürfen uns hier keinen Millimeter zurückdrängen lassen! Der Widerstand muss von uns allen überall mit gleicher Vehemenz geführt wer­den! – Das kommt an, Herr Kickl, das kommt an. Die einen begnügen sich mit Hass­reden und die anderen gehen eben den einen Schritt weiter. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wenn Sie heute in das Parlament kommen und glauben, dass Sie hier mit einer Identi­tären-Weglegung durchkommen, dann sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit eines: Herr Kickl, Sie sind der Innenminister der Identitären. Das ist ein Faktum und das ist eine politische Verantwortung. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Dafür werden Sie gerade­stehen müssen, das wird dieser Nationalrat untersuchen. (Abg. Gudenus: Sie sind ein Kasperl!) Er wird untersuchen, was Sie da beigetragen haben (Abg. Haubner: Sie nicht mehr!), mit wem Sie da beigetragen haben, warum die Identitären und wie lange die Identitären Ihre lieben und guten Kameraden und, wie Sie sagen, Gesinnungsge­nossen und Gesinnungsfreunde waren, warum das nun plötzlich öffentlich nicht mehr geht, warum Sie plötzlich die Spuren verwischen müssen und die Identitären wegle­gen. (Abg. Hafenecker: ... bei Ihrem Marxismus!)

Es geht dann auch um den Vizekanzler: Ja, es stimmt schon, dieser Facebook-Eintrag ist inzwischen gelöscht (eine Tafel, auf der ein Facebook-Posting von Vizekanzler Stra­che zu sehen ist, auf das Rednerpult stellend), aber er ist auch gesichert. Da steht: „HC Strache hat Identitäre Bewegung Österreichs Video geteilt. 18. April 2016“ – wahr­scheinlich, um allen klarzumachen, dass man die Identitären vehement bekämpfen muss (einen Ausdruck des Facebook-Postings in die Höhe haltend), deswegen teilt Strache Identitären-Videos.

Was erklärt er zum Video: „Interessant! Völlig anders als manche Medien berichten. Die Identitären sind eine parteiunabhängige nicht-linke Bürgerbewegung, welche ihren friedlichen Aktionismus [...] von den Linken entlehnt haben“. Dann kommt der Schlüs­selsatz: „Sie sind quasi junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft.“ (Ah-Rufe bei JETZT und SPÖ.)

„[...] junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft“ (Zwischenruf bei der SPÖ): Na, da schauen Abgeordneter Rosenkranz und Abgeordneter Gudenus plötzlich nur mehr ins Handy. (Heiterkeit bei JETZT und SPÖ. – Abg. Gudenus: Das Handy ist schöner als Sie!) – Was ist los? Was ist los mit Ihrer „nicht-linken Zivilgesellschaft“? (Beifall bei JETZT und SPÖ.) In welchen Kellern treffen Sie sich? Wie sind Sie mit ge­waltbereiten Attentätern vernetzt und wie schaut dieses Netzwerk aus? Welche Spuren führen nicht nur von Christchurch, sondern auch von Oslo nach Wien (Zwischenruf des Abg. Deimek) und in die Keller Ihrer Burschenschaften und in die Keller der Identitären sowie zum Vizekanzler und zum Innenminister? (Abg. Haider: Ein so ein Vollquatsch!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 68

Ich stelle deswegen an diesem Punkt fest: Heinz-Christian Strache ist der Vizekanzler der Identitären! (Abg. Gudenus: Sie sind so eine Witzfigur! – Abg. Haider: So blöd!) – Das ist eine politische Feststellung (Zwischenruf bei der ÖVP), der niemand in diesem Haus widersprechen kann, weil sie auf Fakten gegründet ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

So, und was passiert nun? – Der Innenminister erklärt, drei Feststellungen seien zu machen. (Abg. Haider: Sie Lügner! Das ist ja unglaublich! – Abg. Hafenecker: Das ist die glatte Unwahrheit!) Feststellung eins: Das BVT ist international gut eingebunden und bekämpft den rechtsextremen Terrorismus. – Herr Innenminister, das ist die glatte Unwahrheit! Im Dezember 2018 ist aufgrund Ihrer Amtstätigkeit (Zwischenrufe bei der FPÖ) das BVT aus dem Berner Club rausgeschmissen worden. (Ruf bei der FPÖ: Falsch!)

Wir sind seit Dezember 2018 nicht mehr Mitglieder im Berner Club. Wir sind an den strategischen Analysen der internationalen Nachrichtendienste nicht mehr beteiligt. Wir sind ausgeschlossen. (Abg. Stefan: Das weiß der Herr Pilz natürlich!) Strategisch, was islamischen Terrorismus, was rechtsextremen Terrorismus betrifft, sind das BVT und das Innenministerium derzeit blind (Ruf bei der FPÖ: Genau!), weil von den deutschen über die niederländischen bis hin zu den britischen Diensten alle sagen: Nicht mit dem freiheitlichen Innenminister! (Abg. Stefan: Genau, Pilz weiß es!) – An diesem Punkt sind wir nun. Sie haben das BVT von einem Trupp – ich formuliere es vorsichtig – so durchsuchen lassen, dass sich das BVT bis heute nicht erholt hat. Das Ziel war das Extremismusreferat.

Sie, Herr Innenminister, haben ferner einen Vortrag im Nationalen Sicherheitsrat im Jänner 2018 dazu missbraucht, Ihren Generalsekretär – das ist zum Glück verweigert worden – die Namen der verdeckten Ermittler des Verfassungsschutzes im rechts­extremen Milieu in Österreich rausfinden zu lassen. Der Direktor des Verfassungs­schutzes hat gesagt, was passiert wäre und welche Gefahr gedroht hätte, wenn sich der Generalsekretär des Innenministers da durchgesetzt hätte. Der Direktor des Ver­fassungsschutzes hat uns in aller Öffentlichkeit gesagt, die Leben der verdeckten Er­mittler, die Leben österreichischer Polizeibeamter wären gefährdet gewesen. Das ist die Amtsführung des Innenministers! So schaut es aus in dieser Republik! Wir müssen die öffentliche Sicherheit vor Herbert Kickl und nicht nur vor den Identitären schützen! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Rede keinen Scheiß! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Herr Innenminister, wir sehen uns am Montag vor Gericht wieder. Sie haben zweifach An­zeige gegen mich erstattet, weil ich erklärt habe, Sie seien eine Gefahr für die öffentli­che Sicherheit, und Ihnen sonst noch eine Reihe von Vorwürfen gemacht habe. Ich fordere Sie auf: Kommen Sie erstens am Montag zum Prozess! (Zwischenruf der Abg. Win­zig.) Entbinden Sie zweitens dort den Direktor des Verfassungsschutzes und eine wei­tere Beamtin von der Amtsverschwiegenheit! (Abg. Gudenus: „Kommen Sie [...] zum Prozess“, das sagt der Richtige!) Ich möchte, dass auch vor Gericht sehr offen darüber geredet wird (Abg. Gudenus: Prozessflüchtling!), was im Innenministerium passiert ist. (Abg. Haider: Sie sind eine Schande für dieses Haus! Schande!)

Kommen wir nun zur Frage der Identitären und der Freiheitlichen Partei zurück: Ich kann derzeit nicht beurteilen, wie weit die strafrechtliche Verantwortung reicht, aber ich kann eines beurteilen: Die politische Verantwortung reicht bis in die Spitze des Innen­ministeriums. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Der österreichische Innenminister ist dafür verantwortlich, dass sich in den letzten Jahren Rechtsextreme von den Identitä­ren bis zu den freiheitlichen Burschenschaften in der Republik erstmals wieder sicher gefühlt haben. (Abg. Haider: Sie sind ja krank! Das ist ja pathologisch! Sie haben ja ei­nen Volldescher ...! Das ist ja unglaublich!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 69

Sie sind aber auch dafür verantwortlich (Abg. Haider: Sie sind ja irre! Was glauben Sie?!), dass anstelle von islamistischen Hasspredigern gut integrierte Lehrlinge, die un­sere Wirtschaft dringend braucht, abgeschoben werden. Sie schützen immer die Fal­schen, und Sie verfolgen immer die Falschen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie bekämp­fen Integration dort, wo Integration funktioniert, und Sie verzichten darauf und verab­säumen es (Ruf bei der FPÖ: Medikamente ...!), die Rechtsextremisten – von den Hasspredigern in den Hassmoscheen bis hin zu den Identitären und Ihren freiheitlichen Freunden in den Burschenschaften – zu verfolgen. (Beifall bei JETZT.)

Sie lassen Ihre Beamten in Stich, Sie lassen die Polizei in Stich. Wir werden über Dorn­birn noch sehr genau mit Ihnen reden. Wir werden Ihnen nachweisen – die Dokumente sind nun erstmals öffentlich zugänglich (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, dass es ein Be­hördenversagen und keine Gesetzeslücke gegeben hat. Wir werden mit Ihnen sehr ge­nau darüber reden, warum Sie den Innenausschuss falsch informiert haben und im In­nenausschuss erklärt haben, es gebe kein Behördenversagen. Herr Innenminister, Sie haben vorsätzlich – in Kenntnis der Akten – den Innenausschuss falsch informiert, Sie haben das österreichische Parlament nachweislich belogen! (Abg. Gudenus: Das tun Sie mit jeder Minute!) Das muss Folgen haben! (Zwischenruf des Abg. Haider.) Wir können nicht akzeptieren, dass es ein - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, den Ausdruck „belogen“ zurückzunehmen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass das nicht die Wortwahl ist,
die wir hier verwenden. (Abg. Gudenus: Seien Sie nachsichtig ...! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Ja, dann verwende ich die etwas umständ­liche Übersetzung dieses Begriffes und leiste damit Ihrer Anregung, Frau Präsidentin, gerne Folge: Sie haben dem Innenausschuss vorsätzlich die Unwahrheit gesagt und ihn vorsätzlich hinters Licht geführt – allein das wäre schon ein Rücktrittsgrund für ei­nen Innenminister. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Der allerwichtigste Rücktrittsgrund aber ist: Sie als einer der geistigen Ziehväter und Paten der Identitären Bewegung sind vollkommen ungeeignet (Heiterkeit bei Abgeord­neten der FPÖ), diese Republik vor Rechtsextremisten zu schützen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es gibt deswegen nur eine Konsequenz – vielleicht richtet sich das auch an den Bundespräsidenten (Abg. Stefan: Immunitätsflüchtling!), den Sie hier heute zu dif­famieren versucht haben (Zwischenruf des Abg. Stefan–: Herr Innenminister (Abg. Hafenecker: ... Cannabis!), Sie müssen im Interesse der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich so schnell wie möglich aus Ihrem Amt entfernt werden! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Abg. Haider: Gehen Sie zum Doktor, Sie Irrer! – Abg. Rosen­kranz: Auf Wiedersehen!)

12.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, Freundinnen und Freunde

betreffend Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts, sowie Einführung je ei­nes Berichts zu Linksextremismus und religiösem Extremismus

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1: Erklärung des Bun­desministers für Inneres gemäß § 19 Abs 2 GOG-NR

Begründung

Bis zum Jahr 2002 erschien jedes Jahr der Rechtsextremismusbericht des Bundesmi­nisteriums für Inneres. Der Rechtsextremismusbericht wurde von der damaligen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 70

ÖVP/FPÖ-Bundesregierung eingestellt. Übrig geblieben sind lediglich einige wenige Seiten im Verfassungsschutzbericht. Die rechtsterroristischen Anschläge mit 50 Toten in Neuseeland im März 2019 haben die Gefahr, welche von Rechtsextremisten aus­geht, wieder einmal auf drastische Weise deutlich gemacht. In den vergangenen Wo­chen wurden zudem Verbindungen des Neuseeland-Terroristen nach Österreich me­dial bekannt. Diese Enthüllungen rücken die rechtsextremistische Szene in Österreich in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Bedrohung, die von Extremisten ausgeht, nur auf rechtsextremistische Tendenzen zu beschränken, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Viel­mehr ist jede Form von Extremismus abzulehnen und effektiv zu bekämpfen. Daher ist auch die Einführung eigenständiger Berichte zu den Themenkreisen „Linksextremis­mus“ und „religiöser Extremismus“ geboten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird ersucht, den Rechtsextremismusbericht wieder als eigenständigen Bericht – neben dem Verfas­sungsschutzbericht – einzuführen. Zudem sollen Extremismusberichte zu den Berei­chen „Linksextremismus“ und „religiöser Extremismus“ als eigenständige Berichte erar­beitet werden. Die Berichte sollen eine umfassende Dokumentation und Analyse der aktuellen rechtsextremistischen Szene in Österreich, ihre Verbindungen in die Politik und ihre Vernetzung online und offline beinhalten.

Diese Berichte sollen jährlich dem Nationalrat vorgelegt und öffentlich gemacht wer­den.

*****


12.18.44Präsidentin Doris Bures: Ich gebe zunächst bekannt, dass der Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht ist, mit in Verhandlung steht und dann auch zur Abstim­mung gelangt.

*****

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Haider für den Zwischenruf: Das ist ja pathologisch! Sie sind ja völlig irre! Gehen Sie zum Arzt!, einen Ordnungsruf. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

*****

Herr Abgeordneter (in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Weidin­ger), ich habe gerade gesehen, dass sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet hat; ich erteile ihm daher nun das Wort.


12.19.10

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ja geradezu erfreut darüber, dass Abgeordneter Pilz seine übliche Suada abgelassen hat und damit für jeden, der die Debatte verfolgt hat, einen sehr, sehr intensiven Eindruck seiner ideologischen Gesinnung zum Besten gegeben hat.

Im Unterschied zu Ihnen nämlich, Herr Abgeordneter Pilz – Sie waren ja, glaube ich, bei den Revolutionären Marxisten, und das sind nicht gerade die Faserschmeichler –,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 71

war ich niemals Mitglied einer extremistischen politischen Gruppe. Das schreibe ich Ih­nen einmal als Allererstes ins Stammbuch! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Manche werden im Alter klüger, Herr Abgeordneter Pilz, und es zeigt sich halt, dass das auf Sie offen­bar nicht zutrifft.

Und weil Sie sich so sehr über das eine oder andere Verfahren, das wir miteinander anhängig haben, freuen: Sie haben da ja in erster Instanz einen Richterspruch zu hö­ren bekommen, den man ungefähr so zusammenfassen kann: Das, was Sie mir vor­werfen, ist zwar inhaltlich falsch, aber man darf es trotzdem behaupten, weil angeblich die Bevölkerung ohnehin weiß, dass in Österreich ein Innenminister für Hausdurchsu­chungen nicht zuständig ist. (Abg. Deimek: Das wissen aber die Roten nicht!) – Das ist die Kurzfassung dieses erstinstanzlichen Urteils, Herr Abgeordneter Pilz. Also ich wür­de mich an Ihrer Stelle ja genieren, denn Sie sollten es ja besser wissen. Sie als lang­jähriger Abgeordneter dieses Hauses müssten es eigentlich besser wissen, und trotz­dem verzapfen Sie in der Öffentlichkeit einmal mehr die Unwahrheit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie wissen natürlich auch, dass bestimmte Dinge, die im geheimen Unterausschuss besprochen werden, nicht zu Unrecht geheim sind, aber auch heute haben Sie hier in einer seltsamen Darstellung ein Beispiel mehr davon gegeben – Sie haben nicht richtig zitiert, aber Sie haben es gezeigt –, dass Sie auf diese Geheimhaltung, die die Voraus­setzung für diesen Ausschuss ist, schlicht und ergreifend pfeifen. Es ist Ihnen wurscht, weil Sie offenbar glauben, dass die Immunität hier herinnen Sie vor allem und jedem schützt. Ich weiß nicht, ob das der verantwortungsbewusste politische Zugang ist, den Sie von allen anderen einfordern. Ich habe da meine größten Zweifel. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dann geht es gleich weiter mit irgendwelchen ganz gefährlichen Zitaten, die Sie hier gebracht haben. Also, der Innenminister tritt dort auf, vor einem Publikum, wo ich zu­gegebenermaßen nicht jeden gefragt habe: Welche Gesinnung hast du?, Welche Ge­sinnung hast du?, Welche Gesinnung hast du?, Und welche Gesinnung hast du? – aber, Herr Abgeordneter Pilz, es müssen ja auch welche von Ihnen dort gewesen sein, sonst wüssten Sie nicht, was ich gesagt habe! (Abg. Pilz schüttelt den Kopf. – Zwi­schenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Oder wie ist das zugegangen?

Ich sage Ihnen aber eines: Das Interessanteste an der Sache ist, wie hier zitiert wird. Da gibt es dieses Zitat von einem offensiven Kampf und von einem Widerstand mit Ve­hemenz, wo wir keinen Millimeter zurückweichen. Hier wird der Eindruck erweckt, als hätte man da zu irgendwelchen Straßenaktivitäten aufgerufen. Wissen Sie, wobei es darum geht und wie das Ganze weitergeht? – Das hat sich auf die Political Correctness bezogen! Darauf hat sich das bezogen, dass wir da mit Vehemenz Widerstand leisten müssen, damit wir in der von Ihnen so sehr geschätzten Demokratie dann auch noch ein offenes Wort führen dürfen. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Das ist offenbar et­was, was Ihnen nicht passt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Heißt das, ... die Demokratie?! Was heißt das alles?) Das ist wirklich die Schule der Revolutionären Marxisten, wenn man Zitate so aus dem Zusammenhang reißt und ihnen eine völlig andere Wendung gibt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Da passt es dann nur ins Bild, wenn Sie – diesmal war es Ihre Kollegin Zadić – ein zweites Zitat genauso bringen: „Wir können tun und machen, was wir wollen“. – Ja das klingt natürlich furchtbar, wenn man es so hinstellt – wie einen Freifahrtschein, dass man politisch alles machen kann. Wissen Sie, wie das Zitat weitergeht? – „Wir können tun und machen, was wir wollen, und sie“ – die Linken – „werden die Nase rümpfen, weil ihnen“ einfach „unsere ideologische Einstellung nicht passt.“ – Das ist der Inhalt dieses Zitats. (Abg. Holzinger-Vogtenhuber: Es wird nicht besser! – Abg. Rosen-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 72

kranz: O ja! O ja!) Das klingt aber dann schon ganz anders als das, wie Sie es hier dargestellt haben (Abg. Jenewein: Zitatfälschung ist das!), und deswegen ist es wich­tig, dass man Ihnen das einmal an den Kopf wirft, um zu zeigen, mit welchen Metho­den hier unter dem Deckmantel der Immunität gearbeitet wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Den Vogel abgeschossen, in ihrer ganzen investigativen Aufgeregtheit, hat heute Ab­geordnete Krisper, die sich hierherstellt, eine Verschwörungstheorie rund um die Kom­munikationsstrategie des Innenministeriums zimmert, in der der Dreh- und Angelpunkt der angebliche Leiter meiner Kommunikationsabteilung namens Alexander Marakovits ist, dem sie unterstellt, ein Mitglied der Identitären zu sein. – Liebe Frau Krisper, genie­ren Sie sich! Der Mann, den Sie meinen, heißt Alexander Markovics und hat mit dem Innenministerium überhaupt nichts zu tun! – So wird hier vorgegangen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rosenkranz: Das ist unerhört!)

Ich denke, dass das eine Form von Unverantwortlichkeit im Umgang mit dieser sehr, sehr heiklen Materie ist, die wir gar nicht brauchen können. (Abg. Rosenkranz: Das ist peinlich!)

Damit bin ich bei der Rede des Abgeordneten Leichtfried: Ich habe heute, weil es um ein wichtiges Thema geht, wirklich das Bemühen gehabt, hier eine Debatte zu führen, die von großer Sachlichkeit getragen ist. Sie haben Shakespeare zitiert, wie Sie es sehr gerne tun; ich kann Ihnen mit Shakespeare antworten – ich lehne es ein wenig an Shakespeare an –: Von Verantwortungsbewusstsein, Herr Abgeordneter Leichtfried, war Ihre Rede nicht gerade angekränkelt – um es mit „Hamlet“ zum Ausdruck zu brin­gen.

Es wird nicht besser, wenn Sie zum hundertsten Mal oder zum tausendsten Mal – wie ein altes Teesackerl, wo eh schon nichts mehr rauskommt – die gleichen Unwahrheiten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss aufwärmen. Diese Dinge haben sich in Wahrheit in Luft aufgelöst, Sie wissen es, und deshalb versuchen Sie, sie mit aller Gewalt am Leben zu erhalten. Es macht die Sache nicht besser, und es macht sie vor allem nicht richtiger, Herr Abgeordneter Leichtfried. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich sage Ihnen eines: Ich weiß nicht, ob Sie mir zugehört haben, ich hoffe, Sie haben zumindest ein wenig zugehört, aber ich habe meine Zweifel, denn ich habe in meiner Rede klipp und klar zum Ausdruck gebracht, dass – und das ist das Ergebnis der Ex­perten – sich die Sicherheitslage in Österreich im Zusammenhang mit diesen Anschlä­gen in Neuseeland nicht geändert hat. Das ist die Aussage unserer Experten. Ich weiß nicht, wofür Sie ein Experte sind, Herr Leichtfried, aber mit Sicherheit nicht für Fragen des Verfassungsschutzes. Ob Sie seinerzeit ein Experte im Bereich Ihres Ministeriums gewesen sind, auch darüber gehen die Meinungen im Übrigen auseinander. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Dann noch zu den Ausführungen von Frau Abgeordneter Rendi-Wagner: Irgendwie ha­ben Sie versucht, alles, was Ihnen politisch am Herzen liegt, und Ihren parteiinternen Leidensdruck jetzt bei mir abzuarbeiten (Abg. Schieder: Sie überschätzen sich!) – denn die Diskussion über die Sicherungshaft, würde ich meinen, sollten Sie zunächst einmal mit Kollegen Doskozil in den eigenen Reihen führen. Ich mache Sie darauf auf­merksam, dass Kollege Doskozil, bevor er den politischen Weg eingeschlagen hat, ein Landespolizeidirektor Ihrer Couleur gewesen ist. (Abg. Rendi-Wagner: Das hat nichts mit dem Fall ... zu tun!) Ich sage das nur dazu, weil man da eigentlich auch erwarten kann, dass er eine gewisse Expertise mitbringt. (Abg. Rendi-Wagner: Sie sind verant­wortlich!) Diskutieren Sie diese Dinge also mit Herrn Doskozil aus (Abg. Rendi-Wag­ner: Sie sind verantwortlich!), denn das, was er gesagt hat – er ist immerhin jetzt auch ein Landeshauptmann Ihrer Couleur –, geht noch über das hinaus, was ich vorgeschla­gen habe, und das würde ich niemals unterstützen, Frau Rendi-Wagner! (Abg. Rendi-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 73

Wagner: Hören Sie auf!) Und jetzt können Sie sich überlegen, wie Sie mit Herrn Dos­kozil verfahren. (Abg. Rendi-Wagner: Hören Sie auf!) Wenn Sie es schon bei mir so genau nehmen, dann müssten Sie ihm ja eigentlich den Parteiausschluss nahelegen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Rufe bei der FPÖ – in Richtung SPÖ –: Peinlich! Peinlich!)

Ein letztes Wort noch zum Thema Vorarlberg: Wir werden diese Debatten dann ohne­hin noch führen, aber ich habe das heute wieder so verstanden, als hätten wir gegen die Interessen Vorarlbergs jemanden dorthingeschickt, den die gar nicht haben wollten. (Abg. Scherak: Das sagt der Landeshauptmann!) Das Interessante ist nur, dass ich hier eine E-Mail von der zuständigen Abteilung der Vorarlberger Landesregierung – das ist nicht meine Behörde – habe, aus der klar hervorgeht, dass – Zitat – wir nach Rücksprache den Privatverzug von Herrn Ö. zu seiner Schwester genehmigen. – Das schreibt die Vorarlberger Stelle an das Innenministerium, und nicht das Innenministe­rium an die Vorarlberger Stelle. – So viel nur zu diesem Vorhalt, der sich damit auch in Luft aufgelöst hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde es ehrlich gesagt schade, dass Sie heute in der Debatte über ein sehr, sehr heikles Thema, wo wir eigentlich zu­sammenrücken sollten, weil es um die Sicherheit in Österreich geht, weil es um die Si­cherheit im von Ihnen auch sehr geschätzten vereinigten Europa geht, diese Chance nicht ergriffen haben, dass Sie diese Chance ausgelassen haben. Das bedaure ich sehr. Ich hoffe, dass bei Ihnen ein gewisser Reifungsprozess eingesetzt hat, wenn wir das nächste Mal über so etwas diskutieren müssen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.29


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Mag. Peter Weidinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.29.34

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren hier im Plenum und zu Hause! Eine der genialsten Erfindun­gen in der Zivilisation war die Erfindung der Idee der Freiheit des Einzelnen. Sie hat ihren Ausdruck in der Demokratie gefunden, die Garant dafür ist, dass der Einzelne seine Freiheit auch leben kann. Deswegen, meine Damen und Herren, darf es – und das kommt in den Reden, auch wenn darin unterschiedliche Gewichtungen vorgenom­men werden, ganz klar hervor – bei einer Ideologie, die menschenverachtend oder ge­fährlich ist, keine Toleranz geben.

Das ist unser entscheidender Wesenskern, deshalb darf ich folgenden Antrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Strategie gegen Extremismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des ,bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung‘ (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie Aussteigerprogramme) gegen jegliche Form des Extremismus zu erarbeiten“.

*****

Jetzt darf ich auf eine Aussage der Frau Abgeordneten Griss eingehen. Frau Abgeord­nete, ich habe den Artikel, den Sie angesprochen haben, damals in der Zeitung gele-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 74

sen, ich habe ihn jetzt noch einmal nachgelesen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich Ihre Meinung, so wie Sie das interpretiert haben, überhaupt nicht teile, denn wer das liest, kommt klar zu der Meinung, dass da die Tatsache beschrieben wird, dass nicht Opfer gegeneinander aufgerechnet oder abgewogen werden – denn jedes Opfer, meine Da­men und Herren, ist gleich viel wert und jeder Mensch hat die gleiche Würde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Frau Abgeordnete Krisper! Die Bundesregierung hat schon im Herbst eine klare Strategie mit Vorschlägen dargelegt, in der es darum geht, dass man Extremismusprä­vention und Deradikalisierungsmaßnahmen umsetzt und begleitet, und das hat Frau Staatssekretärin Karoline Edtstadler gestern hier im Plenum auch klar ausgeführt. Es geht uns aber nicht um den Wettstreit, wer es erfunden hat, sondern uns geht es da­rum, dass wir es gemeinsam beschließen; deswegen haben wir auch einen entspre­chenden Antrag zu dieser Materie eingebracht, um das zu unterstreichen.

Ich glaube, wesentlich ist, dass wir – wie es der Herr Innenminister in seiner Eröff­nungsrede auch zum Ausdruck gebracht hat – sachlich klar differenzieren und die ver­schiedenen Zuständigen in dieser Republik arbeiten lassen. Es wurde klar der Weg ge­zeichnet, dass morgen der Unterausschuss zusammentritt und am Montag der Sicher­heitsrat zusammentritt. Der Rechtsstaat funktioniert, die ordentlichen Gerichte funktio­nieren, es wird in alle Richtungen ermittelt. Man ist weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind, sondern wir haben vollstes Vertrauen in unsere Behörden, in die Gerichtsbarkeit, in die Exekutive und in sämtliche auch staatssichernde Institutionen, die wir unser Eigen nennen dürfen.

Geschätzte Damen und Herren! Es war sehr gut und wichtig, dass auch die Parla­mentsmehrheit das Sicherheitspaket beschlossen hat, weil dieses Sicherheitspaket ein Garant dafür ist, dass geheime, verschlüsselte Internetkommunikation, zum Beispiel über WhatsApp, in Österreich ab 2020 auch entsprechend nachvollzogen und gelesen werden kann. Wir wissen ja nicht nur aufgrund dieses traurigen Ereignisses, dass dieses Medium auch von vielen terroristischen und verbrecherischen Organisationen verwendet wird, um ihre Absprachen zu tätigen.

Die Parlamentsmehrheit, meine Damen und Herren, diese Regierung steht aufseiten der Sicherheit, steht aufseiten der Bevölkerung, und wir arbeiten entschlossen weiter daran. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kol­legen

betreffende Strategie gegen Extremismus

eingebracht im Zuge der Debatte in der 68. Sitzung des Nationalrates über die Erklä­rung des Bundesministers für Inneres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroran­schlags in Neuseeland“ – TOP 1

Dass extreme Ideologien auch in gefestigten westlichen Demokratien zu Terror und Mord in großem Ausmaß führen können, zeigen die jüngsten Anschläge auf zwei Mo­scheen in Christchurch/Neuseeland sowie die Verhaftung eines radikal-islamistischen Terroristen in Wien. Der Umgang mit Extremismus und radikalen Strömungen inner­halb der Bevölkerung stellt unsere demokratische Gesellschaft in Bezug auf die innere


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 75

Sicherheit und damit den gesellschaftlichen Frieden vor große Herausforderungen. Diesen gilt es angemessen und vor allem mit konkreten Maßnahmen ehebaldigst zu begegnen.

Am 23. Oktober 2018 wurde im Innenministerium im Rahmen eines „Präventionsgip­fels“ die „Österreichische Strategie Extremismusprävention und Deradikalisierung“ vor­gestellt. Diese Strategie enthält dabei sehr unterstützungswürdige Rahmenvorstellun­gen gegliedert in acht Themenfelder:

1.          SICHERHEIT, STRAFVOLLZUG UND RESOZIALISIERUNG

2.          POLITIK UND DEMOKRATIEKULTUR

3.          KOOPERATION UND RESSOURCEN

4.          BILDUNG, ARBEITSMARKT UND RESILIENZ

5.          SOZIALE VERANTWORTUNG UND GESUNDHEIT

6.          WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG

7.          INTERNET UND MEDIEN

8.          GENDER

Das Strategiepapier weist gleich an mehreren Stellen darauf hin, dass Extremismus­prävention und Deradikalisierung einen innenministeriellen Ansatz erfordert. In seinem Vorwort erklärt sich der Herr Bundesminister für Inneres für das Thema aus der Pers­pektive der inneren Sicherheit für zuständig. Die Generaldirektorin für öffentliche Si­cherheit, Michaela Kardeis, kündigte im Rahmen des Gipfels einen Aktionsplan zur Umsetzung konkreterer Schritte und Maßnahmen im Bereich an.

Extremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das staatliches Handeln in vie­len Bereichen fordert, insbesondere in der inneren Sicherheit, der Justiz, der Bildungs­einrichtungen und der sozialen Sicherheit.

Neben solchen restriktiven Maßnahmen ist es jedoch unumgänglich, sich auch subs­tanziell wie inhaltlich mit extremen Gruppierungen und Individuen aktiv auseinanderzu­setzen und gezielte Deradikalisierungsmaßnahmen (wie sie etwa für islamistisch radi­kalisierte Personen existieren) zu entwickeln. Weiters hat das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (dBfV) bereits im Jahr 2001 ein „Aussteigerprogramm für Rechts­extreme“ initiiert, um Einzelpersonen den Ausstieg aus der rechtsextremistischen Sze­ne zu ermöglichen. Das dBfV bietet vielfältige und individuelle Maßnahmen:

•             Beratung von Eltern, Familienangehörigen und Lebenspartnern der Betroffenen

•             Persönliche Begleitung und Betreuung während des Ausstiegs

•             Hilfe bei der Vermittlung von schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaß­nahmen

•             Hilfe bei Behördenkontakten

•             Gespräche mit Arbeitsgebern und Bewährungshelfern

•             Vermittlung von externen Hilfsangeboten, z.B. bei Alkohol-, Drogenproblemen oder Überschuldung

•             Unterstützung bei Bedrohung durch Angehörige der rechtsextremistischen Sze­ne, z.B. durch Hilfe bei Wohnungssuche und Umzug

•             In Einzelfällen und für zwingend erforderliche Umzugsmaßnahmen können auch einmalig finanzielle Hilfen gewährt werden.

Auch im Schulbereich gilt es hier einen noch stärkeren Fokus auf die Problematik von Radikalisierung zu legen. In diesem Zusammenhang wäre beispielsweise anzuregen,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 76

die neu geschaffenen Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bildungsmi­nisterium auch explizit mit dem Thema Radikalisierung zu betrauen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbindung des „bundesweiten Netz­werks für Extremismusprävention und Deradikalisierung“ (BNED), eine umfassende Strategie und konkrete Maßnahmen (wie etwa Aussteigerprogramme) gegen jegliche Form des Extremismus zu erarbeiten“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Angela Lueger, Sie sind als Nächste zu Wort gemeldet. Bitte.


12.33.49

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte KollegIn­nen im Hohen Haus! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und vor den Fernsehschir­men! Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern haben wir in Österreich das große Glück, dass wir von diesen schrecklichen Terrorattentaten – egal ob sie in Deutschland, in Frankreich, in Belgien stattgefunden haben – verschont geblieben sind. Ich glaube, es hat sich dadurch aber auch eingeschlichen, dass man die Beob­achtung der rechtsextremen Szene ein bisschen vernachlässigt hat – es gibt auch kei­nen Rechtsextremismusbericht.

Sie haben sich in den letzten eineinhalb Jahren sehr, sehr stark um die Islamisten ge­kümmert, wobei ich gleich dazusagen möchte: Es fehlt aber an Beamten, die auch die sprachliche Kompetenz haben, um das vermehrt beobachten zu können. Daran fehlt es. Heute muss ich in den Schlagzeilen lesen: „Österreich, Welt-Zentrale der neuen Rechtsextremen“.

Herr Minister, Sie sind Innenminister, Sie sind verantwortlich für die Sicherheit in die­sem Land. Und was machen Sie? – Sie zerschlagen das BVT und schwächen es bei der Beobachtung von Rechtsextremen. Während in Deutschland bei dieser Behörde Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aufgenommen werden, werden bei uns Mitarbeiter in die Pension gemobbt, weil sie ihre Aufgabe gemacht haben, gegen Burschenschafter ermittelt haben (Bundesminister Kickl: Das ist ungeheuerlich!), und Sie distanzieren sich nicht davon. Sie können sich nicht distanzieren, denn in Ihrem Kabinett sind Bur­schenschafter und in anderen Kabinetten auch. (Abg. Haider: Und das ist nichts Schlechtes, Burschenschafter zu sein! Was glauben denn Sie! Das ist was Gutes! – Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Deimek.)

Es gibt keine Berührungsängste. Am letzten Akademikerball waren unter den Ballgäs­ten Vizekanzler Strache, Bundesministerin Hartinger-Klein, aber auch der Chef der Identitären Martin Sellner, und der ist laut den Experten in Europa die treibende Kraft (Abg. Jenewein: Wer sind denn diese Experten?), die zentrale Figur der nationalen und internationalen neuen Rechtsextremen. Da erwarte ich mir sehr wohl, dass Sie sich distanzieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Dass das nicht so ist, zeigt wiederum eine Aussage, nämlich des Rings Freiheitlicher Jugend im Burgenland aus dem Jahr 2014: „Wer die Inhalte der Identitären Bewegung teilt, wird die FPÖ wäh-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 77

len.“ (Abg. Schieder: Hallo?) – So weit die Verbindung. (Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Logik! – Heiterkeit des Abg. Neubauer.)

Herr Minister, wir zweifeln an Ihrer Prioritätensetzung. Die Prioritätensetzung stört da­hin gehend: Zuerst ging es um die Kommunikation mit kritischen Medien – da wurden Sie vom Herrn Bundeskanzler zurückgepfiffen –, dann machten Sie eine teure Pro-Bor­der-Aktion im Grenzgebiet in der Steiermark. Die Polizeiinspektionen sind nach wie vor desolat, es werden bei der Exekutive die Überstunden gekürzt, und wir haben Pferde, die lahmen. Hätten Sie dieses Geld auch für Rechtsextremismus investiert (Bundesmi­nister Kickl: Für?! – Ui!) – gegen, gegen den Rechtsextremismus! –, dann wäre das der richtige Schritt gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und ja, Herr Minister, wir wünschen uns auch ausreichend Personal und ein zeitge­mäßes BVT, das gehört weiterentwickelt. (Abg. Höbart: Die Sicherheitssprecherin der SPÖ!) Weiterentwickelt gehört aber auch die parlamentarische Kontrolle, und einen dies­bezüglichen Antrag haben wir eingebracht.

Herr Kollege Herbert, wenn Sie sagen: Lernen Sie etwas dazu!, dann darf ich Ihnen schon mitteilen: Es geht in Dornbirn nicht um die Strafprozessordnung, es geht in Dornbirn um das Fremdenpolizeigesetz. (Abg. Rosenkranz: Das hat sich aber bei der SPÖ anders angehört!) Wenn FPÖ und ÖVP jetzt einen Entschließungsantrag vorle­gen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der wortident ist mit jenem der Kollegin Krisper von den NEOS, in dem ganz unten nur steht: „[...] gegen jegliche Form des Ex­tremismus zu erarbeiten“, dann ist das ein Feigenblatt. (Abg. Herbert: Das wird ja im­mer wilder! Das wird ja immer kurioser!) Wir werden dem zustimmen, weil es eine wichtige Sache ist, aber es ist ein Feigenblatt, das Sie hier anwenden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Herbert: Das ist ja unglaublich!)

Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben gestern angekündigt, dass sie die Auflösung der Identitären prüfen werden. Da macht mir Sorge, Herr Innenminis­ter, dass da wieder Sie die Person sind, die das zu veranlassen hat. Sind Sie da die richtige Person, wenn das Wirgefühl in Ihrer Rede beim Kongress Verteidiger Europas sehr stark hervorgehoben wurde?

Herr Innenminister, werte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, die auch davon betroffen sind, distanzieren Sie sich von den Identitären, distanzieren Sie sich von den Burschenschaftern! (Abg. Haider: Nein! Von den Burschenschaftern braucht sich überhaupt niemand distanzieren! Das ist eine Frechheit! – Abg. Stefan – in Rich­tung SPÖ –: Dann wären Sie nie gegründet worden! – Ruf bei der FPÖ: ... der Häupl!) Rechtsextremismus hat in diesem Land keinen Platz, und der Herr Bundeskanzler ist gefordert. Es sind nicht nur Worte gefordert, er hat nicht nur seine Meinung mitzuteilen, er hat zurückzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, Sie sind als Nächs­ter zu Wort gemeldet. Bitte.


12.39.24

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war jetzt wirklich eine Kraut-und-Rüben-Debatte. Ich möchte gleich mit einer Anmerkung zu den Ausführun­gen meiner Vorrednerin anfangen: Es steht allerhand in der Zeitung!

So steht zum Beispiel in der heutigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“ – ich darf zitie­ren –: „Wien, lebenswerteste Stadt – auch für Terroristen“. (Abg. Höbart: Ja, ja!) Da heißt es dann: „Wir alle bekommen jetzt die Rechnung für eine langjährige Wegschau- und Beschwichtigungspolitik der rot-grünen Wiener Stadtregierung“ (Öh-Rufe bei der


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 78

FPÖ) „und des skandalerschütterten Verfassungsschutzes BVT präsentiert“. (Abg. Hö­bart: Ja, ja!)

Sie haben doch sicherlich gestern auch, wie wir alle, die Nachrichten mitbekommen, dass ein Iraker, der in der Bundesrepublik Deutschland einen Terroranschlag auf einen ICE-Zug durchführen wollte, in Wien festgenommen wurde. Na, in einer Gemeinde­wohnung ist er gesessen, im sozialen Wohnbau der SPÖ Wien, wie Sie es immer so gerne darstellen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Mindestsicherung der SPÖ-Wien, der SPÖ-geführten Wiener Stadtregierung hat er bezogen! – Das ist Ihre Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren! Davon sollten Sie sich einmal distanzieren! Da höre ich kein Wort, da höre ich nie ein Wort von Ihnen, überhaupt nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie bereiten doch in Wien den Boden für diesen Extremismus. Sie haben sie sogar im Wiener Landtag sitzen; da sitzen die Sympathisanten der Muslimbrüder drinnen (Abg. Höbart: Al-Rawi!), da haben Sie Landtagsabgeordnete, aber da höre ich überhaupt nichts von Ihnen. (Abg. Höbart: Al-Rawi!) Stattdessen machen Sie hier aus einer Re­gierungserklärung eine Anschüttungsstunde und versuchen, Dunstkreise zu definieren und möglichst viele, die nicht Ihrem kruden Weltbild entsprechen, als diesem Dunst­kreis zurechenbar darzustellen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Rädler.) Das ist nämlich in Wahrheit alles, was Sie im Kampf gegen den Terrorismus interessiert! Das ist alles, was Sie daran interessiert! Sie wollen damit politisches Kapital schaffen. – Das ist das eine.

Auf der anderen Seite: Wissen Sie, eigentlich wäre es gar nicht notwendig gewesen, nur: Habe ich von Ihnen jemals eine Distanzierung gehört, als Ihr SPÖ-Innenminister Caspar Einem linksautonomen Terroristen seinerzeit mehrere Tausend Schilling ge­spendet hat? Der war Innenminister, und er hat aktiv Geld an Terroristen gespendet. Haben wir da jemals irgendetwas von Ihnen gehört? – Überhaupt nichts haben wir von Ihnen gehört! (Ruf bei der FPÖ: Ebergassing!) Ihr ehemaliger Innenminister Rösch hat damals einen Terrorpaten, Herrn Carlos, wenn er Ihnen etwas sagt, mit Handschlag am Flughafen Wien verabschiedet. Haben wir da jemals etwas von Ihnen gehört? (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Jetzt versuchen Sie, hier etwas zu konstruieren, was in Wahr­heit doch nicht zu konstruieren ist.

Frau Kollegin Krisper ist gerade leider nicht im Raum – oder sie sitzt da hinten und tratscht –: Ich finde, das ist eine bodenlose Schweinerei, und ich sage ihr das auch ins Gesicht - -


Präsidentin Doris Bures: Sie sagen es ihr vielleicht unter vier Augen, Herr Abgeord­neter Jenewein, „bodenlose Schweinerei“ sagen Sie aber nicht in Ihrer Rede hier am Rednerpult, weil wir uns darauf verständigt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Im Übrigen werde ich mir dann auch das Protokoll Ihrer Rede bringen lassen, denn den Vorwurf, dass Wegbereiter des Terrorismus Mitglieder einer gesetzgebenden Körper­schaft in Wien sind, werde ich mir noch ansehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich bitte Sie, die Debatte jetzt wieder so zu führen, dass wir sie trotz aller Emotionen sachlich abhalten können.


Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin, wenn Sie mir einen Ordnungsruf geben wollen, dann tun Sie das bitte, das steht Ihnen frei. Ich werde hier die Worte so wählen, wie ich es für richtig halte. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Jenewein (Zwischenruf der Abg. Grei­ner), ich korrigiere Sie (Abg. Jenewein: Ja!), weil wir eine Geschäftsordnung und eine Hausordnung haben, der wir (Zwischenrufe bei der FPÖ), alle 183 Abgeordnete, uns


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 79

verpflichtet sehen. Sie sind einer davon, und daher fordere ich Sie auf, sich an diese Regeln zu halten, die wir uns selbst aus gutem Grunde, um die Würde dieses Hauses zu wahren, gegeben haben, und dem auch zu entsprechen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)


Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (fortsetzend): Also ich stelle fest, dass mir dadurch, dass Sie mich dauernd maßregeln, ohne mir einen Ordnungsruf zu geben, Redezeit abhandenkommt. (Empörter Widerspruch bei der SPÖ.) Machen Sie das jetzt bitte oder lassen Sie mich weitersprechen! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordne­ten von SPÖ und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Unglaublich!)

Gut, ich darf also weitersprechen. (Abg. Deimek: Die SPÖ ist wirklich eine Terroristen­organisation!) Wissen Sie, was unglaublich ist? – Ihr Verhalten hier ist unglaublich. Da wird von Frau Krisper eine Person vor den Vorhang gezerrt, mit Klarnamen, und in ei­nen Zusammenhang mit den Identitären gestellt – ein Abteilungsleiter des Innenminis­teriums! (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Habe ich da irgendetwas von der Vorsitzführung gehört? – Überhaupt nichts! Hat sich jemand von Ihnen zu Wort gemeldet? Frau Krisper sollte hierherkommen und das klar­stellen. Das ist eine Schweinerei, und dazu stehe ich, und wenn Sie mir einen Ord­nungsruf - - (Beifall bei der FPÖ.)

12.44.39*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Jenewein, Sie haben jetzt zum wieder­holten Mal gesagt: „Das ist eine Schweinerei“. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungs­ruf und werde jetzt die Sitzung unterbrechen.

Ich bitte die Mitglieder der Präsidiale, zu mir zu kommen. (Ruf bei der FPÖ: ... während der Rede!) – Ja, ich unterbreche während der Rede. (Widerspruch bei der FPÖ.)

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 12.45 Uhr unterbrochen und um 12.50 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich bedanke mich für die kurze Beratung im Rahmen einer Stehung der Präsidialkon­ferenz und halte noch einmal fest, dass in § 102 der Geschäftsordnung klar geregelt ist: Wenn Anordnungen des Präsidenten nicht Folge geleistet wird, gibt es die Möglich­keit, einem Redner, einer Rednerin auch während der Rede das Wort zu entziehen und eine Sitzung zu unterbrechen. Von dieser geschäftsordnungsmäßigen Möglichkeit ha­be ich aus guten Gründen Gebrauch gemacht.

Nun, Herr Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, sind Sie wieder am Wort. Die Parla­mentsdirektion wird natürlich die Zeit, die diese Beratungen und Diskussionen in An­spruch genommen haben, nicht auf Ihre Redezeit anrechnen, sie steht Ihrer Fraktion zur Verfügung. Ich stelle Ihnen jetzt eine Redezeit von 5 Minuten ein, die Sie zu Beginn Ihrer Rede hatten, und erteile Ihnen das Wort.

12.51.15


Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, dass Sie mir wieder das Wort geben!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 80

Wenn Sie meiner Argumentationskette gefolgt wären, hätten wir vielleicht dieses ganze Brimborium jetzt gar nicht gebraucht, denn es ging ja einzig und allein darum, festzu­stellen - - (Zwischenrufe bei der SPÖ) – Und ich kann schon wieder nicht ausreden, weil offenbar die Verhaltensoriginalität von dieser Seite (in Richtung SPÖ) so laut ist, dass ich permanent unterbrochen werde.

Ich wollte einzig und allein feststellen, dass Frau Kollegin Krisper heute offenbar am Menasse-Syndrom gelitten hat, denn sie hat den Namen eines untadeligen Beamten aus dem Innenministerium genannt und gesagt, er sei ein Mitglied der Identitären; ein Mitglied der Identitären mache quasi die Kommunikation für Innenminister Kickl, und darum sei der Innenminister der Innenminister der Identitären. Nichts anderes habe ich gesagt. Sie können das jetzt für sich werten. Sie hätten sich auch die Stellungnahme des Innenministers anhören können, dann hätten Sie es auch gewusst, denn er hat es selbst vorhin festgestellt.

Meine Intention war auch, Frau Krisper darauf hinzuweisen, dass sie doch bitte heraus­kommen und sich bei dieser Person entschuldigen soll, denn das ist ja eine Un­glaublichkeit – ich sage jetzt bewusst nicht Schweinerei, sonst haben wir wieder eine Sitzungsunterbrechung; ich sage halt Ferkelei dazu, vielleicht geht das ja durch.

12.52.30*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Jenewein, ich halte das für eine Form von Provokation Ihrerseits, die nicht erforderlich ist (Rufe und Gegenrufe zwischen Ab­geordneten von SPÖ und FPÖ – Abg. Haider: Wir sind aber kein Mädchenpensionat!), auch wenn Sie diese Diskussion natürlich auf Ihre Weise führen können.

Ich erteile Ihnen für den Ausdruck „Ferkelei“ einen Ordnungsruf und würde meinen, dass der Ruf zur Ordnung nichts ist, was Sie stolz machen sollte. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

*****

12.52.56


Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (fortsetzend): Ich darf aber vielleicht ein Zi­tat bringen, für das Sie mir sicher keinen Ordnungsruf geben werden, weil es der Aus­spruch des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers Schmidt ist, der gesagt hat, eine parla­mentarische Debatte sei ja auch keine diplomatische Veranstaltung (Beifall bei der FPÖ) – und das war sie vor 2 000 Jahren im Übrigen auch nicht, ganz im Gegenteil, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das breite parlamentarische Meinungsspektrum – und damit möchte ich wieder zum Eingang der Debatte zurückkehren – ist nicht das Problem, das wir haben, weder in Europa, noch in Österreich, sondern es ist vielmehr die Lösung für die Probleme, die wir haben. Das möchte man nicht erkennen, zeigt permanent mit dem Finger und sagt, die Rechten übernehmen hier die Macht. – Da erwarte ich von der Opposition schon so viel Selbstbewusstsein und Ernsthaftigkeit, dass man sich zügelt.

Wenn ich permanent höre: Na ja, das ist rechtsextrem, wir sind auf dem Weg ins vierte Reich!, was da alles kommt; von der Gleichschaltung wird gesprochen, die blaue Stasi aus dem Innenministerium wird jetzt inszeniert, bis hin zum Volksempfänger, wie dies ein ehemaliger grüner oder Noch-EU-Abgeordneter genannt hat. Wenn man sich vor Augen hält, was da allein in der Sprache an Gewalt transportiert wird und auf der ande­ren Seite mit dem Finger gezeigt und gesagt wird: Ihr müsst euch entschuldigen, ihr müsst euch distanzieren!, stelle ich mir die Frage: Wie ernsthaft können solche Debat­ten mit Ihnen überhaupt geführt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren von der vereinigten linken Opposition da drüben? (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 81

Eines ist auch klar: Wer es mit Extremismusprävention ernst meint, muss auch den eigenen Politstil kritisch hinterfragen und entsprechend adaptieren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wer Christchurch und dieses fürchterliche Massaker quasi durch die Hinter­tür einer politischen Partei oder einer Bundesregierung in die Schuhe schieben will, geht genau denselben Weg, den im Übrigen auch Herr Erdoğan vor ein paar Tagen gegangen ist, der dieses Video dazu benutzt hat, um seine eigenen Anhänger zu radi­kalisieren, um diese Gewaltspirale weiter in die Höhe zu treiben. Das sollten Sie sich auch einmal überlegen, ob das so gescheit ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend möchte ich noch sagen: Das wichtigste demokratische Instrument, das wir haben, ist dieses Plenum hier, und das muss auch die wichtigste Institution in der politischen Debatte bleiben. Wenn wir es nicht mehr schaffen, hier miteinander zu re­den, wenn hier permanent versucht wird, zu stören, wenn hier permanent Schuldzuwei­sungen kommen, wenn hier permanent mit dem Finger gezeigt wird, und wenn man als Redner den Eindruck hat, dass es oftmals vielleicht nicht so in Ordnung ist, wie die Vorsitzführung abgeht, dann ist etwas nicht in Ordnung – das wurde heute schon ge­sagt –, dann ist etwas faul in dem Staate, und das sollten wir uns alle nicht wünschen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Da in der Geschäftsordnung die Möglichkeit einer tatsächli­chen Berichtigung vorgesehen ist, wenn falsche Behauptungen gemacht werden, gibt es jetzt eine tatsächliche Berichtigung von Herrn Abgeordnetem Weidinger.

Herr Abgeordneter, Sie kennen die Regeln der Geschäftsordnung. Bitte.


12.56.32

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Frau Abgeordnete Lueger hat behaup­tet, dass der Antrag der Koalition nur um ein Wort geändert wurde.

Ich berichtige tatsächlich: Der Antrag wurde in mehreren Passagen geändert, wir kämp­fen nämlich gegen jede Form des Extremismus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Es gibt eine weitere tatsächliche Berichtigung, jene des Herrn Abgeordneten Dr. Peter Pilz. (Abg. Jarolim: Hoffentlich nicht ebenso pfiffig wie die vorangegangene! – Abg. Neubauer: Dass der noch da ist! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


12.57.00

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Jenewein hat behauptet, es habe eine Spende des damaligen sozialdemokratischen Innenminis­ters an eine linksextreme Zeitung gegeben. Ich habe das seinerzeit nachrecherchiert und gebe in meiner Berichtigung den Sachverhalt wieder.

Es hat sich herausgestellt, dass es eine offizielle Presseförderung des Bundeskanzler­amtes für das linksanarchistische „TATblatt“ gegeben hat. Diese Presseförderung ist von einer Kommission beschlossen worden, in dieser Kommission war auch ein Vertre­ter der Freiheitlichen Partei. Der Beschluss ist einstimmig gefasst worden. Damals hat also offensichtlich die FPÖ für die staatliche Presseförderung für ein linksanarchisti­sches Organ gestimmt.

Ich stelle klar – damit es keine Verwirrungen gibt –: Das ist mit Sicherheit heute nicht mehr der Fall, heute werden von freiheitlichen Ministern ausschließlich rechtsextreme Medien finanziert. (Abg. Stefan: Was sagt die Vorsitzführung zu so einer tatsächlichen Berichtigung? War das eine tatsächliche Berichtigung? Das war doch keine tatsächli­che Berichtigung, Frau Präsidentin!)

12.58



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 82

Präsidentin Doris Bures: Sie irren!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nächster Redner am Rednerpult ist Herr Ab­geordneter Kai Jan Krainer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


12.58.40

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist diese Debatte von Anfang an eine Enttäuschung gewesen, vor allem auch die Erklärung des Innenministers. Ich sage auch: Nein, ich war von Ih­nen, der FPÖ, nicht enttäuscht. Sie haben das gemacht, was Sie immer machen, Sie haben einfach eine Täter-Opfer-Umkehr gemacht.

Wir haben eine Erklärung des Innenministers gehört, der von einem terroristischen An­schlag von Rechtsextremen auf muslimische Menschen, die in einem Gotteshaus bru­talst ermordet wurden, gesprochen hat. Es hat einen Bericht darüber gegeben, dass der Attentäter hier in Österreich war, und einen Bericht über ein rechtsextremes Netz­werk im deutschsprachigen Raum, das auch Österreich umfasst, in dem es Todeslisten für den Tag X gegen Linke – was auch immer links aus der Position eines Rechts­extremisten, eines Neonazis oder eines Faschisten ist – gibt. Das war der Bericht.

Und worüber spricht die FPÖ? Über Terror gegen Moslems? – Nein, die FPÖ redet über islamischen Terror. Das ist eine typische Täter-Opfer-Umkehrung. Das macht die FPÖ immer, das enttäuscht mich nicht. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vor­sitz.)

Was mich aber schon enttäuscht, ist, dass der Innenminister nicht das macht, was man an und für sich von ihm erwarten würde. Er hat – nicht zu Unrecht – gesagt: Das Ge­fährlichste sind immer diffuse Ängste, die es gibt!, aber ich hätte mir eigentlich von ihm erwartet, dass er sagt: Liebe muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie sind in Österreich sicher, Sie können jeden Freitag in die Moschee gehen. Ich sorge dafür, dass Sie Ihre Religion hier ausüben dürfen und können, ohne dass Sie in Gefahr sind. Das ist das, was man sich an und für sich in einer solchen Situation von einem Innen­minister erwarten würde. – Da haben Sie auf voller Linie enttäuscht (Beifall bei SPÖ und JETZT): kein Wort der Empathie gegenüber den Opfern und gegenüber unseren Mitbürgern, die sich aufgrund dessen Sorgen machen. (Abg. Schimanek: Was? Das ist nicht wahr! Haben Sie nicht zugehört? – Ruf bei der FPÖ: Kannst vor lauter Zwi­schenruferei nicht zuhören, oder?!)

Was noch eine große Enttäuschung war, das muss ich schon sagen, war die Vorsitz­führung des Präsidenten Sobotka. Er ist jetzt gerade nicht da (Heiterkeit und Ruf bei der FPÖ: Er trifft sich mit Ihrer Präsidentin!), trotzdem darf ich das klar sagen. Klubob­mann Gudenus hat in seiner unnachahmlichen Art den ehemaligen Bundespräsidenten bezichtigt, als Reiseveranstalter für diesen rechtsextremen Terroristen in Erscheinung getreten zu sein (Abg. Stefan: Nein, das hat er nicht gesagt!), und der Präsident hat das hier in keiner Art und Weise kommentiert. Ich finde, dass Präsident Sobotka hier nicht seiner Aufgabe nachgekommen ist, den ehemaligen Bundespräsidenten vor der­artigen Verunglimpfungen zu schützen.

Jetzt aber zu Ihnen, Herr Noch-Innenminister Kickl! Ich sitze seit mehreren Monaten in diesem Untersuchungsausschuss, und für alle Kolleginnen und Kollegen vor allem von den Freiheitlichen (Ruf bei der FPÖ: Sie sind kein Kollege!), die nicht dort sind, gibt es ein paar Fakten, die wir aus dem Untersuchungsausschuss auch dem Plenum präsen­tieren müssen:

Erstens: Der Drahtzieher dieser Hausdurchsuchung, der Betreiber dieser Hausdurch­suchung waren Sie persönlich und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Abg. Stefan: „Drahtzieher“, ein schöner Ausdruck!) Das ist hieb- und stichfest belegt. Sie waren der Drahtzieher dieser Hausdurchsuchung. (Abg. Stefan: „Drahtzieher“, ein schöner Be­griff!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 83

Zweitens: Das Motiv dafür ist auch klargelegt worden. (Ruf bei der FPÖ: Wir sind jetzt aber nicht im Untersuchungsausschuss!) Da geht es vor allem um die Liederbuchaffäre und darum, dass Sie von den Freiheitlichen der Meinung waren, im Extremismusreferat wäre das seit Jahren recherchiert worden und dieses Liederbuch wäre aus der Extre­mismusabteilung an den „Falter“ gegangen. Das ist mehrfach dokumentiert, zum Bei­spiel durch handschriftliche Notizen von Frau Kardeis, die hier sitzt; auch die Frage nach den verdeckten Ermittlern und so weiter. (Abg. Stefan: Endlich wird das aufge­deckt!) Sie können sich darüber lustig machen, so viel Sie wollen, das ist hier sehr ernst. (Abg. Stefan: Das ist ja wirklich lustig! Sie könnten ein YouTube-Star sein, wirk­lich!)

Das Dritte ist, dass in diesem Untersuchungsausschuss hieb- und stichfest nachgewie­sen wurde, dass ein Schaden für die Sicherheit in diesem Land entstanden ist. Dazu muss man sagen: Genauso wie der Terrorismus international ist, genauso wie Rechts­extremismus international vernetzt ist, genauso müssen Geheimdienste international vernetzt sein. Die Vernetzung der Geheimdienste ist der sogenannte Berner Club. Der Innenminister hat wider besseres Wissen letztes Jahr immer wieder bei jeder Gele­genheit behauptet: Die internationale Zusammenarbeit funktioniert bestens. Wir haben ihm nachgewiesen, dass er zu dem Zeitpunkt, als er das in der Öffentlichkeit gesagt hat, wusste (Abg. Deimek: Das ist ja nicht wahr!), dass Österreich vor der Suspendie­rung, vor dem Rausschmiss (Abg. Stefan: Was jetzt?) aus diesem Berner Club, aus dieser internationalen Vernetzung steht.

Dann haben wir nachgewiesen, dass Österreich freiwillig aus dem Berner Club aus­getreten ist, um diesem Rausschmiss zuvorzukommen. Er hat sich damit verteidigt, dass er gesagt hat, er war darüber nicht informiert. Im Untersuchungsausschuss hat er gesagt, dass er das nicht wusste, er hätte das selber gern gewusst, er wurde darüber nicht informiert.

Heute hat er hier wieder zwei Mal die Unwahrheit gesagt. Das Erste, was er hier be­hauptet hat, ist, dass von diesem rechtsextremen Netzwerk, das über WhatsApp-Grup­pen und dergleichen kommuniziert, keine Verbindung zu Österreich nachgewiesen werden konnte. – Das ist unwahr. Die Wahrheit ist: Es gibt eine Verbindung zu Men­schen in Österreich, auch zu österreichischen WhatsApp-Benützern. Das heißt, Sie sollten hier nicht die Unwahrheit sprechen. Sie sollten sich besser informieren lassen und hier die Wahrheit kundtun. Es gibt diese Verbindungen zu Österreich!

Das Zweite ist: Sie haben gesagt, die Zusammenarbeit mit den Partnerorganisationen funktioniert bestens. – Auch das ist unwahr. Wir haben genau die gegenteiligen Infor­mationen von Ihren Mitarbeitern bekommen (Abg. Rosenkranz: Von wem?), sie sitzen da hinten, zum Beispiel von BVT-Direktor Gridling; die gegenteiligen Informationen! So schlecht wie jetzt, seit Sie Minister sind, war die internationale Zusammenarbeit noch nie. Das ist die Wahrheit. (Abg. Stefan: Herr Gridling kann das leider jetzt nicht richtig­stellen!) – Er kann es immer richtigstellen, er kann das gleich richtigstellen. Er wird es nicht tun, weil er weiß, dass das die Wahrheit ist. (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Abg. Rosenkranz: Was macht der Herr Gridling da vorne? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen eines, Herr Bundesminister, Herr Noch-Innenminister Kickl (Abg. Ro­senkranz: Langzeit-Innenminister!), ich halte Sie für den einzigen Innenminister der Zweiten Republik, der für weniger Sicherheit gesorgt hat. Sie hätten eigentlich schon lange, nämlich noch bevor der Untersuchungsausschuss überhaupt eingesetzt wurde, zurücktreten müssen. (Abg. Stefan: Leider, leider, er ist so populär! Er kommt so gut an!) Es ist dafür allerdings nicht zu spät, Sie sollten das tun. Damit können Sie einen Beitrag zur Steigerung der Sicherheit in unserem Land leisten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

13.05



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 84

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kum­pitsch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.06.05

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Geschätzte Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Es ist jetzt 13 Tage her, dass dieser rechtsextreme Attentäter in Christ­church 50 Menschen erschossen hat und diese abscheuliche Tat auch noch gefilmt und live gestreamt hat. Wer dieses Attentat gesehen hat, weiß, dass das nur ein Wahn­sinniger gewesen sein kann. Verfolge ich aber heute diese Debatte mit all den Unter­stellungen, mit Unwahrheiten und Behauptungen und Spekulationen vor allem seitens der Opposition, dann muss ich mir Sorgen darüber machen, ob er nicht doch ein wenig sein Ziel erreicht hat, nämlich die Gesellschaft zu spalten – wenn nicht in Neuseeland, dann bei uns in Österreich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Den Opfern gilt unser Bedauern. Dieses Bedauern gilt aber für alle Opfer, egal, ob sie durch Linksextremismus, Rechtsextremismus oder durch islamistischen Extremismus zu Tode gekommen sind; für alle!

Wir erinnern uns auch noch alle an die islamistischen Attentate in Nizza, in Berlin, in Paris. Diese Attentate haben Europa geprägt, auch die Gesellschaft verändert und viel­leicht dort und da auch für Radikalisierungen gesorgt. Solange es aber möglich ist, dass zum Beispiel die palästinensische Hamas in einem Musikvideo, das sie gestern ins Netz gestellt hat, fordert, dass ihre Anhänger Körperteile der Feinde in die Luft schie­ßen und zersprengen sollen, so lange wird auch die Gewalt nicht enden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein Ende der Gewalt kann nur erreicht werden, indem man diese Spirale durchbricht, indem man die Ängste vor allem der Bevölke­rung, die seit einigen Jahren mit diesem hohen Migrationsdruck und mit einer neuen Art von Kriminalität zu leben hat, ernst nimmt und indem man aber auch gleichzeitig dafür sorgt, dass es nicht mehr möglich ist, in Moscheen oder in Schulen Mitglieder der islamischen Gemeinschaft zu radikalisieren.

Ja, Kollege Leichtfried – er ist zwar jetzt nicht mehr da –, es war etwas faul im Staate Österreich (Rufe bei der SPÖ: Doch, er ist da! – Abg. Leichtfried steht seitlich neben der Regierungsbank) – ah, da ist er! –, Kollege, es war etwas faul im Lande Österreich, es war nämlich faul, dass die SPÖ als Regierungspartei unter ihren Kanzlern zuge­sehen hat, dass sich eine solche Entwicklung bei uns ausbreiten kann, obwohl wir ge­warnt und gewarnt und gewarnt haben.

Tauchen jetzt Hinweise auf wie im „Standard“, der sagt: „Österreich bei rechtem Netz­werk deutscher Soldaten“, oder wie in der „Kronen Zeitung“: „Die Spende des Killers“, „Moschee-Attentäter von Neuseeland [...] überwies 1500 Euro an den Identitären-Chef.“ – das hat auch Herr Minister Kickl erwähnt –, dann sind das Verstrickungen zu staatsfeindlichen Verbindungen und terroristischen Kräften, die natürlich untersucht werden, daran gibt es ja gar keinen Zweifel. Das ist die Aufgabe des Ministeriums, des Staates und der Behörden. Ich bitte Sie nur um eines: Lassen Sie die Gerichte, lassen Sie das BVT, lassen Sie die Staatsanwaltschaften arbeiten und gefährden Sie diese Arbeit nicht durch Ihre Vermutungen, die Sie hier aufstellen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Direktor Gridling ist heute da, ich erinnere an sein Interview in „Im Zentrum“, als er auf die Frage der Moderatorin zu Prepper-Netzwerken ausführte, dass es eine Vernetzung gibt, dass es auch hier möglicherweise Gesinnungsgemeinschaften gibt. Das ist Ge­genstand von Ermittlungen sowohl in Deutschland als auch bei uns.

Wir sind nicht auf dem rechten Auge blind, und auch Minister Kickl ist nicht auf dem rechten Auge blind (Rufe bei der SPÖ: Auf beiden!), sondern wir sorgen dafür, dass


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 85

alle Formen des Extremismus entsprechend beobachtet werden. Das ist uns ein gro­ßes Anliegen.

Eines möchte ich auch wieder zum Kollegen Leichtfried sagen, weil er es in seiner Re­de erwähnt hat: Wir schlagen nicht zurück. Wir arbeiten präventiv und versuchen, zu verhindern, dass es solche Attentate überhaupt gibt.

Meine Damen und Herren! Minister Kickl sieht nicht nur ausgezeichnet auf beiden Au­gen, sondern er ist in Wahrheit Garant dafür, dass gefährliche Radikalisierungen und Fehlentwicklungen, wie wir sie noch immer erleben, in Zukunft entschieden bekämpft werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


13.11.25

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, sie bereiten sich auf den Tag X vor (Abg. Deimek: Das ist ein Wahnsinn!), auf den Tag, an dem die staatliche Ordnung zusammenbrechen soll. Sie führen Todeslisten von Politikern und Politikerinnen, von politisch Andersdenkenden, die an eben diesem Tag eliminiert werden sollen. Sie horten Waffen, organisieren Safe Houses und organisieren gemeinsame Schießtrainings.

„Der Standard“ hat vor eineinhalb Wochen seine Recherchen über ein international agierendes, rechtsextremes, paramilitärisches Netzwerk, das sich in der deutschen Bundeswehr und Polizei gebildet hat und von dem es nachweislich Verbindungen nach Österreich gibt, veröffentlicht.

Auch der Attentäter von Christchurch weist nachweislich Verbindungen nach Öster­reich auf, und erst diese Woche wurde die schon erwähnte Spende an den Sprecher der als rechtsextrem eingestuften Identitären bekannt, jener Identitären, die – das wis­sen wir und können wir nachweisen – ganz enge Verbindungen zur Freiheitlichen Par­tei Österreichs haben. Der Herr Vizekanzler konnte sich vor Kurzem – wir erinnern uns daran – nicht erinnern, dass er gemütlich mit Vertretern dieser Identitären Bewegung an einem Tisch gesessen ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Was wir jetzt brauchen, sehr geehrte Damen und Herren, ist sowohl eine rasche und klare Aufarbeitung (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić) dieses rechtsextremen, paramilitärischen Netzwerks als auch eine lückenlose Aufklärung zu jeglichen Verbin­dungen dieses rechtsextremen Attentäters von Christchurch nach Österreich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Rechtsextremismus führt zu Gewalt und tötet letzt­lich, wie uns das Attentat von Christchurch drastisch vor Augen führt. Gerade in dieser hochbrisanten und gefährlichen Situation sind wir in Österreich mit einem Innenminister konfrontiert, bei dem bis jetzt eine konsequente Aufarbeitung des Rechtsextremismus nicht unbedingt an erster Stelle gestanden ist – gerade in dieser Situation!

Herr Innenminister – wir haben das heute auch schon öfters thematisiert –, Sie waren zum Beispiel Hauptredner beim rechten Kongress der selbst ernannten Verteidiger Eu­ropas 2016 in Linz, unter anderem beobachtet vom Verfassungsschutz. (Bundesminis­ter Kickl: Ja, aber aus anderen Gründen!) Wissen Sie, wer rechte Medien, in denen Identitäre in den Redaktionen sitzen, mit öffentlichen Steuergeldern über Regierungs­ämter finanziert? – Es ist Ihr Ressort und es sind andere Mitglieder der Freiheitlichen Partei, die zum Beispiel dem „Wochenblick“ Inserate zukommen lassen und diese rechten Medien auf diese Art und Weise mitfinanzieren. (Abg. Deimek: Ist das illegal jetzt, oder was meinen Sie? Ist der „Wochenblick“ illegal? – Keine Antwort! Anpatzen, aber keine Antwort!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 86

Seit 2015 erleben wir in Oberösterreich einen Hochstand an rechtsextremen Straftaten, und erst 2018 ist die Zahl der Verurteilungen wegen Wiederbetätigung gestiegen. Ös­terreich ist offenbar zu einem Tummelplatz, zu einer Vernetzungsdrehscheibe von Rechtsextremen geworden. Rechtsextreme fühlen sich in Österreich momentan sicher.

„Für rechtsextremes Gedankengut darf es keinen Platz in unserem Land geben.“, hat der Herr Bundeskanzler am Dienstag gesagt, als die Spende des Attentäters von Christ­church an den Sprecher der österreichischen Identitären bekannt wurde. – Ja, das stimmt, Herr Bundeskanzler, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, allerdings ist eine Aussage aus Ihrem Mund zu diesem Thema relativ unglaubwürdig, haben Sie doch bisher zu 54 rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Einzelfällen Ihres Koa­litionspartners kein einziges Wort gefunden! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, das, was wir jetzt brau­chen, ist eine Politik, die nicht mit Propaganda gegen einzelne Bevölkerungsgruppen Menschen gegeneinander ausspielt, eine Politik, die konsequent gegen Hetze vorgeht, was wir brauchen, ist eine Regierung, die nicht auf dem rechten Auge blind ist. Was wir brauchen, ist konsequentes Erkennen, Benennen von und Vorgehen gegen Rechts­extremismus. Deshalb glauben wir auch, dass es dafür ein dringendes Werkzeug braucht, nämlich zum Beispiel die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichtes, den wir in Österreich schon einmal hatten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinfüh­rung des Rechtsextremismusberichtes jetzt!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, den jährlichen Rechtsextremismus­bericht unverzüglich wiedereinzuführen und bereits für das Berichtsjahr 2018 gemein­sam mit dem Verfassungsschutzbericht vorzulegen.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Ihnen der Kampf gegen Rechtsextremismus glaubhaft, wirklich ernsthaft abgenommen werden soll, stimmen Sie diesem Antrag zu! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

13.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Sabine Schatz, Genossinnen und Genossen

betreffend „Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichtes jetzt!“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundesministers für Inneres über „Die aktuelle Situation vor dem Hintergrund des Terroranschlags in Neuseeland“

Vor nicht einmal 14 Tagen sterben bei rechtsextremen Terrorakten im Neuseeland bei­nahe 50 Menschen. Nur wenig später stellt sich heraus, es gibt Verbindungen nach Österreich. Der Attentäter soll Österreich bereist haben, postete Fotos davon. Er be­zieht sich auf den Attentäter von Utoya, er sagt „es“ werde in Österreich und Polen be-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 87

ginnen. Medienberichten zufolge soll er in Österreich Mitglieder der Identitären Bewe­gung getroffen haben.

Zeitgleich wird bekannt, dass ein rechtsextremes Netzwerk aus ehemaligen Elitesolda­ten der deutschen Bundeswehr und Polizisten und ihren Verbündeten Verbindungen nach Österreich hat. Sie tauschen sich in Chatgruppen über den Tag X aus, an dem die staatliche Struktur zusammenbricht und es an der Zeit ist, sie zu übernehmen. Die Verbindungen weisen zum Verein Uniter, in die Lazarus-Orden und die Burschen­schafter-Szene.

All dies zeigt eines ganz deutlich: Es ist dringend an der Zeit zu Handeln. Rechts­extremismus ist gefährlich. Rechtsextremer Terror tötet. Als Staats auf dem rechten Auge blind zu sein ist umso gefährlicher.

Rechtsextremismus muss als Gefahr erkannt und bekämpft werden, aus der Mitte der Gesellschaft und des Staates heraus. Die zuständigen Stellen im Verfassungsschutz brauchen ausreichend Personal und Ressourcen, um ihrer Aufgabe nachzukommen. Und der Bundesminister für Inneres muss in seinem Verantwortungsbereich das Par­lament und die Öffentlichkeit darüber informieren, was diese Arbeit zutage fördert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, den jährlichen Rechtsextremismus­bericht unverzüglich wiedereinzuführen und bereits für das Berichtsjahr 2018 gemein­sam mit dem Verfassungsschutzbericht vorzulegen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag steht mit in Ver­handlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dönmez. – Bitte schön, Herr Ab­geordneter.


13.16.52

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Es war eine sehr spannende und emotionale Debatte, ich habe sie wirklich mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.

Ich möchte ein Zitat in den Raum stellen: „Wir werden diesen Staat zertrümmern“. „Wir werden diesen Staat zertrümmern“ – von wem, glauben Sie, stammt dieses Zitat? – Von Gottfried Küssel, dem Gründer der Vapo, der Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition, die eindeutig rechtsextrem ist und die auch in der Stadt, in der Gegend im Salzkammergut, wo ich groß geworden bin, aktiv war.

Warum sage ich das? – Ich schaue jetzt nicht wie der typische, durchschnittliche eu­ropäische Mitbürger aus – hell, blond, blauäugig –, sondern eher dunkel, und „mein Ver­gehen“ – unter Anführungszeichen – war jenes, dass ich anders ausgeschaut habe. Das war der Grund dafür, dass regelrechte Treibjagden durch die Gmundner Altstadt stattgefunden haben, veranstaltet von den Anhängern dieser Vapo-Gruppierung um Gottfried Küssel.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 88

Ich wurde in der Türkei geboren, in der Stadt Sivas, und im Jahre 1993 habe ich als Jugendlicher im Fernsehen live miterleben müssen, wie Leute aufgehetzt wurden, aus den Moscheen strömten und am helllichten Tag ein Hotel belagerten, in dem sich Künstler, Intellektuelle, Schriftsteller zu einer Tagung zusammengefunden hatten. Die­se Leute haben dieses Hotel in Brand gesetzt und die Sicherheitsbehörden und die Feuerwehren daran gehindert, Hilfe zu leisten.

Warum sage ich das jetzt? – Weil für mich genau diese Diskussion, die wir heute füh­ren, zwei Seiten einer Medaille sind. Islamistische Fundamentalisten haben genau das gleiche Ziel wie Rechtsextremisten, nämlich den Rechtsstaat, die Demokratie, die Frei­heiten, die wir haben, zu zerstören und anzugreifen. Das ist verwerflich, egal, von wel­cher Seite das kommt. Ich möchte das nicht wiederholen, es ist heute von den Vorred­nern und Vorrednerinnen schon oft wiederholt worden: Es ist egal, von welcher Seite der Rechtsstaat unter Druck gerät oder man versucht, die Freiheiten zu beschneiden – das geht nicht!

Genauso wenig geht es, dass wir als Personen des öffentlichen Lebens uns dann, wenn etwas Tragisches passiert, in rhetorischen Floskeln üben, auch wenn sie noch so gut gemeint sind, und im nächsten Augenblick geht es wieder so weiter wie bisher.

Gerade wir als Repräsentanten dieses Hohen Hauses könnten auch etwas dazu beitra­gen, zum Beispiel einen ersten Ansatz, der auch von der Präsidiale genannt worden ist, verwirklichen, nämlich einen politischen Schulterschluss gegen jegliche Form von Extremismus.

Ich habe hier sehr viele gute Beiträge von Kollegen der SPÖ gehört, auch von Kollegen von JETZT, von Kollegen Pilz, und auch von Kollegen der Freiheitlichen und der ÖVP. Wissen Sie, was mir aufgefallen ist? – Kaum jemand einer anderen Fraktion hat dazu geklatscht. Fangen wir doch bei uns selber an! Seien wir doch ehrlich, führen wir die Diskussionen auch ehrlich! Wenn es gute Vorschläge und Maßnahmen gibt, dann soll­ten wir diese unterstützen, und das fängt schon mit einer ganz kleinen Geste an, zum Beispiel, wenn man klatscht, wenn der andere etwas Gutes und Richtiges sagt.

Im Kampf gegen die Extremisten dürfen wir uns nicht auseinandertreiben lassen, weil das genau das Ziel ist, das sie verfolgen  seien es die Islamisten, seien es die Rechtsextremisten. Daher ist es wichtig, dass wir einen funktionierenden Rechtsstaat haben, einen Sicherheitsapparat, der diese Umtriebe am Radar hat. Sehr geehrter Herr Minister, der Sicherheitsapparat allein reicht jedoch nicht aus! Im Zuge der Migrations­bewegungen der letzten 40, 50 Jahre sind auch Gruppierungen und Strömungen zu uns gekommen, die diese Freiheiten, die wir haben und ihnen ermöglichen, gegen uns verwenden, um genau diese Zustände zu bekommen, die in manchen islamischen Ländern vorherrschen, und es ist nicht rechtsextrem, wenn man sagt: Das möchten wir bei uns nicht haben! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss­satz!


Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz, sehr geehrte Frau Präsidentin: Deswegen ist es wichtig, sehr geehrte Kolleginnen und Kol­legen, mit aller Klarheit gegen jegliche Formen von Extremismus aufzutreten, sodass wir nicht in Naivität verfallen, aber doch das Gemeinsame in den Vordergrund stellen, ohne alles gleichzumachen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Zadić.)

13.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Einwallner. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 89

13.22.21

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Damen und Herren! Ja, das ist ein ernstes und sehr sensibles Thema. Jede einzelne Bluttat, jeder einzelne Terroranschlag tut etwas mit uns und unserer Gesell­schaft. Das hat einen ganz unmittelbaren Einfluss auf das Sicherheitsgefühl und das Sicherheitsempfinden der Menschen. Ganz besonders betroffen machte natürlich der jüngste Anschlag in Neuseeland mit 50 Toten.

In Österreich – und das war in meinem Wahlkreis, Herr Minister! – hat uns der brutale Mord in der Sozialabteilung der BH Dornbirn sehr schockiert. Die entscheidende Frage ist für mich allerdings: Wie reagiert die Politik in solchen Fällen? Um solche Taten in der Gesellschaft zu überstehen und zu verarbeiten, braucht es starke Politikerinnen und Politiker, die einen und nicht spalten.

Man kann sich ganz genau anschauen, wie man in Neuseeland reagiert hat: Aus mei­ner Sicht hat die Premierministerin in Neuseeland das einzig Richtige getan und vor­bildlich reagiert. Sie hat das Gemeinsame und den Zusammenhalt der Gesellschaft in den Mittelpunkt ihrer Reaktionen gestellt und klar zum Ausdruck gebracht, dass die neuseeländische Bevölkerung für eine Gesellschaft der Vielfalt und der Toleranz steht. Im Mittelpunkt des Handelns der neuseeländischen Politik steht verbünden und nicht spalten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Man hat noch etwas gemacht: Man hat durch ein sehr bestimmtes Handeln schnell re­agiert. Nur wenige Tage nach dem Anschlag in Neuseeland hat man ein neues Waf­fengesetz auf den Weg gebracht und halbautomatische Waffen und Sturmgewehre verboten. Man geht sogar einen Schritt weiter: Man kauft sie sogar zurück, um sie vom Markt zu haben.

Jetzt ist die Frage: Wie reagiert man in Österreich auf solche Taten? (Bundesminister Kickl: Welche Taten?) Die Reaktion ist leider eine ganz andere, Herr Innenminister, und das ist Ihre Verantwortung. (Bundesminister Kickl: Welche Taten? Abg. Gude­nus: Messerverbot!) Das ist Ihre Verantwortung! Ich nennen zum Beispiel auch die­sen Mord in Dornbirn, Herr Innenminister, und Ihre Reaktionen darauf, denn diese sind genau das Gegenteil, sie folgen nicht dem Muster, für das man sich in Neuseeland ent­schieden hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, die ÖVP mit Bundeskanzler Kurz an der Spitze assistiert Ihnen hier schwei­gend. Das sieht man auch an der heutigen Debatte: Da ist man am Beginn da, der Vi­zekanzler ist am Beginn da  und wo ist er jetzt? Es geht um die nationale Sicherheit, und weder der Bundeskanzler noch der Vizekanzler sind da. (Abg. Gudenus: Sind Sie eigentlich da?) Dem Vizekanzler ist es wahrscheinlich zu heiß geworden, weil man das Thema Identitäre behandelt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, Sie nutzen die Gelegenheit nicht, um rasch aufzuklären, sondern Sie tak­tieren und spielen mit dieser Unsicherheit. Das ist der Vorwurf, den man Ihnen machen kann und machen muss. Das sieht man auch an der Reaktion zu Dornbirn. Da nutzen Sie die Gelegenheit nicht, um möglichst rasch aufzuklären, nein, ganz im Gegenteil: Sie wollen diese Unsicherheit, die Sie da in den Raum stellen, um ein Projekt von Ih­nen zu platzieren: die Sicherungshaft, die entschieden abzulehnen ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Gudenus: Doskozil! Was sagt der Dosko da­zu?)

Darum fordern wir im Zusammenhang mit Dornbirn eine Sonderkommission, damit endlich alle Fakten auf den Tisch kommen. Wir werden das auch in einem Entschlie­ßungsantrag, den wir dann noch einbringen werden, klar und deutlich fordern, dass es eine Sonderkommission zu diesem Fall gibt – alle Fakten auf den Tisch! – und dass dem Innenausschuss bis zum 30.6. berichtet wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 90

Herr Minister, das Problem ist, dass Sie das als Spielball betrachten, und jetzt spielen Sie sogar mit Ihrem Koalitionspartner, mit Landeshauptmann Wallner, und schieben die Schuld hin und her: Einmal schieben Sie die Schuld nach Vorarlberg und sagen, vielleicht sind die Behörden dort schuld, heute lesen Sie wieder irgendein E-Mail vor. – Legen Sie doch alle Daten auf den Tisch, die Sie haben, und klären Sie dementspre­chend auf! (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Dieses Verhalten ist aus unserer Sicht inakzeptabel, wird aber von der ÖVP und von Kurz unterstützt. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und keine Politik des Hetzens, sondern eine Politik, die verbindet und nicht spaltet. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

13.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Engel­berg. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.27.25

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich melde mich eigentlich außertourlich zu Wort. Es war nicht vorgesehen, dass ich einen Redebeitrag halte, aber ich habe das Gefühl, es gibt ein paar Dinge, die gesagt werden müssen.

Das Erste ist – ich bin ja noch kein hartgesottener Abgeordneter, ich erlaube mir diese Bemerkung –: Ich finde den Ablauf dieser Debatte nicht erfreulich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich denke, dass es uns als Nationalrat erstens gut zu Gesicht gestanden wäre, wenn wir nicht nur einzeln – mein Kollege Werner Amon hat das getan, aber auch Kollegin Rendi-Wagner oder Kollege Kumpitsch – unsere Betroffenheit und unser Mitgefühl aus­gedrückt hätten, sondern wenn wir das zum Beispiel in einer gemeinsamen, würdigen Schweigeminute abgeführt hätten; das hätte ich ein sehr schönes Zeichen gefunden.

Das Zweite ist, dass natürlich ganz offensichtlich ist, dass eine schreckliche Tat, die aber nicht in Österreich stattgefunden hat, total in einen innenpolitischen Kontext ge­stellt wurde, wobei ich der Meinung bin, das dient der Sache nicht, und die Sache ver­dient es auch nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich erlaube mir, ein paar meiner VorrednerInnen zu korrigieren: Es handelt sich um eine Tat eines vermeintlichen Psychopathen in einem vollkommen stabilen Rechts­staat, in einer vollkommen stabilen Demokratie. Ich erlaube mir auch, zu bemerken: Die Tat dieses Wahnsinnigen in Neuseeland – wir sind durch die Premierministerin von Neuseeland aufgefordert, und das finde ich nicht falsch, dessen Namen gar nicht zu nennen – reiht sich in eine Reihe mit der Tat des Wahnsinnigen in Norwegen – auch dort wieder: eigentlich eine grundsätzlich stabile Demokratie und ein Rechtsstaat – und im Übrigen auch mit den Taten eines Bombenlegers und Briefbombenverschickers in Österreich, die ja, wie sich letztlich herausgestellt hat, auch die Taten eines Einzeltä­ters, eines Psychopathen waren.

Ich denke, wir sollten das Thema nicht nutzen, um von vermeintlichen Spaltungen in der Gesellschaft zu sprechen, von Netzwerken, die das zustande bringen. Davon ist in diesem Fall keine Rede. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich glaube umgekehrt, dass wir zwar natürlich auf Extremismus achten müssen – des­wegen finde ich auch den Antrag, den wir eingebracht haben, absolut richtig –, auf jede Art von Extremismus, wie es auch Kollege Dönmez gesagt hat, das, was mir aber ein besonderes persönliches Anliegen wäre – und das möchte ich hier noch einmal sa­gen –, ist Folgendes – verzeihen Sie mir das, Kolleginnen und Kollegen –: Ich finde den Umgang von einigen von uns mit dem jeweiligen Präsidenten und der Vorsitzführung


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 91

einfach nicht in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker. Zwischenruf des Abg. Lindner.)

Damit meine ich die Angriffe gegen den von uns, also von der ÖVP, nominierten – aber das soll ja nichts heißen – Präsidenten, der gleich in der Früh unterbrechen musste; dasselbe gilt aber auch für Präsidentin Bures, auch ihr steht als Trägerin des zweit­höchsten Amtes in diesem Staat Respekt zu. Ich muss sagen, ich finde es schädlich für die Würde unseres Hauses und für uns selber, wenn wir die doch hohen Amtsträger dieses Staates in dieser Art und Weise durch den Dreck ziehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, NEOS und JETZT.)

Schlussendlich möchte ich einfach noch sagen – das haben auch einige Vorredner schon gesagt –: Ich glaube, es ist das ein Moment eines Schulterschlusses, es ist das ein Moment, in dem wir sagen: Wenn so etwas, Gott bewahre, in Österreich passierte, wäre das ein Moment nicht für eine Auseinandersetzung und einen Streit, sondern ein Moment des Schulterschlusses, des Zusammenhaltes. Ich glaube, das schulden wir in dem Fall auch den Opfern in Neuseeland, der betroffenen Gesellschaft dort, dass wir das in unseren Redebeiträgen ausdrücken. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP so­wie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, NEOS und JETZT.)

13.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bißmann. – Bitte.


13.32.47

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Mitbürgerinnen und Mitbürger! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Mich haben heute Vormittag einige Nachrichten von Bürgern er­reicht, die sich auch gerne in die Debatte einbringen würden und mich gebeten haben, Ihnen kurze Botschaften auszurichten.

Erste Botschaft: „Lieber Herr Kickl, Sollten wir seit Ihrem Amtsantritt durch Ihre Hand­lungen nicht weniger Angst vor Terroristen haben? Sehen Sie sich nicht in der Lage, die Serie von 0 Terroranschlägen in Österreich fortsetzen zu können? Sind Sie lieber Panikminister anstatt Innenminister? Zugabe: So wollen Sie es zum BIMAZ schaffen? Liebe Grüße, Martin Kucera.“

Zweite Nachricht: „Sg. Herr Kickl, Wie läufts eigentlich mit der Pferdestaffel? Ist der Aufbau dieser trabenden Steuergeldverschwendung genauso effizient wie die Verfol­gung von Rechtsradikalen in Österreich? Lg Sebastian Wintschnig.“

Dritte Nachricht: „Sehr geehrter Herr Kickl, spätestens seid dem Bekanntwerden der 1500€-Spende des Terroristen aus Christchurch/Neuseeland an den Anführer der IB“ – Identitären Bewegung – „M.“ – Martin – „Sellner ist die Gefährdung, die durch die Iden­titäre Bewegung und das durch dieser Gruppierung verbreitete Gedankengut ausgeht klar ersichtlich. Für mich als besorgten Bürger ergeben sich jetzt u.a. folgende Fragen:

Warum wurden mittels BMI-Inseraten in der IB nahe stehenden Magazinen und Zeit­schriften, wie Alles roger, Wochenblick, die Tagesstimme, etc, neue Polizeianwärter angeworben?

Sind dadurch Mitglieder und/oder Sympathisanten der IB in Polizeischulen oder in den Polizeidienst aufgenommen worden? Wurden dadurch rechtsextreme (terroristische?) Tätigkeiten der IB finanziert?

Werden Sie auch zukünftig die IB mit derartigen Inseraten finanzieren?

Welche Schritte unternehmen sie um eine Infiltrierung der Polizei durch die IB auszu­schließen?


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 92

Welche Schritte werden Sie zukünftig setzen um die rechtsextreme Bedrohung für Ös­terreich und alle hier lebenden Menschen zu minimieren? Sicherungshaft für Mitglieder der IB? Stärkung des Rechtsextremismus-Referat im BVT? Oder treten sie einfach zurück?

Vielen Dank, MFG Daniel Kollnig“

Bevor ich nun meine eigenen Worte an Sie richte, Herr Minister, möchte ich den An­gehörigen der Opfer des Terroranschlags von Christchurch in Neuseeland meine auf­richtige Anteilnahme aussprechen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Ich möchte, wie Kollege Einwallner gerade eben, der neuseeländischen Premierminis­terin Jacinda Ardern meinen tiefsten Respekt dafür aussprechen, wie sie nach dieser schrecklichen Tat Leadershipqualitäten und Menschlichkeit bewiesen hat, wie sie es schafft, mit ihren Stellungnahmen und Solidaritätsbekundungen, wie etwa auch dem Aufsetzen eines Kopftuchs, die Stimmung zu kalmieren und Tendenzen von Hass und Ausgrenzung abzuschwächen, wie sie das Waffengesetz innerhalb von einer Woche nach der Tat verschärfte.

Die Premierministerin Neuseelands schafft es, die nationale Einheit Neuseelands auf­rechtzuerhalten. „New Zealand mourns with you. We are one“, spricht sie in Richtung der Angehörigen der Opfer und der verängstigten muslimischen Bürgerinnen und Bür­ger dieser Welt.

Sehr geehrter Herr Minister, wenn sogar die Musliminnen und Muslime in Österreich nach diesem Anschlag in Neuseeland Angst haben, in Moscheen zu gehen, oder sich in den Moscheen beim Freitagsgebet möglichst weit weg von der Tür setzen, dann ist es unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, diese Angst abzubauen.

Ja, genau das ist die Aufgabe von Regierungen: für Zusammenhalt statt Spaltung zu sorgen, denn aus der Spaltung geht die größte Gefahr für unsere Gesellschaft hervor, wie die geschätzten Kolleginnen Irmgard Griss und Alma Zadić vorhin in ihren Reden sehr eindrucksvoll dargestellt haben. Nehmen Sie sich das zu Herzen, Vertreter von den Regierungsfraktionen!

Jacinda Ardern nennt den Täter nicht beim Namen, sondern bei seiner Tat, weil Terror keine Nationalität, keine Ethnie, keine Religion kennt, weil die überwiegende Mehrheit der Menschen aller Religionsgemeinschaften und Ethnien dieser Welt Terror ablehnen. Ich schäme mich für eine Regierungspartei, für einen Innenminister, der 24/7 auf den Islam als Ursache allen Übels zeigt und gleichzeitig untätig zusieht, wie rechtsextreme Radikalisierungstendenzen zunehmen.


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete, bitte den Schlusssatz!


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Terrortäter, Verbrecher, die Religionen missbrauchen: Keine Macht dem Terror! Alle Religionen, alle Weltan­schauungen, alle Gläubigen, alle Nichtgläubigen dieser Welt – wir sind eine große Fa­milie, halten wir zusammen! (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

13.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


13.38.44

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Als neue Abgeordnete war ich erstaunt, dass man keine tatsächliche Berichtigung zu einer eigenen Rede machen kann. Das wollte ich nämlich tun, aber das sieht die Geschäftsordnung anscheinend nicht vor. Dementsprechend konnte ich mich nur noch einmal als Rednerin in die Liste eintragen lassen, um mich bei Alexander Marakovits, Leiter der Kommunikationsabteilung des


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 93

BMI, dafür zu entschuldigen, dass ich ihn mit Alexander Markovics, einem Ex-Chef der Identitären Bewegung, verwechselt habe. Bei ihm möchte ich mich herzlich entschuldi­gen. (Allgemeiner Beifall.)

Sie sehen daran, dass die beiden fast namensgleich sind, dass es nicht meine Absicht war.

Inhaltlich bleibe ich bei meinen Ausführungen, weil es schließlich auch einen Presse­sprecher im Innenministerium gibt, der bei unzensuriert.at ein führender Kopf war, davor FPÖ-Kommunikationschef. (Abg. Wurm: Freier Journalismus! Zwischenrufe des Abg. Lausch.) Dementsprechend bleibe ich inhaltlich bei meinen Ausführungen, entschuldige mich aber, und das habe ich auch schon persönlich getan, bei dem zu Unrecht genannten Herrn Marakovits Alexander. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

13.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Witt­mann. – Bitte.


13.40.00

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ein bisschen er­staunt, dass man erstens einmal das von den Freiheitlichen überhaupt weglässt, dass man sich mit den Identitären auseinandersetzt, dass man hier versucht, das durch Pro­vokationen wegzuspielen, durch, was weiß ich alle Unarten, die dieses Parlament und die Hausordnung hergeben.

Aber warum führen wir diese Diskussion? – Ich teile Ihre Einschätzung, Herr Bundes­minister, dass sich die Sicherheitslage in Österreich nicht geändert hat, aber wir führen die Diskussion hier auch nicht wegen der Sicherheitslage in Österreich, sondern wir führen diese Diskussion, weil mit diesem furchtbaren Anschlag ein Österreich-Bezug herzustellen ist. Dieser Österreich-Bezug besteht darin, dass sich der Attentäter auf eine Ideologie beruft und diese Ideologie, die in Österreich ihren Ursprung hat, aktiv unterstützt. Das können wir nicht verleugnen, und dieses Problem müssen wir aufar­beiten. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

Da sind wir exakt bei dem Problem, das Sie verweigern, aufzuarbeiten, nämlich: Wie ist das Verhältnis unserer politischen Führungskaste zu den Identitären? Dieses Pro­blem wird hier verleugnet (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), weil eine Verquickung und eine Vernetzung führender Persönlichkeiten der FPÖ zu den Identitären nicht zu verleugnen ist.

Und jetzt kommen wir zu Ihrer Rolle, Herr Bundesminister! Sie haben 2016 bei einem Kongress der Verteidiger Europas – jeder weiß, dass das Rechtsradikale sind, Neo­nazis und Identitäre; sie laden auch als solche ein, als Rechtsradikale –, Sie haben dort gesagt: „Das ist ein Publikum, wie ich mir das wünsche und wie ich es mir vor­stelle. Das ist etwas ganz anderes, wie wenn man im Parlament steht, dort redet und in diesen frustrierten, dauerbetroffenen linken Flügel der Roten und der Grünen hinein­schaut, wo es nur mehr mieselsüchtige Gestalten gibt.“ (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Die Analyse ist nicht schlecht! – Abg. Haider: Das ist eine gute Analy­se!) – Genau das ist es.

Und jetzt sind wir genau beim Problem: Sie identifizieren sich mit einer rechtsradikalen Ideologie und lehnen das Parlament ab. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Haider: Nein! Hallo?! Das ist sogar unter deinem Niveau!)

Das ist Ihre Ideologie, Herr Bundesminister – und Sie lachen noch dazu! Sie lachen noch dazu. Sie bezeichnen die Ideologie der Identitären als Ihre Ideologie. Sie haben


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 94

nämlich dann in weiterer Folge dort noch gesagt, dass Sie sich durch Medien nicht da­von abbringen lassen, „unsere“ Ideologie weiter zu vertreten.

Wissen Sie, was das bedeutet? (Abg. Höbart: Was ist das für ein Kas ...?) – Sie ste­hen auf derselben Grundlage einer Ideologie (Ruf bei der FPÖ: Du bist nicht das Parla­ment!), auf deren Basis ein Massenmord begangen wurde. Sie vertreten diese Ideolo­gie, Sie bezeichnen das als Ihre Ideologie. Sie sind das Problem dieser Republik! (Ruf bei der FPÖ: Na, du!) Sie sind das Problem dieser Republik. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Sie werden kein Interesse daran haben, dieses Problem der Identitären aufzuarbeiten, weil Sie ihr Anhänger sind. Sie bezeichnen das als Ihre Ideologie – wie sollen Sie dann diese Ideologie bekämpfen? Wie soll das gehen? – Sie sind am falschen Platz, Sie können das nicht! Sie können das ganz einfach nicht. Sie sind moralisch, ethisch und auch menschlich nicht dazu in der Lage, das aufzuarbeiten, weil es Ihre Ideologie ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann gibt es so Placebos vom Bundeskanzler, der sagt: Wir werden die Vereine der Identitären auflösen. – Die Vereinsbehörde ist das Innenministerium. Glaubt irgendje­mand, dass der Innenminister, der diese Ideologie will und dieser Ideologie anhängt, auch wirklich Interesse daran hat, diese Vereine aufzulösen? (Ruf bei der FPÖ: Nur weil du der unfähigste Staatssekretär aller Zeiten warst?!) Das wird ja niemand da he­rinnen glauben. (Beifall bei der SPÖ.)

Und genau dadurch, dass er das in den Raum stellt, macht sich der Bundeskanzler zum Komplizen dieser Geisteshaltung. (Abg. Haider: Das ist ja unglaublich!) Er muss endlich dafür Sorge tragen, dass solche Leute nicht in solchen Positionen sind. (Abg. Haider: Sie leiden unter der gleichen Krankheit wie der Pilz! Das ist irre!) Er muss dafür Sorge tragen, dass dieser Mann, der diese Ideologie verherrlicht, nicht dafür ver­antwortlich ist, diese Ideologie zu bekämpfen. Das glaubt uns ja niemand auf der Welt; das glaubt uns niemand auf der Welt. (Abg. Haider: Das ist ja Irrsinn, was Sie da ver­zapfen!)

Ich halte diesen Innenminister für untragbar und unfähig, dieses Problem zu lösen. Das ist nicht machbar. Das ist nicht machbar, das ist in seiner Geisteshaltung nicht vertret­bar. Der Bundeskanzler macht sich damit zum Komplizen dieser Geisteshaltung. (Bei­fall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Haider: Das ist ein Wahnsinn! Entschuldigen Sie sich für diese Entgleisungen! Das ist ja unglaublich!)

13.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Rädler. – Bitte.


13.45.35

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): So, jetzt wird es sachlich. (Allgemeine Heiter­keit.) – Frau Präsident! Herr Bundesminister! (Ruf: Präsidentin!) – Frau Präsidentin, Entschuldigung! Ich bin ziemlich erstaunt, dass die SPÖ jemanden ans Rednerpult schickt, der von Ideologie redet, selbst aber keine Ideologie hat. (Abg. Haider: Und an der gleichen Krankheit leidet wie der Pilz!) Es ist schon erstaunlich, lieber Herr Abge­ordneter Wittmann, dass du dich da herstellst, dass du über Rechtsextremismus auch nur ein Wort verlierst – du, der als Bürgermeister den Funktionären der mittlerweile auf­gelösten Germania einen Ehrenteller überreicht hat, der sie ausgezeichnet hat, der sich hat fotografieren lassen! Es gibt Fotos, aber du hast das abgestritten. (Abg. Plessl: Bitte, bleib beim Thema!) – Das ist das eine.

Das Zweite zum Thema: Es wurde heute, künstlich erregt, von der SPÖ – ich nenne jetzt gar nicht die Namen, aber es sind immer die aus der von hier aus gesehenen linken


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 95

Ecke, die da hereinschreien – das Thema Nordkorea angesprochen. – Ja wer war denn in Nordkorea, Herr Wittmann? Bist du auf dem linken Auge blind oder hast du dort deine Ideologie her, die dir mittlerweile abhandengekommen ist? Den Herrn Bun­deskanzler von diesem Rednerpult aus als Komplizen der Identitären zu erklären, das ist ja wohl das Schändlichste, was ich je gehört habe, aber es passt zu deinem Politstil. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.47


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schie­der. – Bitte. (Abg. Höbart: Der erfolgloseste SPÖ-Politiker!)


13.47.31

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren nunmehr seit mehreren Stunden sehr hef­tig und sehr intensiv einige wichtige und ernste Fragen. Der Ausgangspunkt war, dass vor einigen Tagen in Christchurch in Neuseeland ein rechtsradikaler Attentäter 50 Men­schen ermordet hat. Wir alle sind, glaube ich, überwältigt, mit welcher Größe die Pre­mierministerin von Neuseeland, Jacinda Ardern, in diesem Moment das Richtige getan hat. Das ist auch ganz wichtig: dass nämlich die Bundeskanzler, die Premierminister, die Staatspräsidenten auch die moralische Verantwortung haben, wenn es in einem Land rundgeht, das Land zu vereinen und das moralisch Richtige zu tun und für die Menschen auch da zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr oft haben wir hier auch schon der Opfer von verschiedensten Terroranschlägen gedacht – heute war ich überrascht, dass unser Präsident, Präsident Sobotka, das Ge­denken unterlassen hat.

Das Schreckliche an dem Attentat ist aber nicht nur das Attentat an sich, sondern bei den Ermittlungen stellt sich auch heraus, dass dieser Attentäter massive Verbindungen nach Österreich hat. Er war hier im Land, er hat historische Zitate für seine Tat benutzt; übrigens historische Zitate, die einige hier im Haus auch gerne für ihre politische Pro­paganda verwenden. Und es stellt sich auch heraus, dass es massive Verbindungen mit Identitären in Österreich gibt.

Viele fragen sich jetzt: Wer sind denn diese Identitären? – Das ist eine Bewegung, die seit 2013 agiert, die das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes von Anbeginn an als rechtsextrem eingestuft hat. Der Verfassungsschutz hat diese Identi­tären seit Anbeginn im Visier und beobachtet sie, fühlt sich aber seit einiger Zeit schwer daran gehindert, diese Arbeit auch gut ausführen zu können.

Es gibt auch starke Verbindungen, stellt sich heraus: FPÖ-Landtagspräsident Kurz­mann demonstriert mit diesen Identitären. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein ehrenwerter Mann, im Gegensatz zu Ihnen!) FPÖ-Gemeinderat Sickl war Ordner bei einem Auf­marsch der Identitären, ÖVP/FPÖ-Vizebürgermeister Eustacchio war Teilnehmer bei einem Aufmarsch der Identitären. Der FPÖ-Akademikerverband macht gemeinsame Veranstaltungen mit diesen Identitären. Der Europaabgeordnete Vilimsky von der FPÖ inseriert fleißig in den Magazinen und Publikationen eben dieser Identitären. (Abg. Hai­der: Was wäre denn das bitte? Einen Nachweis!) – Das ist bedenklich.

Und dann kommt die jetzige österreichische Bundesregierung, dann kommt der Innen­minister, der von der FPÖ gestellt wird, der vor einiger Zeit seine Leute losgelassen hat, dass sie im BVT einmarschieren (Abg. Gudenus: Einmarschierten!), Akten be­schlagnahmen und dort eine Hausdurchsuchung machen, was dazu führt, dass die Be­amtinnen und Beamten dort, die die rechte Szene in diesem Land observieren, das Gefühl haben, dass sie das nicht mehr tun sollen, weil ihr Chef, der Innenminister, das nicht mehr will! Ich habe vor jedem einzelnen Staatspolizisten Hochachtung, der weiter gegen die rechtsextreme Szene in unserem Land ermittelt, und möchte auch an dieser


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 96

Stelle ein Dankeschön an all jene aussprechen, die das beherzt machen. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Es ist für einen Polizisten nicht leicht, so etwas zu tun, wenn man weiß, dass der Innenminister das alles eigentlich am liebsten verhindern würde.

Warum? – Es stellt sich heraus, da gibt es die Identitären, und – jetzt schaue ich den ÖVP-Klubobmann an – der Vizekanzler in eurer Regierung, FPÖ-Parteiobmann Stra­che, verharmlost diese Identitären in einem Facebook-Posting. Er schreibt, er verharm­lost (Abg. Gudenus: Was schreibt er?), und man denkt sich: Okay, er steht dazu. – Nein, er steht nicht dazu, er hat den Eintrag gelöscht, als die Terroranschläge und die­se Verbindungen nach Österreich bekannt geworden sind. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Warum wird denn das gelöscht? Ist das vielleicht nicht auch ein bisschen ein Schuld­eingeständnis, wenn einer sagt: Hoppala, da können wir jetzt, da sich gerade heraus­stellt, was die alles tun, nicht mehr weitermachen!?

Auch der Innenminister ist auf einmal nicht mehr nur der harte Ermittler gegen die Iden­titären, sondern es stellt sich heraus, dass er 2016 bei einem Kongress gesprochen hat (Abg. Gudenus: Sapperlot!), wo auch Identitäre waren. Was ist denn das für eine Ver­bindung in der Regierung?

Wir kommen an einen Punkt, sehr geehrte Damen und Herren, an dem viele Menschen in unserem Land Sorge um die Republik haben; Sorge darum, dass dieser Nachkriegs­konsens nicht mehr eingehalten wird; Sorge darüber, dass der Innenminister einen In­teressenkonflikt in diesem Bereich hat, den er so auflöst, dass wir immer mehr Angst bekommen müssen, dass sich Rechtsextreme in unserem Land breitmachen. – Und das wollen wir nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Abschließend: Ich habe die Debatte sehr aufmerksam verfolgt, und mir sind zwei Dinge aufgefallen, nämlich zum einen, dass der Bundeskanzler dieser Republik nicht da ist, nichts dazu sagt, nicht die moralische und politische Verantwortung übernimmt; dass er nicht schaut, dass sich in diesem Land die Dinge in die richtige und nicht in die falsche Richtung entwickeln. Er taucht ab. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Das Zweite, was ich hier beobachtet habe, ist eine extreme Nervosität beim FPÖ-In­nenminister, und ich frage mich seither: Was wissen wir noch nicht, was Sie so nervös macht? – Sagen Sie uns das! (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Wöginger: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Abgeordneter Wöginger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


13.53.58

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsiden­tin! Hohes Haus! Ich stelle nur richtig, weil Abgeordneter Schieder das Fernbleiben von Bundeskanzler Sebastian Kurz angesprochen hat: Der Bundeskanzler ist für heute ent­schuldigt, er befindet sich im Ausland. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Da schau her!)

13.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Bitte, Herr Abgeordneter Leichtfried.


13.54.31

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen das, was Herr


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 97

Klubobmann Wöginger gesagt hat, natürlich zur Kenntnis, aber manchmal geht es halt auch um Prioritäten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Bitte, Herr Abgeordneter Rosenkranz.


13.54.51

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Kollege Leichtfried hat gemeint, Prioritäten seien zu setzen. Man kann den Aus­landsaufenthalt des Herrn Bundeskanzlers auch noch präzisieren: Er weiht heute ein Denkmal ein, das der Opfer des Nationalsozialismus aus der jüdischen Bevölkerung in Weißrussland gedenkt. So ist die Priorität. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.55

*****

13.55.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einsetzung einer Sonderkommission betreffend die Situation des rechtsextremistischen Terrors in Öster­reich – Berichterstattung der Kommission an den Ausschuss für innere Angelegenhei­ten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausreichende Ressourcen im BVT zum Schutz gegen Rechtsextremismus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen. (Unruhe im Saal.) – Wir sind noch im Abstimmungsvorgang, meine Damen und Herren, etwas Ruhe bitte!

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strategie gegen Rechtsextre­mismus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung des Rechts­extremismusberichts, sowie Einführung je eines Berichts zu Linksextremismus und reli­giösem Extremismus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Amon, Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strategie gegen Extremismus“.

Wer diesen Antrag annimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der An­trag ist mit Mehrheit angenommen. (E 60)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung des Rechts­extremismusberichtes jetzt!“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 98

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

13.57.572. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (478 d.B.): Bundesgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechnikerge­setz 2019 – ZTG 2019) (530 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren, wir kommen nun zum 2. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.58.21

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Es geht jetzt um das Ziviltechnikergesetz. Mit dieser Novelle reformieren und modernisieren wir heute das Berufsrecht für diese Berufsgruppe. Die Fachgebiete, in denen Ziviltechniker befugt sind, Leistungen zu erbringen, sind für jeden Ziviltechniker spezifisch. Der Umfang der Befugnisse des einzelnen Ziviltechnikers umfasst dabei das gesamte Spektrum seiner jeweiligen individuellen Universitäts- oder Fachhochschulausbildung.

Wer ist also von dieser Novelle betroffen? – Es sind zum einen die Architekten und zum anderen die Ingenieurkonsulenten für die Bereiche Bau, Wasserbau und Umwelt­technik, Vermessung, industrielle Technik, Raum- und Landschaftsplanung.

Ziviltechniker sind nach erfolgreicher Ablegung einer Prüfung und Vereidigung berech­tigt, das Staatswappen zu führen. Dies unterstreicht auch die Wichtigkeit dieses Be­rufsstandes.

Das Ziviltechnikergesetz hat eine sehr lange und sehr bewegte Geschichte, der wir heute mit dieser Novellierung ein Kapitel der Modernisierung hinzufügen. Diese Moder­nisierung und Reformierung war notwendig, weil sich die Anforderungen an den Be­rufsstand in den letzten 15 Jahren massiv verändert haben. Es streben viele junge, en­gagierte Persönlichkeiten in diesen Berufsstand; gerade in meinem Heimatbundesland Salzburg hat der Herr Landeshauptmann vor Kurzem wieder neun junge Ziviltechniker vereidigt.

Was novellieren wir mit diesem Gesetz? – Der Hauptgesichtspunkt ist die Zusammen­führung des Ziviltechnikergesetzes und des Ziviltechnikerkammergesetzes zu einem Bundesgesetz. Dieses Bundesgesetz besteht aus zwei Hauptstücken: Das erste regelt das Berufsrecht und das zweite die berufliche Vertretung durch die Ziviltechnikerkam­mer. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Eckpunkte dieses Berufsrechts sind einerseits die Liberalisierung der Regelungen über die praktische Betätigung – das ist sehr wichtig, weil damit Bürokratie wegfällt – und andererseits das Thema Digitalisierung, nämlich vor allem die Schaffung der Mög­lichkeit, Anträge auf elektronischem Wege einzubringen; das entspricht ja auch der Hauptzielsetzung der Regierung, nämlich in Österreich digitaler zu werden.

Dazu kommt noch, dass Personen, die eine Ziviltechnikerbefugnis anstreben, künftig schon als außerordentliche Mitglieder in die Berufsvertretung, in die Kammer aufge­nommen werden können sollen. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt für jene jungen Personen, die in diese Berufsgruppe streben.

Unser Ziel der Zusammenführung und Liberalisierung von berufs- und kammerrechtli­chen Bestimmungen ist mit diesem Gesetz erreicht, und das freut uns. Ich möchte


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 99

mich an alle wenden, die es ermöglicht haben, hier ein gutes Gesetz zu schaffen, vor allem an Herrn Ministerialrat Anton Bernbacher und sein Team für die profunde Novel­lierung. Der Berufsstand der Ziviltechniker hat damit ein modernes, zeitgemäßes Zivil­technikergesetz, und das ist wichtig für unseren Standort. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stefan.)

14.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


14.02.17

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Novellierung des Ziviltechnikergesetzes ist eine notwendige Maßnahme, die wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen natürlich befürworten – da kann ich mich meinem Vorredner anschließen.

Diese Initiative ist durch die Vorgängerregierung zustande gekommen und die Begut­achtungsfrist dieses Gesetzes endete mit 1.9.2017. Das ist eineinhalb Jahre her, und ich wundere mich schon, warum es eineinhalb Jahre dauerte. Das würde ich die Frau Wirtschaftsministerin gerne auch persönlich fragen, das kann ich in diesem Fall aber nicht, weil sie nicht hier ist. Sie entzieht sich wieder einmal der parlamentarischen Dis­kussion. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Bei der Fragestunde hätten Sie das fra­gen können! – Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte – darauf komme ich noch – heute aber eine Thematik ansprechen, die mir als Unternehmerin auf der Seele brennt, und zwar das komplette Versagen dieser Bundesregierung im wirtschaftspolitischen Bereich. (Ruf: Der war gut!) Ministerin Schramböck hatte am Anfang meine Solidarität, und ich habe ihr eine ehrliche Chance gegeben – ich habe mir gedacht, eine Frau, die aus der Wirtschaft kommt, wird das notwendige Gespür für unsere Unternehmerinnen und Un­ternehmer mitbringen –, doch leider ist davon sehr wenig übrig geblieben. Meine Hoff­nung hat sich in Ärger verwandelt.

Es sind sehr große Herausforderungen, vor denen die österreichische Wirtschaft steht, die Konjunkturprognose wird ständig nach unten revidiert. Ich frage Sie: Wann kommt endlich eine Steuerreform? (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Winzig.) Wir hatten das heute in den Früh in der Fragestunde, nur hat sie uns nichts dazu sa­gen können, gar nichts.

Wann kommt die Abschaffung der kalten Progression? Wir haben das Thema der Au­tomobilindustrie angesprochen, da bekommen wir in der Zulieferindustrie ein Problem; da gibt es keinen Plan. Das Start-up-Paket wurde abgeschafft; da gab es keinen Er­satz, da wird nichts gemacht – kein Plan. (Beifall bei der SPÖ.)

Was plant die Wirtschaftsministerin in Bezug auf den Schutz gegen Immo-Spekula­tionen? China kauft Zinshäuser in Wien, halb Kitzbühel gehört den Russen und den Deutschen. Da gibt es keinen Plan, keinen Lösungsvorschlag – (in Richtung ÖVP wei­send) gerade von dieser Seite.

Es geht auch noch konkreter – wie gesagt, es stehen viele Herausforderungen im Wirt­schaftsbereich an –: Wann reformieren wir die Abschreibungen? (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Es kann nicht sein, dass (ein Smartphone in die Höhe haltend) ein Mobilte­lefon eine Abschreibedauer von bis zu fünf Jahren hat. Das kann nicht sein, das ist nicht Stand der Technik. Wann gibt es hier endlich ein Konzept?

Gestern wurde in den Medien wieder einmal das Greißlersterben angesprochen. Auch das ist ein wirtschaftliches Problem, vor dem wir stehen – aber nicht nur ein wirtschaft­liches, sondern das betrifft gerade die heimischen Regionen und die kleinen Ortschaf­ten. Wie wollen Sie dieser Entwicklung entgegentreten?


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 100

In diesem Zusammenhang stelle ich mir auch die Frage, wann Sie die Betriebsübernah­men für Familienunternehmen, für kleinere Unternehmen reformieren. Das kann doch nicht sein, das ist viel zu bürokratisch und auch viel zu teuer! (Heiterkeit der Abg. Win­zig.) – Sie können schon lachen (Abg. Winzig: Ja, ja!), ich komme aus einem solchen Unternehmen, habe es von meinen Eltern übernommen und weiß sehr wohl, wovon ich spreche, Frau Winzig. (Beifall bei der SPÖ.)

All unsere Lösungsvorschläge, all die gemeinsamen Lösungsvorschläge der Opposi­tion werden in den Ausschüssen vertagt. Die Ministerin ignoriert standhaft und ganz klar die Anliegen der Unternehmerinnen und Unternehmer und deren Interessen. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Haubner und Winzig.) Das kann ich als Unternehmerin nicht stehen lassen, und als Wirtschaftssprecherin der SPÖ will ich das auch nicht.

Warum ist sie heute nicht hier und steht uns, dem Parlament, Rede und Antwort? – Diese Ministerin ist eine klare Fehlbesetzung und versteht ihr Handwerk nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

14.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Klinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.06.18

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Minister! Kollegin Ecker, Ihre Ausführungen passen, glaube ich, bei der Behandlung des nächsten Mittelstandsberichts etwas besser ins Parlament. (Zwi­schenruf der Abg. Ecker.) Ich glaube, da kann man dann ordentlich darüber diskutie­ren, aber zurzeit sind wir beim Ziviltechnikergesetz.

Sie haben sich gefragt, warum sich die Sache verzögert hat. Ich bin noch nicht so lan­ge im Parlament, aber ich weiß schon, warum das passiert ist (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Ecker): Von 3.7.2017 bis 1.9.2017 war das Ganze in Begutachtung, und da­bei wurde auch festgestellt, dass es da ein anhängiges Verfahren beim EuGH gegeben hat, das in diese Novellierung auch eingearbeitet wurde. Darum ist es eben zu dieser Verzögerung gekommen. (Abg. Ecker: Eineinhalb Jahre?) Nichtsdestotrotz ist am 19.12.2018 der Entwurf im Ministerrat behandelt worden und letztendlich ist es auch zu einer gemeinsamen positiven Beschlussfassung gekommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Vogl: Das war doch beim Gentechnikbericht das Gleiche, der hat auch eineinhalb Jahre gebraucht!)

Um aber die Sache – da das ohnehin einstimmig beschlossen werden wird – nicht un­nötig in die Länge zu ziehen und wir, glaube ich, heute hinsichtlich des Zeitmanage­ments schon sehr in Verzug sind, möchte ich mich ganz kurz auf drei Dinge beschrän­ken. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Diese Gesetzesnovelle ist zum Ersten als Anpassung an den gemeinsamen europäi­schen Wirtschaftsraum gedacht – deswegen war eben auch das Verfahren beim EuGH anhängig –, besonders was die Vorbehalte betreffend die Gesellschaftsform in diesem ehemaligen Ziviltechnikergesetz und die Sitzerfordernisse in Österreich betroffen hat. Das war mit dem europäischen Recht nicht konform, und das haben wir hier korrigiert.

Zum Zweiten: Es gibt, wie schon gesagt, eine teilweise Liberalisierung und eben auch einen erleichterten Zugang zu den Berufen der Ziviltechniker und der Ingenieurkonsu­lenten, die in Zukunft gleichfalls Ziviltechniker heißen werden, weil sich der Begriff In­genieurkonsulent nicht durchgesetzt hat. Wichtig dabei ist aber, dass die Qualität und die Qualifikation auch in Zukunft erhalten bleiben.

Der dritte Punkt ist, wie schon angesprochen, eben die Modernisierung, sodass An­träge auch digital eingebracht werden können.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 101

Zum Schluss noch eines: Was ich mir in Zukunft für die Ziviltechniker nicht wünsche, ist, dass sie schön langsam beschränkt werden. In einem Vorhaben schwelt es nämlich anscheinend bereits dahin gehend, dass, was die Recycling-Baustoffverordnung und die Baurestmassenuntersuchungen betrifft, das in Zukunft nicht mehr die Ziviltechniker machen dürfen, sondern dass das nur noch autorisierte Prüflabors machen können sol­len.

Ich bin der Meinung, dass wir da auch eine Unterstützung für unsere Ziviltechniker, die in diesem Staat sehr viel geleistet haben und sehr hohes Ansehen genießen, leisten können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesminister Köstinger. – Bitte schön.


14.09.20

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Prä­sidentin! Hohes Haus! Ich darf heute in Vertretung unserer Wirtschaftsministerin Mar­garete Schramböck gerne die Möglichkeit wahrnehmen, hier kurz zu erläutern, worum es in diesem Gesetzesvorhaben geht.

Generell ist es das Ziel des Ziviltechnikergesetzes 2019, die Zusammenführung des bisherigen Gesetzes und des Ziviltechnikerkammergesetzes zu vollziehen. Darüber hi­naus enthält es auch eine Reihe von Maßnahmen zur Liberalisierung.

Einer der Hauptpunkte des Entwurfes ist die Liberalisierung des Berufszugangs für Zi­viltechniker.

Wie Sie wissen, sind für die Zulassung zur Prüfung Praxiszeiten im Ausmaß von bis zu einem Jahr erforderlich. Diese sollen bereits während des Masterstudiums oder der Endphase des Diplomstudiums erworben werden können. Weiters – und das war der Bundesregierung ein besonderes Anliegen – werden auch die Zeiten des Mutter­schutzes als Praxiszeiten gelten.

Außerdem wird die Möglichkeit geschaffen, Anträge auf Zulassung zur Ziviltechniker­prüfung und auf Erteilung der Befugnis auf elektronischem Wege einzubringen.

Durch das neue Gesetz wird für Ziviltechniker die Möglichkeit geschaffen, sich im Falle einer Verhinderung vertreten zu lassen. Durch diese Neuregelung soll der Fortgang der Geschäftstätigkeit auch bei längeren Abwesenheiten des Ziviltechnikers gewährleistet sein.

Im Bereich der Kammern wird für Berufsanwärter die Möglichkeit einer außerordentli­chen Mitgliedschaft geschaffen. Ziel dieser Regelung ist es, zukünftigen Ziviltechnikern schon sehr früh die Möglichkeit zur Mitgestaltung der weiteren Entwicklung des Berufs­standes zu geben. (Abg. Loacker: Alle Kammern ...!)

Anders als im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, bleibt der Vollzug des Ziviltechniker­gesetzes im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Die Kam­mer der Ziviltechniker soll wie bisher die Möglichkeit haben, zu jedem Antrag eine Stel­lungnahme abzugeben, die letztendliche Entscheidung bleibt auch weiterhin beim Mi­nisterium. Dieses Konzept der engen Zusammenarbeit hat sich über die Jahre bewährt und wird vor allem aus diesem Grund auch aufrechterhalten.

Ich darf mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und ich hoffe sehr auf breite Zustimmung zum vorgeschlagenen Gesetz meiner Kollegin, Bundesministerin Margarete Schramböck. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Haubner: Sehr gute Rede!)

14.11



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 102

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmel­bauer. – Bitte schön.


14.12.00

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministe­rin, herzlichen Dank für die Ausführungen! Ich glaube, du hast auf eine sehr gekonnte Art und Weise kurz dargelegt, worum es in diesem Gesetz geht, deshalb darf ich den Fokus meiner Rede jetzt auf die grundsätzliche politische Ausrichtung der österreichi­schen Bundesregierung und unserer Regierungsfraktionen lenken, die sich wiederum auch im Ziviltechnikergesetz findet.

Diese Bundesregierung und wir als Abgeordnete sind angetreten, um die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes insgesamt zu entlasten. Entlastung ist ein Kernthema – un­ter anderem auch in der Steuerreform –, ein Thema, das uns derzeit sehr bewegt, das uns arbeiten lässt und das wir auch mit einem klaren Zeitplan versehen haben.

Wir wollen dafür sorgen, dass der Mittelstand in Österreich, die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, die Steuern zahlen und damit die staatlichen Leistungen vom Straßenbau bis zum Bildungs- und Gesundheitswesen mitfinanzieren, am Ende des Tages wiederum mehr im Börserl haben. Das ist uns ein besonders wichtiges Anlie­gen, das wir bereits mit dem Familienbonus Plus unterstützen.

Entlastung findet sich aber nicht nur in finanzieller Hinsicht, es geht auch um Verwal­tungswege. Wo sind die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen, die Institutionen mit der Verwaltung in Kontakt? – In diesem Bereich geht es vor allem um eine Entlas­tung beim Faktor Zeit, um Zeit, die wir uns beispielsweise mit der Plattform Digitales Amt ersparen können. Damit sorgen wir dafür, dass Bürgerinnen und Bürger orts- und zeitunabhängig Leistungen des Staates, wie zum Beispiel die Beantragung einer Wahl­karte oder die Meldung des Wohnsitzes, unbürokratisch in Anspruch nehmen können. Das findet sich auch im Ziviltechnikergesetz wieder: Anträge auf Zulassungen oder auch andere Anträge können in Zukunft online eingebracht werden.

Ein großes Thema, das uns natürlich schon einige Zeit beschäftigt, ist die Bürokratie. Da wissen wir: Es gibt nicht die eine große Stellschraube, die die tatsächliche Entlas­tung bringt, es gibt nicht das große Bürokratiemonster, sondern es sind viele kleine Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, damit den Leuten am Ende des Tages wieder mehr Luft zum Atmen bleibt. Das ist natürlich hauptsächlich mit dem Unterneh­mertum verbunden, das ist dort ein Riesenthema, aber auch in vielen anderen Lebens­bereichen beschäftigt es die Menschen. Es sorgt zu Recht auch für Unmut und Unver­ständnis. Auch da sind wir als Abgeordnete, als Bundesregierung angetreten, um Ent­lastung zu schaffen.

Ich darf beispielsweise in Erinnerung rufen, dass Herr Minister Moser Hunderte von Gesetzen, die nicht mehr zeitgemäß waren, aufgehoben hat. Herr Minister Faßmann hat Hunderte von Erlässen im Bildungsbereich, die nicht mehr zeitgemäß waren, ge­strichen. Jetzt hat Bundesminister Moser wiederum eine Initiative gesetzt, diesmal ge­gen das Gold Plating, um in Bereichen, in denen Gesetze überbordend sind, in denen wir EU-Regeln übererfüllen, zu streichen, und zwar in einem Bürgerbeteiligungspro­zess, an dem sich etliche beteiligt haben. 800 Meldungen, die aufzeigen, in welchen Bereichen Gold Plating in österreichischen Gesetzen verankert ist, sind eingegangen.

Mit dem Ziviltechnikergesetz sind wir auf einem guten Weg. Ich glaube, es ist ein gutes Gesetz; ich denke, das wird die Zustimmung heute auch zeigen. Noch wichtiger ist, dass wir damit wiederum einen Beitrag zur Entlastung der Menschen in diesem Land setzen.

Zu guter Letzt: Frau Ecker, ich bin ein bisschen verwundert! Zum einen ist die Frau Bundesministerin für Wirtschaft heute hier gewesen. Wenn es eine so brennende Fra-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 103

ge gewesen wäre, hätte man sie auch in der Fragestunde stellen können (Abg. Ecker: Es gibt so viele Fragen!), und ich darf Ihnen vielleicht noch einmal ins Gedächtnis ru­fen, dass Sie genau diese Frage auch schon im Ausschuss gestellt haben (Abg. Ecker: Ich habe aber keine Antwort bekommen!), eine Antwort bekommen haben und vom Kol­legen von der FPÖ gerade noch einmal die Antwort bekommen haben. (Abg. Ecker: Nein!) Ich glaube also, Sie sind auch in dieser Hinsicht bestens informiert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte auch eines noch in Erinnerung rufen: Wenn Sie sich hierherstellen und die SPÖ als Wirtschaftspartei darstellen (Abg. Friedl: Frau Ecker ist auch ...!), dann ist das für mich schon ein bisschen fragwürdig, denn gerade die wichtigsten Anliegen der Un­ternehmerinnen und Unternehmer, die wir in den letzten Monaten hier auch umsetzen konnten (Abg. Friedl: Das ist wieder sehr arrogant von Ihnen!), wurden nie mit Ihrer Be­teiligung umgesetzt, sondern Sie haben sich massiv dagegengestellt. (Abg. Ecker: ... ein­einhalb Jahre nichts getan!) Und wenn wir uns auch anschauen, wie Sie Unternehme­rinnen und Unternehmer in diesem Land darstellen (Zwischenrufe der Abgeordneten Ecker und Vogl), dann ist es wirklich sehr fraglich, ob die SPÖ als Wirtschaftspartei gelten kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: Keine gute Rede! – Abg. Friedl: Unse­riös und arrogant!)

14.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Einwall­ner. – Bitte.


14.16.53

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Das Ziviltechnikergesetz fasst tat­sächlich einige Regelungen – und zwar alle Regelungen, die es derzeit dazu gibt – zu­sammen. Es steht auch außer Streit, dass es notwendige Modernisierungen und zum Teil auch eine Entbürokratisierung gebraucht hat. Das findet auch unsere Unterstüt­zung, genauso wie wir auch die Anrechnung der Zeiten des Mutterschutzes als Praxis­zeiten positiv beurteilen.

Eines fällt aber auf – Frau Himmelbauer, da können Sie sich noch so bemühen und all Ihr Talent in die Waagschale werfen, um zu versuchen, die Ministerin zu verteidigen –: Im Wirtschaftsbereich geht nichts weiter! Es geht nichts weiter, und es geht alles viel zu langsam. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hauser. – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Wenn ein solcher Entwurf über ein Jahr in der Schublade liegt, so ist das bezeichnend, und wenn eine Ministerin hier im Haus die Debatte scheut, ist das auch bezeichnend für die Ressortführung dieser Ministerin. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der FPÖ.)

Es gäbe viele wichtige Punkte zu besprechen, die wir auch gerne mit der Ministerin de­battiert hätten, hier und heute, jetzt – gerade auch aktuelle Geschichten. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Heute Früh wurde bekannt, dass Opel 400 Menschen kündigen muss. Über solche Sachen würden wir gerne hier in diesem Haus mit der Wirtschafts­ministerin diskutieren, denn das ist auch ihre Verantwortung. (Beifall bei der SPÖ. Zwi­schenruf des Abg. Deimek.)

Man kann die Liste fortführen: Den Beschäftigungsbonus, der eine Lohnnebenkosten­senkung genau für die kleinen und mittleren Unternehmen gebracht hat, habt ihr abge­schafft. Das Start-up-Paket wurde gekürzt und abgeschafft. Bei den Abschreibemög­lichkeiten geht nichts weiter. (Abg. Deimek: Das ist alles Symptombekämpfung! – Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein! Da diskutiert man zwar im Ausschuss, aber man bekommt halt keine Antworten von der Frau Ministerin. Darum wäre eine Debatte hier im Haus einmal wichtig und richtig. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 104

Vogl: Ist das bei euch auch so? – Abg. Haubner: Schau dir einmal an, was die SPÖ fordert!) Ich habe heute Früh schon versucht, es mit der Ministerin zu diskutieren, aber es ist ein Unterschied, ob es eine Fragestunde oder ob es eine Diskussion und eine Debatte hier im Haus ist.

Das Einzige, was sie aufs Tapet bringt, ist offenbar eine KÖSt-Senkung, die minimal helfen wird, nämlich nur 5 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer – 5 Pro­zent! 86 Prozent haben überhaupt keinen Nutzen davon. 5 Prozent zahlen 80 Prozent der KÖSt – das wissen Sie –, und die profitieren davon. Das sind wieder die Kurz- und ÖVP-Spender, die da mitkassieren. Von einer Steuerreform für die KMUs sind wir weit weg. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Und Sie wissen schon, was in der Ein­kommensteuerreform stehen wird?) – Ihr wisst es aber offenbar auch nicht, was da in Sachen Einkommensteuerreform kommt! Es wäre interessant, wenn wir das hier im Haus einmal erfahren würden – aber darum geht es euch ja nicht, oder? Es geht euch ja jetzt einmal in erster Linie darum, Großspender zu entlasten. Das ist offenbar der Plan von FPÖ und ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt ein Ja von uns zu diesem Ziviltechnikergesetz, aber es gäbe viel, viel Wichtige­res hier im Haus zu diskutieren, und dafür wünschen wir uns die zuständige Ministerin. Bei aller Wertschätzung, Frau Köstinger, da sind Sie heute fehl am Platz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Vogl: Bravo!)

14.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Stark. – Bitte.


14.20.31

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministe­rin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die un­sägliche, stundenlange Diskussion heute Vormittag war leider keine Werbung für die österreichische Innenpolitik (Abg. Vogl: Unsäglich war sie nicht!), und ich muss ganz offen gestehen: Ich habe mich für einige Reden hier in diesem Haus eigentlich geniert (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ) – wer immer sich jetzt angespro­chen fühlt.

Ich war eigentlich der Ansicht, dass das Ziviltechnikergesetz eine Feel-well-Materie wird, die auch Einstimmigkeit mit sich bringen könnte, aber das, was wir jetzt von Frau Kollegin Ecker und von Herrn Einwallner gehört haben, überrascht mich ein wenig, denn, liebe Kollegin Ecker, dass Sie das Ziviltechnikergesetz dafür benutzen, eine ge­nerelle Schimpftirade auf die Frau Ministerin loszulassen, halte ich eigentlich für ein starkes Stück. (Ruf bei der SPÖ: Was für eine Schimpftirade? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und zum Zweiten: Herr Kollege Einwallner, Sie wünschen sich eine Debatte mit der Frau Ministerin. Frau Ministerin Schramböck war heute hier in der Fragestunde. Wie kann eine Debatte noch direkter sein als in einer direkten Frage-und-Antwort-Situa­tion? – Also Sie hätten das nutzen können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Im Übrigen finde ich es auch spannend, zu sehen, wie unterschiedlich Entwicklungs­geschwindigkeit in der Sozialdemokratie empfunden wird. Wenn die Regierung Dinge auf den Weg bringt, dann ist es viel zu schnell, dann braucht man viel mehr Debatte, und wenn aus Ihrer Sicht nichts passiert, dann ist die Regierung daran schuld. Also ich verstehe diese Haltung eigentlich nicht, aber ich möchte jetzt zu dem zurückkommen, worum es eigentlich geht, und das ist das Ziviltechnikergesetz. Diesem möchte ich mich noch kurz widmen, obwohl schon viel gesagt wurde.

Aus nationaler Sicht meine ich, dass hier wieder ein guter Schritt in Richtung Deregu­lierung gelungen ist – das ist ja auch eines der Ziele der Regierung –, im Sinne der Di-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 105

gitalisierung und im Sinne dessen, dass Menschen schnell in den Beruf einsteigen kön­nen.

Ich möchte zu dieser nationalen Sicht eine lokalpolitische Sicht hinzufügen, weil Zivil­techniker und Ziviltechnikerinnen gerade für die Gemeinden – das sage ich als Bürger­meister einer sehr dynamischen Region – ganz wertvolle und essenzielle Beiträge leis­ten. Ziviltechniker sind mit ihrer Expertise mitverantwortlich für Stadtentwicklungen, sind verantwortlich für die Abwehr von Gefahren – ich denke zum Beispiel nur an den Hoch­wasserschutz – und vieles andere mehr. Wir nutzen die Expertise von Ziviltechnikerin­nen und Ziviltechnikern landauf, landab das ganze Jahr über und freuen uns darüber, wenn noch mehr Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker in den Berufsstand kommen, um die Kommunen bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Dementsprechend freue ich mich auf die Abstimmung, ich hoffe auf Einstimmigkeit und danke der Frau Ministerin für dieses Gesetz. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Margrei­ter. – Bitte.


14.23.50

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Her­ren! Kollege Klinger, das Ziviltechnikergesetz ist ja in der letzten Periode schon von der Vorgängerregierung vorbereitet worden, und Sie haben recht, es war beim EuGH, aber es hat trotzdem eineinhalb Jahre gedauert, bis wir es zum Beschluss hier vorliegen hatten – das ist schon sehr lang. Wenn Herr Kollege Stark meint, manches Mal geht es uns zu schnell, ein anderes Mal wieder zu langsam: Ich denke, dass politische Ent­scheidungen schnellstens getroffen werden müssen, aber es braucht halt auch Begut­achtungsfristen, die eingehalten werden, und Stellungnahmen, es soll die Bevölkerung mitdiskutieren können. Das ist in unserem Interesse.

Nun zum Ziviltechnikergesetz: Es gibt hier sehr viele positive Ergebnisse, weshalb wir eben auch zustimmen werden. Zum Beispiel ist jetzt das facheinschlägige Dienstver­hältnis zu einem anderen Ziviltechniker oder einer anderen Ziviltechnikerin oder einer Ziviltechnikergesellschaft, auch wenn man nicht deren Gesellschafter ist, zulässig. Wei­ters werden die Regelungen über die praktische Betätigung liberalisiert, wie wir gehört haben.

Was mich besonders freut: dass Mutterschutzzeiten künftig als Praxiszeiten zählen. Das halte ich für besonders wichtig, da wir gestern auch vom Genderpaygap gespro­chen haben.

Besonders hervorzuheben ist auch, dass eine Öffnung der Kammer erfolgt, wie wir schon gehört haben. Es soll künftig möglich sein, als außerordentliches Mitglied auch in die Kammer aufgenommen zu werden.

Wie gesagt, das sind alles Dinge, die wir in der letzten Legislaturperiode schon auf den Weg gebracht haben. Wir müssen aber auch feststellen – und auch ich möchte das sa­gen, weil mittlerweile der Unmut sehr groß ist –, dass es für andere Berufsgruppen kei­ne Maßnahmen oder wenig notwendige Maßnahmen gibt.

Wir haben es von der heimischen Start-up-Szene gehört: Da wurden Kürzungen vorge­nommen, Förderungen zurückgenommen, und das wird mit der guten Konjunktur be­gründet. Wie kurzsichtig das ist, sehen wir heute, da Wachstumsprognosen ständig nach unten korrigiert werden. In der heimischen Wirtschaft schaut es wider Erwarten auch nicht besser aus (Abg. Hauser: International! In Österreich wesentlich weniger! International!), und das deshalb, weil von der selbst ernannten Wirtschaftspartei an-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 106

deres zu erwarten wäre, gibt es doch im Zuge der Fusion der Krankenkassen bis dato keine einzige Maßnahme für KMUs oder Einpersonenunternehmen. Die Verunsiche­rung im Unternehmertum ist sehr groß, weil es zum Beispiel auch immer noch keine Antwort im Hinblick auf die AUVA-Entgeltfortzahlung gibt.

Zum Thema Leistungsharmonisierung habe ich eine Anfrage an die zuständige Minis­terin gestellt, und die Antwort war, dass sie das anstrebt. Na ja, dann wissen wir ja Be­scheid. Und zum Selbstbehalt, zum Beispiel wenn es um den Arztbesuch geht, oder zum Krankengeld ab dem vierten Tag gibt es nach wie vor keine Antworten.

Ich sage Ihnen, was die Wirtschaft wirklich bewegt, nämlich der ungleiche Wettbe­werb. Dieser bewegt die Wirtschaft wirklich. Dass Weltkonzerne immer noch weniger Steuern zahlen als die Friseurin nebenan, das regt die Leute wirklich auf! (Beifall bei der SPÖ.) Oder dass es immer noch kein Paket gegen den Fachkräftemangel gibt – das diskutieren wir ständig, es tut sich aber nichts! Außer inhaltslosen Sonntagsreden ist da nichts. (Abg. Hauser: Ihr habt nichts zuwege gebracht! Hättet ihr was zuwege gebracht!)

Es ist natürlich leichter, gegen Minderheiten zu hetzen, als selbst Ideen zu bringen, Herr Kollege, wie man Österreich zukunftsfit machen kann. Liefern Sie endlich einmal, und das nicht über Amazon, sondern für die heimische Wirtschaft! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27

14.27.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 478 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

14.28.093. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kom­mission sowie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-258/527 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte schön.


14.28.41

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde mich gerne zu Beginn dieser Debatte mit dem Thema Glyphosat beschäftigen, denn seit mehreren Jahren gibt es Hinweise – und sie werden laufend mehr –, dass der Wirkstoff Glyphosat für Mensch und Tier sehr ge­fährlich ist. Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein und den Hormonhaus­halt massiv negativ zu beeinflussen. Dass das nicht nur Gerede, sondern sehr ernst zu


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 107

nehmen ist, haben sowohl die Weltgesundheitsorganisation als auch viele andere be­stätigt.

Vor Kurzem, nämlich diesen Monat, hat in den USA das Bundesbezirksgericht in San Francisco in einem Musterprozess festgestellt, dass das glyphosathaltige Mittel Round­up der Bayer-Tochter Monsanto ein erheblicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebser­krankung der klagenden Person gewesen ist. Gestern hat das Gericht geurteilt, dass Bayer/Monsanto für die Krebsrisiken im Zusammenhang mit diesem Unkrautvernich­tungsmittel mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar ist und dem Kläger 81 Mil­lionen Dollar an Schadenersatz zu zahlen hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, alle diese Fakten machen eines ganz klar: Wenn wir gesund essen wollen, wenn wir verhindern wollen, dass in unserem Es­sen und in unserer Landwirtschaft Gift ist, dann müssen wir Glyphosat verbieten! (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Frau Ministerin und lieber Herr Kollege, der dazwischenruft! Ich verstehe nicht, warum wir uns so lange Zeit lassen. Ich verstehe nicht, warum wir nicht die Spit­zenreiter in Europa sind, warum unsere Ministerin nicht dorthin geht und sagt: Verbie­ten wir Glyphosat! – Stattdessen machen wir einen Kniefall und schieben das Ganze auf die lange Bank. Damit das nicht mehr passiert, bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „stopp­glyphosat.spoe.at“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, sich umgehend für ein europaweites Verbot des krebserre­genden Wirkstoffes Glyphosat einzusetzen.“

*****

Stoppen wir gemeinsam Glyphosat! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

14.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schieder, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission so­wie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-258 d.B.), 527 d.B.

betreffend stoppglyphosat.spoe.at

Der Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahres­vorschau 2019 weist darauf hin, dass Europa bei der Umsetzung der Agenda 2030 eine Vorreiterrolle übernehmen will. Politikfelder der Agenda sind unter anderem die Land- und Forstwirtschaft, Umwelt – und Klimapolitik.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 108

Für eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, sowie eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik spielt der Umgang mit chemisch-synthetischen Pestiziden eine entschei­dende Rolle.

Einer der weltweit meist eingesetzten Wirkstoffe in chemisch-synthetischen Pestiziden ist Glyphosat.

Seit Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass der Wirkstoff Glyphosat für Mensch und Tier gefährlich ist. So steht Glyphosat unter anderem in Verdacht, krebserregend zu sein und den Hormonhaushalt zu stören.

Glyphosat ist ein Wirkstoff in Pestiziden, sog. „Herbiziden“. Es tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurde, dass sie den Herbizideinsatz überlebt. Es wirkt systemisch, d.h. aufgenommen über die Blätter gelangt es in alle Bestandteile der Pflan­ze: in Blätter, Samen und Wurzeln.

Glyphosat lässt sich nicht abwaschen und wird weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abgebaut. Glyphosat-Rückstände halten sich etwa ein Jahr lang in Lebens- und Futtermitteln.

Die pflanzenvernichtenden Eigenschaften von Glyphosat wurden von der Firma Mon­santo in den 1970er Jahren patentiert. Das Mittel kam unter dem Namen „Roundup“ auf den Markt und wurde zum Bestseller.

Glyphosatprodukte werden mittlerweile von mehr als 40 Herstellern vertrieben.

Glyphosat wird unter anderem in Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaus­halten eingesetzt.

Die Krebsforschungsagentur der WHO beurteilt Glyphosat seit Juli 2015 als „wahr­scheinlich krebserregend beim Menschen“ und die biologische Vielfalt zerstörend. Eine Studie der University of Florida bringt Glyphosat nicht nur mit einem erhöhten Krebs­risiko, sondern auch mit der Förderung von Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Autismus in Verbindung.

Zugleich hat Glyphosat eine antibiotikale Wirkung gegen Bakterien und Mikroorganis­men und schädigt damit insbesondere auch Insekten. Die University of Texas in Austin konnte belegen, dass der Wirkstoff Glyphosat als eine Art Antibiotikum bei Bienen die Darmflora angreift und somit neben Neonikotinioden wesentlich zum Bienensterben der vergangenen Jahre beigetragen hat.

Die Verwendung von Glyphosat wurde über die Jahrzehnte hinweg weltweit immer viel­fältiger. Sie blieb nicht auf das sogenannte „Totspritzen“ von „Unkräutern“ beschränkt. Zunehmend wird Glyphosat auch zum Totspritzen von Getreide, Mais, und Soja unmit­telbar vor der Ernte verwendet, was Pestizidrückstände am Ernteprodukt bedingt. Tests durch das Umwelt-Netzwerk „Friends of the Earth“ haben Glyphosat im mensch­lichen Körper nachgewiesen. 182 Urinproben von Menschen aus 18 europäischen Län­dern wurden in einem unabhängigen Labor in Deutschland auf Glyphosat und seinen Metaboliten AMPA untersucht. In 45 Prozent aller Proben wurde Glyphosat nachge­wiesen, in Malta in 90 Prozent der Proben, in Mazedonien in 10 Prozent. In Österreich wurde eine Belastung mit Glyphosat in 30 Prozent der Harnproben nachgewiesen.

Vorsorgender Grundwasserschutz ist in Österreich besonders essenziell, da unser Trinkwasser aus Grundwasserreserven und Quellen gewonnen wird. Diffuse Einträge (Nitrat, Pestizide) in Grundwasserkörpern und Quellen sind deshalb zu vermeiden.

Fakt ist, viele Hausbrunnenbesitzer können ihre Brunnen nicht mehr für Trinkwasser­zwecke nutzen. Betroffen sind vor allem niederschlagsarme, durch intensive konven­tionelle Landwirtschaft genutzte Regionen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 109

Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung initiierte gemeinsam mit dem Joan­neumResearch und dem Umweltbundesamt ein dreijähriges Forschungsprojekt: Im Leibnitzerfeld wurde erstmals in Österreich getestet, ob Glyphosat eine Gefährdung des Grundwassers darstellen kann. Auf der Homepage des Umweltbundesamtes ist nachzulesen: „Die Studie ergab, dass eine Glyphosate-Anwendung auch in hydrogeo­logisch sensiblen Gebieten, z.B. in Grundwasserschongebieten, im Regelfall keine star­ke Gefährdung für das Grundwasser darstellt. Dennoch kann eine Verlagerung ins Grundwasser nicht ausgeschlossen werden. Daher wird zum vorbeugenden Grund­wasserschutz empfohlen, beim Einsatz des Herbizides auf die Witterungsbedingungen besonders Rücksicht zu nehmen - kein Einsatz vor zu erwartenden Niederschlagser­eignissen.“ http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/schadstoff/glyphosate1/

Dies zeigt, wie hochsensibel der Umgang der Landwirtschaft mit Glyphosat erfolgen muss, damit Glyphosat nicht ins Grundwasser gelangt!

Wirkstoffe wie Glyphosat werden auf europäischer Ebene auf der Grundlage der Risi­kobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelas­sen. Diese stufte im Rahmen eines stark kritisierten, weil intransparenten, Zulassungs­verfahren den Wirkstoff als unbedenklich für den Menschen ein. Studien über die krebserregende Wirkung von Glyphosat wurden von der EFSA nicht veröffentlicht.

Nach langen Diskussionen innerhalb der Mitgliedstaaten der EU wurde der Wirkstoff Glyphosat im November 2017 mit einer äußerst knappen Mehrheit für weitere fünf Jah­re in der Europäischen Union zugelassen. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R2324&from=DE

Großes Aufsehen erregte deshalb ein vor Kurzem ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Er urteilte, dass zwei Studien über die möglichen Krebsrisiken des Wirkstoffs Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln öffentlich zu machen sind. Der Schutz der Unternehmensinteressen, der als Begründung für die Geheimhaltung dieser Studien durch die EFSA angeführt worden war, sei dabei zweitrangig. Mitglieder des Europäischen Parlaments hatten gegen die EFSA geklagt.

Im Februar 2019 einigten sich das Europaparlament, der EU-Rat und die EU-Kom­mission nunmehr auf eine Reform des Allgemeinen Lebensmittelrechts, womit die ver­pflichtende Offenlegung sämtlicher Herstellerstudien in den frühen Phasen von EU-Zu­lassungsverfahren von Pestiziden und anderen lebensmittelrelevanten Chemikalien kommen soll. Die finale Annahme des Gesetzes durch das Plenum des Europaparla­ments und durch den Rat sollte bis Ende März 2019 erfolgen.

Der große Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“ mit 1.320.517 Un­terzeichnerInnen sowie die Erkenntnisse eines wegen des stark kritisierten Zulas­sungsverfahren von Glyphosat initiierten Sonderausschusses des Europäischen Parla­ments haben zu diesem Umdenkprozess auf europäischer Ebene beigetragen.

Die SPÖ Parlamentsfraktion brachte gleich zu Beginn der neuen Gesetzgebungspe­riode im Dezember 2017 einen Initiativantrag für ein sofortiges Inverkehrbringen-Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ein. https://www.parlament.gv.at/
PAKT/VHG/XXVI/A/A_00018/index.shtml

Dieser Antrag zur Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes wurde seit Beginn der Gesetzgebungsperiode im Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft bereits fünf Mal mit dem Hinweis auf die Erarbeitung einer sog. „Machbarkeitsstudie“ durch die Bundesmi­nisterin für Nachhaltigkeit und Tourismus durch ÖVP und FPÖ vertagt.

Dies führt zu einer unnötigen Verzögerung, Glyphosat zum Schutz der Gesundheit der Menschen und der Umwelt sofort zu verbieten!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 110

Im Vorjahr urteilte ein Gericht in den USA, dass Bayer/Monsanto einem erkrankten Mann umgerechnet 78 Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen habe. Er hatte regel­mäßig glyphosathaltige Mittel angewendet und machte geltend, dass Monsanto auf die Krebsgefahr hätte hinweisen müssen. Dieses Verfahren läuft noch, da das Urteil vom Pharmakonzern beeinsprucht wurde. Im März beginnt ein weiterer Prozess. In diesem Fall klagt ein US-amerikanischen Paar, die beide über Jahrzehnte das Glyphosat ent­haltende Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ eingesetzt hatten und beide ebenfalls an Lymphdrüsenkrebs erkrankten.

Am 19.3.2019 stellte die sechsköpfige Jury des Bundesbezirksgerichtes in San Fran­cisco in einem Musterprozess einstimmig fest, dass das Glyphosat-haltige Mittel „Roundup“ der Bayer-Tochter Monsanto ein „erheblicher Faktor“ für die Lymphdrüsen­krebserkrankung des Klägers gewesen sei.

Gestern urteilte das Gericht nunmehr, dass Bayer/Monsanto für Krebsrisiken des Un­krautvernichtungsmittels Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar ist und dem Kläger Schadenersatz in Höhe von 81 Millionen Dollar zahlen muss. Der Pharmakonzern hat Berufung angekündigt.

In Europa muss uns der Gesundheitsschutz ein vordringliches Anliegen sein!

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, sich umgehend für ein europaweites Verbot des krebserre­genden Wirkstoffes Glyphosat einzusetzen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Berlakovich. – Bitte schön, Herr Ab­geordneter.


14.31.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Meine Damen Bundesministerinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ho­hes Haus! Die europäische Debatte wird vom Brexit bestimmt. Viele Bürgerinnen und Bürger sind maßlos darüber erstaunt, was sich im englischen Parlament abspielt, und das dominiert die europäische Ebene. Es ist einerseits wohltuend, zu sehen, dass die EU stabil ist, dass man den britischen Sonderwünschen nicht nachgibt, aber insgesamt ist es kein gutes Bild für das vereinte Europa.

Im Übrigen wird die Europäische Union auch durch verschiedene andere Dinge wie die Flüchtlingsbewegungen, die Migrationskrise, die ja bei Weitem noch nicht ausgestan­den ist, geschüttelt und gerüttelt. Das alles erweckt den Eindruck, dass die EU nicht stabil ist. In Wahrheit passiert sehr, sehr viel auf europäischer Ebene, passieren sehr, sehr viele wichtige Dinge in den Bereichen, die eben nicht zum tagespolitischen Ge­schehen gehören.

Das dokumentiert sich hier in diesem Tagesordnungspunkt zur Jahresvorschau für die Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Klima, Energie und Nachhaltigkeit. Und es verwundert schon, dass Kollege Schieder – er ist mittlerweile schon weg; so


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 111

schnell, wie er weg ist, war auch sein Debattenbeitrag zu Ende – zum Thema der Jah­resvorschau gar nichts gesagt hat (Zwischenruf der Abg. Yılmaz), sondern sich nur dem Pflanzenschutzmittel gewidmet hat. Das ist sehr verwunderlich, denn es werden in diesem Bereich zentrale europäische Fragen angesprochen, die jede Bürgerin, jeden Bürger betreffen, nämlich eine Gemeinsame Agrarpolitik, die eine Lebensmittelversor­gung sichern soll, die eine hohe Qualität und hohe Standards der Lebensmittel garan­tieren soll, eine nachhaltige Energieversorgung, die bedeutet: weg von den fossilen Energieträgern, kein Atomstrom, und letztendlich eine Kreislaufwirtschaft mit intakter Wasserversorgung und einem klimaneutralen Europa.

Nicht nur die Kinder demonstrieren, sondern auch die erwachsenen Menschen wollen mehr für den Klimaschutz tun, um nachhaltig Lebensgrundlagen zu sichern. Das alles macht die gemeinsame Europäische Union – und Österreich federführend mittendrin. Das sind die zentralen Fragen, die, wie gesagt, in der öffentlichen Debatte leider nicht so sehr präsent sind. Daher ist es gut, dass wir heute darüber sprechen.

Die Europäische Union hat für eine nachhaltige Entwicklung die Agenda 2030 verab­schiedet, damit soll Europa ein Vorreiter in diesem Bereich sein. Ich halte das für sehr wichtig. Die Vereinten Nationen haben die Sustainable Development Goals verab­schiedet – wir sind da auch mit dabei –, in denen es darum geht, wichtige Dinge in der Welt zu erreichen: den Hunger zu reduzieren, die Gesundheitsversorgung auf allen Kontinenten zu sichern, Kindersterblichkeit zu senken und viele andere positive Dinge zu verwirklichen. Auch Österreich ist dabei federführend.

Wir haben vor Jahren mit dem Thema Wachstum im Wandel begonnen: Wie kann eine wirtschaftliche Entwicklung Platz greifen, die nachhaltig ist, die ökologisch ist, die Wirt­schaft und Umwelt versöhnt und in deren Rahmen ökologisches Wachstum möglich ist? – Das wird dokumentiert und wurde auch zuletzt in einer sehr breit geführten Dis­kussion in Österreich – als Ideenlieferant für Europa und die restliche Welt – vorange­trieben.

Ein zentraler Punkt ist die Gemeinsame Agrarpolitik. Ab 2020 steht eine Reform dieser Gemeinsamen Agrarpolitik an, und dabei geht es um zentrale Punkte einer ordentli­chen Lebensmittelversorgung. Wichtig ist, dass das sogenannte Zweisäulenmodell ab­gesichert ist, nämlich einerseits die Direktzahlungen, die kein Bauer zum Nulltarif be­kommt, sondern für die jeder Bauer ökologische Aspekte zu berücksichtigen hat, als Basis in ganz Europa. Das, was wir in Österreich aber machen, ist, dass wir die zweite Säule der Agrarpolitik, die ländliche Entwicklung, nutzen, in deren Rahmen wir viel mehr für die Umwelt tun, als wir müssten – freiwillig. Das beginnt bei der Biolandwirt­schaft und reicht bis zu den vielen Maßnahmen, die im bekannten Öpul angeboten werden, einem Förderprogramm für Bauern, die biologisch wirtschaften.

Wir wollen diesen ökologisch nachhaltigen Weg in Europa weitergehen. Das geht aber nicht, wenn derzeit, wie es die Kommission vorsieht, die Finanzmittel gekürzt werden. Wir wollen einen Leistungsanreiz geben, damit sich Bauern ökologisch verhalten, und dazu braucht es finanzielle Mittel, daher lehnen wir diese Kürzungen ab. Bundesminis­terin Elisabeth Köstinger hat das auch ganz klar gesagt: Das kann nicht sein! Wie kann man Besiedelung und Landwirtschaft im Bergbauerngebiet absichern, wenn die Fi­nanzmittel nicht da sind?

Zum Thema Glyphosat, Kollege Schieder, möchte ich sagen: Die Europäische Union hat dieses Mittel europaweit zugelassen, und Österreich sagt: Wir wollen aussteigen. – Wir prüfen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, wie dieser Ausstieg erfolgen kann und welche Alternativen es gibt. Das ist ein ganz klarer Weg, der auch richtig ist. (Zwi­schenruf der Abg. Ecker.)

Wichtig ist aber auch, zu erwähnen, dass die Umweltpolitik auf europäischer Ebene von großer Bedeutung ist. Die Umweltaktionsprogramme, die in Europa flächende-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 112

ckend durchgeführt werden, tragen sehr wohl dazu bei, dass Europa im Umweltbereich auf vielen Gebieten weltweit Vorreiter ist. Gerade Elli Köstinger sind während unseres Ratsvorsitzes umweltpolitisch große Erfolge gelungen, nämlich dass die CO2-Flotten­ziele für leichte Nutzfahrzeuge und Pkws entsprechend dem sehr hohen Anspruch er­höht werden konnten – das wurde vor Kurzem auch vom Europaparlament abgesegnet und beschlossen – und dass auch CO2-Flottenziele für die Hersteller schwerer Nutz­fahrzeuge gesetzt werden. Das ist ein großer Erfolg, der gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Daher abschließend: Wichtige europäische Themen werden hier behandelt, in der Jah­resvorschau wird das dokumentiert. Arbeiten wir gemeinsam an einem klimafreundli­chen und umweltökologisch orientierten Europa mit einer sehr, sehr ordentlichen Le­bensmittelversorgung! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doppelbau­er. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.37.10

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Heute geht es um die EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus – ich habe ein Exemplar davon in der Hand. Manche von Ihnen wissen es ja: Ich habe einen klei­nen Biobauernhof zu Hause, das heißt, ich kenne mich in diesem Bereich ein bisschen aus, und ich habe mir die Jahresvorschau sehr genau durchgelesen, auch basierend auf der Diskussion, die wir im Ausschuss hatten.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es sind viele gute Konzepte darin enthalten, es sind gute Ideen angerissen. Was aber aus meiner Sicht das Problem ist: Es fehlt einfach der Mut, Nägel mit Köpfen zu machen. Konkrete Maßnahmen, um das Ziel eines nach­haltigen Europas wirklich zu erreichen, sind die Dinge, die hier drinnen fehlen.

Ich beginne auch mit der GAP, die vorhin schon angesprochen wurde: Wir wissen, dass die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa schon alleine wegen des Anteils am Gesamtbudget ein wichtiger Bereich für die gesamte Union, aber natürlich auch für die heimische Landwirtschaft ist. Wir wissen genauso, dass es für die euro­päische Landwirtschaft langfristig nur dann eine erfolgreiche Zukunft geben kann, wenn wir die Nachhaltigkeit und die Produktivität durch intelligente Konzepte steigern und auch nicht außer Acht lassen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben müssen.

Der aktuelle Vorschlag zur Zukunft der GAP ist aber in vielen Punkten genau das Ge­genteil von dem, was wir besprochen haben. Wir wissen auch – ich möchte das auch betonen, Frau Bundesminister Köstinger –, es ist im Augenblick schwierig am europäi­schen Parkett. Das ist uns klar. Es sind immer diese kleinen Schritte, große Schritte sind im Augenblick nicht möglich, aber: Der Verlust der Biodiversität, der Verlust von fruchtbarem Boden, der fortschreitende Klimawandel und auch das Entfremden der Konsumenten von der landwirtschaftlichen Produktion sind Dinge, die munter weiterge­hen. Deswegen müssen wir jetzt die Grundlagen schaffen und die Maßnahmen setzen, um die landwirtschaftliche Produktion langfristig nachhaltig absichern zu können. Dazu braucht es aus meiner Sicht eine Ökologisierung der Fördersysteme.

Was sagt unsere Bundesregierung dazu? – Wir hören es auch im Ausschuss, ja, die Richtung ist die gleiche, ich glaube, wir versuchen alle, das gleiche Ding zu machen, aber am Ende des Tages kommt dann immer: Es ist halt nicht mehr drinnen. – Deswe­gen braucht es starke Visionen, es braucht starke Maßnahmen, es braucht Pfeiler und Pflöcke, die Sie jetzt einschlagen, damit die Landwirtschaft nachhaltig abgesichert wer-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 113

den kann – nicht nur für die nächsten fünf Jahre, über die nächste GAP-Periode hi­naus, sondern wir brauchen diese Vision, um stark in die Zukunft gehen zu können und auch in 20, 30, 40 Jahren in Österreich eine gute Landwirtschaft zu haben.

Der zweite Bereich, den ich mir noch herausgesucht habe, ist die Waldkonvention. Wir unterstützen Sie sehr dabei, dass wir diese längst fällige Waldkonvention umsetzen. Es geht natürlich um die Sicherung des Waldes in Europa: Er ist ein riesiger Wirtschafts­faktor, er ist ein Tourismusfaktor, und ja, er ist ein ganz, ganz großer CO2-Speicher. Was uns aber auffällt – und das ist eine Kritik, die ich anmerken muss –, ist: Da steht auf Seite 7 – vielleicht, hoffentlich hat man es nur übersehen –, dass die Bundesregierung die Bemühungen für einen europäischen Aktionsplan gegen Abholzungen kritisch be­obachtet. – Was meinen Sie mit kritisch beobachten? Ich glaube, wir sind uns alle ei­nig, und Sie haben es auch schon gesagt: Wenn Pflanzen zur Produktion von Palmöl irgendwo billigst angebaut werden, wenn tropischer Regenwald abgeholzt wird, nur da­mit es Billigstproduktionen geben kann, und wenn das Zeug dann auch noch sehr günstig in die EU importiert wird, dann können wir doch nicht kritisch zuschauen, son­dern müssen das wirklich angehen.

Es gibt Studien dazu. Die Yale University sagt, 2017 sind 39 Millionen Hektar – stellen Sie sich das einmal vor, das sind 40 Fußballfelder pro Minute! – für die Produktion von Dingen wie Palmöl abgeholzt oder abgebrannt und zerstört worden. Kritisch darauf zu schauen ist einfach zu wenig, in diese Richtung brauchen wir wirklich ganz konkrete Maßnahmen und Fördermittel.

Man fragt dann immer, was wir denn vorschlagen würden: Ein großer Schritt in die rich­tige Richtung wäre aus unserer Sicht eine Ökologisierung der Steuersysteme in Öster­reich und in Europa. Worum geht es? – Um Kostenwahrheit bei der Produktion, aber – und vor allem – auch beim Transport. Eine CO2-Steuer, so wie wir sie vorschlagen, wä­re ein erster richtiger Pflock, den man strategisch einschlagen könnte; das könnte man jetzt machen. Frau Bundesminister, ich sage Ihnen: Die nachfolgenden Generationen würden Ihnen herzlich dafür danken. – Danke für die Zeit. (Beifall bei den NEOS.)

14.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Linder. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.41.31

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Geschätzte Frauen Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die EU-Jahresvorschau aus Sicht des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus für die nächsten 18 Monate ist ein sehr vielfältiger Bericht. Ich möchte hier gerne im Speziellen auf die Gemeinsa­me Agrarpolitik eingehen, die, glaube ich, gerade für uns aus Sicht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft von großer Bedeutung ist.

Die Europäische Kommission hat einen Verordnungsvorschlag erlassen. Innerhalb die­ses Vorschlags sollen wir jetzt versuchen, auch die österreichische Agrarpolitik zu ge­stalten und umsetzbar zu machen. Grundsätzlich ist unter dem österreichischen Rats­vorsitz 2018 sehr viel passiert, sehr viel auf den Weg gebracht worden, und wir hoffen auch, dass im Rahmen der rumänischen und in weiterer Folge der finnischen Ratsprä­sidentschaft diese Vorarbeit übernommen und weiterverfolgt wird.

Für uns in Österreich wird bei der Gemeinsamen Agrarpolitik ganz wichtig sein, dass wir unsere Ideen an den Vorschlag der Europäischen Kommission anpassen und dabei aber wirklich darauf Wert legen, dass wir eine Vereinfachung schaffen, dass die Vor­schläge sowohl für die Landwirte als auch von der Verwaltungsseite her umsetzbar sind und dass dadurch eine praxistaugliche Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik möglich sein wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 114

Das Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik ist natürlich einmal – grob umschrieben – die Versorgung unserer heimischen Bevölkerung mit qualitativ wirklich hochwertigen, vor allem aber auch leistbaren Lebensmitteln. Weitere ganz wichtige Punkte dabei sind die Erhaltung der Produktionsgrundlagen, der Klimaschutz, der Ressourcenschutz und die Pflege unserer heimischen Kulturlandschaft. Gerade in letzter Zeit waren unsere Almen sehr viel in Diskussion. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir wissen aber, dass all die­se Maßnahmen, die aus Sicht der Landwirtschaft über die Produktion von Lebensmit­teln hinausgehen, nur möglich sind, wenn das Agrarbudget auch ausreichend dotiert ist.

Ich stehe dazu, dass Leistungen, die die Landwirtschaft erbringt, auch honoriert wer­den müssen. Dies ist aber nur über die Produkte nicht mehr möglich. Wir sind an die Weltmarktpreise gebunden. Wir schaffen es nicht mehr, die Landwirtschaft über die Produkte zu finanzieren, das kann nur über Ausgleichszahlungen passieren.

Ein ganz kleines Beispiel: Ich habe 1989 die Landwirtschaft von meinen Eltern über­nommen und habe damals für einen Kilo Stierfleisch 62,50 Schilling Schlachtpreis be­kommen, das sind umgerechnet 4,54 Euro. Heute, 30 Jahre später, reden wir von 3,92 Eu­ro. Das ist die Realität.

Als Bürgermeister habe ich noch die kleine Bitte, dass wir hinsichtlich der zweiten Säu­le, der ländlichen Entwicklung, bei den Projekten, die umgesetzt werden können, wirk­lich genau schauen, denn da sind manchmal Projekte dabei, die aus meiner Sicht dazu dienen, den Agenturen Umsatz zu verschaffen, die aber in keinster Weise nachhaltig sind.

Ein weiterer Teil des Berichtes befasst sich mit dem Wasser. Es ist geplant, dass die Europäische Kommission im Jahr 2019 die Trinkwasserrahmenrichtlinie überarbeitet, und da wird ganz speziell die Frage der kleinen Anlagen aufkommen. Ich bin selbst Bürgermeister einer Gemeinde, in der wir circa 20 000 bis 25 000 Kubikmeter Wasser verkaufen. Derzeit ist jährlich eine Überprüfung notwendig, die circa 2 000 Euro kostet. Der Wasserpreis beträgt 1 Euro für den Kubikmeter, das heißt, wir haben circa 20 000 bis 25 000 Euro Umsatz. Die Europäische Kommission plant, dieses Untersuchungs­intervall zu verkleinern, die Untersuchungen von einer auf zehn pro Jahr zu erweitern. Das würde eine Verzehnfachung der Kosten der Überprüfungen auf 20 000 Euro be­deuten, und wir müssten mit einem Schlag den Wasserzins in der Gemeinde verdop­peln.

Da, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass die Europäische Kommission von ihrer Art des Gleichmachens, von ihrer Art, immer alles gleich zu behandeln, wirklich abweicht und unterschiedliche Maßstäbe anwendet, dahin gehend, ob wir hier in Österreich größten­teils wirklich qualitativ höchstwertiges Trinkwasser haben oder ob die Parameter ir­gendwo im Osten Europas anzuwenden sind, wo man mehrfach aufbereitetes Wasser verwendet. Da hoffe ich, dass man einen Unterschied macht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


14.46.35

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Ministerin­nen! Es gibt ein ganz kleines, viel zu kurzes Kapitel im Bericht, das sich mit der Klima­politik beschäftigt. Als Einstimmung für den Dringlichen Antrag, den wir in 10 bis 15 Mi­nuten zu diskutieren beginnen, möchte ich einfach nur feststellen: Die österreichische Regierungspolitik hat zu diesem Kapitel jede Art von Verantwortung hintangestellt und ist sich ihrer Verantwortung ganz offensichtlich nicht bewusst. Die gesamte Wissen­schaft ist sich einig: Wenn wir so weitermachen, kommt es zur Katastrophe.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 115

Es gibt zwei Komponenten in der Klimapolitik. Die eine ist die Vorgabe seitens der Eu­ropäischen Union. Österreich hat sich ja verpflichtet, bis zum Jahr 2020 16 Prozent und bis zum Jahr 2030 36 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen. Diese Vorgabe wird von der Wissenschaft schon kritisiert, weil sie viel zu wenig ambitioniert ist und weil mit dieser Vorgabe im Unterschied zu anderen Ländern in der EU der Beitrag nicht geleistet werden kann, der nötig ist, um das Pariser Ziel zu erreichen.

Mit den Maßnahmen, die wir jetzt in Aussicht haben, werden aber nicht einmal diese Vorgaben erreicht. Das ist das, worauf Professor Kirchengast vom Nationalen Klima­schutzkomitee den Bundeskanzler in einem Schreiben hingewiesen hat. Er hat es durchgerechnet, hat das in der Öffentlichkeit vorgestellt und hat gemeint: Es handelt sich um eine politische Blockade, und wenn die nicht aufgelöst wird, werden wir diese Ziele nicht erreichen und sind damit mit schuld an einer Katastrophe, die möglicher­weise auf uns zukommt.

Was sagt das Ministerium dazu, Frau Ministerin? – Wir sind zuversichtlich, das Ziel zu erreichen! – Die Wissenschaft rechnet aber vor, dass es so nicht geht und dass wir das Ziel nicht erreichen werden. Die Antwort des Ministeriums ist für mich daher nicht re­alistisch! Das ist auch nicht optimistisch, das ist einfach peinlich. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Österreich zur Halbzeit 0 : 4 im Rückstand ist und davon träumt, noch zu ge­winnen, dann beschreibt das ungefähr diese Politik.

Jetzt kommt es noch besser: Professor Kirchengast weist zu Recht darauf hin, dass auch Strafzertifikate folgen, das heißt, dass Österreich in der Folge 5 bis 10 Milliarden Euro zu zahlen hat – und da sind noch nicht die Kosten dabei, die jährlich für Umwelt­katastrophen wie Überschwemmungen, Ernteausfälle, Lawinen und so weiter anfallen. Jahr für Jahr wird das mehr, und das belastet auch das österreichische Budget.

Ich frage Sie jetzt, weil wir ja eine angebliche Wirtschaftspartei in der Regierung haben: Was ist daran wirtschaftlich, wenn wir erstens die Ziele verfehlen und zweitens auch noch viel dafür zahlen müssen? Wirtschaftlich ist das für Österreich nicht; wirtschaftlich ist das vielleicht für ein paar Betriebe wie KTM oder andere Spender für den Wahl­kampf.

Nachhaltig ist es auch nicht. Sie sind ja die Leiterin des Nachhaltigkeitsministeriums, Frau Ministerin. Versetzen wir uns ins Jahr 2030 und gehen wir davon aus, dass wir das Ziel nicht erreicht haben! Sie sind dann nicht mehr Ministerin, und wer immer Ihnen nachfolgt, wird sagen: Das war ja nicht ich, das war die Köstinger, da kann ich leider nichts dafür! – Das erleben wir ja immer so in der Politik. Selbst wenn Sie noch Mi­nisterin sind: Was haben die SchülerInnen auf den Straßen davon, wenn Sie das Ziel im Jahr 2030 nicht erreicht haben, wenn wir außerdem dafür zahlen müssen und wenn die Katastrophe einen Schritt näherkommt? Abwählen ist dann zu spät. – Danke. (Bei­fall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kühberger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.50.42

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Das Bundesmi­nisterium für Nachhaltigkeit und Tourismus hat uns einen ambitionierten Plan vorge­legt. Schaue ich auf die positive Bilanz unserer Ratspräsidentschaft zurück, dann bin ich auch sehr zuversichtlich, dass das Ministerium im Sinne der Land- und Forstwirt­schaft eine gute Arbeit für Österreich, aber auch auf europäischer Ebene leisten wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 116

Mein Vorredner hat schon angesprochen, dass sich die Preise entwickelt haben. Ja, wir haben einen globalen Markt, und bei diesem globalen Markt ist es in Österreich schon sehr schwierig, vom Einkommen aus der Landwirtschaft allein zu leben. Dafür gibt es diese Ausgleichszahlungen, die auch ein wichtiger Beitrag zum Einkommen un­serer bäuerlichen Familienbetriebe sind.

Ich möchte hier kurz anhand eines Praxisbeispiels erklären, wie das so abläuft. Ge­schenkt kriegt einmal keiner der Bauern etwas, er muss seine Leistung erbringen. Er muss um diese Leistung und Maßnahme ansuchen. Das heißt, er sucht bis 15. Mai an, dann wird das aufgenommen, überarbeitet, kontrolliert und, wenn es nicht passt, auch sanktioniert. Ich bin auch Bürgermeister einer Gemeinde, Mautern in der Obersteier­mark, und ich muss sagen: Ja, ich kenne sehr viele bäuerliche Betriebe, und ich schät­ze deren Wert und deren Arbeit, die sie auch im Sinne der Gesamtbevölkerung leisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mautern liegt in der Obersteiermark, zwischen Murau und Semmering, dann von Bruck hinauf über das Ennstal nach Schladming. Diese Landschaft ist durch naturbedingte Produktionserschwernisse geprägt. Wenn der Landwirt dort seine Flächen mäht oder bewirtschaftet, dann hat er es mit sehr steilen Flächen zu tun. Das ist eine harte Arbeit, wenn er dort das Grundfutter für seine Tiere erwirtschaftet. Diese harte Arbeit auf die­sen steilen Flächen ist auch zeitaufwendig, ist kostenintensiv, und man kann sich vor­stellen, dass man dafür auch spezielle Geräte braucht.

Genau dafür brauchen wir die Ausgleichszahlungen, die diesen wirtschaftlichen Nach­teil dort ausgleichen und gleichzeitig unseren bäuerlichen Familienbetrieben auch ein ordentliches Einkommen bringen. Von diesem Einkommen muss der Bauer leben, und hat er dieses Einkommen nicht mehr, dann hat er ein wirtschaftliches Problem. Dann wird er auch seinen Betrieb nicht mehr weiter bewirtschaften, und dann hat auch die Gesellschaft ein großes Problem. Was haben wir dann? – Die Gefahr von Lawinen, der Erosionsschutz geht verloren, unsere schöne Kulturlandschaft, die viele Millionen Gäs­te bei uns und wir selber genießen, wird auch nicht mehr vorhanden sein, und auch die Artenvielfalt wird es nicht mehr geben.

Darum brauchen wir diese Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik: um diese bäu­erlichen Familienbetriebe zu unterstützen, aber auch, um unser Österreich und natür­lich auch Europa in Zukunft weiterzuentwickeln. Ich kann hier nur versprechen, dass wir in Brüssel gemeinsam unser Bestes geben werden, um diese Gelder für unsere Familienbetriebe, aber auch für den ländlichen Raum sicherzustellen. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass die Bundesregierung uns unterstützen wird – mit unserem Bundes­kanzler Sebastian Kurz, mit unserer Ministerin Elisabeth Köstinger –, damit es uns ge­lingt, ein wirklich starkes Agrarbudget für unsere Betriebe und für uns in Österreich zu verhandeln. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Preiner. – Bit­te schön, Herr Abgeordneter.


14.54.43

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner stellt eine Tafel mit zwei an Verkehrszeichen erinnernden Schildern aufs Rednerpult; das rot hinterlegte trägt die Aufschrift „Stop Gly­phosat“, das grün hinterlegte trägt die Aufschrift „Start Bio-Wende“.) Ich möchte vorweg sehr herzlich allen Landwirten für ihre Arbeitsleistung zur Sicherung der Lebensmittel­versorgung in Österreich danken. – Ein herzliches Dankeschön!

Wir debattieren jetzt den Bericht Jahresvorschau 2019 des Landwirtschaftsministeri­ums beziehungsweise auch die Achtzehnmonatsvorschau der Europäischen Union. Es


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 117

ist mir persönlich sehr wichtig, dass es die SPÖ war, die im letzten Landwirtschafts­ausschuss die Initiative gesetzt hat, dass diese Berichte hier im Plenum debattiert wer­den. Es geht meiner Meinung nach um sehr wichtige Inhalte, weil auch die Ernäh­rungssicherheit in Österreich gewährleistet sein muss. Da bietet das Programm der EU ein sehr breites Feld, das vom Landwirtschaftsministerium fast nicht gesehen und ge­nutzt wird.

Worum geht es? – Ich spreche einige Ziele des Achtzehnmonatsprogramms an: Ver­sorgungssicherheit der Bevölkerung gewährleisten, Vernichtung der biologischen Viel­falt stoppen. Wesentlich ist natürlich auch, dass im Rahmen der GAP die Möglichkeit besteht, Mittel von der ersten Säule – Direktzahlungen an Großagrarier, an die Großin­dustrie, an Großbauern – in die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik – ländliche Entwicklung – zu transferieren, wovon die kleinen Landwirte, die Biolandwirte, aber auch die Direktvermarkter eigentlich sehr viel mehr haben, weil so die Versorgungssi­cherheit und auch die Finanzierung dieser kleinbäuerlichen Familienbetriebe nachhaltig gesichert werden. – Es heißt im Bericht seitens des Landwirtschaftsministeriums ganz klar Nein dazu; auch den Transfer wird es im Jahr 2020 nicht geben. Ich halte das für falsch und für den nicht richtigen Weg, und da schlägt der Bauernbund auch in die fal­sche Kerbe.

Kolleginnen und Kollegen! Kollege Strasser hat vor geraumer Zeit öffentlich gemeint, es ist doch sehr schlecht, dass Bauernhöfe zusperren, dass Höfe geschlossen werden, dass sich bäuerliche Familienbetriebe aus der Agrarproduktion verabschieden müssen. Herr Kollege, ich unterstütze das! Du hast mit dieser Analyse vollkommen recht ge­habt, aber man muss auch hinterfragen, wie es dazu gekommen ist. Klar ist, dass die ÖVP seit 1986 – seit über drei Jahrzehnten – die Verantwortung im Bereich Landwirt­schaft hat, die Landwirtschaftsminister stellt, die allesamt aus dem Bereich des Bau­ernbundes gekommen sind. Aus meiner Sicht der Dinge bejammert sich die ÖVP hier selbst.

Des Weiteren heißt es im Achtzehnmonatsprogramm der EU: Zustand der Biodiversität verbessern. – Auch das ist ein Schlagwort, das die Frau Nachhaltigkeitsministerin und der Bauernbund nicht hören wollen. Die Pestizidreduktion ist für sie ebenso ein Reiz­thema. Ich kann das natürlich auch entsprechend belegen: Bereits seit Dezember 2017 liegt ein Entschließungsantrag von Kollegen der ÖVP und FPÖ zur Reduktion von Pes­tiziden vor, der aber nicht einmal den Weg in den Landwirtschaftsausschuss gefunden hat. Laut Parlamentskorrespondenz, Frau Ministerin, haben Sie im Mai 2018 eine Stu­die zum schrittweisen Ausstieg aus Glyphosat angekündigt. Bis dato ist nichts passiert, es wurde Ihrerseits überhaupt keine entsprechende Aktivität gesetzt. Wir kennen keine Ergebnisse, und das ist schlecht. Auch Kollege Schieder hat das bereits angesprochen.

Ich sage Ihnen, wenn es keine Biowende gibt, dann stirbt die Landwirtschaft, weil die Insekten zum Großteil auch für die Bestäubung von Kulturpflanzen verantwortlich sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte daher seitens der SPÖ folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechtere Ver­teilung der EU-Fördermittel und Stärkung der Bio-Landwirtschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung – insbesondere Sie als Ministerin – wird aufgefordert, eine Bio­wende im Rahmen der GAP 2020 plus auch auf Ebene der EU einzuleiten.

Durch folgende Zielsetzungen soll das erreicht werden:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 118

- eine schrittweise Umstellung des Fördersystems zur verstärkten Unterstützung des Umstiegs auf Biolandwirtschaft mit dem mittelfristigen Ziel von über 50 Prozent Bio­landwirtschaft,

- einen dringend erforderlichen Beitrag der Landwirtschaft gegen die Klimakrise durch die deutliche und nachhaltige Reduktion der chemisch-synthetischen Pestizidverwen­dung sowie der mineralischen Stickstoffdüngung,

- eine stärkere Förderung der Regionalität und Direktvermarktung sowie

- eine umgehende Schaffung einer weiteren Förderkulisse für den Neueinstieg sowie den Umstieg in die Biolandwirtschaft in der jetzigen und in der kommenden GAP-Pe­riode.

*****

Hier geht auch das Burgenland mit gutem Beispiel voran: Der ehemalige ÖVP-Präsi­dent der Landwirtschaftskammer Burgenland ist auch ein Biobotschafter in der Region. Das ist der richtige Weg! Ich hoffe auf breite Zustimmung zu diesem Entschließungsan­trag. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59

*****

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Preiner,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission so­wie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-258 d.B.), 527 d.B.

betreffend gerechtere Verteilung der EU-Fördermittel und Stärkung der Bio-Landwirt­schaft

Der Bericht der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahres­vorschau 2019 spricht die Verhandlungen zu den rechtlichen Grundlagen der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020+ an. Hier befinden sich die Mitgliedstaa­ten in einer hohen Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen, denn die Klimaerhitzung, der Verbrauch chemisch-synthetischer Pestizide, Tierwohl und gerech­te Fördermittelpolitik stehen in zunehmendem Interesse der Menschen in Österreich, Europa und weltweit.

Künftigen Generationen eine intakte und funktionierende Umwelt zu hinterlassen muss ein zentrales Anliegen der Politik sein. Die Neuausrichtung der Lebensmittelerzeugung ist hierfür eine der entscheidenden Weichenstellungen.

Österreich kann sich hierbei als Vorreiter in der EU eine Leuchtturmfunktion erarbeiten. Daher gilt es gerade jetzt verstärkt auf Ökologie, Qualität und Regionalität zu setzen sowie öffentliche Fördergelder optimal einzusetzen, um den Bestand unserer Betriebe und deren Leistungen für die Gesellschaft dauerhaft abzusichern.

Heimische Biolebensmittel sind hierbei eine enorme Chance für Umwelt, Klima und den österreichischen Arbeitsmarkt. Unter allen Landbewirtschaftungsformen ist die bio-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 119

logische Landwirtschaft die umweltschonendste, ist „Bio“ doch mehr als bloß der Ver­zicht auf Chemie. Ganzheitlich vernetztes Denken und ein möglichst geschlossener Betriebskreislauf mit einer vielfältigen Struktur sind wichtige Grundlagen für eine erfolg­reiche biologische Landwirtschaft. Der aus EU-Mitteln geförderte Umstieg in die Maß­nahme „Biologische Wirtschaftsweise“ war für LandwirtInnen nur mehr bis Jahresen­de 2018 möglich. Es ist daher auch auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass eine wei­tere Förderkulisse für den Neuein- und Umstieg in die Bio-Landwirtschaft geschaffen wird, damit „Bio“ in Österreich nicht ins Stocken gerät.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, eine „Bio-Wende“ im Rahmen der GAP 2020+ - Verhandlun­gen auf EU-Ebene insbesondere durch folgende Zielsetzungen zu erreichen:

1. eine schrittweise Umstellung des Fördersystems zur verstärkten Unterstützung des Umstieges auf Biolandwirtschaft mit dem mittelfristigen Ziel, über 50 Prozent biologi­sche Landwirtschaft,

2. einen dringend erforderlichen Beitrag der Landwirtschaft gegen die Klimakrise durch die deutliche und nachhaltige Reduktion der chemisch-synthetischen Pestizidverwen­dung sowie der mineralischen Stickstoffdüngung,

3. eine stärkere Förderung der Regionalität und Direktvermarktung, sowie

4. eine umgehende Schaffung einer weiteren Förderkulisse für den Neueinstieg sowie den Umstieg in die Bio-Landwirtschaft in der jetzigen und in der kommenden GAP-Pe­riode.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung über Punkt 3 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

*****

(Die Sitzung wird um 14.59 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

15.00.43Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Jugend ernst nehmen, Klimakatastrophe verhindern.“ (702/A)(E)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich darf die unterbro­chene Sitzung wieder aufnehmen. Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 702/A(E).


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 120

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Wenn wir so weitermachen, zerstören wir unsere Lebensgrundlage

„Wie wir uns jetzt entscheiden, wird unsere Zukunft bestimmen. Wir stehen vor einem Fenster, das sich vielleicht nie mehr öffnen wird, wenn wir es jetzt schließen“, schreibt das World Ressource Institute 2005. 14 Jahre später ist das Fenster nur noch einen Spalt weit geöffnet. Das bestätigen Umweltschutz-ExpertInnen weltweit immer wieder aufs Neue. Wir wissen zum Beispiel, dass Monokulturen die Artenvielfalt zerstören. Wir wissen, dass der übermäßige Einsatz von Pestiziden wie z.B. Glyphosat schädlich für Pflanzen, Insekten, Tiere und Menschen ist. Wir wissen, dass fossile Brennstoffe teurer werden müssen, damit sie irgendwann nicht mehr genutzt werden. Trotzdem ändert sich nichts. Der Mensch bleibt die größte Gefahr für den Planeten Erde. Die Klimakata­strophe ist im Gange.

Eine der schlimmsten Konsequenzen des menschlichen Handelns ist die Klimakata­strophe

Der weltweite CO2-Ausstoß hat erst kürzlich wieder einen neuen Höchstwert erreicht.1 In Österreich schaut der Trend nicht besser aus. Laut Umweltbundesamt (UBA) ist der Treibhausgas-Ausstoß in Österreich von 2016 auf 2017 um 3,3 Prozent gestiegen auf insgesamt 82,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.2 Das ist der dritte Jahresanstieg in Folge. Die Konsequenzen sind das, was wir „Klimakatastrophe“ nennen. Sie ist bereits jetzt global und regional spürbar: Starkniederschläge, extremer Frost, Waldbrände, Hit­zewellen und Dürren. Je mehr sich die Erde erhitzt, desto wahrscheinlicher, dass das Klima „kippt“ und Temperaturen irreversibel extremer werden. Die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 waren die heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.3 Um eine Klimakatastrophe abzuwenden, müssen national, international und auf EU-Ebene Maßnahmen konsequenter umgesetzt werden als bisher.

Die österreichische Bundesregierung nimmt das Thema nicht ernst genug

Das Umweltbundesamt (UBA) bezweifelt, dass Österreich seine Klimaziele bis 2020 ohne zusätzliche Maßnahmen erreicht. Germanwatch, das renommierte New Climate Institute und das Climate Action Network vergleichen in einem Klimaschutzindex4 die Fortschritte einzelner Länder bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Öster­reich rangiert dabei hinter China und Indien auf Platz 36 von 57 untersuchten Ländern. Die österreichische Klimaschutzpolitik wird vom Climate Action Network Europe (CAN) als „poor“ eingestuft. Die individuelle Länderbewertung ist ernüchternd.5 Österreich macht keine Fortschritte, um seine Vorhaben bis 2020 umzusetzen und wird daher sei­ne Emissionsziele verfehlen. Die nationale Klima- und Energiestrategie, die 2018 vor­gestellt wurde, ist sehr vage und vermittelt kein Vertrauen, dass damit die Ziele erreicht werden können. Österreich gewährt immer noch massive Förderungen für fossile Ener­gieträger. Eine der Empfehlungen von CAN lautet, die Klima- und Energiestrategie auch mit konkreten Maßnahmen zu befüllen, wie z.B. einer ökologischen Steuerreform und einer Förderung für die ökologische Umrüstung von Gebäuden.6

Österreichs Klimaschutzpläne bis 2030 entbehren jeglicher konkreter Maßnahmen und werden von ExpertInnen nicht besser bewertet. Zum österreichischen Entwurf des na­tionalen Energie- und Klimaplans an die EU-Kommission sagt Univ.-Prof. Dr. Mag. Gott­fried Kirchengast, Wissenschaftsvertreter im österreichischen Klimaschutzkommitee, dass es mit den vorgesehenen Maßnahmen „aus wissenschaftlich-technischer Sicht de


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 121

facto unmöglich“ sei, die EU-Klimaziele zu erreichen.7 Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb steht dem Plan ebenfalls skeptisch gegenüber: „Dieser Klimaplan ist sehr enttäu­schend, vor allem, weil er noch hinter der ohnehin schwachen Klima- und Energiestra­tegie zurückfällt, welche die Regierung im Frühjahr [2018] präsentiert hat.“8

Diese inkonsequente und unambitionierte Haltung zum Klimaschutz wird auch Fol­gen für die österreichischen SteuerzahlerInnen haben. Österreich musste bereits zwi­schen 2008 und 2012 über eine halbe Milliarde Euro für Emissionszertifikate zahlen. Univ.-Prof. Kirchengast prognostiziert, dass Österreich bis 2030 CO2-Zertifikate im Wert von 5 – 10 Milliarden Euro kaufen muss.

Junge Menschen stellen sich der Klimakatastrophe und gehen auf die Straße

Was in Schweden als Streik der engagierten Schülerin Greta Thunberg begann, ist mittlerweile auch in Österreich angekommen: FridaysForFuture. Am 15. März 2019 sind Tausende österreichische SchülerInnen auf die Straße gegangen statt in die Schule. Die zentrale Forderung der friedvollen Protestbewegung ist schnell erklärt: „ei­ne mutige Klimapolitik“ in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen, insbe­sondere die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels.9

Dabei haben sie die Wissenschaft auf ihrer Seite. In einer gemeinsamen Stellungnah­me10 erklärten über 23.000 namhafte deutsche, österreichische und schweizerische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Grundlage ihrer Erkenntnisse, dass die Anliegen der Klimademonstrationen berechtigt und gut begründet seien. Sie weisen voller Sorge auf die Folgen unzureichenden Handelns hin und kommen zu dem Schluss, dass die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bo­denschutz bei weitem nicht ausreichen. Sie richten ebenso wie die jungen Menschen auf der Straße ihre Warnungen in Richtung Politik: „Nur wenn wir rasch und konse­quent handeln, können wir die Erderwärmung begrenzen, das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten aufhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen bewahren und ei­ne lebenswerte Zukunft für kommende Generationen gewinnen. Genau das möchten die jungen Menschen von ‚Fridays for Future/Klimastreik‘ erreichen.“

An wen sich die wissenschaftlich unterstützten Forderungen der jungen Klimademons­trantInnen richten, ist auch klar: an politische Entscheidungsträger. Sie sollen konkrete Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe erarbeiten und umsetzen.

Die Bundesregierung lobt, redet, lenkt ab, aber handelt nicht

Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger ist „begeistert, dass Klimaschutz endlich Titelseiten füllt“11 und will mit den OrganisatorInnen von FridaysForFuture Austria im Gespräch bleiben.12 Bundeskanzler Kurz behauptet, das Anliegen der Bewegung zu teilen und freut sich darüber, dass „junge Menschen ihre Stimme erheben“.13 Auch Bil­dungsminister Faßmann freut sich angeblich über die Initiative und lenkt vom eigent­lichen Thema ab, indem er sich wünscht, dass die SchülerInnen nicht während der Schulzeit demonstrieren.14

Die RegierungsvertreterInnen erklären sich also solidarisch mit FridaysForFuture, ver­stehen aber offenbar nicht, dass sie die Angesprochenen sind. Das ist, als wollte sich der Angeklagte mit dem Kläger solidarisieren. Das ist verhöhnend. Die jungen De­monstrantInnen brauchen keine offenen Ohren, sondern Handlungen.

Und während die verantwortlichen MinisterInnen Gespräche mit #FridaysForFuture führen, loben und ablenken, werden im Hintergrund weiter Straßen und Flugzeuglan­debahnen gebaut, Flächen verbaut und Öl und Gas mit Steuergeld gefördert. Nach­haltigkeitsministerin Köstinger hat in ihrer Amtszeit eigeninitiativ noch keinen einzigen Rechtsakt zur Verbesserung des Umweltschutzes umgesetzt. In puncto Klimaschutz wird die Regierung auch nicht selbst aktiv. Eigeninitiativ ist nur das fürs Klima wahr­scheinlich irrelevante E-Mobilitätspaket herausgekommen.15 Das ist alarmierend.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 122

Die Bundesregierung fördert junge Politikverdrossenheit und befeuert die Klimakata­strophe

Schon jetzt ist es so, dass viele Jugendliche die Hoffnung aufgegeben haben: „Jugend­liche fühlen sich von Partei- (PolitikerInnen) weder wahr- noch ernst genommen. Sie sind von deren Performance enttäuscht bzw. erwarten sich auch nicht viel mehr von ih­nen. So stimmt eine Mehrheit der Aussage zu, dass PolitikerInnen nur leere Verspre­chen machen. 44 Prozent sind der Meinung, dass sie sich nicht um Dinge kümmern, die den Befragten wichtig sind.“16 Wenn die Bundesregierung vor dem Hintergrund der FridaysForFuture weiterhin nicht aktiv wird und konkrete Klimaschutzmaßnahmen um­setzt, wird sich die Jugend weiter abwenden – verständlich.

Gespräche über den Klimaschutz und demokratische Partizipation gehören in die Schule und nicht auf die politische Showbühne. Es braucht keine Gespräche mehr, es braucht keine halbseidenen Diskussionen über Schulpflicht vs. Demonstrationsrecht, es braucht keine Lippenbekenntnisse. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Regierung muss die Jugendlichen von FridaysForFuture ernst nehmen und endlich für den Klima­schutz aktiv werden. Im Sinne unserer heranwachsenden Generation. Mit den Worten von Greta Thunberg „Euch gehen die Entschuldigungen aus. Uns die Zeit.“

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, den nachstehenden Aktionsplan auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mit Nachdruck zu forcieren und die nationalen Maßnahmen umgehend in die Wege zu leiten bzw. voranzutreiben:

Auf nationaler Ebene

1. Verbesserung des Nationalen Energie- und Klimaplans auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in Übereistimmung mit unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Vertrag von Paris.

2. Eine klare, angemessene und ehrliche Kommunikation mit der Bevölkerung zur Dring­lichkeit der Lage der Klimakrise durch die Regierung.

3. Etappenweise Umsetzung einer aufkommensneutralen (!) ökosozialen Steuerreform mit einem Volumen von 8 bis 10 Mrd Euro. Kernstücke sind die Einführung einer CO2-Steuer, die Beseitigung des Dieselprivilegs, die Erhöhung der motorbezogenen Versi­cherungssteuer für PKWs mit hohen Emissionen und die Ausweitung der LKW-Maut auf das nachgeordnete Straßennetz. Die Mehreinnahmen fließen eins zu eins zurück an private Haushalte in Form einer „Klimadividende“ und an Unternehmen durch eine Senkung lohnsummenbezogener Abgaben. Für Pendler ohne Alternative zum Auto ist ein sozialer Härtefonds vorzusehen. Der Emissionshandel bleibt zunächst ausgenom­men.

4. Weitestgehende Streichung von umweltschädlichen Subventionen (darunter die Mi­neralölsteuerbefreiung für Kerosin, Umsatzsteuerbefreiung für internationale Flüge, För­derung der Energieherstellung) sowie eine ökologische Ausgestaltung des Pendlerpau­schales hin zu einer Begünstigung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

5. Erhöhung der Förderung für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen, insbesondere für niedrige Einkommen.

6. Anhebung des thermischen Gebäudesanierungs-Ziels auf mindestens 4% pro Jahr.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 123

7. Vorlage eines Energiegesetzes, das einen naturverträglichen (!) Ausbau der erneu­erbaren Energien in Österreich im Ausmaß von 4 TWh pro Jahr sicherstellt. Wird das Ausbauziel innerhalb eines Jahres nicht erreicht, sind die Mengenziele für den Ausbau im Folgejahr in diesem Umfang aufzustocken.

8. Vorlage eines konkreten Plans zur flächendeckenden Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge inklusive eines Finanzierungskonzepts und Zeitplans.

9. Ausbau von Bahnstrecken, Nachtzügen, dichtere Intervalle sowie frühere und späte­re Verbindungen im Personenverkehr.

10. Forcierung von Verkehrskonzepten für Städte und Umland, die Menschen, Radver­kehr und öffentliche Verkehrsmittel in den Mittelpunkt stellen, für eine umweltfreundli­che Mobilität und saubere, lebenswerte Städte.

11. Verkehrsvermeidung bereits auf Ebene der Raumplanung durch Schaffung einer Raumplanungskompetenz für den Bund; auch mit dem Ziel, die fortschreitende Boden­versiegelung in Österreich zu begrenzen.

12. Beendigung des Pilotversuchs „Tempo 140“.

13. Einführung eines einheitlichen Tarifmodells für den öffentlichen Verkehr in ganz Österreich in Zusammenarbeit mit den Ländern.

14. Erarbeitung eines nationalen Radverkehrsplans nach internationalen Best-Practice-Beispielen für die Verbesserung und den Ausbau des österreichischen Radwegenetzes inklusive eines Finanzierungskonzepts und Zeitplans.

15. Verpflichtende Berücksichtigung des Radverkehrs bei allen Verkehrsplanungen.

16. Verbesserung der Schnittstellen zwischen öffentlichem Verkehr und Radverkehr, u.a. durch Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln, Bike&Ride-Anlagen, Ge­päckaufbewahrung, etc.

17. Beendigung der anhaltenden Versiegelung von Boden. Der natürliche Boden ist ein idealer CO2-Transformator.

18. Konsequente Umsetzung aller europarechtlichen Vorgaben zur Verbesserung des Umweltschutzes.

19. Erhalt der letzten frei fließenden Gewässer und naturbelassenen Ökosysteme.

20. Förderung einer Landwirtschaftspolitik mit dem Ziel, klima- und naturschädliche Bo­dennutzungsformen weitestgehend zu vermeiden.

21. Massive Reduktion des Einsatzes von Pestiziden auf ein absolut notwendiges Min­destmaß.

22. Verbot aller Pestizide, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Bienen und andere wichti­ge Bestäuber gefährden.

23. Klärung der rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausstieg aus der Verwendung von Glyphosat sowie Erstellung einer nationalen Machbarkeitsstudie inkl. Folgenab­schätzung.

24. Im Rahmen von rechtlichen Möglichkeiten einen konkreten Maßnahmenplan zum Ausstieg von Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln, insbesondere im privaten Bereich, sobald wie möglich vorzulegen und umzusetzen.

25. Schaffung von verstärkten Schutzmaßnahmen und Kontrollen sowie eine Reduk­tion der erlaubten Grenzwerte von Glyphosat bei Lebensmitteln und Hygieneartikeln, insbesondere bei jenen, die für (Klein)Kinder vorgesehen sind, zum verbesserten Schutz der KonsumentInnen vor dem krebserregenden und gesundheitsgefährdenden Breitbandpestizid Glyphosat.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 124

In der Schule

26. Förderung von Kooperationen mit außerschulischen Partnern, um das Thema Kli­ma- und Umweltschutz in Schulen zu bringen.

27. Schulen dabei unterstützen, pro Schule eine/n SchülerIn als Klima- und Umwelt­schutzbeauftragte/n auszubilden.

28. Aufwertung der SchülerInnenvertretung und stärkere Einbindung in der Schule bei der Überarbeitung der Lehrpläne und Schulbücher hinsichtlich Nachhaltigkeit.

Auf europäischer Ebene

29. Anhebung der europaweiten Klimaziele zur Erfüllung des Pariser Klimaabkom­mens.

30. Budgetäre Eigenmittel für den mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 der EU durch die Einführung einer CO2-Steuer, wie im Bericht der Hochrangigen Gruppe „Ei­genmittel“ der EU vorgesehen17, eine Flugticketsteuer, die Einhebung einer Mineralöl­steuer auf Flugbenzin (Kerosin) sowie eine Plastiksteuer.

31. Einhebung der Umsatzsteuer auf internationale Flugtickets.

32. Forcierung des Ausbaus eines leistungsstarken innereuropäischen Bahnverkehrs­netzes.

33. Neuausrichtung der europäischen Landwirtschaftspolitik mit dem Ziel, klimaschäd­liche Bodennutzungsformen weitestgehend zu vermeiden und jedenfalls an dem zur Selbstversorgung des Binnenmarkts notwendigen Maß zu orientieren.

Auf internationaler Ebene

34. Bereitstellung von angemessenen Finanzmitteln für weniger industrialisierte Län­der, um weltweit den Umstieg auf erneuerbare Energien und nachhaltige Strukturen zu beschleunigen.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

1 https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-co-ausstoss-klimaschutz-1.4385141.

2 https://www.eu-umweltbuero.at/inhalt/oesterreichs-emissionen-2017-erneut-gestiegen?ref=127-6313.

3 https://www.scientists4future.org/fakten/.

4 https://www.climate-change-performance-index.org/.

5 http://www.caneurope.org/docman/climate-energy-targets/3357-off-target-ranking-of-eu-countries-ambition-and-progress-in-fighting-climate-change/file.

6 http://www.caneurope.org/docman/climate-energy-targets/3357-off-target-ranking-of-eu-countries-ambition-and-progress-in-fighting-climate-change/file.

7 https://derstandard.at/2000099833558/Pariser-Klimaziele-ruecken-fuer-Oesterreich-laut-Wissenschaftler-in-unerreichbare-Ferne.

8 https://kurier.at/politik/inland/oesterreichs-klimaplan-fuer-2030-milliardenstrafe-aus-bruessel-droht/400346833 .

9 https://www.fridaysforfuture.at/.

10 https://www.scientists4future.org/stellungnahme/.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 125

11 https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5599185/Fridays-for-futureDemos_Koestinger-begeistert-dass-Klimaschutz .

12 https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5597745/Fridays-for-future_Van-der-Bellen-und-Koestinger-empfingen.

13 https://science.apa.at/site/politik_und_wirtschaft/detail?key=SCI_20190314_SCI847412878

14 https://www.kleinezeitung.at/international/panorama/5595846/Fridays-for-Future_Tausende-Schueler-demonstrierten-fuer-Klimaschutz .

15 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02448/imfname_737324.pdf .

16 https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/32285/ssoar-sws-2009-4-perlot_et_al-Wahlen_mit_16_Jugendliche_und.pdf?sequence=1&isAllowed=y&lnkname=ssoar-sws-2009-4-perlot_et_al-Wahlen_mit_16_Jugendliche_und.pdf .

17 http://ec.europa.eu/budget/mff/hlgor/index_de.cfm.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Abgeordneter Cox als Antragstel­lerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort erteilen. Gemäß § 74 Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.01.32

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Außenministerin! Hallo an die Jugendli­chen, die da sind, und an die Damen und Herren vor den Bildschirmen! Warum habe ich heute den Dringlichen Antrag mit dem Titel „Die Jugend ernst nehmen, Klimakata­strophe verhindern.“, eingebracht? – Ich stehe heute und jetzt hier für meine zukünfti­gen Kinder, für meine Zukunft, für die Zukunft Ihrer Kinder und für die vielen jungen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, um für ihre Zukunft zu kämpfen, aber auch für die Jugendlichen, die daran gehindert wurden, auf die Straße zu gehen. (Bei­fall bei JETZT.)

Einige von Ihnen im Raum haben vielleicht auch Kinder, die am 15.3. beim Fridays-for-Future-Marsch, beim Klimastreik dabei waren. Ich war auch dort. Ich war eine von 25 000 in Wien und eine von 1,5 Millionen in 2 000 Städten weltweit.

Es war unglaublich spannend für mich, diese Demonstration zu sehen, und zwar nicht nur, weil ich mit meinem kleinen Bruder dorthin gegangen bin und auch seine Sicht der Dinge sehen konnte. Ich habe dort auch beeindruckende Schilder gesehen und habe für diejenigen, die nicht dort waren, Fotos mitgebracht. (Die Rednerin zeigt Fotos von Demonstranten, die Plakate in die Höhe halten.) Da waren Plakate zu sehen wie: „There is no planet B“ – es gibt keinen Planeten B –, „Save our earth, you coward“ – rette unsere Welt, du Feigling (Abg. Kassegger: Das ist aber nicht freundlich!) –, aber auch: „Take action not our future“ – übernehmt Verantwortung, nicht unsere Zukunft!

Das sind sehr klare, sehr provokante, sehr wichtige Botschaften und vor allem auch ein Appell an uns, nämlich an uns, die wir hier sitzen, aber auch an die Regierung bezie­hungsweise an jene, die am Hebel der Macht sitzen.

Es war ein sehr friedvoller Marsch. Es war ein sehr friedvoller, aber energiegeladener, sehr bestimmter, aber vor allem auch ein sehr wichtiger Protest, weil die Schülerinnen und Schüler, die Jugendlichen da für ihre Zukunft gekämpft haben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 126

Das Spannende war, dass Jugendliche dann zu mir gekommen sind und gefragt ha­ben: Warum nimmt uns die Politik nicht ernst? Was verstehen die Politiker und Politi­kerinnen nicht am Ernst der Lage?

Sie können sich das so vorstellen: Ich bin unterwegs mit meinem zehn Jahre jüngeren Bruder, und es war sehr emotional für mich, dazustehen und keine Antwort auf die Fra­ge zu haben, warum die Politik nicht so agiert, wie sie agieren sollte – es ist ihre Zu­kunft, es ist auch meine Zukunft –, nicht die nötigen Antworten zu haben, vor allem nicht die umgesetzten Maßnahmen. Wir hätten schon vor 30 Jahren – ich bin dieses Jahr 30 geworden – damit anfangen müssen, dann müssten wir nicht im Moment sol­che drastischen Maßnahmen setzen. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Duzdar.)

Eines kann ich Ihnen versichern: Diese Jugendlichen, diese Schülerinnen und Schüler meinen es ernst. Es ist eine unglaubliche Ernsthaftigkeit da gewesen, und diese Ernst­haftigkeit bleibt, denn sie veranstalten diesen Streik schon seit etlichen Wochen und Monaten wöchentlich und fordern sehr vehement eine mutige und radikale Klimapolitik.

Was bedeutet mutige und radikale Klimapolitik? – Das bedeutet, schnelle und weitrei­chende und beispiellose Maßnahmen der Umweltschutzpolitik im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel und globaler Klimagerechtigkeit zu setzen. Das ist eine klare Forderung, die von denen kommt, die vielleicht 20 Prozent unserer Gesellschaft sind, aber 100 Pro­zent unserer Zukunft. (Beifall bei JETZT.)

Ich spreche hier von Jugendlichen, die fordern, dass es seitens der Regierung eine kla­re und angemessene Kommunikation mit der Bevölkerung zur Dringlichkeit der Lage der Klimakrise gibt. Vielen Menschen da draußen ist die Vehemenz und die Wichtigkeit gar nicht bewusst, und wir müssen hier mit Fakten und Daten kommunizieren, die der Realität entsprechen, denn es geht hier um unsere Zukunft, es geht hier um eine Ernst­haftigkeit der Lage.

Die Jugendlichen fordern als dritten Punkt einen ambitionierten Plan zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und ein Ende der Finanzierung derselben. Dazu gehören auch eine ökosoziale Steuerreform und das Aussetzen von Subventionen und Steuerbe­günstigungen für alle fossilen Brennstoffe. – Das ist eine sehr klare Forderung, und nein, das sind keine Kinderträume, und es dürfen auch keine Kinderträume bleiben. Es sind keine Kinderträume und wir dürfen sie auch nicht so behandeln, zumal die vielen jungen Menschen, wir, die wir auf die Straße gegangen sind, von 23 000 Wissenschaft­lern und Wissenschaftlerinnen aus Österreich, aus der Schweiz und aus Deutschland unterstützt werden, die eine Stellungnahme zu den Forderungen von Fridays for Future abgegeben haben.

Diese besagt: „Nur wenn wir rasch und konsequent handeln, können wir die Erderwär­mung begrenzen, das Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten aufhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen bewahren und eine lebenswerte Zukunft für [...] kom­mende Generationen gewinnen. Genau das möchten die jungen Menschen von ‚Fridays for Future/Klimastreik‘ erreichen.“

Meine Damen und Herren, hier geht es um die Zukunft! Ich wiederhole: Sie wollen eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen. Ist das zu viel verlangt? Die Ju­gendlichen meinen es ernst. Diejenigen, die dort waren, haben es nicht nur spüren, se­hen und erleben dürfen. Das Tragische ist, dass die Dringlichkeit von ihnen kommen muss, dass sie aufzeigen müssen. Ein Plakat beim Streik hat das sehr gut dargestellt. Die Aufschrift war: „Ihr habt verschlafen, wir sind der Wecker“. – Wir sind der Wecker, der euch aufwecken muss.

Das Spannende ist, wir drücken schon sehr lange auf den Snooze-Button, und das können wir nicht weiter verantworten. Wenn uns Jugendliche sagen, dass wir verschla­fen haben und sie uns hier aufwecken müssen, dann ist das ein trauriges Zeugnis. Das


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 127

heißt: kein Snooze-Button mehr, meine Damen und Herren, liebe Regierung! Das be­deutet: Aufstehen und tun! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Klimakrise ist da, wir stecken mittendrin, es lässt sich nicht beschönigen. Es geht da nicht um eine Elitendiskussion, es geht da auch nicht um ein Bobo-Thema, da geht es um die Realität, da geht es um die Zukunft. Wie Greta Thunberg es auch schon sehr richtig gesagt hat: „Unser Haus steht in Flam­men.“ – Wir sind zwölf Jahre davon entfernt, dass wir unsere Fehler nicht mehr wett­machen können. Zwölf Jahre – aber jetzt können wir noch etwas tun. Nicht umsonst heißen die Streiks Fridays for Future, denn es geht um die Zukunft. (Abg. Vogl: Na ja, Streik ...!)

Und was macht die Regierung? – Sie klatscht, vor allem nach dem Fridays-for-Future-Marsch, angesichts der Aufmerksamkeit, die dieser Marsch bekommen hat. Sie klatscht, holt die Kameras raus, lenkt ab. Ministerin Köstinger war, wie ich vernommen habe, „begeistert, dass Klimaschutz endlich Titelseiten füllt“. – Ja, auch ich bin begeistert, dass das Thema Klima- und Umweltschutz endlich die ersten Seiten der Magazine, der Web­sites, aller Medien füllt, aber es darf nicht bei Schlagzeilen bleiben. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Bißmann.) Wir dürfen uns nicht nur freuen, dass Schlagzeilen da sind, es müssen Handlungen folgen.

Kanzler Kurz freut sich darüber, dass „junge Menschen ihre Stimme erheben“. Minister Faßmann freut sich auch, lenkt dann aber gleichzeitig vom Thema ab und bestraft nun Jugendliche, die auf die Straße gehen, wegen unentschuldigter Fehlstunden. (Abg. Gödl: Das ist ja keine Bestrafung! Hallo! – Abg. Schimanek: Die können ja am Sams­tag auch demonstrieren!)

Es scheint mir, als hätten es einige hier noch immer nicht verstanden. Diese jungen Menschen, wir, wollen keine offenen Ohren, wir wollen keine Handshakes, wir wollen keine netten Fotos, keine Versprechungen. Wir wollen Handlungen! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese jungen Menschen meinen es ernst. Bei der Regierung hingegen habe ich den Eindruck, dass sie das Thema Klima- und Umweltschutz nicht so ernst nimmt, wie sie es zu diesem Zeitpunkt eigentlich ernst nehmen müsste.

Ministerin Köstinger, Sie haben in Ihrer Amtszeit bis auf das E-Mobilitätspaket keine Eigeninitiativen, Rechtsakte zur Verbesserung von Klima- und Umweltschutz einge­bracht. Ich freue mich natürlich - - (Abg. Gödl: Dann stimmen Sie den Biomassezielen zu!) – Herr Kollege! Sie können schreien, was Sie wollen. Das ist die Realität, ich gebe sie Ihnen wieder, und wir müssen etwas tun! Wir müssen jetzt etwas tun! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gödl: Sie müssen zustimmen bei Bio­masse!)

Ich freue mich natürlich, und da bin ich bei Ihnen, Frau Ministerin Köstinger, dass auf EU-Ebene die CO2-Reduktion für neue Pkw und ein Verbot von Einwegplastik be­schlossen wird. Das sind zwar sehr wichtige Entscheidungen, aber das ist trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist nur ein Anfang, da muss noch vieles, vieles folgen.

Es beunruhigt mich sehr, wenn ich dann lese, dass trotz dieser wichtigen Entscheidun­gen, die getroffen werden, weitere Flugzeuglandebahnen gebaut werden und Milliar­den in den Ausbau von Autobahnen gesteckt werden, auf denen 140 km/h gefahren werden sollen. Dieser Zugang besorgt mich, macht mich wütend. Ich finde, das ist nicht die Antwort auf die Klimakrise, in der wir gerade stecken, das sind nicht die Maßnah­men, die es im Moment hier braucht! (Beifall bei JETZT. – Abg. Neubauer: Sie können ja 100 fahren! Fahren Sie 100! Ist ja keine Verpflichtung!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 128

Die Frage ist natürlich auch: Wie ernst nehmen Sie den Klimaschutz wirklich, Frau Mi­nister? Wie ernst nehmen Sie den Hashtag Nachhaltigkeit, der auf Ihrer Facebook-Seite überall zu sehen ist? Klimaschutz darf kein PR-Gag sein! Es geht da nicht um Wählermagneten, die man installiert, es geht um die Zukunft unserer Kinder. Es geht um meinen Neffen oder meine Nichte, der oder die bald auf die Welt kommen sollte. Es geht darum, dass wir eine Zukunft schaffen, in der ich leben möchte, in der er oder sie leben möchte, in der wir leben möchten und können. Es ist mittlerweile nicht mehr nur ein Umweltthema, es ist ein gesellschaftliches Thema, es ist ein soziales Thema, es ist ein Gerechtigkeitsthema. (Beifall bei JETZT sowie der Abgeordneten Hammerschmid und Bißmann.)

Um noch einmal auf Österreich zurückzukommen und darauf, was hier auf diesem Ge­biet passiert, um zu den Daten und Fakten zu kommen, die wir auf dem Tisch haben: In Österreich haben wir einen jährlichen Treibhausgasausstoß, der zum dritten Mal in Folge angestiegen ist. Weltweit haben wir erst kürzlich wieder Höchstwerte erreicht. Starkniederschläge, extremer Frost, Waldbrände, Hitzewellen und Dürren sind Realität. Meine Damen und Herren, ist das die Welt, in der wir leben wollen? Ist das die Zukunft, die wir haben wollen? Dürren, Hitzewellen, Frost – ich wiederhole es noch einmal – dürfen nicht der Status quo sein, denn wir stehen kurz vor der Klimakatastrophe!

Obendrein müssen wir alle als Steuerzahler und Steuerzahlerinnen Folgendes beden­ken: Wenn wir das EU-Klimaziel 2030 nicht erreichen, drohen Strafzahlungen und Kos­ten für Emissionszertifikate in Milliardenhöhe. Das bedeutet, die Klimasünde heißt nicht nur, die Erde zu verbrennen, sondern auch Geld zu verbrennen. Da geht es nicht nur um Milliarden, die dann in Strafzahlungen gesteckt werden müssen, sondern das hat ja noch weitere Ausmaße, gesellschaftlich, wirtschaftlich, und diese Kosten sind in diesen Milliarden noch nicht einmal beziffert.

Frau Ministerin! Herr Kanzler! Liebe Regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns heißt das und für uns muss die Devise lauten: Jetzt handeln! Nehmen wir die Stimme der jungen Menschen ernst! Nehmen wir ihre Forderungen ernst! Einige davon können Sie auch in meinem Antrag sehen.

Machen wir Klima- und Umweltschutz zu einer Haltung! Bringen wir sie in unsere Schu­len! Da geht es auch um Förderungen von Kooperationen mit außerschulischen Part­nern. Um das Thema Klima- und Umweltschutz in die Schulen zu bringen, muss es Ko­operationen geben. Es geht darum, Schulen dabei zu unterstützen, dass pro Schule ei­ne Schülerin oder ein Schüler als Klima- und Umweltschutzbeauftragte, -beauftragter ausgebildet wird. Wir müssen bereits in den Schulen die Schüler und Schülerinnen mit der Zukunft konfrontieren, aber sie auch darin unterstützen, dass sie Expertinnen und Experten, Botschafterinnen und Botschafter sein können.

Frau Ministerin, wir brauchen eine stärkere Einbindung in der Schule bei der Überar­beitung der Lehrpläne und Schulbücher hinsichtlich Nachhaltigkeit. Das ist das Mate­rial, das sind die Bücher, das ist die Realität, mit der die Schülerinnen und Schüler in der Schule konfrontiert werden, und da muss man eben Maßnahmen setzen. (Abg. Neu­bauer: Sie sind aber nicht in der Schule, sie demonstrieren!)

Unser Ziel muss es nämlich sein, diese Generation zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen, sich für unsere Gesellschaft und die Mitmenschen einzusetzen und sich politisch einzumischen. Ja, wir müssen sie ermutigen, und das fängt in der Schule an. Wir haben auch gesehen, dass es viele gibt, die sich engagieren. Ihnen müssen wir Gehör schenken. (Beifall bei JETZT.)

Im Moment sieht es nämlich so aus – und ich lese das aus einer Studie, die das fest­stellt –, dass Jugendliche sich von Parteien und Politikern weder wahrgenommen noch ernst genommen fühlen. Sie sind von deren Performance enttäuscht beziehungsweise


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 129

erwarten sich auch nicht viel mehr von ihnen. So stimmt eine Mehrheit der Aussage zu, dass PolitikerInnen nur leere Versprechungen machen; das bedeutet, dass 44 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass sie sich nicht um Dinge kümmern, die den Be­fragten wichtig sind.

Das ist ein trauriges Zeugnis für das Hohe Haus, da sich doch fast die Hälfte der Ju­gendlichen nicht abgeholt fühlt, nicht ernst genommen fühlt. Das kann nicht die Realität sein, in der wir uns befinden wollen!

Ich stehe heute nicht hier, weil ich Applaus ernten möchte. Es geht nicht um Lob, es geht hier nicht um Anerkennung. Ich will, dass die jungen Menschen endlich ernst ge­nommen werden. Ich will, dass Sie denen applaudieren, die auf die Straße gehen, die sich für ihre Zukunft, für unsere Zukunft einsetzen; und ich fordere Sie, liebe Regie­rung, zum Handeln auf.

Ich würde mir wünschen, dass es, wenn ich jetzt das Rednerpult verlasse, keinen Ap­plaus gibt. Ich möchte, dass Sie sich den Applaus für die Jugendlichen sparen, die Sie dann auf der Straße sehen, wenn Sie hoffentlich bei der nächsten Demonstration, bei der nächsten Diskussion, bei der nächsten Begegnung dabei sind. Geben Sie den Ap­plaus diesen Jugendlichen, die sich für die Zukunft einsetzen! Die Devise heißt: „Die Jugend ernst nehmen, Klimakatastrophe verhindern.“

15.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Elisa­beth Köstinger. – Bitte.


15.20.08

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ge­schätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, spätestens seit dem letzten Som­mer, dem Sommer 2018, sind der Klimawandel und dessen Folgen und Auswirkungen wirklich in Österreich angekommen. Aufbauend auf die letzten Jahre war speziell der letzte Sommer trocken und heiß wie noch nie. Wir hatten massive Ernteausfälle, auch Rückgänge im Wasserbereich und massiven Schädlingsbefall. Das sind nur einige spürbare Folgen. Speziell die Land- und Forstwirtschaft ist in Österreich massiv davon betroffen. Zu Recht sprechen wir von der Klimakrise als einer der größten globalen He­rausforderungen unserer Zeit.

Eines ist auch ganz klar zu sagen: Jede Unterstützung im Kampf gegen den Klimawan­del ist richtig und wichtig, weil sie dazu beiträgt, dass dieses Thema mehr Aufmerk­samkeit bekommt und dass man sich auch mit den Lösungen stärker auseinandersetzt. Ja, ich finde es gut, dass sich junge Menschen so intensiv mit diesem Thema ausein­andersetzen, dass sie ihrem Anliegen auch Gehör verschaffen. Fridays for Future macht sichtbar, dass Klimaschutz eine Bewegung ist, ausgehend von Greta Thunberg, die mittlerweile auch auf der ganzen Welt präsent ist.

Eines ist auch klar: Die Bundesregierung nimmt die Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future ernst. Uns ist Klimaschutz wichtig. Ich hatte auch die Gelegenheit, in einem persönlichen Gespräch mit einigen der Initiatoren diese Themen zu besprechen. Ein Ziel teilen wir auf jeden Fall: Das ist die Senkung der CO2-Emissionen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn Sie, Frau Abgeordnete Cox – ich begrüße das wirklich, dass wir uns heute Nach­mittag mit diesem Thema auseinandersetzen –, aber konkrete Maßnahmen einfordern, dann muss ich Sie bitten, wenn Sie die Möglichkeit haben, an Abstimmungen teilzu­nehmen, diese Verantwortung auch wahrzunehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Da haben wir ein aktuelles Thema, das ich ansprechen möchte, nämlich die Ökostrom­novelle: Biomassekraftwerke müssen aufgrund des Auslaufens des Tarifs vom Netz


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 130

genommen werden. Da hätten wir gemeinsam, mit einer Verfassungsmehrheit hier im Haus, die Grundlage schaffen können, das in einem relativ einfachen Verfahren über­gangsmäßig zu überbrücken, bis das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Kraft tritt. Das betrifft hocheffiziente Anlagen, die jetzt in Betrieb sind und die dann vom Netz genom­men werden müssen.

Auch Sie haben diese Verantwortung nicht wahrgenommen und haben gegen diese Übergangsregelung gestimmt. Wir sind gestern im Ministerrat mit einem neuen Grund­satzgesetz vorgestoßen, wir werden das in neun Ausführungsgesetzen umsetzen, weil uns das als Bundesregierung wirklich ein Anliegen ist. Es reicht nicht, Klimaschutz ein­fach immer einzufordern und bei jeder noch so kleinen Maßnahme hier in diesem Haus dagegenzustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Gleiche wird vonseiten der SPÖ betrieben. Es wäre relativ einfach gewesen, im Bundesrat für die Interessen der Bundesländer zu stimmen, für die Interessen der Bio­massekraftwerke zu stimmen, für die Interessen des Ökostroms in diesem Land zu stimmen und einfach auch zuzustimmen, damit wir eine Übergangslösung schaffen kön­nen.

Wir haben das jetzt selbst in Angriff genommen, haben innerhalb kürzester Zeit ein Biomasse-Grundsatzgesetz ins Leben gerufen, werden das umsetzen, damit wir keine einzige Anlage verlieren. Darum geht es! Sie können nicht auf der einen Seite perma­nent Maßnahmen einfordern und dann, wie gesagt, immer dagegen sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie alle wissen, und das möchte ich ganz klar dazu sagen: Als erste Maßnahme haben wir in meinem Bundesministerium die gemeinsame integrierte Klima- und Energiestra­tegie #mission 2030 erarbeitet – mit einem breiten Bürgerbeteiligungsprozess, mit ei­ner parlamentarischen Enquete hier in diesem Haus, mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, mit allen Parteien, um wirklich auch einen Ausgangspunkt dafür zu haben, wie wir diese Energiewende, diese Transformation der Wirtschaft nachhaltig in Angriff nehmen, um unsere Klima- und Energieziele auch zu erreichen.

Es steht der langfristige Umbau unseres Energiesystems an. Wir wollen bis zum Jahr 2030 die Stromversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie umstellen. Das wird ver­ankert. Dazu wird vor allem das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das bis vor dem Som­mer vorliegen wird, wichtige Impulse liefern, damit uns das auch gelingen kann. Dazu auch das Stichwort: Sektorkopplung, vor allem auch Greening the Gas, um nachhaltig die fossilen Energiestoffe aus unserem Kreislauf zu bringen und durch erneuerbare zu ersetzen. Das ist unser Ziel.

Meine Vision ist, dass in Zukunft jedes Haus in Österreich ein Kraftwerk sein kann, dass jeder in einem integrierten Energie- und Wirtschaftskreislauf die Energie selbst produziert, 100 Prozent erneuerbar, und damit wirklich einen richtigen und wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir waren diese Woche mit einer Delegation von Abgeordneten aus diesem Haus in Dänemark zu Besuch und haben uns angeschaut, wie diese Energiewende in Däne­mark vollzogen wird. Dänemark ist ja ein Pionier in vielen Bereichen. Wir haben ein ge­meinsames Ziel, das wir teilen: Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030.

Wir haben unterschiedliche Projekte angeschaut, vor allem den Netzausbau, natürlich ein ganz entscheidendes Thema, wenn wir es mit der Energiewende ernst meinen. Ei­nes ist uns allen sehr schnell aufgefallen: Der ganz große Unterschied zwischen Ös­terreich und Dänemark ist, dass in Dänemark absolute Einigkeit zwischen Gesellschaft, Parteien, Wirtschaft und Industrie herrscht, dass dieser Ausbau der erneuerbaren Energien unverzichtbar ist, dass wir alles tun müssen, um diese 100 Prozent an Er-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 131

neuerbaren wirklich zu schaffen, damit wir in Europa von Atomenergie wegkommen, damit wir vor allem auch von Kohlestrom wegkommen. Das ist der Unterschied zu Ös­terreich, und das ist das, was wir vor allem auch mit nach Österreich nehmen. Da ha­ben wir, glaube ich, den größten Brocken noch zu bewältigen, damit wir alle das glei­che Ziel haben.

Österreich deckt mittlerweile über 70 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen, und das ohne Atomstrom. Da sind wir vielen Ländern voraus und zeigen ein­fach auch in aller Deutlichkeit, dass das sehr wohl auch geht. Was Atomenergie in Eu­ropa anbelangt, kämpfen wir als Bundesregierung schon lange für einen Kurswechsel. Es darf nicht unter dem Deckmantel des Klimaschutzes – und das sei auch in aller Deutlichkeit gesagt – in Europa eine Renaissance des Atomkraftausbaus geben. Das wäre gänzlich der falsche Weg. Da sind wir als Bunderegierung wirklich maßgeblich dagegen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben Klagen gegen den Ausbau des Hinkley-Point-C-Kraftwerks in Großbritan­nien eingebracht. Wir klagen Paks II in Ungarn. Wir wollen, dass der Euratom-Vertrag überarbeitet wird (Beifall des Abg. Neubauer), dass wir vor allem auch den Brexit ganz klar als Chance dafür nutzen, den Euratom-Vertrag zu überarbeiten. Wir waren kürzlich in der Slowakei, ich habe meinen Amtskollegen vor allem betreffend Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Mochovce getroffen. Auch das ist ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt. Da gibt es massive Bedenken bezüglich der Sicherheitsstandards. Das sind die wirklich zentralen Themen, um die es uns hier geht.

Auch noch ganz wichtig: Damit uns dieser aktive Klimaschutz gelingt, damit uns auch die Energiewende gelingt, spielt der Gebäudebereich eine wirklich ganz entscheidende Rolle. Wir haben das Ziel, 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent über diesen Bereich ein­zusparen. Wir erarbeiten zurzeit gerade auch mit den Bundesländern, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, eine gemeinsame Wärmestrategie. Auch da setzen wir Maß­nahmen aus der Klima- und Energiestrategie bereits um, die den Ausstieg aus den fos­silen Energieträgern beinhalten.

Eine konkrete Maßnahme, Frau Cox, ist der Raus-aus-dem-Öl-Bonus. Wir haben mitt­lerweile über 25 Millionen Euro dafür ausgezahlt, um die 700 000 Ölheizungen, die wir in Österreich nach wie vor in Betrieb haben, gegen erneuerbare Energiesysteme aus­zuwechseln. Jeder Österreicher bekommt 5 000 Euro, wenn er auf ein erneuerbares Energiesystem umsteigt und aus dem fossilen Öl aussteigt. Auch das ist eine konkrete Maßnahme, die wir vorgezogen haben, die wir bereits umsetzen und bei der unsere Bundesländer wirklich aktive, gute Partner sind. Da sehen wir jetzt schon an den Zah­len, dass sich etwas tut, dass sich etwas verändert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der größte Bereich und die größte Herausforderung, die wir sehen, ist der Mobilitäts­bereich. Wir haben bei der Treibhausgasbilanz 2017, die uns vorliegt, gesehen, dass vor allem im Wirtschafts-, im Industriebereich die Zahlen rückläufig sind. In der Land­wirtschaft haben wir 2017 in der Treibhausgasbilanz auch ein Minus vor den Zahlen gesehen, aber speziell der Mobilitätsbereich ist ein riesengroßes Thema. Auch da hat die Bundesregierung im letzten Jahr damit begonnen, konkret zu handeln. Wir haben ein E-Mobilitätspaket ins Leben gerufen, bei dem es nicht nur um Förderungen finan­zieller Natur geht, sondern bei dem es uns wichtig war, auch generell Anreize zu bieten.

Wir wollen, dass Gratisparken für E-Mobilität in Österreich ermöglicht wird, wir wollen Busspuren öffnen – so wie Norwegen auch diese Mobilitätswende geschafft hat. Wir haben eine Ausnahme für das IG-L dahin gehend beschlossen, dass wir E-Fahrzeuge mittlerweile auf die Überholspur gebracht haben.

Wir haben gemeinsam mit Bundesminister Hofer ein Mobilitätspaket in Höhe von 93 Mil­lionen Euro ins Leben gerufen, mit dem der Umstieg auf saubere Mobilität wirklich ge-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 132

fördert wird; das betrifft aber nicht nur E-Mobilität, sondern auch Wasserstoff. Also wir versuchen, auch neuen Technologien den roten Teppich auszurollen; Ladeinfrastruktur und dergleichen gehört auch dazu.

Weil Sie von konkreten Maßnahmen gesprochen haben: Wir haben den Ratsvorsitz massiv für das Thema Klimaschutz verwendet. Ein Europa, das schützt, war das Motto der Bundesregierung; ein Europa, das Klima schützt, war das Motto meines Hauses. Wir haben in insgesamt vier Ratsformationen verhandelt und haben in jedem einzelnen Bereich Klimaschutzmaßnahmen beschlossen und umgesetzt; sie sind diese Woche auch vom Europaparlament bestätigt worden.

Eindrucksvollstes Beispiel ist dabei die Reduktion von 37,5 Prozent an CO2-Emis­sionen bei Pkws bis zum Jahr 2030. Wissen Sie, was das bedeutet? – Eine jährliche Einsparung von 180 Millionen Tonnen CO2, mehr als das Doppelte des Gesamtaus­stoßes Österreichs. Das ist ein Ergebnis, das sich wirklich vorzeigen lässt, entstanden unter österreichischem Ratsvorsitz! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist uns auch gelungen, nicht nur bei den Pkws eine massive CO2-Reduktion zu ver­ankern, sondern auch beim Schwerverkehr. Lkws, der Güterverkehr sind einer der Hauptemittenten und -faktoren, das sehen wir auch in allen Treibhausgasbilanzen. Da wird die CO2-Reduktion bis zum Jahr 2030 30 Prozent betragen müssen. – Auch dies ist ein Erfolg dieser österreichischen Ratspräsidentschaft.

Im Verkehrsbereich haben wir wirklich sehr viel zu tun. Ich glaube, eine Lösung, ein Schlüssel liegt vor allem auch im öffentlichen Verkehr. Der zuständige Bundesminister Hofer hat sich auch im Zuge der #mission 2030 – wir haben das gemeinsam ausgear­beitet – dazu verpflichtet, 7,2 Millionen Tonnen im Verkehrsbereich einzusparen. Der öffentliche Verkehr wird da massiver Teil der Lösung sein. Der Minister nimmt 2,3 Mil­liarden Euro in die Hand, um massiv in die ÖBB zu investieren, Netze auszubauen, da­mit der öffentliche Verkehr in Zukunft günstiger ist. Es soll die Möglichkeit geboten wer­den, dass man nicht aufs Auto umsteigen muss, sondern eben auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom ländlichen Raum in die Ballungszentren kommt und wieder retour. Das ist aktiver Klimaschutz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Abgeordnete! Wie eingangs schon gesagt, ist vor allem auch die Land­wirtschaft Hauptbetroffene des Klimawandels. Wir erleben mittlerweile massive Schä­den. Die Landwirtschaft wird aber auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir werden in der nächsten GAP-Reform auch klar einfordern, dass es Maßnahmenpakete gibt, durch die auch die Landwirtschaft Unterstützung erfährt, um eben auch im Klima­schutz einen Beitrag zu leisten.

Die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems. Unsere Bauernhöfe stehen zum Teil in massiver Konkurrenz zu riesigen in­ternationalen Agrarkonzernen. Da ist der Griff ins Regal zu regionalen, saisonalen, in Österreich produzierten landwirtschaftlichen Produkten ein absoluter Beitrag zu mehr Klimaschutz, etwas, was jeder Einzelne tun kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir wollen aber vor allem auch im Bodenbereich ansetzen. Eines der wichtigsten Spei­chermedien, die wir, was CO2 betrifft, haben, ist der Boden, ist Bodenfruchtbarkeit. Da wollen wir vor allem im Zuge der GAP-Reform ansetzen, damit wir zum einen die land­wirtschaftlichen Betriebe auch stärker unterstützen können, damit zum anderen aber auch die Landwirtschaft einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Ein weiteres wichtiges Thema ist mir ein ganz besonderes Anliegen: die Reduktion von Plastik. Plastik ist ein wichtiger Werkstoff, aber nicht, wenn er einmalig verwendet wird, wenn er vor allem zur Verschmutzung der Meere und der Umwelt beiträgt. Der Grund­stoff von Plastik, von Kunststoff ist Erdöl, somit eben auch eine massive CO2-Quelle.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 133

Wir haben als Bundesregierung ein umfassendes Paket zur Reduzierung des Plastik­mülls in Ausarbeitung. Das Verbot von Kunststofftragetaschen war eigentlich fast jahr­zehntelang eine Forderung, die wir nun in Angriff genommen haben, die wir umgesetzt haben. Das ist ein Äquivalent von 7 000 Tonnen Plastik, das somit eingespart werden kann.

Eines sei auch ganz klar dazu gesagt: Wir wollen nicht, dass das wieder durch eine Einwegalternative ersetzt wird, sondern das Stichwort der Zukunft ist Mehrweg. Jedes Produkt muss mehrfach verwendet werden, muss vor allem aber auch wieder einem Stoffkreislauf zugeführt werden. Die Fertigstellung der echten Kreislaufwirtschaft in Ös­terreich ist unabdingbar. Wir dürfen nichts mehr verschwenden, sondern alles muss einfach wieder als Ressource, als Rohstoff verwendet werden.

Das Plastiksackerlverbot ist aber nicht genug. Wir wollen 25 Prozent des Verpackungs­plastiks verbieten, einsparen und somit auch da wieder eine maßgebliche CO2-Reduk­tion zustande bringen.

Auch das Thema Mikroplastik liegt uns sehr am Herzen. Wir verhandeln gerade auf eu­ropäischer Ebene. Sollte es diesbezüglich nicht zu einem einheitlichen, schnellen Be­schluss kommen, werden wir in Österreich Mikroplastik generell in der Produktion ver­bieten. Auch da gibt es ein ganz klares Ziel: Bis 2020 soll das vonstattengehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie haben einige Punkte angesprochen, mit denen wir uns zurzeit sehr intensiv ausein­andersetzen, Stichwort: Steuerreform. Auch diesbezüglich hat der Finanzminister be­reits angekündigt, dass es in der ersten Etappe der Steuerreform, bei der es maßgeb­lich um die Entlastung der Geringverdiener, der Bezieher geringer Einkommen in Ös­terreich geht, auch schon ökologische Komponenten geben wird, die diese Bundesre­gierung vorstellen wird. Wir haben in der Klima- und Energiestrategie schon einiges verankert, das uns wirklich dabei helfen wird, Stichwort: Streichung der Eigenstrom­steuer. Dafür, dass man selbst Energie produziert, soll man in Zukunft nicht auch noch Steuern zahlen, sondern es soll auch ein Anreiz sein, damit man auf ein erneuerbares Energiesystem umsteigt. Wir wollen hier einiges auf den Weg bringen, das tatsächlich einen Unterschied macht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Thema Unterschied machen: Letztes Jahr haben wir den R20-Gipfel, den Austrian World Summit, zum Anlass genommen, uns gemeinsam mit den Franzosen anzuschau­en, was wir an Steuerungselementen auf europäischer Ebene zustande bringen kön­nen. Ich bin eine absolute Verfechterin eines CO2-Mindestpreises auf europäischer Ebe­ne. Ich halte nichts von nationalen CO2-Steuern, weil das im Lenkungseffekt viel zu ge­ring wäre. Um Wettbewerbsfähigkeit zu haben, um wirklich einen Unterschied zu ma­chen, brauchen wir gemeinsame europäische Lösungen. Ich würde mir wirklich wün­schen, dass diese Fridays-for-Future-Bewegung genau das in Schwung bringt, was wir seit einem Jahr versuchen, nämlich auf europäischer Ebene einen CO2-Mindestpreis zu verankern, damit es gleiche Spielregeln für unseren Wirtschafts- und Industriestand­ort gibt, damit es gleiche Regeln für die Unternehmen gibt, damit vor allem wirklich auch in ganz Europa maßgeblich CO2 eingespart wird. Dieses Thema treiben wir vo­ran. Wir konnten die Dänen in den letzten Tagen dazu gewinnen, mit uns gemeinsam auf europäischer Ebene voranzugehen.

Sie sehen, sehr geehrte Frau Abgeordnete Cox, die #mission 2030 ist bereits in Um­setzung, ist bereits am Weg. Wir arbeiten tagtäglich, jede Woche im Ministerrat Maß­nahmen ab, um das kontinuierlich umzusetzen. Ich kann Ihnen heute auch eine ganz gute Botschaft überbringen, wirklich auch einen Erfolg: Im Gesamtranking 2019 des globalen Energiewende-Index des Word Economic Forum belegt Österreich mittler­weile den sechsten Platz. Das ist eine Verbesserung um zwei Plätze. Das zeigt, dass sich unser Engagement mittlerweile auch in Zahlen niederschlägt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 134

Eines sei hier auch noch ganz klar dazu gesagt: Klimaschutz muss keine Belastung sein, sondern es geht darum, unser System, unser Wirtschaftssystem, unsere Gesell­schaft langfristig nachhaltig umzubauen, CO2 einzusparen, CO2 zu vermindern, CO2 wirklich aus unserem Wirtschaftssystem zu bringen, aber das auch in Einklang mit ei­nem Wohlstand in der Gesellschaft, mit sozialer Gerechtigkeit und auch mit Wohlstand in Österreich. Das ist unser Ziel. Ich glaube, dass es uns gemeinsam tatsächlich ge­lingen wird. Die #mission 2030 bietet dafür eine hervorragende Grundlage. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit nunmehr 10 Minuten beträgt.

Ich darf Herrn Abgeordnetem Rossmann das Wort erteilen. – Bitte.


15.39.49

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich fürchte, Frauen Ministerinnen, dass Sie die Schülerinnen und Schüler – wenn sie jetzt zugehört haben – nicht überzeugen konnten. Mit den SchülerInnen haben Sie aber auch mich nicht überzeugen können (Abg. Hafenecker: Schließen Sie nicht von sich auf andere!); ich werde versuchen, das in den kommenden 10 Minuten zu begründen.

Lassen Sie mich aber damit beginnen, dass Sie uns für das Abstimmungsverhalten be­treffend Biomasseförderung kritisiert haben. Ich habe das sowohl im Ausschuss begrün­det – Frau Ministerin, Sie wissen das ganz genau – als auch hier im Plenum. Wir ha­ben nicht die Abstimmung verweigert, wir haben schlicht und einfach dagegengestimmt, weil es gute Argumente gab, dagegenzustimmen.

Einige Argumente möchte ich an dieser Stelle wiederholen: Es handelt sich nicht nur um hocheffiziente Anlagen – diesen Beweis sind Sie uns schuldig geblieben –, und zwei­tens sind die Tarife vollkommen unklar. Das dritte Argument, das wir gebracht haben: Wir haben uns erwartet, dass Sie endlich eine Gesamtlösung vorlegen, ein Erneuerba­ren-Ausbau-Gesetz. Heute haben Sie das, sowohl medial beim Energiefrühstück im Verbund als auch hier, angekündigt. Wir warten darauf, hätten uns das aber schon längst erwartet. Da sind Sie säumig gewesen, Frau Ministerin. Und Sie hätten genü­gend Zeit gehabt, dieses Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz längst in die Wege zu leiten, anstatt diese Biomasseförderung zu diskutieren und mit aller Gewalt durch den Aus­schuss zu bringen.

Beginnen wir der Reihe nach: Sie haben gesagt, dass Sie vor etwa einem Jahr die Klima- und Energiestrategie präsentiert haben und es eine Enquete gegeben hat. – Al­les richtig. Was Sie aber nicht gesagt haben, ist, dass diese Klima- und Energiestra­tegie von den Expertinnen und Experten in der Luft zerrissen wurde. Genau dasselbe ist im Übrigen beim Entwurf des Klima- und Energieplans der Fall, den Sie mit Jahres­ende 2018 fertiggestellt haben. Dieser ist von den Klimaforscherinnen und Klimafor­schern ebenfalls in der Luft zerrissen worden.

Warum sind sowohl die Klima- und Energiestrategie als auch der Klima- und Energie­plan in der Luft zerrissen worden? – Weil weitestgehend Maßnahmen fehlen. Es wer­den Ziele formuliert, aber es fehlen Maßnahmen konkreter Art, es fehlen konkrete An­reize zum Umsteuern und Umdenken, es fehlen auch Zeitpläne und es fehlen budge­täre Mittel.

Lassen wir zum Klima- und Energieplan vielleicht Professor Kirchengast, der heute schon einmal von meinem Kollegen Zinggl zitiert worden ist, zu Wort kommen (Abg. Höbart: Professor Rossmann!): Mit den vorgesehenen Maßnahmen ist die Erreichung der EU-Klimaziele „aus wissenschaftlich-technischer Sicht de facto unmöglich“. Oder Frau Hel-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 135

ga Kromp-Kolb: Der Klimaplan ist enttäuschend und fällt hinter die Klima- und Ener­giestrategie zurück. – Zitatende.

Professor Kirchengast prognostiziert, dass wir, wenn wir diese Strategie weiterfahren, nämlich jene der Symbolmaßnahmen, die Sie nicht müde geworden sind, in Ihrer Rede aufzuzählen, bis 2030 Probleme dahin gehend haben werden, dass wir zur Erreichung der CO2-Ziele Emissionszertifikate in der Größenordnung von 5 bis 10 Milliarden Euro ankaufen müssen. Das ist keine Entlastungspolitik, Frau Ministerin, von der Sie im Zu­sammenhang mit der Steuerreform gesprochen haben, das ist eine Belastungspolitik für die Bürgerinnen und Bürger und bringt für die Lösung der Klimakrise gar nichts.

Schauen wir uns an, was Sie national im Umweltbereich konkret umgesetzt haben! Welche Rechtsakte haben Sie gesetzt? Wie viele Rechtsakte haben Sie gesetzt? – Kei­nen, Frau Ministerin, keinen einzigen! So schaut es aus! Wie viele Rechtsakte haben Sie im Klimaschutzbereich gesetzt? – Ja, da haben Sie das E-Mobilitätspaket umge­setzt, das stimmt schon. Das ist aber in Wirklichkeit ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wenn Sie zu Recht sagen, der Verkehrsbereich, der Mobilitätsbereich ist das große Pro­blem, und wenn Sie betonen, dass 2,3 Milliarden Euro in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investiert werden, dann verschweigen Sie uns auf der anderen Seite, dass in den Ausbau von Straßen und Autobahnen 8 Milliarden Euro investiert werden. Wissen Sie, was das bedeutet? – Der Ausbau von Autobahnen – und das ist eine uralte These aus den 1970er-Jahren, aus den USA – attrahiert zusätzlichen Verkehr. So schaut es nämlich aus, Frau Ministerin! (Beifall bei JETZT.)

Ich finde, das ist alles wirklich sehr, sehr erschütternd. Es passiert nichts. Und wenn Sie auf die europäische Ebene, auf die EU-Richtlinie im Zusammenhang mit der Emis­sionsreduktion von Pkws verweisen, dann möchte ich schon darauf hinweisen, dass das Europäische Parlament sich ein höheres Ziel gesetzt hat als ein Minus von 37,5 Pro­zent, nämlich ein Minus von 40 Prozent. Es hätte während der Ratspräsidentschaft Bündnispartner gegeben, mit denen es nach mir vorliegenden Informationen durchaus möglich gewesen wäre, dieses 40-Prozent-Ziel zu erreichen, aber Sie haben sich da von Angela Merkel und der deutschen Autoindustrie in Geiselhaft nehmen lassen. Sie haben mit dieser Lösung, mit dieser Ratsvorsitzlösung, einen Kniefall vor der Autoin­dustrie gemacht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie haben die Plastiksackerllösung, das Plastikverbot, angesprochen, Frau Ministerin: Das ist ein Beschluss, der längst – vor einigen Jahren – im EP gefallen ist. Das ist doch nicht etwas, das sich diese Regierung auf ihre Fahnen schreiben kann. Neulich habe ich gehört, dass Sie, die Sie ja damals im EU-Parlament gewesen sind, diesem Plastikverbot gar nicht zugestimmt haben. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Richtig! – Zwischenruf der Abg. Friedl.) Jetzt frage ich Sie, Frau Ministerin: Stimmt das oder stimmt das nicht? (Bundesministerin Köstinger: Nein!) Wenn es nicht stimmt, dann stellen Sie sich bitte heraus und erklären Sie uns, wie Sie damals gestimmt haben.

Kehren wir zurück zur nationalen Ebene: Mit Symbolpolitik oder gar mit kontraprodukti­ven Maßnahmen im Verkehrsbereich, der ja der Problembereich schlechthin ist – Stich­wort Tempo 140 –, werden wir die Klimakrise nicht bewältigen. Damit werden Sie die Schülerinnen und Schüler, die Freitag für Freitag auf die Straßen und auf die Plätze gehen, um zu demonstrieren (Abg. Schimanek: Gehen die nicht am Samstag demons­trieren?), nicht erreichen und nicht befriedigen können, und Sie werden auch das Kli­maproblem nicht lösen. Die Klimakatastrophe wird kommen, wenn Sie so weitermachen.

Wir brauchen einen Aktionsplan, Frau Ministerin, der nicht aus einigen einzelnen Sym­bolmaßnahmen besteht, sondern der ein konkreter Aktionsplan ist. Im Übrigen finden Sie, wenn Sie unseren Antrag gelesen haben, eine Reihe von ganz konkreten Maß­nahmen, die Sie umsetzen können. (Abg. Neubauer: Steuern, Steuern, Steuern!) Sie


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 136

haben – und das wäre eine dieser Maßnahmen – die Anhebung der thermischen Ge­bäudesanierung angesprochen; ich höre, dass es keine Einigung mit den Ländern gibt. Was wir aber wirklich brauchen – und das sagen alle Klimaforscher, alle Ökonominnen und Ökonomen –, ist eine Streichung umweltschädlicher Subventionen.

Es muss damit ein Ende gemacht werden, die fossile Wirtschaft und die Herstellung fossiler Energie weiterhin zu fördern, und wir brauchen eine ökosoziale Steuerreform. Beim Argument, das Sie neulich verwendet haben, als Sie gesagt haben: Wenn wir eine ökologische Steuerreform machen, dann haben wir wie in Frankreich Hunderttau­sende Menschen auf der Straße!, muss ich Ihnen entgegenhalten, dass Sie sich nie mit dem Konzept beschäftigt haben, das ich, als ich noch bei den Grünen war, (Abg. Bösch: Aha, waren Sie einmal ein Grüner? – Zwischenruf der Abg. Schimanek), und das die Grünen seit 20 Jahren versuchen, in die Öffentlichkeit zu tragen: Eine ökolo­gische Steuerreform muss von sozialen Maßnahmen begleitet sein. Das heißt, jene Steuern, jene CO2-Steuern, die eingehoben werden, müssen in Form einer Klimadivi­dende natürlich eins zu eins an die privaten Haushalte und in Form von Lohnneben­kostensenkungen an die Unternehmen zurückfließen.

CO2-Steuern sind, auch wenn Sie das nicht wollen, eine Antwort. (Abg. Gerstner: Steu­ern, Steuern, Steuern!) Sie sind auch eine Antwort auf nationaler Ebene. Länder wie Schweden und andere, die CO2-Steuern bereits vor fast drei Jahrzehnten eingeführt haben, zeigen, dass das möglich ist, und zeigen, dass das auch den Wirtschaftsstand­ort nicht gefährdet. Nehmen wir das Beispiel Schweden: Österreich und Schweden haben im Wesentlichen dieselbe reale Entwicklung beim Bruttoinlandsprodukt gehabt, aber der Unterschied zwischen Schweden und Österreich liegt darin: In Schweden sind die CO2-Emissionen gesunken und in Österreich sind sie gestiegen. Da ist sozusagen eine Kluft aufgegangen. Und das ist das, was Sie versäumt haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das Schlusswort bitte!


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (fortsetzend): Das Schlusswort, Herr Präsi­dent: Ich vertraue auf die Jugend, ich appelliere an die Jugend: Macht weiter so wie bis­her, bis die Politiker euch hören und bis sie Maßnahmen setzen! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neubauer: Mit den Konzepten von gestern werden Sie die Zukunft nicht lösen!)

15.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmucken­schlager. – Bitte.


15.50.20

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Zunächst einmal möchte ich einige Vertreter der Initiative Fri­days for Future hier begrüßen. Es freut uns sehr, dass Sie heute dieser Debatte bei­wohnen, das ist nämlich ein sehr wichtiges Thema. (Allgemeiner Beifall.)

Wenn es auch den Anschein macht, dass es nicht immer eine übereinstimmende Mei­nung gibt, beim Grundziel, der Klimaverbesserung, sind wir uns, glaube ich, sehr einig. Sie haben schon bei den ersten Debattenbeiträgen sehen können, dass es auf der einen Seite eine hypothetische Diskussion mit blockierenden Erbsenzählern gibt, die bei Beschlüssen nicht dabei sind, und wir auf der anderen Seite aber zur Tat schreiten.

Ich möchte Ihnen drei Fragen aus der Klimaumfrage der „Zeit“ – online einzusehen – vorlesen: „Sind Sie der Meinung, dass bereits genug Maßnahmen getroffen wurden, um einen Klimawandel abzuwenden?“ – Ja oder nein? „Ist der Klimawandel noch auf­zuhalten?“ – Auf einer Art Skala kann man sich zwischen „ich denke nicht“ und „ich denke schon“ eintragen. Die dritte, eine nicht unwesentliche Frage: „Haben Sie Ihr Konsumverhalten geändert, um einem Klimawandel entgegenzuwirken?“ – Ich glaube,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 137

das ist eine Kernfrage, denn neben der politischen Verantwortung gibt es auch die per­sönliche Verantwortung, und die kann man im Klima- und im Umweltschutz nicht dele­gieren.

Ich möchte aber auf Ihren Antrag eingehen, den Sie heute als Dringlichen Antrag ein­gebracht haben, in dem Sie schreiben: „Um eine Klimakatastrophe abzuwenden, müs­sen national, international und auf EU-Ebene Maßnahmen konsequenter umgesetzt werden als bisher.“

Sie schreiben weiter: „Österreichs Klimaschutzpläne bis 2030 entbehren jeglicher kon­kreter Maßnahmen“.

Ich habe hier ein Papier aus der #mission 2030, die Maßnahmen beinhaltet. Es hilft ja nichts, hier ist der Ort der Diskussion, wir müssen es Ihnen einfach nur oft genug sa­gen, was die Umsetzung der sogenannten Leuchttürme der #mission 2030 betrifft: die E-Mobilitätsoffensive, ein Minus von 7,2 Millionen Tonnen CO2, im E-Mobilitätspakt teil­weise schon hier im Hause umgesetzt.

Leuchtturm 4 und 5, thermische Gebäudesanierung und erneuerbare Wärme: Kessel­tausch und der Umstieg von fossiler Energie auf erneuerbare Energien ist von der Mi­nisterin vorangetrieben worden; auch Anreize betreffend erneuerbare Wärme und ther­mische Sanierung werden gesetzt, denn wir wissen von Experten, dass gerade im Be­reich Wohnen ein sehr hoher Prozentsatz und Wirkungsgrad erzielt werden kann.

Leuchtturm 6, 100 000-Dächer-Photovoltaik-Programm: ein ganz wesentlicher Punkt, bei dem wir die Leute mit Förderungen und sogenannten Investitionsunterstützungen ermächtigen wollen, diesbezüglich voranzukommen.

Leuchtturm 7: erneuerbarer Wasserstoff und Biomethan innerhalb der erfolgreichen EU-Hydrogen-Initiative.

Leuchtturm 8: Green Finance, bei der wir Finanzprodukte positiv ausloben, besser be­werten und unterbringen, damit die Finanzierung von erneuerbarer Energie auch ent­sprechend funktionieren kann.

Leuchtturm 11 – Kommunikation, Bildung, Bewusstseinsbildung –: Es soll ein Klima­schwerpunkt vor allem an den Schulen verankert werden.

Leuchtturm 12: die Bioökonomiestrategie, die auch jetzt schon von der Regierung um­gesetzt wird, bei der auch wieder von fossilen Energieträgern oder besser gesagt fos­silen Rohstoffen weggekommen und auf erneuerbare Rohstoffe gesetzt werden soll – ein ganz wesentlicher Punkt.

Sie schreiben weiter: „Bundeskanzler Kurz behauptet, das Anliegen der Bewegung zu teilen und freut sich darüber, dass ‚junge Menschen ihre Stimme erheben‘.“ – Sie schreiben das aber so, als ob dem nicht so wäre. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, gerade Bundeskanzler Kurz und diese Bundesregierung sind ein Beweis dafür, dass Jugend in der Politik in Österreich Fuß gefasst hat, Verantwortung übernimmt. Dage­gen können Sie mit Ihren ewiggestrigen Ansätzen auch nichts machen. Wir haben die­se Akzeptanz und wir setzen das auch um. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Führen Sie die engagierte Jugend mit dieser Politik, die Sie betreiben – sie vordergrün­dig zu unterstützen, das aber nicht zu machen, wenn es hier herinnen um Beschlüsse geht –, bitte nicht hinters Licht.

Wie gesagt, Klimaschutz und Umweltschutz können nicht nur delegiert werden, man muss das auch umsetzen. Es wäre die schlechteste Lehre für unsere Jugend und auch für uns als Erwachsene – besonders für uns in der Politik –, zu glauben, ich kann Ver­antwortung wegdelegieren, wenn ich letztendlich jemanden als Absender oder Emp­fänger für meine Botschaften finde, der das entsprechend umsetzt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 138

Sie verheizen und vereinnahmen diesen Protest für politische Manöver, und das ist nicht in Ordnung. Sagen Sie dazu, was es heißt, wenn Sie Ihre Punkte umsetzen wür­den! Wir gehen wirklich in die Umsetzung, aber gut, das ist Umweltpolitik gescheiterter 68er. (Abg. Rossmann: Was reden Sie für einen Unfug?) Sie haben schon einmal eine Umweltbewegung politisch vereinnahmt, um linksideologische, kommunistische Ziele zu verfolgen. Das werden wir nicht ein zweites Mal zulassen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rossmann: Unfug!)

Ich darf Ihnen zum Abschluss noch ein Zitat von Greta Thunberg mitgeben: „Euch ge­hen die Entschuldigungen aus, uns die Zeit“.

Wir laden Sie recht herzlich ein, beim Ökostromgesetz, das wir extra wegen der linken Reichshälfte reparieren mussten, und beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mitzugehen. (Abg. Rossmann: Wo ist es denn? Wo ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz?) Das könnten wir in diesem Jahr absolut auf den Weg bringen. Hören Sie bitte mit dem Erb­senzählen auf, wenn es um große Projekte für unsere Menschheit geht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rossmann: Wo ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz?)

15.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Feichtin­ger. – Bitte.


15.56.21

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Herr Präsident! Frauen Bun­desministerinnen! Frau Bundesministerin Köstinger hat vorhin gesagt, wir teilen ein Ziel, die Senkung der CO2-Emissionen. Machen wir doch Klimapolitik in Österreich ge­nau an diesem Punkt fest!

Rückblende: Am 16.1.2018 fand eine Pressekonferenz zur Treibhausgasbilanz 2016 statt. Frau Bundesministerin Köstinger und Herr Bundesminister Hofer stellten den Sta­tusbericht zum Klimaschutz in Österreich vor: „Für uns sind diese Daten ein wichtiger Ausgangspunkt für die Arbeit der neuen Bundesregierung [...] Sie sind nicht besonders erfreulich, aber auch nicht schlecht. Sie zeigen uns sehr deutlich, wo wir den größten Handlungsbedarf haben, wenn wir die Klimaziele für 2020 und 2030 erreichen wol­len.“ – Zitat Bundesministerin Köstinger.

Zeitsprung: Mitte Jänner 2019, die Daten für das Jahr 2017 müssen der EU-Kommis­sion bis 15.1. vorgelegt werden; das wurde auch gemacht. Man harrt gespannt der Veröffentlichung, man macht eine Presseaussendung dazu, es kommt nichts. Am 29.1. veröffentlicht dann schließlich das Umweltbundesamt, nach vielfacher Aufforderung vonseiten der Öffentlichkeit, die Zahlen. Ergebnis: Ein Anstieg von 2016 auf 2017 um rund 3,3 Prozent. Das nationale Ziel für 2017 wurde nicht erreicht, ohne zusätzliche Maßnahmen ist eine Erreichung der Klimaziele 2020 nicht gesichert. Bad News. Wie ist die Reaktion der Ministerin darauf? (Abg. Vogl: Sie twittert! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Da geht es Ihnen wie mir, ich habe auch keine vernommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir haben ja eine gesetzliche Regelung, wie auf eine derartige Entwicklung zu re­agieren ist. Für diesen Fall hält nämlich § 3 Abs. 2 des Klimaschutzgesetzes Folgen­des fest: „Bei Überschreiten der gemäß völkerrechtlichen oder unionsrechtlichen Ver­pflichtungen für die Republik Österreich ab dem Jahr 2013 geltenden Höchstmengen von Treibhausgasemissionen sind auf Basis einer Evaluierung der gesetzten Maßnah­men umgehend weitere Verhandlungen über die Stärkung bestehender oder Einfüh­rung zusätzlicher Maßnahmen zu führen. Diese Verhandlungen sind jeweils binnen sechs Monaten abzuschließen.“ – Es ist noch immer Ende Jänner.

Am 13. März 2019 hat das Nationale Klimaschutzkomitee zu dieser Frage getagt. Da­bei wurde seitens des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus die An-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 139

sicht vertreten, dass zuerst eine Evaluierung der bestehenden Maßnahmen erfolgen solle und erst dann die gesetzlich vorgeschriebene Frist von sechs Monaten zu laufen beginne.

Demgegenüber steht allerdings in den Erläuterungen, dass die Verhandlungen inner­halb der sechs Monate abzuschließen sind.

Auch im Finanzausgleichsgesetz findet sich eine Regelung, wonach „umgehend ver­stärkte Maßnahmen [...] sicherzustellen“ sind. Mit anderen Worten: Die zuständige Mi­nisterin verschleppt dringend notwendige Sofortmaßnahmen im Kampf gegen die Kli­maerhitzung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Am 15.3.2019 demonstrieren dann Tausende junge Menschen im Rahmen der Fridays for Future für eine Klimapolitik, die diesen Namen auch verdient und deren Inhalte und Maßnahmen auch wirklich positive Folgen für ihre Zukunft haben.

Frau Bundesministerin, mit Ihrer Untätigkeit bürden Sie der Bevölkerung eine riesige Hypothek auf, nämlich erstens durch die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen der Klimaerhitzung, zweitens – das ist auch schon erwähnt worden – durch die finanzielle Belastung in Milliardenhöhe, die sich aus dem Kauf von Zertifikaten ergeben müsste, und drittens weil eben PR-Maßnahmen und bloße Ankündigungen als handfeste Er­folge verkauft werden, die allerdings genau keine Auswirkungen haben.

Jetzt frage ich Sie: Wie lange braucht es eigentlich noch, bis Sie auf Basis geltender gesetzlicher Regelungen Ihre Verpflichtungen wahrnehmen und tätig werden? Sie wis­sen genauso gut wie wir alle, dass wir es uns nicht leisten können, mit Maßnahmen zu­zuwarten, bis dann vielleicht Ihr eigenes Kind auf die Straße geht und gegen Ihre Kli­mapolitik demonstrieren wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.


16.02.16

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Kollege Feichtinger, wenn Sie schon Bilanzen – und vor allem die Treibhausgasbilanz – hier verkünden, dann sagen Sie auch, unter wem und von wann bis wann die passiert ist und wer dafür verantwortlich ist. Diese Treibhausgasbilanz be­zieht sich auf die Jahre 2015 bis 2017 (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger): Wer war damals der Verkehrsminister? (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer war damals der Verkehrsminister?, das ist eine Gretchenfrage in Ihre Richtung. Kennen Sie den? – Er sitzt in der ersten Reihe, er plauscht gerade mit seinem Kollegen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bitte bleiben Sie hier also bei der Wahrheit und geben Sie die Dinge auch sachlich wie­der! Die Sachlichkeit fehlte in Ihrer gesamten Rede. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Ist das jetzt die Begründung dafür ...?!) In der gesamten Rede fehlt die Sachlichkeit Ihrer Argumente, und das ist in dieser Art und Weise nicht korrekt, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Friedl.)

Zu den Kollegen von den Pilzen (Zwischenrufe bei JETZT): Frau Kollegin Cox hat ge­sagt, sie seien der Wecker. – Das ist richtig. Ich bitte Sie, nehmen Sie bei der nächsten Plenarsitzung einen Wecker mit, Frau Kollegin Holzinger sollte ihn an ihre Seite stellen, denn Herr Kollege Pilz ist wieder nicht da (Heiterkeit bei JETZT); das interessiert ihn nicht. Bitte stellen Sie einen Wecker hin (Abg. Cox: Was hat das mit dem Klima zu tun?) und sagen Sie ihm, er soll auch seine Aufgaben hier in diesem Parlament wahr­nehmen und auch anwesend sein. (Zwischenrufe bei FPÖ und JETZT.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 140

Kollege Rossmann verfällt ein wenig in die Retropolitik seiner Vorgängerfraktion, der Grünen, die als Belastungspartei für neue Steuern und neue Maßnahmen standen, aber im Endeffekt keine Gesamtverantwortung wahrgenommen haben. (Abg. Rossmann: Sie haben doch nicht zugehört und nichts kapiert!) Das ist keine Gesamtverantwortung, die hier gelebt wird. Sie haben keine durchgängige Gesamtverantwortung in der Um­welt- und Klimapolitik wahrgenommen. Das ist Ihr Problem: Sie bringen das in Ihrer Fraktion nicht durch. Warum? – Ich kann es Ihnen erklären: Wir haben hier eine ganz konkrete Maßnahme bezüglich Umweltpolitik kontra Wirtschaftspolitik – und das ist nicht der Ansatz, den wir leben. Wir sagen diesbezüglich ganz konkret: Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik, nicht Entweder-oder, sondern Sowohl-als-auch. Es ist beides möglich! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Klaus Uwe Feich­tinger: Es ist weder noch möglich!)

Hören Sie mit den Belastungen auf! Sie treten ja gerade mit dem Gegenteil hier an das Rednerpult und auch an die Öffentlichkeit (Zwischenrufe bei JETZT), denn das Wich­tigste wäre ja, nicht mit Belastungen vorzugehen, sondern positive Ansätze vorzubrin­gen. Bringen Sie positive Ansätze vor! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das wäre eine Maßnahme, die die Umweltpolitik nach vorne bringt. Wir, diese beiden Regierungspar­teien, haben gemeinsam mit der Frau Bundesminister dementsprechend Maßnahmen gesetzt. (Abg. Cox – auf den den Saal betretenden Abg. Pilz deutend und das Ge­räusch eines Weckers nachahmend –: Der Wecker läutet! Der Wecker läutet!) Maß­nahmen wie die #mission 2030 oder die gemeinsame Klima- und Energiepolitik sind Punkte, die hier mit Leben erfüllt werden.

Ich bedanke mich auch bei den Jugendlichen, dass sie sich dafür einsetzen. Das ist wirklich eine hervorragende Maßnahme und auch eine gute Aktion. Nur würde ich dann schon auch darum bitten: Machen wir ganz einfach einmal eine Demo außerhalb der Schulzeit (Zwischenruf der Abg. Cox), denn dann sehen wir auch das Engagement! Das wäre auch ein wichtiger Ansatz für alle Pädagogen, die das unterstützen. Ich bitte diese auch, das auch mit Maßnahmen zu untermauern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Pilz.Herr Kollege Pilz, danke, dass Sie meinem Aufruf gefolgt sind. Sie sind immer der Moralapostel dieser Nation (Zwi­schenruf der Abgeordneten Cox und Pilz), es ist also schön, dass Sie sich wieder auf Ihrem Platz befinden. (Abg. Lugar: Der, der nie da ist!)

Einen Namen möchte ich noch erwähnen, und zwar den des Klimatestimonials, das jetzt durch ganz Europa unterwegs ist: Greta Thunberg. Ich habe diesbezüglich einen Facebook-Eintrag gefunden, der mich etwas nachdenklich stimmt (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abg. Cox), und zwar steht da, dass die Nutzung der Kernenergie Teil der kohlenstofffreien Energielösung sein kann. (Zwischenrufe bei FPÖ und JETZT.) Dieses Posting auf Facebook ist für mich dermaßen erschreckend und verwerflich, dass ich die gesamte Aktion, die diese Dame jetzt auch überall medial verkündet (Ruf bei der FPÖ: Unglaublich!), etwas in Zweifel ziehen muss.

Warum? – Wir lehnen die Atomenergie hier in Österreich auf allen Ebenen ganz kon­kret ab. (Ruf bei der SPÖ: Wie wir alle!) Die Frau Bundesminister hat es erwähnt: Der Euratom-Vertrag soll überarbeitet werden, Mochovce Block 3 soll in Betrieb gehen, wo­gegen wir massiv auftreten. Gegen das Kernkraftwerk Paks in Ungarn gibt es konkrete Maßnahmen, Anzeigen von unserer Seite. Es gibt das Atomkraftwerk Krško in Slowe­nien, das auf einer Erdbebenlinie steht. Wir setzen diesbezüglich mit allen möglichen politischen Maßnahmen, die uns auf bilateraler Ebene zur Verfügung stehen, konkrete Dinge um und versuchen auch mit anderen Staaten, diesbezüglich eine Wende herbei­zuführen.

Nur: Mit Ihren Darstellungen blockieren Sie ja teilweise innerstaatlich schon diese Auf­gabe. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Man hat es ja auch beim Thema Biomasse gesehen,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 141

wie schwierig es ist, mit Ihnen zu einem Konsens zu kommen. Da sieht man ja schon, wie schwierig das ist, weil Sie von der SPÖ sich schlicht und einfach noch nicht selbst gefunden haben. Arbeiten Sie an sich selbst und bemühen Sie sich dementsprechend, auch eine konstruktive Politik zu betreiben!

In diesem Sinne, Frau Bundesminister (Abg. Drozda: Ministerin!), werden wir in dieser Art und Weise weiterarbeiten und versuchen, für Österreich ein gesamtwirtschaftliches umweltpolitisches Konzept zu entwickeln. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.


16.08.56

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man die Debatte aktiv verfolgt, dann erschließt sich sofort und auf den ersten Blick, warum viele Menschen weltweit und auch in Österreich für eine aktivere Klima­politik protestieren. Wenn wir uns anhören, was hier tatsächlich an Debattenkultur und an inhaltlichem Austausch von Argumenten stattfindet, dann kommt man zum Schluss, dass das erschütternd ist.

Ich möchte, bevor ich auf das, was die Ministerin gesagt hat, eingehe, zwei wesentli­che inhaltliche Punkte der Beiträge dieser Debatte hervorstreichen.

Die Frage ist: Wo stehen wir heute? – Wenn sich die Weltgemeinschaft tatsächlich zu dieser Zielsetzung von maximal 2 Grad Erderwärmung bekennt und wenn man das Ziel auch erreichen will, gibt es eine Art weltweites CO2-Budget. Wenn man das über­schreitet, dann ist es schlicht so, dass man auch diese maximale Erderwärmung von 2 Grad nicht erreichen kann. Da ist es wiederum so, wenn man das auf Österreich he­runterbricht, dass es sich um 1 000 Millionen Tonnen CO2 handelt.

Das sind immer große Zahlen, die man nicht so leicht einschätzen kann. Was bedeutet das? Was verbrauchen wir derzeit?

Wir stehen in Österreich derzeit bei knapp 80 Millionen Tonnen CO2, das bedeutet in weiterer Fortschreibung: Unser CO2-Budget wäre 2035 erschöpft. Ab 2035 wäre also, wenn wir so weitermachen wie bisher, kein Benziner, kein Diesel, keine Heizungsan­lage, keine Industrie und vieles mehr, das Emissionen ausstößt, mehr in Betrieb. Die Frage ist – evidenzbasiert –: Schaffen wir das technologisch? – Nein. Bis 2035 schaf­fen wir das keinesfalls.

Was muss man also machen? – Man muss jetzt und sofort Schritt für Schritt jedes Jahr jene Emissionen einsparen, die leicht einzusparen sind. Und genau das macht Öster­reich derzeit nicht. Wenn man sich anschaut, was ganz konkret gefordert wird, dann erkennt man, dass gesagt wird: Heute soll das erledigt werden, was auch schon mög­lich ist.

Schauen wir uns an, wo Österreich im europäischen Vergleich steht! Ich vergleiche das jetzt bewusst nicht mit Industrienationen, die teilweise noch vor dem Umstieg sind. Ös­terreich hat von 1990 bis heute an CO2-Emissionen ein Plus von 1 Prozent. Das hört sich nicht dramatisch an, man könnte sagen, es gab deutlich mehr Wirtschaftsleistung, einen Zuwachs an Wohlstand, aber nur plus 1 Prozent an CO2-Emissionen. Wo stehen vergleichbare Staaten, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, nämlich Großbritan­nien, Belgien, die Niederlande, Schweden, Dänemark? – Die stehen irgendwo zwi­schen minus 30 und minus 40 Prozent an Emissionen. Was in den west-, mittel- und nordeuropäischen Staaten mehrheitlich geglückt ist, ist, dass man das Wirtschafts-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 142

wachstum von den Emissionen tatsächlich vollständig oder beinahe vollständig losge­löst hat. (Abg. Gödl: Mit Atomkraftwerken, das muss man sagen!)

Österreich hat diesbezüglich massive Versäumnisse. Weil der Kollege von der ÖVP gerade so hereinruft – das ist wie das Melden vom Letzten hinten im Schulbus –: Ja, es ist die ÖVP gewesen, die das Umweltministerium lange Jahre innehatte, und es ist die ÖVP gewesen, die unabhängig vom Regierungspartner immer nichts gemacht hat.

Was allerdings gemacht werden müsste – und darauf beruft man sich auch –, ist, sich anzusehen, in welchen Sektoren ganz klar Handlungsbedarf besteht. Es wird immer vom Energiesektor gesprochen. Steckenpferd jedes ÖVP-Umweltministers und jeder ÖVP-Umweltministerin ist es, dass man sagt, das ginge über die erneuerbare Energie. Tatsächlich ruht man sich da aber auf Ergebnissen aus, die vor Dekaden entschieden worden sind. Von den 20 Wasserkraftwerken, die Österreich hat und die dafür verant­wortlich sind – wobei vor allem unsere Geografie dafür verantwortlich ist –, dass wir so viel an erneuerbarer Energie haben, sind lediglich zwei in den letzten 25 Jahren gebaut worden. Alles andere ist deutlich länger als 25 Jahre her. Österreich präsentiert sich al­so als Musterschüler, es gibt aber evidenzbasiert kein einziges Datenblatt, das das rechtfertigen würde.

Wenn wir uns anschauen, wo wirklich etwas passieren müsste, dann kommen wir auf das Thema Mobilität. Ich habe vorhin gesagt, dass es 1 Prozent Zuwachs an CO2-Emissionen von 1990 bis heute gab; man kann aber genauso sagen, dass es im Be­reich der Gebäude ein Minus von 37 Prozent gab. Es gab auch bei der Abfallwirtschaft ein Minus von 28 Prozent. Das wird alles aufgefressen von einem Bereich, nämlich von der Mobilität, denn da gab es ein Plus von 66,7 Prozent.

Schauen wir uns da also genau an, wer denn dafür verantwortlich ist! Warum steigt das so an? Sind es die Menschen, die verantwortungslos handeln? – Nein, sie sind es nicht! Es sind die Umstände, die in Österreich einfach andere als beispielsweise jene in Belgien, den Niederlanden, Dänemark oder auch in Schweden sind. Es ist eine Form von Verantwortungslosigkeit, dass man in Österreich auf kommunaler Ebene weiterhin die Flächenwidmungen durchführt. Es sind jene Menschen, jene Politikerinnen und Politiker, die geliebt und gewählt werden wollen, die deswegen keinen Widerstand leis­ten, wenn ökologisch sinnlose bis schädliche Entscheidungen getroffen werden.

Genau jene Flächenwidmungen führen zu einer viel stärkeren Zersiedelung in Öster­reich, als es tatsächlich auch in anderen Staaten der Fall ist. Das bedeutet wiederum, dass die Menschen gezwungen sind, mehr zu pendeln, dass es weitere Distanzen gibt. Diesbezüglich fehlt es massiv an Politik.

Was ich jetzt zu Ihnen sagen möchte, Frau Ministerin Köstinger: All das, was Sie bis jetzt gemacht haben – vielleicht mit ganz wenigen Ausnahmen –, steht für all das, wo­gegen die jungen Menschen demonstrieren. Sie haben bis jetzt Lippenbekenntnisse, einen Marketingplan, eine #mission 2030; Sie haben tatsächlich keine ernsthaften Maßnahmen, die auch wirklich eine Wirkung in Österreich entfalten, auf die Schiene gebracht – auf die Straße will ich gar nicht sagen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie haben auch heute auf diesen Dringlichen Antrag nicht mit Inhalten geantwortet, Sie haben über ganz andere Themen gesprochen: Sie haben über das Plastik gesprochen, Sie haben über Eigeninitiativen gesprochen, die keine Auswirkungen auf die CO2-Emissionen haben. Das, was wir von Ihnen erwarten, was die Menschen jeder Alters­gruppe in Österreich von Ihnen erwarten, sind Taten. Diese Taten haben Sie nicht ge­setzt, daher ende ich mit einem Appell an die Opposition – denn die Regierungsfrak­tionen kann man in dieser Sache leider tatsächlich vergessen (Zwischenruf des Abg. Neubauer) –: Lassen Sie uns gemeinsam als Opposition einen Konsens finden und in diesem Parlament eine gemeinsame Klimapolitik vorantreiben, denn von diesen schwarz-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 143

blauen Menschen können wir nichts erwarten. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber. – Bitte.


16.15.54

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte KollegInnen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir dis­kutieren hier heute das Thema: Die Jugend ernst nehmen und die Klimakatastrophe, die Klimakrise verhindern! – Ja, wir müssen die Jugendlichen ernst nehmen, und ja, wir müssen ihr Recht auf ein Leben in Gesundheit ernst nehmen. Das ist es, was sie ein­fordern, und das ist es auch, was jeder Jugendliche in diesem Land verdient hat.

Wenn man von Klimakrise spricht, dann muss man auch die komplexen Wechselbezie­hungen, die sich durch den Klimawandel auf die Landwirtschaft auswirken, die sich auf die Ernährung auswirken, die sich auch tagtäglich auf die Wasserversorgung und dem­entsprechende Dürren, die entstehen, auswirken, und am Ende des Tages die Auswir­kungen auf die Gesundheit der Bevölkerung erwähnen.

Wir haben gestern im Zuge der Debatte zum Volksbegehren Don’t smoke erfahren müssen, dass die Gesundheit und der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung jetzt leider nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der aktuellen Bundesregierung stehen. Es ist auch erschütternd, dass der Kampf gegen krebserregende Stoffe, wie unter an­derem auch gegen das Pestizid Glyphosat, ebenfalls nicht ganz oben auf dieser Liste steht. Waren es beim Volksbegehren fast 900 000 Menschen, die sich gegen eine wei­tere Gefährdung ihrer Gesundheit ausgesprochen haben, so sind es diesbezüglich laut aktueller Sora-Umfrage, die im Auftrag des oberösterreichischen Umweltressorts im Jahr 2017 gemacht worden ist, 84 Prozent der OberösterreicherInnen, die ein Verbot von Glyphosat unterstützen würden. Eine EU-weite Umfrage besagt, dass drei Viertel der Menschen für ein Verbot von Glyphosat sind.

Die Menschen haben berechtigte Sorgen. Sie sorgen sich um ihre Gesundheit und um die Auswirkungen von Pestiziden, wie unter anderem Glyphosat. Jetzt stellt sich die Frage: Nehmen wir die Jugendlichen ernst, die jeden Freitag auf die Straße gehen und für ihr Recht auf eine gesunde Zukunft demonstrieren, und nehmen wir auch diese Tausenden Menschen ernst, die im Rahmen von Umfragen angeben, sie wollen, dass ihre Gesundheit geschützt wird und dass krebserregende Pestizide verboten werden? (Beifall bei JETZT.) – Die Antwort ist: Nein. Die Antwort ist ein ganz simples Nein, sie werden nicht ernst genommen.

Monsanto, eine Firma, die vom Image her aktuell irgendwo zwischen mexikanischem Drogenkartell und dem saudischen Kronprinzen anzusiedeln ist, macht weiterhin Mil­liardengewinne mit dem Verkauf dieses Pestizids in Europa. Und wem ist das zu ver­danken? – Während des letzten Tagesordnungspunkts, kurz bevor der Dringliche An­trag aufgerufen worden ist, ist Kollege Nikolaus Berlakovich von der ÖVP hier heraus­gekommen und hat gesagt: Ja, das haben wir von der Europäischen Union aufgedrückt gekriegt, dass Glyphosat weiterhin für fünf Jahre zugelassen worden ist. – Ganz ehr­lich: Verkaufen Sie die Bevölkerung da draußen nicht für dumm! Das Europäische Par­lament besteht aus Abgeordneten Ihrer einzelnen Fraktionen, besteht aus Abgeordne­ten der ÖVP, der FPÖ, mitunter auch der NEOS und vielen weiteren. (Ruf bei der FPÖ: Von Ihnen nicht!)

Schauen wir es uns gemeinsam an! Die Ausrede war: Das EU-Parlament hat uns das aufgehalst, wir wollten das ja eh gar nicht! – Ganz ehrlich (eine Tafel mit einer Abstim­mungsgrafik in die Höhe haltend): Wie ist die Abstimmung im Europäischen Parlament


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 144

im Oktober 2017 ausgegangen? Wie haben sich denn die hier vorhandenen Fraktionen dementsprechend zum Verbot von Glyphosat geäußert? – Das ist ein bisschen klein, aber anders wäre es nicht möglich gewesen, das entsprechend darzustellen. Man sieht es hier aber ganz gut:

Die FPÖ, vertreten in der Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit, hat folgendermaßen abgestimmt: Nein, wir wollen kein Verbot von Glyphosat, da sind wir wirklich dagegen. – Von der FPÖ kam also ein absolutes Nein.

Weiter geht es mit den NEOS, Allianz der Liberalen und Demokraten: Nein! Nein, wir wollen auch kein Verbot von Glyphosat.

Es geht weiter: Wie stimmt denn die ÖVP ab? – Neutral, Enthaltung.

Ich bin gar nicht einmal enttäuscht, dass die Freiheitlichen hergehen und als Klima­leugner sagen: Na, Glyphosat ist sicher nicht krebserregend! (Abg. Rauch: Was redest denn für einen Blödsinn?! – Abg. Deimek: Ich bin mir sicher, dass es das Klima gibt! Also ich habe noch nie das Klima verleugnet!)

Ich bin aber wirklich enttäuscht und frage mich, wie es zu dieser Entscheidung kom­men kann, dass die vereinten Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei sich auf der einen Seite hinstellen, in diesem Land herumziehen und sagen: Wir wollen ein Ver­bot von Glyphosat, weil es krebserregend ist!, und sich in der Europäischen Union, im Europäischen Parlament dann nicht für ein Verbot von Glyphosat zu stimmen trauen. Ist das wirklich Ihr Ernst? Ist das die Art und Weise, wie Sie mit der österreichischen Bevölkerung umgehen wollen, wie Sie die österreichische Bevölkerung informieren wollen? (Beifall bei JETZT.)

Hier ist noch ein weiteres Fotosujet, das das Ganze vielleicht noch deutlicher machen soll. (Die Rednerin hält eine Tafel, auf der ein Zeitungsartikel mit dem Titel „Österreich­weites Verbot für Umweltgift Glyphosat“, der ein Foto von Bundeskanzler Kurz enthält, zu sehen ist, in die Höhe.) Zur selben Zeit – wir sprechen von Ende 2017 –, als (in Richtung ÖVP) Ihre Abgeordneten nicht für ein Verbot stimmen und (in Richtung FPÖ) Ihre Abgeordneten dezidiert dagegen stimmen, läuft Bundeskanzler Kurz in Österreich herum und erzählt, dass er ein Verbot von Glyphosat will. – Nehmen Sie sich selbst noch ernst? (Abg. Gödl: Europaweit!) Sie wollen ein Verbot von Glyphosat und stim­men auf europäischer Ebene dagegen? Und in Österreich erzählen Sie der Bevölke­rung, dass Sie eh dafür sind und es eh umsetzen werden? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gödl. – Abg. Wöginger: Warum habts ihr nicht mitgestimmt bei der Öko­stromnovelle?)

Ich meine, da stimmt ja das Handeln mit dem Reden in keiner Weise überein! Das ist ja Hütchenspielerei, die da mit der Bevölkerung betrieben wird! Das ist so etwas von nicht nachvollziehbar, das ist ja gar nicht mehr zu verstehen, was da betrieben wird!

Das alles passiert zu einer Zeit, als Glyphosat im US-Bundesstaat Kalifornien offiziell auf die Krebswarnliste gegeben wird, nämlich im Juni 2017. Zur selben Zeit sagt die Weltgesundheitsorganisation, dass Glyphosat - - (Abg. Wöginger: Kalifornien! Das ist das Land, wo die ...!) – Kollege Wöginger, wenn Ihnen der US-Bundesstaat und die Entscheidung aus Kalifornien nicht passen – die haben auch Wissenschafter –, dann ziehen Sie bitte die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation heran! (Abg. Wö­ginger: Wieso haben Sie denn nicht mitgestimmt bei der Ökostromnovelle? Das wäre in Österreich gewesen! Da geht’s um die Biomasseanlagen in Österreich! Da haben Sie nicht mitgestimmt!) Die sagt nämlich, dass es wahrscheinlich krebserregend ist.

Wissen Sie, was wir in Europa haben? – Ein Vorsorgeprinzip! Wenn auch nur ein Fünkchen Gefahr besteht, dass etwas krebserregend sein könnte, dann wäre es die Verantwortung der vereinten Politik, dass wir gemeinsam sagen: Nein, diesen Auswir-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 145

kungen setzen wir unsere Bevölkerung auf keinen Fall aus! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Abg. Wöginger: Ja, und Industriebetriebe ...!)

Das reicht Ihnen noch immer nicht. Es sind für Sie noch immer nicht genug Beweise, die auf dem Tisch liegen. Während Monsanto auf der einen Seite in Europa Milliarden­gewinne mit dem Verkauf dieses Pestizids macht, wird dieses Unternehmen auf der anderen Seite in den USA zu Strafzahlungen und Schadenersatzzahlungen verurteilt, weil sein Spritzmittel einfach krebserregend ist und eine Person geschädigt worden ist. Das ist eine Strafzahlung von 81 Millionen Euro.

Ich meine, das kann mir doch niemand erklären, dass sich die österreichische Politik noch immer dem verwehrt, dass wir da von einem Mittel sprechen, das tagtäglich im privaten Bereich und auf den Feldern draußen ausgespritzt wird, und gleichzeitig sa­gen wir immer noch: Wir sind für die Gesundheit der Bevölkerung da.

Frau Ministerin Köstinger, vielleicht ein weiteres Argument, das Sie in Ihrer Arbeit un­terstützen soll und hoffentlich in eine Richtung bringt, die die Gesundheit der Bevölke­rung auch an erste Stelle stellt – aus Frankreich, ganz konkret –: Glyphosatrückstände sind aktuell nicht nur in vielen Lebensmitteln zu finden, sie sind laut Studien nicht nur im Urin fast aller Menschen zu finden, sondern auch in der Muttermilch für viele, viele Babys. Jetzt kommt noch dazu, dass laut einer aktuellen Studie, laut einem offiziellen Bericht der französischen Umweltschutzbehörde – und das ist nicht irgendjemand, wirklich nicht – festgestellt worden ist, dass Glyphosatrückstände in Babywindeln nach­gewiesen worden sind und die Gefahr besteht, dass durch den Urin die Aufnahme in den kindlichen Körper stattfindet.

Wollen Sie das weiterhin in Europa zulassen? Wollen Sie weiterhin hinter Ihrer Abstim­mung stehen, bei der Sie sich enthalten und sich keine Meinung zutrauen oder gleich ablehnen? Das ist keine verantwortungsvolle Politik!

Ich bitte Sie: Fangen Sie endlich an, verantwortungsvolle Politik zu machen! Nehmen Sie die jungen Menschen, die jeden Freitag demonstrieren, ernst! Nehmen Sie wissen­schaftliche Studien ernst und nehmen Sie die Tausenden Menschen in Österreich ernst, die sich für den Schutz ihrer Gesundheit und einen nachhaltigen Schutz unserer Umwelt aussprechen! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pla­kolm. – Bitte.


16.25.13

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders bei diesem Tagesord­nungspunkt: Liebe Jugendliche, die ihr die heutige Parlamentssitzung via Handy, vor dem Fernseher oder auch hier auf der Galerie verfolgt! Die Jugend ist nicht nur die Zukunft, sondern vielmehr die Gegenwart, und darum freut es mich ganz besonders, dass sich viele Schülerinnen und Schüler für ihre Zukunft engagieren und sie politisch mitgestalten.

Durch die enorme Beteiligung an den Klimademos in den letzten Wochen wurde ein starkes Bewusstsein für den Klimaschutz geschaffen. Der Klimawandel betrifft uns alle, aber in erster Linie die nächsten Generationen, die diese Situation nicht verursacht ha­ben, aber damit werden umgehen müssen.

Wichtig ist, dass wir abseits der Streiks Maßnahmen setzen, die unser Klima und un­sere Umwelt schützen. Diese Maßnahmen setzen nicht nur wir hier in der Politik, diese Maßnahmen kann auch jeder Einzelne von uns setzen. Jeder von uns trifft tagtäglich unzählige Entscheidungen, die Auswirkungen auf den Umweltschutz haben, und ent-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 146

scheidet sich jeden Tag für mehr oder weniger Klimaschutz. Kaufe ich Eier, Gemüse oder Fleisch beim regionalen Landwirt, oder sind mir Herkunft und Qualität einfach egal? Trenne ich meinen Müll ordentlich im Altstoffsammelzentrum oder sammle ich in erster Linie Restmüll? Fahre ich heute nach der Nationalratssitzung mit dem Auto nach Hause oder mit dem Zug? Vieles haben wir selbst in der Hand, jeder Einzelne hier he­rinnen. Wir können unseren Beitrag zu Umweltschutz und Klimaschutz leisten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Bösch und Rauch.)

Unsere Regierung und ganz speziell unsere Bundesministerin Elisabeth Köstinger setzt viele politische Maßnahmen für den Klimaschutz. So wird Einwegplastik ab 2020 verboten und auch in der Steuerreform, die gerade erarbeitet wird, werden ökologische Anreize enthalten sein.

Mit der #mission 2030 hat die Bundesregierung die österreichische Klima- und Ener­giestrategie auf den Weg gebracht, und da ist es das Ziel, bis 2030 die CO2-Emis­sionen um 36 Prozent zu reduzieren. 36 Prozent entsprechen einem Minus von 14 Mil­lionen Tonnen CO2. Weiters ist in dieser Strategie enthalten, dass wir den Anteil der
E-Mobilität in Zukunft steigern und generell einen Umbau unseres Energiesystems an­denken sollen. Wir möchten, dass wir aus den fossilen Brennstoffen aussteigen und diese durch erneuerbare Energiequellen ersetzen und damit unseren tagtäglichen Be­darf decken. Bereits jetzt ist Österreich Vorreiter in Europa, denn es stammen mehr als 70 Prozent unseres Stroms und rund 30 Prozent unseres Gesamtenergiebedarfs aus erneuerbaren Quellen.

Diese Woche im Ministerrat ist auch beschlossen worden, die Ökostromabgabe für ein­kommensschwache Haushalte zu streichen und unsere regionalen Biomasseanlagen auch in der Zukunft zu erhalten, zu sichern. Danke schön, liebe Elli, für deinen Einsatz in diesem Bereich! Nachdem der Bundesrat da keine Mehrheit zusammengebracht hat, ist die Bundesregierung konsequent vorgegangen und unterstützt unsere regionale Wertschöpfung mit dem Erhalt der Biomasseanlagen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Gudenus und Rauch. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gerade weil die nächsten Generationen beim Thema Klima- und Umweltschutz ent­scheidend sind, müssen wir auch im Bereich der Bildung für eine nachhaltige Zukunft gerüstet sein und da Bewusstsein schaffen. Da ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir auch einen Klimaschwerpunkt an unseren Schulen setzen. Es ist ebenso in der #mission 2030 festgehalten, diesen Klimaschwerpunkt in unseren Lehrplänen zu ver­ankern.

Als kommende Generation haben wir die Zukunft klar im Blick. Unser Horizont endet nicht im Heute, und daher nehmen wir Nachhaltigkeit in allen Bereichen ernst: vom ausgeglichenen Budget, das wir hier herinnen beschlossen haben, über den Umgang mit unseren Ressourcen bis zur Verantwortung gegenüber den nächsten Genera­tionen.

Der konsequente Schutz unserer Böden, unserer Luft und unseres Wassers hat für uns aus Liebe zu dem Land, in dem wir leben, höchste Priorität. Für uns sind Klimaschutz und eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung keine Gegensätze, sondern zwei Sei­ten derselben Medaille. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Zusammenar­beit für den Umweltschutz, für den Klimaschutz in Österreich und danke für die Betei­ligung an dieser Diskussion. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Duz­dar. – Bitte.


16.29.56

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen auf der


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 147

Galerie! Hohes Haus! Zum ersten Mal erleben wir, dass der Klimaschutz eben nicht mehr nur ein Thema von und für Experten und Expertinnen ist, sondern dass es eine weltweite Protestbewegung gibt, eine weltweite soziale Bewegung, die quer durch alle Gesellschaftsschichten geht und vor allem auch von jungen Menschen getragen wird. Daher geht es nicht mehr, dass sich die Politik vor diesem Thema drückt und nur auf Alibiaktionen, Scheinmaßnahmen und halbherzige Geschichten setzt.

Auf der ganzen Welt wird protestiert. Junge Menschen gehen auf die Straße. Ich frage mich: Was passiert in Österreich? – In Österreich sitzen die Leugner der Klimakrise, die der felsenfesten Überzeugung sind, dass die Klimakrise nicht von Menschen ge­macht wird, in der Regierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da stelle ich mir schon die Frage, wie es sein kann, dass wir in Zeiten, in denen wir in Österreich mehr Hitzetote als Verkehrstote ha­ben – im Jahr 2018 waren es 766 –, in denen Waldbrände ganze Landstriche verwüs­ten und es in Tirol schreckliche Murenabgänge gibt, eine Regierungspartei haben, die da vollkommen faktenresistent ist und nicht erkennt, was da passiert? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Wie kann es sein, dass Sie gegen die Biomasse stimmen?)

Abgesehen von dem Sager des Herrn Vizekanzlers, dass die Sahara einmal die Korn­kammer Roms gewesen ist: Die Vizepräsidentin der Nationalbank, die auf einem FPÖ-Ticket dort sitzt, ist gleichzeitig auch die Präsidentin des sogenannten unabhängigen Hayek Instituts, das die FPÖ politisch berät. Ich kann Ihnen nur nahelegen, schauen Sie sich einmal die Homepage des Hayek Instituts an! Da findet man so interessante Artikel, in denen die Auffassung vertreten wird, dass die Klimakrise, dass das alles kein Problem ist (Zwischenruf des Abg. Loacker), weil sich heutzutage eh jeder eine Kli­maanlage und einen Swimmingpool leisten kann, und wenn man eben, wenn es heiß ist, nicht hinausgehen will, dann kann man sich ja das Essen per Uber ins Haus kom­men lassen. – Ja, also diese Thesen sind wirklich jenseitig.

Man darf sich aber nicht davon blenden lassen, dass es hierbei rein um Verschwö­rungstheorien geht und dass wir es ausschließlich mit Verschwörungstheoretikern zu tun haben. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, FPÖ und ÖVP vertreten knallharte wirtschaftliche Interessen von Großindustriellen, die nämlich überhaupt kein Interesse daran haben, dass die CO2-Emissionen in der Welt reduziert werden. Ja, wir erleben es: Die Großindustrie schafft an, ÖVP und FPÖ führen aus. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gödl: Sie stimmen gegen die kleinen Biomasseheizwerke!) – Ja, zur Bio­masse komme ich noch.

Da wären wir gleich bei Ihnen, Frau Ministerin Köstinger. Es ist wirklich großartig, dass Sie da anlässlich des weltweiten Klimastreiks am 15. März – ich war dort – ein schönes Video gemacht haben. Die Reaktionen der Organisatoren von Fridays for Future haben aber recht klar gezeigt: Frau Ministerin, hören Sie bitte auf, die Proteste politisch für sich zu vereinnahmen! Das tut man nämlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Sie sollten lie­ber handeln und endlich eine richtige Klima- und Energiepolitik machen.

Bei Ihnen, Frau Ministerin, merkt man: Ihr Herz schlägt nicht für die Umweltpolitik. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein!) Es schlägt nicht für die Umwelt, sondern ausschließlich für die Landwirtschaft.

Das einzige Thema, bei dem ich in 15 Monaten bei Ihnen politische Leidenschaft ge­spürt habe, war die ganze Geschichte mit der Biomasse. Da wollten Sie mir erklären, dass mit der Biomasse jetzt endlich die Energiewende eingeleitet wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Frau Ministerin, wir sind nicht gegen die Biomasse. Erklären Sie uns aber einmal, warum Sie gegen Transparenz sind! Erklären Sie den Stromkunden und Stromkundinnen in Österreich, warum Sie dagegen sind, dass sie erfahren, wohin 150 Millionen Euro Förderungen fließen! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 148

Sie sind einfach mehr Landwirtschaftsministerin als Umweltministerin, das merkt man. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Zarits.) Man merkt auch, dass die Großagrarindustrie bei Ihnen anschafft. Wir haben heute auch schon gehört, dass die ÖVP bei der Glyphosatdiskussion im Europäischen Parlament gegen ein Verbot gestimmt hat. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Da sieht man, wer in Wirklichkeit an­schafft und bei Ihnen die Politik macht.

Zigtausende Schülerinnen und Schüler haben Sie mit ihren Visionen und mit ihrem Mut schon längst überholt! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, was wir eigentlich wollen, ist Klimagerechtigkeit. Wir wollen climate justice. Das geht aber nur dann, wenn die Regierung bereit ist oder eine Bereitschaft zeigt, auch öffentliche Gelder in die Umstellung unseres Energiesystems, in den Aus­bau erneuerbarer Energie zu investieren. (Abg. Gödl: Die Biomasse!) Bei Ihnen in der #mission 2030 steht Energiewende drinnen, aber es darf nichts kosten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gödl.) Das ist keine Energiewende, meine sehr geehrten Da­men und Herren!

Ich gebe Ihnen ein positives Beispiel: Der Staat hat Geld in die Hand genommen und in den Fünfzigerjahren, in den Sechzigerjahren unheimlich viel in den Ausbau der Was­serkraft investiert. Auch heute ernten wir die Früchte dieser Investitionen, auch heute profitieren wir davon, nämlich von einer aktiven Rolle des Staates. (Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Frau Ministerin, ich erwarte mir von Ihnen einfach wirklich mehr Engagement in diesem Bereich. Sie schaffen es als Umweltministerin nicht einmal, dem Infrastrukturminister zu widersprechen, wenn er umweltschädliche Maßnahmen wie Tempo 140 setzt.

Ich fordere Sie daher auf: Seien Sie doch auch so mutig wie die Tausenden Schüler und Schülerinnen, die jeden Freitag am Heldenplatz demonstrieren und protestieren und das morgen auch tun werden! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dei­mek. – Bitte.


16.36.27

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! (Abg. Wöginger: Jetzt wird’s wieder sachlich!) – Richtig, Herr Klubobmann, wir wollen wieder etwas mehr Sachlichkeit, mehr Ruhe und vor allem mehr Überlegtheit in die Debatte einbringen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wenn ich mir einige Forderungen aus diesem Entschlie­ßungsantrag anschaue, dann muss ich sagen: Ja, da ist ja einiges drinnen, das ja gar nicht so verwerflich ist. Zu etlichen Punkten hat zum Beispiel die Frau Ministerin schon gesagt, was sie getan hat und was sie noch weiter vorhat.

Ich nehme die Verkehrspunkte, zum Beispiel den Ausbau der Bahnstrecken, der Nacht­züge, das einheitliche Tarifmodell: Sie werden sich noch erinnern können, das nennen wir das Österreichticket – oder eine E-Ticketing-Variante davon. Das ist ja alles auch beim Parallelminister – wenn man so sagen will – Norbert Hofer in Arbeit oder teilweise schon umgesetzt.

Ich muss sagen, ich muss mich auch bei etlichen Verkehrslandesräten bedanken – sei es Günther Steinkellner aus Oberösterreich oder Kollege Schleritzko aus Niederöster­reich –, die verstanden haben, dass man mit Regionalbahnen auch vernünftige Ver­kehrspolitik machen kann. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 149

Was sind aber die Kernpunkte, bei denen man besonders gut aufpassen muss? Was sind diese Kernpunkte? Man muss bei allem immer betrachten: Was war unser An­fangsstandpunkt, was ist das Ziel, und mit welchen Maßnahmen kommt man da hin? Und was sind die Konsequenzen daraus? Wenn man das nämlich nicht macht, dann ist es, wie es Frau Kollegin Holzinger gesagt hat, eine Hütchenspielerei.

Ich habe wirklich Hochachtung vor den Schülern, die nach der Schule für die Beendi­gung des Klimawandels, für ihre Forderungen demonstrieren. Dann frage ich zum Bei­spiel Eltern dieser Schüler – ehrenwerte Journalisten, wunderbare Verwaltungsange­stellte –: Wie schaut denn das jetzt mit den Klimazielen beispielsweise in der Grund­stoffindustrie – nicht in der österreichischen, in der europäischen – aus? Sollen wir die Zementwerke, die Stahlwerke, die Kupferhütten zumachen? In Summe ist es nämlich so: Alles, was wir zumachen, wird in zehnfacher Höhe in Indien, in China, in anderen Ländern neu auf den Markt geworfen, und zusätzlich werden noch die alten Kapazi­täten revampt – das heißt erneuert, ertüchtigt – und produzieren.

Sollen wir daher bei uns deindustrialisieren und in anderen Ländern die Industrien auf­bauen? Was machen wir dann mit den Arbeitern – und das sind nicht ein paar, das sind in Österreich Zehntausende, 40 000 im Bereich des Stahls, etliche Tausend im Be­reich Zement und Buntmetalle? Was machen wir mit denen? – Dann sagen mir diese ehrenwerten Eltern: Na ja, das werden wir mit Digitalisierung und Robotik ausgleichen.

Da haben wir ein Bildungsproblem übersehen! Das ist nicht ein Umweltproblem, da ha­ben wir das Bildungsproblem bei den Eltern übersehen, denn mit ein bisschen Soft­wareschreiben oder mit ein bisschen Robotern, wo man dann irgendwelche kleinen Motoren zusammenstückelt, mit dem werden wir diese Millionen Grundstoffindustriear­beiter nicht durchbringen können – also bitte um ein bisschen Hirnschmalz in der Dis­kussion! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Zweite ist – auch wenn wir an die Digitalisierung denken, auch wenn wir an alles andere denken –: Ich habe am Anfang gesagt: Was waren denn unsere Rahmenbe­dingungen? – Dass wir unsere Industrie, unser Gewerbe – das, was Kollegin Duzdar vorgeworfen hat – berücksichtigen, und wir tun es wirklich mit gutem und bestem Ge­wissen, weil wir dabei auch auf unsere Arbeitnehmer schauen, die in dieser Industrie ihre Arbeitsplätze haben, die von dort ihr Geld bekommen. Die haben seit Jahren und Jahrzehnten die höchsten Umweltstandards, das hat einen Haufen Geld gekostet! Dafür möchte ich mich bei der österreichischen und europäischen Industrie ausdrück­lich bedanken.

Wenn wir die schließen, weil wir sagen, wir machen das einfach als Umweltschutzmaß­nahme: Dieselben hohen Umweltmaßnahmen in China, die können Sie sich erträumen! Wer heute nach Peking geht und das lautstark fordert, der wird seine Personalitäts­maßnahmen und seine Schlechtpunkte kriegen und vielleicht ein Problem bei der Aus­reise haben, oder was immer halt an demokratischen Maßnahmen im Reich der Mitte für solche Leute vorgesehen ist. Das muss man sich auch einmal überlegen! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss noch ein Appell: Es geht nicht ums Klima, das Klimaleugnen oder sonst etwas! Von diesem hohen Niveau aus ist es wesentlich schwerer, noch weiter einzu­sparen als beispielsweise in Rumänien, wo man sonst nichts macht, aber ein Kohle­kraftwerk schließt und uns mit den Maßnahmen überrundet hat. Auch darüber sollten wir einmal nachdenken! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Erasim hat sich zu einer tatsäch­lichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 150

16.42.09

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abgeordneter Deimek hat behauptet, dass Regionalbahnen im Sinne der Be­kämpfung des Klimawandels gefördert werden.

Ich berichtige tatsächlich: Das ist nicht der Fall, denn im Zusammenhang mit dem Weinviertel wurde am Freitag bekannt, dass das Schweinbarther Kreuz, die R18 ge­schlossen wird. 800 Pendlerinnen und Pendler werden auf Busse verfrachtet (Abg. Lu­gar: ... keine tatsächliche Berichtigung!), und deshalb ist diese Aussage des Abgeord­neten Deimek nicht richtig. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pilz. – Abg. Deimek: Sie kennen sich im Verkehr nicht aus, es tut mir leid!)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


16.42.55

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Ja, es wundert mich direkt – zuerst danke ich einmal Kollegin Cox, dass sie diese Dringliche eingebracht hat; ja, sie ist wichtig –: Jetzt sind ein bisschen mehr Abgeord­nete der FPÖ da, aber als Kollegin Cox ihre Dringliche begründet hat, war es ziemlich lau hier. Ich stelle fest: Die einzige Bedrohung, die Sie kennen, sind die Ausländer und ist nicht das Klima! (Zwischenruf des Abg. Lausch. – Abg. Deimek: Das war ein bil­liger Populismus, aber den sind wir gewöhnt!) Das ist einmal das Grundproblem: dass Sie den Klimawandel nicht ernst nehmen.

Ich bin ein Touristiker, und genauso wie für die Landwirtschaft oder diese Ministerin, die Landwirtschaft und Tourismus vertritt, ist das für uns eine enorme Bedrohung, ge­nauso wie für unsere Generation und die nächsten Generationen. Das ist ein wichtiger Punkt, dem müssen wir uns stellen! (Beifall bei NEOS und JETZT.)

Nun möchte ich, bevor ich auf das Thema eingehe, ein bisschen auf meine Vorredner replizieren.

Kollege Deimek hat gesagt, man darf die Industrie sozusagen nicht vernachlässigen oder benachteiligen. – Dazu muss man schon wirklich sagen, dass die Industrie in Ös­terreich, auch aufgrund der hohen Auflagen, auch aufgrund der hohen Behördenaufla­gen, im Vergleich zu den anderen dementsprechend sauber ist. Also da besteht keine Gefahr und wir brauchen hier keine Ängste zu schüren, dass diese Auflagen den In­dustriestandort Österreich gefährden würden.

Punkt zwei, dazu, was Kollege Schmuckenschlager gesagt hat, was die Umrüstung von Ölkesseln auf andere Befeuerungsarten betrifft: Da hat er schon recht. Nur, Kolle­ge Schmuckenschlager, reden Sie einmal mit der Wirtschaftskammer, die fördert näm­lich gerade, dass neue Kessel auch gebaut werden beziehungsweise bewirbt es. (Zwi­schenruf des Abg. Hörl. – Bundesministerin Köstinger: Nein! ...!) – Frau Minister, sie bewirbt es, das wissen Sie! Das kann ich Ihnen danach zeigen! (Neuerliche Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Köstinger.) – Aber Sie haben es abgestellt? (Bun­desministerin Köstinger: Ja!) – Okay, Sie haben es abgestellt.

Wenn es darum geht, wie Kollege Rossmann gesagt hat – und jetzt verteidige ich die Frau Ministerin –, dass wir ja bei dieser Biomassegeschichte ein neues Gesetz hätten schreiben können: Diese Chance hätten wir mit der Sunset Clause innerhalb von drei Jahren gehabt. Da hätten wir uns auch konstruktiv einbringen können. Es ist einfach aus parteipolitischer Räson hier drüben (in Richtung SPÖ) nicht gelungen, weil Sie auf Wien Rücksicht nehmen mussten, und darum wurde es im Bundesrat abgelehnt. Das ist Tatsache. NEOS hat sich in dieser Hinsicht immer konstruktiv eingebracht. (Abg. Wöginger: Das ist richtig! – Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 151

Ich bin dann schon ein bisschen hellhörig geworden, als die Frau Minister gesagt hat, für die Landwirtschaft muss man ein bisschen Geld in die Hand nehmen. – Kann schon sein, aber ich glaube, wenn es um Nachhaltigkeit geht und wenn es um das Klima geht, dann hilft da nicht alleine die Nachhaltigkeitsministerin, da muss der Herr Finanz­minister für die steuerliche Komponente dabei sein. Wir brauchen – und wir haben das schon im Jahr 2017 verfasst – eine CO2-Lenkungssteuer (die angesprochene Unterla­ge zeigend), ein klares Konzept mit klaren Richtlinien, das dementsprechend verfolgt werden kann.

Da braucht es eine steuerliche Komponente, nämlich eine Lenkung, dass der Faktor Arbeit entlastet wird und eine CO2-Lenkung stattfindet. Das heißt auch, dass die Len­kung dahin geht, dass man übertrieben sagen kann: Es kann jeder seinen Jeep oder seinen Ferrari daheim stehen haben, er muss dann halt einfach viel mehr dafür zahlen! Das ist eine Lenkung.

Keine Lenkung ist, wenn wir nicht darüber diskutieren, wie unsere Infrastruktur aus­schaut, Frau Minister. Zur Infrastruktur sage ich Ihnen Folgendes, weil Sie gerade vor ein paar Tagen den Plan T vorgestellt haben: Der Wintertourismus, immerhin knapp 70 Millionen Nächtigungen, verursacht 76 Prozent an Anreisenden mit dem eigenen Pkw. (Abg. Wöginger: Wie soll man denn sonst ...?) Das ist eine enorme Zahl. Da funktioniert die Infrastruktur nicht. Da bräuchten wir den Infrastrukturminister, wenn wir davon sprechen, dass wir auch ein Transitland sind. Die Schweiz hat das mit einer viel besseren Infrastruktur viel besser auf die Reihe bekommen. Bei uns ist auch das Benzin billiger.

Ein Faktor, der ganz entscheidend ist, kommt noch dazu, nämlich: Was machen wir mit der Pendlerpauschale? Weil wir keine funktionierende Infrastruktur haben, verteilen wir in höchstem Maße Pendlerpauschalen. Das regt auch nicht dazu an, dass ich mich jetzt bewusst damit auseinandersetze, wie viel ich ausstoße. Wir brauchen da andere Anreize.

Und: Beim Förder- oder Föderalismus muss man auch andere Ansätze bringen. Wir brauchen da enorme Anreize für Wirtschaft und Forschung und vor allem für die Wis­senschaft. Skandinavien macht es uns mit green energy vor. Die haben die Emissio­nen reduziert und gleichzeitig mit einer Schwerpunktaktion für den Forschungsbereich grüne Energie das Wachstum hinaufgeschraubt. Natürlich ist Skandinavien nicht Öster­reich, weil es keine Transitländer sind, aber wir könnten da viel mehr machen – nicht nur Geld verteilen, was intransparent ist; dazu bräuchte es nach wie vor die Transpa­renzdatenbank –, wir bräuchten gerade eine Schwerpunktsetzung für die Industrie, für die Forschung und für die Wirtschaft in grüner Energie. Das ist ein Thema.

Zu guter Letzt brauchen Sie, um sich bei den Landeshauptleuten durchzusetzen, um diese Ziele – die Sie hier drinnen haben, nicht messbar, in diesem Konzept (die ange­sprochene Unterlage zeigend); da steht drauf „Entwurf des integrierten nationalen Ener­gie- und Klimaplans“ – zu erreichen, einen Bundesraumordnungsrahmenvertrag. An­sonsten können Sie sich nie und nimmer gegen die Landeshauptleute durchsetzen, an­sonsten können Sie sich nie und nimmer gegen die Bürgermeister durchsetzen. Das ist ein Thema.

Da müssen Sie als Nachhaltigkeitsministerin alles daransetzen, dass Sie die vier Mi­nister an einen Tisch bekommen, und sagen: Ja, die Jugend ist uns wichtig, ja, die nächste Generation ist uns wichtig, und darum müssen wir das Klima retten!

Das können wir in diesen Punkten in Österreich auch alleine, dazu brauchen wir die Europäische Union nicht. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.49



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 152

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.


16.49.43

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ja, Österreich hat sich wie viele Länder weltweit in Paris verpflichtet, das Klimaabkom­men einzuhalten. In Katowice wurde es dann noch weiterentwickelt. Die Bundesregie­rung hat mit der #mission 2030 reagiert, und auch die Länder haben reagiert, wenn ich mir zum Beispiel Tirol anschaue: 2050 energieautonom.

Aber es ist heute schon gesagt worden: Wir müssen dieses Problem natürlich weltweit, global sehen. Wenn ich mir die Zahlen in Erinnerung rufe und das auch einmal ein­bringen darf: Der weltweit größte Emittent ist China mit 27 Prozent, die USA liegen bei 16 Prozent und die gesamte EU verursacht 10 Prozent. Die Deutschen liegen als der größte Staat bei 2,4 Prozent der weltweiten Emissionen, und Österreich liegt gerade bei 0,2 Prozent. Sie vergleichen in Ihrem Dringlichen Antrag Österreich mit China, und das steht halt einfach in keiner Relation.

Europa verursacht also 10 Prozent der globalen Emissionen, leistet aber 40 Prozent der Beiträge für die internationale Klimaschutzfinanzierung. Um es also auch für JETZT noch einmal klarzustellen: 7 Prozent der Weltbevölkerung, das sind die Europäer, leis­ten ein gutes Fünftel des globalen BIPs, produzieren und konsumieren 50 Prozent aller Sozialausgaben – und merke: 10 Prozent der Emissionen stehen 40 Prozent der glo­balen Klimaschutzfinanzierung gegenüber. Das ist die Realität. Selbst wenn wir, alle Europäer, überhaupt keine Emissionen mehr produzieren würden, würde es weltweit immer noch zu wenig sein. Also müssen wir den Klimaschutz doch auch global sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bei der CO2-Emission liegt Österreich deutlich unter dem EU-Schnitt. Österreich hat auf das BIP gerechnet die sechstniedrigsten CO2-Emissionen, und das, obwohl Öster­reich, wie wir alle schon mehrmals gehört haben, keine Atomenergie hat. 72 Prozent erneuerbarer Strom ist ein europäischer Spitzenwert, und die Frau Minister hat sich vorgenommen – oder wir haben uns vorgenommen –, dass es in elf Jahren 100 Pro­zent werden sollen – ein hehres Ziel, das aber nur mit dem Ausbau der Wasserkraft re­alisiert werden kann.

Sie fordern in Ihrem Dringlichen Antrag unter Punkt 7 zwar den Ausbau der erneuer­baren Energie, aber unter Punkt 19 verlangen Sie den Erhalt der letzten frei fließenden Gewässer und naturbelassenen Ökosysteme. Was wollen Sie eigentlich? Diese Ziele nur mit dem Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik erreichen? Aus Tirol kann ich Ihnen sagen, dass wir dann pro Dorf, pro Weiler fünf Fußballfelder für Photovoltaik brauchen. Das würden Sie dann zu Recht aus Landschaftsschutzgründen bekämpfen. Also wo ist Ihre Lebensrealität?

Ich denke mir, Ihre Energie- und Klimaträume, von JETZT, würden Sie wohl in kalter, dunkler Nacht, also ohne Heizung und Licht, haben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Beim Bruttoenergieverbrauch hat Österreich nach Schweden – Atomkraft –, Finnland – Atomkraft –, Lettland und Dänemark den fünfthöchsten Anteil. Also hören wir doch mit der Panikmache auf!

Die politische Verantwortung ist, ganzheitlich zu agieren, den Wohlstand und die finan­zielle Kraft zur Gestaltung zu erhalten, die Investitionen im Umweltbereich überhaupt erst möglich machen. Unbedachte Maßnahmen verlagern Arbeitsplätze und Produktivi­tät aus Österreich in Drittländer. Schauen Sie sich die Tragödie, die derzeit mit der deutschen Autoindustrie abläuft, an! Das ist auch der Grund dafür, dass Demonstra­tionen dann aus dem Ruder laufen. Es gibt eben nicht nur die sympathische und durch-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 153

aus lobenswerte Initiative von Fridays for Future, sondern natürlich auch die Demons­trationen der Gelbwesten in Frankreich.

Dort kann man sich dann anschauen, warum das alles passiert ist: In Frankreich wurde die CO2-Steuer mit 7 Euro pro Tonne CO2 2014 eingeführt. Diese Steuer lag bei Aus­gang der Proteste bei 44,6 Euro pro Tonne. Dies würde bei uns bedeuten, dass Diesel um 12 Cent, Benzin um 11 Cent, Heizöl um 14 Cent teurer würde. Geplant war eine noch wesentlichere Verteuerung.

Wer soll das bezahlen, Herr Rossmann, Frau Cox? (Abg. Rossmann: Es gibt einen ...! Ist das so kompliziert? Kapieren Sie das nicht?!) Die in unseren Tälern, die pendeln müssen, die auf das Auto angewiesen sind, die sich eben keine Kutsche, keine Elek­trokutsche um 150 000 Euro leisten können? – Also diese Frage müssen Sie beant­worten, und zwar auch unseren Leuten! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Lieber Kollege Schellhorn, du hast recht. Wenn uns die Schweiz überhaupt in einem einzigen Punkt im Tourismus voraus ist, dann ist es bei der Erreichbarkeit. Ich muss dich aber korrigieren: Wir haben im Umweltbundesamt eine Studie machen lassen und haben uns angeschaut, was für einen Footprint der Winter- und der Sommertourismus haben, und sind draufgekommen, dass sie den geringsten aller Urlaubsformen haben. Wintertourismus, Sommertourismus haben einen viel geringeren Footprint als eine Rei­se ans Meer.

Deshalb reagieren wir zum Beispiel - - (Abg. Schellhorn: Das ist ja keine Ausrede!) – Ja, ja, das ist aber trotzdem die beste Art; aber Sie haben recht, die Anreise ist das Hauptproblem, das stimmt schon. Sie haben aber gesagt, 76 Prozent - - (Abg. Schell­horn: Im Winter mit dem Auto, ja!) – Ja, beim geringsten möglichen Wert, den der Tou­rismus überhaupt hat, macht die Anreise wie bei allen anderen Formen den höchsten Wert aus.

Deshalb setzen wir bei der Zillertalbahn auf Wasserstoff. Ich bedanke mich bei der Frau Minister, dass sie diese innovative Idee unterstützt, im Rahmen derer wir im Zil­lertal versuchen, mit einer Schmalspurbahn, die das touristisch intensivste und höchste Tourismustal erschließt, 1 Million Liter Diesel einzusparen. Ich bedanke mich bei dir, Frau Minister, und ich würde überhaupt vorschlagen, dass wir mit der Panik aufhören, aufhören dampfzuplaudern und besser schauen, dass bei den Antrieben Dampf he­rauskommt – und das schaffen Sie mit Wasserkraft. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Holzleitner. – Bitte.


16.55.33

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hörl ist für mich immer ein besonderes Gus­tostückerl (Zwischenruf bei der FPÖ), denn wer im letzten Budgetausschuss war, der weiß, hin und wieder döst er gerne ein bissl weg, aber wenn es ums Poltern geht, ist er wieder voll da. – Herr Kollege Hörl, natürlich ist Klimaschutz etwas, was global ange­gangen gehört, das heißt aber nicht, dass man nicht durchaus auch vor der eigenen Haustür kehren kann – das ist bitte nicht zu vergessen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben schon davon gehört: Greta Thunberg, eine Klimaschutzaktivistin aus Schwe­den, hat vor rund 30 Wochen mit dem Schulstreik für das Klima begonnen, alleine. Sie hat es mit ihrem vehementen Einsatz, mit ihrem starken Willen geschafft, etwas zu verändern, etwas Großes ins Rollen zu bringen. Ein Ein-Frau-Schulstreik hat sich wirk­lich zu einer weltweiten Bewegung formiert, und zwar zur Fridays-for-Future-Bewe­gung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 154

Am Freitag, dem 15. März, fanden unglaubliche 2 083 Schulstreiks in 125 Ländern statt. Rund 1,4 Millionen Schülerinnen und Schüler, junge Leute, gingen weltweit auf die Straße, um ein Zeichen dafür zu setzen, dass wir so nicht mehr weitertun können. Es braucht an diversen Stellen Maßnahmen, weswegen es auch prinzipiell schön und begrüßenswert wäre, wenn natürlich mehrere Bundesregierungsmitglieder hier sitzen würden, da das eigentlich ein übergeordnetes Thema ist.

Es braucht in der Umweltschutzpolitik sofort wirksame Maßnahmen für die globale Kli­magerechtigkeit und eine klare, angemessene Kommunikation mit der Bevölkerung, die dem Rechnung tragen, wie dringlich dieses Thema eigentlich ist und wie dringlich die Lage der Klimakrise ist. Proteste wie Fridays for Future müssen endlich ernst ge­nommen werden!

Bei Verkehrskonzepten für Städte und Länder, das haben wir schon gehört, müssen die Menschen, der Radverkehr und der öffentliche Verkehr auch in den Mittelpunkt ge­stellt werden, es geht um umweltfreundliche Mobilität. Der Verkehrsclub Österreich hat es letzte Woche auch wieder festgestellt: In ländlichen Regionen ist der öffentliche Ver­kehr nach wie vor nicht genügend ausgebaut. Es braucht attraktive Angebote, es braucht eine gute Erreichbarkeit und regelmäßige Taktungen, sonst ist es nicht mög­lich, eine Alternative zum Individualverkehr herzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber auch die Reduktion des Plastikmülls ist natürlich weiterhin wichtig, nachhaltige Lebensweisen gehören massiv gestärkt. Da muss ich an unsere EU-Kandidatin Mar­lene Göntgen denken, die aktuell gerade einen Selbstversuch macht und wirklich einen Monat kunststofffrei lebt. Wer das probiert, sieht, dass das wirklich gar nicht so einfach ist, aber ich glaube, da können wir uns durchaus ein Stückchen abschneiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen auch einen weiteren Ausbau von Forschungsmitteln, genau in diesem Bereich. Es gibt nationale Projekte, lokale Projekte, die man wirklich fördern kann. Ich denke da an Vorzeigeregionen. Das ist wirklich wichtig.

Im Antrag der Kollegin Cox steht geschrieben: „Die RegierungsvertreterInnen erklären sich also solidarisch mit FridaysForFuture, verstehen aber offenbar nicht, dass sie die Angesprochenen sind.“ – Das stimmt. Die jungen Menschen gehen auf die Straße – nicht um die Schule zu schwänzen, nicht um sich einen freien Vormittag zu gönnen, son­dern weil ihnen das Thema wichtig ist, weil sie rennen, weil sie brennen und unser Han­deln jetzt fordern und nicht erst morgen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Wenn wir diesen Enthusiasmus jetzt nicht aufgreifen, dann zerstören wir nachhaltig das Engagement von vielen, vielen jungen Menschen in ganz Österreich.

Doch die Streiks gehen mittlerweile sogar noch weiter. Das streikende Klassenzimmer absolviert Klimabildung auf der Straße. Effekte und Wege aus der Klimakrise werden besprochen. Das sind eigentlich sogar nachhaltige Streiks, kann man sagen. Es geht da nicht um leere Solidaritätsbekundungen, sondern darum, zu handeln. Es geht da­rum, dass wir junge Teilhabe wirklich ernst nehmen, nicht die Augen verschließen und einen emotionslosen Schulterschluss bekunden.

Werte Bundesregierung – Kollege Faßmann wäre da eigentlich angesprochen, aber er ist leider nicht anwesend – und auch werter Kollege von der ÖVP, der ganz am Anfang gesprochen hat, tadeln Sie nicht die Schülerinnen und Schüler von oben herab für Fehlstunden! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Schülerinnen und Schüler bleiben nämlich nicht ohne Grund vom Unterricht fern. Sie kämpfen um ihre Zukunft, sie kämpfen um unsere Zukunft und sie kämpfen um die Zukunft unseres Klimas. Wie Greta richtig gesagt hat: „Our house is on fire“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 155

Liebe Bundesregierung, ja, es ist Feuer am Dach! Der Hut brennt, wie man auch so schön sagt, lichterloh. Nehmen wir uns alle ein Beispiel an Greta und an den jungen Leuten weltweit, die für ihre Zukunft auf die Straße gehen! Seien wir wie Greta, achten wir auf unsere Umwelt und auf das Klima, denn wir haben keine zweite Chance! (Bei­fall bei der SPÖ.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Wassermann zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.01.04

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Klima­schutz und Umweltschutz haben einen hohen Stellenwert in unserer Regierung. Die Regierung hat auch schon viele Maßnahmen dahin gehend umgesetzt. Bundesminister Hofer beispielsweise legt seinen Schwerpunkt auf die Stärkung des öffentlichen Ver­kehrs, auf den Ausbau der Bahn. So macht er die Nutzung des Bahnverkehrs 15-mal klimafreundlicher als die Nutzung des Pkw. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Tempo 140 nicht vergessen!)

Wir haben es heute schon gehört, auch die „Raus aus dem Öl“-Prämie von 5 000 Euro steht jedem Österreicher zu, wenn er auf energieneutrale Heizungen umsteigt. Das alles ist schon ein großer Erfolg unserer Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch in Kärnten soll es ein Klimaschutzprojekt geben. Es soll ein Klimaschutzprojekt entstehen, nämlich der sogenannte „Wald im Stadion“. Man muss sich vorstellen (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Blödsinn!), dass da Bäume in einem Fußballstadion einge­pflanzt werden sollen. Kürzlich wurde auch bekannt, dass diese Bäume von Italien, Holland und Deutschland herangekarrt werden. Aus Umweltschutzgründen ist das An­karren quer durch Europa meines Erachtens auf das Entschiedenste abzulehnen. Die CO2-Werte, die da absorbiert werden, sind überhaupt nicht nachvollziehbar. Das ist be­sonders seltsam, weil ja die Intention dieses Klimaschutzprojektes eigentlich der Klima­schutz und der umweltpolitische Aspekt sein sollten. Noch dazu stellt sich mir bei die­sem Projekt die Frage, ob wir denn in Kärnten, in Österreich nicht auch schöne Bäume haben und wir diese aus dem Ausland herankarren müssen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schellhorn: ... fremde Gäste! Gar keine Gäste, das ist gescheiter!)

Dieses Projekt sorgt nicht nur hier im Hohen Haus, sondern auch quer durch Öster­reich für großes Kopfschütteln. (Zwischenruf bei der SPÖ.) So muss man sich bei­spielsweise vorstellen, dass dieses „Klimaschutzprojekt“ – unter Anführungszeichen – keine Stadionmiete zahlt und für den Fußballnachwuchs extra ein Stadion gebaut wer­den muss. Es gibt Quersubventionen und Sonderförderungen, und das alles auf Kos­ten der Bevölkerung, auf Kosten der Steuerzahler.

So stelle ich mir ein Klimaschutzprojekt wirklich nicht vor, noch dazu, wenn Öster­reich – da werden Sie mir sicher recht geben – eines der waldreichsten Länder in ganz Europa ist.

Wer war bei diesem Projekt federführend? – Sie werden es erraten: Es ist die SPÖ. Man muss leider sagen, die SPÖ-Bürgermeisterin, die da federführend war, hat sich nicht nur mit diesem Projekt disqualifiziert (Zwischenruf des Abg. Wittmann), sondern auch – das ist leider kein lustiges Thema – mit einer menschenverachtenden Aussage, die von ihr in den letzten Tagen getroffen wurde. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich muss schon sagen, es hat mich sehr bewegt, es hat auch viele Bürger im Land und auch viele Funktionäre der SPÖ bewegt und tief getroffen. Es war nämlich ihr Wunsch, eine Kollegin einer anderen Fraktion im Todesflieger der Ethiopian Airlines zu sehen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 156

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, auch den Angehörigen mein Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Das darf an dieser Stelle auch einmal gesagt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem der SPÖ, für diese Aussage, die auch alle auf YouTube nachhören können, gibt es keine wohlwollende Interpretations­möglichkeit. Das muss man auch noch einmal klar zum Ausdruck bringen, denn das hat alles gesprengt, was es bisher an Niveaulosigkeit in der Politik gegeben hat. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Die Parteivorsitzende der SPÖ, Rendi-Wagner, ist zurzeit leider nicht anwesend. Ich möchte aber stellvertretend hier ersuchen (Ruf bei der FPÖ: Pilz ...!), dass es da, wenn wir von politischer Hygiene reden, auch Konsequenzen gibt und sich nicht solche Un­wahrheiten auf dem Rücken der Glaubwürdigkeit gegenüber der Bevölkerung austra­gen lassen dürfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich noch einen kleinen Appell in Richtung des Klimaschutzes richten. Am kommenden Samstag findet weltweit die Earth Hour statt, in der weltweit die Beleuchtung von Wahrzeichen für eine Stunde, nämlich von 20.30 Uhr bis 21.30 Uhr, abgeschaltet wird, um weltweit ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Ich lade Sie alle ein, vielleicht auch in dieser Stunde an den Klimaschutz zu denken oder aber auch in der Fastenzeit einmal auf das Auto zu verzichten. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Feichtinger zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.06.05

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Unseren Planeten kann man nicht wie ein Haus abreißen und einfach durch ein neues ersetzen. Wir haben nur diesen einen Planeten. Doch leider gerät unsere Lebensgrundlage im­mer mehr durch Naturkatastrophen, Klimawandel oder Insektensterben in Gefahr. All das sind unleugbare Fakten, die nicht wegzudiskutieren sind. Fakt ist, wir haben jetzt noch die Möglichkeit, die Trendwende zu schaffen, doch bald ist der Punkt gekommen, an dem dies nicht mehr möglich ist.

Ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass sich die Bundesregierung des Ernstes der Lage bewusst ist – ganz im Gegensatz zu den vielen Tausenden jungen Menschen, die jeden Freitag auf die Straße gehen und dafür eintreten, dass endlich der Klima­schutz ernst genommen wird. Leider gibt es seitens der Bundesregierung viele Ankün­digungen, doch wenig konkrete und ernst gemeinte Maßnahmen. Wie viele Klimagipfel braucht es noch, um sich endlich des Ernstes der Lage bewusst zu werden?

Das Umweltbundesamt bestätigt, dass ohne zusätzliche Maßnahmen die gesteckten Ziele im Bereich des Klimaschutzes nicht erreicht werden können. Als Imkerin sehe ich tagtäglich, wie sensibel die Umwelt bereits auf kleine Veränderungen reagiert und wel­che Folgen dies mit sich bringt. Es ist schon komisch, dass die Biolandflächen immer größer werden, doch sich die Menge an chemisch-synthetischen Pestiziden nicht ein­deutig verringert. (Beifall bei der SPÖ.)

Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass der Einsatz pro Hektar sogar zunimmt. Der Grüne Bericht, der eine der wichtigsten Arbeitsgrundlagen für uns darstellt, zeigt es ganz, ganz deutlich. Das hat nicht nur massive Auswirkungen auf die Tier- und Pflan­zenwelt, sondern es hat auch massive Auswirkung auf uns Menschen. Erst kürzlich wurde dem global agierenden Konzern Monsanto in einem Musterprozess Schuld dafür zuerkannt, dass das von ihm vertriebene Unkrautvernichtungsmittel Roundup tatsäch­lich für die Krebserkrankung eines Klägers verantwortlich ist.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 157

Für Österreich bleibt angesichts dessen zu hoffen, dass alle politischen Parteien ge­meinsam an einem Strang ziehen und geschlossen hinter unserer biologischen Le­bensgrundlage und hinter unserer Umwelt stehen. Diese Pestizide müssen flächende­ckend von den Feldern verschwinden, und das sofort. Unsere Jugend erkennt, was un­sere Umweltministerin immer noch zu ignorieren scheint.

Mit den Worten der Klimaaktivistin Greta Thunberg: „Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute.“ (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Cox.)

17.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte.


17.08.55

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 15. März 2019 sind im Rahmen der Fridays-for-Future-Proteste in der ganzen Welt und in ganz Österreich Zigtausende junge Menschen auf die Straße gegangen, um sich für Klima­politik auszusprechen.

Ich muss eines sagen, ich verstehe die Anmerkungen einiger Kollegen nicht, die das relativiert haben, indem sie sagen: Na ja, das war ja in der Schulzeit, sonst wären sie nicht gegangen. – Ich finde, das ist sehr abgehoben, wirklich sehr abgehoben.

Erstens stimmt es nicht. Ich selbst bin sehr, sehr vielen Schülern am Brucker Bahnhof begegnet, die gerade nach Graz zu einer Demo gefahren sind – am Abend, außerhalb der Schulzeit. Zweitens ist das für mich ein Zeichen von Mut, sich für etwas einzuset­zen, auch wenn es Widerstand gibt, sich für etwas einzusetzen, auch wenn der zu­ständige Bundesminister sagt: Nein, das tut bitte nicht!, sich für etwas einzusetzen, auch wenn man eine schlechte Betragensnote riskiert.

Diese Ziele gehen den Jugendlichen vor, und das, geschätzte Damen und Herren, ist in einem Land wie Österreich zu respektieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Denken wir diesen Gedanken weiter: Man darf nur in der Nichtschulzeit demonstrieren gehen. Na, ist das vielleicht der erste Schritt in die Richtung, dass man dann als Ar­beitnehmer nur mehr in der Freizeit streiken darf? Ist das das Ziel, das ihr mit diesen Aussagen verfolgt, liebe Kolleginnen und Kollegen? (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ein unmissverständliches Zeichen. Das, was die Jungen da antreibt, ist ernst zu nehmen. Es ist für mich ein positives, ein entschlossenes Zeichen, das die jungen Menschen in Österreich da gezeigt haben. Die traurigen Fakten gibt es nämlich: Mittel für Klimafonds sind gekürzt worden, Mittel für thermische Sanierung sind gekürzt wor­den, die Förderung der Fernwärme ist gestrichen worden, Minister Hofer träumt von seinen 140 km/h in ganz Österreich. – Das ist nicht Klimaschutz! Das, was derzeit pas­siert, ist das Gegenteil. Darum haben diese jungen Menschen sich auch dagegen ge­wandt, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Kann es sein, dass Sie was vergessen haben?! Vier Eisenbahnminister ...! Oder habe ich mich da getäuscht?)

Heiße Luft sorgt nicht für kühles Klima. Deshalb ist es auch so, dass die sozialdemo­kratische Fraktion diesen Antrag unterstützen wird. Ich muss dazu anmerken, dass wir nicht alle Inhalte teilen, dass wir manche Dinge anders sehen. Wir sind auch in einigen Fragen weiter, beispielsweise beim Glyphosatverbot, da brauchen wir keine Studien mehr, aber insgesamt ist es ein gutes, ein hehres Ziel, dass dieses Haus, dass dieses Parlament sich auch für mehr Klimaschutz ausspricht. Deshalb werden wir da mitge­hen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.11



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 158

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.


17.11.55

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Bürgerinnen und Bürger! Geschätzte Frau Minis­terin! Ich bin hier am Pult Volksvertreterin und als private Person nicht wirklich relevant, erlauben Sie mir aber ausnahmsweise doch ein paar wenige persönliche Worte.

In meiner relativ kurzen Zeit als Abgeordnete hier im österreichischen Nationalrat habe ich schon so einige Höhen und Tiefen erlebt. In der Politik kann es richtig emotional werden, wenn man es ernst meint. Kein Thema hat mich jemals so stark berührt und aktiviert wie die Fridays-for-Future-Bewegung. Ich bin sehr oft auf den Demos, meist in Wien. Jedes Mal überwältigt mich das, was ich dort sehe, aufs Neue: junge Menschen, die die Sorge um ihre Zukunft scharenweise auf die Straße treibt und die dort einen echten, kräftigen Geist des Miteinanders leben. Diese Fridays for Future sind eine echte Bewegung, ein echter Game Changer.

In meiner Zeit vor der Politik habe ich als Energiewendeexpertin meinen Kopf mit an­deren begabten Menschen aus Europa zusammengesteckt und wir haben uns über­legt, wie wir den jungen Menschen das Thema Klimawandel vermitteln können, wie wir die nächste Generation für den Klimaschutz emotionalisieren, begeistern können. Es ist uns damals gelungen, an manchen Orten, in vielen Herzen und Köpfen so einiges zu bewegen. Nun aber ist sie endlich da, die erste globale Klimaschutzbewegung – eine lang ersehnte und bitter nötige Jugendbewegung, ein gemeinsamer Traum, ein wahr gewordener Traum über die Jugendbeteiligung am Klimaschutz.

In einem bin ich mir sicher: Fridays for Future wird größer als die 68er-Bewegung. 1,5 Millionen Jugendliche in über 2 000 Städten am 15. März waren erst der Beginn. Diese Bewegung, die anfangs als kleiner Streik begann, hat sich im Laufe der Zeit zu einer globalen Gemeinschaft entwickelt. Sie ist der Orkan, das Morgenrot und das Wasser, das die Mühlen der Politik endlich in Bewegung bringt. Wenn die gefährliche Erderhitzung in einen kontrollierbaren Klimawandel gedreht wird, dann wird die Weltge­meinschaft auch dank Fridays for Future dauerhaft eine andere sein – eine solidari­schere, eine friedlichere, eine weisere und eine umweltfreundlichere. Wir werden alle noch Zeugen dieses Wunders werden.

Geehrte Damen und Herren, eines muss uns bewusst sein: Beim Pariser Klimaschutz­abkommen geht es nicht um irgendein unverbindliches Ziel, ein Goodwill-Ziel. Öster­reich hat sich 2015 in Paris ganz klar für die Einhaltung des 1,5-Grad-Mittelwerts der Erderwärmung ausgesprochen und der internationalen Staatengemeinschaft sein Wort gegeben. Bei Nichteinhaltung drohen hohe Strafzahlungen.

Die heute stattfindende Debatte zu dem von meiner geschätzten Kollegin Stephanie Cox eingebrachten Dringlichen Antrag unterstreicht die Notwendigkeit und die Brisanz dieser aufstrebenden Bewegung. Vielen Dank, liebe Steffi, vielen Dank, Liste JETZT, für diese Einbringung.

Mit den Parents for Future, Scientists for Future und Teachers for Future schließen sich nun immer weitere Teile der Zivilbevölkerung dieser Bewegung an. Sie alle eint das Ziel, die EntscheidungsträgerInnen beim Wort zu nehmen, das sie gegeben haben: Die Zukunft der jüngsten und der kommenden Generationen zu sichern und das Pa­riser Ziel einzuhalten.

Zeigen wir Größe und Stärke und nehmen wir die Herausforderung an, die sich vor uns auftürmt. Die Vogel-Strauß-Taktik hat sich selten bewährt. Je länger wir zuwarten, des­to unaufhaltsamer wird das Unausweichliche. Lasst uns PolitikerInnen für die Zukunft


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 159

sein, für die nachkommenden Generationen! Stehen wir zusammen als Politicians for Future auf, es ist an der Zeit!

Was ist ein Zukunftspolitiker, eine Zukunftspolitikerin? – Eine Politikerin, ein Politiker, die oder der der Wissenschaft zuhört, die oder der der Jugend zuhört und sich voll und ganz hinter das Pariser Klimaschutzabkommen stellt – einfach das! –, die oder der die wissenschaftlichen Fakten akzeptiert und die ökologische Notlage als solche behandelt und kommuniziert. Die Lösung der Klimakrise bedarf der umfassendsten Mobilisierung und Umstrukturierung unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die die Mensch­heit je gesehen hat. (Beifall der Abg. Cox.)

Sind wir mutig, meine Damen und Herren, sind wir visionär, wird es uns gelingen. In Zukunft wird kein Platz für PolitikerInnen sein, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen und nicht entsprechend handeln. „Act Now!“ tönt es jeden Freitag von den Straßen her. Ein Politician for Future tut genau das: Er oder sie handelt jetzt – jetzt, wo sich eine Klimakatastrophe gerade noch abwenden lässt. Politicians for Future darf kein Partei­programmkapitel, keine Plattform, deren Mitglied man wird, sein, Politicians for Future muss ein Verdienst für unerbittlichen, energischen Einsatz zur Sicherung unserer Le­bensgrundlage sein, für den tiefgreifenden Umbau unserer Mobilitäts-, Wärme-, Ener­giegewinnungs- und Distributionsinfrastruktur, für die Änderung unserer Produktions- und Konsumationsweisen.

Ja, für diesen Umbau gibt es noch keine fixfertige Plug-and-play-Lösung, die einfach in einem Land implementiert werden kann. Es gibt kein Modell, weder auf nationaler noch auf EU-Ebene, aber es gibt ein gemeinsames Ziel: das Pariser Klimaschutzabkommen und die dementsprechenden Treibhausgasemissionsreduktionsziele.

Geschätzter Kollege Rauch, ich bin auch eine Atomkraftgegnerin und ich bin beein­druckt vom Antiatomkraftengagement der Bundesministerin, aber nur weil ich in die­sem einen Punkt nicht mit Greta Thunberg übereinstimme, diskreditiere ich doch nicht diese globale Klimaschutzbewegung, die diese junge und mutige Frau losgetreten hat! (Beifall der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, Klaus Uwe Feichtinger und Cox.) Ganz im Gegenteil, wir können in einer gemeinsamen Kraftanstrengung, von Öster­reich ausgehend – Österreich, der legendären Antiatomkraftnation –, ein Signal in die ganze Welt aussenden, dass 100 Prozent erneuerbare Energie und die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels und die damit einhergehenden CO2-Reduktionen ohne Atomkraft mög­lich sind. Das 100-Prozent-erneuerbare-Energie-Ziel in der Stromversorgung, das in der #mission 2030 festgeschrieben ist, ist ein gutes, ein ambitioniertes Vorhaben, nur muss sich dieses Ziel auch in der Tagespolitik niederschlagen, wie etwa im Energie­ausbaugesetz 2020, das ja bald in Begutachtung sein wird.

Ich habe in der aktuellen Vorfassung, die ich schon sehen durfte, diesen Pfad noch nicht wirklich ganz abgebildet gesehen, daher bitte ich die Regierung, da nachzuschärfen. Ich bitte aber auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und von der Liste JETZT, mitzuhelfen, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen. Schreiten wir hier in Ös­terreich mutig voran, lassen wir hier die Keimzelle einer Politicians-for-Future-Bewe­gung entstehen, die andere mitreißt!

Wir können das. Wir sind ein kleines Land, aber mit großen Möglichkeiten, mit mutigen Politikerinnen und Politikern – wie einer Stephanie Cox, einer Irmgard Griss, einem Mi­chael Bernhard, einem Uwe Feichtinger, einem Andreas Schieder und vielen mehr, und auch aufseiten der Regierungsfraktionen weiß ich, dass einige Kolleginnen und Kollegen und auch unsere Bundesministerin im Herzen Politicians for Future sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall der Abgeordneten Klaus Uwe Feich­tinger, Bernhard, Cox und Zadić.)

17.20



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 160

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


17.20.59

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Werte Ministerin! Sie haben uns vor einer halben Stunde oder auch vor einer Stunde vorgeschwärmt, wie sehr Sie sich mit der Bundesregierung immer schon für ein Plastiksackerlverbot eingesetzt hätten und dass es Ihnen jetzt endlich gelungen wäre, die EU hätte es beschlossen.

Richtig ist, dass die EU-Kommission das immer schon gewollt hat und dass es jetzt vom Parlament in der EU beschlossen wurde, dem Sie aber nicht angehören.

Sie haben dem Parlament aber einmal angehört, und zwar im Jahr 2015, und damals wurde auch abgestimmt. Mein Kollege Rossmann hat Sie vorhin gefragt, ob Sie da­mals nicht dagegen gestimmt hätten, und Sie haben den Kopf geschüttelt. Wir haben uns das in der Zwischenzeit angesehen, und zwar im Internetportal VoteWatch Europe: Am 28.4.2015 haben Sie gegen ein Verbot von Plastiksackerln gestimmt.

Wer soll Ihnen in der Umweltpolitik da noch irgendetwas glauben? – Danke. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Minister. – Bitte.


17.22.05

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Abgeordneter Zinggl! Nachdem jetzt zwei­mal das Plastiksackerlverbot angesprochen worden ist, darf ich Sie informieren, dass wir 2015 im Europäischen Parlament ein Reduktionsziel für Kunststofftragetaschen ver­abschiedet haben.

Das, was Sie ansprechen, und der Punkt, bei dem ich dagegengestimmt habe, war ei­ne alternative Entschließung der EFDD-Fraktion. Diesen Entschließungsantrag habe nicht nur ich abgelehnt, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Frak­tionen aus Österreich, und zwar aus einem einzigen Grund: Dieser Antrag oder diese alternative Entschließung hätte das gesamte ausverhandelte Paket zur Reduktion der Kunststofftragetaschen in Europa verhindert. Er hätte dazu geführt, dass das, was die Kommission, das Parlament und auch der Europäische Rat 2015 ausverhandelt hatten, gekippt wäre.

Insgesamt hat dieser EFDD-Entschließungsantrag von 751 Stimmen im Europäischen Parlament, ich glaube, um die 40 – aber bitte machen Sie mich an dieser Zahl nicht fest – Stimmen bekommen. Es war wirklich nicht ein Plastiksackerlverbot, gegen das wir gestimmt haben, sondern es ist darum gegangen, dass das bereits ausverhandelte Ziel wirklich auch bestätigt wird.

Noch ein zweiter Punkt, da das angesprochen worden ist und von Herrn Abgeordne­tem Feichtinger die Frage aufgeworfen worden ist, warum wir im heurigen Jahr 2019 die Treibhausgasbilanz nicht gemeinsam präsentiert haben – wir haben das 2018 ge­meinsam mit Bundesminister Hofer gemacht –: Wir haben 2018 zu Beginn des Jahres mit der Ausarbeitung unserer Klima- und Energiestrategie begonnen. Wir sind wenige Tage im Amt gewesen und haben gesehen: In Österreich verlassen wir den Zielpfad zu den Reduktionszielen der Emissionen. Das war aber nicht dieser Bundesregierung ge­schuldet, sondern war massiv dem Verkehrsbereich geschuldet, und dort dem Anstieg der Treibhausgasbilanz. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Tempo 140 trägt sicher dazu bei, dass es besser wird!)

Das hat sich fortgesetzt: Auch die Treibhausgasbilanz 2017, die am 15. Jänner präsen­tiert worden ist, zeigt in vielen Bereichen Verbesserungen – der Wärmebereich, der


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 161

Energiebereich, sogar die Landwirtschaft hat ein Minus zu verzeichnen –, aber der Ver­kehrsbereich war auch im Jahr 2017 wieder mit einem massiven Plus belegt. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Richtig!) Sie können jetzt natürlich noch sehr viel Energie da­für verwenden, dass Sie Vergangenheitsbewältigung betreiben (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Das hat auch der Kollege Rauch gemacht!), wir tun es nicht. Wir haben nicht polemisch versucht, das dem damaligen Verkehrsminister Leichtfried zuzuschrei­ben, sondern wir gehen an die Umsetzung: Wir setzen jede Woche eine neue Maß­nahme um, die dem Klimaschutz dienen soll, die dafür Sorge tragen soll, dass wir im Jahr 2030 unsere Klimaziele erreichen – zum Schutz unseres Österreichs, zum Schutz auch der nächsten Generation. Das ist unser Ziel, und das tun wir. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wittmann: Tempo 140 ist wirklich eine Um­weltschutzmaßnahme! – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Frau Bundesministerin, es kommt ... 2020! Da gilt die Ausrede nicht mehr!)

17.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Efgani Dön­mez. – Bitte.


17.25.22

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! (Unruhe im Saal.) – Soll ich kurz warten? – Geht es? – Ja.

Viele richtige Dinge wurden gesagt, ein Aspekt aber ist meiner Meinung nach nicht an­gesprochen worden: Weltweit gibt es 330 riesengroße Containerschiffe, die Tonnen von Fracht kreuz und quer über den Ozean verschiffen. Allein 15 dieser Gigacontai­nerschiffe benötigen 370 Millionen Tonnen Treibstoff und pusten 20 Millionen Tonnen Schwefeloxid in die Luft. Und 15 dieser größten Containerschiffe produzieren so viel Emissionen wie 750 Millionen Kraftfahrzeuge im Jahr.

Was macht die Autoindustrie? – Sie versucht jetzt, uns allen weiszumachen, dass die Lösung der Probleme in der Elektromobilität läge – in dem in den Vorstandsetagen vor­handenen Wissen, dass das eine Schmähpartie ist. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Warum aber machen sie das? – Weil die Elektromobilität massiv mit öffentlichen Gel­dern gefördert wird. Da gibt es etwas zu holen. – Punkt eins.

Und Punkt zwei: Weil durch die Einführung einer Elektroflotte die Werte reduziert wer­den und sie sich sozusagen auch noch ein grünes Label geben können.

Also hören wir bitte auf, uns etwas vorzumachen! Wir können uns alle miteinander ge­genseitig anlügen und in die Irre führen, aber das Klima sicher nicht.

Österreich und unsere österreichische Wirtschaft sind in vielen Bereichen vorbildhaft. Ich als Oberösterreicher und Linzer habe die Voestalpine direkt vor der Haustür – die sauberste Stahlproduktionsstätte weltweit! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP) –, und wir dürfen unserer Industrie, die hier wirklich hervorragend und vor­bildhaft tätig ist, nicht noch weiter Steine in den Weg legen.

Ganz im Gegenteil, wir müssten als Politiker dazu beitragen, dass die Technologie und das Know-how, das wir in vielen, vielen Bereichen haben, in die armen Länder expor­tiert werden. Wir müssten gemeinsam dafür sorgen, dass im Bereich der Abfallentsor­gung, der sauberen Wassernutzung, Wasseraufbereitung und so weiter dieses Know-how, das wir haben, exportiert wird. Und wir haben Expertise – darauf können wir stolz sein –, weil wir in diesen Bereichen auch super Firmen haben.

Und was die Jugend betrifft, so soll sie natürlich demonstrieren und für ihre Zukunft eintreten, aber genauso wichtig ist es, nicht der Bildung fernzubleiben – denn wenn das passiert, seid ihr vielleicht die fehlenden Forscher für die Zukunft, die diese Tech-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 162

nologien entwickeln könnten und sollten, damit diese Welt um ein Stückchen besser und sauberer wird. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

17.28

17.28.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 702/A(E) der Abgeord­neten Cox, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Jugend ernst nehmen, Klimakata­strophe verhindern.“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit. Daher ist der Antrag abgelehnt.

17.29.14Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu einer kurzen Debatte. Diese betrifft den Antrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag der Abgeord­neten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Halbe-Halbe bei Pensionen: Automatisches Pensionssplitting umsetzen“, 522/A(E), eine Frist bis 24. April 2019 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass nach der Geschäftsordnung kein Redner län­ger als 5 Minuten sprechen darf. Dem Begründer kommt eine Redezeit von 10 Minuten zu.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte. (Zwischenrufe von der Galerie. – BesucherInnen werden von MitarbeiterInnen des Ordnungsdienstes von der Galerie ge­leitet.)

Herr Kollege Loacker hat das Wort.


17.31.09

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Kund­gebung hat offensichtlich dem vorigen Tagesordnungspunkt gegolten, ich darf Sie da­her jetzt zu einem anderen Themenkreis hinleiten, nämlich dem automatischen Pen­sionssplitting und der Frage, warum wir dieses brauchen: weil es ein wesentlicher Bei­trag zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen, insbesondere zur Schaffung von mehr Gerechtigkeit insgesamt ist. (Unruhe im Saal.) – Es ist ein bisschen unruhig im Saal. Die Demonstranten waren doch nur auf der Galerie und nicht hier herunten! (Prä­sident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Rosenkranz – in Richtung SPÖ wei­send –: Das ist irgendwie ansteckend!) – Ja, das ist offensichtlich ansteckend. Danke, Kollege Rosenkranz.

Das automatische Pensionssplitting könnte also ein guter Beitrag zur Verringerung der Altersarmut sein, insbesondere bei Frauen. Derzeit ist das Pensionssplitting freiwillig, und wir hatten im vorigen Jahr – einem Rekordjahr – insgesamt 412 Paare, die das Pensionssplitting in Anspruch genommen haben – bei 87 000 Geburten im Jahr –, also eine vernachlässigbare Zahl.

Alexander Biach, der Vorsitzende des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, hat im Rahmen einer Veranstaltung am 7. März erklärt, dass die Pensionsversiche­rungsanstalt das Splitting – wörtlich – „intensiv betreibt“. Das kommt also heraus, wenn


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 163

die Pensionsversicherungsanstalt mit sechs Millionen Versicherten etwas intensiv be­treibt: Dann haben wir 412 Fälle in einem Jahr.

Die Frau Sozialministerin hat im Ausschuss erklärt, sie macht jetzt einen Folder, und diesen Folder wird sie an alle Allgemeinmediziner und an alle Frauenärzte schicken. Ich habe dann gefragt, was denn das Ziel dieses Folders ist und welche Zahl von Fäl­len des Pensionssplittings sie erreichen will, wenn sie den Folder ausschickt. – Es gibt kein Ziel. Wir geben Steuergeld aus, wir geben Versichertengeld aus – Maßnahme oh­ne Ziel.

Was ist eigentlich das Problem, und warum sollte das Pensionssplitting nicht so wie jetzt freiwillig erfolgen, sondern automatisch? – Es ist nach wie vor so, dass Frauen in Österreich im Schnitt weniger verdienen als Männer. Frauen verdienen auch dann ein bisschen weniger, wenn sie keine Kinder bekommen, aber vor allem verdienen Frauen deutlich weniger, wenn sie Kinder bekommen, und auch weniger als ihre Geschlechts­genossinnen, die keine Kinder haben.

Frauen arbeiten viel öfter und viel länger in Teilzeit als Männer. Im vorigen Jahr waren es 47 Prozent der unselbstständig beschäftigten Frauen, die in Teilzeit gearbeitet ha­ben; bei Männern lag der Wert, zum Vergleich, bei ungefähr 11 Prozent. Mit dieser ho­hen Teilzeitquote bei Frauen liegen die Österreicherinnen europaweit auf dem zweiten Platz. Vor uns sind nur noch die Niederlande, aber mit dem Unterschied, dass in den Niederlanden die Frauen im Schnitt 30 Stunden pro Woche Teilzeit arbeiten, also einer Vollzeitbeschäftigung viel näher sind als bei uns.

Das hat natürlich Auswirkungen, insbesondere auf die Pension, denn wenn man über einen sehr langen Zeitraum weniger arbeitet und dadurch logischerweise auch weniger verdient, dann kann am Schluss auch nicht so viel Pension herauskommen, wie wenn man dieselbe Zeit voll gearbeitet hätte. Und was man nicht ausblenden darf: Wenn Karriereunterbrechungen stattfinden und diese Karriereunterbrechungen lang sind, dann holt das eine Erwerbstätige, ein Erwerbstätiger auch nie mehr auf. Sie machen quasi eine berufliche Pause den Kindern zuliebe, steigen dann in Teilzeit wieder ein, bleiben noch zehn Jahre in Teilzeit – sie werden nie mehr dasselbe Einkommen errei­chen wie jemand, der diese Familienzeitunterbrechung nicht gehabt hat. Es müssen zwar auch Männer Lohneinbußen hinnehmen, wenn sie eine Vaterschaftspause ma­chen, aber die Lohneinbußen der Männer sind nicht so hoch wie die der Frauen.

Welche Maßnahmen kann man jetzt in Angriff nehmen, um diesen Unterschied in den Griff zu bekommen? – Ein Punkt, der zu einer Verbesserung insbesondere der Frauen­pensionen führen würde, wäre eine raschere Angleichung des Frauenpensionsalters an jenes der Männer. Ein zweiter Punkt wäre eine gleichmäßige Verteilung der Betreu­ungsarbeit auf Frauen und Männer, was eigentlich heißt, wir brauchen eine Erhöhung der Väterbeteiligung, wenn es beispielsweise um Karenz geht. Und eine dritte Maßnah­me wäre eben das automatische Pensionssplitting, um sicherzustellen, dass Frauen im Alter ökonomisch besser dastehen und besser abgesichert sind.

Man muss auch den Tatsachen realistisch ins Auge sehen: Wenn heute Partnerschaf­ten geschlossen werden, dann muss das nicht unbedingt eine Ehe sein. Menschen be­kommen gemeinsam Kinder und sind nicht verheiratet, Beziehungen gehen auseinan­der, und bei Trennungen denkt man an viele Dinge, aber man denkt wahrscheinlich nicht an das Pensionskonto. Daher sollten solche Dinge automatisch gehen und nicht jenen Personen vorbehalten sein, die so weit vorausdenken, dass sie in 40 Jahren ein­mal in Pension gehen werden und dann die Pensionskontogutschriften eine Rolle spie­len.

Aus diesem Grund hat unsere Fraktion schon in der vorigen Gesetzgebungsperiode einen Antrag auf ein automatisches Pensionssplitting mit Opt-out-Option eingebracht.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 164

Dieser Antrag ist damals abgelehnt worden. In dieser Gesetzgebungsperiode haben wir im Jahr 2018 einen Antrag eingebracht, und da ist mir im Ausschuss von freiheitli­cher Seite und von der ÖVP wortreich erklärt worden, dass die Leute das nicht wollen. Die FPÖ hat gesagt, ein automatisches Splitting wäre eine Bevormundung, und ÖVP-Familiensprecher Norbert Sieber hat mir erklärt, es werden deswegen so wenige Leute das freiwillige Pensionssplitting in Anspruch nehmen, weil sie es eben einfach nicht wollen – und der Antrag wurde abgelehnt.

Steter Tropfen höhlt den Stein, und Politik ist auch das Bohren harter Bretter, deswe­gen haben wir diesen Antrag noch einmal eingebracht, und er wurde im letzten Sozial­ausschuss besprochen. Man darf da als Oppositionspolitiker nie sehr optimistisch sein, aber ein bisschen optimistischer war ich schon, hatte doch kurz davor Frauenministerin Bogner-Strauß gesagt, ja, sie will das Pensionssplitting – sie hat sogar unser Wording verwendet, sie hat gesagt, sie will ein automatisches Pensionssplitting mit Opt-out-Op­tion –, und sie will es noch in dieser Legislaturperiode.

Dann ist es schon verwunderlich, wenn der ÖVP-Klub bremst und wenn man mir von ÖVP-Seite erklärt, da gebe es noch so viele Fragen zu klären, das sei so kompliziert, wirklich furchtbar kompliziert. Die Schweizer haben das schon, da gibt es das schon automatisch, aber in Österreich ist es so kompliziert, dass man den Antrag vertagt hat.

Das lasse ich nicht durchgehen. Man schickt Juliane Bogner-Strauß als laute Werbe­hupe hinaus – tüt, tüt, wir sind für das Pensionssplitting! –, und der ÖVP-Klub macht das Gegenteil und würgt alles ab. Dann ist mir erklärt worden, die ÖVP-Frauen waren ja eh schon für das Splitting, bevor es die NEOS gegeben hat. Das finde ich super, und ich finde es auch super, wenn die ÖVP-Frauen sich innerhalb der ÖVP mehr Gehör verschaffen. Es dauert ein bisschen lang, also ich wünsche euch viel Erfolg und viel Kraft gegen die konservativen Männer da drüben, die für die Frauen am liebsten Kin­der, Küche, Kirche sehen, und alles andere ist ihnen ein bisschen unangenehm.

Daher wäre es jetzt an der Zeit, das Pensionssplitting umzusetzen. Ihre Ministerin hat angekündigt, dass es kommt. Da werden Sie ja wohl Ihrer Ministerin Rückendeckung geben und sagen: Ja, die Bundesregierung wird mit einem Entschließungsantrag be­auftragt, einen Entwurf für ein solches Splitting vorzulegen. – Wie dieser Entwurf dann genau aussieht, überlasse ich gerne Ihnen und der Frau Ministerin.

Es müssen ein paar Dinge anders sein als heute: Heute darf man das Splitting nämlich nur in Anspruch nehmen, wenn ein Partner gar nicht arbeitet. Das ergibt natürlich kei­nen Sinn. Ein Splitting muss auch möglich sein, wenn einer von beiden Teilzeit und der andere Vollzeit arbeitet, dass man also dann die Beiträge zusammenzählt und aufteilt, und zwar automatisch. Und wenn es beide nicht wollen, wenn sich beide einigen und meinen, das ist Mumpitz, dann können sie sich abmelden, dann können sie sich davon ausklinken. Auch das soll möglich sein. Es soll keine Zwangsbeglückung sein, nur eine Automatik.

Ich bin ja schon froh, wenn ich von der FPÖ kein Nein höre. Die FPÖ hat für diese De­batte keinen Redner eingemeldet, jedenfalls nicht gleich – vielleicht haben Sie inzwi­schen einen eingemeldet.

Ich erwarte von der ÖVP, dass sie das tut, was die eigene Ministerin ankündigt, denn dieses Doppelspiel, nach außen eine Werbeministerin in den Verkauf zu schicken und nach innen zu bremsen, lassen wir Ihnen sicher nicht durchgehen. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 165

17.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfurt­scheller. – Bitte.


17.40.29

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuschauer vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Ich bin Kollegen Loacker sehr dankbar, dass er das Thema Pensionssplit­ting mit seinem Fristsetzungsantrag heute auf die Tagesordnung gebracht hat, weil – wie er bereits gesagt hat – uns ÖVP-Frauen das Thema sehr, sehr wichtig ist und weil wir uns schon seit Jahren – wie er auch gesagt hat – und noch bevor es die NEOS ge­geben hat für das Pensionssplitting mit Opt-out-Funktion eingesetzt und dafür gewor­ben haben.

Mittlerweile ist es so – und da komme ich zu einem Aspekt, bei dem Kollege Loacker eine vielleicht ein bisschen seltsame Wahrnehmung hat –, dass sich unsere Bundesmi­nisterin im November dahin gehend geäußert hat, dass sie das Pensionssplitting ha­ben möchte und seither auch daran arbeitet, es umzusetzen. Da haben sich die NEOS natürlich gedacht: Super, dann holen wir den alten Antrag aus der letzten Periode wie­der heraus!, und haben ihn am 12.12. wieder eingebracht. Sie dachten: Auf dieses Pferd setzen wir uns drauf!, und haben übersehen, dass sich am 1.1.2017 sogar die Rahmenbedingungen für das Pensionssplitting geändert haben.

Es wäre schön, wenn die NEOS hin und wieder zu einem Update fähig wären. Jetzt sind sie ein bisschen eingeschnappt, weil wir es mit der Begründung, dass wir bereits daran arbeiten und keine zusätzliche Unterstützung für unsere Ministerin mehr brau­chen, vertagt haben. Deswegen werden wir auch dem Fristsetzungsantrag nicht zu­stimmen. Herr Kollege Loacker, das Gras wächst nicht schneller, auch nicht, wenn man daran zieht (Abg. Wöginger: Außer man hat einen warmen Regen!), und auch nicht, wenn die NEOS dran ziehen. (Abg. Loacker: Aber lesen sollte man es schon!)

Das Pensionssplitting wird ordentlich umgesetzt und ordentlich verhandelt. Es werden alle Dinge, die berücksichtigt werden müssen – weil es eben nicht nur die klassische Familie gibt, sondern sehr viele verschiedene Konstellationen mit Patchworkfamilie et cetera –, ordentlich aufgearbeitet und dann auch umgesetzt.

Weshalb ich so froh bin, dass ich dazu sprechen darf, hat folgenden Grund: Wir stellen immer wieder fest – und auch das hat Kollege Loacker erwähnt –, dass sehr viele Menschen über das Pensionssplitting, das es jetzt schon gibt und das man beantragen kann, nicht Bescheid wissen. Ich möchte daher allen erziehungsberechtigten Männern wie Frauen die Information zukommen lassen: Es ist derzeit schon möglich, freiwillig bis zu 50 Prozent seiner Teilgutschrift an den erziehenden Elternteil zu übertragen. Empfänger muss nicht die Frau sein, das kann auch der Mann sein, wenn er zu Hause ist oder nur halbtags arbeitet und die Kinder erzieht. Dies kann man für die ersten sie­ben Jahre nach der Geburt eines Kindes machen und bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes beantragen. Das heißt, wenn Sie Kinder haben und eines davon ist noch nicht zehn Jahre alt, können Sie dies für sieben Lebensjahre Ihres Kindes auch noch rück­wirkend beantragen. Die Übertragung erfolgt vom Guthaben desjenigen, der mehr ver­dient, auf das Pensionskonto des oder der anderen, der oder die den Erziehungsanteil geleistet hat.

Kollege Loacker hat es schon gesagt, es sind nur sehr wenige Menschen, die das der­zeit in Anspruch nehmen. Deswegen ist mein Appell wirklich an alle: Denken Sie darü­ber nach! Gehen Sie auf die Homepage der Pensionsversicherungsanstalt, dort wird alles im Detail beschrieben! Nehmen Sie das bitte in Anspruch!

Ich möchte auch deswegen dazu motivieren, weil dieses Guthaben nicht rückübertrag­bar ist. Im Falle einer Trennung, einer Scheidung muss man es nicht wieder hergeben, es gehört einem und ist wirklich eine gute Möglichkeit, um Altersarmut und im speziel­len Fall eben Frauenarmut vorzubeugen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 166

Der einzige Haken an der Sache ist, dass man es selbst veranlassen muss. Man muss einen Antrag stellen, das sogenannte Opt-in durchführen. Wir setzen uns natürlich auch dafür ein, dass es dann, wenn das verpflichtende Pensionssplitting kommt, eine Opt-out-Option für jene Paare gibt, die es nicht haben möchten.

Also noch einmal: Herr Kollege Loacker, vielen herzlichen Dank, dass ich das jetzt er­klären durfte. Wie gesagt, wir stimmen leider nicht zu, wir sind schon voll am Arbeiten daran. (Beifall bei der ÖVP.)

17.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hei­nisch-Hosek. – Bitte.


17.45.03

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich kenne mich jetzt nicht ganz aus. Die Konstante von Kollegen Loacker nehme ich zur Kenntnis: 2017, 2018, 2019, immer wieder der gleiche Antrag, alles in Ordnung – wir sind nicht dafür, um das auch gleich klarzustellen –, innerhalb der Regierungsparteien ist es ein bisschen unterschiedlich.

2017 und 2018 waren ÖVP und FPÖ noch einheitlich der Meinung, dass dieses auto­matische Pensionssplitting nicht kommen soll. (Abg. Wurm: Genau so ist es!) Jetzt, 2019, ist es doch ein bisschen anders. (Abg. Wurm: Nein, ist nicht anders!) – Kein Redner, keine Rednerin Ihrer Fraktion ist zu Wort gemeldet; vielleicht kommen Sie ja noch heraus, Herr Kollege Wurm, um zum Pensionssplitting zu sprechen, schauen wir einmal. Erst vor wenigen Tagen hat Ihre Kollegin gesagt, dass das freiwillige Pensions­splitting ausreichend wäre. Frau Kollegin Pfurtscheller sagt jetzt wieder: Wir arbeiten daran! – Ich glaube, dass sich hier einiges tut, es ist wie in der Pflege: Die einen wollen eine Pflegeversicherung, die anderen wollen eher ein staatlich finanziertes Pflegesys­tem. Der nächste Zwist in dieser Koalition ist jener zum Pensionssplitting.

Ich darf nur erinnern: Schwarz-Blau I war in dieser Beziehung wirklich ganz krass. Da­mals wurde Pensionsraub vor allem an Frauen begangen (Beifall bei der SPÖ) – das nur noch einmal zu Ihrer Erinnerung –, und nichts kann das reparieren, was seinerzeit zerstört wurde.

Wir sind für ein freiwilliges Pensionssplitting. Wir sind sogar für einen Ausbau des frei­willigen Pensionssplittings. Man kann nämlich Halbe-halbe auch freiwillig vereinbaren und es auch so ins Gesetz schreiben, das ist überhaupt kein Thema. Wir sind natürlich für die Informationskampagne, die im Regierungsprogramm steht. Wir sind aber nicht für ein automatisches Pensionssplitting zu haben, weil wir der Auffassung sind, dass ein automatisches Splitting der erste Schritt in ein Familiensplitting ist, und wir wissen, dass das nur besserverdienenden Familien zugutekommt. Es gibt noch die Vielzahl derer, die allein mit ihren Kindern leben, die in KurzzeitpartnerInnenschaften leben, und wir wissen daher nicht, wie oft dann vielleicht jemand splitten sollte. Es sind also viele Fragen, die nicht beantwortet sind.

Wir glauben auch nicht, dass es das geeignete Mittel ist, um Altersarmut bei Frauen zu vermeiden. Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten, die in Höhe von mehr als 1 800 Euro angerechnet werden, egal ob eine Frau innerhalb der ersten zwei Jahre ar­beiten geht oder nicht, ist, glaube ich, eine gute Sache.

Ich habe aber einen Verdacht, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP – Herr Klubobmann Wöginger, du hörst mir so konzentriert zu –: Wenn bei einem auto­matischen Splitting die Väter zahlen und nicht mehr der Flaf seine Beiträge zur Pen­sionsversicherung leistet und man sich dadurch 1 Milliarde Euro erspart, kann es dann sein, dass das für den Herrn Konzernkanzler Kurz wieder ein Zuckerl für die Industrie


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 167

ist? Kann das sein? Ist dieser Verdacht begründet? (Abg. Wöginger: Nein! Nein!) – Nein, dieser Verdacht ist nicht begründet. Wir werden ja sehen. Warum ist die ÖVP plötzlich für ein automatisches Pensionssplitting und war es aber vor einem Jahr noch nicht? – Ich glaube schon, dass die Bedienung der Konzerne, die Bedienung der In­dustrie hierfür ein Grund sein könnte.

Wir sind aber auch deswegen nicht für dieses automatische Pensionssplitting, weil es andere Maßnahmen braucht, die Frauen benötigen, zum Beispiel – und das wurde auch nicht verwirklicht – 1 200 Euro Mindestpension (Zwischenruf des Abg. Wurm), bei der Frauen Versicherungszeiten, wie zum Beispiel die Kindererziehungszeiten, ange­rechnet werden. Das haben Sie nicht umgesetzt. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Ja, aber nicht so, wie wir das wollen: 1 200 Euro unter Anrechnung der Kindererziehungs­zeiten! Die haben Sie weggelassen, Herr Kollege Wurm (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm), ich sage Ihnen das!

Wir sollten weiters einen Rechtsanspruch auf den Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit auf Teilzeit ermöglichen. Auch das ist innerhalb der Phase, in der Kinder kommen, für Männer und für Frauen vielleicht etwas Wichtiges, sodass es als Rechtsanspruch defi­niert sein sollte.

Auch in Bezug auf den Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung haben wir von der Regierung noch nicht viel bis gar nichts gehört, damit Frauen ein unabhängiges, selbst­ständiges Leben führen können und nicht in Abhängigkeit vom Partner, eventuell vom Splitting, zu lange zu Hause bleiben und im Alter erst wieder arm sind. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.


17.49.50

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Pensionssplitting ist eine Maß­nahme, die zweifellos eine ganz, ganz weitreichende Bedeutung für eine geschlechter­gerechte und gleichberechtigte Familienpolitik haben würde; darauf möchte ich einge­hen.

Wir haben bis jetzt von den Regierungsfraktionen Maßnahmen im Bereich der Fami­lienpolitik gesehen, die ein sehr konservatives, ein sehr traditionelles Familienbild ein­zementiert haben und die sich gegen europäische Mitbürgerinnen und Mitbürger ge­richtet haben.

So weit ist das nicht verwunderlich, man möchte fast sagen, Sie haben gemacht, wofür Sie in dieser Sache gewählt worden sind. Ich glaube aber, eine Frage, bei der wir als Nationalrat tatsächlich mit geeinter Stimme sprechen sollten, ist jene, wie wir zu einer gleichberechtigten Aufteilung der bezahlten und der nicht bezahlten Tätigkeit in unserer Gesellschaft kommen, und da ist natürlich die Familie der zentrale Ort, wo man genau hinschauen muss.

Wir haben die Situation, dass bei den Pensionsansprüchen Frauen – mehrheitlich Frau­en – gegenüber Männern ganz massiv im Nachteil sind. Das liegt im Wesentlichen da­ran, dass sie nach der Familiengründung eine Unterbrechung und danach eine schlep­pende Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit und eine viel längere Phase der Teilzeit­tätigkeit haben, und – das ist ganz zentral – es wird in Österreich mehrheitlich auch noch nicht gelebt, dass die unbezahlte Tätigkeit von Männern, also Vätern, in gleichem Maße ausgeübt wird.

Man muss sich fragen: Was ist die derzeitige Antwort der österreichischen Politik? – Die derzeitige Antwort ist das freiwillige Pensionssplitting, das sich über sieben Jahre


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 168

erstreckt und sehr wenige Anreize enthält, um dieses Problem wirklich nachhaltig zu lösen. Das freiwillige Pensionssplitting ist derzeit so aufgebaut, dass es eine Person gibt, die einen Anspruch von bis zu 50 Prozent auf eine andere Person überträgt.

Was wir aber eigentlich brauchen, sind mehr Anreize und eine wirklich partnerschaftli­che Aufteilung. Deswegen ist das, was mein Kollege Loacker ausgeführt hat, ein ganz zentrales Element: Was wollen wir im Pensionssplitting? – Deswegen verstehe ich auch Ihre Argumentation nicht ganz, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, denn ich glaube, dass ein progressives Familienbild genau diese Form von Splitting braucht.

Was kann man sich darunter vorstellen? – Für sieben Jahre ist es nicht so, dass der Mann etwas auf die Frau überträgt oder umgekehrt, sondern dass es ein gemeinsames Pensionskonto gibt (Zwischenruf bei der SPÖ), das heißt, dass beide tatsächlich ge­meinsam eine Erwerbstätigkeit haben, und der Anspruch, der sich daraus ergibt, zu exakt 50 Prozent dem einen und dem anderen zugutekommt.

Das heißt, am Ende des Tages ist sichergestellt, dass es im Vergleich zu heute eine deutliche Verbesserung gibt. Ganz zentral ist auch, dass es nicht dieses Opt-in gibt, sodass man nicht eine Person, meistens die Frau, in eine Bittstellersituation bringt und zugleich den Mann in eine Situation bringt, die für eine Beziehung nicht gut sein kann.

Die Freiwilligkeit, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, hat die letzten Jahre über nicht funk­tioniert. Wenn wir etwas sehen, das nicht funktioniert, halte ich es nicht für besonders klug, es auf die gleiche Art weiterzubetreiben.

Was unser Ziel in der Familienpolitik und im Pensionssplitting sein soll, ist das Voran­stellen der Partnerschaftlichkeit. Wir haben das schon gesehen: ein gemeinsamer An­spruch, der über sieben Jahre erwirtschaftet wird und auch die Lebensrealitäten der Menschen abbildet. Das bedeutet nicht, den Anspruch an dem Partner aufzuhängen, sondern ganz konkret am Kind. Wenn also ein weiteres Kind in die Familie oder auch außerhalb der Familie geboren wird, ist es mit dem Pensionssplitting vereinbar. Wir haben vorhin in der Debatte gehört, dass es eine Form von Starre gibt, wenn man ein solches Pensionssplitting macht. Das ist nicht der Fall.

Gehen wir einen mutigen Schritt nach vorne! An die Regierungsfraktionen gerichtet: Geben Sie sich einen Ruck! Gehen Sie den Schritt in ein automatisiertes Pensions­splitting, eines mit Opt-out-Option, eines, das auf Partnerschaftlichkeit und nicht auf konservativen und traditionellen Familienbildern aufbaut, eines, das das Kind und die beiden Elternteile in den Mittelpunkt stellt! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hol­zinger-Vogtenhuber. – Bitte.


17.54.22

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, Frauen sind in unserer Gesellschaft auch im Jahr 2019 noch immer in vielen Bereichen be­nachteiligt. Das hat auch einen ganz bestimmten Grund: Sie sind diejenigen, die immer noch für die Familiengründung, für das Kinderbekommen zuständig sind. Da ist die Na­tur unerbittlich, da gibt es keine Ausnahmen, und das ist auch so zu akzeptieren. (Abg. Schimanek: Na, Gott sei Dank! Ich bin gerne Mutter, ich habe drei Kinder ...! – Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Der Rest aber liegt in unserer Verantwortung: dass eine Frau für einen Arbeitgeber un­attraktiver wird, weil Zeit – Zeit des Mutterschutzes, Zeit nach der Geburt – für die Ge­sundheit der Mutter und die des Kindes nötig ist, das ist ganz klar, und weil sie im Be­trieb fehlt. Alles, was darüber hinausgeht, liegt in der Hand der Politik, liegt in unserer


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 169

Hand. Da dürfen wir der Kreativität überhaupt keine Grenzen setzen. Wir können selbst festlegen, wie wertvoll die Familienplanung für uns ist, für wie wertvoll wir es erachten wollen, dass sich junge Frauen und junge Paare dazu entscheiden, Kinder zu bekom­men. Das liegt in unserer Hand, und dabei sind ja auch die groben Verfehlungen in den letzten Jahren passiert. Ansonsten gebe es heute keine Studien, in denen man sieht, dass bei Frauen in Österreich ein Einkommensknick von minus 51 Prozent vorhanden ist, wie Forscher der Universität Princeton und der Uni Zürich festgestellt haben.

Ja, ein Kind zu bekommen ist etwas Großartiges, ist etwas Schönes – aber Realität in Österreich ist auch, dass es Nachteile bringt und dass diese Nachteile größtenteils Frauen treffen. Deshalb komme ich auf den Antrag des Kollegen Loacker zurück.

Ich kann diesen aus einem ganz einfachen Grund unterstützen: Wenn junge Paare ge­meinsam ein Kind bekommen und sich in dieser Situation vielleicht nicht für ein freiwil­liges Pensionssplitting entscheiden – einfach deshalb, weil sie glücklich und der Über­zeugung sind: wir teilen uns jetzt das Einkommen, wir teilen uns im Alter einmal die Pension –, dann geschieht das alles in einer Situation, in der das Glück überwiegt. Das Leben läuft aber nicht immer so, wie man es sich erträumt, und oft kommt es anders. Im Alter aber bekommen viele Frauen die Zeit, die sie bei den Kindern zu Hause oder in Teilzeit verbracht haben – weil sie ihre Zeit in die unentgeltliche Kindererziehung in­vestiert haben –, mit Altersarmut vergütet. Dem versucht dieser Antrag entgegenzuwir­ken, und er versucht, die Situation der Altersarmut von Frauen zu verbessern bezie­hungsweise dafür zu sorgen, dass es überhaupt nicht dazu kommt.

Ich muss aber sagen: Ich halte es für eine kleine Antwort auf die Probleme, die vor uns liegen. Warum? – Ich glaube, es ist kein großer Wurf im Sinne der Geschlechterge­rechtigkeit, die Partner zu einer Solidarität zu zwingen, die man sich eigentlich wün­schen würde beziehungsweise die freiwillig schon jetzt möglich ist. Im Sinne der Ge­schlechtergerechtigkeit empfinde ich es nicht als einen großen Wurf, eine Verpflichtung einzuführen.

Ich kann dem aber sehr wohl etwas Positives abgewinnen, weil ich es auch unterstützt habe, als wir im Zuge der Elga-Reform darüber diskutiert haben, ob es möglich sein soll, automatisch über diese Gesundheitsdaten zu verfügen, oder ob es ein Opt-out-Recht geben soll. Ich kann daher die Herangehensweise sehr wohl unterstützen, grundsätzlich eine gemeinsame Teilung festzuschreiben, das eheliche Vermögen, das Vermögen, das gemeinsam in der Ehe angeschafft worden ist – dazu zählen, meiner Meinung nach, natürlich auch finanzielle Ansprüche –, partnerschaftlich zu teilen. Wenn es aber wirklich nicht von beiden Partnern getragen wird, dann soll es auch zu einem Opt-out kommen können.

Trotz allem würde ich mir wünschen, dass es keine Abhängigkeit gibt, die hier wiede­rum zwischen den Partnern geschaffen wird; eine Frau, die einen Mann hat, der viel verdient, bekommt mehr Ansprüche gutgeschrieben, eine Frau, die einen Mann hat, der weniger gut verdient, dementsprechend weniger. Ich hätte gerne eine Situation, in der man alleine für die Leistung, ein Kind zu bekommen, eine Familie zu gründen, ausreichend abgesichert ist, ohne dass es diese Abhängigkeit vom jeweiligen Partner braucht. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

17.59

17.59.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Loacker, Kollegin­nen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag betreffend „Halbe-Halbe bei Pensionen: Automatisches Pensionssplitting umsetzen“, 522/A(E), eine Frist bis zum 24. April 2019 zu setzen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 170

Ich darf daher jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Minderheit, daher ist er abgelehnt.

17.59.52Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf nun wiederum die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 3 aufnehmen und dort fortfahren, wo wir vorhin geendet ha­ben.

Ich darf Abgeordnetem Rauch das Wort erteilen. – Bitte.


18.00.05

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Ich kann den vorigen Redebeitrag des Kollegen Leichtfried in sei­ner gespielten Emotionalität, wie er sie zelebriert hat, nicht so stehen lassen. Es war dies in seiner üblichen Art, bei der er auch viel heiße Luft produziert.

Es ist hundertprozentig zu unterstreichen, dass sich diese Jugendbewegung für Um­weltschutz und Klimaschutz einsetzt, der Punkt ist nur, dass ich mir natürlich auch das gleiche Engagement in dieser Art und Weise auch in ihrer Freizeit wünsche. Das muss hervorgestrichen werden und sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis innerhalb der schu­lischen Tätigkeit sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Herr Kollege Leichtfried – er ist gerade leider nicht da, aber er wird mir sicher vor ei­nem Fernsehschirm zuhören – hat in seiner Tätigkeit als Verkehrsminister die Treib­hausgasbilanz von 2015 bis 2017 auch entsprechend zelebriert. (Abg. Leichtfried steht hinter den Sitzreihen und winkt dem Redner zu.) – Okay, danke für Ihr Zuwinken, von Steirer zu Steirer ist das natürlich ein schönes emotionales Geplänkel. Wie auch im­mer, Sie haben in Ihrer Tätigkeit als Bundesminister in dieser Art und Weise natürlich viel in diesem Bereich verabsäumt.

In der vorigen Rede wurde mehrmals Greta Thunberg erwähnt, und das kann man nicht so stehen lassen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Da geht es nicht darum, ob wir sie wollen oder nicht, man kann es nicht so stehen lassen, dass da explizit für Atom­energie Werbung gemacht wird, über die gesamte Welt, über Gesamteuropa. Also nehmen Sie das zur Kenntnis: Wir wollen keine Atompolitik in Österreich! Das ist unse­re Linie. Das ist ganz explizit und ohne Wenn und Aber so zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die EU-Jahresvorschau für 2019: Frau Bundesminister, vieles ist schon während der Ratspräsidentschaft unter Ihrer Führung im Landwirtschaftsbereich, in der Umweltpoli­tik passiert. Hier haben wir natürlich auch explizit Akzente gesetzt – Akzente, die uns in dieser Art und Weise auch in der Umweltpolitik, im Naturschutzbereich, in der Biodiver­sität entsprechend vorantreiben. Das ist auch sehr, sehr gut, das freut uns. (Abg. Witt­mann: 140 Stundenkilometer als Umweltschutzprogramm!) Wir haben ein sehr ambi­tioniertes und engagiertes Programm für das Jahr 2019. (Abg. Wittmann: 140 Stun­denkilometer als Umweltschutzprogramm!) – Ich weiß, Sie haben viele Probleme mit dieser Bundesregierung. Das Problem, das sich für Sie darstellt, ist, dass die Bevölke­rung hinter uns steht und nicht auf Ihrer Seite; das ist Ihr Problem. Ich weiß, Sie ver­suchen, irgendwie den Boden unter den Füßen wieder zu gewinnen, das wird Ihnen aber auf diese Art und Weise sicher nicht gelingen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ein Punkt noch, um auf die Atomenergie zurückzukommen: Da ist natürlich unser An­satz, dass wir diese Begünstigungen seitens der Europäischen Union nicht unter­stützen. Das ist unser Ansatz und deswegen gibt es unsere Maßnahmen gegen den Block 3 in Mochovce und gegen andere Atomkraftwerke.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 171

In diesem Sinne: Frau Bundesminister, es ist ein engagiertes, wirklich emanzipiertes und auch wichtiges Programm für das Jahr 2019. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: 140 Stundenkilometer als Umweltschutzprogramm! – Abg. Rauch – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz in Richtung Abg. Wittmann –: Du fährst mehr auf der Au­tobahn!)

18.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


18.03.56

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die EU-Vor­schau für das Jahr 2019 vom Nachhaltigkeitsministerium ist erstaunlich sinnbildlich für das, was wir heute schon mehrfach diskutiert haben, nämlich für eine Nachhaltigkeits­politik ohne jedes Engagement, ohne Ambition und vor allem ohne Nachhaltigkeit in der Nachhaltigkeitspolitik.

Ich möchte ganz konkret drei Beispiele aus dem Bericht herausgreifen, um die Kritik auch zu adressieren. Beispielsweise findet sich zur Klima- und Energiepolitik auf Sei­te 12 geschrieben, „dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Positionen zu der Frage haben, ob sich die EU das Ziel ‚Netto-Null-Emissionen‘ bis 2050 setzen sollte“.

Der Vorhabensbericht – wie schon der Name sagt – sollte eigentlich das Vorhaben der Regierung und die Positionierung, die Ambition der Regierung beschreiben. Die Ambi­tion der Regierung ist, zu erklären, was gerade der Allgemeinzustand ist. Das erinnert ein bisschen an den Herrn Bundeskanzler, der immer einmal ganz kurz beschreibt, was er gerade im Fernsehen gesehen hat, ohne wirklich zu sagen, wofür er steht.

Ich möchte weiter gehen, und zwar ganz konkret zum „Paket ‚Saubere Energie für alle Europäer‘“. Auch da ist es so, dass Konsequenzen bei Nichteinhaltung der nationalen beziehungsweise der europäischen Zielsetzung bis 2030 beschrieben werden. Wir ver­missen da ganz konkret, was die Position Österreichs ist. Was ist die Ambition Öster­reichs? Was will man im Nachhaltigkeitsministerium erreichen? – Es findet sich im Vor­habensbericht 2019 nicht, was Österreichs Vorhaben ist.

Ähnlich und nicht weniger kritisch verhält es sich mit der Wasserrahmenrichtlinie. Das ist etwas technisch und man kann sich wenig darunter vorstellen, aber die Europäische Union hat sehr hohe Qualitätsstandards hinsichtlich der Wasserqualität der Fließge­wässer. Es gibt aber vonseiten verschiedener Lobbys durchaus das Interesse, diese Wasserrahmenrichtlinie wortwörtlich zu verwässern, aufzulockern, einzuschränken. Man weiß aber, dass Österreich ganz konkret bei 37 Prozent der Fließgewässer eine gute oder sehr gute Qualität hat. Man kann es jetzt auch umdrehen: 63 Prozent der Fließge­wässer erreichen keine gute oder sehr gute Qualität. Es ist also sicherlich nicht im Sinne des Erfinders, dass wir Richtlinien verwässern und auflockern, die ohnehin noch viel vor sich haben, um eine erwünschte Qualität zu bringen.

Ganz konkret: Der EU-Vorhabensbericht 2019 aus dem Nachhaltigkeitsministerium hat nichts mit den Vorhaben der Republik und nichts mit Nachhaltigkeit der Republik zu tun. Wir erwarten von Ministerin Köstinger, dass sie endlich in die Gänge kommt und wirklich Nachhaltigkeitspolitik macht, die ihren Namen auch verdient. – Dieser Bericht ist kein Beleg dafür. (Beifall bei den NEOS.)

18.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


18.07.10

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Bundesministerin­nen! Geschätzte Damen und Herren! Meine Damen und Herren zu Hause vor den Fern-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 172

sehschirmen! Wir haben vorhin den Dringlichen Antrag und die Diskussion darüber erlebt, und diesbezüglich möchte ich ganz klar an Stephanie Cox, die ganz hinten steht, adressieren: Liebe Kollegin, das geht sich einfach nicht aus!

Es geht sich einfach nicht aus, am Freitag demonstrieren zu gehen, sich dann hierher in dieses Haus zu stellen und vorhin zum Beispiel ein Biomasseausbauprogramm ab­zulehnen. Das geht sich nicht aus! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf: Ausbau? – Abg. Schellhorn: Was baut ihr aus? Das war ein Freud’scher Versprecher!)

Auch für die SPÖ gilt: Das geht sich nicht aus, hier Klimaschutz einzufordern und auf­zuzeigen, wenn man nicht bereit ist, auch Projekte vor Ort in den Gemeinden tatkräftig zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Natürlich kostet Umweltschutz Geld, das wissen wir. Diese Doppelbödigkeit geht sich aber eben nicht aus. Die wichtigste Ressource für uns in der Politik ist die Glaubwür­digkeit, und Glaubwürdigkeit muss man leben, und da muss man auch mit gutem Bei­spiel vorangehen.

Unsere Ministerin hat alles versucht, um Biomassekraftwerke, die alternativen Strom erzeugen, die gesunden Strom erzeugen, die grünen Strom erzeugen, weiterhin zu för­dern. Die NEOS sind mitgegangen, sie haben mitgestimmt, und es ist schon eine be­merkenswerte Argumentation, wenn Frau Muna Duzdar behauptet, dass das nicht transparent ist. Ja, das ist eine Beleidigung für die NEOS, die auf diese Transparenz genau schauen, dass eben darauf geachtet wird, wo dieses Geld, diese Förderungen ankommen. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Das geht sich mit Sicherheit nicht aus für Sie. Da haben Sie jede Glaubwürdigkeit ver­spielt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte noch eines auch in Richtung Frau Minister Köstinger sagen, weil sie, vorhin auch vom Kollegen Bernhard, sehr angegriffen wurde: Es war unsere Ministerin, die es zum Beispiel im Bereich der sogenannten Kreislaufwirtschaftsstrategie der EU kurz vor Weihnachten geschafft hat, eine Einigung hinsichtlich Plastikreduktion zu schaffen. Es war unsere Frau Minister, die alle Minister europaweit zusammengebracht und diesbe­züglich einen Durchbruch geschafft hat. (Abg. Bernhard: Falsches Thema!) Gestern, meine Damen und Herren, wurde im Europäischen Parlament diese Richtlinie, diese Einwegplastikrichtlinie endgültig beschlossen. (Zwischenruf der Abg. Margreiter.)

Das ist ein massiver Beitrag für eine bessere Umwelt, ein massiver Beitrag für eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft, die wir natürlich brauchen. Es geht natürlich nicht an, dass laut einem UN-Bericht aus dem Jahr 2014 in den Weltmeeren jährlich etwa 6,4 Millionen Tonnen Plastik abgelagert werden. (Abg. Schellhorn: Wenn das eine Maturaarbeit wäre, wäre das: Thema verfehlt!) 2 Prozent davon kommen übrigens aus Europa.

Es geht nicht an, dass zum Beispiel, wie letzte Woche zu lesen war, ein Wal deswegen verendet, weil er 40 Kilogramm Plastik in seinem Magen hat. Das geht natürlich nicht an. Dagegen müssen wir konkret ankämpfen.

Wir sehen aber durchaus eine Bewusstseinsänderung in unserer Bevölkerung. Ich selbst muss auch ab und zu in ein Geschäft einkaufen gehen (Ah-Rufe bei der SPÖ), und ich merke, dass zum Beispiel die Glasflaschen immer mehr wiederkommen und angenommen werden. Berglandmilch hat jetzt zum Beispiel gemeinsam mit Green­peace ein Projekt gestartet, mit dem sie Mehrwegglasflaschen wieder einführen wollen.

Es tut sich doch einiges und wir sind diesbezüglich sicher auf einem guten Weg. Na­türlich kann immer mehr getan werden, aber unsere Ministerin hat gerade in der Rats-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 173

präsidentschaft vieles weitergebracht, und das soll auch in diesem Haus bitte unbe­dingt anerkannt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte wirklich ein großes Plädoyer dafür halten, dass in dieser Jahresvorschau auch ein Schwerpunkt bei der Kreislaufwirtschaft liegt. In die Kreislaufwirtschaft zu in­vestieren heißt, nicht nur in Klimaschutz und in Umweltschutz zu investieren, sondern heißt auch, in regionale Wertschöpfung, in regionale Wettbewerbsfähigkeit zu inves­tieren, genauso wie bei den Biomassekraftwerken, die ich schon thematisiert habe.

Das ist regionale Wertschöpfung, das ist regionale Unterstützung, das ist regionale Wett­bewerbsfähigkeit, und da müssen wir die Dinge auf den Boden bringen. Es helfen die besten Papiere der EU-Kommission, der Bundesregierung nichts, wenn wir die Dinge am Ende des Tages in unseren Gemeinden, in unseren Haushalten und in unseren Köpfen nicht auf den Boden bringen.

Meine Damen und Herren, wir stehen daher für eine ökosoziale Marktwirtschaft, und das werden wir auch in Zukunft ganz massiv forcieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

18.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Androsch. – Bitte.


18.12.05

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zu­hörer! Die EU-Jahresvorschau, die jetzt zur Diskussion steht, beinhaltet einen Punkt, der in nur drei kleinen Wörtern fast unbemerkt in diesem Bericht zu sehen ist, und zwar geht es da um die Entsorgung radioaktiven Abfalls. Zu finden unter dem Punkt „Nuklear­energie“, „Entsorgung radioaktiver Abfälle“ auf Seite 11.

So klein dieser Punkt in dieser EU-Vorschau ist, so wichtig ist uns dieser Punkt, weil aktuell Tschechien in Grenznähe einen oder möglicherweise zwei Standorte sucht, in denen Atommüll, radioaktiver Abfall endgelagert werden soll. In der Nähe bedeutet in einer Distanz von 20, 30 Kilometern, wo in einem gigantischen Projekt großen Ausma­ßes ein Atommüllendlager errichtet werden soll.

Es ist mir daher besonders wichtig, dass wir darauf unser Augenmerk richten (Abg. Neubauer: Vier Mal von der SPÖ abgelehnt!), dass wir da genau hinsehen und dass wir unser Augenmerk auf die Sicherheit, auf die Gesundheit der Bürgerinnen und Bür­ger in Österreich und auf unsere Umwelt legen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher sollten wir auch da ein starkes Zeichen setzen. Herr Gödl, auch hier können wir zur Glaubwürdigkeit etwas beitragen und ein starkes Zeichen setzen.

Deshalb erlaube ich mir, folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Heranrücken möglicher Atommüll-Endla­ger der Nachbarstaaten an die österreichische Grenze und somit eine potentielle Ge­fährdung im Inland dadurch zu unterbinden, dass von den Nachbarstaaten ein Schutz­korridor von 100 km bis zur Staatsgrenze gefordert wird, in denen ein solches Lager nicht errichtet werden soll.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 174

Das ist deshalb besonders wichtig, weil wir ein kleines Zeitfenster bekommen haben. Von den neun Standorten soll in Bälde auf vier reduziert werden, und vor Kurzem ist der Direktor der Súrao, das ist jene staatliche Agentur, die in Tschechien dafür verant­wortlich ist, diese Standorte zu suchen, ausgewechselt worden. Damit hat sich auch der Zeitpunkt um ein Jahr bis März 2020 verschoben, wenn diese neun Standorte auf vier, bis 2025, wenn dann endgültig gebaut werden soll, auf zwei Standorte und auf ei­nen tatsächlich umzusetzenden Standort reduziert werden sollen.

Daher ist es besonders wichtig, dass wir heute hier ein starkes Zeichen setzen, und ich möchte Sie auffordern: Tun Sie das, setzen Sie ein starkes Zeichen für die Österrei­cherinnen und Österreicher (Abg. Neubauer: Zehn Jahre hat es die SPÖ abgelehnt!) und vor allem für die grenznahen Regionen, um die Sie sich jetzt kümmern können! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Erwin Preiner

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht der Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Jahresvorschau 2019 auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission so­wie des Achtzehnmonatsprogrammes des Rates (III-258 d.B.), 527 d.B.

betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern

Seit Jahren droht in der Tschechischen Republik – in unmittelbarer Nähe zur österrei­chischen Staatsgrenze – die Errichtung eines Atommüll-Endlagers. Nun werden die Aus­baupläne immer konkreter. Die ARGE SUP Nukleare Entsorgungsprogramme hat zum Nationalen Entsorgungsprogramm der Tschechischen Republik eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben, aus der eine Reihe von Empfehlungen abgeleitet wurden.1 Auch in der öffentlichen Anhörung zur Erweiterung des AKW-Standortes Dukovany am 6. Juni 2018 wurde das Thema Endlagerung mehrfach angesprochen.2


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 175


Mögliche Standorte für Atommüll-Endlager in der Tschechischen Republik

Quelle: https://www.global2000.at/atommuellendlager-tschechien

Bereits im Jahr 2013 wurde in einer umfangreichen Studie zu möglichen Endlager-Standorten darauf hingewiesen, dass an manchen Standorten ein besonders hohes Gefährdungspotential besteht. Unter den angeführten Standorten geht der Studie zufol­ge die größte mögliche Gefährdung von Kraví hora und Hrádek aus.3

Die Frage der Endlagerung ist eng mit den Ausbauplänen für die tschechischen Atom­kraftwerke verbunden. So soll das AKW Dukovany nun erweitert werden, konkret von vier auf sechs Reaktoren.

Bereits im Entschließungsantrag 1966 d.B. XXIV GP wurde von der Bundesregierung „der koordinierte Einsatz gegen die geplanten grenznahen Endlager, insbesondere in den Nachbarstaaten im Sinne der maximalen Sicherheit für die österreichische Bevöl­kerung und Umwelt“ geordert und in der Entschließung 60/AEA XXV.GP wurde die Bundesregierung, insbesondere der damalige Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, ersucht, „sich auf bilateraler und EU-Ebene ge­gen grenznahe Atommüllendlager auszusprechen und alle politischen, diplomatischen und rechtlichen Möglichkeiten gegen deren Errichtung zu ergreifen.“ Auch in ihrem Re­gierungsprogramm bekennt sich die Regierung zu einem „konsequenten Einschreiten gegen grenznahe Atommülllager“.

Nun schreiten die Pläne der tschechischen Regierung aber zügig voran und umso mehr ist ein tatsächliches Vorgehen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gefordert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 176

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Heranrücken möglicher Atommüll-Endla­ger der Nachbarstaaten an die österreichische Grenze und somit eine potentielle Ge­fährdung im Inland dadurch zu unterbinden, dass von den Nachbarstaaten ein Schutz­korridor von 100 km bis zur Staatsgrenze gefordert wird, in denen ein solches Lager nicht errichtet werden soll.“

1http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/uvpsup/sup/konsultationen/sup_tschechischerepublik/supczentsorgung/

2http://www.noe.gv.at/noe/Umweltschutz/Protokoll_Oeffentliche_Eroeterung_KKW_Dukovany_06062018.pdf

3Vgl. Patricia Lorenz, Roman Lahodynsky: „Atom-Studie: Tschechische Endlagerpläne für geologische Tiefenlager – historische Entwicklung, wissenschaftliche und politische Beurteilung, Auswirkungen auf Österreich“ im Auftrag des Landes Niederösterreichs, S. 35.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist eingebracht, ord­nungsgemäß unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


18.15.21

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministe­rinnen! Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den aktuellen Tagesord­nungspunkt zu sprechen komme, nur eine Ergänzung und Richtigstellung: Kollege Neu­bauer hat zehn Jahre lang insgesamt vier Anträge eingebracht, um grenznahe Atom­kraftwerke und Endlagerplätze für Atommüll zu verhindern. Diese Anträge wurden über zehn Jahre auch von der SPÖ-Fraktion abgelehnt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) – Kolle­ge Neubauer, bei dir bedanken wir uns für deine Weitsicht und für deine Initiativen.

Nun zum EU-Jahresprogramm 2019: Ich möchte mich heute auf einen Bereich speziali­sieren und eine Lanze für die Berglandwirtschaft brechen. Die Berglandwirtschaft, das ist hinlänglich bekannt, arbeitet unter wirklich erschwerten Bedingungen – steile Lagen, klimatisch schwierige Bedingungen unter zum Teil extremen Voraussetzungen –, leis­tet aber einen wesentlichen und wichtigen Beitrag zur Erhaltung unserer Kulturland­schaft, unseres Lebensraumes und auch für den Tourismus.

Diese Berglandwirtschaft hat das Problem, dass das Einkommen – das ist im Grünen Bericht auch festgehalten worden – 20 Prozent unter dem Durchschnitt der Einkom­men der landwirtschaftlichen Betriebe liegt. Ein landwirtschaftlicher Betrieb hatte im Schnitt laut Grünem Bericht 2017 Einkünfte von 31 131 Euro und ein Bergbauernbe­trieb Einkünfte von im Schnitt 25 912 Euro, also minus 20 Prozent.

Was ist die Konsequenz? – Die Konsequenz ist, dass viele Bergbauernbetriebe den Hof für immer zusperren. Das müssen wir durch eine gute Gemeinsame Agrarpolitik verhindern.

Ich nenne Ihnen konkrete Zahlen aus meinem Heimatbezirk Osttirol: Im Jahr 1961 hat es bei uns im Bezirk noch 2 575 Rinderbetriebe gegeben, im Jahr 2019 nur 1 253, mi­nus 50 Prozent. Wie schaut es bei der Milchproduktion aus? – Im Jahr 1981 waren es 1 000 milchproduzierende Betriebe, im Jahr 2019 waren es 490, minus 50 Prozent. Insgesamt haben wir im Jahr 2019 noch 1 559 landwirtschaftliche Betriebe, und im Schnitt sperren jedes Jahr 60 Betriebe zu und schließen den Hof für immer.

Was bedeutet das für die Politik? – Da ist die Politik gefordert, weil eben gerade die Bergbauernbetriebe einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Berglandwirtschaft


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 177

leisten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Deswegen ist es wichtig, das Schließen dieser Be­triebe zu verhindern. Wie können wir das tun? – Na ja, durch eine gute, sinnvolle För­derpolitik.

Deswegen ist die Gemeinsame Agrarpolitik hier gefordert. Von in etwa 60 Milliarden Euro, die die Europäische Union jährlich für die Landwirtschaft ausgibt, fließen 30 Mil­liarden Euro in die reine Flächenförderung und aus unserer Sicht zu wenig in die Aus­gleichszahlungen für die benachteiligten Berglandwirte. Diese Ausgleichszahlungen sind nicht nur zu erhalten, sondern wir müssen uns dafür einsetzen, dass diese Aus­gleichszahlungen auch angehoben werden. Das wäre ein Ziel, damit das Schließen der Bergbauernhöfe verhindert wird. Dafür setzen wir uns ein, und ich bitte euch alle, uns bei diesen Bemühungen zu unterstützen.

Im Zuge der Erarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik, deren Säule 1 die Direktförde­rungen und Säule 2 das Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums umfasst, muss es uns gelingen, die Mittel im Bereich Direktzahlungen noch wesentlich zu ver­stärken und die Ausgleichszahlungen zu erhöhen, damit unsere landwirtschaftlichen, bergbäuerlichen Betriebe weiterhin am Leben erhalten werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Feich­tinger. – Bitte.


18.20.16

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jeder vierte land­wirtschaftliche Betrieb in Österreich wurde in den letzten zehn Jahren zugesperrt. Trotz hoher Subventionen gibt es wesentlich weniger Bauernhöfe in Österreich. Seitens der Bundesregierung spricht man immer wieder über die Wertschätzung gegenüber den heimischen Kleinbäuerinnen und -bauern, doch ich frage mich: Was wurde bisher wirk­lich umgesetzt?

Von der ÖVP, die seit über 30 Jahren das Landwirtschaftsministerium besetzt, gibt es für die Kleinbäuerinnen und -bauern nur Lippenbekenntnisse. Die Kleinen werden Jahr um Jahr mehr belastet. Meine Schwiegereltern haben einen Hof mit Milchkühen. Dort hat noch jede Kuh ihren eigenen Namen. Es ist halt einfach etwas ganz anderes, weil die Lebenserwartung dieser Kühe wesentlich höher ist als jene der Hochleistungskühe, die bei vier bis fünf Jahren liegt.

Die meisten Höfe bei mir im Salzkammergut werden von Familien im Nebenerwerb und zum Teil auch im Vollerwerb geführt. Für unsere Gemeinden sind diese von unschätz­barem Wert. Sie beleben den Tourismus durch die Landschaftspflege und durch attrak­tive Urlaubsangebote, sie erhalten viele Bräuche und Traditionen, und sie versorgen uns mit gesunden und vor allem hochwertigen Lebensmitteln. Die wirtschaftliche Situa­tion wird aber für viele Familienbetriebe immer schwieriger, obwohl sie hart, mit vollem Engagement und mit Begeisterung arbeiten.

Die Mittel für die EU-Ausgleichszahlungen sind hoch, doch sie werden nicht gerecht verteilt. Wir fordern, dass die Förderungen ab einer gewissen Fläche spürbar abfla­chen. Wir brauchen unbedingt Maximalgrenzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem müssen Kriterien wie Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit die maßgebli­che Rolle bei der Verteilung spielen, denn es kann nicht sein, dass reiche Großgrund­besitzer mit Unterstützung in Millionenhöhe gefördert werden, während die kleinen Be­triebe immer mehr unter Druck geraten. Diese kleinbäuerlichen Betriebe, deren Höfe von Generation zu Generation weitergegeben werden, möchten den respektvollen Um­gang mit Tieren und Umwelt pflegen und nicht durch chemische Mittel ihre Böden aus-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 178

laugen, doch gerade dieser Druck ist es, der die Landwirte zwingt, in eine Richtung zu gehen, die sie gar nicht wollen. Eine schlechte Ernte kann nämlich für einen Kleinbauer heutzutage schon das Aus bedeuten.

Die Österreicherinnen und Österreicher verdienen Besseres: eine umweltfreundliche und nachhaltige Landwirtschaft, die die Nutztiere und vor allem auch die Insekten schützt! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die tägliche Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern muss wieder etwas wert sein! (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Minister Köstinger. – Bitte.


18.22.59

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Geschätz­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser Tagesord­nungspunkt befasst sich mit der EU-Jahresvorschau meines Ressorts für das Jahr 2019. Ich darf die Gelegenheit auch nutzen, die letzten sechs Monate unserer Ratspräsident­schaft kurz Revue passieren zu lassen.

Wir haben ja in meinem Ressort mehrere Ratsformationen, für die wir zuständig sind, unter anderem Landwirtschaft, Umweltpolitik, Energie und auch Kohäsionspolitik. Wir haben in Österreich insgesamt acht formelle Räte und drei informelle Räte veranstaltet. Das Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft war ja: Ein Europa, das schützt! Das Motto meines Ressorts war auch ein Ausdruck der Prioritäten –: Ein Europa, das Klima schützt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Vogl: Das haben wir schon gehört!)

Wir konnten daher auf EU-Ebene wesentliche Erfolge erzielen, die einen aktiven Ein­fluss auf die Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Europäischen Union haben  zum ei­nen die CO2-Reduktion für Autos und leichte Nutzfahrzeuge um 37,5 Prozent und zum anderen vor allem auch der erfolgreiche Abschluss des Clean Energy Package unter unserer Ratspräsidentschaft. (Ruf bei der SPÖ: War die Rede nicht schon? Abg. Vogl: Das haben wir zuerst schon gehört!) Das stellt den wichtigsten Beitrag Europas zur Umsetzung des Pariser Abkommens im Energiebereich dar.

In diesem Jahr wollen wir an die Erfolge des letzten Jahres anschließen. Auch da steht für uns das Thema Klimaschutz ganz an oberster Stelle. Ein ganz großes Thema, das wir zu bearbeiten haben, ist die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020. (Abg. Heinisch-Hosek: Zweimal die gleiche Rede, das ist ein Wahnsinn!) Da wird unter rumänischem und finnischem Ratsvorsitz noch einiges an Arbeit vor uns lie­gen.

Zum Zweiten werden wir die großen Erfolge der österreichischen Ratspräsidentschaft im Bereich der Plastikreduktion fortführen. Wir sind uns der großen Aufgabe und vor al­lem auch unserer Vorbildrolle absolut bewusst.

Zum Dritten wollen wir das 2018 verhandelte Clean Energy Package mit Leben erfüllen und erneuerbaren Energien den Vorrang gegenüber fossilen Energieträgern geben.

Zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020: Es hat ja die EU-Kommission am 1. Juni 2018 ihren Vorschlag für die Gestaltung der GAP nach 2020 vorgelegt. Wir haben un­ter österreichischem Ratsvorsitz versucht, massive Verbesserungen zu erzielen, vor al­lem eben auch, diese Gemeinsame Agrarpolitik praktikabel zu machen. Es ist uns auch in vielen Bereichen gelungen, wirklich den bäuerlichen Familienbetrieb ins Zentrum zu stellen. Wir stellen ja im Rahmen eines unserer ganz großen politischen Ziele darauf ab, dass wir es schaffen, in der Europäischen Union die Zahlungen für die Gemeinsa­me Agrarpolitik auf Qualität und auf bäuerliche Familien zu fokussieren und nicht wie


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 179

bisher auf die Masse und eben auch auf das Billigproduzieren, wie es zum Teil in den letzten Jahrzehnten passiert ist.

Wir sehen auch, dass natürlich die Europawahlen am 26. Mai 2019 dafür sorgen, dass es doch zu Verzögerungen kommen wird. Wir gehen davon aus, dass wir auf Ratsebe­ne fertigverhandeln können, aber durch die Neukonstituierung des Europäischen Par­laments könnte es da doch auch zu Verzögerungen kommen.

Parallel zu den Verhandlungen über die Programme der Gemeinsamen Agrarpolitik verhandelt die Europäische Union den Mehrjährigen Finanzrahmen. Eines ist ganz klar: Es können nicht mehr Leistungen von unseren bäuerlichen Familienbetrieben er­wartet werden und dafür weniger Geld ausbezahlt werden. Die österreichische Bun­desregierung steht klar hinter den Bäuerinnen und Bauern und klar hinter unseren bäu­erlichen Familienbetrieben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Im Ressort befassen wir uns derzeit speziell mit der Ausarbeitung der GAP-Strategie­pläne, die die EU-Kommission neu vorsieht. Ähnlich der Programmierung der ländli­chen Entwicklung, wie wir sie jetzt schon in Österreich haben, werden wir in Zukunft eben auch den Bereich der Direktzahlungen mit Strategieplänen versehen. Da haben wir bereits einen Stakeholderprozess zur Beteiligung der Partnerinnen und Partner ein­geleitet. Das wollen wir 2019 als zentrale Aufgabe im Ressort umsetzen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Thema Plastik. Plastik hat in der Umwelt, etwa in Flüssen und in Meeren, nichts verloren. Dennoch sehen wir, dass die Verschmutzung durch Plastik, Einwegplastik und auch Mikroplastik, immer stärker zunimmt. Wir haben ja mit der Richtlinie zum Einwegplastikverbot auf europäischer Ebene wirklich einen maßgeblichen Verhandlungserfolg erzielen können. Dieses Verbot ist gestern auch im Europäischen Parlament bestätigt worden. Das wird eine der großen Prioritäten unse­rerseits bei den Verhandlungen. Der Richtlinie zufolge werden Produkte verboten, die durch nachhaltige Alternativen ersetzt werden können. Die Ziele für die getrennte Sammlung von Kunststoffflaschen wurden für 2025 mit 77 und für 2029 mit 90 Prozent festgesetzt – also sehr ambitioniert.

Auch da sind wir massiv gefordert, national jetzt schon die Weichen zu stellen, damit uns das auch gelingt. Wir sind zwar in Österreich schon bei einem Recyclingziel von 74 Prozent, müssen da aber wie gesagt in den nächsten Jahren noch massiv zulegen.

Die Europäische Union hat unter österreichischer Ratspräsidentschaft ein sehr ambitio­niertes Paket ausgearbeitet. Wir wollen aber national noch einen Schritt weitergehen. Wir haben letztes Jahr bereits angekündigt, das Plastiksackerl mit 1.1.2020 zu verbie­ten, auch bis zu 25 Prozent von Plastikverpackungen zu verbieten und wirklich auch aus dem Verkehr zu ziehen. Vor allem das Thema Mikroplastik liegt uns sehr am Her­zen. Bis Sommer werden wir im Abfallwirtschaftsgesetz die legistischen Grundlagen für diese rasche Umsetzung schaffen. Wir gehen da konsequent unseren Weg im Kampf gegen Plastikmüll weiter.

Als dritte Priorität, die wir herausgearbeitet und angeführt haben, gilt es, an dem Clean Energy Package, dem größten Legislativpaket in der Geschichte der EU-Energiepolitik, weiterzuarbeiten und es vor allem auch umzusetzen. Mit dem Clean Energy Package wollen wir maßgeblich die Ziele des Pariser Abkommens erreichen. Insgesamt ist da ja auch Jahre verhandelt worden. Es geht darum, den Energiemarkt in Europa effektiver und vor allem auch effizienter zu machen.

Ganz wichtig: Es ist uns unter österreichischem Ratsvorsitz gelungen, die Verlänge­rung von Kohlesubventionen mit dem Enddatum 2025 zu versehen. Das wird für den aktiven Klimaschutz in Europa einen massiven Beitrag leisten. Es gibt ja sehr viele Länder, die nach wie vor auf Kohlestrom setzen. Da wollen wir wirklich Wettbewerbs­gleichheit mit dem Ausbau von erneuerbarer Energie zustande bringen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 180

Europa und vor allem Österreich haben da ein unmissverständliches Signal gesendet: Erneuerbare Energien müssen gestärkt werden, Kohle und Atomkraft müssen der Ver­gangenheit angehören. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir werden das Clean Energy Package auch im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes, das wir gerade in Ausarbeitung haben, umsetzen. Im Jahr 2019 wird auch erneuerbarer Wasserstoff eine ganz große Rolle auf EU-Ebene spielen. Wir haben 2018 unsere Wasserstoff-Deklaration ins Leben gerufen, der sich mittlerweile 26 EU-Staaten und zwei Efta-Staaten angeschlossen haben. Da geht es maßgeblich darum, die Forschung, die Technologie und die Entwicklung für erneuerbaren Wasserstoff vo­ranzutreiben. Wir machen das auch im Rahmen einer nationalen Wasserstoffstrategie.

Für uns ist vor allem eben auch die Frage der erneuerbaren Energien massiv mit dem Speicherthema verbunden. Wir wollen wirklich unterstützen, dass Wasserstoff ein ganz zentrales Lösungselement für viele der offenen Fragen wird, Beispiel Netzstabilität durch langfristige Energiespeicherung und vor allem eben ganz zentral das Thema der Dekarbonisierung der energieintensiven Industrien. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

Das ist auch für uns im Ressort ein ganz großes Thema, ein absolutes Zukunftsthema, bei dem vor allem wir in Europa eine zentrale Vorreiterrolle einnehmen. Das ist 2019 unser ganz großes Ziel.

Ich darf mich sehr herzlich bei allen bedanken, die im letzten Jahr mit uns gearbeitet haben, vor allem bedanken darf ich mich bei den engagierten Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern im Rahmen der Ratspräsidentschaft, vor allem eben auch in meinem Ressort. Jetzt gilt es, an die Erfolge von 2018 anzuschließen und 2019 auch in diesem Bereich österreichische Handschrift auf europäischer Ebene zu hinterlassen, Projekte und Zu­kunftsthemen voranzutreiben. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Preiner: Frau Ministerin, für die bäuerlichen Familien­betriebe machen Sie nichts!)

18.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


18.32.33

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Ministerinnen! Abschließend darf ich noch sagen, was mir bei der EU-Jahresvorschau aufgefallen ist: Themen, die posi­tiv herauszustreichen und hervorzuheben sind, sind sehr ausführlich und sehr breit be­schrieben worden, doch wird es plötzlich kritisch und unangenehm, ist der Bericht sehr karg und ziemlich einsilbig.

Ich bin trotzdem froh darüber, dass wir alle Kritikpunkte heute hier im Parlament an­sprechen konnten und dass wir den Bericht nicht im Ausschuss enderledigt haben. Es sind sehr, sehr viele Kritikpunkte, Frau Ministerin, angesprochen worden. Ich hoffe, die nehmen Sie auch ernst.

Zusammenfassend möchte ich schon auch noch auf den Fokus der Sozialdemokratie hinweisen: Wir sind für eine massive Reduktion von chemisch-synthetischen Pestizi­den wie beispielsweise Glyphosat. Da waren wir auch in der Vergangenheit sehr be­harrlich. Es findet da auch in der Landwirtschaft ein großes Umdenken statt, für das wir auch sehr, sehr dankbar sind. Viele Betriebe rüsten auf biologisch um. Es wäre nur noch ein Wunsch, dass man diese Betriebe, alle Betriebe, die auf bio umrüsten wollen, mit Förderungen ausstattet und den Umstieg auch ermöglicht. Das erfolgt nämlich der­zeit noch nicht, und das finde ich sehr, sehr schade.

Besonders ein Punkt in diesem Vorhabensbericht stimmt mich auch sehr nachdenklich: Im Bereich der Lebensmitteletiketten wurden in gewissen EU-Zulassungsverfahren Män-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 181

gel bei Risikobewertungen festgestellt. Was heißt das? – Das liegt klar auf der Hand: Es wurden in der EU Produkte in Verkehr gebracht, deren Risikofaktoren falsch bewer­tet und eingeschätzt wurden, und das sollte nicht passieren. Das beste Beispiel ist Gly­phosat: Im letzten halben Jahr war das oftmals in den Medien. Dieses Glyphosat – das belegt jetzt auch eine amerikanische Studie – ist krebserregend. Man kann das nicht oft genug sagen, denn ich glaube, es ist noch nicht in der ÖVP angekommen. (Abg. Vogl: Manche können es nicht einmal aussprechen hier im Parlament!)

Bitte folgen Sie dem Beispiel Kärntens und Salzburgs das sind zwei Bundesländer, die sich dazu bekannt haben, Nein zu Glyphosat zu sagen – und fassen Sie Mut! Das ist ganz, ganz wichtig.

Ich appelliere an dieser Stelle auch an alle Bundesländer eindringlich, dem Beispiel Salzburgs und Kärntens zu folgen. Nutzen wir den Föderalismus und zwingen wir die Bundesregierung, endlich im Sinne der Menschen in unserem Land, im Sinne der hei­mischen Landwirtschaft, im Sinne der Artenvielfalt zu handeln! Die Gesundheit der Men­schen, Frau Ministerin, muss vor Profit kommen. – Sie hört mir eh nicht zu (in Richtung Bundesministerin Köstinger, die in ihren Unterlagen schreibt), es ist ihr eh egal. (Abg. Preiner: Frau Ministerin, die Frau Abgeordnete spricht mit Ihnen!) Entschuldigung, hö­ren Sie mir bitte zu, wenn ich hier am Rednerpult stehe – vielen Dank! (Beifall bei der SPÖ. Bundesministerin Köstinger: Ich schreibe sogar mit, wörtlich!)

Die Gesundheit der Menschen in diesem Land, Frau Ministerin, muss vor den Profitin­teressen stehen, und dieses Gefühl – tut mir leid, bei aller Wertschätzung – habe ich bei Ihnen nicht. Fassen Sie Mut, nehmen Sie sich ein Beispiel an der Salzburger Lan­desregierung, die diese Woche ein Verbot von Neonicotinoiden beschlossen hat, das auch diese Notfallzulassung, die Sie immer wieder nutzen und zu der wir auch eine An­frage gestellt haben, umfasst.

Man sieht ganz klar: Auch die ÖVP hat in Salzburg mitgestimmt. Es fallen Ihnen schon die eigenen Leute um. Bitte denken Sie darüber nach und seien Sie mutig, vor allem bei der Frage des Glyphosats! Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.36

18.36.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter noch ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann gelangen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-258/527 d.B. zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf jene Damen und Herren, die den Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „stoppglyphosat.spoe.at“.

Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechtere Verteilung der EU-Fördermittel und Stärkung der Bio-Landwirtschaft“.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich ebenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. Das ist auch die Minderheit, abgelehnt.

Zum Schluss gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Ab­geordneten Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu grenznahen Atom­müll-Endlagern“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 182

Ich jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustim­mung. Auch das ist die Minderheit, abgelehnt.

18.36.574. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 662/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maxi­milian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarmärkte und regionale Produktion (528 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zinggl, dem ich das Wort erteilen darf.


18.38.14

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Das ist ein Antrag aus der Werk­statt der Dreierkoalition NEOS, ÖVP und FPÖ, und ich muss sagen, ich habe da meine Probleme gehabt, ich habe eigentlich gar nicht verstanden, worum es geht. Das hat nicht nur damit zu tun, dass der Text voller Grammatikfehler ist – das kann ja immer wieder passieren –, sondern ich habe einfach eine Exegese gebraucht, und diese ist mir dann über die Begründung gelungen.

Ich glaube, es jetzt zu verstehen. Es geht darum, dass die Exporte der regionalen Le­bensmittel gefördert werden sollen, um das Handelsdefizit in dem Sektor zu verringern, und dafür, wenn ich das richtig verstehe, sollen die Gütesiegel eingesetzt werden, die ihrerseits wiederum in ein rechtes Licht gerückt werden müssen – oder so irgendwie. Also genau weiß ich es nicht.

Rücken wir es ein bisschen ins rechte Licht: Die Exporte der heimischen Lebensmittel zu stärken ist sicher der falsche Weg, werte Kolleginnen und Kollegen, um das Han­delsdefizit zu verringern; es müssen die Importe verringert werden, das ist die einzig richtige Politik. (Abg. Haubner: Es waren alle dafür!) Ich kann das, Herr Kollege Haub­ner, auch begründen. Die CO2-Diskussion, die wir jetzt schon stundenlang führen, hat auch damit zu tun: Wenn wir Lebensmittel exportieren, dann müssen diese reisen. Und wenn alle Länder davon schwärmen und alle Strategien entwickeln, um ihre Lebens­mittel zu exportieren, dann haben wir genau das, was wir nicht wollen: dass Lebens­mittel auf diesem Planeten hin und her geschickt werden, unnötig hin und her geschickt werden, obwohl sie auch regional produziert, konsumiert, gekauft werden können.

Daher: Heimische Lebensmittel kaufen – ganz klar! –, aber nicht um ihrer selbst willen, weil sie aus Österreich, aus Kärnten, aus dem Gailtal kommen – das ist ein Chauvinis­mus, der hat damit nichts zu tun –, sondern damit wir den CO2-Ausstoß verringern!

Und jetzt schauen wir uns an, wie das mit dem Gütesiegel ausschaut: Wir wissen, dass es in Österreich 150 Gütesiegel gibt; ich glaube, es gibt eine Handvoll Menschen, die wissen, was diese Gütesiegel jeweils bedeuten. Ich habe mir nur eines herausgefischt, und zwar eines, das im Antrag auch erwähnt wird, damit wir auch ein bisschen etwas zu den Gütesiegeln erfahren, und zwar dieses hier (ein Plakat mit dem entsprechenden Gütesiegel in die Höhe haltend): geschützte geografische Angabe. Wer jetzt glaubt, dass man aufgrund dieses Gütesiegels weiß, woher das Produkt kommt, und dass das vielleicht ein Zeichen für regionale Produktion ist, hat sich getäuscht. Es sagt lediglich, dass irgendein Produktionsprozess in der Produktionskette dieses Produkts heimisch oder regional sein soll. Der Gailtaler Speck zum Beispiel muss keineswegs von einem Schwein kommen, das im Gailtal gelebt hat; es muss das Gailtal überhaupt nie ge-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 183

sehen haben. Das Fleisch kann ganz woanders herkommen, es genügt, wenn die Ver­packung und das Marketing aus dem Gailtal kommen. – Das besagt dieses Gütesiegel.

Wir sollten die Gütesiegel ins rechte Licht rücken, das stimmt, und wir sollten über­haupt solche Anträge ein bisschen genauer betrachten und ins rechte Licht rücken, be­vor wir draufkommen, dass wir sie eigentlich ablehnen müssten. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

18.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine tatsächliche Berichtigung wünscht Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte.


18.42.01

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Kollege Zinggl hat behauptet, dass das Fleisch für den Gailtaler Speck nicht aus dem Gailtal kommen muss. – Ich berichtige tatsäch­lich: Aufzucht und Schlachtung müssen im Gailtal erfolgen, allein der Ferkelzukauf er­folgt anderswoher. (Beifall bei der SPÖ.)

18.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Strasser. – Bitte.


18.42.22

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Bundesministerinnen! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Kollegen Zinggl und diesem Antrag: Der Antrag hat den Sinn, darzustellen, dass es notwendig ist, dass es regionale Märkte und nationale Märkte und auch internationale Märkte gibt, weil das eine Basis dafür ist, dass unsere bäuerlichen Familienbetriebe ein ordentliches Einkommen erwirtschaften können. Das ist der Sinn dieses Antrages, und wir bitten die Frau Bundesministerin, so wie bisher auch diese Dynamik zu unterstützen.

Ich habe mir vorgenommen, drei Produkte herauszunehmen und ein wenig die Markt­dynamik zu erörtern.

Das eine ist der Wein: Die Weinwirtschaft erlebte in den Achtzigerjahren durch den Weinskandal eine große Krise. Mit der Entscheidung, eine ganz intensive Qualitätsstra­tegie einzuschlagen, und mit ganz viel persönlichem Engagement ist es uns gelungen, unsere Weinwirtschaft zu einer international anerkannten Sparte zu entwickeln, die stark mit dem Tourismus kooperiert. Wie schaut es mit dem Selbstversorgungsgrad aus? – Wir sind in der Lage, in den letzten 15 Jahren – das pendelt ein wenig – rund 100 Prozent Selbstversorgung in Österreich zu gewährleisten. – Ein großes Danke­schön dafür an unsere Winzerinnen und Winzer! Der Wein ist ein Kernelement der ös­terreichischen Identität und auch der Marke Österreich. – Ein großes Dankeschön, dan­ke. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Bereich ist die Milch. Betreffend Milch darf ich feststellen: Seit wir Mitglied der EU sind, haben sich die Exporte um 580 Prozent gesteigert; eine positive Entwick­lung. Was haben unsere Molkereien gemacht? – Sie haben auf Veredelung und auf Qualitätsproduktion gesetzt, und ich darf anmerken: Die Premiummarken und auch der Biobereich haben sich gut entwickelt. So gesehen ist die Dynamik bei der Milch ähnlich wie die Dynamik beim Wein: ein Imagebaustein und auch eine Einkommensquelle, die in vielen Betrieben und Regionen eine wichtige Rolle spielt.

Ähnlich wie bei der Milch darf ich als exportorientierte Branche auch den Biosektor er­wähnen. Wenn Herr Zinggl sagt, wir sollen möglichst wenig in andere Länder verkau­fen, darf ich doch erwähnen: Bio wird zu einem sehr hohen Prozentsatz in andere Län-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 184

der und auch auf andere Kontinente verkauft, und auf diese Dynamik können wir als exportorientierte Wirtschaft durchaus stolz sein. Bei Rindfleisch herrscht eine ähnliche Situation.

Es ist aber notwendig, diese Erfolgsprojekte beziehungsweise die Märkte, auf denen wir landen, national, aber auch international kritisch zu betrachten, denn was wir in die­sen Branchen nicht brauchen, ist eine Goldgräberstimmung; eine Goldgräberstim­mung, die überschießende Mengen erzeugt und dann letztendlich die Preise sinken lässt. In diesem Bereich vermerken wir also eine interessante positive Entwicklung. (Beifall bei der ÖVP.)

Der dritte Bereich, anhand dessen ich darstellen möchte, wie wichtig es ist, dass man Märkte ganz genau beobachtet, ist die Situation rund um die Speisekartoffel. Wir waren in den letzten Jahren, bis 2017, in der Lage, den österreichischen Konsum zu rund 100 Prozent abzudecken. Dann ist aber das Katastrophenjahr 2018 gekommen. Die Kartoffelernte in Österreich wurde aufgrund von Dürre, Klimawandel und auch durch den Drahtwurm um circa 25 bis 30 Prozent reduziert, und das bedeutet, jetzt, im April, werden die österreichischen Kartoffeln ausgehen, also es wird ab Mai - - (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) – Nein, nein, nicht Heurige.

Es gibt Erdäpfel aus Ägypten, es gibt Erdäpfel aus Frankreich, und es gibt Erdäpfel aus Zypern. Und da stelle ich die Frage, vor allem an Herrn Zinggl, ob das unser Ziel ist. Mit ein Grund, warum die Kartoffeln, die Erdäpfel auf unseren Äckern nicht mehr so gut wachsen, ist einfach, dass der Pflanzenschutz in der Anwendung immer schwieriger wird, dass Mittel verboten werden, und die Konsequenz daraus ist, dass Produkte aus anderen Ländern mit schlechteren Standards in unsere Regale kommen, und das ist nicht unser Ziel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich darf abschließen: Was ist im Regierungsprogramm im Zusammenhang mit Produk­tionen, mit Märkten für dieses Jahr noch zu finden?

Der erste Bereich: Ja, wir werden das AMA-Gütesiegel weiterentwickeln; eines unserer Erfolgsprojekte. Das ist seit dem EU-Beitritt wirklich eines unserer Erfolgsprojekte. Wir werden an Stellschrauben drehen, um dieses Angebot, dieses freiwillige Angebot in der Herkunftskennzeichnung zu verbessern, weiterzuentwickeln.

Der zweite Bereich: Wir werden betreffend verpflichtende Herkunftskennzeichnung im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsverpflegung, im Zusammenhang mit Verarbei­tungsprodukten auch gesetzliche Standards einführen, damit letztendlich die Men­schen in Österreich wissen, wo ihr Essen herkommt. Wir wissen, dass sie das auch wissen wollen, und wir wollen und werden das gesetzlich absichern.

In diesem Sinne: Der Auftrag für uns Bäuerinnen und Bauern ist, in Österreich gesunde Lebensmittel in ausreichender Menge zu produzieren. Das ist unser Auftrag. Die Re­gierung wurde gewählt, damit sie diese Dynamik unterstützt. Wir sind da den Men­schen im Wort, und wir werden weitere Schritte setzen, um die Herkunftskennzeich­nung, die österreichische Qualität und die Märkte am Laufen zu halten.

Ich möchte der Frau Bundesministerin für ihr Engagement danken, ihr alles Gute wün­schen und die volle Unterstützung für die kommenden Projekte zusagen. – Danke schön und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte.


18.48.47

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Frauen Ministerinnen! Hohes Haus! Wir wer­den diesem Antrag zustimmen, wobei zu sagen ist, dass der Text der „Entschließung


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 185

betreffend Agrarmärkte und regionale Produktion“ eigentlich, glaube ich, die normale Job Description ist: „Die Bundesregierung – insbesondere die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus – wird ersucht, die Wichtigkeit des Handels mit Agrar­produkten für die österreichische Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft und die Er­nährungssicherheit hervorzustreichen.“

Weiter heißt es: „Im Sinne der Unterstützung des für die einheimische Wertschöpfung besonders relevanten Außenhandels mit Lebensmitteln ist insbesondere die Bedeu­tung von EU-Lebensmittelqualitätsregelungen, nationale Herkunftsregelungen und ge­setzlich anerkannten Gütesiegeln hervorzuheben.“ – Also eigentlich all das, was Sie eh zu tun hätten.

Wir unterstützen Sie natürlich, Frau Bundesministerin, fordern Sie gemeinsam mit allen anderen natürlich gerne auch auf, dass Sie sich besonders in diese Richtung ein­setzen.

Wir werden diesen Antrag auch nutzen, Sie beim Wort zu nehmen, weil wir glauben, dass nicht es reicht, zu sagen: Das ist ein regionales Produkt!, sondern ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass man die Qualität unterstreicht.

Ein Qualitätskriterium für uns ist Gentechnikfreiheit, und deshalb haben wir auch einen Entschließungsantrag vorgelegt.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „AMA-Güte­siegel nur bei Gentechnikfreiheit des gesamten Herstellungsprozesses!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert,

1. dem Nationalrat eine Gesetzesnovelle zum AMA-Gesetz zur Beschlussfassung vor­zulegen, womit nur jene Produkte ein AMA-Gütesiegel erhalten, bei denen der gesam­te Herstellungsprozess gentechnikfrei erfolgte;

2. einen Ausstiegsplan aus Gentechnik-Futtermitteln für die gesamte Lebensmittelpro­duktion in Österreich zu erarbeiten, sowie

3. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass der Import von GVO-Futter­mitteln aus Übersee gestoppt wird.“

*****

Jetzt weiß ich, dass es große Vorbehalte gibt, gerade seitens der Landwirtschaft. Man sagt, das bringt die Landwirtschaft um. Ich darf nur als Bespiel anführen, wo wir es be­reits gemacht haben, nämlich im Bereich der Eierproduktion, also der Hühnerzucht, be­ziehungsweise der Milchproduktion, und dort haben wir in den letzten sechs Jahren Zu­wachsraten von um die 20 Prozent gehabt. Das heißt, es funktioniert, auf Gentechnik­freiheit umzustellen und gleichzeitig auch die Produktion zu steigern.

Es ist auch auf die europäischen Gütezeichen Bezug genommen worden. Genau das ist nämlich der Unterschied. Der Antrag sagt ja, wir müssen uns für bessere Kenn­zeichnungsregelungen einsetzen. Genau darum geht es auch, um die Qualität dieser Kennzeichnungsregelungen. Jetzt war vielleicht das Beispiel schlecht gewählt, weil die Gailtaler sich wirklich etwas überlegt haben, warum es nur GGA sein kann und keine geschützte Ursprungsbezeichnung: einfach weil das Gailtal zu wenig liefert, um eine ei-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 186

gene Ferkelzucht zu betreiben. Aber für den steirischen Kren gilt die geschützte Ur­sprungsbezeichnung; wenn jetzt ein österreichischer Konzern sagt: Das ist mir zu teuer, dass ich in Österreich produzieren lasse, ich geh lieber über die Grenze ins Aus­land!, und das Produkt deshalb als GGA gekennzeichnet wird – ist das die Landwirt­schaftspolitik und die Wertschöpfung, die ihr hier im Land halten wollt?

Es geht darum, nicht gleich beim ersten leichten Gegenwind österreichische Wert­schöpfung, österreichische Qualität gegen Gewinnabsichten einzutauschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau darum geht es. Das ist genau das, wo wir uns in unserer Position unterschei­den: Wir fordern hier hohe Standards und wir fordern auch, dass man sozusagen diese Standards wirklich verteidigt. (Beifall bei der SPÖ.)

18.52

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Vogl,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 662/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarmärkte und regionale Produktion, 528 d.B.

betreffend AMA-Gütesiegel nur bei Gentechnikfreiheit des gesamten Herstellungspro­zesses!

Die Chancen österreichischer regionaler landwirtschaftlicher Betriebe auf den Märkten können durch eine klare, transparent reglementierte Kennzeichnung ihrer Produkte stark erhöht werden. Seit Jahren setzt sich die SPÖ für den flächendeckenden Einsatz von gentechnikfreien Futtermitteln in Österreich ein. Diese Forderung deckt sich mit dem starken Wunsch in der österreichischen Bevölkerung nach umfassender Gentech­nikfreiheit von Lebensmitteln. Diese Thematik hat auf Grund des Urteils des Europäi­schen Gerichtshofes, dass die sogenannten „Neuen Züchtungstechniken“ ebenfalls Gentechnik darstellen zusätzlich an Gewicht gewonnen. Das AMA-Gütesiegel wird be­sonders stark als für Konsumenten und Konsumentinnen verlässliches Qualitätssiegel für Lebensmittel beworben. Produkte mit diesem Siegel müssen jedoch nicht den Stan­dard erfüllen, dass Fleisch von Tieren verwendet wurde, die nicht mit gentechnisch ver­änderten Futtermitteln gefüttert wurden. Hinzu kommt, dass die Richtlinien für die Ver­gabe des AMA-Siegels nach wie vor intransparent sind.

Ein aktueller Greenpeace-Test zeigt nun auf, dass auch Schweinefleisch mit dem rot­weiß-roten AMA-Gütezeichen mit gentechnisch verändertem Soja produziert wird. Die Umweltschutzorganisation ließ gängiges Schweine-Futtermittel, darunter für Mast­schweine und für Ferkel, vom Umweltbundesamt testen. Das Ergebnis rührt auf: Rund 90 Prozent des Sojas waren gentechnisch verändert (https://bit.ly/2A3VWXr)! Es konn­ten in den zwei Proben des Marktführers „Garant-Tiernahrung Gesellschaft m.b.H.“ drei verschiedene gentechnisch veränderte Soja-Pflanzen nachgewiesen werden. Zwei stammten vom Agrarkonzern Monsanto und eine von der Bayer AG., welche den US-Konzern Monsanto vor Kurzem übernommen hat.

Bei Schweinefleisch ist nur Bio-Schweinefleisch sowie Schweinefleisch mit dem grün-weißen „Ohne Gentechnik“-Siegel garantiert gentechnikfrei. Dabei handelt es sich der­zeit jedoch um Nischenprodukte. Bio-Schweinefleisch hat einen Marktanteil von zwei Pro-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 187

zent, konventionelles gentechnikfreies Schweinefleisch von etwa zehn Prozent. Posi­tivbeispiel sind die österreichische Milchwirtschaft sowie die österreichischen Eierpro­duzenten, die im Jahr 2010 komplett auf gentechnikfreie Fütterung umgestellt haben. Die heimischen Hühnerfleischproduzenten füttern seit dem Jahr 2012 gentechnikfrei.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert,

1. dem Nationalrat eine Gesetzesnovelle zum AMA-Gesetz zur Beschlussfassung vor­zulegen, womit nur jene Produkte ein AMA-Gütesiegel erhalten, bei denen der gesam­te Herstellungsprozess gentechnikfrei erfolgte;

2. einen Ausstiegsplan aus Gentechnik-Futtermitteln für die gesamte Lebensmittelpro­duktion in Österreich zu erarbeiten, sowie

3. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass der Import von GVO-Futter­mitteln aus Übersee gestoppt wird.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der verlesene Antrag ist ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lindner. – Bitte. (Abg. Linder – auf dem Weg zum Rednerpult –: Herr Präsident! Linder, bitte!) – Linder, danke. (Abg. Linder: Irgend­wann wird’s klappen!)


18.52.15

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Mi­nisterinnen! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vielleicht noch einmal zum vorigen Ta­gesordnungspunkt, zu den Ausführungen von Frau Kollegin Ecker: Liebe Frau Kollegin, ich bitte Sie, dass Sie auch hier nicht nur Halbwahrheiten, sondern die ganze Wahrheit sagen. Sagen Sie den Menschen, dass in Kärnten und in Salzburg Glyphosat nur für die privaten Anwender und nicht im Sinne der Landwirtschaft verboten wird; nur für die privaten Anwender! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist genau das, was nicht in Ordnung ist. Man kann schon hergehen und sagen: Ja, das ist durchaus eine gute Leistung!, aber bitte sagen Sie auch, dass das nur für die privaten Haushalte und die privaten Gärten gilt und nicht für die Landwirtschaft. Von Ihnen wird immer suggeriert, ganz Kärnten werde glyphosatfrei, wir wissen aber alle, dass das rechtlich nicht möglich ist. (Beifall des Abg. Hauser.)

Zu den Agrarmärkten und regionalen Produkten: Ja, ich glaube, und wir sind wirklich der Meinung, dass wir in Österreich eine ganz, ganz hohe Lebensmittelqualität haben, ganz wertvolle Produkte haben, die auch durchwegs durch Qualitätsmarken gesichert sind, und wir in vielen Bereichen die Bevölkerung mit unserer eigenen Landwirtschaft mehr als zu 100 Prozent versorgen können. Neben all den bestehenden Lebensmittel­kennzeichnungen ist es ganz wichtig, die verpflichtende Herkunftskennzeichnung ein­zuführen – wir arbeiten daran, es ist auch im Regierungsprogramm verankert –, damit wir wirklich nachweisen können, dass die Hauptzutaten, die Hauptprodukte aus Öster­reich kommen. (Abg. Schellhorn: Also der Jannach geht euch schon ab!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 188

In jenen Bereichen, in denen wir wesentlich mehr landwirtschaftliche Produkte erzeu­gen, ist es auch notwendig, zu exportieren. Ich glaube, dass wir im letzten Jahr, 2018 mit einem agrarischen Handelsbilanzdefizit von 700 Millionen Euro so viel exportiert haben wie noch nie, und wenn wir daran intensiv weiterarbeiten, wird es uns auch ge­lingen, da einmal eine schwarze Null zu schreiben. Mit dem Export unserer landwirt­schaftlichen Produkte gelingt es uns aber auch, für unsere Bauern Wertschöpfung zu erzielen, und wir verhindern damit, dass wir uns mit diesen Überschussprodukten hier in Österreich gegenseitig Konkurrenz machen.

Ich glaube, der Antrag zielt in die richtige Richtung, wir müssen auch auf den Agrar­handel Wert legen. Ich glaube aber, dieser Antrag, den wir gemeinsam mit NEOS ein­gebracht haben, zeigt noch etwas: dass diese Koalition gute Vorschläge durchaus auf­nimmt, gute Vorschläge der Opposition aufnimmt und versucht, diese gemeinsam um­zusetzen oder zumindest in der gemeinsamen Diskussion eine Lösung zu finden, wie wir sie umsetzen können.

Ich glaube, das ist der richtige Weg, und darin unterscheiden wir uns von den vorheri­gen Koalitionen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Ecker hat sich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.55.36

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Linder hat behaup­tet, ich hätte die Unwahrheit gesagt und gemeint, dass Salzburg und Kärnten Glypho­sat in der Landwirtschaft verboten hätten. – Das habe ich nicht gesagt; in der Land­wirtschaft war das nicht Thema.

Ich habe die rechtlichen Möglichkeiten beider Bundesländer gemeint, und ich habe auch gesagt, dass es nach diesen Möglichkeiten dort verboten wurde – und nichts an­deres! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbau­er. – Bitte.


18.56.25

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Mir ist vor ein paar Tagen wieder etwas passiert, was Sie vielleicht auch schon erlebt haben, nämlich wenn Sie Freunde, Bekannte oder vielleicht auch Kollegen aus dem Ausland in Österreich zu Gast haben, die dann in den Supermärkten schauen und ein­kaufen und sagen: Wow, ihr habt wirklich lässige Produkte! Mir ist das mit einer Freun­din aus Norddeutschland passiert, die da war und gemeint hat, wir haben in Österreich wirklich ein hochwertigeres Angebot, als sie in ihrem lokalen Supermarkt zu Hause vor­findet.

Nicht zuletzt deshalb sollten wir hier und heute bei aller Diskussion und bei aller Liebe zum Diskurs, bei allen Verbesserungsmöglichkeiten, die auch im Raum stehen und die definitiv aufgegriffen werden müssen, eines nicht aus den Augen verlieren: Wir haben eine Chance und wir haben aus meiner Sicht auch eine Verpflichtung, das übliche Par­teienhickhack kurz beiseitezulassen und im Sinne der Sache für die Landwirtinnen und für die Landwirte in Österreich zu argumentieren und überparteilich ein Zeichen zu set­zen. Es geht um viel.

Im Vorjahr hat Österreich Lebensmittel und Agrarprodukte im Wert von fast 12 Milliar­den Euro exportiert; das sind fast 8 Prozent aller heimischen Waren- und Dienstleis-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 189

tungsexporte. Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, dann wird man sehen, dass die Menge der Exporte zurückgegangen ist, dass es aber de facto so war, dass der Wert der Exporte gestiegen ist. Und das ist aus meiner Sicht auch genau das Richtige, denn worum geht es am Ende des Tages? – Österreich wird nie die Menge exportieren können, das wollen wir auch nicht und das ist bis zu einem gewissen Grad auch nicht sinnvoll, aber wir müssen auf Qualität setzen.

Qualität heißt auch, dass das entsprechende Kundenvertrauen in die österreichischen Marken und in die österreichischen Produkte weiter aufgebaut werden muss. Am Ende des Tages ist es so, dass dieses Kundenvertrauen, das in die Qualität gesetzt wird, langfristig die Selbstversorgung in Österreich aufrechterhalten kann. Es kann oder es muss die Wertschöpfung und die Verarbeitungswirtschaft steigern, und es muss die Exporte letztendlich ankurbeln.

Wenn wir von Exporten reden – jetzt ist Kollege Zinggl gerade nicht anwesend –: Der Großteil der österreichischen Landwirtschaftsexporte geht nach Italien oder nach Deutschland. Wenn man so wie ich aus einer Gemeinde kommt, die recht nahe der Grenze ist, dann kann man sagen, es ist einem wirklich lieber oder in Wahrheit eigent­lich egal, ob die Produkte von Schärding nach Passau beziehungsweise – in dem Fall – nach Bayern oder ob sie ins Burgenland transportiert werden.

Wie gesagt, es geht um drei Punkte: Wir müssen die Kennzeichnung unserer landwirt­schaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel durch europäisches und nationales Recht absichern, aber natürlich auch verbessern. Wir müssen den Schutz der Ursprungsbe­zeichnungen, der geografischen Angaben und der traditionellen Spezialitäten definitiv stärker in den Fokus rücken, mit Blick auf die Transparenz, denn – worum geht es? – es geht um das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten. Sie alle wissen, wie wichtig dieses gemeinsame Bekenntnis zur Qualität und zum Export und das Vertrauen der Konsumenten ist, Sie wissen, dass dieses Gesamtpaket das Wichtige ist, das wir in der österreichischen Landwirtschaft erhalten und weiter ausbauen müssen. Es freut mich deswegen, dass fast alle im Nationalrat vertretenen Parteien im Landwirtschafts­ausschuss dieses Anliegen unterstützen.

Ich möchte zum Abschluss aus voller Überzeugung auffordern: Unterstützen wir ge­meinsam die österreichischen Landwirtinnen und Landwirte und geben wir ihnen das Rüstzeug dafür mit, dass sie auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften können, daheim, in Europa und auf der ganzen Welt! – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

18.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmu­ckenschlager. – Bitte.


19.00.09

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, es dürfte mittlerweile auch bis zur Liste JETZT durchgedrungen sein, dass wir innerhalb der Europäischen Union in einem freien Markt mit Import und Export unterwegs sind, und wir möchten die Wettbe­werbschancen für die österreichische Landwirtschaft auch entsprechend erhalten. (Abg. Schellhorn: Schwierig, schwierig!)

Das muss nicht immer klimaschädlich sein, denn wenn man von Vorarlberg nach Süd­deutschland oder von Wien nach Bratislava liefert, kann das um einiges schonender sein als der Verkehr, der innerhalb der Grenzen der Bundesländer stattfindet. Überdies sind viele Verarbeiter heute auch nicht mehr an die Bundesgrenzen gebunden, son­dern suchen sich Regionen, in denen sie vielleicht etwas aus mehreren Ländern ge­meinsam verarbeiten können. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 190

Genau das ist eine große Herausforderung für die Landwirtschaft: dem Import da ent­sprechend entgegenzuwirken. Das können wir nur mit der guten Qualität erreichen – die wir haben –, und das müssen wir mit Gütesiegeln absichern, sodass es letztendlich der Konsument vor dem Regal auch erkennen kann. Da ist der Konsument der große Partner der österreichischen Bauern und Bäuerinnen, und dafür darf ich mich recht herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit den Herkunftskennzeichnungen geschützte Ursprungsbezeichnung und geschützte geografische Angabe schaffen wir genau das: die Regionen auf den Produkten sicht­bar zu machen und letztendlich auch Wertschöpfung in diese Gebiete zu bringen.

Unsere Produkte werden geschätzt. Ich bitte Sie, wenn wir darüber diskutieren, ob vor allem im Bereich Schweinehaltung GVO-frei gefüttert werden soll oder nicht – wir ha­ben das auch schon im Ausschuss diskutiert –, schon auch eines zu beachten: Der An­trag im Parlament ist das eine, aber die Bestellung draußen am Markt ist letztendlich die Realität, die Wirklichkeit für den Bauern, und er wird dann auch entsprechend pro­duzieren. Sie brauchen hier nicht das Pferd von hinten aufzuzäumen; wir verlieren auf­grund überhöhter Auflagen letztendlich wieder Produktion in Österreich. Schicken Sie bitte eine E-Mail – das ist wahrscheinlich wirksamer als der Antrag – an alle Ihre Be­triebsräte, morgen in allen Werkskantinen Österreichs GVO-frei produziertes Fleisch zu bestellen, und Sie werden es von den österreichischen Bäuerinnen und Bauern be­kommen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Auch die Diskussion um den Pflanzenschutz ist mittlerweile müßig, denn wir haben hier keine Luxusdiskussion mehr, ob sich eine Produktion teuer oder billig darstellen lässt, sondern wir sind mittlerweile so weit, dass wir feststellen müssen: Haben wir diese Kultur in der Produktion im eigenen Land noch oder haben wir sie nicht mehr? In einer Zeit, in der die Lebensmittel immer gesünder werden und die Qualität immer besser wird, die Menschen immer gesünder älter werden, ist die Diskussion, ob wir mit Be­triebsmitteln arbeiten, die nicht gesund sind, die nicht zum Wohle der Menschen sind, wirklich müßig und letztendlich ein Angriff auf die Landwirtschaft in Österreich.

Wenn wir Produktion halten wollen, dann brauchen wir auch entsprechende Betriebs­mittel. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hau­ser zu Wort. – Bitte.


19.03.22

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe an den Ausführungen meines Vorredners, des Kollegen Schmuckenschlager, an: Jawohl, wir haben fantastische landwirtschaftliche Produkte, wir sind ja nicht umsonst der Feinkostladen Europas. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Wir haben viele kleine und kleinstrukturierte Landwirt­schaften, die hervorragende Produkte herstellen.

Was war das Problem? – Das Problem war, dass Abnehmer – Hotellerie, Gastronomie, auch Einheimische – vorhanden sind, diese sich aber immer darüber beklagt haben, dass diese landwirtschaftlichen Produkte nicht zu jeder Zeit in der erforderlichen Quali­tät und Menge verfügbar sind. – No na net! Das sind ja Kleinbetriebe, die kleine Men­gen in einer hohen Qualität produzieren, und deswegen sind sie eben nicht in der La­ge, immer zu liefern. Wir haben uns daher überlegen müssen, was wir tun können, um den Absatz zu ermöglichen, und deswegen war die Gründung des Netzwerks Kulinarik, über das wir ja im Landwirtschaftsausschuss lange diskutiert haben, der richtige Schritt. (Zwischenruf des Abg. Preiner.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 191

Ich weiß schon, der Beginn war holprig – das wissen wir; im Jahr 2016 fiel der Start­schuss –, aber die Idee an sich ist ja notwendig und richtig. Das Netzwerk Kulinarik sammelt, bündelt und vermarktet die vielen landwirtschaftlichen Produkte (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Preiner), deswegen ist es auch möglich, die von der Hotellerie und Gastronomie, von der Tourismuswirtschaft, von Einheimischen geforderte gleich­bleibende Qualität zu liefern.

Noch einmal: Der Start war holprig, wir wissen das. Dieses Jahr ist die Sache neu ge­startet worden, und die AMA hat die Vermarktung des Netzwerks Kulinarik mit einer eigenen Abteilung übernommen. Ich unterstreiche noch einmal: Das ist ein absolut not­wendiger Schritt, weil eben die Klein- und Kleinstbetriebe nicht in der Lage waren, die Qualität in der erforderlichen Menge zu liefern. Das wurde kritisiert, es wurde hinläng­lich diskutiert (Zwischenruf des Abg. Preiner), aber es führt ja kein Weg an dieser ge­meinsamen Vermarktung vorbei. Das ist uns gelungen, und das war ein notwendiger, richtiger Schritt – wie es auch toll und notwendig ist, dass wir erstmals Landwirtschaft und Tourismus in einem Ministerium gebündelt haben. Das sind ja eineiige Zwillinge, die passen ja super zusammen! Für den Tourismus ist eine gute Landwirtschaft erfor­derlich, der Tourismus braucht Qualität, die die Landwirtschaft liefert; deswegen war es klar und notwendig, ein gemeinsames Ministerium zu gründen und zu bilden.

Ich darf abschließend auch noch auf den Masterplan Tourismus verweisen, der jüngst präsentiert worden ist, in dem unter anderem als ein wesentlicher Punkt Folgendes festgehalten ist – ich zitiere – (Zwischenruf des Abg. Preiner): „Kooperation zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Kulinarik“. – Worum geht es da? Um die „Hebung des noch nicht ausgeschöpften Potenzials vor allem in den Sommermonaten mit dem Ziel eines möglichst geschlossenen und nachhaltigen Produkt- und Wertschöpfungskreis­laufs“.

Das haben wir geschafft. Das haben wir auf Schiene gebracht, und deswegen wird es uns auch gelingen, zukünftig mehr regionale Produkte am inländischen Markt unterzu­bringen. Das, was wir am inländischen Markt nicht unterbringen – das ist der Sinn die­ser Initiative –, werden wir exportieren, weil unsere Gäste die besten Werbeträger sind: Wenn sie bei uns im Urlaub Topprodukte, Topqualität gegessen haben, nehmen sie das mit. (Abg. Preiner: ... Transparenz!) Sie kaufen das und sind auch bereit, in Deutsch­land, in Italien – wo auch immer – unsere Produkte nachzufragen.

Das ist ein guter, toller Schritt, ich gratuliere dazu. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.07

19.07.12*****


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bevor ich Ihnen das Wort erteile, möchte ich noch einer Aufgabe nachkommen.

Während meiner Vorsitzführung hat es einen Zwischenruf und gemäß § 103 Abs. 1 der Geschäftsordnung ein Verlangen auf einen Ordnungsruf gegeben. Ich habe mir in der Zwischenzeit das Protokoll besorgt, und es geht aus dem Protokoll hervor, dass ein Zwischenruf des Herrn Abgeordneten Deimek folgendermaßen gelautet hat: „Die SPÖ ist wirklich eine Terroristenorganisation!“ Dafür erteile ich Herrn Abgeordnetem Deimek natürlich einen Ordnungsruf. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Aber eine Entschuldigung wäre auch ...!)

*****

Nun gelangt Frau Bundesministerin Köstinger zu Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 192

19.07.54

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Prä­sidentin! Hohes Haus! Ich darf mich bei den Abgeordneten Strasser und Linder sowie bei Frau Abgeordneter Doppelbauer sehr herzlich für diesen Antrag bedanken. Öster­reich hat massiv von verstärkter EU-Integration und vor allem auch von Handelsaus­weitungen profitiert. Zentral ist für uns natürlich, vor allem auch im Sinne der österrei­chischen Bäuerinnen und Bauern, dass wir Handelsregeln aktiv mitgestalten und dass wir sie vor allem auch im Sinne unserer hohen Standards verankern.

Exporte sind für ausgewogene Agrarmärkte Absatzmöglichkeiten und vor allem eben auch für unsere Erzeugerpreise in Österreich mittlerweile essenziell. Das Volumen ös­terreichischer Agrar- und Lebensmittelexporte ist seit 1990 von 1 Milliarde Euro auf über 11 Milliarden Euro im Jahr gestiegen und hat sich somit auch um einiges besser entwickelt als beispielsweise der Export von Industriegütern. Das, worum es der öster­reichischen Landwirtschaft aber vornehmlich geht, ist die Qualitätsproduktion und sind vor allem veredelte Produkte, die somit auch eine höhere Wertschöpfung erzielen kön­nen. Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in der Verarbeitung sind natürlich sehr zentral.

Das Thema der Qualitätssiegel und der Kennzeichnungen spielt naturgemäß eine ganz entscheidende Rolle. Das AMA-Gütesiegel und das AMA-Biosiegel sind staatlich zer­tifizierte Siegel und eine Erfolgsgeschichte, um die uns manche anderen Mitgliedstaa­ten der Europäischen Union beneiden. Wenn klar ersichtlich ist, woher der Rohstoff in österreichischen Lebensmitteln kommt, dann fördert das natürlich auch den Absatz im In- und Ausland. Der Export von Qualitätsprodukten ist für Österreich eine agrarökono­mische Notwendigkeit. So wird derzeit beispielsweise jeder zweite Liter österreichische Milch exportiert, 60 Prozent der Erzeugnisse werden vor allem in Deutschland oder in Italien verwendet.

Gerade den geschützten Herkunftsbezeichnungen kommt da auch eine ganz besonde­re Bedeutung zu. Österreich ist mit einigen Alleinstellungsmerkmalen beim Agrarexport sehr erfolgreich, Beispiele sind die Gentechnikfreiheit im Anbau, der hohe Anteil von Bio- und Berglandwirtschaft, saubere Umwelt und vor allem eben auch unsere Land­schaften, die nicht nur als Grundlage für die Agrarexporte, sondern vor allem auch für den Tourismus in Österreich ein echter Erfolgsfaktor sind.

Die konstant steigenden Exportzahlen sprechen eindeutig für den Erfolg der bisherigen Strategien im Rahmen unserer Exportinitiative für Agrarprodukte und Lebensmittel, bei­spielsweise wird für die Erleichterung bei den Veterinärzertifikaten durch das Büro für veterinärbehördliche Zertifizierung Sorge getragen. Darüber hinaus wird das Bundes­ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus bis Herbst 2019 ein umfassendes Au­ßenwirtschaftskonzept unter anderem mit dem Schwerpunkt Agrarprodukte und Le­bensmittel erarbeiten. Uns geht es darum, dass in Zukunft für die Konsumentinnen und Konsumenten leichter ersichtlich ist, woher Rohstoffe stammen, egal ob das in den Kantinen ist, also beim Außerhausverzehr, oder vor allem eben auch bei verarbeiteten Lebensmitteln. Auch diesbezüglich wird die Bundesregierung einen Schwerpunkt setzen.

Ich darf aber vor allem auch allen österreichischen Bäuerinnen und Bauern ein herzli­ches Dankeschön dafür sagen, die für diese Exportschlager wirklich verantwortlich sind, dass sie mit ihrer sehr harten Arbeit von Vorarlberg bis ins Burgenland dafür Sor­ge tragen, dass wir im In- und Ausland mit perfekten, hervorragenden, qualitativ hoch­wertigen Lebensmitteln versorgt sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 193

19.11


Präsidentin Doris Bures: Jetzt ist Herr Abgeordneter Klaus Lindinger zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.11.49

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! In den letzten Jahren ist vor allem die regionale Produktion der Lebensmittel in den Fokus der Bevölkerung gerückt. Das Bewusstsein der Menschen ist gestiegen, wenn es um hochqualitative Lebensmittel geht, wenn es um kurze Transportwege geht – gerade im Hinblick auf den CO2-Ausstoß und auf den Klimaschutz –, aber vor allem, wenn es um die österreichische Produktion der Lebensmittel unter höchsten Standards geht. Wir haben die höchsten Standards hinsichtlich Tierschutz, Pflanzen­schutz und vor allem hinsichtlich Tierwohl.

Sieht man sich die Exportzahlen seit dem EU-Beitritt an, so sieht man, die Werte ha­ben sich vom Jahr 1995 bis zum Jahr 2018, also in 23 Jahren, fast verzehnfacht. Und warum das Ganze? – Weil die österreichischen Lebensmittel hinsichtlich der Qualität einzigartig sind. Das wissen nicht nur die Österreicherinnen und Österreicher, das wis­sen auch die Bürgerinnen und Bürger in anderen Ländern, vor allem in den Nachbar­ländern; so geht ein Drittel der Exporte der Agrarwaren nach Deutschland, gefolgt von Italien, den USA und Ungarn. Wie aus diesen Zahlen klar ersichtlich ist, ist die heimi­sche Landwirtschaft ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, und das verdan­ken wir mitunter auch der im Jahr 2016 gegründeten Exportservicestelle – ein herzli­ches Dankeschön dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein wichtiger Beitrag dazu sind auch die Gü­tesiegel. So gibt es auf der einen Seite die geografischen Gütezeichen in der Europäi­schen Union, und auf der anderen Seite gibt es in Österreich das AMA-Gütesiegel. Dieses sichert die Nachvollziehbarkeit der Herkunft der Rohstoffe, es sichert eine aus­gezeichnete Qualität, und es steht vor allem für unabhängige Kontrollen – und nicht zu­letzt liegt sein Bekanntheitsgrad in Österreich bei 95 Prozent. Die Bürgerinnen und Bürger beweisen ihr Vertrauen zu den Produkten mit dem AMA-Gütesiegel bei ihrem Einkauf, bei ihrem Griff ins Regal.

Wenn Herr Kollege Vogl in seinem Entschließungsantrag fordert, dass das AMA-Gü­tesiegel zu 100 Prozent gentechnikfrei hergestellt sein muss (Abg. Schellhorn: Das Gütesiegel ist sicher zu 100 Prozent gentechnikfrei!), gerade im Hinblick auf die Schweinefleischproduktion, dann ist für mich vor allem aus Sicht eines Schweinebau­ern, der hier vor euch steht, eines klar: Wir in der Landwirtschaft verschließen uns die­ser Diskussion nicht, wir sind offen, aber zum einen müssen die Mehrkosten abgedeckt sein und zum anderen muss der Konsument auch zu diesen Produkten greifen, denn es hat überhaupt keinen Sinn, wenn wir es produzieren und es dann in den Regalen herumsteht.

Kollege Schmuckenschlager hat es aufgegriffen: Ich möchte es mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn die Produktion sinkt und wir diese Lebensmittel dann nach Österreich im­portieren müssen, denn eines muss unser gemeinsames Ziel sein: Wir sollten jene landwirtschaftlichen Produkte, die wir in Österreich nicht haben wollen, nicht importieren.

Geschätzter Herr Kollege Vogl, Sie als Gewerkschafter haben es in der Hand, dafür zu sorgen, dass in den Kantinen der Betriebe regionale Lebensmittel vorhanden sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Arbeiten Sie nicht gegen die Landwirtschaft, sondern arbeiten wir gemeinsam für Konsumpatriotismus, für die regio­nalen Lebensmittel in Österreich, für die österreichischen Produkte, denn nur so kön­nen wir eine flächendeckende Landwirtschaft in Österreich im Sinne der Konsumen­tinnen und Konsumenten, für unsere Bäuerinnen und Bauern sicherstellen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.15



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 194

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Peter Schmied­lechner zu Wort. – Bitte.


19.16.00

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Mi­nister! (Abg. Leichtfried: Präsidentin!) – Präsidentin, Entschuldigung! Geschätzte Zu­hörer! In Österreich konnten 2018 11,55 Milliarden Euro mit dem Export von Lebens­mitteln und Agrarwaren umgesetzt werden. Der Agraraußenhandel hat sich seit dem Beitritt zur EU versechsfacht.

Das klingt sehr positiv, wenn man es aus Sicht der verarbeitenden Industrie und der Wirtschaft sieht, aus Sicht der Bauern ist die Situation anders: Bauern befinden sich seit Jahren unter Druck, Wettbewerbsnachteile aufgrund von oft überbordenden Aufla­gen und Richtlinien werden nur selten beim Preis berücksichtigt. Wenn wir in Öster­reich auch zukünftig Landwirtschaft haben wollen, müssen wir eine Kehrtwende herbei­führen. Immer mehr Betriebe geben auf, landwirtschaftliche Betriebe finden keine Nach­folger – das ist auch kein Wunder: Arbeit ist nur lustig, wenn sie sich lohnt. Immer öfter hört man die Bauern ihren Kindern sagen: In der Landwirtschaft ist kein Geld zu verdie­nen, an der Landwirtschaft verdient man sehr gut!

Ich glaube, wir sind gefordert, um die Selbstversorgung in Österreich zu erhalten, und umso wichtiger ist es auch, die durch das EU-Recht und die staatlichen Anerkennun­gen abgesicherten ausgezeichneten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmit­telsiegel, wie geschützte Ursprungsbezeichnung, geschützte geografische Angabe, ga­rantiert traditionelle Spezialität, biologische Lebensmittel und auch Lebensmittel, die mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet sind, zu fördern, ihren Absatz zu stärken und ihre Vorzüge in den Vordergrund zu rücken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dieser Antrag kann aber nur ein erster Schritt sein, viele weitere werden folgen müs­sen, um die Landwirtschaft, so wie wir sie kennen, zu erhalten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.18

19.18.41


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 528 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Agrarmärkte und regionale Pro­duktion“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 61)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „AMA-Gütesiegel nur bei Gentech­nikfreiheit des gesamten Herstellungsprozesses!“

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

19.19.375. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht der Bundesmi­nisterin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 195

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Muna Duzdar. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Scheint nicht vorbereitet zu sein!)


19.20.18

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt uns der Be­richt der Europaministerin über das EU-Arbeitsprogramm 2019 vor. Ich möchte hier gleich zu Beginn sagen, dass wir diesen Bericht nicht zur Kenntnis nehmen werden, weil wir der Meinung sind, dass wichtige politische Themen in diesem Bericht schlicht und ergreifend nicht vorkommen.

Ein ganz zentrales Thema ist natürlich das Thema der Steuerflucht. Wir sind der Mei­nung, dass es nicht sein kann, dass uns jedes Jahr in Europa 1 000 Milliarden Euro an Steuern entgehen. Stellen Sie sich einmal vor, was wir mit diesem Geld alles machen könnten, wie stark wir in Bildung investieren könnten, wie sehr wir unseren Sozialstaat absichern könnten! Daher können wir heute nicht einfach zur Tagesordnung überge­hen, solange Steuerhinterziehung in der Europäischen Union gang und gäbe ist. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Der Bericht behandelt aber unter anderem auch das Thema Brexit, weshalb ich mir er­laube, hier besonders darauf einzugehen. Mir ist es in diesem Zusammenhang beson­ders wichtig, darzulegen, wer die Verantwortung für diesen Brexitschlamassel trägt. (Abg. Haider: Die Engländer! Die Sozialisten!) – Na, nicht die Sozialisten! (Abg. Hai­der: Na wer denn?) Ja, ich frage Sie: Wer hat dieses Chaos verursacht? (Abg. Haider: Die Sozialisten sind am Brexit schuld! Das ist doch völlig logisch!) Nennen wir das Kind beim Namen! Sie können sich sicher sein, dass wir bei jeder Brexitdebatte immer wieder daran erinnern werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Die Sozialisten!) Es waren die verantwortungslosesten Politiker der letzten Jahrzehnte, die zufälligerwei­se alle aus dem konservativen und rechtspopulistischen Lager kamen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wurm.) Was für ein Zufall! Bei diesem Referendum rund um die Frage des Austritts oder des Nichtaustritts aus der Europäischen Union, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es um alles gegangen, nur nicht um die Politik der Europäischen Union. Und das laste ich diesen Politikern an. (Abg. Wurm: Schulz!)

Politiker wie Cameron haben einfach mit dem Feuer gespielt, weil sie dachten: Es ist eh egal, der Brexit wird sowieso nie passieren! Damit haben sie aber die Büchse der Pandora geöffnet. Ich frage Sie: Wo sind die Johnsons und die Farages dieser Welt? (Abg. Hafenecker: Das müssen Sie im englischen Parlament fragen, nicht hier!) Die haben in Wirklichkeit einen Scherbenhaufen hinterlassen und sich letztlich aus dem Staub gemacht. (Beifall bei der SPÖ.) Das Schlimme ist: Es hat für diese Politiker, die schuld an diesem Chaos sind, keine Konsequenzen gehabt.

Warum sage ich das, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Weil ich der Meinung bin, dass wir in Österreich aus diesem Brexitschlamassel die politischen Lehren ziehen müssen. Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ – (in Richtung FPÖ weisend:) da sitzen Sie (Abg. Kassegger: Ja, genau!) –, Sie kommen mir nicht so leicht davon. (Heiterkeit und Oh-Rufe bei der FPÖ.) Sie waren nämlich diejenigen, die sich hinge­stellt haben und, als die Brexitentscheidung da war, in Jubelchöre ausgebrochen sind. (Abg. Haider: Ich komme gleich als Nächster!)

Ich erspare Ihnen jetzt wirklich, Ihnen Ihre Öxitanträge und Ihre Öxitzitate vorzulesen. (Abg. Gudenus: Weil es keine gibt!) Sie haben im Nationalrat sogar einen Antrag auf eine Volksbefragung gestellt. Es gibt sogar einen EU-Spitzenkandidaten aus Ihren Rei-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 196

hen, der damals ein vehementer Befürworter des Öxits war. Tun Sie also jetzt nicht so, als ob Sie von nichts wüssten! (Beifall bei der SPÖ.)

Alle, die glauben, dass der Brexit eine rein britische Angelegenheit ist, sind leider im Irrtum, denn er hat Konsequenzen für die Zukunft Europas, er hat aber auch Konse­quenzen für die Zukunft Österreichs. Wenn heute ein Mitgliedsland aus der Europäi­schen Union, aus der Gemeinschaft austritt, dann sind wir natürlich auch betroffen. Erstens gibt es nicht wenige Österreicher und Österreicherinnen, die in Großbritannien leben; deren Rechtssituation ist bis zum heutigen Tag unklar.

Zweitens gibt es nicht wenige Briten und Britinnen, die in Österreich leben, die nicht wissen, wie es weitergeht. (Abg. Haider: Alles geregelt!) Da gibt es eine sogenannte Brexithotline, die kann in Wirklichkeit null Auskunft über die wesentlichen Fragen, die die Menschen betreffen, geben. (Abg. Wurm: Was machen wir jetzt? Lösungsvor­schlag!) Sie wissen bis zum heutigen Tag nicht, ob sie an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnehmen dürfen oder nicht.

Drittens wissen wir nach wie vor nicht, welche wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Brexit auf Österreich hat.

Daher bin ich der Meinung, Frau Ministerin, wir brauchen in Österreich eine Strategie, wir brauchen einen runden Tisch, der alle Akteure zusammenbringt und der gemein­sam mit der Sozialpartnerschaft und der Opposition hier gemeinsam Klarheit schafft. Ich ersuche Sie daher: Wirken Sie auf Ihren Kollegen Blümel und auf den Bundeskanz­ler ein! Bringen Sie in der Brexitfrage Licht ins Dunkel! Schaffen Sie Klarheit für die Ös­terreicherinnen und Österreicher!

Ich bringe in diesem Zusammenhang folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bre­xit – Österreichs Interessen sichern – Runder Tisch gefordert“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

einen zeitnahen runden Tisch mit allen Parteien, den Sozialpartnern, Bundesländern und etwaigen anderen Interessensvertretern einzuberufen und im Rahmen dessen:

- die Fragen rund um die wirtschaftlichen Auswirkungen,

- die Frage der BritInnen in Österreich,

- die Situation rund um die ÖsterreicherInnen in UK sowie

- die Fragen rund um die Wahl und das Wahlrecht betreffend zu klären.“

*****

Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Sind Sie die Postbo­tin vom Herrn Schieder?)

19.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder,

Genossinnen und Genossen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 197

eingebracht in der 68. Sitzung des Nationalrates im Zuge des Berichts des Außen­politischen Ausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.) (TOP5)

betreffend Brexit – Österreichs Interessen sichern – Runder Tisch gefordert

Der Europäische Rat hat in seiner Tagung am 21.03.2019 einer Verlängerung des Bre­xit Austritts zugestimmt und damit einen ganz kleinen Schritt gesetzt um seinerseits ei­nen hard brexit zu verhindern bzw. zu verzögern. Die innenpolitische Situation in Groß­britannien ist derzeit jedoch so festgefahren, dass keine Perspektive für einen kons­truktiven Ausweg aus der aktuellen Lage möglich scheint. Dies liegt jedoch vorrangig in der Verantwortung der britischen Regierung, die es verabsäumt hat, alle relevanten ge­sellschaftlichen Kräfte des Landes auf eine gemeinsame Vorgehensweise festzulegen. Stattdessen sind die britischen Konservativen vor allem damit beschäftigt, ihre internen Streitigkeiten zu Lasten des Wohles des Landes auszutragen, während Europas Rechts­parteien weiterhin entgegen aller Fakten die Wiedererlangung der britischen Souverä­nität bejubeln.

Die Europäische Union sollte auf diese Situation angemessen reagieren: die Entschei­dung des Vereinigten Königreichs, die EU zu verlassen, ist zu respektieren. Gleichzei­tig sollte jede Möglichkeit, diesen für alle Beteiligten nachteiligen Entschluss umzukeh­ren, unterstützt werden. Solche Perspektiven liegen derzeit aber nicht vor, wonach nur zwei Möglichkeiten bestehen: entweder, das Vereinigte Königreich verlässt zum selbst­gewählten Zeitpunkt auch ohne Austrittsabkommen die Union, oder es tritt eine grund­legende Neubewertung der britischen Position, etwa durch Neuwahlen oder ein zwei­tes Referendum, ein. Auch wenn niemand einen hard brexit befürwortet, muss irgend­wann Klarheit herrschen. Ansonsten macht sich die EU unglaubwürdig.

Der Brexit zeigt, dass die unheilige Allianz von Konservativen und Nationalisten drama­tische Folgen hat und zu Unsicherheit, Chaos und Wohlstandsverlusten führt. Das trifft nicht nur Großbritannien, sondern uns alle: laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung bei einem Hard-Brexit einen Wohlstandsverlust von über 720 Mio. Euro er­leiden würde.

Demnach sollte auch die Österreichische Bundesregierung endlich angemessen auf diese verfahrene Situation reagieren, Klarheit über die etwaigen Folgen für Österreich unter der Einbindung aller Parteien, der Bundesländer und Sozialpartner schaffen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

einen zeitnahen runden Tisch mit allen Parteien, den Sozialpartnern, Bundesländern und etwaigen anderen Interessensvertretern einzuberufen und im Rahmen dessen:

- die Fragen rund um die wirtschaftlichen Auswirkungen,

- die Frage der BritInnen in Österreich,

- die Situation rund um die ÖsterreicherInnen in UK sowie

- die Fragen rund um die Wahl und das Wahlrecht betreffend zu klären“.

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 198

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider. – Bitte. (Abg. Wurm: Roman, bitte Aufklärung!)


19.26.37

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! (Abg. Leicht­fried: Präsidentin!) Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ja, Frau Kollegin Duzdar: Ich war ja schwer überrascht, als gerade Ihr EU-Spitzenkandidat Schieder in seiner Funk­tion als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses wider jegliche Usance diesen Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über das außenpolitische Arbeitsprogramm der EU nicht im Ausschuss enderledigt haben wollte, sondern justament darauf bestan­den hat, ihn hier im Plenum zu besprechen.

Da habe ich mir gedacht: Ja, natürlich, verstehe ich, er ist EU-Spitzenkandidat seiner Partei, er will dieses EU-Thema natürlich dazu nutzen, hier wieder einmal kräftig auf den Tisch zu hauen! In der Früh ist er auch noch als Redner auf der Rednerliste ge­standen; jetzt ist es halb 8 Uhr am Abend, offensichtlich hat er etwas Besseres zu tun, und Sie mussten jetzt einspringen – quasi als Lückenfüllerin. Ich muss Ihnen halt leider sagen: So hat auch Ihre Rede geklungen, liebe Frau Duzdar! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben zum Thema Brexit hier in diesem Haus schon ein paar Mal besprochen, wa­rum es überhaupt dazu gekommen ist, dass die Briten gesagt haben: Da machen wir nicht mehr mit, da wollen wir heraus! Wissen Sie, wann das war? – Das war genau in dem Moment, als die Bilder von den österreichischen Grenzen im britischen Fernsehen zu sehen waren – ich sage Ihnen das jetzt schon zum dritten Mal (Beifall bei der FPÖ) –, diese Bilder der völligen Hilf- und Planlosigkeit, als ein Refugees-welcome-Kanzler von der SPÖ die Grenzen völlig verantwortungslos vor Horden von anstürmenden Migran­ten aufgemacht hat und sein Nachfolger diese dann auch noch gratis mit der Eisen­bahn quer durch Österreich geführt hat!

Als diese Bilder im britischen Fernsehen zu sehen waren, da hat sich der Brexit ent­schieden, und das ist euer SPÖ-Beitrag zur Spaltung Europas. Das könnt ihr euch auf eure Fahnen heften, da gratuliere ich ganz besonders herzlich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihr habt jetzt einen Antrag nach dem Motto: Oh, die armen Briten, die in Österreich le­ben, und die armen Österreicher in Großbritannien wissen jetzt gar nicht, wie es weiter­geht!, eingebracht. (Zwischenruf der Abg. Duzdar) Ich gehe einmal davon aus, das wird Ihnen die Frau Bundesminister gleich erklären. Diesbezüglich sind nämlich sämt­liche Vorbereitungen, auch im Falle eines Hard Brexits, schon längst getroffen worden. Da brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen. Ich weiß nicht, wer Ihnen die­se Rede geschrieben hat, aber derjenige hat nicht in die Berichte des Außenministeri­ums hineingeschaut. Das hatten wir schon längst erledigt.

Jetzt aber noch kurz zum Bericht selber: Wissen Sie, dieser Bericht ist durchaus inter­essant (Abg. Leichtfried: Ah so?), vor allem wenn man die angesprochenen Ziele mit der Wirklichkeit vergleicht, Herr Kollege Leichtfried. Ich zitiere jetzt einmal aus dem Be­richt: „Angesichts neuer und komplexer Herausforderungen ist ein verstärktes Engage­ment der EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung erforderlich, welches ein breites Spektrum ziviler und militärischer Fähigkeiten umfasst sowie eine bessere Verknüp­fung äußerer und innerer Sicherheitsaspekte vorsieht.“ – Das kann man auf Seite 21 unter Punkt 77 lesen.

Man kann überhaupt in diesem ganzen Bericht nur Dinge lesen, die mit Außenpolitik zu tun haben. – So viel auch zu Ihrer Begründung, warum Sie diesen Bericht nicht zur


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 199

Kenntnis nehmen wollen, Frau Duzdar, nämlich wegen der Steuerflucht. Diese wird in diesem Bericht, weil es der Außenpolitische Bericht und kein Finanzbericht ist, natür­lich gar nicht thematisiert. Wenn Sie schon eine Begründung für eine Ablehnung lie­fern, dann sollte der Grund wenigstens auch wirklich in dem abzulehnenden Bericht drinnen stehen. – So viel dazu nur nebenbei. Sie sollten sich die Berichte, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen, möglicherweise doch auch ein bisschen durchlesen, aber das lassen wir einmal beiseite. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommen wir zurück zu diesem vielfältigen Engagement! Es ist gar keine Frage, gerade im direkten Umfeld der EU sehen wir uns komplexen Herausforderungen gegenüber. Ich denke etwa an den Konflikt in der Ukraine, an den Nahen Osten, an Nordafrika. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, wäre die EU wirklich gefragt. Das ist genau jener der Punkte, bei denen man zusammenarbeiten könnte und ein gemeinsa­mes Vorgehen sinnvoll wäre. Ich betone absichtlich das Wort wäre, denn genau dort gibt es eben kein gemeinsames Vorgehen.

Das brauchen wir uns nur am Beispiel Libyen anzuschauen, wie Frankreich und Groß­britannien gezeigt haben, was sie von der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik halten – nämlich gar nichts. Wir stehen da vor den Trümmern eines zerstörten Staates. Deswegen sagen wir durchaus Ja zu einer Kooperation im Sicherheitsbereich, aber unter der Voraussetzung der für uns Österreicher geltenden Vorschriften, wie etwa der Neutralität.

Wir sagen aber wirklich ganz klar Nein zur Unterstützung der Machtgelüste irgendwel­cher EU-Möchtegern-Napoleons. Das ist auch schon das Stichwort, da bin ich schon beim Messias der EU-Zentralisierer, beim französischen Präsidenten Macron, weil der in Wahrheit eine knallharte französische Interessenpolitik betreibt – noch dazu unter tatkräftiger Beteiligung der EU-Kommission. Auch darüber gibt der Bericht Auskunft, man muss nur ein bisschen genauer lesen.

Da geht es zum Beispiel ab Punkt 67 um Nuklearfragen. Das Kind können wir auch ganz anders beim Namen nennen: Da geht es um Atomkraftwerke, im Speziellen um die französischen Atomkraftwerke, denn da ist im Windschatten der Klimahysterie be­treffend Atomkraftwerke überhaupt keine Rede mehr von einem Ausstieg aus der Atom­kraft. Nein, nein! Da heißt es, die Atomkraftwerke werden ganz dringend gebraucht, um das Klima zu retten. Da schaut ihr großzügig darüber hinweg, das muss man aber auch beim Namen nennen.

Da werden die Atomkraftwerke, die französischen Atomkraftwerke zum Klimaretter hoch­stilisiert, und die EU-Kommission macht da ganz tatkräftig mit. Da werden Förderungen für AKWs vergeben. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.) Am Fließband werden da AKWs, Atomkraftwerke, genehmigt, wird Geld dafür ausgegeben. Wenn man weiß, dass Frankreich nicht nur der größte Produzent von Atomstrom ist, sondern auch noch der größte Exporteur von Atomkraftwerken – die bauen sie nämlich dann auf der gan­zen Welt –, dann rundet sich das Bild ganz schnell ab. Mit einer so mächtigen Lobby eines so mächtigen Landes legt sich die EU-Kommission nicht an. Darüber sollten wir einmal reden!

Weil ich gerade bei Herrn Macron bin: Wenn die Briten aus der EU draußen sind, dann ist aus Europa überhaupt nur noch Frankreich ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der UNO. Man könnte ja auch einmal darüber reden, ob nicht Frankreich, gerade dieser Supereuropäer Präsident Macron, den französischen Sitz im Sicherheitsrat der EU zur Verfügung stellt (Abg. Loacker: ... mit der Le Pen!), um dort die gemeinsame europäi­sche Solidarität zu leben. So weit geht es bei diesen Supereuropäern dann aber gar nicht, da ist ganz schnell Schluss mit der europäischen Solidarität. – Das aber nur ne­benbei zum Nachdenken.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 200

Damit komme ich schon zum Schluss. Diese EU-Kommission fühlt sich viel weniger den Interessen der Bürger als den Interessen diverser Lobbyisten verpflichtet, seien es die Atomlobby oder Refugees-welcome-Fetischisten. Dem gilt es jetzt endlich einen Riegel vorzuschieben. Es gilt, die EU wieder zu dem zu machen, was sie ursprünglich war und auch sein soll, nämlich eine Freihandelszone selbstständiger Staaten, die dort, wo es Sinn macht, ganz eng zusammenarbeiten, aber eben nur dort, wo es Sinn macht.

Wir brauchen eine Europäische Union, die die Nationalstaaten nicht als ihre Feinde be­trachtet, sondern als das, was sie sind, die elementaren Bausteine Europas. Wer die­ses Fundament zerstört, der zerstört in Wahrheit die europäische Idee. Das sei auch den NEOS, die unbedingt den Superstaat Europa möchten, ins Stammbuch geschrie­ben. Darum brauchen wir wieder mehr Österreich und weniger Brüssel. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.35


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.35.48

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Kollege Haider! Ich wünsche Ihnen zuerst einmal viel Glück für die Euro­pawahl. (Abg. Haider: Wir werden das haben!) Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich Ihre launigen Reden hier vermissen werde oder nicht. Man muss halt schon auch dazusa­gen, wie Sie die Dinge, insbesondere im Zusammenhang mit dem Brexit, darstellen – sie sind im Grunde genommen falsch.

Sie haben davon gesprochen, dass sich die Briten im Rahmen der Migrationskrise für den Brexit entschieden haben, Sie haben von „Horden von anstürmenden Migranten“ gesprochen. (Abg. Haider: Das hat den Brexit entschieden! Die Bilder waren ein Jahr vorher!)

Herr Kollege Haider, David Cameron hat sich 2013 entschieden, ein Referendum abzu­halten. Die Diskussion gab es schon Jahre davor, weil die konservativen Populisten, die Tories und Ihre Freunde von der UKIP, über Jahre hinweg Propaganda gegen die Europäische Union gemacht haben. Sich jetzt herzustellen und die Geschichte ein bisschen durcheinanderzubringen, so, dass es in Ihr Weltbild passt, ist dreist. Ich kann Ihnen nur sagen: Schauen Sie sich die Zahlen noch einmal an! Lernen Sie Geschichte! Viel Spaß im Europäischen Parlament! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haider: Reden Sie mit den Engländern!)

Worüber ich eigentlich reden wollte: Ein wesentlicher Teil dieses Berichts ist ja auch dem Thema Cybersicherheit und Desinformation gewidmet. Es gibt einerseits große demokratiepolitische Herausforderungen in diesem Zusammenhang. Wir von den NEOS haben jetzt über Wochen versucht, herauszufinden, welche Regierungsmitglie­der sich mit diesem Thema auseinandersetzen, welche Regierungsmitglieder sich zu­ständig fühlen, die Pläne der Kommission in Bezug auf ein Frühwarnsystem entspre­chend umzusetzen. Ich muss sagen, dass die Antworten nicht nur enttäuschend, son­dern fast gefährlich waren, weil ich das Gefühl habe, es setzt sich niemand damit aus­einander.

Bundesminister Blümel hat uns auf die Frage, wer denn in der Bundesregierung kon­kret zuständig sei und was er im Zusammenhang mit Desinformation und Cybersicher­heit und den Trollfabriken mache, geantwortet, es gebe da den Büroleiter des Regie­rungssprechers. – Die Verantwortung dafür, mit Massen an Trollfabriken aus Russland zurechtzukommen, einer Person in die Hand zu geben ist zumindest mutig, würde ich einmal sagen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 201

Ich habe dann Sie, Frau Bundesministerin, im Ausschuss gefragt, ob Sie sich zustän­dig fühlen. Sie haben sinngemäß gesagt, Sie seien bei dem Thema nicht 100 Prozent sattelfest. Ich sage es Ihnen ehrlich, ich auch nicht, denn technisch kenne ich mich zu wenig aus; aber ich sehe die Probleme und die Gefahren, die damit einhergehen. Sie haben dann ein wenig über den Hackerangriff im Deutschen Bundestag geredet. Das ist nicht das Problem, um das es der Europäischen Union geht. Der wesentliche Grund, warum wir diese Frühwarnsysteme brauchen, warum wir massiv etwas gegen Desin­formation machen müssen, sind eben ausländische Trollfabriken wie jene, die die US-Wahlen beeinflusst und bei vielen anderen Wahlen auch etwas gemacht haben.

Jetzt sage ich Ihnen ehrlich: Wenn ich die Antworten von Bundesminister Blümel und von Ihnen höre, dann habe ich irgendwie das Gefühl, es fühlt sich niemand zuständig. Mir persönlich ist auch egal, wer sich zuständig fühlt. Ich glaube nur, es muss sich je­mand zuständig fühlen, weil wir jetzt 60 Tage vor der Europawahl stehen – und die ös­terreichische Bundesregierung sagt uns de facto: Wir haben da eine Person im Büro des Regierungssprechers, und die wird das alles regeln. Das ist fahrlässig, das ist ge­fährlich. Das ist ein Riesenproblem für unsere Demokratie und kann auch ein riesiges Problem für die anstehenden Europawahlen werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Jarolim: So kann man ja nicht Republik machen!) – Ja, man kann so wirklich nicht Republik machen.

Das Problem ist, glaube ich, dass einfach viele hier nicht wirklich wissen, was die Pro­bleme in diesem Zusammenhang sind. Es gibt mittlerweile die Möglichkeit, über künst­liche Intelligenz Fakebilder zu produzieren, den Fakebundeskanzler zu produzieren und ihm alle möglichen Worte in den Mund zu legen. Vielleicht kommen Sie dann drauf, wenn irgendwann einmal Bundeskanzler Kurz in einem Facebook-Video auf Sie zukommt und sagt: Na ja, die Balkanroute, die habe eigentlich gar nicht ich geschlos­sen, sondern das war jemand anderer!

Also das ist wirklich ein massives Problem. Wir müssen alles tun, dass dieses Problem im Zusammenhang mit den Europawahlen nicht zu einer Riesengefahr wird. Da geht es einerseits darum, dass wir Awareness schaffen, dass den Leuten überhaupt be­wusst ist, was das bedeutet. Da geht es ganz stark darum, dass Medienkompetenz vermittelt wird. Es geht ganz stark darum, in die Erwachsenenbildung zu investieren.

Wenn man sich dann die Homepage erwachsenenbildung.at anschaut, findet man dort in etwa Folgendes: Ja, Medienkompetenz ist wichtig, wir haben das aber irgendwie vernachlässigt, es gibt kaum Angebote; aber das ist alles nicht so schlimm, denn in den anderen europäischen Staaten gibt es das auch nicht. – Das ist genauso fahrläs­sig.

Im Vorhabensbericht steht 23 Mal das Wort Cyber und sieben Mal das Wort Desinfor­mation. Sie haben da offensichtlich Dinge hineingeschrieben, mit denen sich niemand intensiv beschäftigt, von denen wenige Leute wirklich eine Ahnung haben. Und ich wie­derhole es noch einmal: Wir stehen 60 Tage vor der Europawahl, und ich halte das für eine massive Gefahr.

Wir haben als NEOS probiert, hier eine konstruktive Rolle zu spielen, wir haben im In­nenausschuss einen Antrag zur Bekämpfung von Desinformation eingebracht. (Abg. Stefan: Nicht gelungen, oder?) – Selbstverständlich gelungen, Herr Kollege Stefan! Sie müssen die Anträge lesen, sie inhaltlich bewerten. (Abg. Stefan: Sie haben gesagt, Sie haben es probiert!)  Na ja, wir haben es probiert: Sie als Regierungsparteien sind immer die, die die Anträge der Opposition vertagen; das ist das Problem an diesem Parlament, wenn konstruktive Vorschläge der Opposition kommen. (Abg. Stefan: Also Sie haben es probiert!)

Wir haben einen Antrag im Zusammenhang mit Desinformation und dem Umgang mit Deepfakes eingebracht. Wir haben diese Woche einen Antrag im Zusammenhang mit


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 202

Medienkompetenz eingebracht. Und es würde schon reichen, wenn Sie diejenigen, die da an und für sich helfen, nämlich einige Journalisten, unterstützen würden, anstatt sie zu diskreditieren. Das hört man seitens der FPÖ immer wieder, wir erinnern uns an die Aussagen des Innenministers. Man hört es seit Neuestem aber auch seitens des Bun­deskanzlers, der in einer Pressekonferenz davon spricht, dass Medien, der ORF in die­sem Zusammenhang, die ultimative Form der Falschinformation verbreiten. Das hilft si­cher nicht, um gegen diese Kampagnen der Desinformation anzukommen.

Die Regierung tut da nichts. Die Regierung hat offensichtlich keinen Plan. Die Regie­rung empfindet das Internet offensichtlich in vielen Bereichen immer noch als Neuland. Wir haben es ja erst diese Woche wieder gesehen, als es die ÖVP mit der Zustimmung zu den Uploadfiltern im Europaparlament grandioserweise geschafft hat, das Ende des freien Internets einzuläuten. Ich halte das für massiv problematisch, was Sie diese Wo­che gemacht haben. Und ich halte es für massiv problematisch und fahrlässig und ge­fährlich, wenn es im Zusammenhang mit Desinformation eine Person im Büro des Re­gierungssprechers gibt, die uns vor all den Trollfabriken, vor all denen, die unsere De­mokratie, unsere Wahlen beeinflussen wollen, schützen soll. Das ist eindeutig zu we­nig. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

19.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.Jeitler-Cincelli. – Bitte. (Abg. Jarolim: Ich glaube, wir verkommen wirklich zu einem absoluten Kasperl­land, wenn wir so weitertun! Es gibt ja Verantwortungen, die man ausüben kann ...!)


19.42.09

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­seher! Ja, ich war jetzt auch einigermaßen verwirrt, weil ich mir gedacht habe, das soll­te eigentlich die Bühne sein für die, die eingemeldet waren, Claudia Gamon etwa, also die Kandidaten, die jetzt doch nicht da sind oder etwas anderes zu tun haben, wie auch immer. Sie haben das gut übernommen, Frau Duzdar. Was ich schade finde: Es ist wichtig, dass wir hier auch einmal über die Europäische Union sprechen, dass wir über den Vorhabensbericht sprechen, aber wie man sieht, geht es eigentlich kaum in die Tiefe, sondern halt doch wieder darum, ein kleines Vorwahlkampftheaterstück zu in­szenieren. Das ist leider nicht besonders gut gelungen, weil die falschen Schauspieler an Bord waren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schimanek – erheitert –: Bravo, Car­men!)

Sie haben jetzt wiederholt, was Ihr Kollege Schieder, der selbsternannte Rächer der Enterbten in Europa, im Slim-Fit-Designeranzug – also auch nicht besonders authen­tisch in dieser Rolle – im Ausschuss gesagt hat, und zwar hat er unseren Bundeskanz­ler Sebastian Kurz für den Brexit verantwortlich gemacht. Ich finde, das ist an Skurrilität kaum zu übertreffen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wer ist es denn, der sich wirklich um eine konstruktive Lösung in dieser Sache be­müht? (Abg. Jarolim: Der Bundeskanzler jedenfalls nicht!) Das sind einzelne Men­schen, ganz, ganz wenige, handverlesen, die da mit Umsicht und diplomatischem Ge­schick agieren, ja dabei mitunter ganz vorne mitdiskutieren, und ganz vorne dabei ist unser Kanzler – und als Österreicherin bin ich unglaublich stolz darauf. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn Ihnen Europa wirklich so am Herzen liegt, wie Sie alle sagen, dann würden Sie wahrscheinlich die notwendige Sensibilität und auch das Feingefühl haben, dass man da jetzt nicht noch herumhackt, sondern einfach einmal die Situation hinnimmt und es denen überlässt, die sich in diesen Belangen wirklich auskennen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 203

Nun zur Sache, denn ich möchte eigentlich auf den Vorhabensbericht eingehen, und zwar auf ein spezielles Thema: Der Brexit kommt, aber wir haben auch neue Perspek­tiven in Südosteuropa. Natürlich dominiert das Thema Brexit momentan alles, wir soll­ten aber den Scheinwerfer bewusst auch auf diese Länder richten, um unsere Zu­kunftsperspektiven dort zu sehen. Das Heranführen dieser Länder an die EU wird mas­siv unsere Zukunft in Europa bestimmen.

Ich möchte da auch Danke sagen für das großartige Engagement: Gernot Blümel, Frau Außenministerin Karin Kneissl, unserem Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, aber auch den Leitern der parlamentarischen Freundschaftsgruppen. Ich finde es wun­derschön, dass die Fraktionen da vorbildlich zusammenarbeiten, quer durch alle Frak­tionen. Wenige Regionen der Welt können nämlich eine größere kulturelle, religiöse und demografische Vielfalt für sich in Anspruch nehmen. Dafür braucht es auch unter­schiedliche Menschen, die sich dem annehmen. Vielleicht kennen Sie den viel zitierten Satz von Tito: „Ich regiere ein Land mit zwei Alphabeten, drei Sprachen, vier Reli­gionen und fünf Nationalitäten, die in sechs Republiken leben, von sieben Nachbarn umgeben sind und mit acht Minderheiten auskommen müssen.“

Die Situation am Westbalkan ist auch heute nach wie vor sehr, sehr komplex. Slowe­nien und Kroatien sind längst Mitglieder der EU, Montenegro und Serbien seit Jahren in Beitrittsverhandlungen, Mazedonien und Albanien haben Kandidatenstatus, Bosnien, der Kosovo und Serbien hängen momentan mehr oder weniger ein bisschen in der Luft. Die EU muss die Länder der Region gemeinsam zu Reformen ermutigen, Hilfe­stellung geben und die EU-Beitrittsperspektive mit einem realistischen Zeithorizont of­fenhalten. Außer Frage steht für mich, dass diese Reformen zum Teil mit erheblichen, mit massiven Anstrengungen verbunden sind und dass es da vieles braucht. Ich bin aber überzeugt davon, dass diese transformative Kraft, ausgelöst durch die Perspekti­ve, wirklich Mitglied in der EU zu werden, in dieser Region vieles bewirken kann. Das sehen wir gerade in Nordmazedonien, wo es gelungen ist, einen jahrzehntelang schwelenden Konflikt zu lösen. Dass es eine reale Chance gibt, einmal Mitglied zu wer­den, hat vieles bewirkt. Überlegen wir, was bei uns alleine in der Steiermark oder in Niederösterreich passiert, wenn man Bezirke oder Gemeinden zusammenlegt! Diese Menschen haben es geschafft, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Ich glaube, Österreich ist hier als diplomatischer Brückenbauer unglaublich geeignet. Wir haben eine gemeinsame Mission, und wir sind vielfältig, auch wirtschaftlich, in der Region vernetzt. Etwa eine halbe Million Österreicher haben dort ihre familiären Wur­zeln. Unsere Unternehmen waren in den letzten Jahren unter den größten ausländi­schen Direktinvestoren. Ich danke allen, die dazu beitragen: der Außenwirtschaft, den Ministerien und allen, die an den vielen Konferenzen mitarbeiten, die in den letzten Wochen stattgefunden haben und in den kommenden Wochen stattfinden werden.

Zum Schluss, was mich besonders freut: Viele aus unseren Reihen arbeiten hier zu­sammen, sind engagiert. Ich freue mich, wenn mit 26. Mai, nach der Europawahl, der Vorhang gefallen ist, das Theaterstück hoffentlich ohne Zugabe beendet ist, die Prota­gonisten dann ihren neuen Engagements erfolgreich nachgehen. Wir werden am 27. Mai mit einer Delegation nach Priština reisen, in den Kosovo. Nikolaus Scherak ist dabei, Carmen Schimanek ist dabei, Eva Maria Holzleitner, Alma Zadić. Ich glaube, das ist auch für uns eine schöne Sache, dass wir nicht nur den Menschen dort Brücken bauen, sondern dort auch Brücken zueinander bauen, in einem gemeinsamen Geist. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

19.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. (Abg. Jarolim: Die Frau Außenministerin kann das ja – der Bundeskanzler ist ja das Pro­blem! – Abg. Schimanek: Herr Jarolim! Immer wieder verhaltensauffällig!)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 204

19.47.45

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Haider hat behauptet, dass über den Bre­xit nichts im EU-Arbeitsprogramm steht. (Abg. Haider: Nein! Nein! Von der Europa­flucht steht nichts drinnen! Der Brexit war ...! Ein bisschen zuhören, sinnerfassend!) Wahrscheinlich war er mit seinem persönlichen nationalen Öxit beschäftigt. Der Brexit kommt im Bericht vor, wenig substanziell, nur auf einer halben Seite.

Zum Bericht generell: Von den wichtigsten EU-Themen im heurigen Jahr kann nicht gerade gesagt werden, dass sie ambitioniert und offensiv angegangen worden sind. So ist eine klare Prioritätensetzung in Richtung Europa der Menschen anstatt in Richtung des Kapitals nicht vorhanden. Im Gegenteil: Die Bekämpfung von Lohn- und Sozial­dumping ist Ihnen kein Anliegen. Ja, diese Regierung fördert es geradezu, Österreich als Billiglohnland jeden Tag stärker zu machen, Österreich jeden Tag unattraktiver zu machen. Das ist Ihr türkis-blaues Motto.

Wenn Sie die Wirtschaft fördern, dann aber nicht den österreichischen Motor der Wirt­schaft, die Klein- und Mittelbetriebe, die KMUs, sondern die Wahlkampfspender, Ihre Mäzene, Ihre Günstlinge, die auch einmal tiefer in die Tasche greifen, und das zur rechten Zeit, vor Wahlauseinandersetzungen, damit ihr Lobbying bei Ihnen auch wirk­lich Gehör findet. Pierer von KTM ist da kein Einzelfall.

Österreich mit seiner besonderen geopolitischen Lage zwischen den ehemaligen Blö­cken im Osten und im Westen ist als Standort für die Europäische Arbeitsbehörde ge­radezu prädestiniert. Die grenzüberschreitende Arbeitsmobilität ist eine große Heraus­forderung für österreichische ArbeitnehmerInnen, da sie sich im unmittelbaren Span­nungsfeld der Lohngefälle befinden. Die österreichische Qualitätsarbeit – Qualität hat eben seinen Preis – muss auch in Zukunft erhalten werden.

Frau Minister, die großen europäischen Herausforderungen, die Bekämpfung der Kli­maerhitzung, die Bekämpfung der asozialen Konzernpolitik durch Steuervermeidung, die Friedenssicherung auf unserem Kontinent, also die großen Linien, sind diffus bezie­hungsweise defensiv verankert. Da wären Schwerpunkte zu setzen, genauso wie be­treffend Waffenexporte aus Europa, die die größte Niederlage der Menschheit, nämlich den Krieg, erst ermöglichen – und unbestritten in vielen Ländern bereits kriegerische Auseinandersetzungen verlängert haben. Diese werden in dem Bericht erst gar nicht erwähnt. Es ist beinahe eine Kapitulation für ein Land wie Österreich, das sich der im­merwährenden Neutralität verschrieben hat.

Ich möchte noch zwei Entschließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

- sicherzustellen, dass Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft wird, um ein fai­res und soziales Europa zu schaffen;

- im Sinne Österreichs zu handeln und sich aktiv dafür einzusetzen, dass der Sitz der Europäischen Arbeitsagentur in Österreich sein wird.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 205

Der zweite Antrag lautet wie folgt – ich denke, die FPÖ wird da mitgehen –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne – Mitbestimmung des Parlaments sichern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, keine Abkommen zu unterzeichnen oder solchen im Rat der EU zuzustimmen, wenn diese Sonderklagerechte für Konzerne enthalten.“

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Robert Laimer,

Genossinnen und Genossen

eingebracht in der 68. Sitzung des Nationalrates im Zuge des Berichts des Außenpoli­tischen Ausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.) (TOP5)

betreffend faire Arbeitsbedingungen in Europa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen

Begründung

Lohn- und Sozialdumping steht in Europa noch immer auf der Tagesordnung. Öster­reich ist davon besonders stark betroffen Die österreichische Bundesregierung hat sich während der Ratspräsidentschaft nicht dafür eingesetzt, dass sich daran etwas ändert.

Österreich ist Zielland von Entsendungen, gleichzeitig steigt Lohn- und Sozialbetrug bei Entsendefirmen. Im Jahr 2017 kamen im 300.000 EU-Arbeitskräfte per Entsendung nach Österreich. Parallel dazu ist der Sozialbetrug durch neue betrügerische Praktiken ge­stiegen. Umso wichtiger ist es, das Prinzip "gleiches Entgelt am gleichen Ort für gleiche Arbeit" in allen EU-Staaten umzusetzen.

Kontrollen der österreichischen Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) belegen die Problematik: Bei Kontrollen im ersten Halbjahr 2017 gab es bei 0,9 Pro­zent der ArbeitnehmerInnen von österreichischen Betrieben Verdachtsfälle auf Unter­bezahlung, bei Entsendebetrieben mit einem Firmensitz in anderen EU-Staaten, die ih­re Beschäftigten nach Österreich entsenden, hingegen in 44 Prozent der Fälle.

Aber damit nicht genug: Das Problem der Scheinentsendungen und der fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird immer wieder in Österreichs Grenzregionen deutlich. Im Burgenland wurden im Jahr 2017 Strafen in Höhe von einer Million Euro von ungarischen Unternehmen eingefordert, davon konn­ten aber nur 2.000 Euro tatsächlich eingetrieben werden. Genau aus diesem Grund muss die grenzüberschreitende Kontrolle sowie der grenzüberschreitende Vollzug von


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 206

Verwaltungs- und Strafverfahren lückenlos sichergestellt werden, indem die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet werden.

Bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping ist noch einiges zu tun. Die Euro­päische Union hat aus diesem Grund – ohne die Unterstützung der österreichischen Bundesregierung – kürzlich eine Europäische Arbeitsagentur beschlossen. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um den massiven Problemen im Zusammenhang mit Entsen­dungen wirksam zu begegnen. Denn die Mitgliedstaaten allein stoßen wie oben darge­stellt an administrative Grenzen, die auch die vorbildlichste rechtliche Regelung (vgl. das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz) ins Leere laufen lassen.

Umso bizarrer ist es, dass die schwarz-blaue Bundesregierung diesen sinnvollen Vor­schlag der EU-Kommission zuerst pro forma ablehnte, dann verzögerte und erst durch massiven Druck der Oppositionsparteien, der Sozialpartner und des Kommissionsprä­sidenten reagierte und dieses Dossier überhaupt begann zu verhandeln. Beschlossen wurde es nun ohne die Stimme der österreichischen Bundesregierung.

Das Ergebnis hätte aus Sicht der Sozialdemokratie– vor allem was die Schlagkräftig­keit und die Durchsetzbarkeit angeht, besser sein können, aber es ist ein erster wich­tiger Schritt. Letztendlich wurde die Einbindung der Sozialpartner gestärkt und der Kampf gegen Briefkastenfirmen in die Aufgabe der Agentur integriert – auch dies ge­schah ohne die Zustimmung der österreichischen Bundesregierung, die dagegen stimm­te und dies mit „überschießenden Bestimmungen“ argumentierte. (vgl. Die Presse, am 20.2.2019)

Während für Konzerne günstige Regelungen im Schnelldurchgang beschlossen wer­den, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Preis dafür zahlen. Die Bun­desregierung muss im Sinne Österreichs handeln. Die Privilegien der Konzerne dürfen nicht fortwährend über die Rechte und Anliegen der BürgerInnen, insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestellt werden. Dies muss sich ändern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres werden aufgefordert

- sicherzustellen, dass Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft wird, um ein faires und soziales Europa zu schaffen;

- im Sinne Österreichs zu handeln und sich aktiv dafür einzusetzen, dass der Sitz der Europäischen Arbeitsagentur in Österreich sein wird.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Robert Laimer,

Genossinnen und Genossen

betreffend Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne - Mitbestimmung des Parlaments sichern

eingebracht in der 68. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Debatte Top 5 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeitsprogramm 2019 (III-251/524 d.B.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 207

Begründung

Die bedingungslose Zustimmung von ÖVP und FPÖ zu CETA, dem Handelsabkom­men mit Kanada, hat bereits gezeigt, dass die schwarz-blaue Bundesregierung nicht bereit ist, sich den Interessen von großen Konzernen entgegenzustellen. Sogar die Wiederbelebung von TTIP strebt die Wirtschaftsministerin an.

Der nunmehrige Vizekanzler Strache erklärte noch am 20. September 2017: „Soge­nannte ‚unabhängige‘ Schiedsgerichte, vor denen Konzerne ganze Staaten verklagen können, sind in dieser Form nicht zu akzeptieren! Es ist völlig unklar, wer diese Urteile fällt und wem diese ‚Richter‘ verpflichtet sind. Wir aber wollen unseren österreichischen Rechtsstaat, der ein Pfeiler der Demokratie ist, schützen und bewahren. Daher darf ei­ne Entscheidung darüber nur mit Volksabstimmung erfolgen.“ (https://www.fpoe.at/artikel/
hc-strache-mehr-direkte-demokratie-und-selbstbestimmung-statt-ceta-und-ttip-diktate/).

Noch drei Tage vor der Wahl, am 12.10.2017, stimmte die FPÖ einem Antrag der SPÖ zu, der ein endgültiges Inkrafttreten von CETA verhindern wollte, so lange das Abkom­men Bestimmungen über Sonderklagerechte für Konzerne enthält. Die endgültige Ra­tifikation von CETA durch Österreich ist noch ausständig, da der Bundespräsident zu­nächst das Gutachten des Europäischen Gerichtshofes abwartet, ob CWETA tatsäch­lich mit dem Unionsrecht kompatibel ist.

Derzeit verhandelt die EU Kommission rund 20 weitere Handelsabkommen, darunter nach wie vor TTIP, das Abkommen mit den USA. Diese Verhandlungen befinden sich in unterschiedlichen Stadien. Viele dieser Abkommen enthalten Bestimmungen zum Konzernschutz. Jedes einzelne dieser Abkommen greift tief in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten ein. Selbst wenn Abkommen wie im Falle Japans oder Singapurs in ei­nen europäischen und einen mitgliedstaatlichen Teil aufgespalten werden, erfüllt die Bundesregierung ohne Zögern die Wünsche großer Konzerne.

Die Gefahr von Sonderklagerechten für Konzerne bleibt evident: solche Klagerechte ermöglichen es großen Konzernen, Druck auf einzelne Staaten aufzubauen. Erst vor Kurzem wurde Österreich erneut von einem Julius Meinl zuzuordnendem Konzern vor einem solchen Konzerngericht verklagt. Bereits die erste Klage kostete die österreichi­schen SteuerzahlerInnen über fünf Mio. Euro. ArbeitnehmerInnen oder andere gesell­schaftliche Gruppen haben keine solchen Möglichkeiten, was dem Grundsatz der Gleich­heit vor dem Gesetz widerspricht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, keine Abkommen zu unterzeichnen oder solchen im Rat der EU zuzustimmen, wenn diese Sonderklagerechte für Konzerne enthalten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Dr. Eugen Bösch ist nun zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.52.17

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine Damen und Herren! Dieses EU-Arbeitsprogramm in Bezug auf die


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 208

Außenpolitik schreibt im Wesentlichen das Programm unserer EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr vergangenen Jahres weiter – und das ist ein einmaliges Programm gewesen! Die beiden Regierungsparteien haben sich zusammengetan und klare Ziel­setzungen für die europäische Ebene entwickelt. Das ist der Unterschied zu den Re­gierungen davor, Herr Kollege Jarolim: Von den Regierungen davor ist eine Politik ge­macht worden, die nicht im Sinne der Republik und auch nicht im Sinne der Europäi­schen Union war. Diese Bundesregierung hat das anders gemacht. Wir haben unter dem Motto: ein Europa, das schützt, klare Richtlinien gesetzt und sie auf europäischer Ebene durchgesetzt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Von der Sicherung der Außengrenze über die klare Absicht, die 27 in den Verhandlun­gen über den Brexit zusammenzuhalten, über die Nachbarschaftspolitik, das Erkennen der Bedeutung des Balkans für die Sicherheitspolitik der gesamten Europäischen Uni­on bis zu den Versuchen, eine Digitalsteuer einzuführen – all diese Themen sind aufs Tapet gebracht worden, und sie werden dort nicht mehr vom Tisch gewischt werden können, Herr Kollege. Auf europäischer Ebene hat diese Präsidentschaft nachhaltig Wirkung gezeigt. Das war ein Verdienst dieser neuen Bundesregierung.

Wir müssen auch klar sagen, dass wir uns dazu bekannt haben, die Europäische Uni­on zu reformieren. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Linke keine Absicht hat, die Eu­ropäische Union zu reformieren, dass für sie alles in bester Ordnung ist. Für uns ist auf europäischer Ebene nicht alles in bester Ordnung. Wir wollen die Europäische Union reformieren, weil wir Europa retten wollen. Das ist der Unterschied zu den Konzepten, die Sie hier vorbringen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es geht in diesem Arbeitsprogramm auch um eine Stärkung der Subsidiarität, um eine Stärkung der Verhältnismäßigkeit, es geht auch um Prioritätensetzung, um die Siche­rung der Außengrenze, um Kampf gegen Kriminalität und Extremismus und auch um Terrorbekämpfung.

Meine Damen und Herren! Die bisherige Politik hat dazu geführt, dass die Europäische Union an den Abgrund geführt worden ist. Und es ist nicht die Schuld von rechtskon­servativen Politikern, dass Großbritannien aus der Europäischen Union austreten will (Abg. Leichtfried: Der Cameron kann gar nichts dafür, gell?), sondern es ist der Man­gel an klarer, erkennbarer, vernünftiger Politik auf europäischer Ebene, der dazu ge­führt hat. Das ist der Grund, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass in Großbritannien Politiker in Bezug auf den Brexit agitiert haben, das räume ich ein, aber diese Agitation konnte nur deshalb Raum greifen, weil die Europäische Union in wesentlichen Fragen komplett versagt hat – komplett versagt hat! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Versagen wollen wir nicht noch einmal erleben, deshalb werden wir, weil wir wollen, dass Europa ein Erfolgsmodell wird und dass Europa auch eine erfolgreiche Zukunft hat, alles daransetzen, die Europäische Union zu reformieren, um sie in eine gute Zukunft zu führen – nicht so, wie Sie das in der Vergangenheit gemacht haben! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Die Rede war sehr gut, aber ...! – Abg. Haubner: Ganz ruhig bleiben! – Abg. Schimanek: Immer wie­der, Herr Jarolim! Immer so verhaltensauffällig!)

19.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Bißmann. – Bitte.


19.56.06

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin! Bevor ich


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 209

zum vorliegenden Bericht über das EU-Arbeitsprogramm 2019 komme, erlauben Sie mir eine ganz kurze Replik auf den Beitrag des Kollegen Haider.

Kollege Haider bezeichnete rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die 2015 angesichts einer Krise ehrenamtlich geholfen haben – und ja, es war eine Kri­senlage, als plötzlich Zehntausende Geflüchtete unregistriert im Land waren –, als „Ref­ugees-welcome-Fetischisten“. – Das ist infam, infam gemeint. Man kann es aber auch anders interpretieren. Ich möchte es gerne anders interpretieren, nämlich dass das Menschen sind, die sich ganz bewusst der Menschlichkeit und der Zivilcourage ver­pflichten; und da sage ich: Ja, genau solche Menschen braucht es im Land! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Frenetischer Applaus!)

Jetzt zum vorliegenden Bericht: Frau Ministerin, als Teil der Legislative ist es ja meine Aufgabe, Ihre Arbeit zu kontrollieren, und daher habe ich mir den Abschnitt „Energie- und Klimaschutzpolitik (Nuklearfragen)“ ganz besonders aufmerksam durchgelesen. Im Kapitel „Nuklearfragen“, das recht ausführlich geraten ist, lese ich sehr wohl über die aktiven Bemühungen Österreichs und Ihres Ressorts, eben des außenpolitischen, da­hin gehend, Österreich weiterhin atomfrei zu belassen und sich auch auf EU-Ebene für eine atomfreie Zukunft einzusetzen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Kapitel, das würde ich so zur Kenntnis nehmen.

Im Kapitel „Klimapolitik“ allerdings – das ist wirklich sehr, sehr kurz geraten, nur zwei kurze Unterkapitel finden sich hier – finde ich kein einziges Wort, keinen einzigen Satz über konkrete Maßnahmen, die Ihr Ressort im Jahr 2019 treffen wird, um Österreichs Verantwortung in der Klimapolitik nachzukommen. Das Thema hat eine außenpoliti­sche Dimension. Fünfmal finde ich das Wort EU, im Großen und Ganzen sind es gene­relle Stehsätze über die Rolle der EU in der Klimapolitik – sehr allgemein gehalten. Es ist nicht zufriedenstellend, und ich bin in zweierlei Hinsicht enttäuscht: einerseits auf­grund des Nichtvorhandenseins klimapolitischer Maßnahmen im Jahr 2019 seitens Ih­res Ressorts und andererseits, weil ich Sie eigentlich sehr schätze und von Ihrer Arbeit sehr angetan bin.

Ich erinnere mich an die Sitzung eines Außenpolitischen Ausschusses – vor einigen Mo­naten war ich noch Abgeordnete der Liste JETZT (Abg. Haubner: Der Liste Pilz!) –, da habe ich Sie gefragt, welche Bedeutung der Klimaschutz für Sie als Außenministerin in Ihrem Ressort hat. Sie haben mir damals eine sehr ausführliche, sehr lange Antwort gegeben, Sie haben sich für meine Frage bedankt und ein erstaunliches Wissen in Sa­chen Klimaschutz, Elektromobilität und Energiewende gezeigt. Sie haben auch sehr lange über dieses Thema referiert. Dann meinten Sie, dass der Klimawandel ange­sichts des steigenden Migrationsdrucks aufgrund von Klimawandelfolgen für Sie längst nicht mehr nur ein Thema ist, das wirtschaftspolitisch und umweltpolitisch relevant ist, sondern eines, das sicherheitspolitisch relevant ist und daher auch in Ihrem Ressort Relevanz hat.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR hat kürzlich in einer Aussen­dung geschrieben, dass wir in den nächsten 50 Jahren weltweit mit 250 Millionen bis zu einer Milliarde Klimaflüchtlinge rechnen müssen. Das sind Menschen, die aufgrund der Folgen des Klimawandels gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.

Geschätzte Frau Ministerin, ich würde Sie bitten, den vorliegenden Bericht angesichts dieser Sachlage, dieser Bedrohung nachzubessern. – Vielen Dank.

20.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Mar­tin Engelberg. – Bitte.


20.01.05

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Präsidentin, ich möchte mit einer ganz per-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 210

sönlichen Bemerkung beginnen. Sie hatten den Vorsitz bei meiner letzten Rede schon übergeben, ich möchte daher jetzt die Gelegenheit nützen, um Ihnen große Anerken­nung und Respekt für Ihre Vorsitzführung auszusprechen. (Beifall des Abg. Haubner sowie bei der SPÖ.)

Ich wollte einfach drei Punkte aus dem Bericht der Frau Bundesministerin herausgrei­fen. Es wird Sie nicht überraschen, dass das erste Thema der Brexit, und zwar abseits der aktuellen Entwicklungen, ist. Wir haben es uns inzwischen schon zur Gewohnheit gemacht, dass man vor jeder Podiumsdiskussion, vor jeder Stellungnahme eigentlich noch einmal schnell im Internet nachschauen muss, was gerade die neueste Ent­wicklung ist. Das, glaube ich, muss jetzt hier nicht sein. Das Zweite, von dem ich glau­be, dass wir weit jenseits davon sein sollen, ist, dass wir die Diskussion zum Thema Brexit weiter mit irgendwelchen – muss ich sagen – fast lächerlichen Schuldzuwei­sungen, wer hier in Österreich am Brexit schuld sein soll, fortsetzen.

Ich glaube, abseits davon gilt es, ein paar Dinge festzuhalten. Das Vereinigte König­reich steht für freien Handel, für Liberalismus und ist eine wichtige militärische Macht in Europa. Das Vereinigte Königreich ist ein äußerst wichtiger Partner für die EU und auch für Österreich und wird es bleiben. Auch wenn sich jetzt angesichts dieser gan­zen Misere manche lustig machen oder sich sogar herablassend äußern, vergessen wir nicht, dass das Vereinigte Königreich eine große parlamentarische Demokratie ist. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Leichtfried.)

Erfreulicherweise konnten wir uns davon überzeugen, dass Österreich im Vereinigten Königreich wirklich als Freund wahrgenommen wird. Ich glaube, dass die Präsident­schaft Österreichs und auch das persönliche Wirken des Bundeskanzlers sehr dazu beigetragen haben. Das sollte wirklich unbedingt so bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir wollen selbstverständlich auch, dass die Interessen der EU gewahrt bleiben, aber jetzt in Rachegedanken zu versinken und einseitig vorzugehen, wäre die falsche Ant­wort.

Wir haben im letzten Plenum auch bewiesen, dass uns das Schicksal der mehr als 10 000 Briten in Österreich am Herzen liegt. Wir haben im Rahmen des letzten Ple­nums ein entsprechendes Brexit-Begleitgesetz beschlossen. Ich möchte es noch ein­mal festhalten, weil es auch sehr, sehr positiv aufgenommen wurde: Die Staatsbürger des Vereinigten Königsreichs sind in Österreich weiterhin, auch nach einem Brexit, herzlich willkommen, und ihre Rechte sind umfassend gewahrt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Umgekehrt hat auch das Vereinigte Königreich bereits die entsprechenden Gesetze beschlossen und Vorkehrungen getroffen, um Österreicher und EU-Bürger in Großbri­tannien vor negativen Auswirkungen eines Hard Brexit zu schützen.

Ich hätte noch zwei andere Punkte gehabt, aber ich sehe, dass meine Zeit vorbei ist. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl. – Ruf bei der ÖVP: Martin, keine Angst, deine Zeit ist noch nicht vorbei!)

20.04


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.a Gertraud Salz­mann. – Bitte.


20.04.43

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher hier auf der Besuchergalerie und liebe Zuschauer vor den Bildschirmen daheim! Ich möchte auch einige Punkte aus dem durchaus sehr interessanten EU-Arbeitsprogramm he-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 211

rausgreifen. Österreich hat sich während des EU-Vorsitzes im letzten Halbjahr ganz speziell auch der Frage der Zukunft der Europäischen Union und auch der Frage, wie man sie bürgernäher gestalten kann, gewidmet.

Für das Zusammenspiel der einzelnen Staaten ist dabei die Subsidiarität ein wesentli­ches Element. Österreich hat sich in einer eigenen Konferenz intensiv mit dieser Subsi­diarität beschäftigt. Die Subsidiarität und die Verhältnismäßigkeit sollen als wesentliche Bausteine der EU noch weiter vertieft und gestärkt werden.

Die Europäische Union wird die Umsetzung der geltenden Gesetze sowohl intern mit den Mitgliedstaaten als auch extern im Wege der internationalen Zusammenarbeit ver­teidigen. Ich möchte hierzu speziell auf die Menschenrechte eingehen. Die EU setzt sich für ein starkes, effizientes und multilaterales System ein, das es ermöglicht, die Einhaltung der Menschenrechte unparteiisch zu beobachten. Dazu gehört es auch, die Staaten bei Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.

Ich möchte auf einige Punkte hinweisen, die die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Men­schenrechtsarbeit darstellen. Zum Ersten sind es Maßnahmen gegen die Todesstrafe, Maßnahmen gegen Folter, gegen grausame und unmenschliche Behandlung. Es gilt auch, den Schutz und die Förderung der Kinderrechte ganz gezielt ins Auge zu fassen.

Auch die Bekämpfung der Gewalt an Frauen ist ein sehr wesentliches Element. Auch die EU-Wahlberichterstattung und die EU-Wahlbeobachtungskommissionen leisten ei­nen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Demokratie und der Menschenrechte.

Verweisen möchte ich auch auf den im Bericht enthaltenen Schutz der religiösen Min­derheiten und die Förderung der Religions- und Gewissensfreiheit. Dies ist insbeson­dere wesentlich, da religiöse Konflikte, Diskriminierung und Intoleranz gegenüber reli­giösen Minderheiten immer wieder im Steigen begriffen sind. Es gilt gerade mit Blick auf den Kampf gegen den Terrorismus, auf Konfliktsituationen rasch und effektiv zu re­agieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auf einen letzten Punkt möchte ich noch hinweisen, nämlich auf die Betonung des in­terkulturellen und des interreligiösen Dialogs. Ich glaube, wir sind uns einig, dass die Differenzen, die zwischen den Religionen bestehen, aber auch die Gemeinsamkeiten, die es gibt, im Zuge eines immerwährenden und friedlichen Dialogs miteinander in Brü­ckenbauweise einfach auch gesucht und gefunden werden; und es gibt sie. Ich bin überzeugt davon, dass unser gemeinsames Wertesystem, das uns letztendlich auch in den Religionen und über die Religionen hinweg verbindet, auch ein wichtiges Friedens­element ist. Europa ist für mich auch ein Friedensprogramm. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.08

20.08.27


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Bundesministerin Kneissl hebt die Hand.)

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-251 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. (Bundesminis­terin Kneissl hebt erneut die Hand. – Rufe bei der FPÖ: Frau Präsidentin, die Mi­nisterin! – Abg. Rosenkranz: Frau Präsidentin, die Frau Ministerin!) – Die Debatte ist geschlossen, und wir sind im Abstimmungsvorgang. (Abg. Rosenkranz: Die Frau Mi­nisterin wollte die ganze Zeit sprechen! Ich sehe mich da als Mediator, als Kommunika­tor in der Mitte!) – Danke, das ist sehr nett, das machen wir dann gleich nach der Ab­stimmung. – Frau Bundesministerin, jetzt sind wir im Abstimmungsvorgang.

Also noch einmal: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpoliti­schen Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-251 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 212

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Brexit – Österreichs Interessen sichern – Runder Tisch gefordert“.

Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „faire Arbeitsbedingungen in Eu­ropa – Lohn- und Sozialdumping bekämpfen“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne – Mitbestimmung des Parlaments sichern“.

Wer ist für diesen Antrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Frau Bundesministerin, wir waren bereits im Abstimmungsprozess. (Bundesministerin Kneissl: Ich wollte nur alle abwarten und dann sprechen! – Ruf bei der FPÖ: Die Vorsitzführung ist ...!) – Wenn Sie mir das bei den nächsten Debatten rechtzeitig sa­gen, dann sind Sie natürlich verlässlich auf der Rednerliste.

20.10.386. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (441 d.B.): Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits (518 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (436 d.B.): Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Uni­on und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits be­treffend den Beitritt Ecuadors (519 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (504 d.B.): Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits (520 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 432/A(E) der Abge­ordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder, Mag. Roman Haider, Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betref­fend die aktuelle politische Situation in Venezuela (525 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Punkten 6 bis 9 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 213

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maximilian Unterrainer. – Bit­te, Herr Abgeordneter.


20.12.22

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmgeräten! Das vorliegende Handelsab­kommen mit Peru und Kolumbien lehnen wir in der vorliegenden Form ab. Warum? – Das ist leicht erklärt: weil damit in erster Linie erreicht werden soll, dass die Konzerne gestärkt und deren Profite maximiert werden, und weil wieder keine arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Standards und Menschenrechte an sich gesichert werden. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Das vorliegende Abkommen ist mit dem Handelsabkommen, welches schon zwischen der EU und Ecuador besteht, vergleichbar. Auch in diesem war von Fairness, von Nachhaltigkeit und Umweltschutz die Rede – nur bis dato kann man davon nicht viel sehen. Seit zwei Jahren gilt dieses Handelsabkommen. Allein im Sektor der Bananen­industrie bedeutet dieses Abkommen für die Mitarbeiter vor allem eines: mehr Ausbeu­tung, vermehrt schlechte Bezahlung und vermehrt unsichere Arbeitsverhältnisse.

Diese Entwicklung, Kolleginnen und Kollegen, ist auch beim vorliegenden Handelsab­kommen zu erwarten. Jene, die der Korruption und den politischen Machtstrukturen ei­ne Meinung entgegenhalten, sind nicht nur unerwünscht, sie werden gefoltert und er­mordet – ja, auch ermordet, nach wie vor, bis heute.

Hohe Konzerngewinne mit Avocados, Palmöl, Bananen und so weiter und so fort sind eigentlich der wahre Grund, warum hier in diesem Haus für dieses Handelsabkommen gestimmt werden soll – ohne echte Arbeitsrechte für die Menschen in Peru und Kolum­bien, ohne Umsetzung der Menschenrechte, ohne Nachhaltigkeit im Umweltschutz und im Bereich der sozialen Sicherheit, ohne Meinungsfreiheit und ohne journalistische Frei­heit.

Es steht im Abkommen – das muss man zugeben –, dass sich die Vertragsparteien zur Umsetzung internationaler Arbeits- und Umweltstandards verpflichten. Dies fällt aber nicht unter den Streitschlichtungsmechanismus und ist daher nicht sanktionsbewehrt. Klare Regeln und vor allem Sanktionen, die tatsächlich auch umgesetzt werden, wären nötig. Fakt ist aber, dass das in diesem vorliegenden Abkommen leider nicht der Fall ist.

Dass hier im Hohen Haus von den Regierungsparteien das Handelsabkommen be­schlossen werden wird, ist leider naheliegend und auch unumkehrbar, aber der Preis, den die Menschen dort zahlen, ist ein sehr hoher, ein extrem hoher. Mit diesem Ab­kommen bleibt es in diesen Ländern möglich, Andersdenkende wie Gewerkschafter, Menschenrechts- und UmweltaktivistInnen einfach mundtot zu machen. Deshalb kön­nen wir diesem Abkommen nicht zustimmen, denn es ist weder fair noch für die Men­schen in diesen Ländern gemacht und gedacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist genauso wenig fair wie Ihre Idee, nämlich die Idee der türkis-blauen Regierung, dass in einem der reichsten Länder der Welt, nämlich in Österreich, Menschen um 1,50 Euro die Stunde zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden sollen. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.) Auch das finde ich nicht fair und es ist eine Bestätigung dafür, wel­che Ziele diese Regierung verfolgt, nämlich Gewinne auf Kosten fairer Arbeitsbedin­gungen zu maximieren. (Ruf bei der FPÖ: Aber ein Zivildiener um 1,50 Euro ist Ihnen wurscht als Sozialist!) Und wie gesagt, das ist nicht fair, egal wo auf der Welt.

Wir sind gewählt, um alles uns Mögliche zu unternehmen, damit die Menschenrechte eingehalten werden und der gewaltsame Tod des Óscar Romero – wer ihn nicht kennt, er war der Bischof von San Salvador – und der vielen, die sich für die Rechte der Men­schen einsetzten, nicht umsonst war.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 214

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, werden wir diesem Abkommen nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das war vor 30 Jahren!)

20.15


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Mar­tin Graf. – Bitte.


20.15.54

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe es mir eigentlich fast gedacht, dass der Erstredner der Sozialisten bei einem Sammelta­gesordnungspunkt, der zur Debatte steht, bei dem es de facto um zwei Freihandelsab­kommen mit zentralamerikanischen, karibischen Staaten, mit Kolumbien, Peru und Ecua­dor und um einen die Menschenrechte betreffenden Antrag betreffend Venezuela geht, zum Freihandelsabkommen spricht. Das ist eigentlich verwunderlich, nicht? (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es in Venezuela ein linkes Regime gibt. Lassen wir den heutigen Tag Revue passieren: Am Vormittag haben wir dem rechts­extremistischen Terroristen, der gegen Rechtsstaat und Demokratie Amok gelaufen ist, eine große Debatte gewidmet. – Ich sage: Ja, zu Recht; das muss debattiert werden, auch in Österreich. Dass es natürlich zu Schuldzuweisungen von der vereinten Linken an die Regierung und die Freiheitliche Partei gekommen ist, ist ganz klar, das gehört zum Strickmuster. Das ist allerdings, würde ich meinen, zu Unrecht geschehen.

Heute debattieren wir relativ spät einen Antrag betreffend Venezuela, wo ein links­extremer Terrorist – würde ich jetzt einmal sagen – den Rechtsstaat und die Demokra­tie bereits ausgeschaltet hat. Darüber gibt es von Ihrer Seite keine Debatte – zu Un­recht, meine ich. Finden Sie nicht? Millionen von Menschen müssen das Land verlas­sen, Journalisten sitzen im Kerker und vieles andere mehr.

Kramen wir doch ein bisschen in der Mottenkiste! (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Ich kann mich noch an das Jahr 2006 erinnern. Ich nehme an, dass Kollege Rossmann auch nur über das Freihandelsabkommen reden wird, weil das ja viel angenehmer ist. Es schließt sich dann auch der Kreis zu Venezuela, weil sowohl Chávez als auch Ma­duro gegen alle Freihandelsabkommen mit kapitalistischen Ländern, so auch mit der EU und Österreich, waren. Da sind Sie eines Sinnes: Maduro ist dagegen, Sie sind auch dagegen – Sozialisten: egal, wohin man schaut, immer das gleiche Strickmuster. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und es gibt keine Debatte, wenn Tausende Menschen inhaftiert werden, keine De­batte, wenn Hunderte und Tausende ums Leben kommen – und das alles vor unseren Augen. 2006 war Maduro (Ruf bei der FPÖ: Mit Chávez!), damals war er Außenminis­ter, mit Chávez in Österreich. Die Popstars der Linken, so ungefähr hat es in den Me­dien geheißen, vom „Standard“ über den „Falter“ bis zum Funke, und natürlich auch bei den damals grünen Medien und auch bei sehr vielen roten Medien. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Es war letztendlich erhellend, was da so vorgekommen ist.

Es war immerhin am 12. Mai – rund um meinen Geburtstag; ich war nicht dort, muss ich sagen –, als Maduro bei der größten Solidaritätskundgebung mit der venezolani­schen Revolution aufgetreten ist, die außerhalb Südamerikas je stattgefunden hat: in der Arena.

Am 14. war dann Chávez auch noch in der Urania, viele kennen den Auftritt. Viele von Ihnen waren damals dort anwesend und haben Beifall geklatscht (Abg. Duzdar: Woher wissen Sie das? Waren Sie dabei?), als die Herrscher der neuen Zeit, die Popstars, dann begonnen haben, die Demokratie in Teilen von Südamerika zu Grabe zu tragen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 215

Sie ersetzten die bürgerlichen Strukturen durch Rätestrukturen, haben Verstaatlichun­gen vorgenommen, Volksmilizen gegründet. Als wir davor gewarnt haben: Das wird im Desaster für die Menschen vor Ort enden!, haben Sie darüber hinweggewischt und haben Ihren Popstars, einem Maduro und auch einem Chávez, Applaus gespendet – damals sowohl die Grünen als auch die Sozialisten –, wenn sie die Stimme in Öster­reich erhoben haben.

Dass diese zum Drüberstreuen dann auch noch vom damaligen Bundespräsidenten Fischer empfangen wurden – Nordkorea, Venezuela und viele andere mehr –, sei ja nur so nebenbei erwähnt; aber das kümmert ja nicht. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wie war damals das Motto und das Referat von Maduro, der – wie man ja noch nachle­sen kann – in der Arena ins Mikrofon hineingeschrien hat? – Es gibt nur zwei Möglich­keiten: Sozialismus oder Barbarei!

Ich sage jetzt einmal, der Sozialismus ist mehr als Barbarei, wie man in diesen Belan­gen sieht (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), und daher muss man etwas tun. Tote, Elend, Leid, wohin man schaut, wenn linksextreme Herrscher an der Macht sind (Zwischenruf bei der SPÖ), und wenn man näher hinschaut: Schweigen, Schweigen im Lande, kein Pilz, keine Frau Bayr – wo ist sie denn? –, die plötzlich das Wort ergreifen. Plötzlich reden wir nur mehr über Freihandelsabkommen – das ist ja bequem, dann muss man sich nicht mit dem eigenen Spiegelbild auseinandersetzen. Diese Popstars haben Sie auch in der westlichen Welt groß gemacht. Es gibt keine Wahlen und vieles andere nicht mehr, und die Menschen leiden Hunger und Not. (Der Redner schenkt sich ein Glas Wasser ein und trinkt. – Abg. Vogl: Durst!)

Daher gibt es auch einen Entschließungsantrag, den ich im Namen des Abgeordneten Lopatka und in meinem Namen einbringen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „die aktuelle politische Situation in Venezuela“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden Antrag:

„Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres wird ersucht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik der Europäischen Union zu einer friedlichen, demokratischen Lösung in Vene­zuela beizutragen, indem die Forderung nach der Abhaltung von freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen nach internationalen demokratischen Stan­dards und gemäß der venezolanischen Verfassung nachdrücklich auf internationaler Ebene zum Ausdruck gebracht wird.

Zudem wird die zuständige Bundesministerin ersucht, sich weiterhin in internationalen Gremien, insbesondere in den Gremien der Vereinten Nationen, für die Rückkehr Ve­nezuelas zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und die Ergreifung adä­quater Maßnahmen auf diesem Weg zu unterstützen und vor allem auch weiterhin jene Kräfte zu unterstützten, die demokratisch legitimiert sind.

Ferner wird die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres weiterhin er­sucht, in Abstimmung mit den zuständigen Gremien der EU und den europäischen Partnern zu einer Verbesserung der humanitären Lage der Bevölkerung beizutragen und diesbezüglich alle Aktivitäten zu unterstützen, welche die Verursacher dieser mensch­lichen Katastrophe in die rechtliche Verantwortung nehmen.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 216

Das sind letztendlich die Sozialisten vom Zuschnitt eines Maduros, würde ich meinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ersuche Sie, diesen Antrag anzunehmen. Ich glaube, das ist das Mindeste, was man tun kann, wenn Sie schon zu den Zu­ständen, die es in Venezuela gibt, schweigen – nur und ausschließlich deshalb, weil es dort linke Machthaber und keine rechten Machthaber gibt.

Wenn es in den letzten 40, 50 Jahren eine rechte Diktatur in Südamerika gegeben hat, hat es hier stets eine Debatte gegeben. Als Machthaber wie Maduro, Chávez und an­dere an die Macht gekommen sind, oder zum Beispiel auch der Korruptionist Lula in Brasilien, hat man von Ihnen nichts gehört.

Hören Sie auf, mit zweierlei Maß zu messen! Beteiligen Sie sich endlich an den ge­meinsamen Aktionen, wenn es um die Außenpolitik geht! – Danke. (Beifall und Bravo­rufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

20.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Reinhold Lopatka, Martin Graf Kolleginnen und Kollegen

betreffend die aktuelle politische Situation in Venezuela

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 9 zum Bericht des Außenpolitischen Aus­schusses 525 d.B. zum Antrag 432/A(E)

Begründung:

Seit seiner Amtsübernahme 2013 hat Präsident Maduro die venezolanische Demo­kratie und Rechtsstaatlichkeit stetig ausgehöhlt, was 2017 in der Entmachtung der, von der Opposition kontrollierten, Nationalversammlung durch die neu geschaffene verfas­sungsgebende Versammlung gipfelte. Am 20. Mai 2018 fanden in Venezuela Präsi­dentschaftswahlen statt, aus denen Nicolas Maduro als Sieger hervorging. Die Euro­päische Union und weite Teile der internationalen Gemeinschaft erkannten diese Wah­len nicht als fair und frei an, da internationale Mindeststandards für einen glaubhaften Prozess nicht erfüllt und politischer Pluralismus, Demokratie, Transparenz und Rechts­staatlichkeit nicht respektiert wurden. In Folge blieben die Mitgliedsstaaten der Euro­päischen Union, darunter auch Österreich, der Angelobung von Nicolas Maduro zu sei­ner zweiten Amtszeit am 10.01.2019 in Caracas fern.

Am 23. Jänner 2019 schließlich wurde der rechtmäßig und demokratisch gewählte Par­lamentspräsident, Juan Guaidó, unter Berufung auf die venezolanische Verfassung zum Interimspräsidenten Venezuelas erklärt. Die Mehrheit lateinamerikanischer Staa­ten, die USA und Kanada haben Juan Guaidó als Präsidenten anerkannt. Ein be­trächtlicher Teil der EU-Mitgliedstaaten, wie auch Österreich, erachten und unterstüt­zen Juan Guaidó als Übergangspräsidenten, damit dieser freie, faire und demokrati­sche Präsidentschaftswahlen ausrufen kann.

An Massenprotesten, die sich gegen Präsident Maduro richteten, beteiligten sich laut Schätzungen mehr als 100 000 Menschen, es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Be­richten zufolge sollen auch mehrere Hundert Demonstranten festgenommen worden sein. Weitere Proteste und ein scharfes Vorgehen gegen die Sympathisanten mit Inte­rimspräsident Guaidó wird erwartet.

Unterdessen befindet sich Venezuela am Rande des wirtschaftlichen Kollapses mit verheerenden Auswirkungen für die Bevölkerung. Auch nach der diesjährigen Anhe-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 217

bung des Mindestlohns um 300% entspricht dieser einem Gegenwert von circa 6 US Dol­lar auf dem Schwarzmarkt. Viele Menschen können sich nur mehr eine Mahlzeit täglich leisten und leiden unter akuter Lebensmittel- und Medikamentenknappheit. Der Inter­nationale Währungsfonds rechnet mit einer weiteren Steigerung der Inflationsrate bis 10 Mio.% bis Jahresende. Die verheerenden Lebensbedingungen in Venezuela haben eine der größten Fluchtbewegungen in Lateinamerika hervorgerufen. Schätzungen zu Folge befinden sich heute bereits 3 Millionen Venezolaner auf der Flucht. Die Zahl der Flüchtlinge könnte sich laut VN-Experten bis Jahresende sogar auf 5,3 Millionen Men­schen steigern.

Die unterfertigten Abgeordneten sprechen vor diesem Hintergrund dem venezolani­schen Volk ihre volle Solidarität aus und verurteilen die willkürliche Gewalt seitens der Behörden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen zudem folgenden Antrag

„Die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres wird ersucht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik der Europäischen Union zu einer friedlichen, demokratischen Lösung in Vene­zuela beizutragen, indem die Forderung nach der Abhaltung von freien, transparenten und glaubwürdigen Präsidentschaftswahlen nach internationalen demokratischen Stan­dards und gemäß der venezolanischen Verfassung nachdrücklich auf internationaler Ebene zum Ausdruck gebracht wird.

Zudem wird die zuständige Bundesministerin ersucht, sich weiterhin in internationalen Gremien, insbesondere in den Gremien der Vereinten Nationen, für die Rückkehr Ve­nezuelas zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und die Ergreifung adä­quater Maßnahmen auf diesem Weg zu unterstützen und vor allem auch weiterhin jene Kräfte zu unterstützten, die demokratisch legitimiert sind.

Ferner wird die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres weiterhin er­sucht, in Abstimmung mit den zuständigen Gremien der EU und den europäischen Part­nern zu einer Verbesserung der humanitären Lage der Bevölkerung beizutragen und diesbezüglich alle Aktivitäten zu unterstützen, welche die Verursacher dieser menschli­chen Katastrophe in die rechtliche Verantwortung nehmen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Kneissl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minis­terin.


20.25.37

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Da ich das Wort zum ersten Mal ergreife, mittlerweile einen schönen guten Abend! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kollegin­nen und Kollegen aus dem Außenministerium, die auch noch da sind! Ja, ich habe sehr aufmerksam die Ausführungen des Abgeordneten Graf verfolgt, weiß um dein In­teresse am lateinamerikanischen Raum insgesamt und darf hier kurz zwei Dinge er­wähnen.

Zum einen ist das Thema Venezuela meines Erachtens auch im Rat für Auswärtige Beziehungen viel zu spät, nämlich erst letztes Jahr im Juni, erstmals richtig behandelt worden, eine Behandlung, die es schon sehr, sehr viel früher verdient hätte. Wer waren die wesentlichen Akteure, es einzubringen? – Italien, Spanien und Portugal, und das


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 218

schon aus dem einen Grund: Diese drei Staaten haben gemeinsam über 1 Million Dop­pelstaatsbürger in Venezuela.

Das heißt, es ist kein Thema, das jetzt nur eine regionalpolitische Dimension hat, son­dern es ist ein Thema, das zur größten Flüchtlingskrise unserer Zeit führte, seit zwei Jahren haben wir nämlich mittlerweile in Venezuela mehr Flüchtlinge, die das Land verlassen, als Flüchtlinge, die Syrien verlassen, und das hat sich auch erst mit einer gewissen Verspätung bis nach Europa herumgesprochen.

Genau aus diesem Grund haben wir auch in meinem Ressort letztes Jahr 1 Million Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für die Aufnahme venezolanischer Flüchtlin­ge in Kolumbien bereitgestellt. Auch das kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Wie bereits gesagt wurde: Es bedarf einer politischen Lösung. Diese politische Lösung steht meines Erachtens insofern auch auf einer Kippe, als eine internationale Dimension hier ganz, ganz schwer ins Gewicht fällt, und die nennt sich Erdölreichtum.

Venezuela ist das Land Nummer eins betreffend konventionelle und unkonventionelle Reserven, Stichwort Fracking. Ölsande und Schiefergas, Schieferöl sind Rohstoffe, um die mittlerweile nicht nur die USA und Russland ihre Konflikte austragen, sondern sie sind natürlich ein Objekt der Begierde vor allem der Volksrepublik China geworden. Ve­nezuela befindet sich hier seit Jahren nicht nur in einem gewaltigen innenpolitischen, gesellschaftspolitischen, menschlich mehr als tragischen Patt und Drama, sondern Ve­nezuela ist mittlerweile auch ein Spielball internationaler Rohstoffinteressen geworden, die in die Opec, in die Organisation für erdölexportierende Länder, hineinspielen, die auch in Wien entsprechend erörtert werden.

Der Kampf um den Zugang zu diesen unkonventionellen Erdöl- und Erdgasreserven ist etwas, das diese Pattsituation meines Erachtens verschärfen könnte, weil wir da eben internationale Interessen haben, wo die Europäische Union einer von vielen Akteuren ist, aber natürlich China, Russland und die USA ihre entsprechende Rolle spielen. Aber umso mehr gilt es, das Augenmerk auf dem Drama Venezuela zu belassen. Wir wer­den diesen Entschließungsantrag und unser Engagement entsprechend weitertragen, ob innerhalb der Europäischen Union oder eben in der nächsten UNO-Generalver­sammlung, in der Hoffnung, dass vielleicht bis dahin eine politische Lösung in diesem Patt gefunden ist.

Wenn Sie mir erlauben, möchte ich ganz gerne auch kurz noch auf die Brexitthematik und einiges andere, was zuvor aufkam, eingehen. Der Parlamentspräsident des House of Commons hat für morgen Abend ein drittes meaningful vote ermöglicht. Wir stehen jetzt neuerlich vor dem Szenarienpfad: Wird es morgen zu einer positiven Abstimmung des Austrittsabkommens, wie es am 25. November vom Europäischen Rat abgesegnet wurde, kommen, dann haben wir die Frist bis 22. Mai und haben sozusagen diesen weichen Austritt des britischen Königreiches. Kommt es morgen zu einem negativen Votum, dann wird der 12. April schlagend.

Das heißt, es ist nicht der von uns immer wieder anvisierte 29. März, sondern der 12. April eben diese cliff edge für einen harten Brexit, sollte morgen ein negatives Vo­tum stattfinden.

Wir haben uns für das eine wie auch für das andere Szenario entsprechend vorbe­reitet. Sollte es zu einem harten Brexit kommen, dann wird unser Augenmerk in erster Linie natürlich den österreichischen Bürgern in Großbritannien, 25 000 an der Zahl, be­ziehungsweise den 12 000 Briten in Österreich gelten. Dafür haben wir die Maßnah­men gesetzt, dafür sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf den Weg gebracht, ob auf Gesetzesebene oder auf dem Verordnungswege. Das heißt, wir haben diesbe­züglich im Laufe des letzten Jahres alle möglichen Maßnahmen getroffen, eben noch nicht wissend, ob harter oder weicher Brexit.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 219

Das andere ist: Sollte es zu einem harten Brexit kommen, dann geht es nicht nur um das Schicksal der Bürger, sondern es geht um den Frieden in Irland und es geht um das Budget. Es werden nach einem harten Brexit viele Milliarden britischer Zahlungen im EU-Budget fehlen. Das heißt, dafür bedarf es dann natürlich auch einer Neuordnung der Nettozahler, aber wir wissen noch nicht, wie das Votum morgen ausgeht. Das heißt – der schwarze Peter, wem auch immer er zugespielt werden kann –, wir wissen bis morgen Abend nicht, in welche Richtung diese Weggabelung, Erweiterung bis 22. Mai oder 12. April, gehen wird, aber wir sind de facto für beide Szenarien entspre­chend vorbereitet.

Zur Frage der Unionsbürger: Auch bei einem harten Brexit werden unsere Bürger wei­terhin im Vereinigten Königreich verbleiben können. Was die britischen Bürger in Ös­terreich anbelangt, so haben wir ein Brexit-Sammelgesetz mit Novellen aller relevanten Gesetze ausgearbeitet, und ein ganz wesentlicher Punkt ist die Novelle des Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetzes, damit britische Staatsbürger eben in Österreich weiter leben und arbeiten können. Sie müssen – da kommt mein Ressort ins Spiel –, was die Integration anbelangt, nicht die Sprach- und Wertekurse absolvieren, dafür haben wir Ausnahmen. Die Rot-Weiß-Rot-Karte plus, die für die britischen Staatsbürger erarbeitet wurde, erfasst sämtliche Rahmenbedingungen entsprechend.

Ich darf noch ganz kurz auf den Einwurf eingehen, dass die Regierung, dass wir uns im Arbeitsprogramm Europäische Union um das wesentliche Thema Waffenexporte et cetera nicht entsprechend kümmern würden. Ich darf auf eines hinweisen: Wir haben gerade heute in der Europäischen Union eine ganz massive Debatte zwischen Berlin und Paris wegen deutscher Waffenembargos, beispielsweise betreffend die Arabische Halbinsel. Wir hatten, als ich Ihnen hier das letzte Mal Ende Oktober Rede und Antwort stehen durfte, die Debatte rund um die Ausfuhr militärischer Rüstungsgüter in Richtung Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. Es ist ein Thema in der Europäi­schen Union, es ist sogar eines, das eben zu unterschiedlichen Linien zwischen den wichtigen Partnern Paris und Berlin betreffend Exporte führt.

Aber was Österreich an Beitrag leisten kann, da seien Sie versichert, dass wir unserer Neutralitätspolitik entsprechend Rechnung tragen und uns dieser Thematik weiterhin annehmen, gerade wenn es um offene Kriege wie im Jemen geht.

Das Thema Desinformazija, Trollfabriken und Cybersicherheit ist ein wichtiges Thema, ich erinnere mich an die Debatte mit Nikolaus Scherak vom letzten Mal. Die Zuständig­keit für die Einhaltung der Sicherheit, des Sicherheitsverlaufs der Wahlen, das ist wie immer im Rahmen der Wahlbehörden, und da hat das Innenministerium die oberste Hoheit, was die reine Sicherheit des Wahlablaufes anbelangt.

Was die Programme anbelangt, die in den letzten Monaten auch unter österreichi­schem Vorsitz zur Erweiterung von Cybersicherheit erarbeitet wurden, vor allem was Wahlabläufe anbelangt, da ist die Umsetzung im Gange. Also da haben wir zwischen letztem Sommer und Dezember im Rahmen des Vorsitzes allerhand eingebracht. Die Desinformazija-Situation haben wir zuletzt im Februar auch in Bukarest umfassend erörtert. Aber es ist eine nationalstaatliche Angelegenheit, wo die Europäische Union nur bedingt mitwirken kann, aber das, was wir an Arbeitsprogrammen einbringen konn­ten, haben wir gemacht. Und wo legislative Maßnahmen auf EU-Ebene vorhanden sind: die sind in Umsetzung begriffen.

Ich darf kurz mit der Frage Klimawandel und unser Einsatz diesbezüglich schließen. Das World Economic Forum sieht den Klimawandel seit Anfang der Nullerjahre als si­cherheitspolitisches Thema, und entsprechend haben wir das auch bei Beratungen, wie auch beim letzten World Economic Forum, getan. Aber dass wir den Kampf gegen den Klimawandel jetzt nicht in unserer tagtäglichen Außenpolitik entsprechend umset-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 220

zen können, ist auch eine andere Realität, zu der wir ebenso stehen müssen – wie dennoch die Frage der Migration infolge des Klimawandels natürlich etwas ist, das wir im Rahmen unserer EZA auch entsprechend handhaben.

Also in unseren Schwerpunktländern – ich hatte erst gerade heute Nachmittag Gäste im Vorfeld des morgigen humanitären Kongresses – ist das ein Thema, wo wir versu­chen, im Rahmen des Umsetzens von anderen Formen von Landwirtschaft auch ein Verbleiben der Menschen in ihren Heimatregionen zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.36


Präsidentin Doris Bures: Das war jetzt noch in Ergänzung zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt und zum Handelsabkommen.

Herr Klubobmann Mag. Bruno Rossmann gelangt nun zu Wort. – Bitte.


20.36.27

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte mich mit den Handelsabkommen zwischen der EU, Kolumbien und Peru befas­sen. (Zwischenruf des Abg. Riemer.) Diese Abkommen gehörten ja, schon bevor sie im Europäischen Parlament abgestimmt wurden, und das ist schon sieben Jahre her, zu sehr umstrittenen, wenn nicht überhaupt zu den umstrittensten Abkommen – aus guten Gründen, wie ich glauben würde. Sie sind seit 2013 in Kraft, daher haben wir die Möglichkeit, relativ gut zu beurteilen, was sich seit damals geändert hat. Sind sie in der Tat noch immer so umstritten wie damals? Haben diese Freihandelsabkommen die Er­wartungen erfüllt oder nicht?

Wir hatten ja auch ein Expertenhearing zu diesen Freihandelsabkommen im Aus­schuss. Entlang der Äußerungen, der Meinungen von zwei Experten möchte ich auch meinen Kommentar in drei Punkten zusammenfassen und begründen, warum wir diese Freihandelsabkommen ganz entschieden und ganz vehement ablehnen.

Der erste Punkt: Die optimistischen Erwartungen in Bezug auf höhere Stufen der Wert­schöpfung in Kolumbien und Peru haben sich in keiner Weise erfüllt. Zugenommen ha­ben in Kolumbien lediglich die Palmöl- und die Bananenexporte und in Peru die Avo­cadoexporte. Aber was wir dort feststellen konnten, ist, dass es bei all diesen Anbauten von Palmöl, Avocado und dergleichen mehr zu eklatanten Verletzungen von Men­schenrechten, von fairen Arbeitsbedingungen, von Umweltstandards gekommen ist.

Wenn ich der Meinung der Experten folge, so sind zwei der Experten – und die haben das sehr überzeugend ausgeführt – der Meinung, dass es keine ökonomische Dring­lichkeit gibt, diesen Abkommen zuzustimmen, keine Win-win-Situation für diese beiden Staaten und auch nicht für die Europäische Union. Das ist der erste Punkt.

Aber es kommt noch dicker. Der zweite und für mich ganz zentrale Punkt ist, dass sich die Menschenrechtslage in diesen beiden Ländern ganz dramatisch verschlechtert hat, sowohl in Kolumbien als auch in Peru. In Kolumbien ist die Zahl der Morde an Men­schenrechtsaktivisten und an Gewerkschaftern auf ein Niveau angestiegen, das un­erträglich ist. In Peru ist es die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern, die schlichtweg nicht akzeptabel ist.

Der dritte Punkt: Dem Nachhaltigkeitstitel fehlt es in diesen Abkommen an Sanktions­möglichkeiten. Sanktionsmöglichkeiten sind aber aufgrund der ständigen Verletzungen von Standards im Arbeitsrecht, im Bereich von Umwelt und von Menschenrechten un­verzichtbar. Daher kann man nur eine Schlussfolgerung ziehen – einer der Experten hat diese Schlussfolgerung gezogen –: Dieses Abkommen ist äußerst überarbeitungs­bedürftig. Erst dann kann man überlegen, ob man diesen Abkommen zustimmen soll oder nicht. Das ist nicht der Fall. Das Abkommen wurde vorgelegt, wie es seinerzeit im MB beschlossen wurde. Noch einmal: Wir lehnen es daher eklatant ab.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 221

Dass die Regierungsfraktionen hier zustimmen, wundert mich nicht. Dass aber die Menschenrechtsverletzungen, die dort stattfinden, von Ihnen, Herr Kollege Graf, in kei­ner Weise moniert worden sind, das mag vielleicht ein wenig wundern. Was mich aber sehr wundert, ist, warum die NEOS diesen Freihandelsabkommen zustimmen. Offen­bar gilt bei den NEOS Freihandel vor Menschenrechten. Da frage ich mich schon, wie Sie hier in diesem Haus glaubwürdig eine Menschenrechtspolitik betreiben können, wenn Sie diesen Freihandelsabkommen zustimmen. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT. – Abg. Martin Graf: Kein Wort zu Venezuela!)

20.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.


20.41.12

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Nachbarländer von Vene­zuela kämpfen mit dem Exodus von drei Millionen Menschen, die vor Hunger, Unter­drückung und sozialistischer Gewaltherrschaft nur mehr die Flucht als Ausweg gese­hen haben – und die Sozialdemokratie und auch die Liste JETZT finden nicht einmal ein Wort dafür. (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Das ist traurig, sage ich Ihnen, das ist sehr trau­rig. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

Wenn ein Regierungschef sein Land unterdrückt – wo auch immer –, sein Volk ausbeu­tet, die Rechtsstaatlichkeit untergräbt, dann ist das meiner Meinung nach automatisch eine Sache der Staatengemeinschaft und somit auch eine Sache unseres Parlaments. Daher konzentriere ich mich schon auf Venezuela, darf aber auch – jetzt geht es ja um vier Tagesordnungspunkte – wenige Sätze zu diesen Abkommen sagen. Selbstverständ­lich unterstützen wir das Abkommen der EU mit Zentralamerika und auch das Handels­abkommen von Peru und Kolumbien mit der Europäischen Union.

Kollege Rossmann, es ist kein Widerspruch, auf der einen Seite den Kampf um die Einhaltung der Menschenrechte zu führen und auf der anderen Seite Handelsabkom­men zu schließen. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Ich verstehe die NEOS. Da kann man ihnen nicht unterstellen, dass sie gegen Menschenrechte sind. (Abg. Ross­mann: Aber bei Menschenrechtsverletzungen machen wir ein Auge zu!) Handelsab­kommen immer nur auf diese Frage zu reduzieren: Das ist der falsche Ansatz, den Sie da wählen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz sicher! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rossmann: Geldwäsche, wie schaut es ...!)

Die wirkliche Katastrophe ist Venezuela. Kollege Rossmann, Sie sind ja hoffentlich auch einer, der Ersparnisse hat. Wenn man in Venezuela im letzten Jahr am 1. Jänner 10 000 Bolívar – so heißt die Währung – hatte, dann hatte man am Ende des Jahres 59 Cent. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich 10 000 Euro mühsam erspart und dann bleiben Ihnen 59 Cent! Das ist die Wirtschaftspolitik in Venezuela, in einem der reichs­ten Länder, von den Rohstoffen her. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wenn wir da nicht aufschreien, machen wir etwas falsch. Ich sage Ihnen, das ist eine politische Krise. Die Präsidentschaftswahlen im Mai 2018 – das hat die EU eindeutig festgehalten – waren weder frei noch fair, daher fehlt dieser jetzigen Regierung absolut die Legitimation. Es ist daher richtig, dass sich die Europäische Union da engagiert. In dieses reiche Land hat die Europäische Union, meine Damen und Herren, seit 2016 60 Millionen Euro gepumpt, und auch wir – die Frau Ministerin hat es gesagt – haben in Kolumbien unterstützend eingegriffen.

Ich sage Ihnen, wenn Präsident Maduro überhaupt nicht reagiert, dann finde ich es rich­tig – das haben ja auch alle großen lateinamerikanischen Staaten so gesehen, die USA, Kanada, bei uns in Europa auch alle großen Länder, Großbritannien, Frankreich, Deutsch­land, Spanien, die Niederlande, aber auch wir –, dass wir sagen, dass dann dieser Not-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 222

stand eintritt und Parlamentspräsident Guaidó – so sieht es die Verfassung in Vene­zuela vor – nun der legitime Präsident ist, bis man zu fairen Wahlen kommt.

Dass Sie sich da völlig abmelden, ich sage es Ihnen – ich habe es eingangs schon ge­sagt und wiederhole mich bewusst –, ist wirklich sehr, sehr traurig. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Wenn die prominente SPÖ-Kandidatin für die Europawahl, Julia Herr, die an aussichtsreicher Stelle gelistet ist, in einem Interview sagt, Maduro und Venezuela seien ein Vorbild dahin gehend, wie man einen Staat proletarisch und marxistisch or­ganisieren kann (Heiterkeit und Beifall des Abg. Loacker), sämtliche Banken und die Schüsselindustrien sollen nach dem Vorbild von Venezuela verstaatlicht werden – das sagt die Chefin der Sozialistischen Jugend, die die Österreicherinnen und Österreicher im Europäischen Parlament (Zwischenruf des Abg. Schellhorn) vertreten soll –, dann sollten Sie darüber nachdenken. Venezuela ist das genaue Gegenteil von einem Vor­bild. Es ist ein trauriges Beispiel, wie Sozialismus ein reiches Land abwirtschaftet. (Bei­fall bei ÖVP, FPÖ und NEOS.)

Daher sollten Sie Ihre Position überdenken. Ich hoffe, dass die nächste SPÖ-Rednerin, die ja nach mir zu Wort kommt, schon auch ein Wort zu Venezuela findet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schellhorn: Das hoffen wir!)

20.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz zu Wort gemeldet. – Bitte. (Rufe bei der FPÖ: Die Rede ist schon vorbereitet! Da kann man nicht mehr reagieren!)


20.46.16

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Graf, es war nicht leicht, Ihrer Rede zu folgen. (Abg. Haider: Die Wahrheit hört ihr nicht gern! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Dass das Langzeitgedächtnis bei Ihnen wunderbar funktio­niert, das haben Sie bewiesen. Im Übrigen: Unsere Fraktion heißt sozialdemokratische Partei, nicht mehr sozialistische. – Nummer eins. (Beifall bei der SPÖ.)

Nummer zwei - - (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Nein, aber noch etwas, auch für Kolle­gen Lopatka (neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ) – mit dem Kurzzeitgedächtnis gibt es schon Probleme –: Vor vierzehn Tagen gab es - - (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Nein, horchen Sie mir zu! Kurzzeitgedächtnis: Es bleibt eh nicht lange bei Ihnen hän­gen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf. – Wei­terer Ruf bei der FPÖ: Das ist sozialistisch!)

Herr Abgeordneter Graf, das ist ein Entschließungsantrag zu Venezuela (ein Exemplar des Antrages in die Höhe haltend), ein Fünfparteienentschließungsantrag. (Abg. Ross­mann: Fünf Parteien, Herr Lopatka!) Wir wollen eine politische Lösung. Wissen Sie, dass Ihr Kollege, Herr Abgeordneter Haider, mitunterschrieben hat? – Kurzzeitgedächt­nis. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Hören Sie mal zu!)

Dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem ganzen Treiben der Konzerne unter diesen Umständen nicht zuschauen können, müssen Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.) Wir können nicht unterschreiben, wenn wir wissen, dass in Kolumbien im vergangenen Jahr 252 Menschen verschleppt und ermordet wur­den beziehungsweise verschwunden sind. Wie soll das gehen? (Abg. Martin Graf: Zehntausende in Venezuela! – Zwischenruf des Abg. Haider.) – Das auch. Wir wollen es nicht, wir verschließen nicht unsere Augen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Es bleibt leider Gottes nicht lange bei Ihnen hängen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Was mir noch Sorgen macht, ist, dass dieser Handelsvertrag auch dazu führen wird, dass das Zollabkommen gelockert wird. Wissen Sie, dass in Deutschland die Zollmitar-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 223

beiterinnen und -mitarbeiter in Bananenkisten Kokain gefunden haben? Wollen Sie das? Ich weiß nicht, wen ich anschauen soll. Wer will das? (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wer will das, dass Kokain so leicht nach Europa kommt? (Abg. Martin Graf: Keine Ahnung, wo­von Sie reden!) – Wir wollen es nicht.

Die Begründung dafür ist, dass diese Menschenrechtsverletzungen einfach nicht über­gangen werden können. (Zwischenruf des Abg. Herbert.) Ein Handelsabkommen soll beiden Seiten nutzen, dann ist es ein Handel. (Abg. Martin Graf: Was hat das mit ...?!) Wenn aber nur eine Seite einen Rebbach hat – in dem Fall wir –, ist das zu wenig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Was hat das mit Bananen zu tun?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

20.49


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


20.49.32

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Irgendwie tue ich mir relativ schwer, weil zum einen Herr Graf sozusagen nur auf die Sozialdemokraten hingehauen hat – es ging da offensicht­lich um Venezuela –, weil diese, Herr Unterrainer zumindest, sich nicht getraut haben, eine Stellungnahme dazu abzugeben. (Abg. Martin Graf: Steht auf der Tagesordnung! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie trauen sich gar nichts über Ceta oder über ein Handelsabkommen zu sagen, weil Sie immer gegen Freihandel waren. Sie haben sich also eher auf das konzentriert – war doch eher so. Ich glaube, die SPÖ hat ein bisschen zu viel „Narcos“ geschaut und Sie haben ein bisschen zu viel „Wall Street“ geschaut. Es ist so. (Beifall bei den NEOS.)

Ich bin ein glühender Verfechter des Handels. Als Wirtschaftsliberaler muss man das auch sein. Kollege Rossmann hat gesagt, die Menschenrechte seien so wichtig: Bei den Kanadiern waren Sie auch strikt dagegen. Haben die auch irgendwelche Men­schenrechte verletzt? (Abg. Rossmann: Sonderklagsrechte!) Haben die Amerikaner Menschenrechte verletzt? Und im Übrigen: Bei Venezuela sind die Menschenrechte egal, oder? (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist (Abg. Rossmann: Es gibt einen Fünfparteienan­trag!), ein klares Bekenntnis zu Freihandel abzugeben. (Abg. Yılmaz: Fünfparteienan­trag!) Von unserer Seite gibt es ein klares Bekenntnis dazu, wir unterstützen das, es soll dieses Freihandelsabkommen geben. Dieses Freihandelsabkommen ist nämlich wichtig, weil dort, wo die Wirtschaft durch Handel in die Höhe geht, wird die Demokra­tie stärker. Das ist einer der wichtigsten Punkte überhaupt. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


20.51.28

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Zu Beginn möchte ich trotzdem kurz festhalten, dass ich es mehr als be­fremdlich finde, dass der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses, wenn es hier im Nationalrat um die Vorlagen des Außenpolitischen Ausschusses geht, seit Stunden unentschuldigt fehlt. Das ist eine eklatante Missachtung des Parlaments von­seiten des sozialdemokratischen Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses – unentschuldigt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 224

Die Handelsübereinkommen mit Kolumbien, Peru und Ecuador und das Assoziation­sabkommen mit Zentralamerika halten wir für sehr, sehr wichtig und notwendig. Sie werden auch maßgeblich zur Stabilisierung der Region beitragen.

Damit bin ich auch schon beim großen Unsicherheitsfaktor in der Region, bei Vene­zuela. Ich nehme diesbezüglich betroffen zur Kenntnis, dass kein einziger Redner und keine einzige Rednerin der SPÖ es geschafft hat, auch nur ein einziges bedauerndes oder distanzierendes Wort über die Diktatur in diesem Land zu verlieren – das muss man ganz, ganz klar sagen. (Heiterkeit und Oh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Schieder be­tritt den Sitzungssaal und begibt sich – die Daumen an die Ohren legend – zu seinem Platz.) – Ich begrüße ganz herzlich den Herrn Vorsitzenden des Außenpolitischen Aus­schusses, der es mit erheblicher Verspätung offensichtlich doch noch an seinen Ar­beitsplatz geschafft hat.

Manchmal, wenn es um Venezuela geht, frage ich mich schon, was in so einem Macht­haber vorgeht – offensichtlich fragt man sich das bei der SPÖ nicht –; was in ihm vor­geht, wenn sein Volk hungert; was in ihm vorgeht, wenn er sogar Hilfstransporte, die seinem Volk die dringend benötigte Nahrung bringen würden, verhindert, wenn er das auch noch mit Waffengewalt, mit Militärgewalt verhindert; was in ihm vorgeht, wenn Oppositionelle im Kerker dahinvegetieren; was in ihm vorgeht, wenn Waffengewalt überhaupt die einzige und letzte Stütze seines Regimes ist. Da frage ich mich: Glaubt er selber an die Propaganda, die in seinem Namen verbreitet wird, oder ist es einfach pure Machtgier? (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Ich weiß es nicht und eigentlich will ich es gar nicht genau wissen. In Wahrheit geht es mir eigentlich nur darum, dass dieser Mensch so schnell wie möglich im Abgrund der Geschichte verschwindet und das Leiden ein Ende hat. Ich hoffe wirklich, dass dieser Zeitpunkt in Venezuela bald gegeben ist, damit es einen Neuanfang geben kann und dieses Land nach dieser jahrelangen schrecklichen sozialistischen Diktatur wieder de­mokratisch aufgebaut werden kann. (Abg. Schieder: Da werden sie auf dich warten!) Das ist etwas, was ich für Venezuela wirklich hoffe. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Eines hoffe ich aber auch: Ich hoffe, dass man bei der SPÖ und vor allem auch bei der Sozialistischen Jugend die Lehren aus dem Leid Venezuelas gezogen hat. Ich habe mir gestern Abend noch einmal die Videos aus dem schon angesprochenen Jahr 2006 angeschaut, als Machthaber Maduro mit seinem Vorgänger Hugo Chávez, der um nichts besser war, von der SPÖ-Prominenz in Wien wie ein Popstar gefeiert worden ist. Da braucht ihr gar nicht nervös zu werden, das kann man sich alles nach wie vor im Internet anschauen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Das Internet vergisst da gar nichts. Ich will auch gar nicht zynisch oder ironisch sein, denn das Thema ist viel zu ernst.

Ich glaube wirklich, dass die SPÖ den Fall Venezuela zum Anlass nehmen sollte, ihr Verhältnis zu und ihre Verehrung von solch scheinbar sozialistisch-revolutionären Gal­lionsfiguren gründlich zu überdenken. (Abg. Schieder: So ein Topfen! Ein schäbiger Abgeordneter! So einen Topfen redest du!) Ich spreche da auch gezielt den Schand­fleck auf der Donauinsel, das Che-Guevara-Denkmal, an. Ihr solltet euch wirklich ein­mal überlegen, ob ihr euch von solchen Massenmördern und Verbrechern nicht endlich einmal distanzieren solltet! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Alle diese sozialistischen Experimente sind gescheitert, sie sind grandios gescheitert und haben dabei noch Millionen von Menschenleben gekostet. Da darf man dann schon fragen – diese Frage müsst ihr euch auch gefallen lassen –: Hat man in der SPÖ daraus gelernt oder sind die Genossen lernresistent? Oder sind sie von der eige­nen Ideologie verblendet? – Ich hoffe nicht. Gezeigt habt ihr es heute leider auch nicht.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 225

Zum Abschluss zitiere ich noch einmal ganz kurz die Pressemeldung, die der damalige Chef der Sozialistischen Jugend ausgesandt hat, als Maduro und Chávez in Wien von den SPÖ-Granden zugejubelt worden ist – die Ironie der Geschichte ist, sie ist wirklich aktuell und passt zur heutigen Situation, und zwar nicht nur in Venezuela –: „Gewalt wurde und wird von denen produziert, die sich mit dem Verlust ihres Macht- und Profit­monopols nicht abfinden wollen.“ (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.57


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurt­scheller zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.57.36

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle mit Erstaunen fest, dass die SPÖ heute in recht beschwingter Stimmung ist. Frau Yılmaz hat schon eine sehr launige Rede gehalten, die mir sehr gut gefallen hat. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Ich finde aber, Kollege Schieder hat es vorhin beim Hereinkommen etwas übertrieben; er scheint schon ein bisschen drüber zu sein. (Abg. Yılmaz: Irgend­wie muss man es ja erträglicher machen! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zurück zur Sachlichkeit: Ich möchte gerne noch einmal auf das Handelsabkommen mit den Andenstaaten zurückkommen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ja, wir haben im Ausschuss von zwei Fachleuten gehört, dass man sich durchaus Sorgen um die Bewohner der Staaten Peru, Kolumbien und Ecuador machen muss. Wir haben aber auch Fachleute gehört, die durchaus betont haben, dass dieses Handelsabkommen auch seine Vorteile hat.

Ich frage mich halt: Wenn wir mit jenen Staaten auf dieser Welt, die Menschenrechte verletzen, keinen Handel mehr treiben, was bleibt uns dann noch übrig? Schauen wir nach Asien, schauen wir nach Afrika, schauen wir nach Südamerika: Es gibt da sehr, sehr viele Staaten, bei denen man dann den Handel infrage stellen könnte. Ich bin da eigentlich schon bei Kollegen Schellhorn, ich glaube auch, dass es besser ist, mit Staa­ten Handel zu treiben, Kontakte zu haben, um damit auch einen gewissen Einfluss ausüben zu können, als sich komplett herauszuhalten und solche Staaten zu ignorie­ren. Ich glaube nicht, dass uns das auch nur einen Schritt weiter bringt. Ich glaube auch nicht, dass es einen einzigen Menschen in so einem Staat gibt, dem es besser geht, wenn wir mit diesem Staat keinen Handel treiben. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Wir werden daher natürlich zustimmen.

Ich bitte auch zu bedenken, dass es sehr viele andere Staaten gibt, die mit diesen An­denstaaten Handel treiben, und zwar nicht nur die USA und Staaten der EU – 26 ha­ben dieses Abkommen bereits ratifiziert –, sondern zum Beispiel auch die Schweiz, Norwegen und Island. Wir reihen uns da also ein in die Reihe all dieser Staaten in Eu­ropa, neben den USA. Ich glaube nicht, dass wir damit etwas tun, das wir nicht verant­worten können, möchte aber natürlich meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass jene Möglichkeiten, die im Nachhaltigkeitskapitel festgehalten worden sind, auch ausgenützt werden, um die Situation vor Ort zu verbessern, und ich hoffe, dass das nicht nur wir so sehen, sondern auch alle anderen Staaten, die mit den Andenstaaten Handel trei­ben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.00

21.00.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 226

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Außenpoliti­schen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Handelsübereinkommen zwi­schen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits, in 441 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungs­gesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Außen­politischen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Beitrittsprotokoll zum Handelsübereinkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors, in 436 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmi­gung zu erteilen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentral­amerika andererseits, in 504 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfas­sungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9, die dem Aus­schussbericht 525 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „die aktuelle politische Situation in Venezuela“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig so angenommen. (E 62)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lo­patka, Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle politische Situation in Venezuela“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 63)

21.03.1410. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (330 d.B.): Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Uni­on und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits (521 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (283 d.B.): Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits (522 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter David Lasar. – Bitte, Herr Abgeord­neter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 227

21.04.08

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zum Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und Kanada andererseits sagen! (Präsidentin Kitzmüller über­nimmt den Vorsitz.)

Grundsätzlich ist es immer gut, wenn Länder eine gute Gesprächsbasis haben – ich glaube, das ist nicht nur für diese Länder wichtig, sondern auch für viele andere. Es gibt schon einige Abkommen mit Kanada, zum Beispiel das Rahmenabkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit aus dem Jahr 1976, die Erklä­rung zu den transatlantischen Beziehungen aus dem Jahr 1990, die Gemeinsame Poli­tische Erklärung EU-Kanada samt Gemeinsamem Aktionsplan aus dem Jahr 1996, die Partnerschaftsagenda EU-Kanada aus dem Jahr 2004 und das Abkommen über die Schaffung eines Rahmens für die Beteiligung Kanadas an Krisenbewältigungsopera­tionen der EU aus dem Jahre 2005.

Kanada und die EU verbindet eine enge Wertegemeinschaft hinsichtlich demokrati­scher Prinzipien und einer regelbasierten multilateralen Ordnung. Eine Zusammenar­beit mit Kanada ist auch in Zeiten wie diesen, in denen die globale Ordnung immer wieder von vielen Seiten hinterfragt wird, sehr wichtig. Der politische Dialog zwischen der EU und Kanada, der seit 2004 besteht, soll mit diesem strategischen Partner­schaftsabkommen vertieft und erweitert werden.

Wir – und damit meine ich auch Österreich – haben schon aus Tradition ausgezeich­nete Beziehungen mit Kanada. Dieses strategische Partnerschaftsabkommen soll zu einem regelmäßigen Dialog auf allen Ebenen führen. Es ist auch geplant, alle zwei bis drei Jahre Gipfeltreffen abzuhalten – voraussichtlich noch im April 2019 eines in Mont­real.

Ich kann daher abschließend nur sagen, dass auch die Ratifizierung dieses Abkom­mens, das an und für sich keine Kosten verursacht und nur Vorteile bringt, auch in un­serem Sinne ist. – Ich danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte schön.


21.06.45

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Außenministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wir leben in doch sehr bewegten Zeiten, sowohl auf europäischer Ebene, wo das Brexitdrama noch immer nicht gelöst ist, als auch wenn man die außenpolitische Situation betrachtet, wo große Mächte derzeit darunter leiden, dass sie entweder von doch schwer berechen­baren Hitzköpfen oder von sehr despotischen Führerpersönlichkeiten geleitet werden. Ich denke, vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass die Europäische Union ihre globale Verantwortung wahrnimmt und ihre Rolle, soweit das möglich ist, verstärkt.

Fakt ist, die Europäische Union ist der stärkste Wirtschaftsraum unserer Erde. Fakt ist auch, dass uns zentrale Eigenschaften auszeichnen, die nicht unbedingt bei allen welt­weit agierenden großen Mächten so vorhanden sind: das Fundament unserer Frie­densordnung, unserer demokratischen Ordnung in der Europäischen Union, das Be­kenntnis zum Multilateralismus und – was sozusagen die Soft Power der Europäischen Union im Vergleich zu den stark bewaffneten Mächten auf der Welt ausmacht – unsere Dialog- und Vermittlungsfunktion, die wir ausüben können. Deshalb bin ich und sind wir auch der Auffassung, dass es selbstverständlich gut ist, sowohl mit Kanada als auch mit Japan eine enge Partnerschaft einzugehen; insbesondere diese traditionelle trans-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 228

atlantische Partnerschaft, die Europa immer geprägt hat, war ja für beide Seiten von großem Vorteil.

Herr Kollege Schellhorn, Sie haben diese Handelsabkommen angesprochen: Es muss nicht immer sein, dass man Abkommen mit Investor-State Dispute Settlement Clauses braucht, es gibt auch andere Formen von Partnerschaften, die für beide Seiten sehr befriedigend sind; deshalb befürworten wir, die österreichische Sozialdemokratie, diese Partnerschaften, weil Fragen auftreten, die wir gemeinsam besser lösen können.

Wir möchten nur einen Antrag stellen, der sich mit einem speziellen Problem befasst. Wir sind der Auffassung, dass Japan seine Möglichkeiten des Walfangs überdimensio­niert nutzt, dass da gewisse Dinge vorkommen, die nicht vorkommen sollen; wir wür­den daher einen Antrag stellen, der im Wesentlichen besagt, dass der Außenpolitische Ausschuss versuchen soll, da gewisse Dinge klarzustellen.

Der Entschließungsantrag zum Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage in 283 der Beilagen, Abkommen über eine strategische Partner­schaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Ja­pan andererseits, lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der biologischen Vielfalt der Meere und gegen die kommerzielle Bejagung von Walar­ten durch Japan“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzuset­zen, dass Japan von Seiten der EU vor Inkrafttreten des Abkommens über eine stra­tegische Partnerschaft mit Nachdruck aufgefordert wird, wieder der Internationalen Konvention zur Regelung des Walfangs beizutreten und das Jagen von Walen zu kom­merziellen Zwecken zu unterlassen.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, bei gutem Willen müsste es auch für die Regierungsparteien möglich sein, so einem Antrag zuzustimmen, denn es will ja keiner von Ihnen als Förderer des kommerziellen Walfangs in Japan dastehen. – Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Petra Bayr, MA MLS,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (283 d.B.): Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Japan andererseits, 522 d.B.

betreffend Erhalt der biologischen Vielfalt der Meere und gegen die kommerzielle Bejagung von Walarten durch Japan

Das Abkommen für eine Strategische Partnerschaft der EU mit Japan enthält in seinem Artikel 28, „Fischereien“, ein Bekenntnis zur Förderung des Dialoges und intensiveren


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 229

Zusammenarbeit in der Fischereipolitik „mit dem Vorsorge- und dem Ökosystemansatz mit dem Ziel, die langfristige Erhaltung, die effiziente Bewirtschaftung und die nach­haltige Nutzung der Fischereiressourcen nach bestem wissenschaftlichem Kenntnis­stand zu fördern“. In Artikel 23, „Umwelt“ bekennen sich die Vertragsparteien zur Inten­sivierung der Zusammenarbeit unter anderem im Bereich (1) b) „biologische Vielfalt“.

Das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs, ein internationaler völkerrechtlicher Vertrag, den bisher 75 Nationen unterzeichneten, wurde 1946 zum Schutz der Wale geschlossen. Das Ziel der Konvention ist „die angemessene und wirk­same Erhaltung und Erschließung der Walbestände“. Eine Gefährdung von Walarten durch eine übermäßige Bejagung durch den internationalen Walfang soll durch das Übereinkommen vermieden werden. Als Hauptinstrument wurde die Internationale Wal­fangkommission (engl. International Whaling Commission, IWC) bestimmt, durch die regelmäßig die sich ändernden wirtschaftlichen, ökologischen und kommerziellen Inter­essen reflektiert und entsprechende Änderungen der Konvention erarbeitet werden. 1986 wurde der kommerzielle Walfang durch ein Moratorium international verboten, zu wissenschaftlichen Zwecken im Rahmen von Sondergenehmigungen erlaubt, wovon Japan schon bisher Gebrauch machte.

Mit Ende des vergangenen Jahres gab Japan den Austritt aus der Internationalen Kon­vention bekannt, womit eine Bejagung von Walen zu kommerziellen Zwecken für Ja­pan ab Juli 2019 wiederum möglich ist. Eine Gefährdung von Walarten, durch eine über­mäßige Bejagung wird befürchtet.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzuset­zen, dass Japan von Seiten der EU vor Inkrafttreten des Abkommens über eine strate­gische Partnerschaft mit Nachdruck aufgefordert wird, wieder der Internationalen Kon­vention zur Regelung des Walfangs beizutreten und das Jagen von Walen zu kommer­ziellen Zwecken zu unterlassen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte schön, Frau Ab­geordnete.


21.10.39

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich könnte jetzt auch noch über dieses Abkommen reden, und ich könnte Ihnen einen Vortrag über Freihandel, über die Basis unseres Wohlstandes, über das strategische Schaffen von Beziehungen im Ausland halten. Ich könnte aber auch über 150 Jahre Beziehun­gen zwischen Österreich und Japan reden, über Hunderte Japanerinnen und Japaner, die jedes Jahr hier bei uns studieren, Musik studieren. Ich könnte über Beziehungen zwischen Völkern, über Kulturen, über das Vertrauen, das dann auch die Vertrautheit schafft, sprechen. Ich könnte über steigende Exportquoten, über österreichische Top­unternehmen – Infineon –, zusätzliche Formel-1-Kooperationen – zum Beispiel Red Bull gemeinsam mit Honda –, über die Erfolge, die wir feiern, reden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 230

Ich könnte über all das reden, über den Fokus auf Bildung in diesen Ländern, über den unbändigen Willen der Menschen, die dort leben – vor allem in Japan leben –, erfolg­reich zu sein, und was wir daraus lernen können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hei­nisch-Hosek und Schieder.)

Ich werde das jetzt aber nicht tun. Ich habe sogar eine Vielzahl an Zahlen geliefert be­kommen, aber auch die werde ich Ihnen heute vorenthalten, denn ich habe eine Mei­nung: Es gab ein Einvernehmen in der Sache, für strategische Partnerschaften, und ich halte ein Vergeuden von Lebenszeit fast für eine Sünde. In den vergangenen 37 Stun­den haben wir – die meisten von Ihnen – 28 Stunden hier gemeinsam verbracht, daher mache ich jetzt ein kleines Zeitgeschenk an Sie: Ich verzichte auf meine verbleibenden Redeminuten. (Abg. Schieder: Meinen Sie den Sobotka? – Abg. Leichtfried: Was ist mit dem Walfang?)

Zur Inspiration gebe ich Ihnen auch noch ein kleines Geschenk mit, ein Literaturge­schenk eines japanischen Schriftstellers namens Haruki Murakami: „Die Zukunft ist für uns alle ein unbekanntes Terrain, von dem es keine Landkarte gibt. Was uns hinter der nächsten Ecke erwartet, wissen wir erst, wenn wir abgebogen sind.“

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend, auch Ihnen, Herr Schieder, der Sie per­manent hereinrufen müssen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.12

21.12.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Außenpoliti­schen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen über eine strate­gische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten ei­nerseits und Kanada andererseits, in 330 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bun­des-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig an­genommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Außenpoliti­schen Ausschusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen über eine strate­gische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten ei­nerseits und Japan andererseits, in 283 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bun­des-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Wer hierfür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig an­genommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der biologischen Vielfalt der Meere und gegen die kommerzielle Bejagung von Walarten durch Japan“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

21.14.2212. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (475 d.B.): Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 231

und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Singapur andererseits (523 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Troch. – Bitte schön.


21.15.00

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Abkommen zu Handel und Investitionen zwischen der Europäischen Union und Singapur: Die SPÖ steht grundsätzlich zu internationaler Zusammenarbeit, allerdings bei fairem Wettbewerb. Singapur ist kein demokratisches Land, es ist autoritär regiert, es ist eigentlich eine Diktatur. Singapur gilt international als Steueroase. Die Wahrheit ist: Singapur ist eine berüchtigte Steueroase.

Steueroasen richten großen Schaden an. Steueroasen richten dort großen Schaden an, wo andererseits ein faires Steuersystem herrscht. Das sind zum Beispiel die Län­der der Europäischen Union: Da finanziert ein faires Steuersystem das Schulsystem, Kindergärten, das Gesundheitssystem, die Spitäler und so weiter bis hin zu den so­zialen Leistungen.

Schauen wir uns einmal den Schattenfinanzindex an! Da lohnt ein Blick. Das ist ein internationaler Index, der sich höchst problematische Steueroasen etwas genauer an­schaut. Erstellt wird dieser Schattenfinanzindex vom Tax Justice Network. Das ist eine internationale Organisation, sehr anerkannt, mit Sitz im United Kingdom, die als Kämp­fer gegen diese internationalen Steueroasen gilt. Sie zeigt nämlich auf, wie angehäufte Profite illegal finanztechnisch verschoben werden.

In diesem Index liegen ganz oben natürlich Guernsey, Panama, die Britischen Jung­ferninseln, Bahrein, Jersey und die Bahamas, aber noch vor diesen Ländern liegt Sin­gapur – an der fünften Stelle, also im Topranking von Geldwäsche und dem Verschie­ben illegaler Finanzflüsse.

Wie funktioniert das? – Der Index kritisiert die fehlenden Mechanismen zur Finanzkon­trolle. Singapur gibt wenig Information an die Finanzbehörden anderer Länder weiter.

Da komme ich zur Kritik der SPÖ an dem Abkommen: Die Zusammenarbeit im Steu­erbereich ist minimal, sie ist auch nicht Teil des Abkommens; es wird nur eine Zu­satzerklärung gegeben. Das ist uns viel zu schwach. Es gibt keine Sanktionsmecha­nismen. Die SPÖ fordert hingegen klare Spielregeln gegen diese Steueroasen. Im Eu­ropäischen Parlament wurde das auch massiv kritisiert, auch fehlende soziale Stan­dards und Umweltstandards, konkret: keine Einhaltung der Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation. Singapur ist ein Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern, 40 Pro­zent Arbeitsmigranten. Die Arbeitsmigranten sind im Wesentlichen Menschen zweiter Klasse. Den Abgeordneten von ÖVP und FPÖ kann ich nur sagen: Schauen Sie da nicht weg!

Wer nicht wegschaut, ist Amnesty International. Amnesty International kritisiert massiv fehlende Menschenrechtsbestimmungen und die Situation bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte in Singapur. Konzerne profitieren natürlich von diesen Verhältnis­sen – Sozialstandards und Menschenrechte kommen zu kurz, Umweltstandards kom­men zu kurz.

Die SPÖ kann dieser Schieflage im Abkommen natürlich nicht zustimmen, Sozialdum­ping kommt für uns weder in Österreich noch international infrage. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.19



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 232

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lasar. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.19.07

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Singapur, meine Damen und Herren, gehört zu den engsten Partnern der EU in Asien und stellt sozusagen auch für Europa das Tor nach Südostasien dar. Singapur ist auch für europäische Unternehmen sehr wichtig, beispielsweise auch als Drehscheibe für den ganzen Pazifikraum, aber auch als Inves­titionsstandort in Asien ist Singapur sehr bedeutend.

Beim gegenständlichen Abkommen handelt es sich um das erste bilaterale Abkommen zwischen der EU und Singapur. Dieses Abkommen soll eine Grundlage bilden und auch eine Anhebung der Beziehungen auf eine höhere Ebene ermöglichen. Außerdem bietet das gegenständliche Abkommen die Möglichkeit einer umfassenden Kooperation zwischen der EU sowie deren Mitgliedstaaten und Singapur, da es sämtliche Bereiche der multilateralen Zusammenarbeit abdeckt.

Mit diesem Abkommen soll eine intensivere, engere Zusammenarbeit hinsichtlich der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen auch auf dem Gebiet der Terrorismus­bekämpfung ermöglicht werden. Auch soll die Zusammenarbeit relevanter Institutionen verstärkt werden. Dies bringt natürlich für alle Partner Vorteile, wenn man zum Beispiel an die Terrorismusbekämpfung, die Migration und an die Bereiche Wissenschaft und Technologie denkt. Ein wesentlicher Punkt ist auch der Ausbau der Handels- und In­vestitionsbeziehungen. Dieses für alle Partner so sinnvolle Abkommen kann man an und für sich nur begrüßen, und ich denke, es wird auch von der Opposition gutgehei­ßen und in diesem Sinne mitbeschlossen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.21.20

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Entwicklung Singapurs ist eine wahre Erfolgsgeschichte, und deswegen widmen wir uns auch dem Thema eines Ab­kommens mit diesem Stadtstaat. Singapur war vor 40 Jahren noch ein Entwicklungs­staat: ein Entwicklungsstaat, der über keine Rohstoffe verfügte; ein Entwicklungsstaat, der über keine nennenswerten Anbauflächen verfügte. Heute ist Singapur in vielen Be­reichen ein Ort der Superlative, würde ich fast sagen. Es hat heute den zweitgrößten Hafen der Welt. Es ist die viertgrößte Finanzdrehscheibe der Welt. Es belegt den sie­benten Platz im Korruptionsindex – und beachten Sie, meine Damen und Herren, damit liegt es sogar noch vor Österreich! Es belegt Platz zwei im globalen internationalen Wettbewerb. Es gehört zu einem Standort mit den größten Forschungseinrichtungen im Bereich Gesundheit, Medizin und Biotechnologie. Singapur verfügt über ein höheres Durchschnittseinkommen als Österreich und auch über ein höheres Durchschnittsein­kommen als die EU. Singapur hat den ersten Platz bei Pisa.

Das alles sind Punkte, meine Damen und Herren, die zeigen, dass es sich lohnt, dass man sich mit diesem Stadtstaat auseinandersetzt und sich auch vonseiten der EU und vonseiten Österreichs darum kümmert, dort, wo man den Warenverkehr und die Zu­sammenarbeit regelt, einen Platz zu haben. Daher ist dieses Abkommen ein wichtiges, weil es nicht nur um Handelsabkommen geht, nicht nur darum, wie die Wirtschaftsbe­ziehungen laufen, sondern weil es viel, viel breiter angelegt ist. Es ist uns wichtig, den 10 000 Unternehmungen aus Europa, die dort bereits eine Niederlassung haben, auch


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 233

einen geordneten Rahmen zu geben und auf der anderen Seite Singapur an unsere Standards heranzuführen.

Daher geht es auch um eine Smart Green City, darum, dass sich Singapur um einen fortschrittlichen autonomen öffentlichen Verkehr kümmert. Es geht darum, dass man von der Vorreiterrolle in der Blockchaintechnologie und im Bereich der Entwicklung der künstlichen Intelligenz, die Singapur eingenommen hat, profitiert.

Meine Damen und Herren, Singapur ist wahrscheinlich für Europa auch deswegen wichtig, weil wir als Europa schauen müssen – seitdem im Bereich der transatlanti­schen Zusammenarbeit Trump die Zügel übernommen hat –, dass wir unsere Wirt­schaftskooperationen und unsere Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Welt stär­ken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wichtig ist mir auch, dass wir die Standards, die wir in Europa haben, weltweit expor­tieren, sodass auch der Rest der Welt diese Standards im Grunde übernimmt. Dazu dient dieses Abkommen, weil es festschreibt, wie ein Rechtsstaat funktioniert. Es schreibt die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit fest und wie wir den Terrorismus gemeinsam bekämpfen können. Es ist wichtig, weil es auch festschreibt, wie wir Energiegewinnung im Zeitalter der Klimaveränderung und auch der Klimabe­drohung effizient machen können. Es ist wichtig, meine Damen und Herren, weil es im Besonderen festschreibt, wie man sich den Menschenrechten annähert, und weil es auch einen Export unserer Standards der Menschenrechtskonvention dorthin darstellt.

Daher, Herr Kollege Troch, hätte ich mir eigentlich erwartet, dass die SPÖ, der es im­mer ein Anliegen ist, die Werte der Menschenrechte zu exportieren (Zwischenruf des Abg. Schieder), dem Abkommen auch zustimmt. (Beifall bei der ÖVP.) Es geht ja wirk­lich darum, unsere Werte weltweit sicherstellen zu können. Meine Damen und Herren, ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die SPÖ beweist, dass sie auch in der Au­ßenpolitik ihre Regierungsfähigkeit verloren hat. Das ist sehr schade, aber wir lassen uns deswegen nicht beirren. Wir machen weiter, meine Damen und Herren, für Öster­reich und für Europa in dieser Welt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.26

21.26.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 475 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

21.26.4413. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 626/A(E) der Abge­ordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Ende des INF-Vertrags verhindern (526 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 13. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 234

21.27.16

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine Damen und Herren! In diesem Entschließungsantrag fordern wir die Bundesregierung, insbesondere die Frau Außenministerin, auf, rasch Initiativen zu setzen, um den INF-Vertrag zu erhalten und ein neuerliches nukleares Wettrüsten auf Kosten von Frieden und Sicherheit in Europa zu verhindern. Die SPÖ hat diesen Ent­schließungsantrag, dem wir beigetreten sind, im Außenpolitischen Ausschuss initiiert.

In diesem INF-Vertrag, der in den Achtzigerjahren – ich entnehme das aus Ihrer Be­gründung – zwischen der damaligen Sowjetunion und den USA abgeschlossen worden ist, geht es im Wesentlichen um den Abbau aller landgestützten Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5 500 Kilometern und um das Verbot der Wiedereinfüh­rung dieser Waffen.

Nunmehr hat die USA den Rückzug aus diesem Abkommen angekündigt, was wir als Europäische Union und als Republik Österreich zu Recht als eine Bedrohung erken­nen. Ich glaube, dass dieser Antrag deshalb so bedeutend ist, weil wir alles daranset­zen müssen, dass es nicht zu einem neuen kalten Krieg kommt, der auch mit einer weltweiten nuklearen Bedrohung einhergehen könnte. – Ich danke Ihnen sehr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schie­der. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.28.55

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Bösch, hat schon rich­tigerweise darauf hingewiesen – und ich kann mich dem anschließen –: Europa und auch Österreich haben über Jahrzehnte beobachtet, wie der Kalte Krieg nicht nur Angst, sondern auch einen Entwicklungsstillstand verursacht hat. In den Achtzigerjah­ren gab es eine große Phase der Abrüstungsabkommen, wie es sie auch davor schon vereinzelt gegeben hat. 1971 ist eine Begrenzung der Raketenaufrüstung beschlossen worden, und in den Achtzigerjahren sind dann weitere wesentliche Abkommen dazuge­kommen.

Bedauerlicherweise beobachten wir seit der Jahrtausendwende eine Rückwärtsent­wicklung. 2002 haben sich die USA aus dem Vertrag zur Begrenzung der Raketenab­wehrsysteme zurückgezogen, 2018 sind die USA aus dem international ohnehin schon langwierig verhandelten Atomdeal mit dem Iran ausgestiegen, und nunmehr steigen sie auch aus dem INF-Abrüstungsvertrag aus.

Das ist schlecht, denn ich hätte gerne eine Welt, in der Multilateralismus und interna­tionale Abkommen eine Rolle spielen und das Völkerrecht und nicht das Recht des Stärkeren im Zentrum steht. Das ist die Entwicklung, die von den USA, aber genauso auch von Russland und anderen Staaten ausgeht. Daher müssen wir uns, Frau Minis­terin, gerade als neutrales Land und als Land, in welcher die UNO einen Sitz hat, so­wie als Mitgliedstaat der Europäischen Union international und auch mithilfe der Euro­päischen Union für Abrüstung einsetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lopatka.)

Bedenken wir: Jährlich werden 1,6 Billionen Euro für Aufrüstung ausgegeben, das sind 1 600 Milliarden Euro für Aufrüstung – und Waffen, die gekauft werden, werden auch eingesetzt. Deswegen sieht es auf der Welt so schlecht aus, wie es von vielen Orten bekannt ist.

Daher bedanke ich mich für die Diskussion im Außenpolitischen Ausschuss zu diesem Thema und dafür, dass wir heute hier dazu diskutieren können.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 235

Abschließend wollte ich mich noch an Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli wenden, die sich über meine Anzüge Gedanken macht. Zuerst möchte ich mich bedanken, dass Sie sich als Modekundige so intensiv damit auseinandersetzen. Ich kann Sie aber beru­higen: Es ist nicht slim fit, es ist normale Konfektionsgröße 50. Ich hätte mir eigentlich erwartet, dass Ihr geübtes bürgerliches Auge das auch entdeckt. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

21.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesmi­nister. – Bitte schön.


21.31.39

Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl: Ich wollte ganz kurz zur Abrüstungsrolle Österreichs insofern Stellung nehmen, als ich die Ehre hatte, heute vor genau einer Woche in Nagasaki mit dem Bürgermeister von Na­gasaki ein sehr langes Gespräch zu führen.

Es ist sehr bewegend, zu sehen, mit welchem Interesse die Rolle österreichischer Di­plomaten, Verhandler, die zwischen 2006 und 2010 sehr, sehr intensiv an der UN-Kon­vention zum Verbot sämtlicher Nuklearwaffen mitgearbeitet haben, in Nagasaki wahr­genommen wird. Österreich hat sich an diesem Ground Zero von 1945 einen Namen gemacht. Wenn diese UNO-Konvention, die wir ja glücklicherweise vor rund einem halben Jahr in diesem Hohen Hause sehr früh ratifiziert haben, auf japanischer Seite entsprechend gewürdigt wird, werden wir, angetrieben durch diese Begegnung, jeden­falls versuchen, den INF-Vertrag zu bewahren, so weit es geht. Wir haben noch bis Anfang August Zeit, aber, wie Sie richtig gesagt haben, Herr Abgeordneter Schieder, der Multilateralismus steht an der Kippe. – Sie haben die Beispiele genannt. Genau das aber haben wir uns in Fortschreibung des EU-Vorsitzes weiterhin auf unsere Fah­nen geheftet. Wir werden daran arbeiten und die Zeit bis Anfang August dafür nützen, wo es geht. – Danke sehr. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

21.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Bitte schön, Herr Abgeordneter Lopatka, Sie ge­langen als Nächster zu Wort.


21.33.23

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir hier in Österreich so einvernehmlich und so eindeutig positioniert sind, denn die momentane Entwicklung ist das Gegenteil von dem, was wir wollen. Das haben meine Vorredner auch schon ange­sprochen: Wir setzen uns für nukleare Abrüstung ein. – In Wirklichkeit passiert aber das Gegenteil.

Dieses Zeitfenster Ende der Achtzigerjahre: Als US-Präsident Ronald Reagan und der damalige Generalsekretär der KPdSU in der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, diesen Vertrag abgeschlossen haben, haben sie das gemacht, was Abgeordneter Schieder bezweifelt hat, als er meinte: Wenn Waffen einmal geschaffen sind, dann werden sie eingesetzt. – Dieser Vertrag hat wirklich das Gegenteil gezeigt. Es sind damals 856 ato­mare Raketen der Typen Pershing I und Pershing II und auf russischer Seite sogar 1 846 Raketen des Typs SS-20 verschrottet worden. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Vertrag war für Europa ganz wichtig, weil die atomare Bedrohung immer als Ins­trument eingesetzt worden ist. Es war damals der SPD-Bundeskanzler in Deutschland, Helmut Schmidt, dem es gelungen ist, diese Spirale zu durchbrechen. Europa hat sich lange vielleicht in einer falschen Sicherheit gewogen. Es waren die USA, die – wahr­scheinlich zurecht, weil Russland sehr, sehr oft diesen Vertrag verletzt hat – im Feb-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 236

ruar gesagt haben: Wir steigen aus. Endgültig wird es im August vorbei sein. Es gibt keinen Schritt zurück.

Die Welt – und damit möchte ich schon abschließen – hat sich aber auch in diesem Bereich rasant weiterentwickelt. Es ist zu wenig, einen bilateralen Vertrag zwischen Russland und den USA zu haben, denn still und leise haben von diesem Vertrag nicht erfasst zum Beispiel China, Indien, Pakistan – und denken wir auch an Nordkorea, an den Iran! – atomar enorm aufgerüstet. In Zukunft, glaube ich, geht es um einen multila­teralen Vertrag und um eine Neuregelung der Kontrolle.

Das ist die entscheidende Frage: Wie schaffen wir eine Kontrolle, die diesen Namen verdient, und wie kommen wir aus der Spirale raus, in der man sich gegenseitig vor­wirft, dass der Vertrag nicht eingehalten werde, denn auch von russischer Seite kommt der Vorwurf an die USA, dass in Rumänien Raketen, die diesen Vertrag verletzen, sta­tioniert worden sind?

Zusammenfassend: Österreich wird sich weiter abmühen müssen, man muss aber ein großer Optimist sein, wenn man sagt, dass wir hier viel bewegen. Umso wichtiger ist es, dass wenigstens wir hier einstimmig und einhellig vorgehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.36

21.36.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

So kommen wir jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 526 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „das Ende des INF-Vertrags verhin­dern“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür einsetzen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig, angenommen. (E 64)

21.37.0614. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förde­rungsgesetz 2012 geändert werden (548 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 19/A der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(ver­fassungs)gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz über Förderungen des Bundes für politische Parteien (Parteien-Förderungsgesetz 2012 – PartFörG) geändert wird (549 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Drozda. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 237

21.37.55

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon spät, aber heute habe ich mir wirklich Mühe gegeben und ein kleines Dramolett vorbereitet – kein großes Drama, aber ein kleines Dramolett. Es ist die Geschichte einer wundersamen Geldvermehrung durch die ÖVP in drei Akten, die am Schluss viele Fragen offenlässt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Akt eins: Die ÖVP gibt im Wahlkampf 13 Millionen Euro und damit um 6 Millionen Euro mehr aus, als es die gesetzliche Obergrenze erlaubt; die FPÖ gibt um 4 Millionen Euro mehr aus.

Grundsätzlich – und das wissen wir – sind Wahlkampfkostenobergrenzen dazu da, fai­re Wahlen und gleiche Voraussetzungen für alle Parteien sicherzustellen; nicht so bei der ÖVP: 7 Millionen Euro Parteienförderung, 2 Millionen Euro an Spenden, ergeben in Summe 9 Millionen Euro, der Wahlkampf hat aber 13 Millionen Euro gekostet. Span­nend bleibt, was der Rechnungshof bei seiner Überprüfung über den Verbleib der feh­lenden 4 Millionen Euro herausfindet.

Hauptprotagonistin in Akt eins ist im Übrigen die jetzige Bundesministerin und ehe­malige Wahlkampfleiterin Elisabeth Köstinger. Zwei Wochen vor der Wahl sagte sie: Wir haben klar gesagt, dass wir planen, die Wahlkampfkostenobergrenze einzuhalten, die bei uns und im Gesetz bei 7 Millionen Euro liegt, und wir sind sehr gut im Plan. – Dies war zwei Wochen vor der Wahl.

Am Ende von Akt eins gibt es daher nur zwei mögliche Interpretationen: Entweder sie wusste nicht, was sie sagt, oder sie hat bewusst die Unwahrheit gesagt.

Akt zwei wird deutlich spannender, weil die Protagonisten von Akt zwei der Bundes­kanzler und der FPÖ-Wahlkampfleiter Vilimsky sind. Ihre Bühne ist jeweils die „Kronen Zeitung“ vom Sonntag.

„Ich schlage [...] allen Parlamentsparteien vor, auch dieses Jahr auf eine Anhebung der Parteienförderung von über sieben Prozent zu verzichten und einen gemeinsamen Be­schluss zur Aussetzung der Indexierung zu fassen“, so der Bundeskanzler im Jän­ner 2019.

Vier Tage später, gleiche Bühne: Generalsekretär Vilimsky tut es dem Kanzler gleich, meldet sich ebenfalls in der „Kronen Zeitung“ zu Wort und sagt, Parteispenden müssen unbedingt mit 3 500 Euro begrenzt werden.

Kurz vor Ende von Akt zwei kündigen beide Hauptdarsteller an, die Opposition zu Ge­sprächen einzuladen. Sie ahnen es meine Damen und Herren, Akt zwei endet traurig, die Opposition wartet immer noch auf den Beginn der Gespräche.

Akt drei: Ende Februar wird ein Papier präsentiert, wie so oft eine Punktation. Dieses enthält das Gegenteil dessen, was in Akt zwei versprochen wurde, also weder die Spendenobergrenze von 3 500 Euro, die Vilimsky versprochen hat, noch ein Ausset­zen der Valorisierung. (Abg. Hafenecker: Herr Kollege! Da fehlt das Bühnenbild!) Im Übrigen kostet diese Lösung – Professor Taschner kennt sich bei geometrischen Rei­hen sicher aus – deutlich mehr als die Lösung, die es davor gab, weil natürlich die jähr­liche Valorisierung nach vier Jahren schon teurer ist als eine Valorisierung, die erst ab einem gewissen Prozentsatz greift.

Was haben wir demgegenüber vorgeschlagen? – Eine wirksame Begrenzung der Ein­zelspenden, eine Transparenz bei allen Spenden und wirksame Sanktionen bei Über­schreitung der Wahlkampfkostenobergrenzen, um eine Amerikanisierung der Verhält­nisse in Österreich zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pilz.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 238

All das wurde natürlich noch rechtzeitig vor dem Ende von Akt zwei eingebracht, damit es vor den EU-Wahlen gültig wäre. (Abg. Schimanek: Können wir ein Bühnenbild ha­ben?) Auf dieser Basis hätten wir natürlich jederzeit gerne verhandelt, die Regierung hat es nicht wirklich interessiert. Sie erzählt lieber die Geschichte vom Sparen im Sys­tem. Das ist eine Geschichte, die wir gut kennen, weil das auch die Geschichte der Ge­neralsekretäre ist, die 250 000 Euro monatlich kosten, und das andere ist die 44-Mil­lionen-Euro-Geschichte der Regierungs-PR. – Wir werden bei diesem Thema daher heute mit Sicherheit nicht zustimmen.

Wenn Sie von einer Valorisierung sprechen wollen, dann sollten Sie von einer Valori­sierung des Pflegegelds sprechen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Die Wahrheit ist: Sie sparen bei den Menschen und blähen das System auf und fetten Ihre Parteikassen auf.

Damit es am Ende aber noch versöhnlich wird, schließe ich nicht mit den Worten meines eigenen Dramoletts, sondern schließe mit Brecht aus „Der gute Mensch von Sezuan“: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

So ist das heute. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Aber das Geld werden Sie nehmen, oder? – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

21.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.43.17

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mir ist das Thema Demokratie zu ernst, als dass wir da solch ein dramaturgi­sches Schauspiel sehen müssen (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja ein Drama! – Zwi­schenruf des Abg. Kucher), von einem Schauspieler, der 2012 noch voll dabei war, als es um die Valorisierung der Parteienförderung gegangen ist, Herr Kollege Drozda. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Es war Bundeskanzler Faymann, der diese Valorisierung vor fünf Jahren hier eingeführt hat (Ruf bei der ÖVP: Ah so?! – Oh-Rufe bei der FPÖ) und nach dessen Regelung wir heute 7,8 Prozent mehr Parteienförderung bekommen hätten. (Zwischenruf des Abg. Drozda.) Herr Kollege Drozda, vielleicht stimmen Sie deswegen heute nicht zu, weil Sie nicht 7,8 Prozent bekommen, sondern nur 2 Pro­zent. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es ist sehr, sehr schnell entlarvt (Zwischenruf des Abg. Schieder), denn was wir heute hier beschließen, ist eine massive Reduktion der Parteienförderung. Wir reduzieren die Parteienförderung alleine im heurigen Jahr um 2,5 Millionen Euro im Vergleich zu dem, was uns nach der Regelung von Kollegen Fay­mann gesetzlich zustehen würde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Drozda und Krainer.) Daher würde wahrscheinlich jemand, der sich der Ge­schichte verbunden fühlt, sagen: So etwas kann nur ein Pharisäer machen, dass er heute gegen etwas stimmt, sich gleichzeitig das einsteckt, was er dann bekommt, wo­bei er sich vorher noch mehr zuschanzen wollte. Das ist wahres Pharisäertum! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, das Wort „Pharisäertum“ zurückzunehmen.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (fortsetzend): Ja, ich erinnere mich, dass wir ausgemacht haben, dass wir dieses Wort nicht verwenden, aber es zeigt die unehrliche Haltung der SPÖ. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schellhorn: Hat er


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 239

es jetzt zurückgenommen? – Abg. Wittmann: Frau Präsidentin, er hat es nicht zurück­genommen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege, wenn Sie schon so darauf bedacht sind, dass wir genügend oder nicht genügend oder weniger Geld nehmen, dann lassen Sie mich ein bisschen aus dem Rechenschaftsbericht der Sozialdemokratischen Partei Österreichs vom 15. März 2018, unterzeichnet von Bundesparteivorsitzendem Mag. Christian Kern und von Bun­desgeschäftsführer Maximilian Lercher, zitieren. (Abg. Wittmann: Was ist mit der Rück­nahme?)

Geht es um das Sponsoring von nahestehenden Organisationen, so hat die SPÖ im Jahr 2016 235 249 Euro genommen. Was sind nahestehende Organisationen? – Ich will Ihnen nur ein paar Beispiele geben: Mietervereinigung Österreichs – wussten Sie eigentlich, dass das ein SPÖ-Verein ist? –, Österreichische Kinderfreunde, Red Biker, ein Motorradklub (Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ – Abg. Schellhorn: Wartet einmal, wenn ... Wirtschaftskammer ...!), Transgender- und Intersexuellen-Organisation Soho Österreich – gehört zur SPÖ (neuerliche Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ) –, Themenini­tiative Erneuerbare Energie, Verband der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine.

Was hat das mit der SPÖ zu tun? (Abg. Wöginger: Kleintierzüchter fehlen noch!) Diese Organisationen haben aber mit 250 000 Euro die SPÖ finanziert. Von wo haben manche dieser Vereine auch noch einen Betrag in Millionenhöhe bekommen, wie zum Beispiel die Kinderfreunde? – Von der Gemeinde Wien, mit dem nächsten Steuergeld, meine Damen und Herren. (Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) Daher: Seien Sie vonseiten der SPÖ ruhig! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gehen wir zu den NEOS, die wollen wahrscheinlich auch noch, dass es gar keine Parteienförderung gibt. Wundert Sie das? Ich habe im Ausschuss gesagt, die NEOS sind zu 90 Prozent von einem einzelnen Spender abhängig. Ich nehme das zurück. Es stimmt nicht, es ist nicht richtig. Ich habe es mir aber genau angesehen: Sie haben im Jahr 2017 1,7 Millionen Euro an staatlicher Parteienförderung bekommen, aber 400 000 Euro allein von Haselsteiner dazubekommen (Ruf: Oligarch! – Zwischenruf des Abg. Scherak – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), also 25 Prozent.

Meine Damen und Herren, Sie wissen wahrscheinlich, dass Kollege Haselsteiner – ich sage nicht Kollege –, dass Herr Haselsteiner einer der größten Gegner dieser Re­gierung ist. (Abg. Rosenkranz: Der Heiligenschein wird ein bisschen matter!) Überle­gen Sie sich jetzt, warum Matthias Strolz nicht mehr Parteiobmann bei den NEOS ist, wenn es dort einen Parteifinanzierer gibt, der eine klare Richtung gegen diese Bun­desregierung vorgibt! (Abg. Schellhorn: Das ist ja unfassbar!)

Matthias Strolz war stets ein anderer Mann, er wollte immer die Zusammenarbeit, aber es reicht ihm dann irgendwann, wenn sein Parteifinanzierer sagt: Keine Kooperation mit dieser Regierung! Da haben sich auch die NEOS entlarvt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, daher wäre es gut, wenn die SPÖ ihre Finanzierung nicht mehr unter den Teppich kehrt und wenn die NEOS zugeben, dass sie in Wirklichkeit von einem Mann abhängig sind; daher ist es gescheit, dass wir eine staatliche Par­teienförderung haben, die transparent ist, bei der alle nachschauen können, wie viel je­der bekommt und was man davon hat – im Sinne der Demokratie, für Österreich! (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

21.49

21.50.02*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 240

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Gerstl, ich habe Ihnen bis zum Ende der Rede Zeit gegeben, den Ausdruck „Pharisäertum“ zurückzunehmen. Da Sie das nicht gemacht haben, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Ich möchte in diese Richtung sagen, dass auch Gesten einen Ordnungsruf verlangen oder verdienen würden. Ich bitte jetzt im Sinne der heute Vormittag diesbezüglich geführten Debatte, die Emotionen zurückzuschrauben. Das ist vor allem ein so wich­tiges Thema, und ich denke, dass das Thema durch die Emotionen und die Zwi­schenrufe in den Hintergrund rückt.

Ich möchte daran erinnern, was die Zweite Präsidentin und der Präsident am Vormittag gesagt haben, nämlich dass es ohne Emotionen und ohne Zwischenrufe schneller geht. Ich bitte daher um etwas mehr Disziplin.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Loacker zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.50.57

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Abgeordneter Gerstl hat gesagt, die bestehende Regelung zur Parteienförderung hätte Bundeskanzler Faymann be­schlossen.

Ich berichtige tatsächlich: Ein Bundeskanzler kann keine Gesetze beschließen, son­dern eine Mehrheit aus SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten unter Beteiligung des Abgeord­neten Gerstl hat die Regelung so beschlossen, wie sie bisher gegolten hat. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

21.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.51.26

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Von einem Verfassungssprecher der ÖVP würde man auch erwarten, dass er sich hierherstellt und sagt, dass die ÖVP im Wahlkampf 400 000 Euro von Stefan Pierer bekommen hat, was aus meiner Sicht sehr in Ordnung ist. Sich aber – lächerlich – hierherzustellen und zu sagen, dass die NEOS von einem Großspender abhängig seien, wenn man selbst genauso viel Geld von einem Spender annimmt, das ist an Chuzpe überhaupt nicht mehr zu überbieten. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kommen wir zu den Fakten zurück: Österreich hat die zweithöchste Parteienförderung weltweit. Österreich hat die höchste Parteienförderung europaweit, es sind auf Landes-, Bundes- und Gemeindeebene knapp 158 Millionen Euro. In Österreich gibt es eigent­lich eine Wahlkampfkostenobergrenze von 7 Millionen Euro, und diese Wahlkampfkos­tenobergrenze wurde im letzten Wahlkampf von der ÖVP um 6 Millionen Euro über­schritten, von der FPÖ um 4 Millionen Euro überschritten und von der SPÖ um 400 000 Euro überschritten.

In Österreich ist es übrigens auch nicht notwendig – weil Kollege Gerstl von transpa­renten Parteifinanzen gesprochen hat –, dass man die Kosten, die Ausgaben während des Wahlkampfs entsprechend veröffentlicht; deswegen erfahren wir von solchen Wahlkampfkostenüberschreitungen immer erst ein Jahr später oder noch später. In Österreich ist es übrigens auch egal, wenn man Wahlkampfkostenobergrenzen rechts­widrig überschreitet; die Sanktionen sind so lächerlich gering, dass es der ÖVP of-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 241

fensichtlich vollkommen egal war, der FPÖ offensichtlich vollkommen egal war und der SPÖ offensichtlich auch vollkommen egal war.

Aus diesem Grund gibt es in Österreich Politikerinnen und Politiker, wie zum Beispiel uns NEOS, die seit Jahren darauf abzielen, dass wir dieser unerträglichen Steuergeld­verschwendung endlich ein Ende machen, dass wir die Parteienfinanzierung kürzen, dass es ordentliche Sanktionen gibt, wenn die FPÖ, die ÖVP und die SPÖ die Wahl­kampfkostenobergrenze überschreiten, und dass es ernsthaft transparent ist, indem 365 Tage im Jahr alle Einnahmen und Ausgaben auf der jeweiligen Homepage ver­öffentlicht werden.

Das ist übrigens etwas, das ich mir jetzt auch im Wahlkampf von der ÖVP erwarten würde, von der FPÖ erwarten würde und von allen Parteien, die hier im Parlament sind, erwarten würde: dass alle Wahlkampfkosten entsprechend transparent – wir ma­chen es zweiwöchentlich – auf die Homepage gestellt werden. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt aber auch andere sehr hochrangige Politiker in Österreich, die im Jänner beschlossen haben, dass sie diese hohe Parteienfinanzierung jetzt auch stört, und die gesagt haben: Es muss im Interesse aller Parteien sein, in Zeiten der Sparsamkeit mit gutem Beispiel voranzugehen! Diesen hochrangigen Politiker kennen Sie von der ÖVP sehr gut, es ist der Bundeskanzler und Ihr Bundesparteiobmann Sebastian Kurz, der im Jänner vorgeschlagen hat, dass man die Valorisierung der Parteienförderung wie­derum aussetzt. Jetzt, zwei Monate später, beschließen Sie, ÖVP und FPÖ, die Er­höhung der Parteienförderung. Man muss ehrlicherweise zugeben, die FPÖ hatte, glaube ich, nie ein Interesse, die Valorisierung der Parteienförderung auszusetzen; das ist eine Idee des Bundeskanzler Kurzes. (Abg. Wöginger: Kurzes!) – Bundeskanzler Kurz, danke, Herr Kollege Wöginger!

Wissen Sie was? – Sie bekommen schlichtweg den Hals nicht voll! (Beifall bei den NEOS.) Sie schanzen sich immer mehr Steuergeld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu und machen das in einer Unverfrorenheit, die unglaublich ist. Am sel­ben Tag, als Sie im Verfassungsausschuss dieser Erhöhung der Parteienförderung zu­gestimmt haben, haben Sie einen Antrag auf Valorisierung und Anhebung des Pfle­gegeldes abgelehnt. Das ist nichts anderes als schändlich. Das ist eine Zumutung für die Menschen in Österreich, das ist eine Unverfrorenheit! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Was dann noch kommt, und das ist überhaupt die größte Frechheit, ist, dass Sie sich hinstellen und den Österreicherinnen und Österreichern sagen, Sie sparen Geld ein, Sie geben weniger Geld aus – weil Sie aufgrund der neuen Regelung einen einmaligen Einsparungseffekt haben. Wenn man 2 Prozent Inflation hat, eine entsprechende An­passung hat, hat man einen einmaligen Einsparungseffekt – und in vier Jahren ist die­ser Einsparungseffekt weg, und in Zukunft wird insgesamt mehr Geld für Parteien­förderung ausgegeben als mit der momentanen Regelung. (Beifall bei den NEOS.)

Der Bundeskanzler stellt sich dann noch hin und hat die Chuzpe, vor Journalisten zu sagen, dass Journalisten, die ganz wahrheitsgemäß berichten, angeblich – ich zitiere wörtlich – die ultimative „Form der Falschinformation“ verbreiten. Das ist eine Zumu­tung und eines Bundeskanzlers eigentlich nicht würdig.

Ich sage Ihnen etwas: Sie haben noch eine Chance, dass Sie das vom Bundeskanzler angekündigte Ende der Valorisierung, die Aussetzung der Valorisierung endlich einmal umsetzen. Ich bringe daher zum wiederholten Mal einen Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 242

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (548 d.B.) über den Antrag der Abgeord­neten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen [...] (619/A), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

I. 1. Art. 1 Z. 1 lautet: „§ 14 Abs. 1 (Verfassungsbestimmung) und Abs. 2 entfallen.“

II. Art. 2 Z. 1 lautet: „§ 5 Abs. 1 entfällt.“

*****

Damit könnten Sie dem Versprechen Ihres Bundeskanzlers, dass wir weniger Geld ausgeben, dass Sie im System sparen und dass die Valorisierung der Parteienförde­rung endlich ausfällt, noch gerecht werden. Machen Sie das und ziehen Sie den Steu­erzahlerinnen und Steuerzahlern nicht andauernd noch mehr Geld aus den Taschen! Sie stellen sich dann auch noch hin und haben die Unverfrorenheit, ihnen die Unwahr­heit zu sagen – das ist eine Frechheit! (Beifall bei den NEOS.)

21.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses (548 d.B.) über den Antrag der Abgeordne­ten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förderungs­gesetz 2012 geändert werden (619/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (548 d.B.) über den Antrag der Abge­ordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förde­rungsgesetz 2012 geändert werden (619/A), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

I. 1. Art. 1 Z. 1 lautet:

    „§ 14 Abs. 1 (Verfassungsbestimmung) und Abs. 2 entfallen."

II. Art. 2 Z. 1 lautet:

    „§ 5 Abs. 1 entfällt."

Begründung

Ad I.

Österreich leistet sich die höchste Parteienförderung in Europa. Gemäß § 14 Abs. 1 PartG werden die Korridore, innerhalb welcher Bund, Länder und Gemeinden den politischen Parteien für ihre Tätigkeiten jährliche Fördermittel zukommen lassen kön­nen, laufend anhand der Steigungen des Verbraucherpreisindexes erhöht. Der ÖVP/FPÖ-An­trag sieht vor, dass neben der Parteienförderung auch die Wahlkampfkostenober­grenze und die Beträge der zu meldenden Parteispenden und Spendenverbote dieses Jahr um die Inflationsrate erhöht und künftig jährlich valorisiert werden. Durch den vor-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 243

liegenden Änderungsantrag soll die Valorisierung der Beträge für 2019 gestrichen und die automatische Erhöhung gänzlich abgeschafft werden.

Ad II.

Weiters sieht der ÖVP/FPÖ-Antrag vor, dass auch die ohnehin bereits sehr großzügige Parteienförderung des Bundes um die Inflationsrate des vergangenen Jahres erhöht und künftig jährlich valorisiert wird. Zwar ergibt sich durch die Änderung des Valo­risierungs-Basiswerts ein einmaliger Einsparungseffekt, jedoch führt die Umstellung auf eine jährliche Valorisierung (im Vergleich zur bisherigen Valorisierung erst bei Über­schreitung der 5%-Schwelle) bei einer Inflationsrate von 2% bereits ab dem Jahr 2023 zu einer Egalisierung der vorläufigen Einsparung und ab dann zu Mehrausgaben. Auch die Valorisierungsregel für die Parteienförderung des Bundes soll daher mit dem vor­liegenden Änderungsantrag ersatzlos abgeschafft werden.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der von Herrn Abgeordnetem Scherak einge­brachte Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stefan. – Bitte schön, Herr Abge­ordneter.


21.57.12

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind jetzt sehr starke Worte gefallen. Kollege Scherak hat sich hier sehr stark entrüstet: zuschanzen, „Frech­heit“, „Unverfrorenheit“ und so weiter. Ich bin das von ihm gar nicht gewöhnt, er ist normalerweise eher ein ruhiger Typ, aber beim Thema Parteienfinanzierung gehen den NEOS offenbar die Nerven durch. Das scheint damit zusammenzuhängen, dass sie eine andere Art des Systems wünschen.

Sie können ja gerne darüber reden, aber es gibt einen Konsens in Österreich, dass die Demokratie, wie wir sie haben, von Parteien getragen wird und dass diese Parteien wiederum aus der öffentlichen Hand finanziert werden. Das ist ein Konsens, der vor Jahrzehnten gefunden wurde und den vielleicht die NEOS infrage stellen, sonst aber, denke ich, niemand hier. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin der festen Überzeugung, dass es auch richtig ist, dass wir das so machen. Die Alternative ist, dass man von Personen oder Institutionen oder Unternehmen (Abg. Loacker: Von Russland!) abhängig ist, die extrem viel Geld zur Verfügung haben – das ist die eine Möglichkeit –, oder dass man sich über andere Wege, die intransparent sind, finanziert. Die Parteienförderung, wie wir sie haben, ist der transparenteste Weg.

Die Organisation Greco, die sich unter anderem damit beschäftigt, wie transparent Fi­nanzflüsse sind, hat das auch begrüßt, dass man in Österreich dieses System einführt, damit jeder genau weiß, wie viel Geld fließt. Was wir nicht kennen, sind die anderen Umwege, wir wissen nicht, über welche anderen Kanäle vielleicht Geld fließt. Partei­spenden müssen zwar offengelegt werden, aber man kann Parteispenden auch an Vorfeldorganisationen weitergeben. Wir haben das schon von Kollegen Gerstl gehört. Es gibt die Möglichkeit, dass man Vorfeldorganisationen eben so deklariert, dass sie nicht der Partei unmittelbar zugerechnet werden. (Abg. Schellhorn: Vorgelagerte Ver­eine der Wirtschaftskammer!) – Ja, vorgelagerte Vereine gibt es tatsächlich in mehre­ren Parteien. Das ist intransparent. Man kann über Inserate Parteien Geld zuschanzen oder man kann das auch über Personalbereitstellungen machen. Es gibt sehr viele in­transparente Wege, die viel problematischer sind.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 244

Die Parteienfinanzierung an sich ist aber der beste und der gerechteste, der fairste und eben auch der am besten zu überwachende Weg. Bekennt man sich dazu, dann ist es auch logisch, dass man feststellt: Es steigen auch die Kosten der Parteien, und wenn man will, dass dieses demokratische System mit den Parteien finanziert wird, dann muss man ihnen auch zugestehen, dass auch diese Kostenerhöhung mitgetragen wird, und da ist nun einmal der Verbraucherpreisindex die Basis, auf der man so etwas er­höht.

Jetzt haben wir eine außergewöhnliche Erregung auch vonseiten der SPÖ zu verzeich­nen, die aber das Gesetz, dass man die Parteienförderung valorisiert, 2012 mitgetra­gen beziehungsweise sogar initiiert hat – demnach hätten wir heuer eine Erhöhung um 7,12 Prozent. Dann hat ein Entscheidungsprozess begonnen das ist völlig richtig , es begann eine Diskussion, wie man damit umgeht: 7,12 Prozent, das ist eine derart starke Erhöhung, dass man das so nicht will. Man will aber künftig nicht immer eine Diskussion darüber und unklare Verhältnisse haben, daher hat man sich dafür ent­schieden, das einfachste und sinnvollste System einzuführen, nämlich dass man sagt, die Parteienförderung steigt mit dem Verbraucherpreisindex. Das ist alles.

Die ganze künstliche Erregung, die hier stattfindet, bezieht sich darauf, dass wir das System, das wir bisher hatten, nur insofern umstellen, als die Parteienförderung jetzt schlicht und einfach mit dem Verbraucherpreisindex steigt. – Das ist alles, und darüber wird sich künstlich erregt.

Wie gesagt, wenn man das System infrage stellt wie die NEOS: Gut, da sollen die NEOS dazu stehen, wie auch immer. Dass sie sich doch ziemlich abhängig von Ein­zelspendern machen, das ist ihr eigenes Problem, denke ich, nicht unseres. Wenn eine andere Partei eine ähnlich hohe Spende bekommt, aber zehnmal so viele oder 15-mal so viele Abgeordnete hat, ist die Relation natürlich eine andere – aber es ist Ihr Pro­blem. Sie können das System infrage stellen; wir stellen es nicht in Frage, wir halten es für sinnvoll, und wir halten daher diese Regelung auch für die beste.

Ich hoffe doch, dass jetzt auch die SPÖ zur Kenntnis nimmt, dass wir so letztendlich das demokratische System, getragen von den Parteien, am besten stabilisieren. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Plessl.)

22.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


22.02.08

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Ich bin ja durchaus einer Meinung mit meinem Vorredner: Wir werden uns ziemlich geschwind auf ein Prinzip einigen, das heißt, ein möglichst transparentes und gut kontrolliertes System öffentlicher Parteienfinanzie­rung. Darum geht es aber heute nicht. (Abg. Hafenecker: Herr Pilz, für Sie ist es wurscht, Sie kommen eh nicht mehr rein! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Zerbrechen Sie sich nicht Ihren Kopf!) Es geht heute erstens darum, dass in Österreich knapp eine Mil­lion Menschen an der Armutsgrenze oder unter der Armutsgrenze leben, und da wird nichts valorisiert – kein Pflegegeld, keine Beihilfen bis hin zu Studienbeihilfen, Wohn­beihilfen, nichts!

Nach Meinung von ÖVP und Freiheitlicher Partei sind offensichtlich die einzigen Be­dürftigen die Parteien oder zumindest diese beiden Parteien. Ich kann das bis zu ei­nem gewissen Grad nachvollziehen. Wer glaubt, nur über dermaßen teure Wahlkämp­fe Wahlen gewinnen zu können, der braucht ständig mehr Geld. (Abg. Hafenecker: Wenn man als Parteizentrale die Sozialwohnung hat, ist es wurscht! Zwischenruf des Abg. Zarits.) Wer glaubt, sich nicht an bestehende Gesetze wie etwa die gesetzlichen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 245

Bestimmungen über die Beschränkung der Wahlkampfkosten halten zu müssen, der kann natürlich sagen: Na noch mehr Geld und noch mehr Geld und noch mehr Geld!

Ich sage einmal dazu – und vielleicht könnten sich zumindest ein paar Parteien in dem Haus darüber verständigen –: Natürlich sollten wir darüber hinaus auch erfahren, wo­her speziell ÖVP und FPÖ das Geld für Wahlkämpfe kriegen – von denen ich persön­lich nicht glaube, dass sie 10 oder 13 Millionen Euro gekostet haben, sondern die eher nach 20 Millionen plus ausschauen. (Abg. Neubauer: Was Sie glauben, will aber kein Mensch ...!) Das würde mich interessieren, wo das Geld herkommt. Das können nicht nur die 400 000 Euro von einem großen Bauunternehmer sein, das muss mehr Geld sein.

Erzählen Sie doch einmal die Geschichte des vorbestraften Investors Benko, der – zu­mindest politisch – in tiefer Liebe zum ÖVP-Obmann und Bundeskanzler entbrannt ist! Und Sie erzählen mir, der hat Ihnen nichts gespendet (Zwischenruf des Abg. Lausch) und der Herr Tojner hat Ihnen nichts gespendet?! Die haben Ihnen alle nichts gespen­det?! Die Freiheitlichen haben nichts von irgendwelchen russischen oder ähnlichen Freunden bekommen?! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und die Freiheitlichen haben nicht einen Geldkoffer nach dem anderen aus Kärnten bekommen, die zum Teil beim jetzi­gen Innenminister abgeliefert worden sind?! – Das waren ja so viele Geldkoffer, Sie könn­ten ja längst eine freiheitliche Kofferzentrale aufmachen! So schaut die freiheitliche Par­teienfinanzierung aus, das ist doch überall bekannt. (Abg. Gudenus: Sie sind ein Voll­koffer, Herr Pilz, das ist alles!) Das sollte man besser kontrollieren.

Es geht aber darum, dass wir auch Gesetze verbessern und wieder etwas Augenmaß ins System einführen, deshalb bringen wir einen Abänderungsantrag ein; ich fasse ihn nur kurz zusammen, weil er so lang ist, dass eine wörtliche Verlesung nicht gebo­ten ist.

Der Abänderungsantrag von Pilz, Noll, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen beinhaltet im Wesentlichen die sofortige Halbierung der Parteienfinanzierung. Das ist ja genug, das ist ja vollkommen genug! Das zeigen wir, das zeigen auch andere Parteien. Es geht doch!

*****

Der zweite Punkt, den ich für mindestens genauso wichtig halte, betrifft auch die NEOS – Sie sollten sich dieser Debatte in aller Ruhe stellen –: Ich halte es für ganz schlecht, wenn Unternehmen, die öffentliche Aufträge annehmen, Parteien finanzieren dürfen. Das ist unvereinbar! Das geht nicht! Das ist nicht nur ein Fall NEOS, das gilt ja auch für andere Fraktionen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Ich halte es prinzipiell nicht für gut, wenn Unternehmen Parteien finanzieren können – und das sind die Haupt­bereiche der Rüstungsindustrie und der Bauindustrie. Ich persönlich glaube nicht, dass die NEOS deswegen jetzt Baulose für Herrn Haselsteiner beschaffen – der hat voll­kommen andere Möglichkeiten, und das wird auch in diesem konkreten Fall nicht so passieren –, aber trotzdem ist das grundsätzlich nicht gut und sind das Unvereinbar­keiten.

Wenn ein Unternehmen im Auftragnehmerkataster im Bereich der öffentlichen Auf­tragsvergabe steht, dann sollte da ein klares Verbot gelten. Wer öffentliche Aufträge nimmt, darf Parteien nicht finanzieren. Das ist ein einfaches Prinzip. (Beifall bei JETZT.) Da würde ich mir auch von einer im Grunde sehr transparenten Partei wie NEOS zu­mindest Diskussionsbereitschaft, wenn nicht doch Unterstützung erwarten. (Zwischen­ruf des Abg. Schellhorn.)

Und ich gebe Ihnen einen guten Tipp: Wir zeigen ja ständig – und wir sind in Europa nicht die Einzigen –, wie man viel, viel billigere Wahlkämpfe führen kann. Es geht, wenn


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 246

Sie daran glauben, dass Sie die Menschen durch Argumente überzeugen. Natürlich ist das bei der Medienentwicklung, Medienkontrolle und zunehmenden Machtübernahme im Medienbereich durch der ÖVP nahestehende Gruppen immer schwieriger, aber man darf in einer Demokratie den Glauben daran, dass es möglich ist, Menschen auch ohne Millionen von Großspendern von anderen Positionen zu überzeugen, mit ihnen zu reden und damit vielleicht auch Mehrheiten zu gewinnen, nicht aufgeben. Darum geht es!

Wir müssen von dieser Koffermentalität weg und rein in wirkliche Transparenz. Wir müssen Armut bekämpfen, und Armut ist nicht die Armut von Parteien, die schon weit mehr nehmen, als das irgendwo in Europa üblich ist, sondern es geht um die Armut der Menschen, auf die die Regierungsparteien vergessen haben. (Beifall bei JETZT.)

Es lohnt sich, darum zu kämpfen, und es lohnt sich, das Vertrauen in die Politik wie­derherzustellen – durch einen allerersten Schritt, und das ist die Halbierung der Partei­enfinanzierung. Ja, ich bin davon überzeugt, es geht. (Beifall bei JETZT. Abg. Jaro­lim: Wie steht der Kollege Nehammer zu dem Vorschlag?)

22.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Pilz, Alfred Noll, Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

zum Gesetzesantrag laut Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kolle­gen, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Partei­en-Förderungsgesetz 2012 geändert werden (548 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird in Artikel 1 wie folgt geändert:

a)          Folgende Ziffer 1 wird eingefügt:

1.          § 3 (Verfassungsbestimmung) lautet:

„§ 3. (Verfassungsbestimmung) Bund, Länder und Gemeinden können politischen Par­teien für ihre Tätigkeit bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung in Bund, Ländern und Gemeinden jährlich Fördermittel zuwenden. Dazu dürfen den politischen Parteien, die in einem allgemeinen Vertretungskörper vertreten sind, insgesamt je Wahl­berechtigem zum jeweiligen allgemeinen Vertretungskörper mindestens 1,55 Euro, höchs­tens jedoch 5,50 Euro gewährt werden. Die Länder können ihre Förderungen innerhalb der doppelten Rahmenbeträge regeln, um auch die Mitwirkung an der politischen Wil­lensbildung auf Bezirks- und Gemeindeebene sicherzustellen. Für die Ermittlung der Anzahl der Wahlberechtigten ist jeweils auf die bei der letzten Wahl zum allgemeinen Vertretungskörper Wahlberechtigten abzustellen. Eine darüberhinausgehende Zuwen­dung an politische Parteien und wahlwerbende Parteien zur Bestreitung von Wahlwer­bungskosten bei Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern ist unzulässig. Fördermit­tel des Bundes für politische Parteien sind durch ein besonderes Bundesgesetz zu re­geln.“

b)          Die bisherige Ziffer 1 wird zu Ziffer 2.

c)          Die bisherige Ziffer 2 wird zu Ziffer 3.

d)          Die bisherige Ziffer 3 wird zu Ziffer 4 und lautet:

4. Dem § 16 wird folgender Abs. 7 angefügt:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 247

„(7) § 3 sowie § 14 Abs. 2 und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes xxx/2019 treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft.“

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird in Artikel 2 wie folgt geändert:

a)          folgende Ziffer 1 wird eingefügt:

1.          § 1 Abs. 2 lautet:

„(2) Die Fördermittel des Bundes errechnen sich, indem die Zahl der Wahlberechtigen zum Nationalrat mit dem Betrag von 2,30 Euro multipliziert wird. Diese sind an die ein­zelnen politischen Parteien in folgender Weise zu vergeben:

1. Jede im Nationalrat vertretene politische Partei, die über mindestens fünf Abge­ordnete (Klubstärke im Sinne des § 7 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 410/1975) verfügt, erhält jährlich einen Grundbetrag in der Höhe von 218 000 Euro (Anm. 2);

2. Die nach Abzug der Förderungen gemäß Z 1 verbleibenden Mittel werden auf die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien im Verhältnis der für sie bei der letzten Na­tionalratswahl abgegebenen Stimmen verteilt.“

b)          Folgende Ziffer 2 wird eingefügt:

2.          § 1 Abs. 3 lautet:

„(3) Politische Parteien, die im Nationalrat nicht vertreten sind, die aber bei einer Wahl zum Nationalrat mehr als 1 vH der gültigen Stimmen erhalten haben, haben für das Wahljahr einen Anspruch auf Fördermittel für ihre Tätigkeit. Diese politischen Parteien erhalten je für sie bei der Nationalratswahl abgegebener Stimme einen Betrag von 1,25 Euro; diese Fördermittel sind innerhalb von 6 Monaten nach der Nationalratswahl auszubezahlen.“

c)          Die bisherige Ziffer 1 wird zu Ziffer 3, die bisherige Ziffer 2 wird zu Ziffer 4.

d)          Die bisherige Ziffer 3 wird zu Ziffer 5 und lautet:

5. Dem § 7 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) § 1 Abs. 2 und 3 sowie § 5 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes xxx/2019 treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft. Gleichzeitig tritt § 5 Abs. 2 außer Kraft.“

Erläuterungen zum Abänderungsantrag

Die jährliche Valorisierung und damit Wertsicherung der Parteienförderung hat nur dann Berechtigung, wenn der Wert, auf den sie angewandt wird, eine angemessene Höhe besitzt. Mit diesem Antrag wird sowohl der aktuell zur Anwendung gelangende Wert (siehe Artikel 2, Änderungen a und b), als auch dessen verfassungsrechtlicher Spiel­raum (siehe Artikel 1, Änderung a) halbiert. Nur dann lässt sich die im zugrundeliegen­den Bericht (548 d.B.) bzw. Initiativantrag (619/A) umgesetzte Valorisierung der Partei­enförderung rechtfertigen. Auf die im europäischen Vergleich weit überhöhte österrei­chische Parteienförderung wurde im Zuge der parlamentarischen Debatten immer wie­der hingewiesen.1

Die Grundidee einer automatischen Valorisierung an sich wird im Zuge dieses Antrags bewusst nicht beanstandet. Im Gegenteil, in vielen anderen Bereichen wäre eine Valo­risierung von Transferleistungen an private Haushalte, wie etwa das Pflegegeld, die Familien- oder Studienbeihilfe, dringend geboten. Es handelt sich dabei um Leistungen an Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder starken Belastungen. Warum in die­sen Bereichen ein realer Kaufkraftverlust toleriert wird, ist nicht verständlich. Um deren Entlastung zu finanzieren und der ausgegebenen Parole „Sparen im System“ gerecht


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 248

zu werden, fordert dieser Antrag deshalb vorerst nur eines, aber dies vehement: die Halbierung der Parteienförderung.

1 U.a. in einer Rede von Alfred Noll, https://www.parlament.gv.at/PAKTNHG/XXVI/
NRSITZ/
NRSITZ_00004/SEITE_0035.html.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Abänderungsantrag wurde in den wesentli­chen Zügen erläutert, ist verteilt worden und steht mit in Verhandlung.

Ich habe nur noch eine Frage: Was ist mit dem Entschließungsantrag, Herr Abgeord­neter? (Abg. Pilz: Ich habe ihn nicht verlesen!) Melden Sie sich nachher noch einmal zu Wort, oder? (Abg. Wöginger: Die Zeit ist aus! Weitere Rufe bei der ÖVP: Rede­zeit! Er hat keine Redezeit mehr!)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nehammer. – Bitte.


22.09.07

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Jarolim: Bitte ein offenes Wort!) – Das wäre gut, Jarolim, das wäre gut, ja. Tatsächlich möchte ich aber schon festhalten – und ich habe gestern schon das Privileg gehabt, hier im Hohen Haus sprechen zu dürfen –: Peter Pilz hat wieder bewiesen, Politik be­steht auch in Wiederholung. Ich empfehle allen, im Lexikon unter dem Begriff schmerz­befreit nachzuschauen. Man wird dort sein Foto finden.

Warum in diesem Fall? – Er empört sich wieder, spricht von Kofferträgern, spricht von unglaublichen Situationen, und was war mit der Liste Pilz, bevor sie die Liste JETZT geworden ist? Welches Gehalt haben Sie sich davor ausgezahlt? Wie war der Man­datsverzicht? Wie wird Frau Stern als Parteiobfrau finanziert, weil Sie das Mandat ha­ben und jetzt auch wieder im Nationalrat sind? Derselbe Mann stellt sich hierher und spricht über Sauberkeit und Transparenz im Bereich Parteienfinanzierung! Sehr ge­ehrte Damen und Herren, das ist zynisch, das ist Liste JETZT, das ist der Herr Kollege Pilz! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Kehren wir aber zu den Fakten zurück: Wir haben eine alte Regelung, die unbrauchbar ist. Jetzt wären 8 Prozent Parteienförderung auszuschütten. Wir haben gesagt: Ma­chen wir eine bessere Regelung! Machen wir eine Inflationsanpassung, genau aus dem Bekenntnis heraus, das heute auch schon angesprochen worden ist, dass Öster­reich eine parlamentarische Demokratie mit einem repräsentativen System ist, und in diesem System sind die Parteien wichtig für die demokratische Willensbildung.

Genau deshalb ist ja schon 1975 von Bruno Kreisky der Gedanke gekommen, die Par­teien unabhängig zu stellen. Kollege Scherak, Ihr Beispiel von den NEOS ist eigentlich das beste Beispiel dafür, wie wichtig die Parteienfinanzierung ist; wenn Sie vom Steu­erzahler und von der Steuerzahlerin 1,7 Millionen Euro für Ihre Partei bekommen und 400 000 Euro von Herrn Haselsteiner, dann sieht man ja, wie wichtig die Parteienfinan­zierung ist, denn durch die 1,7 Millionen Euro sind Sie ja deutlich unabhängiger vom Industriellen Haselsteiner. Das ist genau der Sinn der Parteienfinanzierung, und die Transparenz zeigt, wer wie finanziert.

Wenn Sie sich ausrechnen, wie gerecht das System ist – die Parteienfinanzierung in Österreich ist auch ein System, das die kleinen Parteien unterstützt und schützt –: Ihre Mandatarinnen und Mandatare erhalten in Relation zur neuen Volkspartei 40 000 Euro mehr Steuergeld von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, damit sie am demokrati­schen Willensbildungsprozess teilhaben können. Das ist der Sinn des Gesetzes zur Parteienfinanzierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 249

Zu den KollegInnen von der SPÖ: Ich weiß nicht, ist Kollege Drozda jetzt noch im Raum? (Abg. Drozda – dem Redner von einer Bankreihe aus zuwinkend –: Ich bin hier!) Herr Kollege, weißt du, was ich mir wünschen würde? (Abg. Drozda: Ja, sag es! Ruf bei der SPÖ: ... nicht immer so deppert fragen!) Ich würde mir ein Stück weit Ehrlichkeit wünschen. Ich würde mir von euch wünschen, dass ihr euch nicht hinter uns versteckt, denn wir werden dieses Gesetz beschließen, und alle hier vertretenen Par­teien werden die Erhöhung um die Inflationsrate in ihr Budget mitnehmen. Das werdet ihr tun, darum solltet ihr euch nicht hierherstellen und moralisieren. (Abg. Drozda: ... gar nicht gesagt! Ich habe gesagt, wir reden über ein Paket!)

Herr Bundesgeschäftsführer, du weiß das sehr genau: Euer Konstrukt an Vereinen und Stiftungen zu beleuchten würde viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn wir schon über Transparenz reden. (Abg. Drozda: Nehmt euch die Zeit! Schaut euch das alles in Ru­he genau an!) Der Rechnungshof wird es hoffentlich zeigen, so wie bei uns – weil im­mer die Sorge ist, woher das Geld der Volkspartei kommt –, im Rechnungshofbericht wird alles dazu aufscheinen, weil wir eben Gott sei Dank verpflichtet sind, zu melden.

Das wirklich Besondere an der Maßnahme, die wir jetzt treffen, ist, dass sie tatsächlich eine Einsparung im System ist, Kollege Scherak. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Und wenn Sie mir nicht glauben – ich weiß, Sie glauben mir nicht, das ist Ihr gutes Recht als Opposition –: Rechnungshofpräsidentin Kraker hat sogar bestätigt, dass ihr Vorschlag dazu geführt hat, dass eine Einsparung im System erfolgt. (Abg. Scherak: Zinseszins! Einmalig!)

Ich glaube, wir haben ein System geschaffen, das tatsächlich der demokratischen Wil­lensbildung und dem Funktionieren des Parteiensystems in diesem Land Rechnung trägt. Ich ersuche Sie: Verstecken Sie sich nicht hinter Ihrer eigenen Courage, die Sie offensichtlich nicht haben, um diesem Gesetz zuzustimmen! Die Volkspartei, die Frei­heitliche Partei nehmen die demokratiepolitische Verantwortung wahr und werden die­ses Gesetz beschließen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Höbart: Ich wollte nämlich keine ... Amerikanisierung des politischen Systems für die NEOS! Abg. Schellhorn: Hast du einen Ladendieb erwischt, oder was? Abg. Höbart: Habe ich erwischt, ja!)

22.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte.


22.14.00

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Wir reden heute über das Parteien-Förderungsgesetz, und ich finde, dass man an dem Punkt sehr schön sieht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung, worin Sie eigentlich Meister sind: Meister nämlich darin, die Realität zu verklären und Menschen in Österreich für dumm zu verkaufen. Ich sage Ih­nen auch, warum.

Kollege Nehammer, Sie haben da die Vorgeschichte ein bisschen ausgelassen: Wo­chenlang hat Bundeskanzler Sebastian Kurz in den Medien davon geredet, dass die schwarz-blaue Bundesregierung die Valorisierung abschaffen will. Und was machen Sie jetzt? Was ist jetzt mit der Abschaffung der Valorisierung geschehen, jetzt, um 22.15 Uhr? – Jetzt peitschen Sie diese Valorisierung still und heimlich durch! Und da­rum frage ich Sie: Für wie dumm halten Sie eigentlich die Leute in diesem Land?

Ich möchte hier eines klarstellen, damit es keine Missverständnisse gibt: Wir von der Sozialdemokratie sind nicht gegen die Parteienförderung. Wir halten die Parteienförde­rung auch für eine wichtige Säule der Demokratie (Ruf bei der SPÖ: Das hat der Kreis­ky schon gesagt!), weil die Alternative dazu nämlich wäre, dass politische Parteien von privaten Spenden abhängig sind, und das ist demokratiepolitisch höchst bedenklich.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 250

Weil Sie, Herr Kollege Nehammer, heute von der demokratiepolitischen Notwendigkeit und Wichtigkeit gesprochen haben: Ja, wenn Spender nämlich an politische Parteien spenden, dann bestimmen sie auch, welche Politik in diesem Land gemacht wird. Das ist nicht nur eine theoretische Abhandlung, denn es gibt in Österreich gute praktische Beispiele dafür; ich erinnere Sie an den ÖVP-Wahlkampf 2017, ganz nach dem Motto: Wer zahlt, schafft an!

Das haben wir nämlich nach der Wahl noch weiterhin gesehen: Da hat es einen Herrn Kapsch von der Industriellenvereinigung gegeben, der sich den 12-Stunden-Tag ge­wünscht hat – und er hat ihn auch bekommen. Dann gibt es noch einen KTM-Chef Pie­rer, der auch mit einer großen Liste mit Wünschen gekommen ist – und diese sind schon fast so gut wie erfüllt. Und dann gibt es einen Herrn René Benko, einen ganz en­gen, guten Freund von Sebastian Kurz, der sich beim Immobilienshopping Millionen spart. Da wird ganz klar, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil Sie nämlich von Demokratie sprechen, auf welcher Seite Sie stehen, nämlich nicht auf der Seite der Menschen, sondern auf der Seite der Reichen und der Konzerne.

Ich bin überhaupt der Meinung, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Abge­ordnete Jacken und T-Shirts mit den Logos ihrer Großsponsoren und Großspender tra­gen sollten, damit in der Öffentlichkeit klar wird, wem sie politisch verpflichtet sind – nämlich nicht dem Volk, wie es in der Verfassung steht, sondern ihren Großsponsoren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte die Gelegenheit heute nicht nur nützen, um über Ihre Großsponsoren zu reden, sondern ich möchte schon auch betonen, wie viel Geld Sie vonseiten der ÖVP und der FPÖ für den Wahlkampf ausgegeben haben. Sie haben die Wahlkampfkosten­obergrenze von 7 Millionen um 6 Millionen Euro überschritten. Und was sagen Sie da­zu? Was glauben Sie eigentlich?! Dass das ein Kavaliersdelikt ist?! Ich frage mich: Welche Konsequenzen hat das für Sie gehabt? – Offenbar gar keine. Und Sie schaffen damit in Wirklichkeit Präzedenzfälle. Sie haben im Wahlkampf – und das sage ich Ih­nen ganz offen und ehrlich – geschummelt, Sie haben getrickst, Sie haben sich einen Wettbewerbsvorteil verschafft, Sie haben die politischen Mitbewerber in diesem Wahl­kampf benachteiligt! (Beifall bei der SPÖ.)

Und dann behaupten Sie, Sie würden im System sparen – und in Wirklichkeit ver­schleudern Sie das Geld für Ihren Wahlkampf, Sie verschleudern das Geld für die Wer­bung, und Sie verkaufen die Leute in Österreich für dumm. Ich sage Ihnen eines: Das Einzige, was wir hier wollen, ist, dass es Konsequenzen gibt, nämlich jetzt und hier! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

22.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Tschank. – Bitte schön.


22.18.51

Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen, wenn Sie noch zusehen! Das ist ein Stück weit eine zynische Debatte; die Aufregung, die hier gespielt wird und teilweise hochgetrieben wird, ist aus meiner Sicht keine echte, und das spüren natürlich auch die Zuseher hier.

Ich denke, wir haben doch ein gemeinsames Verständnis – vielleicht mit Ausnahme der NEOS –, dass wir zu unserem historisch gewachsenen System der Parteienförde­rung stehen und auch die Parteienvielfalt in diesem Land hochhalten wollen. § 1 des Par­teiengesetzes normiert, dass die „Existenz und die Vielfalt politischer Parteien [...] we­sentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich“ sind. Die


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 251

Parteien sind letztlich die Vermittler zwischen dem Volk und dem Staat. Sie bilden das Rückgrat jeder modernen Demokratie wie unserer, und es bedarf daher zwingend ge­setzlicher Regelungen zum Erhalt und auch zur Finanzierung dieser Parteien.

Schauen Sie ein bisschen in die internationalen Rankings und vergleichen Sie, welche Modelle es gibt! Da finden Sie im Wesentlichen zwei Finanzierungsmodelle – Kollege Stefan hat es schon angesprochen –: ein Modell, bei dem die öffentliche Förderung im Vordergrund steht, und ein Modell, bei dem in erster Linie die privaten Spender und Mittelgeber im Vordergrund stehen. Wir von der Freiheitlichen Partei sehen ein Finan­zierungsmodell, das aus privaten Mitteln gespeist wird, eher kritisch, weil es schlicht und einfach korruptionsanfällig ist. Aus diesem Grund wollen wir eben ein Modell der Unabhängigkeit sicherstellen, ein Modell der öffentlichen Förderung, weil wir glauben, dass damit die Unabhängigkeit der politischen Willensbildung in einem höheren Aus­maß gewährleistet ist, sehr geehrte Damen und Herren.

Werfen wir einmal einen Blick auf die NEOS, weil diese Partei ja eine ganz andere Vor­stellung von Parteienfinanzierung hat! Man könnte ja den Eindruck gewinnen, dass die NEOS eher eine Start-up-Beteiligung von Hans Peter Haselsteiner als eine unabhän­gige und freie Partei sind. Haselsteiner schießt dort fast im Monatstakt, alle paar Mo­nate zumindest, Spenden in beträchtlicher Höhe zu. Eine Start-up-Finanzierung folgt der nächsten: am 17.11.2016 100 000 Euro (Abg. Loacker: Ich sehe schon, das ist Ihr ...!), am 14.4.2017 100 000 Euro, am 21.6.2017 198 000 Euro (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), am 23.8.2017 100 000 Euro, und so weiter und so fort. (Abg. Loa­cker: ... Fichtenbauer!) Haselsteiner hat von 2012 bis 2017 insgesamt 1,7 Millionen Euro in die NEOS investiert – ein Musterbeispiel dafür, wie sich ein österreichischer Oligarch eine Partei kauft.

Was ist die Gegenleistung? – Ich vermute einmal, die Aufgabe echter liberaler Posi­tionen. Die NEOS sind heute gesellschaftspolitisch links angesiedelt, sie nähern sich immer weiter den Grünen an. (Heiterkeit bei den NEOS.) Wirtschaftspolitisch sind sie neokapitalistisch und damit antisozial (Aha-Rufe bei den NEOS), kein sozialer Aus­gleich gewollt. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist klassische Haselsteiner-Doktrin, das ist genau so, wie sich Haselsteiner das vorstellt. Das sind keine liberalen, unabhängigen Gedanken; das sind Sie nicht. Das ist nicht die politische Mitte, Sie leben keine Äquidistanz zu den politischen Rändern. Das alles sind Sie nicht.

Im Gegensatz zu uns: Wir lassen uns eben nicht kaufen. Wir sind der eigenen Be­völkerung verpflichtet, den Schwachen in der Gesellschaft verpflichtet und sicherlich keinem Oligarchen oder Großinvestor. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin daher sehr zufrieden, dass wir mit der vorliegenden Gesetzesänderung ein neu­es System der Valorisierung schaffen, das eben auf dem Verbraucherpreisindex auf­baut. Das sichert den Bestand unseres Parteiensystems, das dient auch der Weiterent­wicklung des Parteiensystems. Wir ersetzen – das wurde schon erwähnt – sozusagen die Valorisierung, die ja dieses Jahr mit 7,8 Prozent besonders stark zu Buche ge­schlagen wäre, durch einen jährlichen Mechanismus von 2 Prozent. Das spart dem Steuerzahler heuer 2 Millionen Euro. Der Finanzminister freut sich, weil das natürlich auch ein kleiner Beitrag aller Parteien zum Nulldefizit ist. Sie alle erhalten dieses Jahr weniger, als gesetzlich vorgesehen gewesen ist.

Gleichzeitig soll es aber auch zu einer moderaten Anhebung dieser Parteienförderung kommen. Warum moderat? – Weil es natürlich einen Wertverlust durch die entspre­chende Inflation gibt. Parteien sind eben genauso wie natürliche Personen, wie juristi­sche Personen mit jährlichen Kostenerhöhungen konfrontiert. (Abg. Loacker: So wie die Pflegegeldbezieher!) Sie haben Kosten für Büromieten, die sich erhöhen, sie haben


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 252

Personalkosten, sie haben Kosten für Strom und Gas, sie haben auch Kosten für Wahlwerbung. Unter diesem Gesichtspunkt versteht auch jeder, dass man eine ent­sprechende Valorisierung vornehmen muss.

Lassen Sie mich abschließend vielleicht kurz auf die wirren Visionen von Herrn Pilz eingehen, der da irgendetwas von Auslandsfinanzierungen faselt! Ich weiß nicht, Sie haben so einen regen Erfindergeist, Herr Kollege. Wir halten die Gesetze auf Punkt und Beistrich ein. Jede Spende über 3 500 Euro, jedes Sponsoring über 12 000 Euro wird im Rechenschaftsbericht ausgewiesen. Spenden, die im Einzelfall 50 000 Euro überschreiten, werden ad hoc gemeldet. Sie können alle Spenden einsehen, alles ist offengelegt! Sie sehen das auf der Homepage des Rechnungshofes, es reicht ein Blick. Dort werden Sie keine Einträge von der FPÖ finden. Wissen Sie, warum? – Weil wir im Gegensatz zu anderen Parteien unbestechlich und unabhängig sind. Wir sind nämlich frei, Herr Kollege. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Loacker: Da müssen Sie selbst lachen!)

22.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pilz. – Herr Abgeordneter, Sie haben noch 1 Minute für Ihren Entschließungsantrag. Bitte.


22.25.00

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Danke schön, Frau Präsidentin, für die Möglich­keit, noch folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot von Parteispenden für öffentliche Unternehmen und Unternehmen, die im Auftragnehmer­kataster aufscheinen“

„Die Bundesregierung wird ersucht, die derzeitigen gesetzlichen Regelungen betref­fend Parteispenden zu überprüfen und Maßnahmen zu erarbeiten, die ein Verbot von Parteispenden

1. für Unternehmen, an denen die Republik Österreich (direkt oder indirekt) beteiligt ist, sowie

2. für Unternehmen, die öffentliche Auftragnehmer sind und / oder im Auftragnehmer­kataster (ANKÖ) aufscheinen,

beinhalten.

*****

Ich danke schon jetzt für die Zustimmung aller Abgeordneten, die wie Kollege Neham­mer (Beifall des Abg. Jarolim) Leuchttürme von Transparenz und Anständigkeit sind. – Danke schön. (Beifall bei JETZT. – Abg. Wöginger: Von Anständigkeit reden Sie?!)

22.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Mag. Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

betreffend „Verbot von Parteispenden für öffentliche Unternehmen und Unternehmen, die im Auftragnehmerkataster aufscheinen“


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 253

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 14 betreffend „Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Wolf­gang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen, betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Parteiengesetz 2012 sowie das Parteien-Förderungsgesetz 2012 ge­ändert werden (548 d.B.)“ in der 68. Sitzung des Nationalrates, XXVI. GP, am 28. März 2019

Begründung

Die geltenden gesetzlichen Regelungen ermöglichen es den österreichischen Bürgerin­nen nicht, nachzuvollziehen, welche Unternehmen mit welchen Ressourcen und mit welchem Ziel Lobbying betreiben und sich politischen Einfluss mittels Parteispenden erkaufen. Derzeit ist es Parteien lediglich untersagt, Spenden von Unternehmen anzu­nehmen, die sich zu 25% im Besitz der öffentlichen Hand befinden. Erst ab einem Spendenbetrag von über 50.000 Euro müssen Spenden sofort an den Rechnungshof gemeldet und öffentlich gemacht werden. Bestimmungen, die das Spenden von Unter­nehmen reglementieren, die von öffentlichen Aufträgen profitieren, fehlen überhaupt.

Da die Vergabe von öffentlichen Aufträgen einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes leistet und die österreichischen Steuerzahlerinnen ein beson­deres Interesse an einer transparenten und nachvollziehbaren Vergabe der Aufträge sowie ein Recht auf eine transparente Parteienfinanzierung haben, ist jedenfalls weite­rer Handlungsbedarf gegeben. Laut einer wissenschaftlichen Studie des ANKÖ (Auf­tragnehmerkataster Österreich) belief sich das Ausschreibungsvolumen der Republik Österreich im Jahr 2015 auf 60,7 Mrd. Euro, was zum damaligen Zeitpunkt ca. 18 % der österreichischen Wirtschaftsleistung entsprochen hat.1

Vor diesem Hintergrund ist das Verbot der Spendenannahme von Unternehmen, die sich zu 25 % im Besitz der Republik befinden, zwar richtig, aber nicht ausreichend. Ins­besondere muss das Spendenverbot auf alle Unternehmen ausgeweitet werden, an denen die Republik (direkt oder indirekt) beteiligt ist. Ebenso muss Unternehmen, die im Auftragnehmerkataster (ANKÖ) eingetragen sind, untersagt werden, Spenden an politische Parteien zu tätigen. Nur durch ein absolutes Spendenverbot kann im Sinne der österreichischen SteuerzahlerInnen sichergestellt werden, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen transparent, geordnet und ohne jegliche Einflussnahme von au­ßen stattfindet.

Der österreichische Gesetzgeber hat die Verpflichtung, hier Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine transparente, unabhängige und nachvollziehbare Vergabe von öf­fentlichen Verträgen gewährleisten und keine Schlupflöcher für intransparente Partei­spenden offen lassen.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird ersucht, die derzeitigen gesetzlichen Regelungen betreffend Parteispenden zu überprüfen und Maßnahmen zu erarbeiten, die ein Verbot von Par­teispenden

1. für Unternehmen, an denen die Republik Österreich (direkt oder indirekt) beteiligt ist, sowie

2. für Unternehmen, die öffentliche Auftragnehmer sind und / oder im Auftragnehmer­kataster (ANKÖ) aufscheinen,

beinhalten.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 254

1 https://www.ankoe.at/nachrichten-detail/artikel/detail/News/ankoe-studie-oeffentliche-vergaben-inoesterreich-methodische-grundlagen-und-empirische-ermi.html (25.3.2019).

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wur­de jetzt ordnungsgemäß und ausreichend unterstützt eingebracht.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


22.26.19

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordne­ten! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten! Nach diesem kleinen Oppositionstheater fasse ich für Sie zu Hause, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal zusammen: Diese Bundesregierung spart im System und trägt damit, so wie Sie, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, zum Nulldefizit bei.

Wir haben es gemeinsam geschafft: das Nulldefizit im Jahr 2018 und in diesem Jahr hoffentlich einen Gesamtüberschuss. Viribus unitis, mit vereinten Kräften!

Die SPÖ dagegen zeigt gerne mit dem Finger auf die anderen. Tatsächlich richtig ist, meine Damen und Herren: In einem Artikel im extremst regierungsfreundlichen „Stan­dard“, quasi ein Regierungsfanblatt, vom 14. September 2018 werden die Zahlen des zweiten Quartals 2018 beleuchtet; demnach gab die gesamte Bundesregierung für Gesamtösterreich 5,9 Millionen Euro für Werbung aus. Das SPÖ-geführte Wien gab nur für Wien über 7 Millionen Euro für Werbung aus. Ich sage es noch einmal: für ganz Österreich, Türkis-Blau: 5,9 Millionen Euro; für Wien, Rot/SPÖ: 7 Millionen Euro. Meine Damen und Herren! Sie können davon ausgehen, dass das auch in den folgenden Quartalen so ähnlich war. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, lassen Sie sich auch nicht aufhetzen und verunsichern! Diese Bundesregierung wird das Pflegegeld erhöhen. Es gibt bereits ei­ne Arbeitsgruppe, die darüber berät, welche Pflegestufe um wie viel erhöht wird. Wir haben das in unserem Regierungsprogramm versprochen und werden das für Sie, lie­be Österreicherinnen und Österreicher, auch einhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum Schluss noch einmal für alle, die es noch nicht verstanden haben: Wir erhöhen nicht um 7,8 Prozent, wie es die SPÖ das noch vor Kurzem vorgesehen hat, sondern dieses Jahr um 2 Prozent. Ich glaube, es ist eine einfache Milchmädchenrechnung, dass wir damit im System sparen. (Abg. Yılmaz: Nehmen Sie das zurück! ...!) Wir er­höhen in Zukunft um die Inflation, so wie jedes Jahr, meine lieben Österreicherinnen und Österreicher, Ihr Gehalt erhöht wird.

Ich denke, das ist fair, das ist moralisch, das ist transparent. Das ist für Sie, liebe Ös­terreicherinnen und Österreicher, genau wie diese Bundesregierung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bravoruf des Abg. Lausch.)

22.29

22.29.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 255

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz sowie das Parteien-Förderungsgesetz ge­ändert werden, in 548 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Scherak, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag sowie die Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- be­ziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht. (Unruhe im Saal.) – Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Ruhe. Wir haben einige Abstimmungen vorzunehmen. (Abg. Jarolim: Warum haben Sie Minister Blümel von der Rednerliste gestrichen?)

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwur­fes abstimmen lassen.

Da die erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge Verfassungsbestim­mungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsord­nung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorge­sehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 1 sowie die daraus resultierenden Umnummerierungen in Artikel 1 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Abgeordneten Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsan­trag betreffend Art. 1 Z 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Die Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag be­treffend Änderung der ursprünglichen Ziffer 3 in Artikel 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren um ein entsprechendes Zeichen, die hiezu ihre Zu­stimmung erteilen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Die Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 1 und 2 sowie die daraus resultierenden Umnummerierungen in Artikel 2 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen.– Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Abgeordneten Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsan­trag betreffend Art. 2 Z 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 256

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Die Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag be­treffend Änderung der ursprünglichen Ziffer 3 in Artikel 2 eingebracht.

Jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung hiefür sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit ist der Gesetzentwurf in dritter Le­sung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot von Parteispenden für öffentliche Unternehmen und Unternehmen, die im Auftragnehmerkataster aufscheinen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür einsetzen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Verfas­sungsausschusses, seinen Bericht 549 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

22.34.4516. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (504 St 208/18m) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (563 d.B.)


22.34.46Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es gibt dazu keine Wortmeldungen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 563 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien, 504 St 208/18m, um Zu­stimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Jo-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll68. Sitzung, 28. März 2019 / Seite 257

hann Gudenus, M.A.I.S. wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung nach § 283 Abs. 1 Z 2, Abs. 2 StGB wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. besteht; einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Gude­nus, M.A.I.S. wird nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein entspre­chendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Somit ist die Tagesordnung erschöpft.

22.36.09Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zur Abstimmung über den An­trag der Abgeordneten Haider und Lopatka, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Be­richterstattung über die Regierungsvorlage 512 der Beilagen betreffend Konsularge­setz eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

22.36.38Einlauf


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 702/A(E) bis 717/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.37 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

22.37.00Schluss der Sitzung: 22.36 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien