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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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215. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 4., und Freitag, 5. Juli 2013

 

 


Stenographisches Protokoll

215. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 4., und Freitag, 5. Juli 2013

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 4. Juli 2013: 9.05 – 24.00 Uhr

                                                      Freitag, 5. Juli 2013: 0.00 –    0.29 Uhr

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Tagesordnung

Ergänzung und Neureihung der Tagesordnung ............................................................. 41

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 1997/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung weiterer Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Betriebspensionsge­setz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundespflegegeldgesetz, das Mutterschutzge­setz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz (11. Novelle zum APG), das Kinder- und Jugendlichen-Beschäfti­gungsgesetz 1987, das Bundessozialamtsgesetz und das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2013 – ARÄG 2013)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 2321/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Rumänien und Bulgarien

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2366/A der Abgeordneten Renate Csörgits, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das All­gemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 2332/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Stra­che, Kolleginnen und Kollegen betreffend konkrete Maßnahmen für Österreichs Freiwil­lige II

7. Punkt: Bericht über den Antrag 2362/A der Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz und das


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Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (2. Sozialversicherungs-Ände­rungsgesetz 2013 – 2. SVÄG 2013)

8. Punkt: Bericht über den Antrag 2329/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Gesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsge­setz 1967), idF des BGBl. I Nr. 81/2013, geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 2363/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Konrad Steindl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbei­ter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsge­setz geändert werden

10. Punkt: Bericht über den Antrag 2070/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnen­schutzgesetz, zuletzt geändert durch BGBl. 50/2012, geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbil­dungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

12. Punkt: Bericht über den Antrag 2241/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Peter Michael Ikrath, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Or­gane und sonstige öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz, Unv-Transparenz-G) und das Bundesgesetz, mit dem das Bezügebegrenzungs-BVG geändert wird, geändert werden

13. Punkt: Bericht über den Antrag 2340/A der Abgeordneten Otto Pendl, Johann Singer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsge­setz und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden

14. Punkt: Bericht über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend COM(2013) 370 final – Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2013 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Österreichs für die Jahre 2012 bis 2017 (115900/EU XXIV. GP)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 150/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz 2008)

17. Punkt: Bericht über den Antrag 738/A der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft geändert wird

18. Punkt: Bericht über den Antrag 786/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz 2009)

19. Punkt: Bericht über den Antrag 1199/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft geändert wird

20. Punkt: Bericht über den Antrag 468/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Chancengleichheit für Kinder von Geburt an – Ver­ankerung des Geburtslandprinzips (ius Soli) im Staatsbürgerschaftsgesetz


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21. Punkt: Bericht über den Antrag 1960/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung einer verheerenden Lücke im Staats­bürgerschaftsgesetz

22. Punkt: Bericht über den Antrag 2335/A der Abgeordneten Werner Neubauer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschafts­gesetz 1985 geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensge­setz 1991, das Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fonds­gesetz, das EU-Polizeikooperationsgesetz, das Kriegsmaterialgesetz, das Luftfahrtsi­cherheitsgesetz 2011, das Meldegesetz 1991, das Namensänderungsgesetz, das Passgesetz 1992, das Personenstandsgesetz 2013, das Polizeibefugnis-Entschädi­gungsgesetz, das Polizeikooperationsgesetz, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Sicher­heitspolizeigesetz, das Sprengmittelgesetz 2010, das Staatsgrenzgesetz, das Strafre­gistergesetz 1968, das Vereinsgesetz 2002, das Versammlungsgesetz 1953, das Waf­fengesetz 1996, das Wappengesetz und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz-Inneres – VwGAnpG-Inneres)

24. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das FNG-Anpassungsgesetz, das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986, das Arbeitsmarktpoli-
tik-Finanzierungsgesetz, das Freiwilligengesetz und das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 geändert werden (ZDG-Novelle 2013), sowie Bericht über die Anträge

1898/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung der Gedenk-, Sozial- und Friedensdienste als Zivilersatzdienst und

2196/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Auslandsdienste auf eigene finanzielle Beine stellen und für Frauen und Männer öffnen

26. Punkt: Bericht über den Antrag 2195/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Reformen des Zivildienstes in Österreich

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013), und Bericht über den

Antrag 2176/A der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheits­verwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl. I Nr. 53/2012, geändert wird

28. Punkt: Bericht über den Antrag 1982/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung der Schutzlücken im 2. Ge­waltschutzgesetz zum Schutz und zur Sicherheit von Gewaltopfern, insbesondere von Kindern und Jugendlichen

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Exekutivdienstzeichengesetz und das Verwun­detenmedaillengesetz geändert werden

30. Punkt: Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehöri­gen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit,


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in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschrei­tende organisierte Kriminalität

31. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den weiteren Ausbau ganztä­giger Schulformen

32. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesver­fassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fas­sung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulauf­sichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013)

33. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

34. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird

35. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Un­terrichtspraktikumsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungs­gesetz – Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Bereich Dienstrecht)

36. Punkt: Bericht über den Antrag 2341/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerpunkt zur politi­schen Bildung anlässlich der Befreiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Ordnungsrufe ..............................................................................................  157, 176, 187

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 321/A der Abge­ordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG) geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 5. Juli 2013 zu setzen ....................................................................................... 41

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 41

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ................................................................................................ 179

Dietmar Keck .............................................................................................................. 181

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................... 183

Bundesministerin Doris Bures ........................................................................  184, 189

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 185

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 187

Gerhard Huber ............................................................................................................ 187

Christoph Hagen ........................................................................................................ 189

Ablehnung des Fristsetzungsantrages ........................................................................ 190

Antrag der Abgeordneten Stefan Petzner, Kollegin und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Notverstaatlichung von Hypo Alpe-


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Adria-Bank, Kommunalkredit Austria AG und Österreichischer Volksbanken AG (ÖVAG) gemäß § 33 Abs.1 der Geschäftsordnung   ............................................................................................................................. 287

Bekanntgabe ................................................................................................................... 41

Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 289

Antrag der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen, gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung den Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 d.B.): Bundesge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulauf­sichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013) (2498 d.B.), auf die Tagesordnung zu setzen – Annahme          41, 41

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 42

Mitteilung der Präsidentin Mag. Barbara Prammer betreffend den Dialog zwi­schen Mitgliedern der Bundesregierung und Abgeordneten zum Nationalrat                                                    136, 137

Wortmeldungen im Zusammenhang damit:

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 136

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 137

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................. 138

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 138

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 138

Heinz-Christian Strache ............................................................................................ 139

Fragestunde (32.)

Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ............................................................... 16

Renate Csörgits (229/M); August Wöginger, Josef Bucher, Mag. Werner Kogler, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

Oswald Klikovits (227/M); Sigisbert Dolinschek, Karl Öllinger, Bernhard Vock, Franz Riepl

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (232/M); Dietmar Keck, Adelheid Irina Fürn­trath-Moretti, Gerhard Huber, Karl Öllinger

Karl Öllinger (226/M); Josef Jury, Mag. Christine Lapp, MA, Ridi Maria Steibl, Si­gisbert Dolinschek

Sigisbert Dolinschek (233/M); Mag. Albert Steinhauser, Maximilian Linder, Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Johann Höfinger

Martina Schenk (231/M); Karl Donabauer, Gerald Grosz, Dr. Kurt Grünewald, Mag. Gernot Darmann, Erwin Spindelberger

Ulrike Königsberger-Ludwig (230/M); Mag. Gertrude Aubauer, Dr. Wolfgang Spa­diut, Dr. Kurt Grünewald, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

Dr. Franz-Joseph Huainigg (228/M); Ursula Haubner, Karl Öllinger, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Johann Hechtl


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Finanzen betreffend Totalschaden in der Hypo Alpe-Adria und Totalversagen der Bundesregierung (15418/J)      ............................................................................................................................. 120

Begründung: Mag. Werner Kogler ............................................................................. 125

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 129

Debatte:

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 139

Stefan Petzner (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 143

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 144

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 146

Heinz-Christian Strache ............................................................................................ 148

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 151

Stefan Petzner ............................................................................................................ 151

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 154

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 154

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 157

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 160

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................... 161

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................. 163

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 165

Ing. Mag. Hubert Kuzdas ........................................................................................... 166

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 168

Mag. Gernot Darmann ............................................................................................... 169

Gerald Grosz ............................................................................................................... 171

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 174

Elmar Podgorschek ................................................................................................... 176

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfassungsbruch der Bundesregierung bei der Hypo Al­pe-Adria – Ablehnung  142, 178

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (2323 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird (2502 d.B.) ................. 42

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1997/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung weiterer Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöri­ger (2503 d.B.) ............................................................................... 42

Redner/Rednerinnen:

Rupert Doppler ............................................................................................................. 42

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 43

Karl Öllinger .................................................................................................................. 44

August Wöginger ......................................................................................................... 45

Werner Neubauer ......................................................................................................... 46

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 46

Martina Schenk ............................................................................................................. 47

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 48


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Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................... 50

Karl Donabauer ............................................................................................................ 50

Oswald Klikovits .......................................................................................................... 51

Annahme des Gesetzentwurfes in 2502 d.B. ................................................................ 52

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2503 d.B. ..................................................... 52

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (2407 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundespflege­geldgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz (11. Novelle zum APG), das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987, das Bundesso­zialamtsgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2013 – ARÄG 2013) (2504 d.B.)                        52

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2321/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Verlängerung der Übergangsfristen für die Öffnung des österreichischen Ar­beitsmarktes für Rumänien und Bulgarien (2505 d.B.) .................. 52

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2366/A der Abgeordneten Renate Csörgits, Werner Amon, MBA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerli­che Gesetzbuch geändert wird (2506 d.B.) .................................... 53

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2332/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kol­legen betreffend konkrete Maßnahmen für Österreichs Freiwillige II (2507 d.B.)                                                                                                                            53

Redner/Rednerinnen:

Bernhard Vock .............................................................................................................. 53

Renate Csörgits ............................................................................................................ 54

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 57

August Wöginger ......................................................................................................... 58

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 59

Karl Öllinger .................................................................................................................. 61

Ursula Haubner ............................................................................................................ 65

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ..................................................................  67, 75

Martina Schenk ............................................................................................................. 69

Wolfgang Katzian ......................................................................................................... 69

Ridi Maria Steibl ........................................................................................................... 70

Franz Riepl .................................................................................................................... 72

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................... 74

Karl Donabauer ............................................................................................................ 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Beendigung der Vertragsverletzung durch das Bundesland Nie­derösterreich (und anderer) in Zusammenhang mit der vertragswidrigen Einbe­ziehung der Familienbeihilfe bei der Bemessung der Mindestsicherung für Men­schen mit Behinderung – Ablehnung .................................................................................  63, 7


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 8

7

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2504 und 2506 d.B. ....................................... 77

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 2505 und 2507 d.B. ............................ 78

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2362/A der Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-So­zialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 – 2. SVÄG 2013) (2508 d.B.) ............................................................................................. 78

Redner/Rednerinnen:

Alois Gradauer ............................................................................................................. 78

Walter Schopf ............................................................................................................... 81

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 83

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ................................................................................. 83

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 84

Karl Öllinger .................................................................................................................. 85

Martina Schenk ............................................................................................................. 87

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 87

Johann Höfinger ........................................................................................................... 88

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Gradauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der sozialversicherungsrechtlichen Lage von Menschen mit Behinderung – Ablehnung  80, 89

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 89

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2329/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Gesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Fa­milienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967), idF des BGBl. I Nr. 81/2013, geändert wird (2509 d.B.) .............................................................. 89

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 90

Mag. Christine Lapp, MA ............................................................................................. 90

Karl Öllinger .................................................................................................................. 91

Thomas Einwallner ...................................................................................................... 92

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 93

Martina Schenk ............................................................................................................. 94

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2509 d.B. ..................................................... 95

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2363/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Konrad Steindl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (2511 d.B.) ......................................................................................................................................... 95

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 2070/A der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, zuletzt geän­dert durch BGBl. 50/2012, geändert wird (2512 d.B.)      ............................................................................................................................... 95

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 95

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 96


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 9

Karl Öllinger .................................................................................................................. 97

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ................................................................................. 98

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 99

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 99

Martina Schenk ........................................................................................................... 100

Annahme des Gesetzentwurfes in 2511 d.B. .............................................................. 101

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2512 d.B. ................................................... 101

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (2324 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaft­liche Berufsausbildungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (2510 d.B.) ................................................ 101

Redner/Rednerinnen:

Dietmar Keck .............................................................................................................. 101

Johann Höfinger ......................................................................................................... 102

Rupert Doppler ........................................................................................................... 103

Karl Öllinger ................................................................................................................ 103

Martina Schenk ........................................................................................................... 104

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 104

12. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2241/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Peter Michael Ikrath, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz, Unv-Transparenz-G) und das Bundesgesetz, mit dem das Bezügebegrenzungs-BVG geändert wird, geändert werden (2573 d.B.) ..... 105

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 105

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 105

Mag. Gernot Darmann ............................................................................................... 108

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 108

Gerald Grosz ............................................................................................................... 110

Christoph Hagen ........................................................................................................ 111

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher .................................................................................. 112

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 113

13. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2340/A der Abgeordneten Otto Pendl, Johann Singer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (2574 d.B.)                        113

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ........................................................................................................... 113

Otto Pendl ................................................................................................................... 114

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 115

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................. 115

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 116

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 117

14. Punkt: Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Eu­ropäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union ge-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 10

mäß Art. 23e B-VG betreffend COM(2013) 370 final – Empfehlung für eine Emp­fehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2013 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Österreichs für die Jah­re 2012 bis 2017 (115900/EU XXIV. GP) (2455 d.B.) ................................................................................................... 117

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 117

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 118

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 191

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ...................................................................... 192

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 194

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 195

Hannes Weninger ....................................................................................................... 196

Stefan Petzner ............................................................................................................ 197

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2455 d.B. ................................................... 198

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (2303 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsge­setz 1985 geändert wird (2539 d.B.)                            198

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 150/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ge­ändert wird (Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz 2008) (2540 d.B.)         ............................................................................................................................. 198

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 738/A der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft geändert wird (2541 d.B.) ................................... 198

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 786/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ge­ändert wird (Staatsbürgerschaftsänderungsgesetz 2009) (2542 d.B.)         ............................................................................................................................. 199

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 1199/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österrei­chische Staatsbürgerschaft geändert wird (2543 d.B.) ..................... 199

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 468/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Chancengleichheit für Kinder von Geburt an – Verankerung des Geburts­landprinzips (ius Soli) im Staatsbürgerschaftsgesetz (2544 d.B.)                       199

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 1960/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung einer verheerenden Lücke im Staatsbürgerschaftsgesetz (2545 d.B.) ....................................................................... 199

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 2335/A der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geän­dert wird (2546 d.B.) ....................................... 199


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 11

Redner/Rednerinnen:

Harald Vilimsky .......................................................................................................... 199

Günter Kößl ................................................................................................................ 201

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 202

Angela Lueger ............................................................................................................ 204

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................. 206

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 208

Christoph Hagen ........................................................................................................ 209

Staatssekretär Sebastian Kurz ................................................................................. 211

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 212

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 214

Werner Neubauer ....................................................................................................... 216

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 218

Annahme des Gesetzentwurfes in 2539 d.B. .............................................................. 219

Kenntnisnahme der sieben Ausschussberichte 2540, 2541, 2542, 2543, 2544, 2545 und 2546 d.B.      ............................................................................................................................. 220

Gemeinsame Beratung über

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (2211 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991, das Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, das Bundes-Stif­tungs- und Fondsgesetz, das EU-Polizeikooperationsgesetz, das Kriegsmaterial­gesetz, das Luftfahrtsicherheitsgesetz 2011, das Meldegesetz 1991, das Na­mensänderungsgesetz, das Passgesetz 1992, das Personenstandsgesetz 2013, das Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz, das Polizeikooperationsgesetz, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Sicherheitspolizeigesetz, das Sprengmittelge­setz 2010, das Staatsgrenzgesetz, das Strafregistergesetz 1968, das Vereinsge­setz 2002, das Versammlungsgesetz 1953, das Waffengesetz 1996, das Wap­pengesetz und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (Verwaltungsge­richtsbarkeits-Anpassungsgesetz-Inneres – VwGAnpG-Inneres) (2547 d.B.) ................................... 220

24. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das FNG-Anpassungsgesetz, das Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asyl­gesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden (2548 d.B.)                                                                                                                                                  221

Redner/Rednerinnen:

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 221

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 222

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................. 223

Hannes Fazekas .......................................................................................................... 224

Christoph Hagen ........................................................................................................ 225

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 2547 und 2548 d.B. ..................................... 225

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (2406 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Freiwilligengesetz und das Fa­milienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (ZDG-Novelle 2013), sowie über die Anträge

1898/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Absicherung der Gedenk-, Sozial- und Friedensdienste als Zivil­ersatzdienst und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 12

2196/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kol­legen betreffend: Auslandsdienste auf eigene finanzielle Beine stellen und für Frauen und Männer öffnen (2537 d.B.)        ............................................................................................................................. 226

26. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 2195/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Reformen des Zivildienstes in Österreich (2538 d.B.) ......................................................................... 226

Redner/Rednerinnen:

Tanja Windbüchler-Souschill .................................................................................... 226

August Wöginger ....................................................................................................... 228

Stefan Petzner ............................................................................................................ 229

Otto Pendl ................................................................................................................... 230

Werner Herbert ........................................................................................................... 231

Christoph Hagen ........................................................................................................ 232

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 232

Johann Singer ............................................................................................................ 234

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 235

Hermann Gahr ............................................................................................................ 235

Annahme des Gesetzentwurfes in 2537 d.B. .............................................................. 236

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2537 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der „Freiwilligen Jahre“ nach dem Freiwilligen­gesetz 2012 (E 324) ........ 236

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2537 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Schaffung besonderer bundesgesetzlicher Regelungen für Auslandsdienste (E 325)                     237

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2538 d.B. ................................................... 237

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (2434 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwal­tungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013), und über den

Antrag 2176/A der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspoli­zeigesetz – SPG), BGBl. I Nr. 53/2012, geändert wird (2549 d.B.)     ............................................................................................................................. 237

28. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 1982/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung der Schutzlücken im 2. Gewaltschutzgesetz zum Schutz und zur Sicherheit von Gewaltopfern, insbesondere von Kindern und Ju­gendlichen (2550 d.B.) ......................................................................... 237

Redner/Rednerinnen:

Tanja Windbüchler-Souschill .................................................................................... 237

Günter Kößl ................................................................................................................ 238

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 239

Werner Herbert ..................................................................................................  240, 246

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................. 241

Christoph Hagen ........................................................................................................ 242


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 13

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 243

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 244

Entschließungsantrag der Abgeordneten Otto Pendl, Günter Kößl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Evaluierung des Sicherheitspolizeigesetzes – An­nahme (E 326) ......................  246, 248

Annahme des Gesetzentwurfes in 2549 d.B. .............................................................. 247

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 2550 d.B. ................................................... 248

29. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (2433 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Exekutivdienstzeichenge­setz und das Verwundetenmedaillengesetz geändert werden (2551 d.B.) ....................................................................................................... 248

Redner/Rednerinnen:

Jochen Pack ................................................................................................................ 248

Hannes Fazekas .......................................................................................................... 249

Christoph Hagen ........................................................................................................ 250

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 250

30. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (2132 d.B.): Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Schuss­waffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Na­tionen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (2552 d.B.) ............. 250

Redner/Rednerinnen:

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 251

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 251

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 252

Genehmigung des Staatsvertrages in 2552 d.B. ......................................................... 252

31. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2410 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den weiteren Ausbau ganztägiger Schulformen (2496 d.B.)                          252

Redner/Rednerinnen:

Christine Marek .......................................................................................................... 252

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 254

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 255

Ursula Haubner .......................................................................................................... 256

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 257

Mag. Laura Rudas ...................................................................................................... 258

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 258

Hermann Gahr ............................................................................................................ 259

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 260

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................... 261

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 261

Elmar Mayer ................................................................................................................ 262

Genehmigung der Vereinbarung in 2496 d.B. .............................................................. 263

Gemeinsame Beratung über

32. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bun­desverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsge-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 14

setz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013) (2498 d.B.) ................................. 263

33. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2411 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (2497 d.B.) ............................... 264

34. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2436 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geän­dert wird (2499 d.B.) ...................... 264

35. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2427 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Bereich Dienstrecht) (2500 d.B.) ................................................................................. 264

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 264

Sonja Ablinger ............................................................................................................ 266

Ursula Haubner .......................................................................................................... 268

Anna Franz .................................................................................................................. 272

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 273

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 274

Elmar Mayer ................................................................................................................ 275

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .........................................................  275, 277

Mag. Silvia Grünberger ............................................................................................. 276

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 277

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betref­fend Reform der Schulverwaltung – Ablehnung .............................................................................  270, 280

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Einbindung der Schulpartner – Annahme (E 327)  273, 280

Annahme der vier Gesetzentwürfe in 2498, 2497, 2499 und 2500 d.B. ...................... 279

36. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2341/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anlässlich der Befreiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren (2501 d.B.) .................................................................................................................... 280

Redner/Rednerinnen:

Franz Kirchgatterer .................................................................................................... 280

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 281

Anneliese Kitzmüller .................................................................................................. 282

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 284

Ursula Haubner .......................................................................................................... 284

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 285

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 285

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 286

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anlässlich der Be­freiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren – Ablehnung ..............................................................  283, 287


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 15

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 2501 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anlässlich der Befrei­ung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren (E 328)                                                                                                    287

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Martina Schenk und Kollegen betreffend Anti-Mobbing-Gesetz (2372/A)(E)

Alois Gradauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der sozialversi­cherungsrechtlichen Lage von Menschen mit Behinderung (2373/A)(E)

Josef Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend Errichtung einer Stadtbibliothek in Kla­genfurt (2374/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Totalschaden in der Hypo Alpe-Adria und Totalversagen der Bundesregie­rung (15418/J)

Mag. Silvia Grünberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Umsetzung der Eisenbahnkreuzungsver­ordnung 2012 (15419/J)

Dr. Martin Bartenstein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Weitergabe medizinischer Daten an die Austro Control (15420/J)

Christine Marek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Beteiligung Österreichs an internationalen Studien (15421/J)

Dr. Franz-Joseph Huainigg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Folgeanfrage zu 14708/J: bevor­stehende Bestellung des Bundesbehindertenanwalts/der Bundesbehindertenanwältin (15422/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Positionierung des BMeiA in der Post-2015-Debatte und die Umsetzung der Menschenrechte (15423/J)

Ing. Robert Lugar, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend aktuellen Stand bezüglich Kommunikationscoaching um 113 112 € (15424/J)

Ing. Robert Lugar, Kollegin und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend US-Spio­nage – aus der Sicht österreichischer Ministerien (15425/J)

Ing. Robert Lugar, Kollegin und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend US-Spionage – aus der Sicht österreichi­scher Ministerien (15426/J)

Ing. Robert Lugar, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend US-Spionage – aus der Sicht österreichischer Ministerien (15427/J)

Ing. Robert Lugar, Kollegin und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend US-Spionage – aus der Sicht österreichischer Ministerien (15428/J)

Stefan Markowitz, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Aufnahme und Abschluss an der Polizeischule (15429/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 16

09.05.16Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und darf Sie bitten, sich auf Ihre Plätze zu begeben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Großruck, Kickl, Zanger, Mag. Jarmer, Mag. Schatz, Mag. Unterreiner und Tadler.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung auf ORF 2 bis voraussichtlich 10.20 Uhr und auf ORF III in voller Länge übertragen wird.

09.05.47Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden vom Halb­rund aus erfolgen. Der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz wird die Antworten vom Rednerpult aus geben.

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich sehr strikt sein werde: Die Fragesteller und Fragestellerinnen haben 1 Minute Zeit, der Herr Bundesminister zur Beantwortung der Hauptfrage 2 Minuten und zur Beantwortung der Zusatzfragen 1 Minute. Ich werde je­des Mal knapp vor Ablauf der Zeit mittels Glockenzeichen darauf hinweisen.

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Damit gelangen wir zur ersten Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Csörgits. – Bitte.

 


Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Schönen guten Morgen, mei­ne Damen und Herren! Sehr geschätzter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

229/M

„Wie hat die Bundesregierung auf die generellen Herausforderungen des Arbeitsmark­tes – insbesondere angesichts der auch gesamteuropäisch schwachen Konjunkturla­ge – reagiert?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wunderschönen guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie haben wir reagiert? – Wir haben uns bemüht, mit dem vor zwei Wochen beschlos­senen Konjunkturpaket im Ausmaß von 1,6 Milliarden zu reagieren. Das betrifft viele Sektoren, nicht nur die Bauwirtschaft, wie immer gesagt wird, sondern es geht auch darum, Kinderbetreuungsplätze verstärkt zu fördern, die Qualität von Kinderbetreu­ungsplätzen, sprich Öffnungszeiten, zu verbessern. Weiters werden für österreichische


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 17

Klein- und Mittelbetriebe entsprechende Investitionen vorangetrieben. Damit haben wir eine Antwort gegeben, als eines der wenigen Länder Europas, die solch ein Konjunk­turpaket geschnürt haben.

Ich gehe davon aus, und unsere Zahlen belegen es, bei allen Schwierigkeiten, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, dass wir doch am einigermaßen richtigen Weg sind, denn eines ist auch ganz klar: Wir leben auf keiner Insel, und unsere sehr exportorientierte Industrie hat natürlich Probleme bei den europäischen Absatzmärkten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Csör­gits.

 


Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Welche Maßnahmen werden im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik gesetzt, um Arbeitslose oder Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, dementsprechend weiterzubilden, ihnen dementsprechend auch Qualifi­kationen zu vermitteln, damit sie wieder leichter in den Arbeitsprozess zurückkehren können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ein ganz wesentlicher Punkt unserer AMS-Förderprogramme ist Qualifikation auf allen Sektoren, beginnend bei der Pflege, beginnend bei Frauen in Technik und Handwerk. Ganz, ganz wesentlich und seit 4 Tagen wirksam ist das Fachkräftestipendium für ganz spezielle Berufsausbildungen. Menschen, die sich in diesen Berufsausbildungen quali­fizieren wollen, müssen nicht mehr 3 Monate arbeitslos sein, sondern können gleich am nächsten Tag, nachdem sie ihr Dienstverhältnis beendet haben, dort einsteigen. In Summe gesehen haben wir voriges Jahr über das AMS 330 000 Menschen zu höheren Qualifikationen gebracht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Wö­ginger.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir haben zwar die niedrigste Arbeitslosenquote innerhalb der Europäischen Union, aber wir haben zum jetzigen Zeitpunkt um 30 000 Arbeitslose mehr im Vergleich zum Vor­jahr.

Vor Kurzem wurde ein Anliegen an mich herangetragen, und ich möchte das kurz aus­führen. Ein Unternehmer in Oberösterreich suchte selbständige Handelsvertreter für Oberösterreich, Salzburg und Tirol, und das AMS lehnte es ab, ihm jemanden zu nen­nen. Das sei nicht zumutbar. Der Unternehmer wandte sich an das Arbeitsamt Passau, und dort wurde innerhalb von 14 Tagen ein ganztägiger Kennenlerntermin mit 15 Interes­sierten organisiert. Dem Unternehmer wurden die Anreise und der Aufenthalt bezahlt. Ergebnis: Jetzt machen 5 Leute aus Bayern diesen Job um rund 4 000 € bis 5 000 € pro Monat.

Meine Frage, Herr Bundesminister: Was werden Sie unternehmen, damit in Zukunft beim AMS wirklich die aktive Vermittlung einer Erwerbsmöglichkeit im Vordergrund steht und solche Beispiele vermieden werden können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Abgeordneter Wöginger, ich hätte folgenden Vorschlag: Hätten Sie mir das gleich gegeben, als Sie es erfahren haben, dann wäre das schon längst abgestellt – Punkt eins.

Punkt zwei: Das AMS hat 850 000 Kundinnen und Kunden pro Jahr und hat allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 326 000 Menschen zu einer neuen Beschäf­tigung verholfen. Das heißt, ich glaube, wir sollten uns den Fall ganz genau anschau-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 18

en, dann kommen wir drauf, was ist Wahlkampf und was ist Realität. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Klubobmann Bucher. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren (das Glockenzeichen gebend), Herr Klubobmann Bucher ist mit seiner Frage am Wort!

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Sehr schön, Herr Bundesminister, dass Sie schon in Wahlkampflaune sind. Gleich eine Zusatzfrage: Tagtäglich erfahren wir von einer Firmenpleite in Österreich, mit oft Tausenden, die in Zukunft in die Arbeitslosig­keit geraten. Meine Frage an Sie ganz konkret:

Was wollen Sie unternehmen, um dieser Situation am Arbeitsmarkt Herr zu werden? Was sagen Sie den vielen Hunderttausenden Österreicherinnen und Österreichern zu Hause an den Bildschirmen, die jetzt diese Sitzung mitverfolgen, die keinen Job ha­ben? Gibt es in nächster Zeit einen Masterplan oder irgendeine Initiative von dieser Bundesregierung, die diese Arbeitslosigkeitsentwicklung in Österreich endlich ernst nimmt? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Abgeordneter Bucher, Punkt eins: Sie wissen ganz genau, dass mit dem Konjunk­turpaket, das ich zuerst erwähnt habe, in den ersten sechs Monaten 326 000 Men­schen, die arbeitslos waren, über das AMS wieder eine Beschäftigung bekommen. Es ist vollkommen klar, dass wir natürlich  (Abg. Bucher: Zu wenig!  wächst ja von Woche zu Woche!) – „Zu wenig“, noch einmal: Wir leben nicht auf einer Insel, und selbstverständlich steht jetzt zum Beispiel, nachdem heute oder morgen noch eine große Firma dazukommen wird, das gesamte Programm Insolvenzstiftung, Entgeltfort­zahlungsfonds und so weiter zur Verfügung, um diesen Menschen akut zu helfen.

Diese Angestellten dieser oberösterreichischen Handelsfirma haben ja unter anderem kein Junigehalt, keine Sonderzahlung bekommen. Das werden wir gerne übernehmen, weil wir auch zeigen, wie dieser aktivierende Sozialstaat funktioniert. Aber für gewisse Managementfehler machen Sie bitte nicht den Staat verantwortlich – gerade Sie, die von einer Partei kommen, die sehr viel  (Abg. Bucher: Ich habe nicht von „Manage­mentfehlern“ geredet! Es geht um eine Perspektive!) – Das sind Managementfehler, denn der Fall der Firma dayli ist ein Managementfehler, wo jetzt der Staat alles über­nehmen soll, nur damit wir uns darüber im Klaren sind. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Ursula Haubner: Es geht nicht um dayli! Allgemein!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kogler.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister, die Ursprungsfra­ge hat sich ja auf ein sogenanntes Konjunkturpaket bezogen. Unabhängig davon, dass der eine oder andere Wirtschaftsforscher meint, das wird erst 2014/15 greifen, bleibt doch anlässlich der Alpine-Pleite die Frage, ob die Umstrukturierung der Bauwirtschaft nicht im Vordergrund stehen sollte, und zwar dahin gehend, dass wir wesentlich mehr Arbeitsplätze brauchen könnten in kleingewerblicheren Baufirmen, die sich mit den zukunftsträchtigen Jobs in der Bauwirtschaft beschäftigen, nämlich in der Gebäudesa­nierung und im Gebäudeneubau, also im Hochbau und weniger im Tiefbau.

Können Sie also ausschließen, dass wir hier die zumindest behauptete Überkapazität am Tiefbausektor weiter füttern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 19

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich glaube, das, was wir im Konjunkturpaket gemeinsam geschaffen haben, unter an­derem Fortsetzung der thermischen Sanierung, unter anderem über die ERP-Kreditför­derung für Klein- und Mittelbetriebe, ist ein deutliches Signal für Klein- und Mittelbe­triebe, unter anderem durch Hochbau und vor allem Sanierungshochbau. Wir alle wis­sen, dass Sanierungshochbau das Arbeitsplatzintensivste ist. Demzufolge glaube ich, dass wir hier sehr viele Impulse für die Klein- und Mittelbetriebe gesetzt haben und nicht für die drei, vier großen Baufirmen, die wir in Österreich haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Be­lakowitsch-Jenewein.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister! Sie erklären uns ja immer, dass wir vor allem gut qualifizierte Ausländer ins Land holen. Wenn wir uns aber die Arbeitsmarktdaten von Ende Juni 2013 anschauen, dann zeigt sich, dass über 53 000 arbeitslose ausländische Personen gemeldet waren, das ist ein Plus von 17,9 Prozent. Im Gegensatz dazu gibt es bei den Inländern ein Plus von 8 Prozent. Wie werden Sie angesichts dieser Daten auf den mehr als doppelt so hohen Anstieg der Ausländer reagieren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Es findet innerhalb der österreichischen Wirtschaft teilweise ein Austausch statt zwi­schen jungen Ausländern und alten Ausländern – Punkt 1.

Punkt 2: Diejenigen, die eine ausländische Staatsbürgerschaft haben und in Österreich einen ganz regulären Aufenthaltstitel haben und ganz, ganz regulär tätig sind, haben natürlich das gleiche Qualifizierungsprogramm des AMS in Anspruch zu nehmen wie alle anderen auch, weil wir natürlich auch bei dieser Personengruppe die Qualifika­tionen vorantreiben müssen und wollen, um sie wiederum zu reintegrieren.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 2. Anfrage, das ist die des Herrn Abgeordneten Klikovits. – Bitte.

 


Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Herr Bundesminister, wie Sie schon vorher ausgeführt haben, scheint es offensichtlich trotz hoher Mittel nicht zu gelingen, die Arbeitslosenzahlen zu senken oder die Leute in Beschäftigung zu bringen oder zu qua­lifizieren.

Meine Frage an Sie:

227/M

„Wie hat sich die Zahl der Arbeitssuchenden seit Juli 2012 in den einzelnen Bundes­ländern, insbesondere in Wien und Niederösterreich, im Vergleich entwickelt, einerseits nach ihrem Wohnort, andererseits nach ihrem letzten Arbeitsort?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Abgeordneter, wenn wir von der Statistik des Arbeitsortes ausgehen, hat Nieder­österreich eine Steigerung der Arbeitslosigkeit von 9,3 Prozent gehabt, Wien eine Stei­gerung von 6,8 Prozent. Wenn wir vom Wohnort ausgehen, dann ist das umgekehrt, da hat Niederösterreich eine Steigerung von 8 Prozent gehabt und Wien eine Steigerung von 11,3 Prozent. In Wirklichkeit ist es so, dass die beiden Bundesländer arbeitsmarkt­technisch auf das Engste zusammenhängen, da ein Fünftel derer, die in Niederöster­reich als arbeitsfähig leben, den Arbeitsplatz in Wien hat.

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Kliko­vits.

 


Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Das heißt, es werden aufgrund der wirt­schaftlich schlechten Lage in Wien Arbeitslose nach Niederösterreich und ins Burgen­land, denn dort haben wir dasselbe Problem, exportiert. Das scheint offensichtlich so zu sein. Meine Frage:

Was werden Sie unternehmen, damit die Arbeitsmarktstatistik aussagekräftiger wird und damit die rot-grüne Wiener Stadtregierung ihre unsolidarischen Handlungen über­legt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Jetzt sind wir, glaube ich, wirklich im Wahlkampf, jetzt vergessen wir es im Wahlkampf. (Abg. Klikovits: Das ist ein Problem! Abg. Neugebauer: Nicht alles ist Wahlkampf!)

Noch einmal: Niederösterreich kann ohne Wien arbeitsmarkttechnisch nicht existieren, das ist so! Von den 663 000 unselbständig Beschäftigten, in Niederösterreich wohn­haft, arbeitet ein Fünftel – 21,6 Prozent, das sind 143 000 – in Wien. Das ist gut so, das soll so sein, das möchte ich überhaupt nicht infrage stellen. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Klikovits.)

Noch einmal: Wenn dann der in Wien arbeitende Niederösterreicher arbeitslos wird, wird er in Niederösterreich natürlich arbeitslos, das ist ja keine Frage, aber Wien ver­sieht ja nicht die Leute, die aus Niederösterreich sind, mit einem Mascherl – denn Wien weiß nicht einmal, wer in Niederösterreich wohnt oder nicht wohnt. Das ist doch bitte eine Unterstellung, die lassen wir dort, wo sie hingehört! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Klikovits: Sie exportieren Arbeitslosigkeit!)

Aber überhaupt nicht! Das ist doch bitte eine vollkommene, wirklich naivste Unterstel­lung! Das Beschäftigungswachstum des Wiener Arbeitsmarktes (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) – ich bin gleich fertig – betrug 6,84 Prozent, und in Niederösterreich waren es nur 0,29 Prozent, was will man tun? Niederösterreich hat ein Problem auf dem Arbeitsmarkt (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wien nicht, na! Das glaubt Ihnen aber niemand!), Wien hat ein Problem auf dem Arbeitsmarkt. Beide haben ein Problem auf dem Arbeitsmarkt, aber klar ist: Niederösterreich hat es bei dem Problem etwas leichter, denn ein Fünftel aller in Niederösterreich Arbeitsfähi­gen ist in Wien beschäftigt. Wien ist in Wahrheit der Staubsauger.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dolin­schek.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir sind uns, glaube ich, darin einig, dass jeder Arbeitslose einer zu viel ist. Wir wissen aber durch den Vergleich Juni des Vorjahres mit heuer, dass sowohl die Zahl der Men­schen in Schulungen, wo man eine aktive Arbeitsmarktpolitik betreibt, als auch die Ar­beitslosenzahlen gestiegen sind. Wir haben jetzt das Problem, dass eine große Bau­firma pleitegegangen ist, dass im Nahversorgungs-, im Dienstleistungsbereich ein Be­trieb zusperrt und viele Arbeitslose auf den Markt drängen.

Es ist ja ein Konjunkturpaket geschnürt worden, aber welche Auswirkungen erwarten Sie sich von dem relativ verspäteten Konjunkturpaket? Und mit welchen kurz- oder mit­telfristigen Beschäftigungseffekten rechnen Sie in diesen Bereichen? Und in welcher Höhe?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, ich mache nur darauf auf­merksam: Das waren drei Fragen. Normalerweise, laut Geschäftsordnung, gibt es eine Frage. Dem Herrn Bundesminister steht es natürlich frei, alle zu beantworten. – Bitte.

 



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Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Punkt eins, der Beschäftigungseffekt: Alleine das, was wir hier unter Wohnbau haben, sind zirka, glaube ich, jetzt 20 000 Arbeitsplätze mehr, die wir damit absichern bezie­hungsweise neu schaffen. Die Firma ALPINE selber ist arbeitsmarkttechnisch gesehen für diejenigen, die Arbeiter sind, ein nicht so dramatisches Thema. Ich gehe davon aus, dass wir dann, wenn viele Rechtsfragen, die natürlich auch zu klären sind – bei Über­gaben von Baustellen haben ja die Auftraggeber nicht unwesentliche Rechtsstellung –, geklärt sein werden, fast keinen arbeitslosen Bauarbeiter aus der ALPINE haben wer­den. Wir haben ein gewisses Problem im mittleren Management oder im mittleren An­gestelltenbereich der Firma ALPINE. Da müssen wir noch weiter daran arbeiten – das geschieht auch mehr oder weniger permanent –, und wir müssen auch schauen, was wirklich auf uns zukommt.

Demzufolge sind all diese Konjunkturimpulse, so glaube ich, die richtige Maßnahme; ob es jetzt um ein halbes Jahr früher der später geschieht – darüber kann man immer diskutieren. Aber Fakt ist, wenn Sie vor einem halben Jahr gesagt hätten, die Firma ALPINE werde seit drei Wochen nicht mehr existieren, dann hätte Ihnen auch keiner geglaubt, weil wir alle angenommen haben, dass die spanischen Eigentümer das, was sie die letzten zwei Jahre gemacht haben, weitermachen werden, nämlich die Firma auch finanziell auszustatten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Öl­linger.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Das mit Si­cherheit erfolgreichste arbeitsmarktpolitische Programm der letzten Jahrzehnte, vor al­lem im Bereich gemeinnütziger Beschäftigung, war die „Aktion 8000“, die dann aus politischen Gründen eingestellt wurde. Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit oder relativ hoher Arbeitslosigkeit, vor allem bei jüngeren Menschen, würde es sich da­her meiner Ansicht nach lohnen, über eine Neuauflage, auch eine Veränderung dieser „Aktion 8000“ nachzudenken, die im gemeinnützigen Bereich nachhaltig sehr viele Ar­beitsplätze geschaffen hat.

Planen Sie eine derartige Aktion, Herr Bundesminister?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wir haben derzeit zehn Modelle kreuz und quer in Österreich laufen, die alle auf Basis von sozialökonomischen Betrieben laufen – drei davon in Oberösterreich, Niederöster­reich und Wien –, wo es darum geht, dass wir vor allem für die Gruppe derer, die ältere Arbeitslose mit gesundheitlicher Beeinträchtigung sind, solche Aktivitäten planen. Das heißt, die „Aktion 8000“ gibt es unter anderen Vorzeichen immer. Sie heißt halt nicht so, sondern sie heißt jetzt anders, aber gerade bei den sozialökonomischen Betrieben haben wir einen Ausbau und keinen Rückgang. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Vock.

 


Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Minister, die folgenden Zahlen habe ich von den Landesstellen des AMS: Während in Niederösterreich von rund 51 000 Ar­beitssuchenden nur jeder Sechste in Schulungen weiterqualifiziert wird, sind in Wien bei 112 500 Arbeitssuchenden über 30 000 Personen in Schulungen, also jeder Vierte.

Wäre es anstelle von AMS-Schulungen nicht zielführender, durch gemeinsame Maß­nahmen mit Frau Bundesministerin Schmied das mangelnde Bildungsniveau der Schul­absolventen in Wien zu erhöhen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Wir bemühen uns alle gemeinsam, das Bildungsniveau zu steigern. Solange aber jetzt die gesamte Schulreform nicht abgeschlossen ist, werden wir weiterhin über das AMS diese Reparaturmedizin machen. Ein weiterer Schritt, um die Lage zu verbessern, sind die Jugendcoaches. Die Jugendcoaches gehen seit zwei Jahren in die Pflichtschulen in den letzten Jahrgang und informieren. Und allein das, was wir im letzten Jahr in Wien schon an Ergebnissen haben, wird zeigen, dass die Zahlen, langfristig gesehen, etwas rückläufig sind. Aber klar ist, wir müssen uns im Bereich der Schulbildung natürlich ver­bessern.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Riepl.

 


Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Bundesminister, als ich heute in der Früh von Ottakring mit der U 3 ins Parlament gefahren bin, sind bei der Station Westbahnhof Hunderte Pendler eingestiegen, die sichtlich mit einem Zug aus Niederösterreich ge­kommen sind und in Wien ihren Arbeitsplatz aufsuchen. Der Grund dafür ist wahr­scheinlich, dass sie in Niederösterreich keine Chance haben, eine Arbeit zu finden, und dankbar dafür sind, in Wien eine Arbeit zu haben.

Wie hat sich die Zahl der Beschäftigten in Wien und in Niederösterreich eigentlich ent­wickelt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich habe es zuerst schon gesagt: Wir haben in Niederösterreich innerhalb eines Jahres eine Steigerung von 0,29 Prozent gehabt und in Wien eine Steigerung von 0,84 Pro­zent. Das heißt, der Wiener Arbeitsmarkt hat sich dynamischer entwickelt als der nie­derösterreichische Arbeitsmarkt.

Und was auch ganz erfreulich ist: Wir haben in Wien um 500 Lehrlinge mehr als in Niederösterreich. Auch das ist, so glaube ich, bemerkenswert, dass da die Lehrlings­ausbildung stärker vorangetrieben wird.

Ich sage es noch einmal: Ich glaube, wir tun uns alle nichts Gutes, wenn wir jetzt be­ginnen, ein Bundesland gegen das andere Bundesland auszuspielen. Wir schaffen uns viel bessere Ausgangspositionen, wenn wir alle ein bisschen zusammenrücken und uns nicht auseinanderdividieren lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 3. Anfrage, 232/M, das ist die der Frau Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bun­desminister! Der Arbeitsmarkt ist angespannt. Die Pleiten sind ja in aller Munde, ich will gar nicht näher darauf eingehen, es wissen ja alle Zuseher: dayli, ALPINE, Nieder­meyer und so weiter. Dazu kommt – Sie haben gerade geantwortet –, dass ältere aus­ländische Arbeitnehmer von jüngeren ersetzt werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich schon gerne wissen:

232/M

„Warum setzen Sie sich vor dem Hintergrund der negativen Entwicklungen am heimi­schen Arbeitsmarkt nicht auf europäischer Ebene für eine Verlängerung der Über­gangsfristen für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Rumänien und Bul­garien ein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Sie wissen ganz genau, was „Vertragstreue“ heißt, Sie wissen auch ganz genau, wie


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 23

das europäische Reglement ist. Sie wissen auch, dass man zu europäischen Verträ­gen stehen muss. Und ich stehe zu denen, die noch dazu im Jahr 2005, als die Sozial­demokratie nicht in der Regierung war, abgeschlossen worden sind.

Wir haben die maximale Übergangsfrist ausgenützt, wurden dafür von vielen geschol­ten, aber wir haben es durchgehalten. Und demzufolge stehe ich dazu, dass wir na­türlich die Verträge einhalten. Was wir auch zur Kenntnis nehmen müssen – und das sei nicht missverstanden –, ist: Wir blicken immer nach dem Osten. Ich lade einmal alle ein, sich anzuschauen, wie viele Österreicherinnen und Österreicher im Westen Öster­reichs in unsere sogenannten Nachbarländer auspendeln. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Be­lakowitsch-Jenewein.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister! Der burgenländische SPÖ-Soziallandesrat Peter Rezar hat angesichts der Ostöffnung – der erste Schritt der Ostöffnung betraf die Slowakei, Tschechien und vor allem Un­garn – damals gesagt, das gesamte Beschäftigungsplus im Burgenland – so sagten die Analysen des AMS – ging ausschließlich auf das Konto ausländischer Beschäftigter. Gestiegen sei die Arbeitslosigkeit vor allem in Hilfsberufen, im Handel, am Bau und im Fremdenverkehr, so Rezar.

Herr Bundesminister, sagt der Soziallandesrat da die Unwahrheit?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Er sagt nicht ganz die Unwahrheit, auf keinen Fall. Ich war erst vorigen Samstag mit ihm in Oberpullendorf unterwegs, weil wir natürlich über dieses Thema diskutieren, aber wir sind uns auch einig, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes auch dem Burgen­land sehr, sehr viel gebracht hat. – Punkt eins.

Punkt zwei: Es sind nicht alle Arbeitsplätze, die dazugekommen sind, mit Ungarn be­setzt, sondern auch mit Österreichern. Auch das haben wir zwischenzeitlich aufgear­beitet.

Was noch dazukommt: Wir haben das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das gerade im Burgenland sehr restriktiv kontrolliert wird.

Dann sage ich auch eines ganz offen: Nehmen wir uns teilweise selbst ein bisschen ernst, nehmen wir uns auch dahin gehend ernst, dass wir uns bemühen, dass dieje­nigen, die nicht die Rechtsnormen und nicht die Entlohnungsnormen einhalten, auch vor den Vorhang gebeten werden!

Eines ist ganz klar: Hinter all diesen Schicksalen steht ein österreichischer Auftrag­geber. Das sollte uns auch nachzudenken geben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Keck.

 


Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Seit 1. Juli 2013 gibt es ein neues Mitgliedsland in der Europäischen Union, nämlich Kroa­tien.

Herr Bundesminister, wie wird das Übergangsregime zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und zur Dienstnehmerfreiheit bezüglich Kroatien umgesetzt werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Kroatien hat von uns das gleiche Übergangsregime wie alle anderen, das heißt, die sie-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 24

ben Jahre werden wir ausnützen. Das ist ein Etappenplan 2-3-2. Die ersten zwei Jahre beginnen und wir haben von Haus aus gesagt, wir wollen die volle Übergangsfrist ha­ben. Demzufolge wird das auch so sein. Ich nehme nicht an, dass jetzt innerhalb dieser sieben Jahre ein totaler Umbruch oder ein totaler Wandel kommen wird.

Das heißt, es wird während dieser Übergangsperiode keine Arbeitnehmerfreizügigkeit geben. Das Einzige, was stattfindet, ist: In der Mangelberufsliste werden sie nach Maß­gabe, wenn ein Mangel da ist, bevorzugt zugelassen, aber das ist auch geltendes Re­gelwerk.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Fürn­trath-Moretti.

 


Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Österreich braucht dringend Fachkräfte, die besten Köpfe aus ganz Europa, damit wir im internationalen Wettbewerb bestehen können. Nur mit den entsprechen­den Fachkräften können wir unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen und damit Wachstum und Wohlstand ausbauen.

In Österreich haben wir bereits einen großen Schritt mit der Bildungsteilzeit und dem Fachkräftestipendium gemacht. Wir forcieren damit die Ausbildung im Inland.

Jetzt ist ja Kroatien seit 1. Juli ein weiteres Mitglied in der EU. Herr Bundesminister, werden Sie eine Verkürzung der Übergangsfristen für den Arbeitsmarkt für Kroatien unterstützen, sofern die Arbeitsmarktlage dies zulässt, damit wir unsere Wirtschaft wie­der in Schwung bringen können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Ich habe es gerade beantwortet. Wenn ich dann noch im Amt bin, machen wir die Re­gelung 2-3-2, wobei wir über die Mangelberufsliste – das muss man auch einmal sagen – und über die Saisonbeschäftigung ja schon 18 629 kroatische Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer haben. Dann haben wir eine Zahl x, die wir an und für sich nicht kennen, weil diejenigen, die schon sehr lange in Österreich sind, aber immer noch kroatische oder serbische Staatsbürger sind, bei uns unter „Jugoslawien“ laufen, weil es ja nicht möglich war, diese auseinanderzuteilen, denn wir sind ja zu niemandem nach Hause gegangen und haben gefragt: Woher kommst du? – Das können wir nicht tun. Das heißt, wir schätzen, dass in der Zahl der 77 000 sogenannten jugoslawischen Arbeitskräfte auch noch ein gewisser Teil, der Kroatien zugehörig ist, drinnen steckt.

Ansonsten kann ich nur dringend vorschlagen und ersuchen: Versuchen wir, die Stei­gerung der Lehrlingszahlen, die wir in der Industrie in den letzten zwölf Monaten ge­schafft haben, auch in allen anderen Sektoren der Wirtschaft zusammenzubringen! Dann haben wir ein ganz ordentliches Plus, denn die Industrie hat ein ordentliches Plus hingelegt. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Huber.

 


Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Frau Präsident! Herr Minister! Die Menschen haben Angst, die Menschen haben Zukunftsängste, können sich das tägliche Leben nicht mehr leisten. Anfang dieses Jahres hatten wir die höchste Arbeitslosigkeit seit 1945. Auch jetzt haben wir weit über 300 000 Menschen ohne Beschäftigung. Rund 50 Prozent dieser Menschen haben als höchste Ausbildung nur einen Pflichtschulab­schluss.

Was werden Sie konkret unternehmen, damit viel mehr dieser Menschen in Facharbei­terausbildungen kommen? Wie viel wird 2013 dafür aufgewendet? Und vor allem: Wie viel Geld haben Sie dafür zur Verfügung?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 25

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Ich kann Ihnen jetzt nicht das gesamte Programm des AMS – vom Aufstieg beginnend, Fachkräftestipendium, Bildungsteilzeit, Bildungskarenz – erklären. Sie können es dann gerne schriftlich von mir haben.

Zum Geldvolumen: Es ist so, dass wir in Summe heuer an aktivierenden Arbeitsmarkt­mitteln, wenn wir alles zusammenrechnen, 2 Milliarden € aufwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Öl­linger.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister, Sie haben zwar einige kleine Schritte unternommen, damit bestimmten Gruppen von Asylwerbern der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert wird, aber gerade im Hinblick auf das angesprochene Pro­blem von fehlenden Fachkräften – angeblich fehlenden Fachkräften –, die es erstaunli­cherweise gerade auch unter Asylwerbern gibt, stellt sich die Frage:

Warum, Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung so massiv gegen einen Zugang von Asylwerbern zum österreichischen Arbeitsmarkt – und sei es nur befristet?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Wir konzentrieren uns auf die Beschleunigung der Verfahren. – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Wir haben bei Asylwerbern ein massives Problem – da ist die Frage: wer bist du? –: die Qualifikationsnachweise. Wir sehen bei denjenigen, die positive Be­scheide bekommen, wie lange wir dann brauchen, um auch die Qualifikationsnach­weise entsprechend darstellen zu können. Wir leben, das ist gut so, in einem Land, in dem bei vielen Beschäftigungen eben die entsprechende Qualifikation nachzuweisen ist.

Noch ein kleines Beispiel: Bei allem, was Gesundheitsberufe sind, kann jeder sagen: Ja, ich bin ausgebildete/r Mediziner/in!, aber irgendwo muss es einen Qualifikations­nachweis geben. Den brauchen wir. Fakt ist, die Hauptkonzentration soll auf der Be­schleunigung der Verfahren liegen, damit rasch klargestellt ist, wie es weitergeht. Da­zwischen haben wir jetzt die gemeinnützigen Beschäftigungsprojekte und die Saison­arbeit noch stärker ermöglicht. Ich gehe davon aus, dass das auch der richtige Schritt war, im Rahmen dessen, was jetzt möglich ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 4. Anfrage, 226/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Öllinger an den Herrn Bundesminister. – Bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister, ein leidiges Problem: Eini­ge Bundesländer halten in verschiedenen Bereichen die Regelungen zur Mindestsiche­rung nicht ein. Das ist deshalb besonders ärgerlich, weil ja die Mindestsicherung dazu gedacht war, Mindeststandards, die für alle Bundesländer verbindlich sind, herzustellen.

Jetzt haben wir das Problem auch in einem besonders sensiblen Bereich, nämlich bei der erhöhten Familienbeihilfe, die an behinderte Kinder und Jugendliche ausbezahlt wird, die von einigen Bundesländern sozusagen als Einkommen gewertet wird – entge­gen den Bestimmungen in der Artikel-15a-Vereinbarung.

Deshalb frage ich Sie:

226/M

„Einige Bundesländer – wie etwa Niederösterreich – werten bei der Mindestsicherung vertragswidrig die Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung als Einkommen. – Was werden Sie unternehmen, um diese Vertragsverletzungen abzustellen?“

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 26

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Dieser Umstand ist sehr bedauerlich. Sie sind nicht der einzige Abgeordnete, der die­sen Umstand aufzeigen will, auch der Herr Abgeordnete Huainigg hat mich schon auf­gefordert, diesbezüglich tätig zu werden. Sie wissen ganz genau, dass ich von der Rechtsnorm her da eingeschränkt bin. Im Begutachtungsverfahren haben wir selbst­verständlich darauf hingewiesen – und wir bemühen uns jetzt weiter in bilateralen Ge­sprächen –, dass die Vereinbarungen zukünftig eingehalten werden müssen. Natürlich wird das bei der Verlängerung der Mindestsicherungsvereinbarung ein ganz spezieller Verhandlungspunkt sein. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Öl­linger.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister, mir ist die Rechtslage be­kannt. Es ist ein Riesenproblem, dass wir Verträge mit den Bundesländern schließen, die dann von einzelnen Bundesländern nicht eingehalten werden. Ich möchte auch an­erkennen, dass Sie das klar als Vertragsverletzung beurteilen, aber wir hätten ja die Möglichkeit, das auch für die Bundesländer über eine klare Gesetzesdefinition bei der Familienbeihilfe im Familienbeihilfengesetz sicherzustellen.

Warum wehren sich die Regierungsparteien dagegen, dass den Bundesländern über eine klare Definition im Gesetz ein für alle Mal klar wird, dass die Familienbeihilfe nicht als Einkommen zu rechnen ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Das Land Niederösterreich beruft sich bei der jetzigen Vorgangsweise auf ein Erkennt­nis der Höchstgerichte, weil sich sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch der Oberste Gerichtshof dafür ausgesprochen haben, dass der Staat mit Familienbeihilfe einen doppelten Zweck verfolgt. Und demzufolge beruft sich Niederösterreich bei sei­ner Vorgangsweise auf diese beiden Erkenntnisse. Das sind ältere Erkenntnisse, und wir werden versuchen, uns bei der Verlängerung ganz einfach mit den Bundesländern in einen neuen Verhandlungszug zu begeben, weil wir natürlich auch für alle Bundes­länder die gleiche Vorgangsweise haben wollen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Jury.

 


Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Guten Morgen, Frau Präsident! Herr Minister! Die Rechtslage zur bedarfsorientierten Mindestsicherung mit den Bundesländern hat mein Vorredner schon skizziert. Ich möchte aufwerfen, dass es immer wieder Probleme mit der laschen Vergabepraxis und mit der mangelnden Kontrolle der Vergabe der bedarfs­orientierten Mindestsicherung gibt.

Meine Frage zielt darauf ab: Sie sagen, wenn es um die Arbeitslosenzahlen geht, dass es immer wieder Managementfehler in privaten Firmen gibt. Jetzt stelle ich gegenüber, dass, wenn es eine lasche Vergabepraxis und mangelnde Kontrollen gibt – in Wien zum Beispiel ein Anstieg von über 30 Prozent der Bezieher der bedarfsorientierten Mindestsicherung –, dass wir . (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzei­chen.) – Ich bin gleich fertig, Frau Präsident, lassen Sie mich den Gedanken zu Ende führen!

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, nein, das geht nicht! Die Spielregeln sind für alle gleich. Die 1 Minute Fragezeit ist abgelaufen, Sie haben die Frage noch nicht formuliert. Das heißt, ich gebe Ihnen jetzt die Möglichkeit, die Frage, ohne Kommentar aber, zu formulieren. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 27

Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Herr Minister, Sie als Sozialchef der Firma Öster­reich (Rufe bei der SPÖ: Frage!):

Was werden Sie tun, um diese lasche Vergabepraxis und die mangelnden Kontrollen bei der Vergabe der bedarfsorientierten Mindestsicherung einzustellen? (Weitere Zwi­schenrufe.)

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Ja, es geht um ein sehr ernstes Thema (Abg. Jury: Natürlich geht es um ein ernstes Thema!), und die Geschäftsordnung machen wir nachher.

Herr Abgeordneter, Punkt eins: Die Zahl derjenigen Menschen, die nur von der Min­destsicherung als alleiniger Einnahmequelle leben, ist nicht gestiegen. Diese Zahl ist in Wahrheit sinkend. (Zwischenruf des Abg. Jury.) Nein! Was angestiegen ist, sind die sogenannten Aufstockungsleistungen. Das heißt, das sind Menschen, die ein geringes Arbeitslosengeld, eine geringe Notstandshilfe oder ein geringes Aktiveinkommen ha­ben. Diese Zahlen sind gestiegen – um 20 Prozent, 25 Prozent. (Abg. Dr. Matznetter: Working Poor!) Das sind Menschen, die ganz einfach, auf Fachchinesisch, „Working Poor“ heißen. – Punkt eins.

Punkt zwei: Die gesamte Vergabe beziehungsweise Zuweisung ist Landesangelegen­heit – das sind die einzelnen Bezirkshauptmannschaften, das sind die einzelnen Ma­gistrate. Und natürlich bemühen sich die Länder, das optimal zu machen.

Wo wir zum Beispiel mitwirken, ist bei einem Teil der Kontrolle. Das betrifft diejenigen, die auch beim AMS gemeldet sind. Und da darf ich Ihnen mitteilen, dass das AMS vo­riges Jahr bei 28 000 Fällen der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde eine entspre­chende Meldung gemacht hat, dass Termine oder sonstige Vereinbarungen nicht ein­gehalten worden sind. – Das heißt, Kontrolle findet statt. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Lapp.

 


Abgeordnete Mag. Christine Lapp, MA (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Frau Prä­sidentin! Das waren jetzt sehr wichtige Erklärungen, weil immer wieder viele Leute ge­nau dem gleichen Aberglauben aufsitzen wie Kollege Jury.

Herr Minister, was macht das Arbeitsmarktservice beziehungsweise welche Angebote gibt es vom Arbeitsmarktservice für Mindestsicherungsbezieherinnen und ‑bezieher?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Das Programm ist: Eingliederungsbeihilfen, Eingliederungsbeihilfen im ersten Arbeits­markt, natürlich auch bei sogenannten sozialökonomischen Betrieben, bei Bildungs­maßnahmen Qualifizierung und natürlich auch Beratungs- und Schulungstätigkeiten.

In Summe gesehen darf ich sagen: Seitdem wir die BMS haben, haben 49 000 BMS-Bezieher Arbeit aufgenommen, 107 000 waren in Schulungsmaßnahmen. Und durch Förderungen und Beihilfen, vor allem Beschäftigungs- und Qualifizierungsförderung, wurden noch einmal 71 000 Menschen entsprechend weiterentwickelt.

Das heißt – langer Rede kurzer Sinn –: Wir haben damit ein sehr, sehr umfangreiches Programm gestartet, und dieses Programm funktioniert auch im Wesentlichen sehr, sehr gut. Dass wir vielleicht da oder dort auch besser werden können – ja. Aber Fakt ist: Es ist klar bewiesen, dass all das, was wir hier tun, in Wahrheit Aktivierung ist und nicht Verweilen in der Mindestsicherung.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Steibl.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 28

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Herr Bundesminister, 144 000 Mindestsiche­rungsbezieher in Wien, das sind zwei Drittel jener in Österreich. Diese Zahl ist schon zu hinterfragen, und das möchte ich noch einmal wirklich klar festhalten.

Aber ich komme auch zur Familienbeihilfe, die ja bereits angesprochen wurde: Wir beschließen heute auch eine Einschleifregelung für den Zuverdienst von jungen Er­wachsenen bei der Familienbeihilfe. Das bewirkt, dass nicht gleich die ganze Familien­beihilfe entfällt.

Meine Frage: Wie vielen Familien wird diese Regelung nützen? Aber auch – Sie sind ja auch Sozialminister –: Was werden Sie noch in die neue Regierung einbringen, um Familien besser zu unterstützen? (Abg. Scheibner: „In die neue Regierung“? – Abg. Steibl – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Na ja, in der Demokratie gibt es immer ei­ne Regierung!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Natürlich gibt es auch den Tag danach und eine neue Regierung, das ist vollkommen klar.

Sie wissen, dass wir ja bereits ein sehr umfangreiches Familienpaket beschlossen ha­ben, in dem es nicht nur um die Neustaffelung der Familienbeihilfe geht, sondern auch darum, dass wir sehr intensiv weiter den Kindergartenausbau – aber nicht den nackten Ausbau per se, sondern auch die qualitativen Verbesserungen, das heißt längere Öff­nungszeiten bei bestehenden Standorten, mehr Angebot für Kleinkinder oder Kleinst­kinder – vorantreiben wollen.

Ansonsten sei mir zu den Wiener Zahlen nur ein Einwand gestattet: Von den Zahlen, die Sie genannt haben – und die natürlich vollkommen stimmen –, sind nur 9 Prozent im sogenannten Vollbezug, das heißt Menschen, die nichts anderes haben als die Min­destsicherung. Alle anderen haben irgendetwas dazu und bekommen das nur als Auf­stockungsleistung. (Abg. Steibl: Wer’s glaubt, wird selig!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dolin­schek.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister, das Arbeitsmarkt­service ermöglicht ja Personen, die sich weiterbilden wollen, unter Freistellung und ge­gen Entfall der Bezüge ein Weiterbildungsgeld. Das ist ja auch vollkommen in Ord­nung, wenn der Weiterbildungsnachweis auch erbracht wird.

Aber nun meine Frage: Warum erhalten laut dem Geschäftsbericht des Arbeitsmarkt­service noch immer rund 300 Personen unter Freistellung und gegen Entfall der Bezü­ge ein Weiterbildungsgeld beziehungsweise Arbeitslosengeld, ohne dass sie einen Weiterbildungsnachweis erbringen, sodass es möglich ist, ungehindert bis zu einem Jahr – Zeitungen haben darüber berichtet – auf Weltreise zu gehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Ich glaube, wir sind uns einig – und Sie wissen das, denn Sie selbst haben das hier mitbeschlossen –, dass wir das auch verändert haben, dass die Bildungskarenz in Zu­kunft auch die Kontrolle eines Studiennachweises vorsieht. Dass das in der Vergan­genheit passiert sein kann – ja, kein Thema. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 233/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Dolinschek. – Bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister, zu meiner Haupt­frage: Im Regierungsprogramm von 2008 bis 2013 – das ist ein sehr dickes Konvolut –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 29

ist ja auch die Schaffung eines modernen und flexiblen Arbeitsrechts enthalten, eine Beseitigung der Rechtszersplitterung und eine Neukodifizierung des Arbeitsrechts über­haupt.

Dazu nun meine Frage:

233/M

„Wann wird endlich für alle Österreicherinnen und Österreicher ein einheitliches Ar­beitsrecht und Sozialrecht ohne Privilegien und Benachteiligungen gelten?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Ich glaube, Herr Abgeordneter, wir sind uns einig, dass es darum geht, ein einheitli­ches Arbeitsrecht für alle, die in Österreich leben, zu schaffen – für alle, die da sind, die legal in Österreich sind, wurscht, welchen Status sie sonst noch haben. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wir sind weitergekommen. Ja, im Regierungsprogramm haben wir uns vor­genommen, weitere Schritte zu setzen – das ist geschehen. Und wir werden weiterma­chen.

Worauf ich unter anderem aber schon hinweisen möchte: Zum Beispiel im Pensions­recht sind die Beamten und das ASVG harmonisiert – mit einer Übergangsfrist natür­lich, aber Fakt ist, es ist harmonisiert. Das heißt, auch da sind wir weitergekommen.

Angesichts der gesamten Komplexität, worum es dabei alles geht, ist natürlich eine Weiterentwicklung notwendig. Es wird primär um die arbeitsvertragsrechtlichen Bestim­mungen gehen. Es gilt eine gewisse Rechtszersplitterung zu beseitigen und eine Mo­dernisierung und Vereinheitlichung des Arbeitsrechtes durchzuführen.

Unter anderem haben wir jetzt wieder eine kleine Lücke, die wir heute noch schließen, und zwar bei der Entgeltfortzahlung im Katastrophenfall. Das ist nur eine kleine Lücke, aber für die Betroffenen ist es eine Riesenlücke, die geschlossen wird.

Wir arbeiten auch daran, dass es einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff gibt, aber klar ist auch: Es geht um sehr, sehr viel Veränderung, und sehr viel Veränderung bedarf auch einer nicht unwichtigen Verhandlungsphase. – Ja, wir sind in vielen kleinen Schritten weitergekommen, aber wir sind auf dem Weg.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dolinschek? – Bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister! Ich weiß, dass das sehr umfangreich ist, weil es ja das Arbeitsrecht und das Sozialrecht betrifft.

Meine Zusatzfrage geht jetzt in die Richtung: Bei der vorzeitigen Alterspension gibt es eine Zuverdienstgrenze, aber nicht für alle. Beamte, die in die vorzeitige Alterspension gehen, haben diese Zuverdienstgrenze nicht, alle anderen – Arbeiter und Angestellte – dürfen praktisch nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze, also bis 386,80 € brutto dazuver­dienen, mehr nicht.

Wann werden Sie dafür sorgen, dass diese Ungerechtigkeit bei den Pensionsarten, wie bei der vorzeitigen Alterspension von öffentlich Bediensteten, die keine Zuverdienst­grenze haben, gegenüber den ASVG-Versicherten, die eine strenge Zuverdienstgrenze haben, beseitigt wird? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitt


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 30

e.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Wir arbeiten daran. Sie wissen, dass die Regelung für den öffentlichen Dienst aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr neunzehnhundert-ir­gendwas damals entsprechend so beschlossen wurde – denn es gab ja zuvor im öf­fentlichen Dienst auch eine Zuverdienstgrenze, die aufgehoben wurde –, und wir arbei­ten daran, dass auch das sich vereinheitlichen wird.

Ich gehe davon aus, dass es in der nächsten Legislaturperiode diesbezüglich Weiter­entwicklungen geben wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte beim Thema Arbeitsrecht bleiben. Die Gewerkschaften haben eine Dis­kussion über eine sechste Urlaubswoche begonnen. Ich halte die generelle Erhöhung des Urlaubsanspruches von fünf auf sechs Wochen für richtig. Die Politik diskutiert Gesundheitsprävention – Stichwort Burnout –, Familienfreundlichkeit. Dem sollten na­türlich dann auch Taten folgen.

Meine Frage an Sie: Wurde in der Bundesregierung konkret die Einführung einer sechsten Urlaubswoche diskutiert und überlegt? Und woran ist es gescheitert?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Punkt eins: Wir haben eine sechste Urlaubswoche. Diese gibt es ja (Abg. Mag. Stein­hauser: Nicht für alle!), sie ist nur durch die massiven Veränderungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt für über eine Million Menschen nicht zugänglich. Es gab darüber eine Dis­kussion, und es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Diskussionen geben, denn eines ist klar: Dass diejenigen, die sehr lange bei Firmen sind, es haben, aber dieje­nigen, die ganz einfach immer rotieren müssen oder freiwillig rotieren, es nicht haben, das ist eine Situation, an deren Änderung wir arbeiten müssen.

Was uns aber, glaube ich, alle eint, ist die Einsicht, dass länger gesünder im Erwerbs­prozess zu verbleiben auch bedeutet, dass man längere Pausezeiten braucht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Linder.

 


Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, auf Sei­te 27 des Regierungsprogramms für diese Gesetzgebungsperiode ist angeführt, dass es Ihr oberstes Ziel ist, ein flexibles, modernes und einheitliches Arbeitsrecht zu schaf­fen. Wir haben jetzt auf die Frage des Abgeordneten Dolinschek schon gehört, dass Sie eher ausflüchtig reagiert haben und nur ganz kleine Punkte nennen konnten, wo Sie etwas erreicht haben.

Stimmt es, dass es Ihnen nicht gelungen ist, in dieser Gesetzgebungsperiode die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten zu erreichen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Grundsätzlich ist es so, dass wir ein einheitliches Arbeitsrecht im Sinne von „all over“ nicht haben, aber wir haben viele, viele Punkte, wo wir diesem näher gekommen sind und wo wir in den Begriff Einheitlichkeit hineingekommen sind. Aber ein gesamtes ha­ben wir nicht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Ober­hauser.

 


Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Herr Bundesminister, da Abge­ordneter Linder trotz Ihrer in Beantwortung der Frage des Abgeordneten Dolinschek gemachten Ausführungen, was wir in der Neukodifizierung des Arbeitsrechts erreicht


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 31

haben, welche Schritte wir da gegangen sind, offensichtlich nicht verstanden hat, dass da wirklich große Schritte passiert sind:

Wären Sie vielleicht so nett, uns noch einmal zu sagen, über welche Fortschritte, die mehr als kleine Schritte sind, wir da schon Einigkeit erreicht haben? (Abg. Neubauer – in Richtung der Abg. Dr. Oberhauser –: Das war aber keine Frage! – Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Haben Sie keine eigene Frage?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Wo wir unter anderem weitergekommen sind, ist in der Frage der Pflegefreistellung, wir sind im Katastrophenfall weitergekommen, und – ihr braucht euch nicht aufzuregen, ich zähle nicht die ganze Liste auf – wir sind dann noch in ein paar kleineren anderen Punkten zusammengekommen.

Fakt ist: Das, was wir alle gemeinsam erreichen wollen, nämlich dass es ein Arbeits­recht gibt, wo „für alle“ darüber steht, haben wir nicht. – Punkt. Ende.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hö­finger.

 


Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich den­ke, der größte Schritt in der jüngsten Vergangenheit wurde vor zehn Jahren unter der Regierung Schüssel gesetzt, als es bei der Angleichung der Rechte für Arbeiter und Angestellte wirklich Verbesserungen gab, und auch die Abfertigung Neu war und ist ein großer Erfolg in dieser Frage.

Es gibt ein Thema, das ist die Landarbeiterkammer, und ich denke, es ist nicht einzu­sehen, dass jene land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter, die in einem Gewerbebetrieb angestellt sind, nicht dieselben Arbeitsrechte und dieselbe Vertretung haben wie jene, die in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb arbeiten.

Daher meine Frage: Was werden Sie unternehmen, damit sich die Arbeiterkammern bereit erklären, hier einen Schritt zu machen, damit jene, die die gleichen Tätigkeiten verrichten wie in der Land- und Forstwirtschaft, das gleiche Arbeitsrecht haben bezie­hungsweise auch in der Landwirtschaftskammer ihre Vertretung finden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Auch das wird in der nächsten Legislaturperiode ein weiterer intensiver Diskussions­prozess – ich habe einen solchen ja schon in den letzten zwei Jahren mit der Landar­beiterkammer und der Arbeiterkammer durchgeführt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 231/M, das ist die der Frau Abgeordneten Schenk. – Bitte.

 


Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Minister, meine Frage lautet:

231/M

„Durch die Zweckbezuschussung wird der Vorrang der Förderung der mobilen Pflege und Betreuung weiter abgeschwächt. – Was tun Sie, damit ein größerer Anreiz für die Menschen geschaffen wird, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen wollen, was auch insgesamt hilft, Kosten zu sparen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Frau Abgeordnete, ich kann jetzt Ihre Frage nicht ganz verstehen, und ich sage Ihnen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 32

auch, warum ich sie nicht verstehen kann: Weil wir mit der Novelle zum Pflegefondsge­setz gerade die Förderung der mobilen Pflege, gerade die Förderung der Betreuung zu Hause sicherstellen. Das sind sogar noch hervorgehobene Punkte, weil wir Maßnah­men speziell fördern wollen, die at home stattfinden und die nicht die stationäre Betreu­ung sind.

Das heißt, in Wahrheit sollen die Anreize, die damit gegeben sind, im sogenannten mo­bilen ambulanten Sektor sein. Und die Versorgung im Bereich dieser Angebote soll in den Jahren 2014 bis 2016 über dem Niveau von 2011 liegen.

Das heißt, es wurde in Wahrheit jetzt erstmalig die Möglichkeit geschaffen, dass alles, was in Richtung mobil geht, speziell sogenannte innovative Maßnahmen, aus dem Zweckzuschuss mitfinanziert werden kann. Das heißt, wir wollen nicht runter, sondern wir wollen rauf.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schenk? – Bitte.

 


Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Meine Frage geht aus der Stellungnah­me des Seniorenrates hervor, der eben genau das kritisiert, worauf sich meine Frage vorhin bezog: Die Fördermittel von 2011 bis 2014 waren eher für die nichtstationäre Pflege vorgesehen, und diese Novelle beinhaltet nun aber laut Stellungnahme des Se­niorenrates und einiger anderer Organisationen, dass die mobile Pflege, wie ich vorher ausgeführt habe, die Pflege zu Hause eben nicht gefördert wird, sondern zurückge­drängt wird und der andere Bereich gefördert wird. – Das war die Frage, auf die ich jetzt abgezielt habe.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Das, was Sie beschließen werden, besagt ganz genau: Der Schwerpunkt muss beim Ausbau der mobilen Dienste liegen. Und wir müssen über das Niveau von 2011 kom­men – das ist die Messgröße. Über dieses müssen wir und werden wir auch kommen. Das beginnt bei der Ersatzpflege und beim weiteren Ausbau der mobilen Pflege, und darum gibt es auch die Pflegekarenz und die Pflegeteilzeit – denn dieses Instrument brauche ich ja nicht, wenn jemand stationär betreut wird; dann brauche ich keine Pfle­gekarenz. – Das sind alles Elemente, die in diese Richtung gehen sollen.

Bitte, weiterhin Betreuung zu Hause – soweit das eben möglich ist! Und da gibt es ir­gendwann einmal Grenzen, darüber sind wir uns, glaube ich, auch einig. Aber es gibt viele Bundesländer, wo 80 Prozent der Betreuung zu Hause stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dona­bauer.

 


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Bundesminister! Unser Pflegegeldsys­tem, das aus Steuern finanziert wird, hat sich bewährt, ist national und international an­erkannt. Dieses Gesetz hat durch die Pflegegeldreformmaßnahmen zum 1. Jänner 2012 eine besondere Qualität erhalten, nämlich deshalb, weil die Begutachtungsstellen auf sieben zurückgeführt wurden und damit eine ordentliche Erledigung stattfinden kann.

Da aber ein Teil der Pflege in häuslicher Umgebung stattfindet, hat das Ministerium ein Kompetenzzentrum eingerichtet, wo Pflegefachkräfte vor Ort Beratung durchführen, aber auch über die Situation der Pflegemaßnahmen berichten.

Herr Bundesminister, meine Frage: Gibt es Konsequenzen angesichts der aufgezeig­ten Ergebnisse, beziehungsweise denken Sie daran, den Familienangehörigen, die


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diese wertvolle, oft aber auch sehr, sehr schwere Arbeit und Leistung erbringen, einen besonderen rechtlichen Status zuzuerkennen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Was den rechtlichen Status betrifft, so können natürlich diejenigen pflegenden Angehö­rigen, die noch im erwerbsfähigen Alter sind, entsprechend pensions- und krankenver­sichert werden, damit sie diese Zeiten weiterhin gewahrt haben. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite ist, dass wir uns bemühen, auch Beratung anzubieten. Gerade bei dem bei deiner Versicherung angesiedelten Kompetenzzentrum findet ja nicht nur Kontrolle statt, sondern auch Beratung. Natürlich bemühen sich die diversen Organisationen, Sozialhilfeverbände oder sonstigen Anbieter bei der Beratung zur Frage „was brauche ich?“ auch zu beraten in Bezug auf die Fragen: Wie brauche ich es? Was kann ich tun, was kann ich nicht tun?

Das heißt, es geht hier in die Richtung, dass wir die pflegenden Angehörigen noch stärker unterstützen. Und wenn ich richtig informiert bin, ist gestern auch eine Novelle zu einem Gesundheitsgesetz beschlossen worden, wonach Krankenpflegepersonen auch Angehörige besser einschulen können, wenn es um Insulinversorgung geht. – Das heißt, all das passt in dieses Spektrum hinein. Wir wollen natürlich die pflegenden Angehörigen entsprechend unterstützen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Grosz.

 


Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Bundesminister! Ich hoffe, wir stimmen überein, dass der Pflegeregress in der Steiermark, von Voves und Schützenhöfer ein­geführt, sozial ungerecht und auch unfair ist. Angesichts der Tatsache, dass das Land 80 Prozent des Pflegegeldes der zu pflegenden Personen einbehält, auf der anderen Seite aber die Mittel für die Abdeckung der tatsächlichen Kosten für die Pflege an pri­vate Pflegeheimbetreiber zum Beispiel nicht weitergibt und auch entsprechende Kla­gen anhängig sind, sieht man, wie wirtschaftlich falsch in der Steiermark da auch vor­gegangen wird.

Daher meine Frage an Sie: Was werden Sie tun, auch in Ihrer Funktion als Sozialmi­nister, um diese sozialpolitische Wegelagerei, vulgo Pflegeregress, in der Steiermark abzuschaffen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Meinen wiederholt öffentlich geäußerten Darstellungen zum Pflegeregress in der Stei­ermark habe ich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Grü­newald.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! (Zwi­schenrufe beim BZÖ. – Bundesminister Hundstorfer: Das ist keine Verweigerung der Antwort! Jeder weiß, was ich schon gesagt habe, und jeder kennt die Verfassungs­lage!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Grünewald ist am Wort!


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Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Bundesminister, Österreich hat zwar im europäischen Vergleich eine Spitzenposition, was die Ärzte­dichte betrifft. Wenn man sich die diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeberufe anschaut, dann sieht man, dass Skandinavien zwei bis drei Mal so viele Fachkräfte wie Österreich hat, wobei ein Großteil oder ein guter Teil in mobilen Diensten eingesetzt wird. Österreich hat nur einen Bruchteil davon, und hier arbeiten 90 Prozent in stationä­ren Einrichtungen.

Können Sie sich vorstellen, bestimmte Initiativen zu setzen, um die Attraktivität mobiler Pflegedienste durch Ausbildungsinitiativen et cetera zu fördern? Das würde auch für pflegende Angehörige von Nutzen sein.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Ich kann all die Worte, die du gesagt hast, voll unterschreiben. Wir bemühen uns über das zur Verfügung stehende Instrumentarium, über das AMS die entsprechende Aus­bildung voranzutreiben. Seit 1. Juli sind ja gerade die Gesundheitsberufe im Rahmen des Fachkräftestipendiums ein nicht unwesentlicher Faktor, ja sie stehen dort sogar an erster Stelle. Und demzufolge werden auch davon neue Impulse ausgehen, wobei es vor allem jetzt darum geht, nicht nur Pflegehelfer oder Pflegehelferinnen, sondern auch voll diplomiertes Personal entsprechend auszubilden.

Und wir werden unsere Anstrengungen hier noch verstärken, weil neben der Qualitäts­frage jetzt noch etwas dazu kommt, wir müssen uns nämlich auch einer demographi­schen Herausforderung in diesem Sektor stellen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Darmann.

 


Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Als Bundesminister für Soziales wird es Ihnen natürlich bekannt sein, dass es österreichweit durchaus schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung im Bereich der Pflege insofern gibt, als es Familien, die sich dazu entscheiden, Familienangehörigen durch die mobile Pflege im Familienverbund eine Pflege zukommen zu lassen, mit hohen Selbstbehalten schwer gemacht wird, diese mobile Pflege auch zu Hause in Anspruch zu nehmen, während auf der anderen Seite jedoch die stationäre Behandlung in Heimen österreichweit durch­wegs fast kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was werden Sie unternehmen, um diese verfas­sungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung für jene Familien, die sich für die mo­bile Pflege zu Hause entscheiden und dadurch überhöhte Kosten durch die Selbstbe­halte tragen müssen, abzustellen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Entschuldigung, ich kann jetzt Ihre Frage insofern nicht verstehen, als stationärer Auf­enthalt in der Regel 100 Prozent Vermögensbesteuerung heißt – alles ist weg. Ich weiß nicht, wo da eine Privilegierung sein soll. Deine Pension ist weg, dein Pflegegeld ist weg, falls du einen Besitz hast, ist er belehnt, und du bekommst 20 Prozent Taschen­geld, wenn du in stationärer Pflege bist. (Abg. Mag. Darmann: Für die Angehörigen!) Ja, Entschuldigung, die Angehörigen zahlen ja nichts mit, außer in der Steiermark. Es gibt ja diesen Angehörigenregress nur noch in der Steiermark. (Abg. Mag. Darmann: Pflege zu Hause, Selbstbehalte!)

Zu Hause zahlt ja jeder das mit, was er halt kann. Den Rest zahlt die Sozialhilfe. Beim stationären Aufenthalt hast du überhaupt nichts mehr. Darum verstehe ich den Sinn und Zweck Ihrer Frage nicht.

Die mobile Pflege ist jetzt für den Betroffenen immer noch die günstigere Form als die stationäre Betreuung, denn bei der stationären Betreuung hast du nichts mehr. Bei der


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mobilen Betreuung hast du gewisse Tagsätze, die du halt zahlen kannst oder nicht. Und wenn du sie nicht zahlen kannst, springt die Sozialhilfe ein – mit der Logik der So­zialhilfe. Ich kann da keine Privilegierung sehen. Und einen Angehörigenregress gibt es bei der mobilen Pflege auch nicht. Dieser ist in Kärnten gerade abgeschafft worden. (Abg. Mag. Darmann: Selbstbehalt!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Spin­delberger.

 


Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Bundesminister, du hast gerade vor­her bei deiner Anfragebeantwortung die Grenzen der Pflege zu Hause aufgezeigt.

Mich würde interessieren: Wie werden pflegende und betreuende Angehörige bei ihrer Tätigkeit zu Hause unterstützt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Herr Abgeordneter aus Kärnten (in Richtung des Abg. Mag. Darmann), ich sage es noch einmal: Stationäre Pflege heißt 100 Prozent Selbstbehalt.

Zur Frage, wie die pflegenden Angehörigen unterstützt werden: Sie werden unterstützt durch Ersatzpflege, die zur Verfügung steht, sogenannte Urlauberaktion. Sie werden auch bei der 24-Stunden-Betreuung durch eine entsprechende Förderung unterstützt.

Ich habe schon gesagt, dass wir, wenn sie arbeitsfähig sind, die Pensionsversicherung und die Krankenversicherung übernehmen. Qualitätssicherung erfolgt durch Hausbe­suche.

Wir haben uns jetzt verstärkt einer ganz neuen Gruppe zugewendet, den Young Carers. Wir sind jetzt dabei, mit diesen Young Carers in noch intensiveren Kontakt zu treten, weil natürlich auch ein Thema war, wo die sind und was sie tun. Wir wenden ihnen jetzt entsprechend großes Augenmerk zu.

Neu mit 1. Jänner 2014 kommen Pflegekarenz und Pflegeteilzeit hinzu, sodass man zumindest für drei Monate versuchen kann, sich das zu arrangieren, wenn es notwen­dig ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 230/M, das ist die der Frau Abgeordneten Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Bundesminister, wir alle wis­sen, dass rund 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen zu Hause gepflegt werden und dass das Angehörige oft vor große Herausforderungen stellt.

Meine Frage lautet daher:

230/M

„Für Angehörige ist es oft belastend, neben dem Job eine optimale Versorgung eines zu pflegenden Angehörigen sicherzustellen oder einen Heimplatz zu finden. – Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Situation von Familien zu verbessern, in de­nen ein Pflegefall auftritt?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Einen Teil habe ich jetzt schon gesagt. Ich möchte es noch einmal erwähnen: Pflege­karenz, Pflegeteilzeit ab 1. Jänner 2014, die jemand in Anspruch nehmen kann, der ei­nen Angehörigen ab der Pflegestufe 3 hat oder ab der Pflegestufe 1, wenn es sich um


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minderjährige Kinder oder um die Diagnose Demenz handelt. Dies für maximal drei Monate.

Es geht darum, dass man Pflegekarenzgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes be­kommt und dass natürlich die sozialversicherungsrechtliche Absicherung übernommen wird, das heißt Krankenversicherung und Pensionsversicherung, Abfertigungsansprü­che bleiben gewahrt. Auf die Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld wird das nicht an­gerechnet. Und neu dazu kommt auch die Familienhospizkarenz, wodurch eine ent­sprechende Absicherung dieses zwar sehr kleinen, aber trotzdem wichtigen Personen­kreises gegeben ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Königs­berger-Ludwig.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Minister, ich danke für diese Initiative! Ich denke mir, das wird für viele Menschen eine wirkliche Erleichterung sein. Ich habe dies als sozialpolitischen Meilenstein bezeichnet und meine, als solchen kann man diesen auch wirklich werten.

Wie können Menschen nun ganz genau – wenn Sie das vielleicht kurz erläutern könn­ten – diese neue Sozialleistung in Anspruch nehmen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Technisch wird das über die Außenstellen des Bundessozialamtes, des BSB, abgewi­ckelt. Anträge können bereits vor Antritt gestellt werden. Klar ist, ich muss mit meinem Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung treffen. Die Anträge müssen aber wäh­rend dieser Pflegekarenz oder davor gestellt werden. Das heißt, ich kann nicht danach kommen.

Wir bemühen uns natürlich, das durch ein sogenanntes beschleunigtes Verfahren sehr rasch abzuwickeln, weil es natürlich darum geht, dass die Menschen auch zu ihrem Geld kommen beziehungsweise dass sie auch sozialversicherungsrechtlich abgesi­chert sind. Bei der Krankenversicherung sind auch gewisse Fristen einzuhalten, wenn sich jemand bei seiner Firma abmeldet und in Karenz geht.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Au­bauer.

 


Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Das Pflegekarenzgeld ist wirklich ein großer Fortschritt. Schön, dass es uns gemein­sam gelungen ist, die Angehörigen so wirksam zu unterstützen.

Das Justizministerium arbeitet im Bereich der Alterswohlfahrt bereits an einer Reform der Sachwalterschaft. Es gibt Pilotprojekte zur unterstützten Entscheidungsfindung, da­mit Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt leben können.

Frage, Herr Minister: Was unternehmen Sie in Ihrem Bereich, um das Projekt Alters­wohlfahrt und Ausbau unterstützender Strukturen vorwärtszubringen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  In der Frage der Sachwalterschaft sind wir nicht zuständig. Ich habe bereits erwähnt, welches Ressort das machen muss. Dass in dieser Frage eine Reform notwendig ist, darüber sind wir uns über alle Parteigrenzen hinweg einig. Alles andere habe ich schon gesagt.

Wir haben, glaube ich, mit der Pflegekarenz und mit der Pflegeteilzeit eine ganz, ganz tolle neue Sozialleistung implementiert, und zwar in einer Zeit, in der viele andere Län-


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der Sozialmaßnahmen abbauen. Und ich meine, dass wir vor allem mit der Möglichkeit der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit Menschen in schwierigen Lebenslagen wirklich sehr helfen können. Worüber ich sehr froh bin, ist, dass bei Angehörigen mit Demenz und bei Kindern ein Pflegegeldbezug reicht und nicht Stufe 3 verlangt wird.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Spadiut.

 


Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Minister, rund 80 Prozent der pfle­gebedürftigen Menschen in Österreich werden zu Hause von Angehörigen betreut und gepflegt. Zur Entlastung der Familien ist eine stundenweise Tagesbetreuung notwendig.

Herr Minister, wie ist Ihre Information, wie die stundenweise Tagesbetreuung bezie­hungsweise Kurzzeitpflege in den Bundesländern umgesetzt wird?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Wir wissen, dass es sie gibt. Ich kann Ihnen aber keine ganz aktuelle österreichweite Statistik zur Verfügung stellen, weil das Angelegenheit der Bundesländer ist.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Grü­newald.

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister, ein Pflegefall in der Familie erhöht das Armutsrisiko gleich schlagartig um 20 Prozent. Zu­dem klagen 30 Prozent der pflegenden Angehörigen über chronische Erkrankungen und starke psychische Belastung. Der Wert dieser informellen Pflege wird knapp unter 3 Milliarden angesetzt. Das ist so viel wie Bundes- und Landespflegegeld zusammen.

Können Sie sich vorstellen, zumindest einen Bruchteil dieser Summe dafür zu verwen­den, um pflegende Angehörige physisch, psychisch und fachlich zu unterstützen, damit sie diese Arbeit nicht nur sozusagen ehrenhalber machen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Herr Abgeordneter, ich habe vorhin aufgezählt, was wir alles tun. Der nächste Schritt ist jetzt die Umsetzung dieser Pflegekarenz und Pflegeteilzeit. Wo weitere Maßnahmen im Laufe der nächsten Jahre folgen werden, weiß ich nicht. Es wird so sein, dass et­was kommen wird, aber ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, was.

Was vor allem sehr, sehr positiv ist, ist meiner Meinung nach die Übernahme der So­zialversicherungsleistungen. Das nehmen derzeit immerhin 8 000 Menschen in An­spruch. Ob die Zahl größer wird, werden wir sehen. Es ist so, dass viele der pfle­genden Angehörigen selbst bereits in Pension sind und somit diese Leistung gar nicht mehr in Anspruch nehmen können, weil sie ja einen Ruhebezug haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Be­lakowitsch-Jenewein.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister, bei der 24-Stunden-Pflege haben wir Freiheitlichen von Anfang an kritisiert, dass die pfle­genden Selbstständigen eigentlich keine wirklichen Selbstständigen sind. Sie verwen­den die Arbeitsmittel, sie wohnen im Haus der Betroffenen. Im Rahmen des Bundes­kongresses des ÖGB, der kürzlich stattgefunden hat, hat der Österreichische Gewerk­schaftsbund die freiheitliche Meinung übernommen und hat auch dafür plädiert, dass die Pflege auf selbstständiger Basis abgeschafft werden soll.

Herr Bundesminister, was halten Sie davon, stattdessen eine Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung einzurichten, wo das Personal angestellt, beschäftigt wird, auf das dann die Betroffenen beziehungsweise deren Familienangehörige zugreifen können?

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 38

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Über diese Idee wird noch ein umfangreicher Dialog geführt. Zur Stunde wird es keine Änderung dessen geben, was wir derzeit tun. Es gibt zwei kleine oder große Ände­rungen. Das eine ist, dass wir versuchen, die Kontrollen dort zu verstärken, wo es
24-Stunden-Betreuung gibt, und auch in größerem Umfang die Vermittlungsagenturen, die manchmal sehr grenzwertige Geschäftsbedingungen haben, zu klagen. Vor zwei Wochen haben wir wieder eine Agentur geklagt, weil die Geschäftsbedingungen nicht unserer österreichischen Rechtsnorm entsprechen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 228/M, das ist die des Herrn Abgeordneten Dr. Huainigg. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Men­schen, die eine lebensbedrohliche Krankheit haben, brauchen gerade am Lebensende eine gute Betreuung und Hospiz.

Meine Frage lautet:

228/M

„Welche Verbesserungen im Bereich Hospizversorgung sind im Pflegefondsgesetz und beim Pflegekarenzgeld für lebensbedrohlich erkrankte Kinder und für Menschen in der letzten Lebensphase vorgesehen, damit sie und ihre Angehörigen in ihrer Not nicht al­leine gelassen werden?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Sie haben die Antwort bereits selbst gegeben, Herr Abgeordneter. Im Pflegefondsge­setz ist die Hospizversorgung als eigenes Angebot im Bereich der mobilen Dienste jetzt berücksichtigt worden. Das heißt, auch hier wollen wir verstärkt innovative Mo­delle, die es ja da oder dort gibt, die aber irgendwie finanziert werden wollen, entspre­chend aufnehmen, damit sie auch über das Pflegefondsgesetz abgerechnet werden können.

Das soll auch bei der Kinderhospiz und Palliativbetreuung weitergehen. Die Pflegeka­renz selbst ist ja auch in diese Richtung entwickelt, dass wir den Familienhospizka­renz-Härteausgleich jetzt übernehmen und damit die Menschen auch entsprechend absichern. Das heißt, wir gehen davon aus, dass das auch in Zukunft vor allem eine Verbesserung der Position dieser kleinen Gruppe bei der Familienhospizkarenz dar­stellt. Es gibt auch eine Härtefallregelung. Vor allem bei sehr kinderreichen Familien kann es dann auch höhere Leistungen geben, beziehungsweise es bleiben bestehende höhere Leistungen bei jenen, die sich gerade in diesem System befinden, aufrecht und sind durch diese Novelle jetzt nicht berührt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Huai­nigg.

 


Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Die unantastbare Menschenwürde von Beginn bis zum Ende des Lebens muss in jeder wertorientierten demokratischen Gesellschaft ein zentraler Wert sein und ein grundlegender Maßstab für alle Gesetze und auch in der Politik. In der österreichischen Bundesverfassung steht sehr vieles – das Bankgeheimnis, die Sozialpartnerschaft, der Tierschutz –, aber nicht die Menschen­würde.

Meine Frage: Unterstützen Sie meinen Vorschlag, dass man in Artikel 7 der österreichi­schen Bundesverfassung die unantastbare Menschenwürde verankert?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 39

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Herr Abgeordneter Huainigg, missverstehen Sie jetzt nicht meine Antwort, aber ich glaube, wir sollten alle gemeinsam einen sehr intensiven Dialog darüber führen, wo sich die Menschenwürde bereits in der Bundesverfassung wiederfindet und wo sie Ih­rer Meinung nach zusätzlich dazukommen muss. Ich weiß, das ist nicht Ihre Meinung alleine, denn es gibt ja einige Verbände, die das auch entsprechend diskutieren. Aber ich bin gerne bereit, nach der Nationalratswahl diesen Dialog sehr intensiv zu führen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Haub­ner.

 


Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Bundesminister, es ist sehr erfreulich, dass jetzt im Pflegefondsgesetz bei der mobilen Betreuung auch die Hospizbetreuung explizit erwähnt ist, und Sie haben auch gesagt, auch die Kinderhospiz wird hier mit berücksichtigt. Das BZÖ hat einen diesbezüglichen Antrag vor längerer Zeit im Ge­sundheitsausschuss eingebracht, der jetzt sozusagen im Pflegebereich umgesetzt wird. Man sieht dabei, dass gerade Gesundheitssystem und Pflegebereich sehr eng mitein­ander verbunden sind, dass einer ohne den anderen nicht sein kann.

Daher meine ganz spezielle Frage: Wie stehen Sie zu den Überlegungen, dass, wenn es einmal ein Gesamtkonzept Pflege geben sollte, dieses Gesamtkonzept Pflege auch im Gesundheitssystem integriert ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Grundsätzlich gibt es ja ein Konzept Pflege, das wir bereits im Dezember des Vorjah­res beschlossen haben. Inwieweit wir bei den Schnittstellen noch besser werden, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, aber ich bemühe mich, dass wir bei den einzelnen Schnitt­stellen noch besser werden. Wir müssen aber auch ein paar Grundsatzfragen diskutie­ren, unter anderem, wie weit die Sozialhilfelogik Grundlage für die Langzeitbetreuung sein soll.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Öl­linger.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Pflegeteilzeit, Pflegeka­renz und auch die Verbesserungen bei der Hospizkarenz, ja, das sind Fortschritte, überhaupt keine Frage, und sie kommen, was die Pflegekarenz und die Pflegeteilzeit betrifft, auch sehr nahe dem, was wir uns vorgestellt, gewünscht und auch gefordert haben.

Trotzdem die Frage an Sie, Herr Bundesminister: Warum gibt es bei der Pflegekarenz diese starke Einschränkung auf die drei Monate? Gibt es sachliche Gründe, die für Sie für diese starke Einschränkung auf die drei Monate ausschlaggebend sind, und warum ist es nicht möglich, etwa ein oder zwei Jahre Pflegekarenz in Anspruch zu nehmen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Ich glaube, wir sollten jetzt einmal die drei Monate leben, als Maximum. – Punkt eins.

Punkt zwei: Ich glaube, wir tun den Betroffenen auch nichts Gutes, denn wenn sie ein-, eineinhalb Jahre aus dem Berufsleben draußen sind, ist die Reintegration ins Berufs­leben schwierig. Man sieht das bei den WiedereinsteigerInnen, mit welchen Maßnah­men das alles verbunden ist – was auch okay ist; es ist gut, dass es diese Maßnahmen gibt. Aber ich glaube, wir sollten jetzt diese Sozialleistung einmal so zur Kenntnis neh­men, wie sie ist – Einstieg, maximal drei Monate, materielle Absicherung, sozialversi-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 40

cherungsrechtliche Absicherung, Kündigungsschutz, und so weiter –, und dann schau­en wir weiter.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Be­lakowitsch-Jenewein.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister, es ist erfreulich, und wir haben es jetzt schon ein paarmal gehört, dass jetzt die Hospiz­versorgung erstmals sozusagen auch eine Wertigkeit erfahren hat.

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, in welcher Form die Ergebnisse der Bedarfserhebung des Gesundheitsministeriums für die spezifische Hospiz- und Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen bei der Berechnung eines Pflege­fondsgesetzes Eingang gefunden haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Da es in dieser Frage ein sehr enges Zusammenwirken zwischen den beiden Ressorts gab, haben wir das natürlich mitberücksichtigt; ich kann aber jetzt nicht bewerten, in welchem Prozentsatz.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hechtl.

 


Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Bundesminister, durch Ihre Initiative wurde bereits bei der Regierungsklausur 2011 am Semmering der Pflegefonds eingeführt be­ziehungsweise beschlossen; damit wurden 680 Millionen € für die Pflege zur Verfü­gung gestellt, des Weiteren folgen 2015 und 2016 650 Millionen € – ein wichtiger Punkt. Genauso wichtig ist für uns auch die Hospizversorgung, das Hospizwesen. Meine Fra­ge lautet daher:

Welche Bereiche oder Leistungen kommen aus Ihrem Ressort für den Auf- und Aus­bau der Hospizversorgung in Österreich?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer:  Eine genaue Summe gibt es da nicht, denn das hängt davon ab, was die einzelnen Landesfonds jetzt entsprechend vorantreiben. Fakt ist: Was die Hospizbewegung woll­te, nämlich gleichwertige Aufnahme ins Pflegefondsgesetz, ist umgesetzt. Was jetzt in den einzelnen Bundesländern an Projekten da ist, ist da, beziehungsweise was darü­ber abgerechnet wird, obliegt den einzelnen Bundesländern. Soviel ich weiß, werden wir aber aus vielen Bundesländern entsprechende Abrechnungen bekommen – im Rahmen dessen, was sie abrechnen dürfen. Ich glaube, der wichtige Durchbruch war einmal, dass das Hospizwesen in das Pflegefondsgesetz gleichwertig aufgenommen wurde.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke, Herr Bundesminister. Wir sind damit am Ende unserer Fragestunde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Mag. Korun.) Es wurden alle Fragen aufgerufen, und die Zeit wurde äußerst diszipliniert eingehalten. – Vielen Dank dafür an alle!

10.23.12Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 15418/J der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Totalschaden in der Hy­po Alpe-Adria und Totalversagen der Bundesregierung dringlich zu behandeln.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 41

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

10.23.42Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich wei­ters mit, dass Frau Abgeordnete Gartelgruber beantragt hat, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 321/A der Abgeordneten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 eine Frist bis 5. Juli 2013 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

10.24.35Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Petzner, Kollegin und Kolle­gen haben weiters gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Unter­suchungsausschuss betreffend die Notverstaatlichung von Hypo Alpe-Adria, Kommu­nalkredit Austria AG und Österreichischer Volksbanken-AG einzusetzen.

Die Durchführung einer Debatte hierüber wurde nicht verlangt.

Gemäß § 33 Abs. 2 Geschäftsordnung findet die Abstimmung nach Erledigung der Ta­gesordnung statt.

10.25.05Antrag gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe weiters bekannt, dass die Abgeordne­ten Elmar Mayer, Christine Marek und Dr. Harald Walser im Sinne des § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung schriftlich die Ergänzung der Tagesordnung um den Bericht des Un­terrichtsausschusses über die Regierungsvorlage 2412 der Beilagen, Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013, beantragt haben. Dieser Gegenstand soll als Punkt 32 verhandelt werden.

Eine Ergänzung der Tagesordnung kann vor Eingang in dieselbe vorgenommen wer­den und erfordert eine Zweidrittelmehrheit.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für die Ergänzung der Tagesordnung um den Be­richt des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage 2412 der Beilagen, Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetz 2013, als Punkt 32 sind, um ein zustimmen­des Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung wird somit um diesen neuen Punkt 32 ergänzt. Die alten Tagesord­nungspunkte 32 bis 35 werden zu den Tagesordnungspunkten 33 bis 36. Die ergänzte und neu gereihte Tagesordnung wird auch verteilt werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 3 bis 6, 9 und 10, 15 bis 22, 23 und 24, 25 und 26, 27 und 28 sowie 32 bis 35 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 42

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen damit in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonfe­renz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Ta­gesblockzeit von 8,5 „Wiener Stunden“ vereinbart. (Unruhe im Saal.) – Meine Damen und Herren, wir sind noch nicht fertig, wir müssen noch Abstimmungen durchführen; ich sage das nur, weil schon ein gewisser Auflösungsprozess ersichtlich ist.

Entsprechend der vorläufigen Neuverteilung der Redezeit innerhalb einer „Wiener Stunde“ ergeben sich für 8,5 „Wiener Stunden“ folgende Redezeiten: SPÖ und ÖVP je 119 Minuten, FPÖ 106, Grüne 94, BZÖ 81 sowie Team Stronach 68 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.27.551. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2323 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz geändert wird (2502 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1997/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfüh­rung weiterer Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger (2503 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


10.28.34

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! Zum Antrag des Kollegen Hofer betreffend pfle­gende Angehörige: Ich glaube, Kollege Hofer ist ja ein Experte auf dem Gebiet des So­zialbereiches. Lieber Norbert, ich darf dir von dieser Stelle aus auch alles Gute für dei­ne Gesundheit wünschen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Österreich werden rund 80 Prozent aller Pflegegeldbezieher von ihren Angehörigen zu Hause versorgt und gepflegt. Kaum eine andere Arbeit ist so vielschichtig und oft auch so schwierig wie die Pflege eines Ange­hörigen. Vor allem erstreckt sich die Pflege oft über einen langen Zeitraum und prägt natürlich auch das Leben der Betreuungsperson. Wenn nicht alles unternommen wird, um Menschen, die aufopfernd ihre Mitmenschen pflegen und betreuen, mehr Entlas­tungen anzubieten, werden immer weniger Menschen bereit sein, solche verantwor­tungsvollen Aufgaben zu übernehmen.

Wenn alle Personen, die zu Hause versorgt werden, in öffentliche Einrichtungen, Pflege- oder Seniorenheime aufgenommen werden müssten, dann würde die öffentliche Hand


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schön schauen: Die Situation wäre gar nicht bewältigbar, von den Kosten gar nicht zu sprechen. Die Leistung der Angehörigen macht Pflege und Betreuung in Österreich erst finanzierbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Entlastung pflegender Angehöriger muss uns allen ein großes Anliegen sein, das muss immer weiter ausgebaut werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


10.30.37

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Doppler hat es schon angesprochen: Pfle­ge ist ein Thema, das die Menschen beschäftigt – egal, ob sie zu pflegende Menschen sind oder ob sie pflegende Angehörige sind. Und natürlich beschäftigt die Pflege auch die Politik, weil es unsere Aufgabe ist, ein bestmögliches bedarfs- und bedürfnisorien­tiertes Pflegeangebot für Menschen, die Pflege benötigen, bereitzustellen und zu finan­zieren.

Das Thema ist für mich also, dass man sich überlegen muss, dass es ein möglichst breites Angebot geben muss. Ich sage immer, es muss einen Mix aus stationärer Pfle­ge, teilstationärer Pflege, Kurzzeitpflege, Tagespflege, neuen Möglichkeiten, neuen Wohnformen geben. Ich bin auch überzeugt davon, dass man immer mehr das Augen­merk darauf legen muss, dass man ein ordentliches Case- und Care-Management an­bieten kann, damit pflegende Menschen und auch Angehörige schon in der Vorberei­tung bestmöglich unterstützt werden können.

Der Herr Minister hat sich ja in den letzten Jahren sehr intensiv mit dem Thema Pflege beschäftigt. Es gibt auch eine Arbeitsgruppe zum Thema Pflege, wo schon einige Maß­nahmen umgesetzt wurden. Ich freue mich auch sehr, dass schon vor einigen Jahren, 2011, der Pflegefonds, das Pflegefondsgesetz mit 685 Millionen € dotiert werden konn­te, um das Pflegeangebot zu finanzieren, es auszubauen, um die Gemeinden und auch die Länder zu entlasten.

Mit dem Gesetz, das wir jetzt beim 1. Tagesordnungspunkt beschließen werden, wird dieses Pflegefondsgesetz fortgeschrieben. Es werden den Ländern weitere 650 Millio­nen € zur Verfügung gestellt, um das Pflegeangebot auszubauen und um vor allem – und das ist mir ganz besonders wichtig – auch qualitätssichernde Maßnahmen weiter auszubauen und innovative Projekte umzusetzen. Wir alle wissen, dass es ein gutes Angebot gibt, dass es aber eben viele unterschiedliche Lebensformen von Menschen, die pflegen, oder von zu pflegenden Menschen gibt, und daher muss es auch immer wieder Innovation geben.

Dieses Gesetz, das heute beschlossen wird, das wir heute gemeinsam – so hoffe ich – beschließen werden, wird auch dazu beitragen, dass Länder verpflichtend mehr inno­vative Projekte fördern müssen. Ich denke mir, das ist ein weiterer wichtiger Schritt zu einem noch besseren bedarfs- und bedürfnisorientierten Angebot.

Ich freue mich auch, dass die Zweckbindung bleibt. Es ist ganz wichtig, wenn man den Ländern Geld gibt, dass dieses tatsächlich zweckgebunden ausgegeben werden muss und auch wird. Es wird eine Flexibilisierung der Mittelverwendung geben, und es gibt auch eine Festlegung des sogenannten Richtversorgungsgrades. Ich bin überzeugt da­von, dass dieses Pflegefondsgesetz ein ganz wichtiges Gesetz ist, das dazu beitragen wird, Pflege noch besser organisieren zu können.

Herr Kollege Hofer, ich freue mich, dass Sie wieder da sind. Ich hoffe, es geht Ihnen auch gesundheitlich wieder besser. Ihrem Antrag aber können wir nicht die Zustim-


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mung geben, weil es einfach schon eine Reihe von Maßnahmen gegeben hat, die Pfle­gebedürftige oder pflegende Angehörige unterstützen. Der Herr Minister wird vielleicht auch noch ein wenig darauf eingehen. Sie wissen es selber: Es gibt den Unterstüt­zungsfonds für Ersatzpflege, wo alleine im Vorjahr 8 265 Anträge positiv behandelt wurden; da wurde ein Volumen von 9,6 Millionen € zugewendet. Es gibt die sozialversi­cherungsrechtliche Absicherung für pflegende Angehörige, und heute beschließen wir die Pflegekarenz und die Pflegeteilzeit.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, auch wenn wir an diesem Thema natürlich immer weiterarbeiten müssen, damit Menschen ordentlich gepflegt werden und damit die pflegenden Angehörigen selber auch gesund bleiben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger.)

10.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


10.34.00

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Dem Pflegefondsgesetz werden wir zustimmen, das ist kei­ne Frage. Es sind Mittel, gar nicht so geringe Mittel, die der Bund wieder in die Hand nimmt, in der Höhe von den schon erwähnten 650 Millionen €. Das ist auch gut so. Wir haben aber schon ein Problem damit, dass der Pflegefonds unserer Auffassung nach eher als ein Topf betrachtet wird, aus dem sich die Bundesländer nach bestimmten festgelegten Kriterien bedienen können, dass der Pflegefonds aber nicht betrachtet wird und nicht organisiert wird als ein etwas stärkeres Instrument, mit dem es zu einer Vereinheitlichung von Pflege – was die Qualität betrifft, was die Kriterien betrifft – in ganz Österreich kommt.

Der Zustand, der nach wie vor besteht, dass wir von Bundesland zu Bundesland unter­schiedliche Kriterien für Pflege haben, unterschiedliche Sätze, nach denen Pflegeleis­tungen bezahlt werden müssen, und es bei der Pflege überhaupt einen Unterschied macht, ob man in Oberösterreich, Niederösterreich, Wien oder im Burgenland geboren wird – um nur einige Bundesländer zu nennen –, ist unerträglich.

Es gibt natürlich in den einzelnen Bundesländern sehr gut funktionierende Modelle. Je­des Bundesland beansprucht deshalb natürlich, dass diese gut funktionierenden Mo­delle – im Unterschied zu dem, was man nicht so gerne herzeigt – vorgeschoben wer­den, um zu sagen: Wir legen Wert auf unsere Autonomie! – Aber das kann es nicht sein! Es muss möglich sein, Pflegekriterien, Qualitätskriterien zu verankern, die diese Leistungen auch für die Bürger beziehungsweise für die zu Pflegenden, für deren An­gehörige vergleichbar machen, besser vergleichbar machen, und die generell, was die Zahlungen an die Länder betrifft, sicherstellen, dass das Geld dort ankommt, wo es tat­sächlich gebraucht wird und wo es Sinn macht. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das ist derzeit leider noch nicht so – über die derzeitige Organisation des Pflege­fonds –, wie wir das gerne hätten. Und mir reicht dieser Hinweis, es gebe ja dann wie­der die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern im Finanzausgleich und da werde das schon kommen, noch nicht aus, vor allem deshalb, weil eben wirklich sehr viel Geld in die Hand genommen wird und es notwendig wäre, da einheitliche Pflegekrite­rien und vor allem Qualitätskriterien zu schaffen. Aber – noch einmal –: Wir werden dem zustimmen.

Wir haben schon im Ausschuss auch dem Antrag des Abgeordneten Hofer von den Freiheitlichen unsere Zustimmung erteilt. Wir sind daher nicht einverstanden, dass Sie diesen Antrag ablehnen und dass wir hier nur mehr negativ protestieren können, weil es selbstverständlich notwendig gewesen wäre und notwendig ist, dass die Bundesre-


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gierung an ihre nichterfüllten Aufgaben im Bereich der Pflege und Unterstützungsleis­tungen erinnert wird und dass sie auch dazu gedrängt wird. Auch wenn da schon eini­ges weitergegangen ist, was ich durchaus anerkennen will: Dort, wo wir im Bereich der Pflege eigentlich schon sein könnten und sein sollten, sind wir leider noch lange nicht. (Beifall bei den Grünen.)

10.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Wöginger gelangt als Nächs­ter zu Wort. – Bitte.

 


10.38.03

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute eine sehr wichtige Änderung im Pflegefondsgesetz. Für 440 000 pflegebedürftige Menschen in Österreich ist das eine sehr wichtige Maßnahme. Wir befüllen den Pflegefonds auch in den Jahren 2015 und 2016 mit zusätzlich 650 Millionen € – 300 Millionen € für das Jahr 2015, 350 Millionen € für das Jahr 2016.

Wir haben in den Jahren 2011 bis 2014 bereits zusätzlich 685 Millionen € investiert, weil wir im Bereich der Pflege ein Zeichen setzen wollen und weil es notwendig ist, die betroffenen Menschen, auch jene, die dort aus beruflichen Gründen tätig sind, das ge­samte Pflegepersonal, und vor allem auch die Strukturen in den Ländern und in unse­ren Gemeinden zu unterstützen. Heute setzen wir ein ganz wichtiges Zeichen mit die­ser Änderung im Pflegefondsgesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte die Kriterien noch einmal kurz in Erinnerung rufen, weil wir Geld – Steuer­gelder – in diesen Topf geben und natürlich auch Kriterien verlangen, wie dieses Geld abgerufen werden kann. Es ist vorgesehen für mobile Betreuungs- und Pflegedienste, stationäre Betreuungs- und Pflegedienste, teilstationäre Tagesbetreuung, Kurzzeitpfle­ge in stationären Einrichtungen, Case- und Care-Management – das wird immer wichti­ger in diesem Bereich – und natürlich auch alternative Wohnformen, die wir damit un­terstützen wollen; das tun wir auch. Sehr stolz bin ich darauf, auch als Vertreter der Österreichischen Volkspartei, dass wir die mobile und stationäre Kinderhospiz- und Kinderpalliativbetreuung hier aufnehmen.

Herr Bundesminister, ich möchte mich auch bei Ihnen ganz herzlich dafür bedanken. Das ist ein ganz wichtiges Zeichen und ein ganz wichtiges Signal, vor allem für jene, die in dieser schweren Zeit diese Unterstützung auch wirklich gut brauchen können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Pflegefonds hat sich in den letzten Jah­ren mehr als bewährt. Es wird hier heute eine sehr gute Fortsetzung davon beschlos­sen, vor allem auch in finanzieller Hinsicht.

Wir beschließen auch einen Teil eines Konjunkturpaketes mit. Es wird heuer und im nächsten Jahr auch möglich, dass man Mittel aus den Folgejahren vorziehen kann Es ändert sich nichts an der Gesamtsumme, aber es können Mittel vorgezogen werden, sogar für bauliche Maßnahmen an den stationären Einrichtungen. Ich erachte das ge­rade angesichts der schwierigen Situation, die wir derzeit in manchen Bereichen auf dem Arbeitsmarkt haben, vor allem auch in der Bauwirtschaft, gerade auch für die ländliche Gegend, für den ländlichen Raum als ein ganz wichtiges Signal, dass wir hier diese Vorziehmöglichkeit eröffnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich mich bedanken bei all jenen, die tagtäglich im Einsatz sind und im Bereich der Pflege arbeiten. Das ist ein ausgesprochen herausfordernder Beruf, ich weiß das auch als Betriebsratsvorsitzender des Roten Kreuzes Oberösterreich. Und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich im


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Rahmen dieser Pflegefondsdebatte bei den Zigtausenden Menschen zu bedanken, die den Pflegebedürftigen und auch den pflegenden Angehörigen zur Seite stehen. Das ist eine ganz, ganz wichtige Unterstützung und Leistung für die Menschen, die diese Hilfe auch brauchen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Neu­bauer. – Bitte.

 


10.41.47

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Herr Kollege Wöginger, es ist das gute Recht der Bundes­regierung, sich hier herzustellen und das, was heute zur Beschlussfassung vorliegt – nämlich die Änderung und Erweiterung des Gesetzes betreffend den Pflegefonds –, zu begrüßen und sich auf die Schulter zu klopfen, dass das ein großer Wurf sei, was hier heute gelungen ist. – Das sei Ihnen von der Bundesregierung unbenommen, aber wir Freiheitlichen sehen das naturgemäß anders.

Kollege Öllinger hat schon auf einige Schwachpunkte im Pflegebereich und im Betreu­ungssystem in Österreich hingewiesen. Dem können wir uns anschließen. Es wäre wirklich an der Zeit, endlich einmal auch im Bereich der Pflege die Harmonisierung der Bundesländer anzugehen, um einmal wirklich einheitliche Kriterien im Bereich der Pfle­ge und der Betreuung zu schaffen.

Wir begrüßen natürlich auch, dass es hier zu einer Einigung zwischen Bund, Ländern und den Gemeinden gekommen ist, weil dadurch die Pflege und die Betreuung bis zum Jahre 2016 sichergestellt ist. Aber seien wir doch ganz ehrlich: Das ist doch das Min­deste, was man – noch dazu von einer sozialdemokratisch geführten – Regierung ver­langen darf, dass ein so wichtiger und sensibler Bereich wie die Betreuung und Pflege von Menschen in Österreich einmal gesichert ist! Da sprechen wir noch gar nicht von ganz anderen Dingen, wie der Langzeitpflege, wofür in Österreich im Budget nach wie vor viel zu wenig Mittel bereitgestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir fordern schon seit Jahren, dass hier ein Gesamtkonzept für diese Menschen vorzulegen ist. Immer wieder wird nur Stückwerk produziert, immer wieder wird nur von einem Jahr zum anderen weitergewurschtelt. Wir verlangen von dieser Bundesregierung – oder zumindest von einer nächsten Bun­desregierung –, dass dieses Flickwerk endlich beendet wird, dass ein Gesamtkonzept vorgelegt wird – und das kann nur funktionieren, indem auch das Gesundheitssystem reformiert wird. Dann wird die Pflege und die Betreuung in Österreich leistbar und fi­nanzierbar sein.

Solange diese Konzepte nicht vorgelegt werden, kann die Freiheitliche Partei diesen Anträgen die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

10.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolin­schek. – Bitte.

 


10.44.35

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, dass es schon allein demo­grafisch bedingt notwendig ist, eine langfristige Sicherung der Pflege und Betreuung durch eine nachhaltige Pflegefinanzierung zu gewährleisten. Deswegen wurde im Jahr 2011 das Pflegefondsgesetz umgesetzt und deswegen ist jetzt auch eine Ände­rung des Pflegefondsgesetzes vorgesehen. Im Jahr 2011 gab es 685 Millionen €, und bei den jetzigen 650 Millionen € haben die Bundesländer die Möglichkeit, diese Gelder vorzuziehen und sie auch dementsprechend einzusetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 47

Nach wie vor gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen betreffend die Handhabung, was nicht optimal ist, weswegen auch von vielen Organisationen, wie auch von uns, schon jahrelang ein Gesamtkonzept gefordert wird. Auch mein Vorred­ner hat das jetzt betont, dass es ein Problem ist, dass ein Gesamtkonzept bei der Pfle­ge, bei der Betreuung nach wie vor noch immer ausständig ist.

Einerseits werden 700 000 € für Inserate über die gesicherte Pflege ausgegeben, auf der anderen Seite hat eine Valorisierung des Pflegegeldes bisher noch immer nicht stattgefunden. Sie findet jetzt auch nicht statt, und ich war deswegen auch sehr im Konflikt mit mir selbst, ob wir jetzt bei dieser Änderung des Pflegefondsgesetzes für die Pflege und Betreuung mitstimmen sollen oder nicht. Tatsache ist aber, dass sie not­wendig ist, um die Sicherung und den weiteren Ausbau der sozialen Dienste für pflege- und betreuungsbedürftige Menschen umzusetzen. Aber wie ich schon gesagt habe, ei­ne nachhaltige Sicherung ist nicht zu erkennen.

Wir werden dieser Änderung jetzt trotzdem die Zustimmung geben, weil sie vernünftig ist. Ich sage einmal so: Ich habe meine Bedenken – die ich jetzt auch geäußert habe –, aber es ist auf jeden Fall einmal mehr drinnen, und es ist gewährleistet, dass es für vie­le Bereiche eine Verbesserung gibt.

Was den Antrag des Kollegen Hofer betrifft, so werden wir diesem unsere Zustimmung geben, weil auch wir der Auffassung sind, dass ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit im Falle einer erheblichen Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen notwendig ist, und es sollten in Zukunft umfassende Maßnahmen gesetzt werden, um eine Entlastung pflegender Angehöriger zu gewährleisten.

Eine jährliche Anpassung des Pflegegeldes, wo eine Valorisierung noch aussteht, ist ebenfalls notwendig, und vor allem der Ausbau der Kurzzeitpflege, der Tagespflege, die genauso notwendig ist wie die Langzeitpflege, und eine Entlastung der pflegenden Angehörigen. (Beifall beim BZÖ.)

10.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Schenk zu Wort. – Bitte.

 


10.47.49

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute die Änderung des Pfle­gefondsgesetzes. Der Pflegefonds wurde 2011 eingerichtet – wir haben schon einiges über die Vor- und Nachteile beziehungsweise über die nicht ausreichende Finanzie­rung gehört. Wir werden dieser Änderung des Pflegefondsgesetzes heute zustimmen. Dieser Pflegefonds wird für 2015 und 2016 aus Mitteln des Bundes in Höhe von 300 Millionen € und 360 Millionen € gespeist – das wurde schon angesprochen.

Wir halten diese heutige Änderung, diesen Beschluss für einen guten Schritt, einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, wenngleich auch abzuwarten bleibt, was nach 2016 kommt. Ich möchte mich da auch einigen Vorrednern anschließen, die angespro­chen haben, dass ein Gesamtkonzept Pflege fehlt und dass eben immer nur stück­chenweise oder ein-, zweijahresweise etwas geändert wird, aber ein Gesamtkonzept fehlt. Nichtsdestotrotz sehen wir hier sehr positive Punkte, und wir werden diesem Ge­setz, wie gesagt, auch zustimmen.

Das Pflegegeld gibt es seit 20 Jahren. Es wurde im Juli 1993 eingeführt – das wurde schon angesprochen –, es wurde aber bis jetzt nur dreimal erhöht. (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Valorisiert, nicht „erhöht“!) Diesbezüglich bin ich der Meinung, dass das Pflegegeld eine wichtige finanzielle Leistung und Unterstützung für die Pflegenden zu Hause ist und dass dieses Pflegegeld auch angepasst und jährlich valorisiert wer­den sollte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 48

Eine Schlüsselfrage in der Pflege ist sicherlich auch die Entlohnung von Pflegekräften. Hier werden wir auf Sicht gesehen nicht umhinkommen, auch diesen Bereich anzu­sprechen, um eben die Pflege in Österreich sicherzustellen und eben die Pflege zu Hause zu forcieren, denn wir wissen ja, dass die Menschen zu Hause, im gewohnten Umfeld gepflegt und betreut werden wollen, und das ist meines Erachtens auch gut und richtig.

Es gibt auch Berechnungen, die zutage fördern, dass es da große Einsparungspoten­ziale geben würde. Wenn man davon ausgeht, dass ein Pflegebedürftiger zehn Jahre zu Hause gepflegt wird, maximal 2 Jahre stationär, dann würde das Einsparungen von jährlich 1,5 Milliarden € bringen – und das ist auch ein Punkt, der nicht außer Acht ge­lassen werden darf.

Es gibt dann natürlich auch wieder einige Beispiele für Härtefälle: Ich habe hier ein Bei­spiel einer Dame, der ein Bein amputiert wurde, die bekommt 154 € Pflegegeld, sie ist also in Pflegestufe 1. Sie ist körperlich, soweit man das sagen kann, sonst gut beiein­ander. Wenn sie in einem Heim wäre, würde ein öffentlicher Heimplatz 3 000 € kos­ten – und da sieht man auch die Relation, was die Betreuung zu Hause kosten würde und was ein Heimplatz kosten würde, der ja großteils wieder vom Staat finanziert wird, wobei in der Steiermark ja dann auch der Pflegeregress darauf zurückgreift.

Der Pflegebereich und Pflege an sich wird uns die nächsten Jahre, die nächsten Jahr­zehnte sehr beschäftigen, und wir alle sind gefordert, hier auch weitere Maßnahmen, weitere Schritte zu setzen, um den Pflegebereich wirklich für die nächsten Jahre si­cherzustellen.

Die demographische Entwicklung wurden auch schon angesprochen: Es wird immer mehr Menschen geben, die betreut werden müssen, die Pflege brauchen. Da haben wir noch viel Arbeit vor uns!

Wir werden uns immer konstruktiv einbringen. Dieser heutigen Novelle stimmen wir zu. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

10.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort. – Bitte.

 


10.51.27

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich für die hohe Zustimmungsrate und bin sehr froh, dass wir das relativ gut über die Büh­ne bringen.

Ich möchte nur noch einmal auf Folgendes hinweisen: Es gibt seit dem 13. Dezember des Vorjahres eine Empfehlung der Reformarbeitsgruppe Pflege, die die Basis all des­sen ist, was wir tun – und da waren alle dabei: Es war alles, was die Länder betrifft, al­les, was Anbieter betrifft dabei, es waren die Vertreter der Betroffenen sehr massiv ver­treten – das alles war inkludiert. Und einer dieser Beschlüsse lautet:

„Die Länder bekennen sich im Sinne des Beschlusses der“ – LH-Konferenz – „zur Wei­terentwicklung von Harmonisierungsmaßnahmen der Angebotsstruktur und Angebots­qualität“.

Und Sie alle wissen, dass eine Weiterentwicklung nicht von heute auf heute gehen kann, das sieht man schon alleine an dem, was wir heute schon diskutiert haben, näm­lich am Beispiel von Kärnten: Dort habe ich 30 Prozent Selbstbehalt; ich habe ein Bun­desland, da habe ich 50 Prozent Selbstbehalt; ich habe ein Bundesland mit 20 Prozent Selbstbehalt – wir haben alles! Klar ist, dass wir uns hinentwickeln müssen zu einem gemeinsamen Schritt, und demzufolge werden wir weitermachen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 49

Mit der heutigen Beschlussfassung sind wir harmonisiert, was die Statistik betrifft, und ich glaube, wir werden 2014 zum ersten Mal sagen können, wo etwas in welcher Quali­tät angeboten wird. Heute arbeiten wir teilweise mit Überbegriffen, mit Zwischenbegrif­fen, die sich irgendwo entwickelt haben – was alles nicht negativ ist; das hat alles eine geschichtliche Entwicklung –, aber das führen wir jetzt zusammen. Es wird eineinhalb Jahre dauern, aber wir sind auf dem Weg dorthin.

Erstmalig gibt es auch einen einheitlichen Richtversorgungsgrad – dieser Richtversor­gungsgrad dient der Angleichung der Quantität des Angebots. Auch das ist ein nicht unwesentlicher Schritt, mit dem wir auch sagen können, wie viel Prozent das Bundes­land A bei mobilen Diensten, Pflegehelfern, diplomiertem Personal anbietet, warum das Bundesland B da weniger macht und was der Hintergrund und so weiter dafür ist.

Wir sind auch dabei durch die Finanzierung von qualitätssichernden Maßnahmen und innovativen Projekten. Was heißt das aber auch? – Erhöhung der Transparenz von Pi­lotprojekten und vor allem auch deren Umsetzung. Wir können dann ganz genau nach­vollziehen, welche Piloten hochgezogen wurden, was die machen und wie das aus­schaut. – Das heißt, wir nähern uns all dem, was wir uns vorgenommen haben.

Wir haben die österreichische Bundesverfassung, und wir müssen uns einig sein. Sie ist so, wie sie ist. Und wenn es uns hie und da Spaß macht, schlagen wir auf sie ein, weil sie so ist – ich glaube, das ist nicht der Weg. Der Weg ist, sich im Rahmen des­sen, was unsere Rechtsnorm ausmacht, weiterzuentwickeln. Das tun wir.

Sie alle wissen doch – das möchte ich jetzt nur mehr für das Protokoll sagen –, dass es natürlich 2017 mit der Pflege weitergeht. Es ist doch vollkommen klar, warum wir die­sen Schritt 2016 so machen wollten, mussten und es auch tun: weil bis dahin gewisse Stabilitätsvereinbarungen mit den Bundesländern gegeben sind und wir aufgrund der Ergebnisse dann weitermachen werden.

Es wir doch niemand in diesem Land ernsthaft glauben, dass 2017 der Pflegefonds Geschichte ist – überhaupt nicht! –, sondern es wird weitergehen, aber dann mit bis dahin zu entwickelnden Kriterien, die vielleicht da oder dort etwas anders ausschauen können. Und dazwischen liegt auch eine Finanzausgleichverhandlung – auch das ist ein Thema, wo wir uns weiterentwickeln werden. Es ist doch vollkommen klar: Es gibt keinen Stillstand, es gibt nur Fortschritt!

Dieser Fortschritt ist auch monatlich dokumentiert: Es sind 5,15 Prozent der österrei­chischen Bevölkerung, die im Juni Pflegegeld bezogen haben. 5,15 Prozent – wir sind Weltmeister! Sie werden kein Land der Welt finden, wo sie einen so hohen Prozentsatz an Pflegegeldbeziehern haben. Das ist aber auch ein Ausdruck dessen, dass wir ein siebenstufiges System haben, in das man auch einigermaßen gut eintreten kann. Denn was wir auch haben, ist, dass wir jedes Monat ein Wachstum haben, wir haben kein Minus. Die Zahl der Abgänge ist geringer als die Zahl der Zugänge, und demzufolge zeigt das System, dass es sich weiterentwickelt.

Wir können, glaube ich, nach 20 Jahren sehr stolz sein auf das, was wir hier geschaf­fen haben, denn in allen anderen Ländern Europas, die immer unsere sozialpolitischen Vorbilder waren, haben wir 3,5 Prozent, 2,8 Prozent, 3 Prozent. – Es gibt kein Land Europas, wo 5,1 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld bekommen, um für bestimmte Lebenslagen zusätzliches Geld zu haben.

Das ist immerhin ein Aufwand von 2,4 Milliarden €! Das ist nicht so wenig, das ist ein ordentlicher Brocken, aber wir können stolz darauf sein, dass wir das tun, und sollten das auch mit einer gemeinsamen Beschlussfassung dokumentieren – wissend, dass die eine Partei Probleme hat, aber vielleicht kann man sich noch innerhalb der nächs­ten 5 Minuten intern davon überzeugen, dass es etwas Gutes wäre, dieses Pflege­fondsgesetz gemeinsam zu tragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.57



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 50

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Au­bauer. – Bitte.

 


10.57.20

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Hundstorfer hat ja gerade deutlich gemacht, dass sich in unserem Österreich niemand Sorgen machen muss, ob er sich künftig seine Pflege leisten kann oder nicht. Bei uns ist für die Pflege gesorgt, sie ist gesichert. Der Pflegefonds wird aufgestockt – deutlich aufgestockt! –: Es wird sehr viel mehr Geld zur Verfügung stehen, daher braucht nie­mand Angst zu haben, dass er sich die Pflege nicht leisten kann.

Was wird aus diesem Geldtopf finanziert? Was ist für uns Senioren dabei besonders wichtig? – Wichtig ist uns vor allem der Ausbau der mobilen Pflege, denn die meisten unserer älteren Menschen wollen ja zu Hause gepflegt werden, in ihren eigenen vier Wänden, und das sollten wir ihnen auch ermöglichen. Für jeden Pflegebedürftigen soll in jedem Bundesland ein bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung stehen. – Das ist das Ziel, und dabei werden wir in den nächsten Jahren auch auf die Umsetzung un­serer Vorschläge zur neuen Alterswohlfahrt drängen, denn jeder soll in jedem Alter so lange wie möglich selbstbestimmt leben können.

Wir haben uns auch sehr für die Förderung innovativer Projekte eingesetzt, zum Bei­spiel von neuen Formen der Betreuung Demenzkranker sowie dem Einsatz von Ambi­ent Assisted Living. Was ist damit gemeint? – Moderne Technologien für ältere Men­schen – das soll Verbesserungen bringen –, vom sogenannten denkenden Herd bis zu einer intelligenten Socke, die Ärzten oder Betreuern Rückschlüsse liefert, wenn Not am Mann oder an der Frau ist. – Aus dem Geldtopf des Pflegefonds können nun auch in­novative Projekte gefördert werden. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Für uns ist es ein wichtiges Ziel, im Bereich der Gesundheitsvorsorge Pflegebedürftig­keit so lange wie möglich hinauszuschieben ins hohe Alter, wenn überhaupt notwendig. Das heißt, mehr Vorsorge soll auch bessere Gesundheit bringen – wir wollen gesunde Lebensjahre gewinnen. Wer dennoch Pflege braucht, der wird sie bekommen. Er wird Pflege bekommen in hoher Qualität und, was ja ganz entscheidend ist, auch für jeden leistbar. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


11.00.02

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte sagen, dass wir das Thema Pflege schon jahre- und jahrzehntelang hier diskutieren und in Wirklichkeit feststellen können, dass wir immer eine Evaluierung nach oben hatten. Wie ich heute in der Fragestunde schon erwähnt habe, ist unser System national und international anerkannt – wiewohl wir nicht alle Wünsche erfüllen können, das ist ganz klar –, und das ist doch etwas ganz Bedeutendes und Wichtiges, ein Gut, das wir schätzen sollen und mit dem wir auch sorgsam umgehen müssen.

Natürlich bringt die Veränderung der Gesellschaft auch neue Herausforderungen, kei­ne Frage, und dem wurde auch in hohem Maße entsprochen, nicht zuletzt auch bei ei­ner Reformmaßnahme mit Wirkung 1. Jänner 2012. Man hat die Anzahl von Begut­achtungsstellen, nämlich über 300, reduziert auf sieben, und jetzt soll auf fünf reduziert werden. Ich halte das für g’scheit, für richtig und für eine klare Positionierung.

Ich habe mir jetzt die Ausführungen meiner KollegInnen angehört und darf mir eine Feststellung erlauben: Auch gute Dinge, auch gute Prozesse, gute Gesetze, wie wir sie


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 51

haben, können vielleicht auch dadurch in der Qualität etwas gemindert werden, wenn zu viele Zugang haben, wenn zu viele daran administrieren. Denn was ich nicht ver­stehe – bei allem Bekenntnis zum Föderalismus –, ist, dass die Bundesländer in so un­terschiedlicher Art und Weise Bundesrahmengesetze anwenden. Ich halte das auf Dauer für diskussionswürdig. Ich denke, darüber sollte man reden, vielleicht auch beim nächsten Finanzausgleich, Herr Bundesminister!

So halte ich auch nicht nur die Erweiterung der Leistungen in so wichtigen Bereichen wie den mobilen Diensten für wichtig, sondern auch, dass auch Hospiz, Kinderhospiz mit aufgenommen werden und dass insgesamt dieser ganze Prozess auch finanziell entsprechend ausgestattet ist.

Wir haben mit dem Pflegegeldgesetz die Zuwendungen des Bundes an die Länder schon bis zum Jahr 2014 beschlossen, jetzt gibt es eine Draufgabe für die Jahre 2015: 300 Millionen, und 2016: 350 Millionen. Das ist Geld des Bundes, das an die Länder geht, damit die Länder ihre Aufgaben erfüllen können. Ich denke, dass man beim nächsten Finanzausgleich auch über diese Sache reden soll und wird reden müssen.

Schlussendlich auf den Punkt gebracht: Ich bin froh darüber, dass wir diese Art der Pflegevorsorge und diese Pflegemaßnahmen gewählt haben. Ich denke, über diese sieben Stufen wird es immer Diskussionen geben, und die ewige Forderung nach An­passung kennen wir auch, seit wir dieses Thema diskutieren. Wenn Sie mit dem Bür­ger reden, so ist der Bedarf gar nicht so groß. Natürlich gibt es Einzelfälle, die bedauer­licherweise ein bissel mehr vom Schicksal „begleitet“ werden als andere.

Persönlich glaube ich, dass wir bei diesem System bleiben sollen, dass wir daran fest­halten sollen. Ich kann aufgrund von Begegnungen mit Vertretern anderer Länder sa­gen: Von einer Pflegeversicherung, die manchen vorschwebt, kann ich Ihnen herzlich und dringlich abraten. Das System, das wir haben, das jedem einen Zugang ermög­licht, halte ich letzten Endes für das bessere, spart zusätzliche Administrationen und vieles mehr.

Dass zur Pflegefinanzierung alle Generationen – auch meine – einmal mehr werden beitragen müssen, sei ebenfalls eine Bemerkung, die ich mir erlauben darf. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klikovits. – Bitte.

 


11.03.58

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss des Pflegefondsgesetzes setzen wir als Parlament eine Priorität. Wir signalisieren den Menschen, dass wir ihnen dann helfen wollen, wenn sie Hilfe am nötigsten brauchen, und dass niemand alleinge­lassen wird. Als einer, der täglich mithelfen darf, dass 1 200 Menschen gepflegt wer­den, weiß ich natürlich auch um die Sorgen und Nöte dieser Menschen. 80 Prozent wollen zu Hause gepflegt werden, deswegen geben wir auch zielgerichtet dafür 650 Millionen € aus; neben den anderen Maßnahmen, die wir fördern, die heute auch schon angesprochen worden sind, wie die Hospiz- und Palliativbetreuung, die Kinder­hospizdienste. Darüber hinaus haben wir jetzt Pflegekarenz und Pflegeteilzeit geschaf­fen, dass jene Leute, die zu Hause pflegen müssen, auch die Möglichkeit dazu haben.

Kollege Hofer hat das in seinem Antrag vielleicht noch stärker formuliert, aber wir müs­sen den Menschen schon zugeben, dass all das, was wir an Maßnahmen setzen, Geld kostet und dieses Geld auch entsprechend aufgetrieben werden muss. Wenn ich den Antrag der Freiheitlichen ansehe, so glaube ich, dass das alles vielleicht jetzt noch nicht möglich ist, aber eventuell irgendwann in absehbarer Zeit. Daher kann man dann auch noch darüber diskutieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 52

Wichtig ist – und das ist, glaube ich, das Entscheidende für den Beschluss, den wir jetzt fassen –: Wir geben den Menschen, die Sicherheit im Pflegebereich brauchen, diese Sicherheit und haben daher auch prioritär gehandelt.

Hohes Haus! Herr Bundesminister! Es sind schon die einen oder anderen Fehlentwick­lungen durch sozusagen unseren Föderalismus angesprochen worden. Auch ich er­kenne das. Es kann nicht sein, dass im Burgenland anders gefördert wird als in Wien, in Oberösterreich oder in Niederösterreich. Wenn jemand krank ist, sind in ganz Öster­reich dieselben Ansprüche zu gewährleisten. Das tun wir in der Ausbildung, das tun wir jetzt sozusagen bei den Qualitätskriterien mehr denn je – Sie haben das angespro­chen –, und das sollten wir vor allem auch bei der Unterstützung der einzelnen Betrof­fenen tun.

In diesem Sinne hoffe ich, dass auch die Freiheitlichen noch das Signal setzen, dass ihnen die Menschen, die Pflege brauchen, wichtig sind, auch wenn der heutige Be­schluss noch nicht so weit geht, wie sie das wünschen. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, Sie könnten heute ein Zeichen setzen, dass Sie jenen Menschen, die Hilfe brauchen, diese Hilfe zumindest am Anfang zugestehen wollen! – Ich bitte um diesen gemeinsamen Beschluss. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.07

11.07.06

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir zunächst ab über Tages­ordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflegefondsge­setz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2502 der Beilagen.

Ich ersuche jene Kolleginnen und Kollegen, die diesen Entwurf unterstützen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wenn Sie auch in dritter Lesung für den Entwurf sind, bitte ich Sie um Ihre Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit beschlossen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 2503 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall der Zustimmung ersuche ich um Ihr unterstützendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

11.07.583. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2407 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Be­triebspensionsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundespflegegeldge­setz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitslosenver­sicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz (11. Novelle zum APG), das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987, das Bundessozial­amtsgesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Ar­beitsrechts-Änderungsgesetz 2013 – ARÄG 2013) (2504 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2321/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 53

der Übergangsfristen für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Ru­mänien und Bulgarien (2505 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2366/A der Ab­geordneten Renate Csörgits, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch ge­ändert wird (2506 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2332/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend kon­krete Maßnahmen für Österreichs Freiwillige II (2507 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesord­nung. Die Debatte wird unter einem durchgeführt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vock. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.08.44

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Minister, im Ausschuss haben Sie uns erklärt, dass der Antrag, langjährige Frei­willigenarbeit zu honorieren, von den Freiwilligen-Organisationen nicht gewünscht wird. Wir sind zu anderen Ergebnissen gekommen: Bei unseren Besprechungen wird immer wieder angeregt, ob man das nicht honorieren könnte.

So gibt es zum Beispiel konkret den Vorschlag auf Berücksichtigung jahrelanger Frei­willigenarbeit für Blaulicht-Organisationen beim Pensionsanspruch. Herr Minister, Sie haben das im Ausschuss ein bissel ins Lächerliche gezogen: Wenn man einmal drei Tage lang im Hochwasser-Einsatz ist, dann ist das zu wenig für einen Pensionsan­spruch. – Wir reden hier nicht von einem einmaligen Einsatz, sondern wir reden über langjährige Arbeit. Man muss bedenken, dass diese Freiwilligenarbeit meistens zusätz­lich zu einem Hauptberuf geleistet wird. Das heißt, das ist eine zusätzliche Belastung, das sind viele Nachtdienste, das sind viele Zusatzdienste, die anhand von Einsatz­plänen auch nachvollziehbar sind. Also da könnte man mit etwas Willen schon etwas weiterbringen.

Der bevorzugten Aufnahme von Freiwilligen in den öffentlichen Dienst wird angeblich entsprochen, aber: Haben die Freiwilligen ein Recht darauf, wo steht dieses Recht fest­geschrieben?

Bei der Entgeltfortzahlung und dem Sonderurlaub für freiwillige Helfer bei Katastrophen geht es um die Refundierung zugunsten der Arbeitgeber, die in dieser Zeit die Leistung der Arbeitnehmer verlieren, damit für sie keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Selbstbehalte für jene Freiwilligen, die im Gesundheitswesen dienen, sollen reduziert werden.

Herr Minister, ich habe nicht verstanden, dass im Ausschuss Kolleginnen und Kollegen die freiwillige Arbeit von Blaulichtorganisationen mit anderen ehrenamtlichen Tätigkei­ten, die auch wichtig sind, verglichen haben. Es ist die Mitwirkung in Blasmusik- und Sportvereinen gleichgesetzt worden mit der Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Roten Kreuz oder beim Samariterbund. – Also da muss ich sagen, das sind schon unterschiedliche Tätigkeiten in der ehrenamtlichen Arbeit.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 54

Herr Minister, wir sollten nie vergessen, welche Kosten uns durch diese Freiwilligen­arbeit erspart bleiben. Müssten wir das bezahlen – wir wissen es von der Wiener Be­rufsfeuerwehr –, dann wüssten wir, was hier wirklich finanziell geleistet wird für unser Land.

Leider wird es immer schwieriger, ehrenamtliche Helfer zu finden, und somit wäre der eine oder andere Anreiz ein willkommenes Argument für unsere Blaulichtorganisatio­nen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


11.11.19

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In Zeiten, in denen in Europa bei den Sozialsystemen eingespart wird, bei Sozialleistungen eingeschnitten wird, schafft diese österreichische Bundesregierung eine neue notwendige Sozialleistung. Das ist erfreu­lich, das ist gut und das ist toll so.

Wenn ein naher Angehöriger pflegebedürftig wird, so bedeutet das in der Familie eine große Umstellung und eine Belastung. Man kann sagen, dass sich die Familie dann wirklich in einem Ausnahmezustand befindet. Es muss eine professionelle Pflege orga­nisiert werden, es muss die Wohnung umgebaut werden und vieles andere mehr. Um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern diese schwierige Phase zu erleichtern, schaffen wir heute die Möglichkeit der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit.

Wird ein naher Angehöriger krank und bekommt Pflegegeld ab der Stufe 3 zuerkannt – bei Demenz und bei Minderjährigen gilt das bereits ab der Stufe 1 –, gibt es nun die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine bis zu dreimonatige Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit zu vereinbaren. Neu ist auch – sehr erfreulich – die Einführung eines Karenzpflegegeldes in der Höhe des Arbeitslosengeldes, das für die Dauer der Pflege­karenz und der Pflegeteilzeit gebührt.

Was mich auch ganz besonders freut, ist, dass diese Leistung jetzt bei der vor rund zehn Jahren eingeführten Familienhospizkarenz ebenfalls zur Anwendung kommt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Mit dieser Leistung, meine Damen und Herren, helfen wir vielen pflegenden Angehö­rigen in einer schwierigen Situation, zumindest in den ersten Monaten.

Meine Damen und Herren, ebenfalls ein sehr großer Fortschritt ist, dass wir heute auch dafür Sorge tragen werden, dass eine Diskriminierung, die noch bestanden hat zwi­schen Arbeitern und Angestellten im Zusammenhang mit Dienstverhinderung und Ent­geltfortzahlung, ebenfalls beseitigt wird.

In den letzten Wochen ist unser Land von Hochwasser geplagt worden, und ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die durch ihre hervorragenden Leistun­gen mitgeholfen haben, das Ärgste wieder zu beseitigen. – Herzlichen Dank dafür. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist mir eine große Freude, sagen zu können, dass wir künftig auch jenen Arbeitern, die bisher keinen Anspruch aus § 8 Abs. 3 des Angestelltengesetzes geltend machen konnten, die Möglichkeit geben werden, dass sie bei Verhinderung des Dienstes im Katastrophenfall eine Entgeltfortzahlung bekommen werden. Herzlichen Dank dafür, das freut mich wirklich sehr. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren, ich möchte meine letzte Rede, die ich jetzt hier halte, auch dazu nutzen, die letzten Jahre ein bisschen Revue passieren zu lassen. Wie das Schicksal so spielt, ist das heute fast genau der Tag, an dem ich 2001 meine


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erste Rede hier gehalten habe. Interessanterweise, darf ich Ihnen sagen, bin ich fast genauso nervös wie damals bei meiner ersten Rede.

Meine Damen und Herren! In den letzten fünf Jahren ist viel geschehen – lassen Sie mich einige Punkte noch einmal in einer Rückschau kurz anführen!

Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit haben wir die Kurzarbeit weiterentwickelt. Wir haben dafür Sorge getragen, dass sich im Rahmen von überbe­trieblichen Weiterqualifizierungsmaßnahmen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines Be­triebes weiter entwickeln konnten. Wir haben die Arbeitsstiftungen weiter entwickelt. Wir haben ein Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz beschlossen. Wir haben die Situation der Leiharbeiter verbessert. Wir haben das Betrugsbekämpfungsgesetz für den Sozialbereich in die Bauwirtschaft gebracht. Wir haben die Bildungskarenz ins Dauerrecht gebracht. Wir haben einen Pflegefonds geschaffen. Wir haben die Situation der pflegenden Angehörigen in Bezug auf Krankenversicherung und Pflegeversiche­rung verbessert. Und im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen das gesetzliche Pensionsanfallsalter erhöht worden ist, sind wir den Weg gegangen, durch gezielte Maßnahmen – wie zum Beispiel fit2work oder aber auch die flächendeckende Gesund­heitsstraße – Menschen die Möglichkeit zu geben, länger gesund im Arbeitsprozess zu bleiben. Das ist wichtig, das ist gut so, und das ist sehr entscheidend.

Ganz besonders freut es mich, dass wir es auch geschafft haben, eine Bedarfsorien­tierte Mindestsicherung einzuführen, die gleichzeitig aber auch den Menschen die Möglichkeit gibt – also Hilfe zur Selbsthilfe –, wieder in einen Arbeitsprozess hineinzu­kommen. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dieser hervorragende Beitrag konnte nur in guter Zusammenarbeit mit den Gewerk­schaften erreicht werden, aber ich betone, nicht nur mit den Gewerkschaften, sondern auch mit der Sozialpartnerschaft, sehr geschätzte Damen und Herren!

Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in diesem Lande brauchen eine starke Inter­essenvertretung, die sich für die Erhöhung ihrer Löhne und Gehälter einsetzt, die auch dafür Sorge trägt, dass Arbeitsbestimmungen an die neue Zeit angepasst werden. Es bedarf also starker Gewerkschaften, und diese starken Gewerkschaften brauchen auch verlässliche Partner, und diese verlässlichen Partner finden sich in der Wirtschaftskam­mer und auch in der Landwirtschaftskammer.

Die Sozialpartnerschaft, sehr geschätzte Damen und Herren, ist ein Modell, um das uns viele, viele Länder beneiden. Ich bedanke mich dafür. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe seit Februar 2007 die Ehre, die Vorsitzende des Sozialausschusses zu sein. Wir haben 39 Sitzungen durchgeführt, 81 Regierungs­vorlagen beschlossen und gemeinsam 493 Tagesordnungspunkte abgearbeitet. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Sozialausschusses ganz, ganz herzlich bedanken. Es war eine gute Zusammenarbeit, sie war geprägt von einer in­tensiven Diskussion, aber von einem wertschätzenden Umgang. Herzlichen Dank! (All­gemeiner Beifall.)

Stellvertretend möchte ich mich bei den Sozialsprechern und Sozialsprecherinnen per­sönlich bedanken, und zwar bei Ursula Haubner und Sigisbert Dolinschek vom BZÖ (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dr. Strutz), bei Karl Öllinger, den ich mein halbes Leben lang kenne, schätze und auch mag, vielen Dank (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen), bei Kollegem Kickl und bei Kollegem Hofer. Ich freue mich, dass Kollege Hofer wieder bei uns ist. Ich habe in den letzten Ausschusssitzungen seine profunden Wortmeldungen sehr vermisst. Schön, dass es ihm wieder besser geht. (Allgemeiner Beifall.)

Aus der ÖVP hatte ich das Vergnügen, mit zwei Kollegen sehr intensiv zusammenzu­arbeiten. Lieber Werner Amon, wir beide haben die Zusammenarbeit begonnen, und


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wir, lieber August Wöginger, haben sie fortgesetzt. Herzlichen Dank für die gute Zu­sammenarbeit, für das Vertrauen und vor allem für die Zusammenarbeit, die sehr, sehr freundschaftlich war und die uns ein großes Stück weitergebracht hat. Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und BZÖ.)

Aus meiner Fraktion möchte ich mich ganz besonders bei meinem Stellvertreter, Herrn Kollegen Riepl, bedanken. Kollege Riepl und ich kennen uns aus der Zeit in der Ge­werkschaftsjugend, das heißt nicht erst seit gestern, sondern wahrscheinlich schon seit vorgestern. Vielen, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit und den Umstand, dass ich mich immer auf dich verlassen konnte. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Ich habe mich im Sozialausschuss bei allen Kolleginnen und Kollegen Klubsekretärin­nen und Klubsekretären herzlich bedankt. Ich möchte das auch jetzt tun und möchte mich bei einer Kollegin, nämlich bei meiner Kollegin Dr. Gabriele Kotzegger, ganz be­sonders bedanken. Liebe Gabi, du bist eine hervorragende Juristin, eine gute Verhand­lerin, und es macht großen Spaß, mit dir zu arbeiten. Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und BZÖ.)

Bei meinem Klub bedanke ich mich für das Vertrauen, dass ich diese Funktion inne­haben durfte, und auch für die Unterstützung.

Ich hatte aber auch die Möglichkeit, mit drei Ministern zusammenzuarbeiten – sie sind notwendig, damit die Regierungsvorlagen eingebracht werden können. Ich hatte einen Arbeitsminister, einen Sozialminister und einen Minister für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz.

Mein erster Sozialminister war Dr. Erwin Buchinger, der jetzt erfolgreich als Behinder­tenanwalt tätig ist. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit!

Mein erster Arbeitsminister war Herr Dr. Martin Bartenstein, und trotz der unterschiedli­chen politischen Auffassungen, die wir beide immer hatten und haben, war die Zusam­menarbeit immer sehr wertschätzend. Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir, sehr ge­schätzter Herr Dr. Bartenstein, lieber Martin, für den Respekt und für den sehr wert­schätzenden Umgang. Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeord­neten von FPÖ und BZÖ.)

Dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Hundstorfer, dir, lie­ber Rudi, herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit. Ich bedanke mich für dein Engagement, für deine Dynamik, für deine Ausdauer. Vieles von dem, was ich vorher erwähnt habe, ist ganz einfach auch auf dein Verhandlungsgeschick zurückzuführen. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)

Du hast ein tolles Team, du hast ein tolles Kabinett mit vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen und ein tolles Haus mit sehr, sehr tollen Beamtinnen und Beamten. Herz­lichen Dank, sehr geschätzte Damen und Herren im Ressort! (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir von der nächsten Bundesregierung, dass Sozialpolitik und Gleichstellungspolitik eine ebenso wichtige Rolle einnehmen wie bei dieser Bundesregierung. Und das ist nur dann der Fall, wenn wir starke Gewerkschaf­ten und eine starke Sozialdemokratie haben!

Ein Sozialstaat muss gepflegt und entwickelt werden. Er ist unverzichtbar, weil er auch ein Garant dafür ist, dass es in einem Land Demokratie gibt. Fragen nach Gerechtig­keit beim Einkommen, nach Gerechtigkeit bei Bildung, nach Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und vieles mehr, sind Fragen, die man sich immer wieder stellt. Es ist notwendig, dass, wenn man merkt, dass es eine Ungerechtigkeit gibt, nachjustiert wird, und ich denke, da wird auch die nächste Bundesregierung gefordert sein.


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Sehr geschätzte Damen und Herren! Gibt es keine gute Sozialpolitik und gibt es keine Gerechtigkeit, dann droht die Ausgrenzung von Menschen, dann drohen Not, Leid und Krankheit und letzten Endes auch Perspektivenlosigkeit. Meist sind dann auch soziale Unruhen die Folge, und das ist die Basis für Radikalismus, und dagegen müssen wir ankämpfen, meine Damen und Herren, zum Wohle der Menschen in diesem wunder­schönen Land.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen persönlich alles Gute. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall bei FPÖ, Grünen und BZÖ.)

11.24


Präsident Fritz Neugebauer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, liebe Renate! Auch dir alles erdenklich Gute, und das mit einem herzhaften Glückauf! Alles Gute für dich! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


11.24.29

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Csörgits, Ihren Dank für die gute Zusam­menarbeit erwidere ich sehr gerne. Es war eine gute Zusammenarbeit, sowohl im So­zialausschuss, in dem Sie den Vorsitz führen, als auch im Konsumentenschutzaus­schuss, in dem ich den Vorsitz innehabe. Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute für Ihren weiteren Weg. Ich wünsche Ihnen persönliches Wohlergehen, und ich hoffe, dass Sie nie eine Pflege in Anspruch nehmen müssen. (Beifall bei BZÖ und SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir behandeln jetzt das Arbeitsrechts-Änderungsge­setz 2013. Dieses Gesetz enthält doch einige Verbesserungen für die zu Pflegenden, für die pflegenden Angehörigen sowie eine Freistellung bis zu drei Monaten. Pflege­karenz und Pflegeteilzeit können, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, zwischen einem und drei Monaten vereinbart werden.

Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, der Arbeitgeber muss damit einverstanden sein. Es gibt eine finanzielle Unterstützung in der Höhe des Arbeitslosengeldes plus eventuelle Kinderzuschläge. Die Beiträge für die Kranken- und Pensionsversicherung übernimmt die öffentliche Hand. Voraussetzung ist aber eine mindestens dreimonatige Beschäftigung.

Diese Verbesserungen im Pflegebereich und die Erleichterung der Betreuung von An­gehörigen bei auftretendem Pflegebedarf sind positiv zu bewerten. Positiv ist auch, dass das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2013 die Reduzierung der Entscheidungsträ­ger für die Zuerkennung von Pflegegeld auf fünf Stellen sowie eine verpflichtende elek­tronische Anmeldung bei Beschäftigung bei den Gebietskrankenkassen vorsieht.

Außerdem wird die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen bei öffentlichen Mu­sikaufführungen, Theateraufführungen und Ähnlichem, was Bewilligungen und ärztliche Atteste betrifft, erleichtert. Deswegen werden wir dem auch die Zustimmung geben.

Zum Antrag des Kollegen Kickl betreffend Verlängerung der Übergangsfristen für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Rumänien und Bulgarien: Auch wir sind der Meinung, dass eine Verlängerung der Übergangsfristen notwendig ist. Seit der Öffnung im Mai 2011 ist die Zahl der Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern um 55 000 Personen auf 128 000 gestiegen. Ende April 2013 waren fast 64 000 ausländi­sche Arbeitskräfte beim AMS als arbeitslos gemeldet. Das belastet uns schon. Ange­sichts der Wirtschaftslage und der Pleite der ALPINE in der Bauwirtschaft ist da mit Vorsicht vorzugehen.

Wir haben immer vor einer Öffnung des Arbeitsmarktes gewarnt, nämlich vor der Ge­fahr von Sozialdumping, Lohndumping, vor dem stattfindenden Verdrängungswettbe­werb. Da ist vorsichtig vorzugehen.


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Was den Antrag der Koalition auf Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbu­ches betrifft, muss ich sagen, die Entgeltfortzahlung im Katastrophenfall, die Anglei­chung zwischen Angestellten und Arbeitern hätte schon längst in sämtlichen Bereichen umgesetzt werden müssen. Derzeit ist es ja so, dass die Angestellten Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehalts haben, wenn sie persönlich von Katastrophen wie Hoch­wasser, Lawinen, Sturm oder Muren betroffen sind. Für Arbeiter gelten die jeweiligen Kollektivverträge. Das soll nun geändert werden. Das ist positiv. Wir unterstützen die­sen Gesetzentwurf und werden ihm auch die Zustimmung geben.

Was die Freiwilligen betrifft, ist es so, dass die Zuständigkeit oft bei den Ländern ist und daher auch unterschiedliche Regelungen vorliegen. Aber man sollte gegenüber den einzelnen Ländervertretern darauf drängen – Herr Bundesminister, auch Ihr Haus –, in diesem Bereich halbwegs einheitliche Regelungen zu schaffen, was die Freiwilligen Feuerwehren und andere Freiwillige betrifft. Es ist wichtig und notwendig, das auch umzusetzen.

Was die Begünstigungen für freiwillige Helfer betrifft, das ist der Antrag des Kollegen Strache: Das mit dem Pensionsanspruch ist nicht oder kaum vollziehbar. Denn da fal­len zwei, drei Tage pro Einsatz an, und da kann ich nicht gleich einen Pensionsan­spruch verlangen, weil ja der Monat ohnehin für die Pension gilt.

Die bevorzugte Aufnahme in den öffentlichen Dienst ist vielleicht diskussionswürdig, aber auf jeden Fall sollen freiwillige Helfer bei Katastrophen Sonderurlaub und eine Entgeltfortzahlung erhalten, egal, ob jemand im öffentlichen Dienst ist, in der Privatwirt­schaft ist, ein Angestellter oder Arbeiter ist. Die Kosten dafür sollen dem Arbeitgeber refundiert werden. Das ist in Ordnung, das unterstützen wir, denn wir haben ungefähr dieselben Forderungen in diesem Bereich vorgebracht. Wir unterstützen das natür­lich. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

11.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


11.29.52

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße eine Abordnung aus meinem Bezirk Schärding, die für die Sicherheit zuständig ist, und zwar die Polizeikom­mandanten meines Heimatbezirkes, mit dem Bezirkskommandanten Oberst Parzer an der Spitze. Herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Wir beschließen heute eine sehr wichtige Unterstützung für die pflegenden Angehöri­gen, nämlich die Pflegekarenz und die Pflegeteilzeit. Ich habe es bereits beim vorher­gegangenen Tagesordnungspunkt angesprochen: Wir haben 440 000 Pflegegeldbezie­herinnen und -bezieher, und 80 Prozent der Pflegegeldbezieher werden zu Hause be­treut und gepflegt. Das ist im Sinne der zu Pflegenden, und man muss den Angehöri­gen, die diese wertvolle Tätigkeit übernehmen, dafür Danke sagen.

Wir schaffen hiermit die Möglichkeit, sich eine Auszeit aus dem beruflichen Leben zu nehmen – alle Arbeitnehmer, alle öffentlich Bediensteten. Das kann mit dem Arbeitge­ber vereinbart werden, und zwar für die Dauer von ein bis drei Monaten, um auch die organisatorischen Aufgaben durchführen zu können. Ab der Pflegestufe 3, das ist die Voraussetzung dafür, kann man das mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Die Dauer kann auf maximal sechs Monate ausgeweitet werden, wenn sich die Pflegestufe erhöht.

Bei der Pflegeteilzeit ist es wichtig zu erwähnen, dass man nicht unter 10 Stunden Be­schäftigung kommen darf.

Was ist das Wichtigste? – Es gibt einen Rechtsanspruch auf das Pflegekarenzgeld. Es ist natürlich von enormer Bedeutung, dass da auch eine finanzielle Absicherung in der


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Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens aber in der Höhe der Geringfügigkeitsgren­ze gegeben ist.

Bei der Pflegeteilzeit gibt es ein aliquotes Pflegeteilzeitkarenzgeld. Die Kranken- und Pensionsversicherung ist inkludiert, und die Mitarbeitervorsorge auf Basis des vorange­gangenen Bezuges wird durch den Bund geleistet.

Man rechnet mit rund 2 500 Fällen pro Jahr und zirka 5,5 Millionen €. Es gibt auch ei­nen Ersatz für den Lohnausfall für die Betriebe und vom Staat Unterstützung für die Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist eine sehr wesentliche Maßnahme, damit wir die Situation für die pflegenden Angehörigen ganz entscheidend verbessern. (Bei­fall der Abg. Mag. Aubauer.)

Weiters darf ich die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Katastrophenein­satz erwähnen. Das ist ein Ergebnis der Hochwasserkatastrophe, die wir – leider Got­tes – vor wenigen Wochen in Österreich in vielen Regionen, auch in meinem Heimat­bezirk, insbesondere in der Bezirkshauptstadt Schärding, erfahren mussten. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, wenn hier Arbeiter mit Angestellten gleichgestellt werden, näm­lich dass sie, wenn sie selbst von einer Katastrophe betroffen sind, nach Hause gehen und die notwendigen Maßnahmen und Dinge erledigen können. Ich halte das für einen wichtigen Schritt und bedanke mich auch ganz herzlich bei der Wirtschaft, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, die diesen Weg mitgehen. Dafür möchte ich wirklich meine Anerkennung, meinen Respekt und ein Danke zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Über die Anrechnung für die Pensionszeiten, meine Damen und Herren, haben wir im Ausschuss lange diskutiert. Das wollen die Blaulichtorganisationen selbst nicht, weil wir damit ein Verwaltungsmonster schaffen würden, wenn ein paar Tage im Pensionssys­tem angerechnet werden sollten.

Die Angleichung von Arbeitern und Angestellten bei der Entgeltfortzahlung bei eigener Betroffenheit ist das Ergebnis dieses Gipfels, den es nach dem Hochwasser gegeben hat. Wir haben schon etliche Rahmenbedingungen für die Freiwilligen verbessert; für die Freiwilligen, die natürlich unsere volle Anerkennung und unseren Respekt verdie­nen, den wir damit auch zum Ausdruck bringen.

Abschließend: Meine Damen und Herren, es ist mir natürlich ein Anliegen, mich bei unserer Vorsitzenden, Abgeordneter Renate Csörgits, zu bedanken. Liebe Renate, der Ausschuss hat in den letzten fünf Jahren stark an Qualität zugenommen. Es herrschte manchmal ein bisschen Wirrwarr bei kritischen und heiklen Punkten im Sozialbereich, aber wir haben in diesem Ausschuss, glaube ich, gerade jetzt am Schluss dieser Legis­laturperiode eine hochqualitative Auseinandersetzungs- und Diskussionsform gefun­den. Ich danke dir dafür sehr, sehr herzlich – für deine Umsichtigkeit, für deine objekti­ve Ausschussführung, vor allem aber auch für deine Freundschaft und für das gute Mit­einander, das wir beide in den letzten Jahren hatten. Herzlichen Dank dafür.

Und meine Fraktion, die ÖVP, wünscht dir alles, alles Gute für deinen wohlverdienten Ruhestand. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und BZÖ.)

11.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


11.34.47

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden natürlich auch dem


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Gesetz betreffend die Pflegekarenz beziehungsweise die Pflegeteilzeit unsere Zustim­mung geben, wenngleich ich nicht verhehlen möchte, dass es an diesem Gesetz schon noch einige Kritikpunkte gibt. Ich würde sagen, es ist ein Schritt in die richtige Rich­tung.

Das, was uns ein bisschen stört, ist: Mein Vorredner, Kollege Wöginger, hat gesagt, es ist ganz wichtig, dass es den Rechtsanspruch auf das Pflegekarenzgeld gibt. Ja, das ist wichtig, aber uns wäre es auch sehr wichtig gewesen, einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz überhaupt zu schaffen. Diesen Rechtsanspruch gibt es jetzt leider noch nicht.

Jetzt muss sich das ein betroffener Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber ausmachen. Wir hätten uns gewünscht, dass es da schon einen Rechtsanspruch gäbe. Das ist lei­der nicht der Fall.

Sie haben im Ausschuss auch gesagt, es könne keinen Wechsel zwischen Pflegeka­renz und Pflegeteilzeit geben, denn da wäre der Verwaltungsaufwand zu hoch. Das se­hen wir bis zu einem gewissen Grad ein, zumal es auf nur drei Monate begrenzt sein soll. Sie haben auch gesagt, das ist sozusagen für die Erstabklärung. Das ist etwas, mit dem man, glaube ich, ganz gut leben kann.

Ich möchte noch ein Lob anbringen. Was uns auch besonders gefällt, ist, dass es jetzt auch für Eltern schwerkranker Kinder möglich ist, im Rahmen der Familienhospiz Hos­pizkarenzgeld zu beziehen.

Aber, Herr Bundesminister, etwas – und das habe ich auch schon im Ausschuss kriti­siert  (Von der Zuschauergalerie werden Flugblätter in den Sitzungssaal geworfen. – Zwischenrufe.) – Spannend. Ich kehre trotzdem zurück zum Pflegekarenzgeld.

Ich habe es schon im Ausschuss kritisiert: Derzeit dauern die Verfahren 58 Tage bezie­hungsweise 56 Tage, wenn man um Pflegegeld ansucht. Sie haben in das Gesetz ge­schrieben, dass diese Zeit auf zwei Wochen verkürzt werden soll. Ich habe dann ge­fragt, wie das gemacht wird, und Sie haben gesagt, es wird eine schnelle Truppe für die Betroffenen geben, wo eben Angehörige das Pflegekarenzgeld beziehen werden.

In diesem Zusammenhang ist für mich schon noch eine Frage offen: Kommt es dann zu einer Art Zwei-Klassen-Gesellschaft? Werden die anderen weiterhin zwei Monate warten müssen und jene, wo Angehörige Pflegekarenzgeld beziehen, bekommen es dann schneller? Das ist etwas, was für mich ein bisschen eigenartig geklungen hat. Vielleicht können Sie das heute noch ein bisschen ausführen.

Zu einem Zweiten möchte ich noch sprechen, nämlich zum Entschließungsantrag mei­nes Kollegen Herbert Kickl betreffend die Verlängerung der Übergangsfristen für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Rumänien und Bulgarien. Herr Bun­desminister, ich habe es heute bereits in der Fragestunde angesprochen: Wir haben wirklich eine sehr angespannte Situation des Arbeitsmarktes.

Die burgenländischen Kollegen – es sind Ihre Parteikollegen, Herr Bundesminister, wo Sie gesagt haben, sie haben nicht ganz die Unwahrheit gesagt – stöhnen unter dem Druck, der schon jetzt vor allem aus den östlichen Nachbarstaaten gekommen ist. Im Burgenland sind sämtliche neue Arbeitsplätze an Ungarn gegangen. Dies ist sicherlich eine Entwicklung, die nicht gut ist.

Ich verstehe vor diesem Hintergrund nicht ganz, dass Sie sich auf den Standpunkt stel­len, dass es rein rechtlich einfach so ist und dass es mit der EU Verträge gibt. – Herr Bundesminister, das passt in Wirklichkeit nicht zu Ihnen. Die Politik ist ja nicht dazu da, dass man sagt, das geht nicht. Die Politik muss doch sagen, dann müssen wir eben Lösungen schaffen, man muss es wenigstens versuchen. Jetzt nur zu sagen, ich halte mich einfach an die Verträge, das interessiert mich nicht, das halte ich für schwach, Herr Bundesminister.


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Sie wissen, auch wenn Sie uns heute erklärt haben, wie dynamisch der Wiener Ar­beitsmarkt ist – ehrlicherweise, das wissen Sie als Spitzenkandidat in Wien ganz ge­nau –, dass gerade der Wiener Arbeitsmarkt extrem angespannt ist. Gerade in Ostös­terreich ist der Arbeitsmarkt extrem angespannt. Genau dahin drängen aber die Ar­beitskräfte aus den östlichen Nachbarstaaten.

Also gerade im Sinne der östlichen Bundesländer wäre es doch Ihre Verpflichtung, sich dafür einzusetzen, dass nicht noch mehr Arbeitskräfte zu uns kommen.

Es hat beispielsweise die deutsche Bundesagentur für Arbeit Zahlen veröffentlicht, wo­nach mit 180 000 Arbeitskräften pro Jahr gerechnet wird. Sie wissen, wir können eine Stelle wegnehmen, das sind dann bei uns 18 000 zusätzliche Arbeitskräfte. Das wird der österreichische Arbeitsmarkt nicht mehr verkraften. Es sind schon jetzt so viele Ar­beitslose in Österreich wie nie zuvor, Herr Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, man muss das einmal so sehen, wie es ist. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Ich würde mir wirklich erwarten, Herr Bundesminister, dass Sie sich im Sinne der Be­troffenen jetzt einmal dafür einsetzen, dass es da zu einer Verlängerung der Über­gangsfristen kommt. (Beifall des Abg. Vock.) Schauen wir, dass wir die Arbeitslosen, die wir derzeit bereits haben, in irgendeiner Art und Weise wieder in Beschäftigung bringen. Sie wissen ja selbst, die Pleitewelle, die gerade über das Land gerollt ist be­ziehungsweise rollt, ist wahrscheinlich noch nicht gestoppt. Es werden weitere Unter­nehmen pleitegehen. Die Arbeitslosenzahlen werden weiterhin ansteigen.

Sie haben mir heute in der Fragestunde erklärt, dass wir deswegen einen solch über­bordenden Anstieg bei ausländischen Arbeitskräften haben, weil auch diese von den Jüngeren sozusagen ersetzt werden – dann, muss ich sagen, fördern Sie das damit geradezu.

Wenn jetzt die jüngeren Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien kommen, gibt es ja wieder einen zusätzlichen Schub. Herr Bundesminister, in Wirklichkeit verstehe ich nicht, warum Sie sich da so wehren, obwohl schon Ihre eigenen Genossen im Burgen­land sozusagen einen Hilfeschrei ausgestoßen haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wien ist das Bundesland mit der allerhöchsten Arbeitslosigkeit, es versteckt jedoch sei­ne Arbeitslosen gerne in Schulungen. Wenn Sie sich die Statistik von Juni 2013 anse­hen: plus 25 Prozent bei Schulungen in Wien. Wenn Sie ein Jahr zurückgehen, Ju­ni 2012: plus 25 Prozent bei Schulungen in Wien. Das heißt, Sie schaufeln in Wien zwar alles in Schulungen, um die Arbeitslosenzahl in irgendeiner Art und Weise zu be­schönigen, aber in Wirklichkeit müssen Sie zugeben, dass Wien einer überbordenden Belastung ausgesetzt ist.

Genau in diesem Sinne bitte ich Sie wirklich, sich dafür einzusetzen, dass gerade der Osten Österreichs nicht durch neue, zusätzliche Arbeitskräfte noch mehr belastet wird. (Beifall bei der FPÖ.)

11.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


11.41.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Es ist ja schon einiges zum Thema Pflegeteilzeit und Pflegeka­renz gesagt worden, und dazu, was die Einführung dieser Maßnahmen bedeutet. Wir sehen das auch als Fortschritt an, dazu bekennen wir uns. Es entspricht auch in vielen Punkten dem, was wir gefordert und uns gewünscht haben. Trotzdem, die Maßnah­men, die kommen, sind natürlich noch verbesserungswürdig und könnten durchaus et­was attraktiver gestaltet sein.

Ein Nachteil, das wurde schon erwähnt, ist, dass der Wechsel zwischen Pflegeteilzeit und Pflegekarenz nicht möglich ist. Ein weiterer Nachteil ist der fehlende Rechtsan-


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spruch auf die Pflegekarenz beziehungsweise Pflegeteilzeit. Ein Nachteil ist auch, dass Menschen, die nur einen Mindestsicherungsanspruch haben, von der Möglichkeit einer Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit ausgeschlossen sind.

Das sind Nachteile, an denen gearbeitet werden muss, genauso wie an der Attraktivie­rung des meines Erachtens wichtigsten Instruments dabei, nämlich der Pflegeteilzeit­karenz. All die Einwände, die der Herr Bundesminister zu Recht bezüglich einer sich über eine lange Dauer erstreckenden totalen Pflegekarenz vorgebracht hat, gelten bei einer Pflegeteilzeitkarenz nicht.

Wir erleben aber gerade, dass vor allem Personen, die zwischen 50 und 60 oder 65 Jahren alt sind, zunehmend Pflegeleistungen für ihre Eltern erbringen, aber das Problem haben, dass sie das eigentlich nicht mehr so richtig schaffen, also sehr froh wären, wenn es eine Entlastung gäbe, die am ehesten über die Pflegeteilzeitkarenz an­geboten werden könnte.

Wir werden dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz klarerweise trotzdem zustimmen. Das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz betrifft aber auch andere Punkte, unter anderem den Familienlastenausgleich. Da nehmen wir natürlich die Chance wahr, noch einmal einen Entschließungsantrag zum Thema erhöhte Familienbeihilfe einzubringen.

Ich bringe folgenden Antrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Ver­tragsverletzung durch das Bundesland Niederösterreich (und anderer) in Zusammen­hang mit der vertragswidrigen Einbeziehung der Familienbeihilfe bei der Bemessung der Mindestsicherung für Menschen mit Behinderung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird ersucht, alle notwendigen Schritte zu setzen und gegebenenfalls dem Nationalrat einen entspre­chenden Gesetzesentwurf vorzulegen, um die vertragswidrige Einberechnung der Fa­milienbeihilfe bei der Mindestsicherung für Menschen mit Behinderung seitens einzel­ner Bundesländer ehestens abzustellen.“

*****

Ich brauche diesen Antrag nicht mehr ausführlich zu begründen, denn ich habe mich dazu schon zu Wort gemeldet. Es ist dringend notwendig – das hat der Herr Bundes­minister eigentlich schon mit seiner Antwort in der Fragestunde klargestellt –, dass wir da nicht länger zuwarten, sondern dass ein entsprechender Gesetzentwurf durch die Bundesregierung vorgelegt wird, damit diese absolut vertragswidrigen Zustände, die in einzelnen Bundesländern herrschen, behoben werden.

Was den Antrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frei­willigenarbeit betrifft, so bin ich sehr froh, dass Bundesminister Hundstorfer im Aus­schuss sehr ausführlich dazu Stellung genommen hat.

Ich möchte noch einmal kurz unterstreichen, was der Standpunkt der Grünen dazu ist: Menschen, die freiwillige Arbeit in Blaulichtorganisationen leisten, dürfen aus ihrer Tä­tigkeit keine Nachteile und Benachteiligungen entstehen. Das ist das Wesentliche. Das gilt auch für die Unternehmen, in denen diese Menschen beschäftigt sind und die diese Freistellungen ermöglichen. Es dürfen keine Nachteile entstehen. Das ist der springende Punkt.


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Das heißt aber andererseits auch: Vorteile aus dem beanspruchen zu wollen, dass man mehrere Tage, manchmal sicher auch noch länger, tätig ist, lehnen einerseits die Freiwilligenorganisationen selbst ab, und daher sollten andererseits auch wir nicht in die Rolle des Zwangsbeglückers kommen, der da irgendwie einen erhöhten Pensions­anspruch schaffen will. Das halte ich für falsch, genauso wie ich es für verfehlt halte, Personen, die in einer solchen Organisation tätig sind, bei der Aufnahme in den öffent­lichen Dienst zu bevorzugen. Das Wesentliche ist nämlich: Es sollen keine Nachteile entstehen.

Letzter Punkt: Ich bedanke mich, liebe Renate Csörgits, für die gute Zusammenarbeit im Ausschuss. Danke auch dafür, dass du Geduld gehabt hast – manchmal auch mit mir –, die Geduld dafür, mit den drängenden Problemen, die wir Grünen im Allgemei­nen in sozialen Angelegenheiten aufwerfen, fertigzuwerden.

Ich möchte aber insgesamt – und das betrifft nicht die Ausschussvorsitzende – schon festhalten: Wir werden uns diese Art, im Ausschuss zu arbeiten, nicht länger leisten können. Es ist von der zunehmenden Qualität der Beiträge gesprochen worden. Ja, mag sein. Was jedoch die Quantität der Ausschusstätigkeit betrifft und die Zeit, die wir uns nehmen, um einzelne Anträge zu behandeln, in den Ausschüssen zu beraten und zu diskutieren, kann ich nur sagen: Ich wünsche mir Ausschüsse – das betrifft nicht nur den Sozialausschuss, das gilt auch für andere Ausschüsse –, in denen wesentlich mehr, nämlich inhaltlich gearbeitet wird.

Ich weiß schon, dass alle Fraktionen in einem unterschiedlichen Ausmaß auch Vorbe­sprechungen durchführen, die teilweise länger dauern als die Ausschusssitzungen, und dass man dieselben Themen dann nicht gerne im Ausschuss noch einmal mit anderen Fraktionen diskutiert. Aber die Qualität der Gesetze, die wir hier erarbeiten, und auch das Aufeinanderzugehen, das Ausmachen des Standpunktes, den der jeweils andere hat, das benötigt einfach eine entsprechende Zeit, die wir uns auch für die Arbeit in den Ausschüssen nehmen sollten.

Da meine Redezeit jetzt abgelaufen ist: Danke nochmals für die Zusammenarbeit! Ich hoffe, es wird in der nächsten Legislaturperiode, was den Sozialausschuss und andere Ausschüsse betrifft, noch viel, viel besser. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

11.48


Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde

betreffend Beendigung der Vertragsverletzung durch das Bundesland Niederösterreich (und anderer) in Zusammenhang mit der vertragswidrigen Einbeziehung der Familien­beihilfe bei der Bemessung der Mindestsicherung für Menschen mit Behinderung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über die Regierungsvorlage (2407 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsver­tragsrechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsor­gegesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundespfle­gegeldgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Arbeitslo­senversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservice-gesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz (11. Novelle zum APG), das Kin-


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der- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz 1987, das Bundessozialamtsgesetz und das Familien-lastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungs­gesetz 2013 – ARÄG 2013) (2504 d.B.)

Begründung

Art 13 Abs. 3 Z 2 der 15a-Vereinbarung über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung legt fest:

„(3) Folgende Einkünfte dürfen im Rahmen des Abs. 1 nicht berücksichtigt werden:

Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (mit Ausnahme von Zu­wendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich) und Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988);

Damit (und mit einem eigenen § 12a im Familienlastenausgleichsgesetz) ist bestimmt, dass die Familienbeihilfe bei der Berechnung von Ansprüchen aus der Bedarfsorien­tierten Mindestsicherung nicht als Einkommen des Kindes zählt.

Auf Grund der Klarheit der Bestimmung der 15a-Vereinbarung sind alle Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz mit Ausnahme der genannten Härteaus­gleichsleistung bei der Berechnung der Mindestsicherung nicht als Einkommen anzu­sehen. Dennoch reduzieren einige Bundesländer, darunter Niederösterreich, im Ver­fahren zur Feststellung des Mindestsicherungsanspruchs in bestimmten Fällen die Leistung um den Grundbetrag der Familienbeihilfe.

Betroffen sind Menschen mit einem Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 2 FamLAG „wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer spä­teren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, ein­getretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer­stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden“ in Kombination mit Abs. 5 („Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Un­terhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der So­zialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen An­spruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.“).

In einer Berufungsentscheidung des Landes Niederösterreich wird dazu ausgeführt: „Soweit sich der Berufungswerber darauf bezieht, dass in der Art. 15a B-VG Vereinba­rung zwischen dem Bund und den Ländern über die Bedarfsorientierte Mindestsiche­rung geregelt wäre, dass die Familienbeihilfe nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei, wird dem erwidert. Dass die Sozialhilfebehörden des Landes NÖ das NÖ MSG und nicht die Art. 15a B-VG Vereinbarung zu vollziehen haben, da aus dieser keine Rechte für den Einzelnen abgeleitet werden können.“

Kurz: Das Land Niederösterreich schert sich nicht um die Vereinbarung mit dem Bund.

Dies ist insbesondere deshalb zynisch, als selbst das Land Niederösterreich akzeptiert, dass Leistungen, die einzig auf Grund einer Behinderung zuerkannt werden, den An­spruch auf Mindestsicherung nicht reduzieren können. In Umgehung des eindeutigen Willens des Bundesgesetzgebers wird allerdings angenommen, der Grundbetrag der Familienbeihilfe diene – anders als der Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 Familienlas­tenausgleichsgesetz – der Existenzsicherung. Dies ist schon allein deshalb absurd, als die Gewährung einer Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 2 FamLAG grundsätzlich an eine


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vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretene körperliche oder geistige Behinde­rung geknüpft ist. Es handelt sich somit um eine Leistung, die auf Grund der Behinde­rung eines Menschen zuerkannt wird, um aus der Behinderung resultierende zusätzli­che Kosten abzudecken und jedenfalls nicht um eine Einkommensersatzleistung (weil andernfalls vor Bezug der Leistung eine haushaltsbezogene Bedarfsprüfung stattfinden müsste).

Es ist daher – dem ursprünglichen und auch in den Erläuterungen zur 15a-Vereinba­rung über die bedarfsorientierte Mindestsicherung benannten Ziel folgend – notwendig, auch Leistungen nach § 6 Abs. 2 FamLAG Familienlastenausgleichsgesetz ausdrück­lich die Einkommenseigenschaft in § 12a abzusprechen, um den offensichtlich politisch nicht gewünschten Effekt zu verhindern.

Dieser Antrag stellt darauf ab, die dazu notwendigen – allenfalls gesetzestechni­schen – Vorarbeiten in den zuständigen Abteilungen bereits jetzt zu erledigen, um eine allenfalls nötige Gesetzesänderung nach den bevorstehenden Wahlen zügig umsetzen zu können.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird ersucht, alle not­wendigen Schritte zu setzen und gegebenenfalls dem Nationalrat einen entsprechen­den Gesetzesentwurf vorzulegen, um die vertragswidrige Einberechnung der Familien­beihilfe bei der Mindestsicherung für Menschen mit Behinderung seitens einzelner Bun­desländer ehestens abzustellen.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


11.48.47

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das BZÖ hat dem Tagesordnungspunkt 1, dem Pflegefondsgesetz, zugestimmt, wie unser Sozialsprecher Sigisbert Dolinschek schon ausgeführt hat. Es ist zwar ein Gesetz, das wieder eine befristete Lösung vor­sieht, aber für uns ist wirklich eine Weiterentwicklung sichtbar – das möchte ich hier noch einmal festhalten –, was das ausgeweitete Angebot anbelangt: Hospiz, mobile Hospizbetreuung, Kinderhospiz, Palliativbetreuung, auch verstärkter Ausbau des Case- und Care-Managements und auch die teilstationäre Tagesbetreuung.

Wir werden, wie Kollege Dolinschek schon gesagt hat, auch dem Tagesordnungs­punkt 3 zustimmen, wo es um eine Entlastung pflegender Angehöriger geht. Gerade die Unterstützung pflegender Angehöriger ist etwas, das nie zu Ende sein kann, wo es immer wieder Verbesserungen geben muss. In diesem Fall sind die Pflegeteilzeit und die Pflegekarenz ein wichtiger Schritt, vor allem auch für Frauen, denn vorwiegend be­treuen ja Frauen im Pflegebereich zu Hause ihre Angehörigen.

Heute ist es ja so, dass natürlich gerade Frauen, auch jüngere Frauen, berufstätig sind und trotz Berufstätigkeit eine Betreuung und Pflege von stark beeinträchtigten, aber auch schwer kranken Menschen zumindest für eine gewisse Zeit möglich sein muss, ohne dass man selbst die eigene Absicherung verliert.

Es ist schon von einigen Vorrednern gesagt worden: Es ist ein Wermutstropfen, dass es keinen Rechtsanspruch gibt, sondern dass es eine Vereinbarung mit dem Arbeitge-


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ber geben muss. Man wird jetzt sehen, wie das in der Praxis funktioniert. Vielleicht gibt es keine Schwierigkeiten, was ich mir wünschen würde. Aber ich glaube, nach spätes­tens einem Jahr wird man feststellen können, wie gut das funktioniert.

Was mir in diesem Zusammenhang auch noch wichtig ist: dass wir bei allen Maßnah­men, die die Pflege verbessern, nicht auf die Vorsorge vergessen, denn Vorsorge, Prä­vention ist natürlich etwas, das auch das System entlastet. Wenn wir darauf schauen, dass die Menschen lange fit und gesund bleiben, dann brauchen wir auch weniger für Pflege und Betreuung zu investieren, und auch die Lebensqualität älterer Menschen ist eine bessere, wenn sie auch hochaltrig – und heute ist es ja keine Seltenheit, dass je­mand 100 Jahre alt wird – das Leben genießen können.

Was den Tagesordnungspunkt 5 anlangt, die Verbesserung bei den freiwilligen Diens­ten: Auch dazu werden wir unsere Zustimmung geben, wie Sie schon gehört haben. Es erfolgt eine Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten bei der Entgeltfortzahlung. Ich sage, es ist ein kleiner Lückenschluss. Wenn ich daran denke, wie gerade nach der heurigen Hochwasserkatastrophe die Blaulichtorganisationen und Freiwilligenorganisa­tionen zu einem Gespräch eingeladen wurden, bei dem nicht nur angekündigt wurde, dass man für finanzielle Mittel und finanzielle Entschädigungen sorgt, sondern bei dem wieder gesagt wurde, wie wichtig die Freiwilligenarbeit ist, wie hoch der Stellenwert der Freiwilligenarbeit ist – 3,3 Millionen Österreicher arbeiten in freiwilligen Diensten, und das nicht nur im Katastrophenschutz, sondern in der Nachbarschaftshilfe, in sozialen Diensten, in Sport und Kultur –, und dann ist im Endeffekt eigentlich nur dieser kleine Lückenschluss herausgekommen! Man hat wieder Dank und Anerkennung ausgespro­chen, aber die wesentlichen Dinge sind nicht gelöst worden. Ich würde gerade für die Zukunft schon darum bitten – es gibt ja diesen Freiwilligenrat, der sich grundsätzlich gut bewährt hat –, dass man wirklich auch mit der Zeit die wesentlichen Dinge aufgreift.

Kollege Öllinger hat gesagt, es sollen die freiwillig Arbeitenden keinen Nachteil haben. Sie haben aber Nachteile, vor allem was die Dienstfreistellung anbelangt. Da gibt es unterschiedliche Regelungen. Da kommt es darauf an, in welchem Bundesland man wohnt, ob man eine günstigere Variante hat oder ob man sich rein auf die eigenen Ur­laubstage verlassen muss und diese für einen Einsatz auch nehmen muss.

Daher haben wir vom BZÖ in diesem Zusammenhang eine entsprechende Petition ein­gebracht, die man über die Parlamentshomepage unterstützen kann. Dabei geht es um eine bundesweite Regelung für eine Dienstfreistellung, also um eine einheitliche Dienst­freistellung, und auch um die Regelung der Lohnfortzahlung aus dem Katastrophen­fonds. Auch diese Dinge müssten einmal in Angriff genommen werden!

Wir vom BZÖ sind natürlich der Meinung, dass man Freiwillige nicht bezahlen kann, bezahlen soll und bezahlen muss, dass man ihnen aber Anreize geben soll, dass man sie motivieren soll und dass es auch kein Nachteil sein soll, wenn man für eine Freiwil­ligenorganisation arbeitet.

Da sehen wir schon noch verschiedene andere Möglichkeiten wie zum Beispiel die be­vorzugte Aufnahme im öffentlichen Dienst – warum nicht? –, oder auch, dass wir den Freiwilligenpass weiterentwickeln. Dieser befindet sich ja im Dornröschenschlaf, weil er auch zu wenig bekannt ist. Wir haben vorgeschlagen, diesen Freiwilligenpass in Rich­tung einer Ehrenamtskarte weiterzuentwickeln, wo man in Absprache mit der Wirt­schaft und mit den öffentlichen Freizeiteinrichtungen als jemand, der freiwillig und eh­renamtlich arbeitet, auch Vorteile genießen kann.

Es gäbe da also viele Ideen. Die Petition ist auf der Homepage des Parlaments zu finden, und ich hoffe, dass sie auch dementsprechend unterstützt wird und dass dieses Thema in einer nächsten Legislaturperiode nicht aus den Augen verloren wird. Es gibt nämlich Hürden, die zu beseitigen sind, und ehrenamtliche Leistungen müssen aner-


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kannt und belohnt werden. Wenn es nämlich keine freiwillig Arbeitenden mehr in unse­rem Land gibt, dann wird es in manchen Bereichen sehr, sehr eng werden. (Beifall beim BZÖ.)

11.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort. – Bitte.

 


11.55.50

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie gestatten mir einen kur­zen Sidestep. Da um 11 Uhr der Konkursantrag der Firma daily beim zuständigen Lin­zer Landesgericht abgegeben wurde, möchte ich Ihnen nur mitteilen: Es gab eine Stun­de vorher noch einen Eigentümerwechsel. Es ist seit 9 Uhr oder 10 Uhr Vormittag eine neue Finanzkonstruktion der Eigentümer. Wie die das intern machen, ist alles nicht mein Problem.

Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass wir natürlich ab sofort entsprechend vorbereitet sind. Das Gericht muss ja erst irgendwie reagieren, bisher ist ja nur der Antrag einge­bracht, das ist ja noch keine Entscheidung. Wir haben auch für heute, 16.00 Uhr, schon die erste große Info-Sitzung bei mir im Haus, weil wir natürlich das Problem haben, dass 3 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind, vom Bodensee bis zum Neusiedlersee. Das hauptbetroffene Bundesland ist die Steiermark. Von den 3 300 Mitarbeitern sind über 700 in der Steiermark. Das ergibt sich daraus, dass sich eines der Zentrallager der Firma in Gröbming befindet. Daher herrscht dort große Be­troffenheit. Diese zieht sich natürlich kreuz und quer durch Österreich. Die geringste Betroffenheit herrscht in Wien, weil auch schon die Firma Schlecker in Wien sehr ma­ger vertreten war, wenn ich das so formulieren darf.

Langer Rede kurzer Sinn: Natürlich erfolgt eine volle Übernahme der ausständigen Entgelte durch den Insolvenzentgeltfonds. Natürlich erfolgt auch eine Übernahme der ausständigen Urlaubsgelder durch den Insolvenzentgeltfonds. Natürlich erfolgt auch eine Übernahme der entsprechenden Kündigungsentschädigungen, wobei wir davon ausgehen, dass die Kündigungsfristen im Schnitt sechs Wochen betragen werden. Wahrscheinlich wird es ein paar Mitarbeiter geben, die schon länger als fünf Jahre im Betrieb sind, dann erhöht sich die Kündigungsfrist. Das heißt, all das, was „Reparatur­medizin“ ist, wird zur Verfügung gestellt werden.

In allen Bundesländern stehen auch bereits entsprechende Insolvenzstiftungen zur Ver­fügung, und es wird ab morgen auch eine gemeinsame gratis AMS-Hotline für alle Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die dann natürlich allen zur Verfügung steht, wo­bei wir aufgrund der Kündigungsfristen ja einen gewissen Puffer haben. Diese 30-Tage Frist beginnt ja erst, wenn das Gericht den Konkurs angenommen hat.

Die Vorbereitungsphase ist also voll im Gange, und alles andere wird sich in den nächsten Tagen ergeben. Das wollte ich Ihnen nur aktuell dazusagen, damit klar ist, dass wir natürlich für die Betroffenen das Gleiche zur Verfügung stellen wie bei der Al­pine. Wir müssen in diesem Fall natürlich noch viel, viel mehr tun, weil es keine Bau­stellen gibt, die fertiggebaut werden können.

Es ist zwar bekannt, dass der neue Eigentümer angeblich ein Fortführungskonzept prä­sentieren will, aber wir werden erst sehen, was das wird, und schauen, wie es weiter­geht.

Zur gegenständlichen Debatte: Ich möchte mich einerseits für die hohe Zustimmung, für die Einstimmigkeit bedanken. Ich möchte aber auch versuchen, ein paar Dinge klar­zustellen.


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Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein, es gibt keine Zwei-Klassen-Begutachtungs­variante beim Pflegegeld. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das war eine Frage!) Es ist nur so: Wir müssen pro Jahr 186 000 Gutachten durch sachverständige Personen erstellen lassen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Ja, eh!) Da sind wir mit dem Durchschnittswert von 58 Tagen Bearbeitung, glaube ich, nicht so schwach unterwegs.

Gleichzeitig werden wir natürlich jetzt bei der Pflegekarenz und Pflegeteilzeit ein Kurz­verfahren machen können, weil da natürlich andere Fragen zu klären sind, da die Ein­stufung ja schon da sein muss, damit man dort einsteigen kann.

Das heißt, wir bemühen uns natürlich immer, weiterhin sehr rasch zu sein.

Zur Frage dessen, was immer wieder kommt: Bulgarien, Rumänien. Ich möchte grund­sätzlich noch einmal festhalten: Wir leben in einem vereinten Europa, wir leben in ei­nem gemeinsamen Europa, und wir halten uns an das, was wir in diesem Europa ge­meinsam vereinbart haben. Das sind Verträge, das sind Übergangsfristen, und diese Übergangsfristen laufen aus. Und genauso, wie Österreicherinnen und Österreicher in die Bundesrepublik arbeiten fahren, nach Norditalien arbeiten fahren, in die Schweiz arbeiten fahren, genauso kommen Menschen zu uns. Demzufolge haben wir uns be­müht, in Österreich von Haus aus eine andere Logik zu entwickeln. Einerseits die sie­ben Jahre; dann haben wir eine gewisse Öffnung bei den Saisonbeschäftigten, und dann haben wir eine Mangelberufsliste.

Die Mangelberufsliste sagt genau das, was wir wollen: Wir wollen hohe Qualifikation in bestimmten Berufen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wollen wir, bekommen wir aber nicht!) Und das ist jetzt Ihr erster Gedankenfehler, weil ich habe schon 25 300 ru­mänische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Stunde hier. Die sind da! (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Und jetzt müssen wir noch welche holen?) Wir werden nicht welche holen, sondern es wird noch einen kleinen Nachzieheffekt von beiden Ländern gemeinsam im Ausmaß von 4 000 geben. Alle unsere Prognosen haben bis jetzt immer gestimmt, weil wir auch schon 4 500 bulgarische Staatsbürger hier haben, die legal über die Mangelberufsliste hierhergekommen sind.

Deshalb: Erzählen Sie doch nicht immer so etwas der Bevölkerung! Wir wissen ja ganz genau, das ist von Ihnen nur eine vordergründige Debatte. Ihnen geht es nämlich um ganz etwas anderes. Ihnen geht es um „Raus aus der EU!“ – das ist das, was Sie wol­len, und das wollen Sie immer wieder probieren. Sagen Sie die Wahrheit! (Abg. Dr. Be­lakowitsch-Jenewein: Sagen Sie die Wahrheit!) Die Wahrheit ist: Entweder stehen wir zu einem gemeinsamen Europa oder wir stehen nicht zu einem gemeinsamen Europa. Und wenn wir zu einem gemeinsamen Europa stehen, dann müssen wir uns an gewis­se Spielregeln, Verträge halten (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Ja, aber man kann Verträge auch ändern!), auch wenn das manchmal nicht angenehm ist, auch wenn das einen hohen Aufwand bedeutet, auch wenn das viel Überzeugungsarbeit bedeutet.

Aber so haben der Kanzler und ich gestern in Berlin zum Beispiel zusammengebracht, dass wir statt 6 Milliarden um 2 mehr haben; wir sind damit auf 8. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben auch zusammengebracht, dass es nicht auf eine Periode von sechs Jahren zu rechnen ist, sondern wir sind jetzt schon bei 24 Monaten. Weiters haben wir zusam­mengebracht, dass die Europäische Investitionsbank auch noch etwas dazulegt. Auch nicht ganz uninteressant, wie ich glaube. Das heißt, stetig daran zu arbeiten zahlt sich aus.

Ich danke abschließend noch einmal für die hohe Zustimmungsrate. Und seien Sie ver­sichert, dass wir den Betroffenen – und das sind bei der Firma daily zu 96 Prozent Frauen – alles, was wir an Instrumentarien haben, mit voller Vehemenz zur Verfügung stellen werden. Wir werden uns sehr, sehr bemühen, diesen Personengruppen die


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Integration am Arbeitsmarkt so rasch wie möglich zu ermöglichen, so komplex und schwierig das auch manchmal sein wird. Wir werden alles daransetzen, dass es rasch geht, und die Insolvenzstiftung ist der erste Schritt in diese Richtung, weil die Men­schen während ihrer Umschulung über einen längeren Zeitraum auch Arbeitslosengeld beziehen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


12.03.46

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde ja schon sehr viel gesagt. Pflegeka­renz und Pflegeteilzeit sind ein wichtiger, richtiger Schritt – wir werden hier natürlich auch zustimmen –, wobei ich kritisieren möchte, es setzt ja voraus, dass sich der Ar­beitgeber mit der einmonatigen oder dreimonatigen Freistellung einverstanden erklärt, also dass er auf den Mitarbeiter in dieser Zeit verzichtet. Es wird sich in der Praxis dann zeigen, wenn es evaluiert wird, wie das von den Firmen angenommen wird.

Ich möchte, ein bisschen überspitzt formuliert, fast sagen, dass man dieses Modell als „Beamtenmodell“ bezeichnen kann, weil man davon ausgehen kann, dass es haupt­sächlich in dieser Gruppe Realität sein wird. In Österreich haben wir laut GÖD rund 600 000 bundesnah Beschäftigte, und meines Erachtens zielt diese Regelung eher auf diesen Bereich ab. Trotzdem halten wir es für eine gute und wichtige Maßnahme, mit der pflegenden Angehörigen bessere Chancen eingeräumt werden, die Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit in Anspruch zu nehmen.

Was den Punkt 5 betrifft, die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten in Bezug auf die Entgeltfortzahlung im Katastrophenfall, ist das natürlich sehr begrüßenswert und unterstützenswert, das hätte – kleine Kritik am Rande – schon längst passieren sollen. Hier muss es zu einer Gleichstellung kommen, wie es auch in vielen anderen Bereichen zu einer Gleichstellung kommen muss, vor allem auch, was das Pensions­system betrifft. Da gibt es in weiterer Folge noch viel zu tun.

Die anderen zwei Punkte, die Anträge der FPÖ, die noch unter diesen Tagesordnungs­punkten mitverhandelt werden, finden unsere Zustimmung nicht. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

12.05


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Katzian. – Bitte.

 


12.05.35

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Renate Csörgits, auch ich möchte dir gerne im Namen des Klubs der sozialdemokratischen Abgeordneten wirklich sehr herzlich für deine Tätigkeit als Sozialsprecherin danken, persönlich für die gute Zusammenarbeit. Auch ich gehöre zu jenen von dir Zitierten, die dich seit Gewerkschaftsjugendzeiten kennen und schät­zen, und ich kann mich auch noch sehr gut an unsere erste Begegnung erinnern. Ich habe immer auch bewundert und sehr engagiert versucht zu begleiten deine persönli­che Entwicklung.

Was mir vor allem immer sehr imponiert hat, war, dass du auch in schwierigen Pha­sen – und dein politisches Leben war wie bei vielen anderen auch von Höhen und Tie­fen begleitet – immer zu deinen Grundwerten und zu den Orientierungen der Gewerk­schaftsbewegung gestanden bist. Das zeichnet dich aus. Das ist keine Selbstverständ­lichkeit, und dafür möchte ich dir ganz besonders herzlich danken, weil ich auch weiß, dass das nicht immer leicht ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Du bist ein Mensch, der sehr harmoniesüchtig ist; so habe ich dich kennen und schät­zen gelernt. Du suchst den Kompromiss und orientierst dich am Kompromiss. Aber alle, die im Sozialausschuss sind und dich ein bisschen näher kennen gelernt haben, wissen, du kannst manchmal auch ganz schön streng sein. Selten böse, aber wenn du es bist, dann richtig.

Und was wir alle uns nicht vorstellen können, ist: die Renate Tauben fütternd im Ruhe­stand. Ich möchte dir daher wirklich in unser aller Namen sagen: Alles Gute für den neuen Lebensabschnitt! Wir sind uns ganz sicher, du weißt die Zeit sinnvoll und en­gagiert zu nützen. Und wenn dir wirklich einmal fad ist, kommst du einfach vorbei – wir freuen uns, wenn du da bist! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und Team Stronach.)

Meine Damen und Herren, zum Gesetz ist alles gesagt worden. In Zeiten, in denen in ganz Europa in die sozialen Systeme und Strukturen hineingeschnitten wird, im Be­reich Pflegekarenz, Pflegeteilzeit einen neuen Schwerpunkt, eine neue Sozialleistung zu implementieren, da ist etwas ganz Tolles gelungen. Auch dir, lieber Rudi (in Rich­tung von Bundesminister Hundstorfer), danke für dein Engagement und auch für dein Geschick, das umzusetzen.

Der Wermutstropfen wurde angesprochen: Es ist eine Kann-Bestimmung. Klarerweise haben sowohl der ÖGB als auch die Arbeiterkammer verlangt, dass es eine Muss-Be­stimmung werden soll. Aber wir werden uns jetzt mit der Kann-Bestimmung auf den Weg machen, denn es gibt ja auch die Möglichkeit, aus einer Kann-Bestimmung Be­triebsvereinbarungen oder Kollektivvertragsthemen zu machen. Das haben wir auf der Agenda, und ich denke, da wird einiges gelingen.

Ein letztes Wort zur Firma daily. Wir haben heute Nachmittag bei dir im Ministerium den Gipfel. Herr Zieger, der neue Eigentümer, hat eine Aussendung gemacht und ge­sagt, er will gemeinsam mit der Gewerkschaftsbewegung so viele Arbeitsplätze wie möglich retten. Ich stehe nicht an, zu sagen, dass ich dem neuen Eigentümer die Hand reiche. Wir werden gemeinsam versuchen, so viel wie möglich an Arbeitsplätzen zu retten und dazu beizutragen, dass es eine Fortführungsmöglichkeit gibt. Rufen Sie an, legen Sie das Konzept auf den Tisch – in uns haben Sie einen Partner! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

 


12.09.10

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Meine Rede bezieht sich konkret auf die Instrumente der Pflegeka­renz und Pflegeteilzeit, die wir heute beschließen, bei denen es zwei Varianten gibt: ein bis drei Monate plus Ersatz für den Lohnausfall. Hier wurde ein weiterer wichtiger Schritt gesetzt neben der Pflegefreistellung für nicht in einem Haushalt lebende Eltern, neben der Pflegefreistellung beziehungsweise den Varianten der Familienhospizka­renz. Ich denke, wenn das auch so in den Medien verbreitet wird wie manch andere Dinge, kann man sagen, dass man sehr gute Arbeit geleistet hat.

Ich erlaube mir jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt, da ich auch Mitglied des Sozial­ausschusses bin wie in fünf anderen Ausschüssen, in denen ich mitarbeiten durfte, nach 20 Jahren auch meine Abschiedsrede zu halten, weil es morgen von der Tages­ordnung her nicht mehr passt.

Ich war, weil das möglicherweise viele Junge hier im Saal gar nicht wissen, 20 Jahre lang im Haus. Ich bin 1994 der ÖVP Steiermark sozusagen passiert, bei einer Vorwahl. Dann gab es nie mehr eine Vorwahl. (Abg. Dr. Bartenstein: Was heißt „passiert“?


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Babsi!) Ich glaube, ich habe am Anfang den Hauch von einer ziemlich radikalen Frau­enrechtlerin gehabt, die ich heute überhaupt nicht mehr bin. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Aber leider erreicht uns die Frauenkeule heute wieder öfter!

Ich war, jetzt zum Ernst zurück – und auf das bin ich sehr stolz, weil mein Klub mir das Vertrauen gegeben hat –, zehn Jahre lang Familienausschussvorsitzende und auch Familiensprecherin. Begonnen habe ich als Minderheitensprecherin; ich möchte da kei­nen Vergleich ziehen. Ich habe in diesen 20 Jahren auch viele Minister kommen und gehen gesehen, und ich möchte sie nennen: von meinem lieben Kollegen Martin Bar­tenstein begonnen bis zur Frauenministerin Rauch-Kallat, bis zum Bundesminister Haupt, bis zu Elisabeth Sickl, bis zu Ursula Haubner – danke, dass ich neben dir sitzen darf –, bis zu Sonja Moser, die mir dann als Familiensprecherin ein bisschen das Le­ben schwer gemacht hat, bis zu Christine Marek – ihr danke ich für ihre Arbeit. Eine Verena Remler gab es auch noch – und natürlich unseren derzeitigen Bundesminister Reinhold Mitterlehner.

Bedanken möchte ich mich auch beiden Familiensprecherinnen aller Parteien.

Ich möchte sagen, diese 20 Jahre habe ich als Lernjahre gesehen, als Lernjahre mei­nes Lebens, weil ich eine bin, die die Ochsentour gemacht hat, weil ich eine bin, die fast alles im zweiten Bildungsweg erlernen musste oder durfte. Ich habe diese 20 Jah­re auch als Arbeit im Auftrag meines Wahlkreises gesehen. Ich hatte immer ein Direkt­mandat, auf das ich sehr, sehr stolz war und auch noch bin. Und ich wünsche meinem Nachfolger oder allen, dass sie das auch so sehen.

Ich habe diese 20 Jahre auch für Begegnungen genützt – und ich wünsche mir das auch von Neuen, die kommen, beziehungsweise von denen, die dableiben –, Begeg­nungen mit den Einsatzorganisationen wie Feuerwehr, Rotem Kreuz, Polizei, aber auch Begegnungen mit den Menschen bei Festen. Und die Feste sind nicht dazu da, um miteinander ein Mineralwasser zu trinken, sondern dazu, um jeden Tag von dem etwas mitzunehmen, was sich die Menschen wünschen – und wenn wir es dann um­setzen, ist es eigentlich nicht das Richtige. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich habe es immer als Bereicherung erlebt und war auch immer in meinem Klub ein­gebunden, soweit ich das wollte, denn das ist immer ein Nehmen und Geben. Ich glau­be, ich war auch anerkannt, und ich danke meinem Klub für diese tolle Zusammenar­beit. Ich danke aber auch allen Mitarbeitern im Haus, auch in unserem Klub, nicht nur Isolde Thornton und Philipp Hartig, sondern auch allen anderen. Ich bedanke mich aber auch bei den parlamentarischen Mitarbeitern und wünsche mir, dass die parla­mentarischen Mitarbeiter in vielen, vielen Bereichen aufgewertet werden. Sie sind das Rückgrat und auch eine Säule. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.)

Ja, und hier im Plenum hatte ich auch immer eine Heimat. Wie das so ist: Eine Familie hat man, Freunde sucht man sich. Und ich glaube, das war auch so, ich habe viele Freunde gefunden.

Ich bedanke mich auch bei den Ministerien für die gute Zusammenarbeit, insbesondere bei jenen, die mich betroffen haben: Familie, Arbeit, Justiz und Gesundheit. Ich möchte aber anmerken, dass ich mir für die Zukunft wünsche, rate, dass die Mitarbeiter, Mitar­beiterinnen in den Ministerbüros möglicherweise mehr Informationen an uns Abgeord­nete weitergeben, insbesondere dann, wenn wir verhandeln, denn es ist schon manch­mal mühselig, das zu bekommen, was man will. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dolinschek.)

Ich hoffe, es verzeiht mir mein Klub, wenn ich jetzt den anderen ein paar Minuten Re­dezeit wegnehme. Ich möchte nur ein paar Erfolge nennen, weil ich glaube, es wird so viel vergessen. Das sind das Kinderbetreuungsgeld – das war ein Highlight, und ich


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bedanke mich dafür –, die Elternteilzeit, das verpflichtende Kindergartenjahr, die Fami­lienhospizkarenz.

Aber auch von meiner Seite: Ich durfte unter Landeshauptmann Krainer und Waltraud Klasnic – österreichweit war es das Erste nach der Stadt Graz – das Frauen- und Fa­milienreferat im Land Steiermark aufbauen, das es heute in dieser Form leider nicht mehr gibt, insbesondere das Frauenreferat. Ich durfte auch in anderen Projekten mitar­beiten, was heute nicht mehr erwünscht ist. Politiker dürfen oder sollten keine Projekte mehr tragen, denn es könnte ja Fördergeld fließen, und das ist schon sehr gefährlich.

Ich wünsche mir zum Schluss ein paar Dinge; erlauben Sie mir, das zu sagen. Ich wünsche mir weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ja, ein Stehsatz, aber mit Wahlfreiheit. Und es darf kein Verdammen geben, wenn das Kind nicht sofort nach dem Mutterschutz oder im ersten Lebensjahr in eine außerhäusliche Kinderbetreuung gegeben wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich wünsche mir auch mehr Partner- und Elternbildung. Das ist eigentlich ein wunder Punkt, dass wir da wohl viel zu wenig hingeschaut haben. Ich kann den Eltern nicht im­mer alles überstülpen, aber Eltern lernen auch manchmal nicht mehr alles in dieser schnelllebigen Zeit. Kinder haben Rechte, aber auch Pflichten, und Kinder sollen geför­dert werden, aber wir sollten auch fordern.

Ich wünsche mir bei den Pensionen, dass wir hier endlich weitertun und dass wir kei­nen Generationenkonflikt herbeiführen, keinen Altersklassenkampf. Junge haben Zu­kunft, Menschen in ihrem dritten Lebensabschnitt sollten auch eine Zukunft haben.

Ich bitte auch um eine baldige finanzielle Regelung zum Thema Pflege. Ich weiß, wo­von ich spreche, nicht nur, weil die Steiermark noch den Pflegeregress hat. Aber wenn zum Beispiel Eltern für behinderte Kinder einen Regress zahlen müssen, dann sollte man sich das ganz genau anschauen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend erlaube ich mir noch anzumerken, wünschen darf man sich vieles, es wäre gut, wenn wir in Zukunft mehr Abgeordnete aus der Privatwirtschaft mit Berufser­fahrung hätten, weniger aus Gewerkschaft und Kammern. Das würde diesem Haus guttun. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und Team Stro­nach.)

Abschließend: Es waren bemerkenswerte 20 Jahre. Es hat mich sehr gefreut. Ein stei­risches Glückauf! (Allgemeiner, anhaltender, von der ÖVP stehend dargebrachter Bei­fall.)

12.17


Präsident Fritz Neugebauer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, diesen Wunsch mit dem steirischen Glückauf darf ich auch von meiner Seite sehr, sehr herzlich erwidern. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

 


12.18.10

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! In der Stunde und Debatte, in der sich viele verabschieden, mache ich das ganz kurz: Auch ich wer­de nicht mehr kandidieren. Ich sage danke an alle. Es war sehr schön, es ist sehr schön – und ich hoffe, es bleibt auch für die, die nachkommen, sehr schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ und Team Stronach.)

Bei den Tagesordnungspunkten, die wir jetzt diskutieren, geht es um den Beschluss neuer Gesetze. Es geht aber auch um Änderungen und Verbesserungen von beste­henden Gesetzen. Ich möchte jetzt nur zwei Beispiele in Erinnerung bringen und an­führen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 73

Das Erste ist eine Änderung im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, die, glaube ich, doch eine bestimmte Bedeutung hat, es geht hier nämlich um das Thema Bekämp­fung illegaler Beschäftigung. Es wird jetzt eine Verpflichtung zur elektronischen Anmel­dung von Arbeitnehmern bei Arbeitsantritt eingeführt. Ich erinnere daran, es ist immer das Problem gewesen bei Kontrollen auf Baustellen oder in Betrieben, dass die Verant­wortlichen dort gesagt haben, der hat erst vor 3 Minuten bei uns angefangen und die Anmeldung ist gerade am Weg in die Gebietskrankenkasse, und Ähnliches mehr. Die­se Ausrede kann künftig nicht mehr gelten. Es ist jetzt die elektronische Möglichkeit und Verpflichtung zur Anmeldung geschaffen. Das heißt, wenn eine Kontrolle stattfin­det, kann man sich jetzt nicht mehr ausreden, und das ist, glaube ich, auch der richtige Weg.

Das Zweite: Auch das Familienlastenausgleichsgesetz wird geändert. Ich denke, das ist eine Änderung, die zwar nicht sehr viele Menschen betreffen wird, aber doch Men­schen betreffen wird, die unsere Aufmerksamkeit besonders verdienen. Es geht näm­lich dabei um jene Bezieher von Familienbeihilfe, die auch eine entsprechende Ausbil­dung machen oder studieren. Und da gibt es eine Zuverdienstgrenze, nämlich: Man kann im Jahr 10 000 € dazuverdienen, ohne dass man die Familienbeihilfe verliert.

Es gibt natürlich fallweise Situationen, wo diese Zuverdienstgrenze geringfügig über­schritten wird. Man weiß das nicht genau, man kann das auch gar nicht genau und richtig planen, und plötzlich kann es passieren, dass man einen Bescheid vom Finanz­ministerium bekommt, möglicherweise sechs Monate später, wo drinnen steht, dass für das ganze vergangene Jahr die Familienbeihilfe zurückzuzahlen ist. Das können meh­rere Tausend Euro sein, und das kann gerade bei einem Studenten, der nicht unbe­dingt eine hohe Sparquote hat, doch dazu führen, dass das für ihn plötzlich existenz­bedrohend ist. Also das Überziehen dieser Grenze um nur wenige Euro kann zur
100-prozentigen Rückzahlung der Familienbeihilfe führen.

Und genau das ändern wir jetzt! Wir machen jetzt eine Einschleifregelung.

Es hat in den letzten Jahren insgesamt 1 662 Personen betroffen, die in diese „Falle“ – unter Anführungszeichen – hineingefallen sind. Und ab jetzt gibt es eine Einschleifre­gelung. Diese gilt im Kalenderjahr nach dem 19. Geburtstag des Betroffenen, aber auch schon für dieses Kalenderjahr, für heuer. Diese Einschleifregelung sieht meines Wissens vor, dass man den Teil, den man zu viel verdient hat, wird zurückzahlen müs­sen, aber auf jeden Fall nicht mehr alles. Ich meine, dass das ganz wichtig ist.

Wir haben im Familienausschuss darüber gesprochen. Der Sozialausschuss hat das jetzt aufgegriffen. Der Wirtschafts- und Familienminister hat das unterstützt. Das muss man ausdrücklich betonen in diesem Punkt. Ich denke, dass das eine Verbesserung für junge Menschen ist, die von Vernunft und Gerechtigkeit getragen ist.

Wir haben als in der Politik Tätige das Problem erkannt und haben mit dem heutigen Beschluss das Problem entschärft und beseitigt. Ich denke, dass das in der Form, wie wir es machen, eine gute Lösung dieses kleinen Problems ist.

Ich danke auch dem Herrn Sozialminister für seine Unterstützung in diesem Zusam­menhang. Und ich danke noch einmal für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.22


Präsident Fritz Neugebauer: Auch dir darf ich sehr, sehr herzlich danken. Alles Gute weiterhin in langjähriger freundschaftlicher und gewerkschaftlicher Verbundenheit! Al­les Gute!

Zu Wort gelangt als Nächste Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 74

12.23.03

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Auch an dieser Stelle von meinen Kollegen und mir meinem Vorredner alles Gute für seinen weiteren Le­bensweg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)

Auch noch ein Wort zu unserer langjährigen Familiensprecherin Ridi Maria Steibl. Lie­be Ridi, herzlichen Dank im Namen all unserer Kolleginnen und Kollegen für deinen tol­len Einsatz mit Leib und Seele, mit Herz und Hirn, so wie man sich wirklich eine Voll­blutpolitikerin vorstellt! Wir danken dir dafür. Und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Liebe Frau Sozialsprecherin, ein ganz persönliches Dankeschön für die immer freundli­che Aufnahme und die großartige Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Themessl.)

Gegen Ende dieser Debatte möchte ich ganz kurz die Eckpunkte zusammenfassen. Wir sind in Österreich in einer sehr glücklichen Lage: 80 Prozent der Pflegebedürftigen können zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden und in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Das entspricht auch den Wünschen der meisten Pflegebedürftigen. Daher ist es notwendig, ihnen alle mögliche Hilfe zu geben. Nämlich: Ganz besonders in Not kommen Menschen, wenn sie von einer Pflegebedürftigkeit überrascht werden, wenn eine Pflegekraft ausfällt, wenn ein Angehöriger etwa einen Unfall oder einen Schlaganfall hat. Was kann man dann tun? – Genau dann braucht es Hilfe! Und mit der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit werden ab 2014 da entscheidende Verbesserun­gen für pflegende Angehörige vorgenommen.

Ein Punkt ist für uns Senioren ganz besonders wichtig: Einen Rechtsanspruch auf Pfle­gekarenzgeld erhält jeder, der eine Familienhospizkarenz in Anspruch nimmt, sowie Personen, die ihre Arbeitszeit zur Begleitung sterbender Angehöriger reduziert haben. Es liegt uns ganz besonders am Herzen, dass man Angehörige in ihren letzten Tagen und Wochen begleiten kann.

Alles in allem: Wir setzen hier entscheidende Schritte. Die Pflege eines lieben Fami­lienmitgliedes, vielleicht der Mutter oder des Vaters, und der Beruf sollen leichter ver­einbart werden können. Also eine Win-win-Situation!

Eines möchte ich zum Schluss schon noch sagen: Die vielen helfenden Hände, die wir in der Pflege in Österreich haben, erbringen eine unverzichtbare Leistung für unsere Gesellschaft. Sie verdienen unseren Respekt, unseren Dank und unsere Hilfe. – Dan­ke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.25


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


12.25.58

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ein großer Österreicher, Herman Gmeiner, Gründer der SOS-Kinderdörfer, sagte in seinen Lebenserinnerungen: Nichts auf dieser Welt würde gelingen, wenn es nicht Menschen gäbe, die mehr tun, als sie tun müssten.

Das haben die Bundesregierungen bis heute im hohen Maße erfüllt. Herr Minister, da können Sie sich genauso einreihen. Ich denke, das, was gemacht wurde, erreicht wur­de, ist herzeigbar, ist wirklich für unser Land deshalb produktiv und gelungen, weil über das normale Maß hinaus gearbeitet wurde.

Also mehr tun, als wir tun müssten! Nicht mehr fordern! Fordern muss auch sein, keine Frage, belebt mehr oder weniger die Szene, aber Forderungen einzubringen, die nicht realisierbar sind, hat wenig Sinn. Das muss man sich vielleicht in Zukunft auch im Par­lament etwas mehr überlegen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 75

Eine gute Sozialpolitik versorgt die Menschen, keine Frage, entbindet sie aber nicht von der Eigenverantwortung. Eigenverantwortung muss in allen Lebenssituationen stattfinden, sonst können wir auf Dauer das noch so gute System nicht ausreichend und zielorientiert und qualitativ zufriedenstellend steuern. Persönlich bin ich davon voll überzeugt.

Heute wurde schon mehrmals auf Pflegekarenz und auf Pflegeteilzeit Bezug genom­men, dass das alles lobenswert ist, vor allem ab der Stufe 3. Was für mich eigentlich sehr erwähnenswert ist, ist der Umstand, dass die Krankheit Demenz, die heute so vie­le Menschen ertragen müssen und womit die Angehörigen leben müssen, die aber oft nach außen gar nicht erkennbar ist, auch in diese Regelung hineinfällt. Ich bin diesbe­züglich sehr zufrieden. Und ich danke all jenen, die dazu den Vorschlag erarbeitet ha­ben. Es geht dabei natürlich auch um Kosten und um die ganze Prozedur, wie Sie alle wissen.

Ich möchte aber jetzt auf etwas anderes Bezug nehmen, nämlich auf die Änderung des ABGB, die darauf abzielt, dass in Zukunft – und da muss ich eingestehen: Ich habe nie geglaubt, dass das so sein wird – Arbeiter und Angestellte gleichgestellt sind bei Ele­mentarereignissen im eigenen Unternehmen, im eigenen Haus, wenn sie von der Ar­beit wegbleiben, um die ganzen Probleme bewältigen zu können. Das ist eine ganz notwendige Maßnahme, dass nun die Arbeiter mit den Angestellten gleichgestellt sind. Ich denke, das ist etwas, was man in unserer Zeit eigentlich nicht nur erwarten darf, sondern worauf man hinweisen soll. Und das ist, wie ich meine, gut gelungen.

Meine Damen und Herren! Gute Sozialpolitik ist nicht Parteipolitik alleine – das muss sie auch zu Teil sein –, sondern ist Politik an den Bürgern, und sie muss alle Bürger­gruppen so viel wie möglich berücksichtigen und einbinden.

Da heute schon gesagt wurde, dass wir starke Interessenvertretungen brauchen, möchte ich sagen: Man muss auch überlegen, wie stark sie in den einzelnen Bereichen grundsätzlich sind.

Der Erste Präsident des Hauptverbandes sagte etwas, was uns vielleicht für die Zu­kunft irgendwo eine Lehre oder ein Leitgedanke sein soll: Soziale Sicherheit ist die Grundfeste jedes freien Staates! Möge es auch in aller Zukunft so bleiben! – Danke. (Allgemeiner, anhaltender, von der ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

12.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort. – Bitte.

 


12.30.23

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine Damen und Herren, ich werde nicht zu den Gesetzesmaterien reden. Sie alle haben sicher mitgekriegt, dass sich jetzt der halbe Sozialausschuss verabschiedet. (Heiterkeit. – Abg. Kopf: Aber nicht der Minister!) Und das Einzige, was mich wirklich freut, ist: Es liegt nicht an mir! Das freut mich riesig.

Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, mich zu bedanken. Ich möchte mich zu­erst bedanken bei unserer Chefin, die in einer sehr präzisen und peniblen Art mich dis­zipliniert hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Unter uns gesagt: Sie übt diese Ihre Tätigkeit schon 35 Jahre aus. Wir kommen sozu­sagen aus den gleichen Hühnerstall namens Gewerkschaftsjugend.

Bedanken möchte ich mich auch beim Franz Riepl. Franz Riepl und ich haben auch eine gemeinsame Geschichte. Wir kommen zwar aus verschiedenen Gewerkschafts­bewegungen, aber innerhalb der österreichischen Gewerkschaft waren wir zusammen. Noch einmal ein Dankeschön!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 76

Ich bin glücklich – das sei jetzt nicht missverstanden, dass ich das jetzt sage, aber ich bin froh darüber –, dass Herr Ing. Hofer wieder hier ist. Die Krankheit des Ing. Hofer hat bei uns auch immer Beunruhigung verursacht. Wirklich alles, alles Gute!

Herrn Abgeordnetem Karl Öllinger wünsche ich – ja eigentlich kann ich dir nicht wün­schen, dass du wieder da sein sollst, denn das würde einen Wahlsieg bei den Grünen bedeuten. Das passt irgendwie nicht zusammen. Aber persönlich wünsche ich dir, Karl, alles, alles Gute, was immer dieser 29. September an Wahlergebnis bringen wird und bei der Arithmetik herauskommt. Persönlich ein Dankeschön!

Wenn ihr hie und da einen Spezialisten braucht, der sich im Sozialrecht auskennt, dann geht zu ihm, denn er kann da etwas herausziehen, wo ihr nicht glaubt, dass es das auch gibt! (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Ich weiß nicht, wie er das macht. Keine Ahnung! Hat er einen Magneten? Unmögliche Fragestellungen! Ich meine, Herr Ing. Hofer ist da auch nicht so schlecht unterwegs, aber Entschuldigung, er schlägt dich locker.

Ich möchte mich auch bedanken bei meinen Vorgängern Frau Ursula Haubner und Herrn Sigisbert Dolinschek, weil ich nicht weiß, wie das Wahlergebnis sein wird, ob wir uns nach dem 29. September wiedersehen werden. Aber ich möchte sehr bewusst hier sagen, vor allem zu Ihnen, Frau Haubner: Danke dafür, mit welchen Engagement Sie bei uns in diesem Sozialausschuss weitergearbeitet haben. Das ist persönlich ja nicht immer ganz einfach, wenn man einmal ganz vorne sitzt und dann wieder woanders sitzt. Gratulation dazu, wie Sie das gemacht haben! Auch wenn uns viele ideologische Grenzen oder Parteigrenzen trennen, in der Sozialpolitik sind wir uns relativ nahe. Das sieht man auch an der Vielzahl gemeinsamer Beschlüsse. Auch Ihnen alles, alles Gu­te! (Allgemeiner Beifall.)

Und Sigisbert, bauarbeitermäßig alles Gute!

Von der Kollegin Ridi Steidl habe ich mich ja schon im Ausschuss verabschiedet.

Nun, meine Damen und Herren, sei mir folgende Bemerkung gestattet – man sollte das vielleicht nicht so machen, aber! –: Sollten Sie jemals der Meinung sein, Sie kennen sich im österreichischen Sozialrecht aus, dann machen Sie einmal eine Zwischenprü­fung beim Karl Donabauer. (Heiterkeit.) Dann werden Sie draufkommen, dass Sie nichts wissen. – Punkt eins.

Punkt zwei: Wollen Sie etwas über Lobbyismus in diesem Land lernen, wollen Sie lernen: Wie verkaufe ich eine Einigung vier Mal, und du zahlst einen fünften Kaufpreis dafür?, dann gehen Sie zu Karl Donabauer in die Schule! (Allgemeiner Beifall.) Und nachher zu mir! (Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ.)

Und sollten Sie etwas über die enorm hohe Qualität der österreichischen Vieh-, Tier- und Fleischproduktion in der Landwirtschaft kennenlernen wollen, vor allem die wahn­sinnig hohe Qualität des österreichischen Schweinefleisches aus dem Raum rund um Melk, dann gehen Sie auch zu Karl Donabauer in die Schule! Ich war schon dort und kann sagen: Es war hervorragend!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen allen möchte ich wirklich danken. Es war für mich nicht immer einfach, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, weil Sie ganz, ganz penibel beim Arbeiten sind. Mit mir war es wahrscheinlich auch nicht einfach. Aber ich möchte mich wirklich bedanken, denn, wie schon gesagt wurde, so wie wir  (Zwi­schenruf des Abg. Kopf.) Ich gehe überhaupt nicht, nein. Ich bleibe euch erhalten. Das ist auch nicht das Thema.

Aber ich möchte mich bei denen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr da sein werden, weil sie nicht mehr kandidieren, während ich ja kandidiere, wirklich bedanken


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 77

für das, was wir geschaffen haben. Wir haben in der Sozialpolitik gemeinsam doch ei­niges zusammengebracht. Ich bin froh darüber. Und ich bin überzeugt davon, dass wir auch in der nächsten Legislaturperiode wieder irrsinnig viel zusammenbringen wer­den – aber mit neuen Gesichtern und mit neuen Ideen.

Zum Abschluss dieser Epoche: Noch einmal ein herzliches Dankeschön! Und Karl, ich habe das sehr ernst gemeint, bei dir in die Schule zu gehen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.36

12.36.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen, die wir über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehmen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend Arbeitsrechts-Ände­rungsgesetz 2013.

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Dr. Belako­witsch-Jenewein vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Öllinger, Kol­leginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Verlangen auf getrennte Ab­stimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimm­ten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 4, Ziffern 1, 1a bis 1d, 5a und 5b, 6a, 7a und 9, Artikel 6, Ziffern 1 bis 5 und Artikel 7, Ziffern 1 bis 5 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jenen Damen und Herren des Hohen Hause, die diesen Teilen Ihre Zu­stimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenom­men.

Weiters kommen wir zur getrennten Abstimmung über Artikel 13 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wenn Sie diesem Teil Ihre Zustimmung geben, bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wenn Sie auch in dritter Lesung für den vorliegenden Entwurf sind, bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. – Das ist Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Vertragsverletzung durch das Bundesland Niederösterreich (und anderer) in Zusammenhang mit der vertragswidrigen Einbezie­hung der Familienbeihilfe bei der Bemessung der Mindestsicherung für Menschen mit Behinderung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 78

Wer diesen Antrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 2505 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bür­gerliche Gesetzbuch geändert wird, samt Titel und Eingang in 2506 der Beilagen.

Wer dem beitritt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wenn Sie auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf zustimmen, bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig beschlossen. Der Gesetzentwurf ist so­mit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 2507 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

12.39.417. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2362/A der Ab­geordneten Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungs­gesetz 1972, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungs­gesetz 1977 geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 – 2. SVÄG 2013) (2508 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Abgeordneter Gradauer. – Bitte.

 


12.40.05

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Ich möchte zunächst eine Be­suchergruppe aus Klagenfurt von der FPÖ Klagenfurt Land sehr herzlich begrüßen: Grüß euch! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Zweiten möchte ich namens meiner Fraktion den ausscheidenden Mitgliedern des Nationalrates, Ridi Steibl, Renate Csörgits, Franz Riepl und Karl Donabauer, sehr herz­lich danken für die Zusammenarbeit und ihnen alles Gute wünschen! Danke vielmals! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Drittens: Der Herr Bundesminister hat gemeint, der halbe oder drei Viertel des Aus­schusses gingen ihm verloren. – Da kann ich ihn trösten: Die Ausschuss-Mitglieder der FPÖ bleiben ihm erhalten, und wir freuen uns schon darauf. (Abg. Grosz: Da wird er eine Freud haben!)

Ich bin nicht in diesem Ausschuss – zum Tagesordnungspunkt 7 spricht dann auch noch meine Kollegin Dagmar Belakowitsch –, möchte diesen Punkt jedoch dazu nüt-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 79

zen, einen Entschließungsantrag einzubringen. Es geht um eine Novellierung des 2003 von der Volksanwaltschaft erwirkten § 255 Abs. 7 ASVG, sodass auch Beitragsmonate der Selbstversicherung nach § 19a einen Leistungsanspruch in der Pensionsversiche­rung begründen.

Meine Damen und Herren! Ich war zweimal bei der Familie, der folgender tragische Fall zustieß: Ein junger Mann aus dem Bezirk Linz Land hat nach der Handelsschule eine unheilbare, eine sehr, sehr schlimme Erkrankung namens Friedreich-Ataxie be­kommen. Die Mediziner unter Ihnen wissen, was das heißt: unheilbar. Er war anfangs geringfügig beschäftigt im elterlichen Betrieb und sitzt seit dem Jahre 1998 im Roll­stuhl. Eine Beschäftigung ist natürlich nicht mehr möglich. Die Eltern zahlten weiter ei­ne Selbstversicherung nach § 19 ASVG ein, und nach 64 Beitragsmonaten haben sie um die Pension angesucht.

Dieses Ansuchen wurde abgelehnt, weil zwei Dinge nicht passten: Erstens keine 120 Beitragsmonate und, zweitens, dass eine Selbstversicherung in diesem Fall nicht möglich wäre. Das heißt, dieser Mann steht ohne Versorgung da. Irgendwann wird es die Eltern nicht mehr geben, und wenn wir das Gesetz nicht reparieren oder novel­lieren, dann fällt dieser bedauernswerte Mensch wirklich durch den Rost. Das kann es nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann mir vorstellen, da gibt es andere, die in einer ähnlichen, sehr schwierigen La­ge sind, und denen muss man einfach helfen.

Ich habe den Fall an verschiedene Institutionen herangetragen, darunter auch an die Volksanwaltschaft. Ich habe Herrn Minister Hundstorfer geschrieben, der „Kronen Zei­tung“ den Sachverhalt bekannt gegeben, den Bürgeranwalt eingeschaltet, und alle ha­ben gesagt: Da muss das Gesetz repariert werden, das kann es nicht sein! Da hat man einfach bei der Gesetzwerdung auf diese Menschen vergessen!

So hat mir Volksanwalt Kostelka in einem Brief vom 29. Jänner 2013 unter anderem geantwortet – ich zitiere –: So habe ich in meinem Schreiben den Sozialminister um Prüfung ersucht, ob nicht eine Novellierung angedacht werden kann, wonach auch das Vorliegen vom Beitragsmonaten der Selbstversicherung nach § 19a ASVG einen Leis­tungsanspruch in der Pensionsversicherung aufgrund der Bestimmungen des § 255 Abs. 7 ASVG zu begründen vermag. – Zitatende.

Der Volksanwalt unterstützt dieses Anliegen also wirklich ausgezeichnet, und ich den­ke, Herr Minister, bei Ihnen ist dieses Schreiben, das Herr Kostelka hier anführt, bereits eingelangt.

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradauer, Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbes­serung der sozialversicherungsrechtlichen Lage von Menschen mit Behinderung

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Novellierung, wonach auch das Vorliegen von Beitragsmonaten der Selbstversicherung nach § 19a ASVG ei-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 80

nen Leistungsanspruch in der Pensionsversicherung auf Grund der Bestimmungen des oben genannten § 255 Abs. 7 ASVG zu begründen vermag, beinhaltet.“

*****

Ich bitte Sie, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.45


Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Antrag steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradauer, Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbes­serung der sozialversicherungsrechtlichen Lage von Menschen mit Behinderung, ein­gebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 7: Bericht des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2362/A der Abgeordneten Renate Csör­gits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Un­fallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Arbeiter-Abferti­gungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (2. So­zialversicherungs-Änderungsgesetz 2013 – 2. SVÄG 2013) (2508 d.B.), in der 215. Sit­zung des Nationalrates, XXIV. GP, am 4. Juli 2013

Vor dem 1. Jänner 2004 war es für behinderte Menschen, die trotz massiver gesund­heitlicher Einschränkungen den Einstieg in den Erwerbsprozess erfolgreich bewältigten und einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen konnten, generell nicht mög­lich, eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit zu er­langen.

Auf Grund des Bemühens der Volksanwaltschaft wurde im Jahr 2003 eine Gesetzes­änderung erreicht.

Nach § 255 Abs. 7 ASVG gilt der Versicherte auch dann als arbeitsunfähig, wenn er bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Be­schäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner kör­perlichen oder geistigen Kräfte außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nach­zugehen, dennoch aber mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung er­worben hat. Der Gesetzgeber hat durch diese Regelung einen Anspruch auf Invalidi­tätspension auch bei originärer – schon in das Versicherungsverhältnis eingebrachter Arbeitsunfähigkeit – geschaffen.

Damit wollte der Gesetzgeber auch Menschen, deren Arbeitsfähigkeit bereits bei Ein­tritt in die Erwerbstätigkeit auf Grund ihrer starken gesundheitlichen Einschränkungen auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Vergleichs­person beschränkt war und die somit im Sinne der pensionsrechtlichen Bestimmungen „arbeitsunfähig“ waren, den Erwerb eines Anspruchs aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit unter der Voraussetzung, dass sie dennoch über lange Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, ermöglichen. Damit sollte für behinder­te Menschen ein Anreiz geschaffen werden, sich in den regulären Arbeitsmarkt aktiv zu integrieren und auf diese Weise einen Anspruch auf eine Pension aus dem Versiche­rungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit zu erwerben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 81

Letztlich wurde auch eine Öffnung dieser Regelung für schwerstbehinderte Menschen vorgenommen, allerdings unter der unabdingbaren Voraussetzung, dass jemand zu­mindest 120 Monate lang in der Lage war, durch eigene Arbeit Beiträge zur Pensions­versicherung zu entrichten.

Diese gesetzliche Regelung öffnet damit nur für einen Teil der behinderten Menschen den gewünschten Zugang zu vorzeitigen Pensionsleistungen und die sozialversiche­rungsrechtliche Lage von Menschen mit Behinderung harrt damit zahlreicher Verbes­serungen im sozialversicherungsrechtlichen Bereich. Gefordert ist daher eine Novel­lierung, wonach auch das Vorliegen von Beitragsmonaten der Selbstversicherung nach § 19a ASVG einen Leistungsanspruch in der Pensionsversicherung auf Grund der Bestimmungen des oben genannten § 255 Abs. 7 ASVG zu begründen vermag.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Novellierung, wonach auch das Vorliegen von Beitragsmonaten der Selbstversicherung nach § 19a ASVG einen Leistungsanspruch in der Pensionsversicherung auf Grund der Bestimmungen des oben genannten § 255 Abs. 7 ASVG zu begründen vermag, beinhaltet.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


12.45.29

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Vorlage beschließen wir ganz wichtige Bestimmungen, die für bestimmte Personengruppen eine Reihe von neuen Möglichkeiten und Vorteilen bringen. Das ist wichtig. Zum Beispiel haben Sozialversicherte, die sich in stationärer Behandlung befinden und bei denen das Krankengeld ausgeschöpft ist, in Zukunft be­reits ab der Antragstellung auf eine Leistung der Pensionsversicherung einen Anspruch auf Pensionsvorschuss. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Dass die Krankenversicherungsträger in Zukunft verpflichtet werden, betroffene Perso­nen bereits sechs Wochen bevor das Krankengeld ausläuft, sprich: ausgeschöpft ist, darüber zu informieren, ist wichtig.

Wir werden die Härtefallregelung neu gestalten. Damit werden in Zukunft mehr Perso­nen die Möglichkeit haben, diese Regelung in Anspruch zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist auch die Auftraggeber-Haftung. Wir haben dazu vor etlichen Jahren, so zirka vor vier Jahren, einen wichtigen Beschluss gefasst, für den sich vor allem die Gewerkschaften, und da insbesondere die Gewerkschaft Bau-Holz massiv eingesetzt haben, um Maßnahmen gegen Schwarzarbeit einzuleiten. Ins­besondere die HFU-Liste, die vor vier Jahren beschlossen worden ist, ist wichtig. Mitt­lerweile wird in der Branche davon gesprochen, dass es sich dabei um eine Liste der weißen Westen handelt. Warum? – In dieser Liste sind jene österreichischen Unter­nehmungen angeführt, mittlerweile immerhin an die 27 000 Betriebe, die in den letzten drei Jahren in Österreich gemeldet waren, gearbeitet haben und keine sozialversiche­rungsrechtlichen Probleme hatten.

In Zukunft haben auch – das ist mit dieser Novellierung beabsichtigt – EPUs die Mög­lichkeit, in diese Liste aufgenommen zu werden. Natürlich muss das beantragt werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 82

Voraussetzung ist ebenfalls, dass diese Einzelpersonenunternehmen drei Jahre in Ös­terreich gearbeitet haben, gemeldet waren und keine sozialversicherungsrechtlichen Schwierigkeiten hatten. Das ist für den Wettbewerb wichtig und eine gute Sache. Wir werden diese Vorlage natürlich beschließen.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang bringe ich auch noch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger und Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 2508 der Beilagen über den Antrag 2362/A betreffend ein 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2013

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

Die Z 26 lautet:

26. Nach § 679 wird folgender § 680 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmung zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2013

§ 680. (1) Es treten in Kraft:

1. mit 1. Juli 2013 die §§ 255 Abs. 3b, 484 bis 489 samt Überschriften und 662 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2013;

2. mit 1. August 2013 die §§ 123 Abs. 3, 215 Abs. 4 sublit. bb, 216, 259 und 264 Abs. 10 lit. b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2013;

3. mit 1. Jänner 2014 die §§ 49 Abs. 7 Z 2, 66, 139 Abs. 6, 307h samt Überschrift und 414 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2013;

4. mit 1. Jänner 2015 die §§ 67a Abs. 4 Z 2, Abs. 5a, Abs. 6 Z 1, Abs. 6a und Abs. 8a, 67c Abs. 1 und 2, 67e samt Überschrift und 112a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2013.

(2) § 217 Abs. 2 tritt mit Ablauf des 31. Juli 2013 außer Kraft.“

Begründung

Die Beachtung zahlreicher terminlicher Vorgaben in der zweiten Jahreshälfte 2013 im Zusammenhang mit der Umsetzung der Auflösung des Pensionsinstitutes für Verkehr und öffentliche Einrichtungen macht es erforderlich, dass die einschlägigen Bestim­mungen (§§ 484 bis 489 und 662 ASVG) bereits mit 1. Juli 2013 in Kraft treten.

*****

Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49


Präsident Fritz Neugebauer: Der Abänderungsantrag wird mit verhandelt.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 83

12.50.18

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Änderungen im Sozialversiche­rungsrecht, die wir jetzt besprechen und dann beschließen sollen, sind relativ umfang­reich und ein Sammelsurium unterschiedlichster Themen. Wir haben das jetzt im letz­ten Abänderungsantrag auch noch zu hören bekommen: Da schwirren die Paragra­phen nur so durch die Gegend, dass man gar nicht mehr weiß, was das soll.

Da geht es um die Sozialversicherungspflicht, um das Pensionsrecht, es geht um Pen­sionsvorschuss und Krankenversicherung, das reicht bis hin zu den Laienrichtern und der Stiefkind-Adoption und zu den gleichgeschlechtlichen Paaren und von der Auftrag­geberhaftung über Bestimmungen für Einzelunternehmen sowie Subunternehmen und die haftungsfreigestellten Unternehmer, das alles ist da enthalten. Natürlich ist es wich­tig, in diesem Bereich den Sozialbetrug hintanzuhalten und dazu gewisse Maßnahmen zu setzen.

Gewisse Dinge gehen jedoch etwas zu weit. Die Stiefkind-Adoption für eingetragene Partnerschaften finden wir in Ordnung, aber bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemein­schaften nicht. Das geht mir eindeutig zu weit.

Was die Laienrichter bei Entscheidungen beim Bundesverwaltungsgericht in Verwal­tungssachen beim ASVG betrifft, das passt, und die Befreiung von Einzelunternehmern und Angehörigen der Ärztekammer mit niedrigen Einkünften von der Pflichtversiche­rung ist zu begrüßen.

Der von Kollegem Gradauer eingebrachte Antrag hat aufgezeigt, welche Einzelschick­sale es gibt; die wird es immer wieder geben. Es liegt aber dann an uns, die Gesetzes­änderungen so durchzuführen, dass so etwas nicht mehr passiert.

Wir werden diesem Entschließungsantrag auf jeden Fall unsere Zustimmung geben, weil es nicht so sein darf, dass Leute hier in Österreich durch das soziale Netz fallen. (Beifall beim BZÖ.)

12.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fürntrath-Moret­ti. – Bitte.

 


12.52.37

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich bringe folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger und Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 2508 der Bei­lagen über den Antrag 2362/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz und das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungs­gesetz 2013 – 2. SVÄG 2013)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

a) Nach der Z 1 wird folgende Z 1a eingefügt:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 84

1a. Dem § 53b werden folgende Abs. 5 bis 7 angefügt:

„(5) Den Dienstgeber/inne/n ist in den Fällen des § 176 Abs. 1 Z 7 lit. a sowie nach Maßgabe des zweiten Satzes in den Fällen des § 7 Abs. 3 APSG aus Mitteln der Un­fallversicherung auch die Differenz zwischen dem Zuschuss zur (Abs. 1 und 3) und des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung einschließlich allfälliger Sonderzahlungen im Sin­ne des § 3 EFZG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften für bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt oder der Versicherungsanstalt für Eisenbah­nen und Bergbau unfallversicherte Dienstnehmer/innen zu vergüten. Diese Vergütung gebührt den Dienstgerber/inne/n in Fällen der Arbeitsunfähigkeit nach § 7 Abs. 3 APSG aufgrund von Unfällen, die während eines Einsatzes im Rahmen eines Katastrophen­schutzes und der Katastrophenhilfe geschehen sind.

(6) Das Bundesministerium für Inneres hat dem jeweiligen Unfallversicherungsträger die Kosten der Differenzvergütung nach Abs. 5 zu ersetzen, die für die Fälle des § 176 Abs. 1 Z 7 lit. a und der Entlassung aus dem Zivildienst nach § 7 Abs. 3 APSG im Sin­ne des Abs. 5 zweiter Satz entstanden sind.

(7) Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport hat dem jeweiligen Un­fallversicherungsträger die Kosten der Differenzvergütung nach Abs. 5 zu ersetzen, die aus der Entlassung aus dem Präsenz- oder Ausbildungsdienst nach § 7 Abs. 3 APSG im Sinne des Abs. 5 zweiter Satz entstanden sind.“

b) Nach der Z 25b wird folgende Z 25c eingefügt:

25c. Dem § 545 wird folgender Abs. 9 angefügt:

„(9) Mit der Vollziehung der Kostentragung nach § 53b Abs. 6 ist die Bundesministerin für Inneres betraut. Mit der Vollziehung der Kostentragung nach § 53b Abs. 7 ist der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betraut.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wesentlich bei diesem Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz ist, dass gerade für uns UnternehmerInnen sehr, sehr positive und erhebliche Verbesserungen beschlossen werden. Selbständige haben zukünftig die Möglichkeit, während der Zeit der Kinderbetreuung auf Antrag von den Versiche­rungsbeiträgen befreit zu werden, und sie können während dieses Bezuges in gering­fügigem Ausmaß weiter arbeiten. Voraussetzung für diese Ausnahme von der Pflicht­versicherung ist die Einhaltung einer Umsatzgrenze von 30 000 € sowie einer Einkom­mensgrenze von rund 4 650 € pro Jahr. Diese Regelung gilt für die Dauer von bis zu vier Jahren nach der Geburt, bei Mehrlingsgeburten wird diese Frist um ein Jahr ver­längert; dann gilt es also für fünf Jahre.

Das ist ein großer Fortschritt für uns UnternehmerInnen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und ich freue mich, wenn Sie dem zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.55


Präsident Fritz Neugebauer: Der Abänderungsantrag steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


12.55.44

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es wird Sie nicht besonders überraschen, aber wir werden diesem Antrag unsere Zustimmung nicht geben.

Das ist ein Initiativantrag von zwei Abgeordneten der Regierungsparteien, der ein Sam­melsurium unterschiedlichster Themen behandelt, die jetzt noch ganz schnell in dieser


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 85

Periode und kurzfristig in der letzten Plenarwoche beschlossen werden sollen, ohne dass es eine Begutachtung gibt. Da gibt es unterschiedlichste Bereiche: Der Sozialbe­trug soll bekämpft werden. Das ist sicherlich ein Thema, über das man sich ausführ­licher unterhalten müsste.

Es gibt Korrekturen im Pensionsrecht, also die unterschiedlichsten Ansätze dazu. Es ist schade, dass es keinen Ministerialentwurf gegeben hat. Ich habe ein bisserl den Eindruck, das haben Sie absichtlich so gemacht, denn Sie wissen ganz genau, dann hätte das Gesetz noch ein bisserl länger gebraucht, man hätte es vielleicht auch noch ein bisschen ausführlicher diskutieren müssen.

Einen Punkt möchte ich ganz besonders herausheben. Sie beziehen sich in diesem Gesetz auch auf den Gesetzentwurf des Justizausschusses betreffend die Novellie­rung des Partnerschaftsgesetzes. Dieses Gesetz ist noch nicht beschlossen worden, es hat auch noch nicht den Bundesrat passiert. Es wird voraussichtlich mit 1. August in Kraft treten, aber Sie beziehen sich bereits darauf. Also bitte schön, man hätte doch warten können, bis das Gesetz in Kraft getreten ist, bevor man sozusagen Folgege­setze daraus ableitet. Bei aller Wahrscheinlichkeit, dass Sie das auch beschließen wer­den, finde ich eine solche Vorgangsweise höchst zweifelhaft.

Inhaltlich kann ich das – das habe ich schon gesagt – nicht nachvollziehen. Sie verwei­gern sich damit in Wahrheit der Diskussion wichtiger Themen. Das ist etwas, was wir im Sozialausschuss immer wieder erleben: Man mischt Kraut und Rüben zusammen, gute Dinge, wichtige Dinge mit Dingen, die aus einem völlig anderen Bereich kommen.

Insofern können wir konsequenterweise dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


12.57.45

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Meine Vorrednerin hat schon recht: Es ist eine doch etwas befremdliche Vorgangsweise, die wir hier erlebt haben. Es gibt einen Initiativan­trag, ja, das ist das eine. Es gab dann schon knapp vor dem Ausschuss einen Abände­rungsantrag zu diesem Initiativantrag, und jetzt gibt es noch einmal einen geringfügi­gen Abänderungsantrag.

Mit Verlaub, wir könnten uns schon etwas mehr Zeit nehmen, solche Dinge zu beraten, auch wenn Sie – da stimme ich mit meiner Vorrednerin vielleicht nicht überein – zum überwiegenden Teil unbedenklich scheinen. Es sind hauptsächlich irgendwelche tech­nischen Änderungen, aber nicht durchgehend. Einen Punkt zum Beispiel hätten wir wirklich gerne ausführlicher diskutiert, und das war schon im Ausschuss kaum möglich. Das wird sicherlich auch jetzt in der Plenardebatte nicht möglich sein. Es geht um die Beitragsfreistellung von nebenberuflichen Mitarbeitern in AMS-Maßnahmen. Da wird angenommen, dass Student oder Hausfrau ein Hauptberuf ist, um Trägereinrichtungen des AMS zu ermöglichen, Kosten zu sparen, weil die entsprechend Beschäftigten dann als nebenberuflich Tätige eingestuft werden und nicht sozialversichert werden müssen. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Das müsste man sich genauer anschauen. Wir haben da den Verdacht, dass diese Än­derung deshalb erfolgt ist, um vor allem den großen Instituten, die in der Regel partei­nahe Institute sind, um das vorsichtig zu formulieren, was übrigens nichts über ihre Qualität oder eine mangelnde Qualität aussagt, entgegenzukommen.

Deshalb gibt es von uns auch einen entsprechenden Abänderungsantrag zum Sozial­versicherungs-Änderungsgesetz 2013:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 86

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Antrag der Abgeordneten Csörgits und Wöginger betreffend ein 2. Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz 2013 in der Fassung des Ausschussberichts (2508 d.B.) wird wie folgt geändert:

Art. 1 Z 1 entfällt.“

*****

So weit zu diesem Punkt, mit dem wir sicher nicht konform gehen. Da wäre es not­wendig gewesen, sich die zugegeben äußerst schwierige und sehr diffizile Situation von Lehrenden beziehungsweise Vortragenden an AMS-Trägereinrichtungen beziehungs­weise bei Kursmaßnahmen etwas genauer anzusehen.

Dem Rest des Ganzen werden wir zustimmen. Wir werden auch dem Antrag, den Ab­geordneter Gradauer eingebracht hat, zustimmen, der wie immer, Herr Bundesminis­ter, auf ein sehr diffiziles Problem hinweist. In diesem Fall geschieht das zu Recht, egal ob die vorgeschlagenen Maßnahmen des Herrn Gradauer wirklich die passenden sind oder nicht. Aber das Anliegen, das Sie vorgetragen haben, unterstützen wir jeden­falls. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Gradauer: Danke!)

13.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde zum Antrag der Abgeord­neten Csörgits und Wöginger betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern Sozialversicherungsgesetz, das Beamten Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz und das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungs­gesetz 2013 – 2. SVÄG 2013) in der Fassung des Ausschussberichts (2508 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag der Abgeordneten Csörgits und Wöginger betreffend ein 2. Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz 2013 in der Fassung des Ausschussberichts (2508 d.B.) wird wie folgt geändert:

Art. 1 Ziffer 1 entfällt.

Begründung

Die bereits derzeit geltende Ausnahme für nebenberuflich Lehrende in der Erwachse­nenbildung ist zwar von der Idee her nachzuvollziehen, aber auf Grund der unklaren Rahmenbedingungen geradezu eine Einladung zu missbräuchlicher Verwendung. Es gibt Fälle, in denen etwa "StudentIn" oder "Hausfrau" als Hauptberuf dargestellt wird, um die Beitragspflichten für das beschäftigende Unternehmen zu umgehen. Den be­schäftigten Personen selbst entgehen auf diese Weise versicherungsrechtliche An­sprüche.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 87

Es gibt keine sachliche Berechtigung, diese zu Missbrauch einladende Ausnahmebe­stimmung in der derzeit existierenden Form noch weiter zu öffnen.

Angemerkt sei im Übrigen noch, dass die Neuregelung in besonderem Maße Instituten zu Gute kommt, die in einem besonderen Naheverhältnis zu jeweils einer der beiden Regierungsparteien stehen.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.02.05

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen hier diverse Änderungen im Sozialversicherungsrecht. Von meinen Vorrednern wurde teilweise schon ausgeführt, dass das eine sehr breite Palette ist, dass auch sehr viel hineingepackt wurde. Es wurde auch angesprochen, dass etwas abgestimmt wird, wobei noch nicht einmal das Gesetz in Kraft getreten ist.

Summa summarum gibt es Punkte, die Verbesserungen und Erleichterungen darstel­len und als Lückenschließung gesehen werden können. Darum stimmen wir diesem Gesetz auch zu.

Weiters stimmen wir dem eingebrachten Entschließungsantrag der Abgeordneten Grad­auer und Hofer zu, weil wir auch finden, dass es da Änderungs- und Verbesserungs­bedarf gibt und dieser Punkt behoben werden muss. Ihr habt mir das Schreiben heute im Vorfeld gezeigt, der Herr Volksanwalt ist ja da auch involviert.

Zum Schluss möchte ich mich auch noch bei den Abgeordneten für die gute Zusam­menarbeit bedanken und ihnen für den weiteren privaten und beruflichen Lebensweg alles Gute seitens unserer Fraktion wünschen. Das gilt für Frau Abgeordnete Csörgits, für Abgeordneten Riepl, für Abgeordnete Steibl und für Abgeordneten Karl Donabauer, den ich ja auch bei meiner Tätigkeit im Europarat näher kennenlernen durfte. Gewisse Punkte, die Herr Minister Hundstorfer vorhin in seine Richtung gesagt hat, kann ich auch teilen. Ich wünsche euch allen alles Gute und danke für die gute Zusammenar­beit! (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

13.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


13.03.43

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab einige Anmerkungen, dass es viele kleine Punkte sind. Das ist dynamische Sozialpolitik. Dynamische Sozial­politik geht bis zum Schluss, und es ist so, dass im Rahmen der dynamischen Sozial­politik ein paar Dinge auch noch in Abänderungsanträgen kommen. Wir sind in Dis­kussion.

Herr Abgeordneter Gradauer, wir werden den Fall, den Sie exemplarisch dargestellt haben, noch einmal in aller Ruhe besprechen. Wir führen in Wirklichkeit schon über viele Wochen und Monate einen sehr intensiven Dialog mit den Bundesländern darü­ber, wie man mit behinderten Menschen umgeht, die in sogenannten geschützten Werkstätten sind, wobei das vor allem Volkshilfe- und Lebenshilfe-Werkstätten sind. Auch da gibt es die Frage der Versicherungspflicht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 88

Wir müssen auch grundsätzlich ein paar Dinge diskutieren, denn die Person, die Sie hier beschrieben haben, hat eine Grundabsicherung über einen anderen Zweig in der gleichen Höhe. Materiell ist es das Gleiche, denn das, das als Ausgleichszulage he­rauskommt, hat die gleiche Höhe wie die Mindestsicherung. Demzufolge werden wir noch in aller Ruhe darüber diskutieren, wie wir die Zugänge in Zukunft gemeinsam ge­stalten wollen.

Ich werde mir auch gestatten, Ihnen ein paar Argumente in die Debatte mitzugeben, wie wir mit gewissen Dingen umgehen; das hat überhaupt nichts mit Parteipolitik zu tun. Materiell gesehen enden beide Wege für die Person bei der gleichen Höhe des Betrags, den solch eine Person bekommen kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu ist Herr Abgeord­neter Höfinger zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.05.42

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste in diesem Haus! Herr Bundesminister, Sie haben erwähnt, dass dynamische Sozialpolitik bis zum Schluss geht. Sie geht bis zu mir, ich bin der letzte Redner zu diesem Tagesordnungs­punkt, und ich werde versuchen, meinen Beitrag zu leisten.

Zunächst aber alles Gute all jenen, die heute schon gesagt haben, dass sie aus­scheiden werden, allen Sozialpolitikerinnen und -politikern, die wirklich profundes Wis­sen in die Gesetzgebung der vergangenen Jahre eingebracht haben und diese Arbeit mit Leidenschaft ausgeführt haben. Vielen herzlichen Dank und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn wir jetzt von diesem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz sprechen, klingt das zunächst vielleicht auch für den Zuhörer nach trockener Materie. Da gibt es verschie­dene Punkte, die darin verpackt sind, aber wenn man diese in die Einzelteile zerlegt, erfährt man ziemlich rasch, dass das sehr wesentliche Elemente sind, die auf den Ein­zelnen wirken und von großer Bedeutung sind. Es wurde vieles schon angesprochen, das da verpackt ist.

Ich darf mich noch auf einen Punkt konzentrieren, nämlich auf die Härtefallregelung bei der Invaliditätspension. Das ist ebenfalls eine sehr wichtige Formulierung, die heute verändert und weiterentwickelt werden soll. Bisher war es so, dass aufgrund des Bud­getbegleitgesetzes von 2011 die Formulierung mit „und“ oder „oder“ niedergeschrieben war. Das hat zu Irritationen in der Auslegung, aber auch in der Rechtsprechung und in der Lehre und auch immer wieder zu Diskussionen geführt, wo das dann eigentlich nicht genau ausformuliert werden konnte.

Jetzt, mit Wirksamkeit 1. Juli 2013, soll das anders formuliert und gesetzlich klargestellt werden. Es geht darum, dass nicht wie bisher nur Menschen betroffen sind, die ihre Tätigkeit vorwiegend in sitzender Haltung verrichten müssen, sondern in Zukunft kann die sitzende Tätigkeit auch durch Haltungswechsel unterbrochen werden. Das heißt, man darf eben auch hin und her gehen oder aufstehen. Ich denke, das ist sehr we­sentlich und eine Erleichterung für die Menschen in der Qualifikation, ob die Invalidi­tätspension in Anspruch genommen werden kann oder nicht.

Daher gibt es natürlich auch von unserer Seite die Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.08

13.08.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 89

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2508 der Beilagen.

Hiezu liegen folgende Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge vor: Abände­rungsantrag der Abgeordneten Csörgits, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen, Abände­rungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen sowie Zusatzantrag der Abgeordneten Csörgits, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und dann über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile entsprechend der Systematik des Gesetzentwurfes und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Tei­le des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Csörgits, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz­antrag betreffend Einfügung neuer Ziffern 1a und 25c in Artikel 1 eingebracht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Streichung der Ziffer 1 in Artikel 1 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich ab­gelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Abgeordneten Csörgits, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Artikel 1 Ziffer 26 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Gradauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der sozialversi­cherungsrechtlichen Lage von Menschen mit Behinderung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

13.11.118. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2329/A der Ab­geordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Gesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlasten-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 90

ausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967), idF des BGBl. I Nr. 81/2013, geändert wird (2509 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. Wunschge­mäß sind 2 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


13.11.45

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Diskussion steht jetzt der Antrag des Kollegen Öllinger. Der Antrag bezieht sich darauf – Kollege Öllinger hat das, glaube ich, heute schon in der Fragestunde erwähnt –, dass Menschen, die aufgrund einer schweren Behinderung auch noch im Erwachsenenalter Familienbeihilfe beziehen, in manchen Bundesländern nicht besonders sozial behandelt werden, sagen wir es ein­mal so.

Beispielsweise ist es in Niederösterreich so, dass, wenn Menschen mit schwerer Be­hinderung um Mindestsicherung ansuchen, die Familienbeihilfe abgerechnet wird. Die Familienbeihilfe gebührt aber schwerbehinderten Menschen, um sozusagen ihre Zu­satzkosten, die ihnen aus ihrer Behinderung entstehen, zumindest teilweise abzude­cken. Man hat den Eindruck, dass manche Länder offensichtlich glauben, dass sie Teil des Einkommens wäre. Familienbeihilfe ist kein Einkommen, und daher ist dieser An­trag des Kollegen Öllinger unbedingt zu unterstützen.

Gerade eine Menschengruppe, die es besonders schwer hat, die es aufgrund ihrer Be­hinderung ohnehin schon doppelt oder dreifach schwer hat, noch zusätzlich finanziell zu bestrafen, ist etwas, das nicht nachvollziehbar ist. Daher werden wir diesem Antrag selbstverständlich unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lapp zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.13.13

Abgeordnete Mag. Christine Lapp, MA (SPÖ): Werter Herr Minister! Hohes Haus! Kollegin Belakowitsch hat den Antrag schon vorgestellt. Wir haben schon in der Fra­gestunde zu diesem Thema gesprochen. Minister Hundstorfer hat auch gesagt, dass weitere Verhandlungen mit den Ländern notwendig sind, um zu einer einheitlichen Re­gelung in diesen Belangen zu kommen.

Ich finde, dass es sehr wichtig ist, dass wir heute diese Diskussion zur Bedarfsorien­tierten Mindestsicherung führen, da diese ein Sprungbrett in ein selbständiges Leben ist. Viele verschiedene politische Vertreterinnen und Vertreter in unserem Land haben die Mindestsicherung gerade in den letzten Wochen sehr in den Schmutz gezogen und gar nicht darauf hingewiesen, dass die Mindestsicherung der Wiedereingliederung ins Berufsleben dient, dass die Zahl der Bezieherinnen und Bezieher gesunken ist und dass es Maßnahmen gibt, dass man von der Mindestsicherung wieder zurück zu einer Arbeit kommt, wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. In Wien gibt es da mit 26 Prozent ein sehr gutes Ergebnis im Vergleich zu anderen österreichischen Bundes­ländern, wo es nur 19 Prozent schaffen.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist eine wirksame Maßnahme, die wir getrof­fen haben. Das zeigt aber auch, dass es sehr viele Menschen durch ihr geringes Er­werbseinkommen notwendig haben, diese Mindestsicherung zu bekommen. Das heißt, da ist der Auftrag an die Wirtschaft da, dass Arbeitsplätze, von denen man leben kann, zur Verfügung gestellt werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 91

Aktivierung statt Verwaltung – eine wichtige Maßnahme. Es gibt ein intensives Bemü­hen aller Beteiligten.

Laut der aktuellen Rechtslage haben alle Bundesländer klare Bestimmungen, trotzdem gibt es unterschiedliche Bewertungen und Vorgehensweisen. Da zeigt sich, dass der politische Wille und die politische Gestaltungskraft zu Unterschieden führen. Wien ist jenes Bundesland, in dem es den höchsten Standard an Unterstützung für die Kinder bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gibt. Als Gegenbeispiel Niederösterreich: Die erhöhte Familienbeihilfe bei behinderten Kindern wird, wenn es um die Mindestsi­cherung geht, zum Einkommen dazugezählt.

Allein diese politischen Unterschiede zeigen, dass die Lebenswirklichkeiten der Men­schen meilenwert von dem entfernt sind, was manche Vertreter – vor allem von der ÖVP – als paradiesisch oder als soziale Hängematte bezeichnen. Wir Sozialdemokra­tinnen und Sozialdemokraten kennen die Lebenswirklichkeiten und ergreifen wirksame Maßnahmen zur Unterstützung der Menschen in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Schade, dass Sie nichts zum Antrag sagen!)

13.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Öl­linger zu Wort. 3 Minuten. – Bitte.

 


13.16.14

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nach der Rede der Abgeordneten Lapp etwas ratlos. Ich habe gegen die Ausführungen zur Mindestsicherung nichts einzuwenden, aber das ist eigentlich nicht das Thema. Das Thema, das wir hier besprechen sollten, ist, dass Sie, also die Regierungspar­teien, im Ausschuss überhaupt nichts gesagt haben.

Jetzt stelle ich noch einmal das eigentliche Thema vor, nämlich unseren Antrag: Es geht schlicht und ergreifend darum, wie einzelne Bundesländer – das wurde schon an­geführt – zu dem Vertrag, der zwischen dem Bund und den Ländern betreffend die Mindestsicherung geschlossen wurde, und zu den Bestimmungen in diesem Vertrag, die die Familienbeihilfe betreffen und wie die Familienbeihilfe zu bewerten ist, stehen. Die Familienbeihilfe ist nämlich laut diesen Bestimmungen eindeutig nicht als Einkom­men zu bewerten.

Einzelne Bundesländer sagen aber zu diesen Bestimmungen: Das sehen wir anders, das haben wir zwar unterschrieben, aber wir sehen es trotzdem anders. Wir glauben, dass wir nicht an diese Bestimmungen der Artikel-15a-Vereinbarung gebunden sind, sondern dass für uns weiterhin die entsprechenden Landesgesetze gelten. Und in die­sen Landesgesetzen haben wir ausgeführt, dass Familienbeihilfe als Einkommen zu werten ist.

Jetzt lese ich Ihnen das noch einmal vor. Das sagt einiges über die Qualität aus, wie Bund und Länder mit diesen Artikel-15a-Vereinbarungen umgehen. Da meine ich in erster Linie die betreffenden Länder und nicht den Bund.

Die Artikel-15a-Vereinbarung legt in Artikel 13 Absatz 3 Ziffer 2 fest:

„(3) Folgende Einkünfte dürfen im Rahmen des Abs. 1 nicht berücksichtigt werden:“ –

nämlich als Einkommen –

„2. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967“.

Das ist eindeutig, und trotzdem gehen Länder wie Niederösterreich, Oberösterreich und auch Kärnten her und sagen: Das ist uns wurscht! Am deutlichsten ist es in Niederös­terreich mit dem Landesgesetz. Das ist unfassbar! (Zwischenruf des Abg. Einwallner.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 92

Herr Kollege Einwallner, das ist wirklich ein Thema für Sie. Es ist unfassbar, dass ein Bundesland sagt: Das X, das wir da lesen, erkennen wir als ein U. Das ist ein U und kein X. Da frage ich mich dann: Was ist die Qualität von Verträgen, die der Bund mit den Ländern schließt, wenn einzelne Länder sagen, dass ihnen das wurscht ist, sie er­kennen ein U und kein X? (Beifall bei den Grünen.)

Da frage ich mich natürlich im Weiteren: Was heißt das denn, Herr Bundesminister, wenn Sie sagen, wir verhandeln? Ich verstehe schon, Sie wollen da irgendwie noch mit den Ländern reden, aber verhandeln kann man darüber eigentlich nicht, denn es gibt eine klare Vereinbarung. An diese haben sich die Bundesländer auch dann zu halten, wenn ein Vertragsbruch sanktionslos ist.

Das ist das Problem bei diesen Artikel-15a-Vereinbarungen, ein Vertragsbruch ist sanktionslos. Wir schließen Verträge ab – und zwar Dutzende Verträge, da geht es nicht nur um die Mindestsicherung. Auch in dieser Sitzung haben wir schon wieder, glaube ich, eine Artikel-15a-Vereinbarung abgeschlossen. Wenn sich dann irgendein Bundesland nicht daran hält, ist es auch wurscht, oder?

Nein, es ist nicht wurscht. Und darum glauben wir, dass man dem Problem nur da­durch Herr werden kann, dass der Bundesgesetzgeber noch einmal auch für die Län­der klar definiert, was als Einkommen zu betrachten ist.

Gut, im Ausschuss haben Sie gesagt, Sie sagen nichts. Jetzt habe ich schon die Stel­lungnahme der Abgeordneten Lapp gehört, die aber eher nicht zum Thema, sondern allgemein zur Mindestsicherung war. Es würde mich schon interessieren, wie Abge­ordnete aus den entsprechenden Bundesländern oder insgesamt – denn wir sind ja gemeinsam Gesetzgeber – das Problem sehen, wenn Länder sagen: Es ist uns wurscht, was wir an Verträgen abgeschlossen haben, denn wir definieren ein X wie ein U und halten uns deshalb auch nicht daran.

Das würde mich wirklich interessieren. Daher bitte ich Sie, sich zu diesem Problem nicht zu verschweigen, nicht allgemein zur Mindestsicherung zu sprechen, sondern auch auf diesen Punkt einzugehen. Da geht es um eine ganz konkrete Personen­gruppe – und das ist noch dazu eine, die das auch verdient hat. Es handelt sich um behinderte Menschen, mit denen kann man nicht so umspringen. (Beifall bei den Grü­nen.)

13.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Einwallner. 3 Mi­nuten. – Bitte.

 


13.21.22

Abgeordneter Thomas Einwallner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Geschätzte ZuschauerInnen und ZuseherInnen vor den Fernsehapparaten! Dem, was Herr Kollege Öllinger jetzt ausgeführt hat, kann und muss man aus steiri­scher Sicht widersprechen, denn die Steirer und die Steiermark halten sich immer an die Verträge, die sie abschließen.

Aber Sie führen ja hier in diesem Punkt Niederösterreich an. Ich kann Ihnen dazu nur sagen – was Sie nicht dazusagen; Kollegin Lapp war ja ausschlaggebend dafür, dass es nicht kommt –: Vollzugsprobleme in diesem Punkt gibt es in Wien. Und das Wiener Kontrollamt hat das auch bestätigt. (Abg. Mag. Lapp: Bitte!?) Aber das sagen Sie ja nicht dazu. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Keine Sorge, die Länder wissen schon, was sie tun. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jene­wein: Offensichtlich nicht!) Da mache ich mir keine Sorgen. Die Länder wissen, was sie tun. (Abg. Öllinger: Rechtsbrecher!) Aber es gab ja auch schon bei den vorherigen Tagesordnungspunkten eine solch tolle Stimmung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 93

Herr Sozialminister, ich bin nicht Mitglied im Sozialausschuss (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Darum kennen Sie sich nicht aus! – Abg. Öllinger: Darum kennen Sie sich nicht aus!), aber auch ich verabschiede mich heute hier und darf mich, wenn ich das dann so ausdrücken darf, für meine Fraktion  (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Hören Sie auch auf, Herr Minister?) – Nein, nicht der Herr Minister, sondern ich höre auf.

Ich habe nicht so lange dienen dürfen – denn ich sehe das auch als einen Dienst an der Gesellschaft, als Dienst an den Menschen. Es war sehr schön, hier politisch tätig sein zu dürfen. Ich habe – sicher für mich ein persönlicher Höhepunkt in der vorigen Gesetzgebungsperiode – hier zum Thema „Wählen mit 16 für alle in Österreich“ spre­chen und den Beschluss mittragen dürfen. Das war sicher ein persönlicher Höhepunkt.

Es hat mich sehr gefreut, viele Kolleginnen und Kollegen auch aus den anderen Frak­tionen kennengelernt zu haben – manche etwas besser, manche weniger gut.

Ich bedanke mich beim ÖVP-Klub für die tolle Unterstützung. Ich bedanke mich dort auch bei den jungen Kollegen und bei denen, die sich jung fühlen, also allen. (Heiter­keit und Beifall bei der ÖVP.)

Es war mir immer ein Anliegen – und damit möchte ich auch schon schließen –, Ju­gendanliegen zu vertreten.

Ich bedanke mich abschließend bei den jungen ÖVPlerinnen und ÖVPlern in der Stei­ermark, die dafür verantwortlich waren, dass ich hier sein durfte.

Auch mein Nachfolger als Landesobmann der steirischen Jungen ÖVP wird – es schaut sehr, sehr gut aus – hier einziehen. Somit hat die Junge ÖVP wieder ihren Ob­mann hier als Jugendvertreter, und das soll ja das Ziel sein, dass man nachhaltig ar­beitet.

Da kann ich den Grünen auch wieder eine Empfehlung geben. Man sagt immer, die Grünen sind so jugendlich und jung. Ihr seid leider die älteste Fraktion im Haus, aber vielleicht gibt es ja auch bei euch eine Verjüngung.

In diesem Sinne wünsche ich aber trotzdem allen Beteiligten alles Gute für die Zu­kunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

13.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. 3 Mi­nuten sind eingestellt. – Bitte.

 


13.24.38

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Einwallner, ich wünsche dir auf deinem weiteren Weg alles, alles Gute. Ich hoffe, du hast auch einige positive Dinge aus dem Hohen Haus mitgenommen. Ich bedaure aber, dass jetzt am Ende der Legislatur­periode die Verabschiedungsreden schon solche Ausmaße annehmen und ein solch wichtiges Thema, wie es Kollege Öllinger hier aufgeworfen hat, fast in den Hintergrund gedrängt wird.

Die Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes wäre in diesem Fall notwendig. Da bin ich ganz der Meinung des Kollegen Öllinger, wenn Bundesländer die Bedarfs­orientierte Mindestsicherung um die erhöhte Familienbeihilfe reduzieren, obwohl dies laut Vereinbarung zwischen Bund und Ländern nicht zulässig ist. Das führt für Men­schen, die es im Leben nicht so leicht haben, für Menschen mit Behinderung, zu einer existenzbedrohenden Reduktion der Mindestsicherung. Da gibt es ja Leute, die können sich selbst sonst kaum erhalten, und in Wirklichkeit ist das ja, wenn man das Behinder­tengleichstellungsgesetz hernimmt, Diskriminierung. Das fällt unter den Titel Diskrimi-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 94

nierung. Und andererseits haben gerade behinderte Menschen auch Mehraufwendun­gen zu tragen. Das kommt ja dann noch dazu.

Wenn dann über die Artikel-15a-Vereinbarung in einem Bundesland geregelt wird, dass die Leistungen zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Le­bens umfassen, dann muss man das auch so handhaben. Abgesehen von dieser rechtsrhetorisch höchst komplizierten Lage geht es bei den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, von denen es zig gibt, vor allem darum, dass behinderten Men­schen eine entsprechende Unterstützung für ein menschenwürdiges Leben gewährt wird.

Es ist wichtig, dass diese ein selbstbestimmtes Leben führen können. Deswegen ist das auch notwendig. Wir werden diesem Antrag gerne unsere Zustimmung geben. (Bei­fall beim BZÖ.)

13.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Schenk zu Wort gemeldet. 3 Minuten. – Bitte.

 


13.27.08

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist das ein sinnvoller, wichti­ger und richtiger Antrag. Ich möchte mich den Worten von Antragseinbringer Karl Öl­linger anschließen und auch noch einmal zur Sprache bringen – oder das bekräftigen, was du gesagt hast –, dass es nicht sein kann, dass die Länder die Verträge einfach auslegen, wie sie wollen. Es gibt hier klare Vereinbarungen, es gibt eine Artikel-15a-Vereinbarung, in der geregelt ist, dass die Familienbeihilfe nicht als Einkommen zu werten ist. Und die Länder halten sich einfach nicht daran.

Es ist auch die Kritik zu bestärken, dass hier vor allem oder ausschließlich vonseiten der Regierungsfraktionen nichts gekommen ist. Es ist ja nicht das erste Mal, dass hier gemauert wird, wenn die Länder zaghaft in der Umsetzung sind – wenn es zum Bei­spiel um das Spekulationsverbot oder um ein einheitliches Jugendschutzgesetz geht. Ich habe es schon öfter erwähnt, da mauern die Länder, da gibt es keine Unterstützung und da gibt es aber leider auch keine Unterstützung von den Abgeordneten der Re­gierungsparteien. Das finde ich sehr schade. Sie hätten es hier schon in der Hand, etwas zu tun und hier auch einmal auf den Tisch zu hauen. Vor allem in diesem Punkt ist es ja unterschrieben, da gibt es ja gar keinen Spielraum. Das ist ja eine logische Konsequenz, dass diese Verträge eingehalten werden, die auch so unterschrieben wurden. (Beifall beim Team Stronach.)

Es wird sich also meiner Ansicht nach hier jetzt leider nichts mehr ändern. Das ist sehr schade, weil hier eine Personengruppe betroffen ist, die ja nicht zu den Privilegierten zählt und die hier einmal mehr mit Erschwerungen zu kämpfen hat. Das ist absolut nicht in Ordnung und nicht sozial.

Herr Minister und meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich würde Sie noch einmal ersuchen, darüber nachzudenken und diesem Antrag doch näherzu­treten, weil das eine Sache ist, die umgesetzt werden muss, die angegangen werden muss. Daher ist diesem Antrag des Abgeordneten Öllinger unbedingt Folge zu leis­ten. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

13.29

13.29.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 95

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 2509 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

13.29.419. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2363/A der Ab­geordneten Josef Muchitsch, Konrad Steindl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsge­setz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungs­gesetz 1977 und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (2511 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2070/A der Ab­geordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, zuletzt geändert durch BGBl. 50/2012, geändert wird (2512 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.30.42

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesem Antrag unsere Zu­stimmung nicht geben. Ich gestehe zu, der Antrag hat einige positive Aspekte. Positiv sehen wir auf jeden Fall das Überbrückungsgeld, das darin enthalten ist.

Allerdings haben wir uns jetzt dieses Gesetz noch einmal sehr genau angeschaut und festgestellt, dass es eine massive Verschlechterung für die Arbeitnehmer enthält, und zwar bei den neuen Regelungen für die Gültigkeit des Urlaubs. Bisher war der Urlaubs­anspruch zehn Jahre gültig, jetzt soll er nach drei Jahren verfallen. Das ist ein massiver Einschnitt und eine massive Verschlechterung für die betroffenen Arbeitnehmer. Dem können wir unsere Zustimmung nicht geben.

In Richtung des Kollegen Muchitsch muss ich außerdem sagen: Wäre es Ihnen wirklich ein solch großes Anliegen gewesen, dass wir dem zustimmen, dann hätte ich es für sinnvoller erachtet, wenn Sie bereits im Ausschuss an uns herangetreten wären. Jetzt, sozusagen fünf Minuten vor Beschlussfassung, zu sagen, dass das eigentlich eh alles gut ist, halte ich für den falschen Weg.

Wir sind das wirklich noch einmal genau durchgegangen, und im Sinne der betroffenen Arbeitnehmer muss ich sagen, warum sollten wir gerade in schwierigen Zeiten noch zusätzliche Verschlechterungen für diese beschließen. Daher werden wir unsere Zu­stimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Muchitsch. 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 96

13.32.22

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zwischen den Bau-Sozialpartnern monatelang über dieses Gesamtpaket für die BUAG-Novelle verhandelt worden. Und es ist nach wirklich schwierigen Verhandlungen gelungen, ein Gesamtpaket zu vereinbaren, das viele Punkte enthält, die die Regelungen zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitge­bern im Bereich des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes neu festsetzen. Da hier behauptet wird, dass es eine Verschlechterung ist, möchte ich einige Punkte klarstellen.

Wir sind die erste Branche, der es mit dieser Novelle gelingt, dass beim Todesfall eines Arbeitnehmers die Abfertigung 100 Prozent beträgt, unabhängig davon, wie die Ein­kommensverhältnisse in der Familie sind.

Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass der BUAK in Zukunft die Arbeitszeiten
von Teilzeitbeschäftigten am Bau gemeldet werden. Es ist kaum zu glauben, von 130 000 Beschäftigten in der Bauwirtschaft waren auf den Baustellen im Vorjahr 7 500 teilzeitbeschäftigt. Wegen dieser Umgehung von Vollarbeitszeit durch Teilzeit, wo Kon­trollorgane nicht wissen, wann jemand in Teilzeit, wann er in Vollzeit ist, haben wir uns darauf geeinigt, dass die Arbeitszeiten der Teilzeitbeschäftigten am Bau gemeldet wer­den müssen und somit auch die Kontrollorgane kontrollieren können.

Die Auflösungsabgabe für die BUAG-Betriebe kommt nicht zum Tragen. Im Gegenzug wird es aber eine Ersatzleistung durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse an die Arbeitsmarktverwaltung geben.

Der vierte Punkt: Verfallsfristen werden dem allgemeinen Urlaubsgesetz angepasst. Es ist richtig, Frau Kollegin Belakowitsch, das bedeutet drei Jahre. Wenn einer nach drei Jahren seinen Urlaub nicht abholt, ist der Verfall gegeben, wie bei allen anderen Ar­beitnehmern, wiewohl die Urlaubskasse die Arbeitnehmer vorab informiert: Achtung, Verfall! Hol dein Geld ab!

Der fünfte Punkt: Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass Alturlaube vor Arbeitslo­sigkeit zu verbrauchen sind. Alle anderen Arbeitnehmer in Österreich müssen, wenn ein Dienstverhältnis beendet wird, den Alturlaub verbrauchen oder den Urlaub abfinden lassen, und erst dann beziehen sie Arbeitslosengeld. In der Bauwirtschaft haben wir eine Sonderregelung: Zwei Urlaube nimmt er mit, und den letzten Alturlaub muss er bei Kündigung durch den Arbeitgeber verbrauchen, weil er damit die Arbeitslosigkeit ver­kürzt und dementsprechend sein Jahreseinkommen erhöht.

Das „größte Kind“ ist das Überbrückungsmodell. Die Bau-Sozialpartnerschaft ist die erste Branche in Österreich, in der die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer sagen: Unse­re Leute arbeiten schwer, wir schieben sie nicht an den Staat ab, wir schieben sie nicht in eine Invaliditätspension ab, in einen Krankenstandsbezug oder in einen Arbeitslo­sengeldbezug, sondern für den Zeitraum, der einem Schwerarbeiter, einem Bauarbei­ter fehlt, übernehmen wir ihn – vom 58. bis zum 60. Lebensjahr, wenn er im Endeffekt 43 Versicherungsjahre erreicht hat – in ein faktisches Dienstverhältnis in die BUAK. Und wenn er seine 45 Versicherungsjahre hat, dann geht er nahtlos in die Schwerar­beitspension über, genau die Pension, die sich jeder Schwerarbeiter in Österreich ver­dient.

Das ist die erste Branche, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der die Leute nicht vorzeitig in eine Pension gedrängt werden, sondern mit diesem Überbrückungs­geld werden die Arbeitnehmer übernommen, sodass der Pensionsantritt um bis zu zwei Jahre später stattfindet, auch für einen Bauarbeiter.

Dafür sage ich all jenen herzlichen Dank, die an dieser Lösung mitgearbeitet haben. Das war mühsam. Das war schwer. Ich bedanke mich vor allem bei der Bauwirtschaft,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 97

vertreten durch den Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel und den Sprecher der Bauindustrie Hans Peter Haselsteiner, dass es gelungen ist, das in vielen Monaten Verhandlungen durchzubringen. Aber ganz besonders auch allen Verantwortlichen im Sozialministerium, unserem Bundesminister Rudolf Hundstorfer und seinem Team, das wirklich schwer gearbeitet hat, recht herzlichen Dank!

Ich bedanke mich aber auch beim Koalitionspartner, der, nachdem es gelungen ist, ihn von diesem Modell zu überzeugen, es letztendlich auch mitgetragen hat, und bei all je­nen politischen Parteien hier im Nationalrat, die heute die Zustimmung geben werden.

Recht herzlichen Dank im Namen aller Schwerarbeiter, Bauarbeiter in Österreich! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Jakob Auer.)

13.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. 4 Mi­nuten. – Bitte.

 


13.37.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Es ist ja schon einiges zu diesem Modell, das uns heute vorliegt, gesagt worden. Der Kern des Ganzen ist natürlich dieses Bridging-Modell, das dem Umstand geschuldet ist, dass die Bauwirtschaft eben eine besondere und eine ziemlich geschlossene Branche ist. Das Geschlossene kann man durchaus auch mehrdeutig sehen, weil es wenig Wechsel von anderen Berufen in die Bauwirt­schaft und retour gibt. Wer einmal Bauarbeiter ist, bleibt wahrscheinlich sein Leben lang Bauarbeiter, mit den Problemen, die sich daraus ergeben, dass Bauarbeiter im Prinzip früher invalid werden können oder so abgerackert sind, dass sie nicht mehr ar­beiten können. Das kann man in den entsprechenden Statistiken zu den Invaliditäts­pensionen nachlesen, sofern diese spartenspezifisch aufgegliedert sind.

Insofern ist das ein Modell, das wahrscheinlich auch dank der relativ guten Zusammen­arbeit zwischen den Sozialpartnern derzeit nur in dieser Branche möglich ist, und das ist schade. Es ist das natürlich eine besonders betroffene Branche, und dieses Pro­blem nicht sehen zu wollen, wäre abwegig. Möglicherweise beginnt das Problem mit dieser Regelung aber dort, dass sie vielleicht trotzdem zu spät greift, weil Bauarbeiter eben nicht erst mit 58 Jahren schon ziemlich abgerackert sind.

Gerade deshalb finde ich die zweite Regelung, den Urlaub betreffend, die ja auch Teil dieser Novelle ist, im Prinzip richtig, denn wenn man Prävention als ein wesentliches Element sieht – und das tue ich –, um solchen Erkrankungen oder Abnützungen oder Invalidisierungsprozessen vorzubeugen, dann gehört sicher auch dazu, dass die Leute ihren Urlaub entsprechend nutzen und konsumieren müssen, und zwar nicht innerhalb einer Frist von zehn Jahren. Das ist ja eine Katastrophe, den Urlaub bis zu zehn Jahre stehen lassen zu können, um ihn dann mit Ablauf zu konsumieren. Da muss ich sagen: Mensch, du ruinierst dich! Das kann nicht sein. Und es ist mit dem Urlaubsgesetz auch nicht das Interesse des Gesetzgebers, dass jemand seinen Urlaub so lange stehen lassen kann.

Deshalb ist auch diese Maßnahme im Prinzip zu begrüßen. Wir stimmen dem zu.

Zum zweiten Punkt, das ist unser Antrag betreffend die Hitzeregelung: Ja, ich gestehe schon zu: Das Schlechtwetterentschädigungsgesetz ist gut, da ist etwas gelungen. Das betrifft aber auch wieder im Wesentlichen nur eure Branche. Unser Antrag würde darüber hinausgehen, denn unabhängig davon, wo man dann die Temperaturgrenze exakt einsetzt, klar ist, dass es auch andere Berufsgruppen gibt, die vor allem unter der prallen Sonne, unter den hohen Temperaturen zu leiden haben. Und klar ist auch – und auch wissenschaftlich erwiesen –, dass bei sehr hohen Temperaturen die Auf­merksamkeit, die Sensibilität der ArbeitnehmerInnen eingeschränkt ist und häufiger Unfälle passieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 98

Das heißt, der Gesetzgeber ist beim Arbeitnehmerschutz gut beraten, für diesen Fall von höheren Temperaturen vorzusorgen und sich eine Regelung einfallen zu lassen, die vorsieht, dass die Menschen nicht ununterbrochen am Stück diesen extrem hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Das war die Intention unseres Antrags  Sie haben ihn abgelehnt. In der nächsten Gesetzgebungsperiode kommt das Thema, so wie die Hit­zewelle, ganz sicher wieder. (Beifall bei den Grünen.)

13.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Fürntrath-Moretti. – Bitte.

 


13.41.09

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich möchte mich auch bei dieser Novelle auf die Urlaubsansprü­che, auf den Verbrauch der Urlaubsansprüche und die Einführung des Überbrückungs­geldes beziehen.

Künftig verfallen ja Urlaubsansprüche von Bauarbeitern, das wurde schon gesagt, nach dreieinviertel Jahren, also mit März des drittfolgenden Anspruchsjahres. Und eine Zu­satzvereinbarung, in diesem Fall zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ist nicht zulässig. Ziel ist es ja, das übermäßige Sammeln von Urlaubstagen – meine Vorredner haben das ja schon erwähnt, im Übrigen auch mein Vorredner von den Grünen, Abge­ordneter Öllinger – zu vermeiden, denn es ist ja wirklich das Wesentliche am Urlaub, ihn zu konsumieren, um eben entsprechende Erholung vom stressigen Arbeitsleben zu haben. Und deswegen ist das für mich ein wesentlicher Punkt, den es im Übrigen im normalen Arbeitsrecht auch gibt. Im normalen Arbeitsrecht verfällt der Urlaubsanspruch auch nach drei Jahren, also warum nicht auch bei den Bauarbeitern?

Bauarbeiter, die kurz vor dem Pensionsantritt stehen und keine Beschäftigung finden, erhalten ja auch in Zukunft bis zu einem Jahr Überbrückungsgeld in der Höhe des Kol­lektivvertragslohns.

Wann gilt nun dieses Überbrückungsgeld? – Ein Arbeiter muss älter als 58 Jahre sein, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres mindestens 520 Beschäftigungswochen in einem BUAG-Betrieb vorweisen und in den letzten zwei Jahren zumindest 30 Wochen in Beschäftigung gewesen sein.

Ab dem Jahr 2017 wird diese finanzielle Unterstützung nur dann gewährt, wenn der Betroffene davor an einem gesundheitlichen Rehabilitationsprogramm teilgenommen hat. Das Überbrückungsgeld soll einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs­verhältnis entsprechen, wobei die BUAK quasi die Rolle des Arbeitgebers übernimmt. Um ältere Arbeitnehmer zu motivieren, trotz dieses Anspruchs auf Überbrückungsgeld im Erwerbsleben zu bleiben, wird als Bonus eine einmalige Überbrückungsabgeltung in der Höhe von 35 Prozent in Aussicht gestellt.

Wer finanziert nun dieses Überbrückungsgeld, und ab wann soll es gewährt werden? – Das Überbrückungsgeld gilt ab Jänner 2015. Die Finanzierung erfolgt primär durch Zu­schläge durch die Arbeitgeber, nämlich durch die Festsetzung des eineinhalbfachen kollektivvertraglichen Stundenlohns. Für das Jahr 2014, in dem ja noch keine Leistun­gen erbracht werden, gilt ein ermäßigter Satz von 80 Prozent. Im Gegenzug wird die Bemessungsgrundlage für den Urlaubszuschlag von 125 auf 120 Prozent des Kollek­tivvertrages gesenkt, und es kommt zu einer dauerhaften Befreiung von der Auflö­sungsabgabe für BUAG-Betriebe – das wurde ja auch schon von den Vorrednern ge­sagt.

Anstelle dieser Auflösungsabgabe soll die BUAG einen Ersatzbeitrag für alle betroffe­nen Betriebe leisten. Für das zweite Halbjahr 2013 beträgt der Ersatzbeitrag pauschal


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 99

8,2 Millionen €, und ab 2014 erfolgt die Berechnung nach der tatsächlichen Anzahl der Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse.

Abschließend, Hohes Haus, ist – und das ist mir schon sehr wichtig – ein Danke an die Arbeitgeber in der Bauwirtschaft auszusprechen, denn sie haben sich in diesem Fall besonders großzügig gezeigt und übernehmen den Großteil der Belastung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.44.58

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Beschluss schaffen wir das Überbrückungs­geld vor Pensionsantritt für jene, die am Bau arbeiten, die körperlichen Belastungen ausgesetzt sind, im Alter ausgeschunden sind, aus dem Arbeitsprozess herausfallen und keine Arbeit mehr finden, und zwar ab einem Alter von 58 Jahren – viele schaffen es nicht einmal bis dorthin, sind schon früher in Invaliditätspension. Das ist nun einmal so.

Vor allem in der Baubranche wissen wir, dass mit Jahresende, wenn jemand in eine kurze Arbeitslosigkeit geht, auch nicht sicher ist, ob er im nächsten Frühjahr von der Baufirma wieder angestellt wird. Ich glaube, dass das eine sinnvolle Sache ist und gut ausgehandelt wurde. Man hat die Möglichkeit, über die Bauarbeiter-Urlaubs- und Ab­fertigungskasse, die ja sozusagen im Allgemeinen nicht im Rahmen des Sozialversi­cherungssystems ist und dieses dadurch auch nicht belastet, jetzt die Regelung zu schaffen, dass man ein Jahr ein Überbrückungsgeld in Höhe des Kollektivlohnes be­kommt. Das ist doch wesentlich höher als das Arbeitslosengeld.

Ich würde mir solche Dinge auch für andere Leute wünschen, die in diesem Alter sind oder knapp vor 60 Jahren sind und aus dem Arbeitsprozess herausfallen. So jemand hat dann nur die Möglichkeit, in die Arbeitslosigkeit zu gehen, bis er 62 Jahre alt wird, damit er in Pension gehen kann, obwohl schon etliche Versicherungsjahre, Beitrags­jahre erworben worden sind.

Nichtsdestotrotz finde ich diese Regelung gut, also jemand, wenn er 40 Arbeitsjahre hinter sich hat, 520 Beschäftigungswochen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfer­tigungsgesetz vorweisen kann, in der letzten Zeit dieses Geld bekommt. Das ist eine gute Regelung. Das Sozialsystem wird auch nicht besonders belastet, denn für das Jahr 2014 wird dort nur in der Höhe von 6,5 Millionen mitfinanziert, ab 2015 jährlich mit 13 Millionen. Aber das ist in Bezug auf andere Dinge, die das Sozialsystem in diesem Bereich belasten, schon verkraftbar.

Was das Urlaubsgeld betrifft, möchte ich nur eines sagen: Der Urlaub wird immer vom am weitesten zurückliegenden Urlaubsanspruch weggerechnet. Der Nachteil für die Bauarbeiter ist meistens der, dass sie nur zu einer gewissen Zeit in Urlaub gehen kön­nen, und das ist meistens am Ende des Jahres, wenn weniger Arbeit da ist. Damit sind sie auch noch belastet. Aber auf jeden Fall ist das eine gute Regelung für die Men­schen, die am Bau arbeiten. (Beifall beim BZÖ.)

13.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


13.48.08

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt vorweg


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 100

schon für die Zustimmungen ein Dankeschön sagen. Und damit da jetzt – vor allem von Ihnen, Herr Abgeordneter – keine falschen Gerüchte entstehen: Es ist in Wirklich­keit ein Projekt, wo jeder der Beteiligten seinen Beitrag zahlt. Es gibt keinen Bevor­zugten, es gibt keinen Benachteiligten. Es ist in Wirklichkeit, wenn man sich die Ge­samtfinanzierungsströme anschaut, wer da mitzahlt, sehr ausgeglichen. Dafür ist zu danken, denn es ist – das wurde schon erwähnt – ja auch ein nicht unwesentliches An­reizsystem für beide Teile enthalten: für den Arbeitgeber und für den Arbeitnehmer. Wenn der Betroffene nicht in dieses Modell einsteigt, haben beide etwas, und das ist auch nicht uninteressant.

Ich glaube, dass wir hier etwas geschaffen haben, wo eine Branche in sich etwas finanziert. Und auch mit aller Offenheit: Wir haben Minderausgaben  nicht 2015, aber danach, weil weniger Invaliditätspensionen auszuzahlen sind. Das ist eine Logik, die da dahintersteht, die auch eine anerkannte ist.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, was ich persönlich mir wünschen würde?  Das wäre nur eine Idee, eine Vision. Ich weiß, dass wir mit der BUAK ein Modell ha­ben, das in einer bestimmten Branche Abfertigungsansprüche-alt absichert – hat es dort immer schon anders gegeben –, wo wir Urlaubsansprüche ganz elegant abgesi­chert haben. All diese Dinge sind über die BUAK erledigt.

In Wirklichkeit wäre es, glaube ich, nach dem heutigen Beschluss wert, einmal in aller Ruhe darüber zu diskutieren, ob nicht die Tourismusbranche auch so etwas machen könnte, denn die Tourismusbranche ist die dynamischste Branche, wo die Arbeitneh­mer oft wechseln, raus, rein, raus, rein. Man sollte sich einmal die Vorteile, die beide Seiten von solch einer Dachorganisation haben, in Ruhe überlegen – nicht aus der Emotion heraus, nicht aus dem Tagesgeschäft heraus. Man sollte sich in aller Ruhe einmal zusammensetzen und überlegen, warum die Bau-Sozialpartner so etwas zu­sammenbringen, warum es gewisse Debatten überhaupt nicht gibt, die es im Touris­mus permanent gibt.

Das ist die Anregung, einmal weg von Parteipolitik zu schauen, ob es uns gelingt, auf Sozialpartnerebene Dinge weiterzuentwickeln, auch für die Tourismusbranche, die die fluktuierendste Branche ist. Da ist viel mehr Fluktuation als bei den Bauarbeitern. Die Bauarbeiter sind ja zwischenzeitlich ein Ort der Stabilität geworden. Und beim Touris­mus geht es, aus vielen Gründen auch nachvollziehbar, raus, rein. Das ist überhaupt nicht das Thema. Ich würde nur bitten, einmal darüber nachzudenken, einmal in Ruhe das Thema durchzudiskutieren: Welche Vorteile habe ich als Arbeitgeber, aber auch als Arbeitnehmer? Denn wir haben in gewissen Grundsatzfragen enorme Zufriedenheit auf beiden Seiten, weil beide Seiten wissen, die BUAK macht es. – Nur zum Nachden­ken.

Ich danke für Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Schenk zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.51.53

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben jetzt Ihre Dankesworte für die Zu­stimmung schon gesprochen. Ich kann vorwegnehmen, wir werden diesem Gesetz auch zustimmen.

Ich möchte drei Punkte ansprechen. Das Überbrückungsgeld ist positiv. Kollegin Fürn­trath-Moretti hat schon ausführlich dazu Stellung genommen, ich muss das Ganze jetzt


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 101

nicht noch einmal wiederholen; ebenso Kollege Dolinschek und Kollege Muchitsch. Auch die neue Regelung betreffend Urlaub begrüßen wir, denn es ist wirklich so, dass die Arbeiter auf Urlaub gehen sollen, Urlaub konsumieren sollen, da das auch eine Re­generation ist. Wir sind auch nicht der Meinung, dass der Urlaub so lange angespart und aufgestaut werden soll, da das ja auch nichts bringt. In anderen Bereichen ist es ja auch so, dass der Urlaub nach einer gewissen Zeit verfällt, und diese dreieinviertel Jahre sind, finde ich, eine sehr gute und wichtige Lösung.

Weiters positiv zu erwähnen ist, dass die Abfertigungsansprüche nach der Abfertigung-alt in Hinkunft im Todesfall zur Hälfte an die Ehepartnerin und zur Hälfte an die Kinder ausbezahlt werden. Das ist auch ein Punkt, der heute noch nicht angesprochen wurde, aber wichtig ist.

Wie gesagt: Wir stimmen zu. – Danke. (Beifall des Abg. Hagen.)

13.53

13.53.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 2511 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 2512 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

13.54.3811. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (2324 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufs­ausbildungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (2510 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Keck. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.55.04

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte beim letzten Tagesordnungspunkt, der den Sozialbereich betrifft, die Gelegenheit nut-


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zen, mich auch bei jenen zu bedanken, die in der nächsten Periode dem Sozialaus­schuss nicht mehr angehören werden, weil sie nicht mehr in dieses Haus einziehen, weil sie nicht mehr kandidieren, und da waren Säulen des Sozialausschusses dabei. Das war der Karl Donabauer, über den schon viel gesagt wurde, wo man noch dazu­sagen muss, das ist ein Mensch, der Handschlagqualitäten hatte. Das heißt, wenn man sich mit ihm etwas ausgemacht hat, und er hat das in die Hand zugesagt, dann hat das Ganze auch gehalten. Es sind Menschen, die uns abgehen werden.

Aber im Besonderen möchte ich mich bei meiner Vorsitzenden, bei der Kollegin Renate Csörgits recht herzlich bedanken, die es immer wieder geschafft hat, uns, wie es so schön heißt, auf Linie zu bringen, uns zu überzeugen, die Diskussionen wirklich ausge­zeichnet zu führen. Und der Herr Sozialminister hat gesagt, sie kommen aus demsel­ben Hühnerstall. Das möchte ich hier nicht sagen, denn als du das gesagt hast, Herr Sozialminister, ist der Blutdruck des Kollegen Auer von null auf 200 in einer Zehntel­sekunde hinaufgegangen, weil er geglaubt hat, Hendlsachen werden jetzt im Sozial­ausschuss behandelt. (Ruf: Nein!)

Es ist nicht so! Das bleibt dort, wo es wie immer behandelt wurde, weil es dort in guten Händen liegt. Das führt mich auch schon zum Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geän­dert werden.

Der neue Lehrberuf in der Biomasseproduktion beziehungsweise der Bioenergiegewin­nung ist ohne Zweifel ein Beruf für die Zukunft, den man brauchen wird. Auch die an­gestrebten Änderungen im Bereich der Facharbeiter und der Meisterausbildungen set­zen da an. Durch die Verlängerung der Ausbildungslehrgänge wird die Qualität der Ausbildung auch massiv angehoben. Durch die Erweiterung des Zuganges zur Meis­terprüfung wird jenen, die sich für eine Höherqualifizierung interessieren, aber früher unnötige Umwege gehen mussten, die Tür zur besseren Ausbildung eröffnet; und auch die Vereinheitlichung der Berufsbezeichnung kann Positives bewirken: mehr Mobilität im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, eine bessere Vergleichbarkeit der beruflichen Angebote.

Insgesamt handelt es sich um ein abgerundetes Paket, dem man die Zustimmung er­teilen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.57.24

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Abänderung dieses Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzes und des Landarbeitsgesetzes wurde inhaltlich kurz skizziert.

Man muss aber dazu wissen, dass es um wesentlich mehr geht. Da geht es um einen Kreislauf, da es sich um die Gestaltung der Zukunft handelt. Wir alle wissen, es geht um CO2-Emissionen, um Heizungen oder um Energieverbrauch. Wir wissen, es geht um Importe, wenn Energie in das Land importiert werden muss und vieles mehr. Es geht um Arbeitsplätze, es geht um Wertschöpfung. Ich denke, mit dieser Fixierung, dass dieses Berufsbild jetzt auch auf Schiene gebracht wird, dass man eine Fachar­beiterprüfung ablegen kann, auch eine Meisterprüfung anschließen kann, wird bestä­tigt, dass wir diesen CO2-neutralen Weg weitergehen wollen.

Es geht darum, dass die Wertschöpfung, die uns in Österreich zur Verfügung steht, auch optimal genutzt wird, dass diese Wertschöpfung aus den Rohstoffen, die uns um­geben, auch insofern genutzt wird, dass die Menschen jetzt durch diese Schulung opti-


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mal vorbereitet sind. Das heißt, sie können in der Bewirtschaftung, in der Verarbeitung, in der Energiegewinnung optimal eingesetzt werden. Ja, und das alles schafft Arbeits­plätze, das alles kommt der Wirtschaft zugute, das alles kommt auch der Natur und dem Klimaschutz zugute.

Daher gibt es von uns natürlich große Unterstützung für diesen wichtigen Schritt. Ich kann nur dokumentieren, da ich aus dem Bezirk Tulln komme: Die Landwirtschaftliche Fachschule Tulln hat sich seit Jahren einen Schwerpunkt genau in dieser Frage ge­setzt, ist Vorreiter in vielen dieser Fragen. Direktor Meisl ist weit über die Landesgren­zen hinaus in Mitteleuropa unterwegs, um genau diese Richtung auch anderen zu er­klären und beizubringen.

In diesem Sinne vielen herzlichen Dank für die Unterstützung bei der Entstehung die­ses Gesetzes, und wir werden dem gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.59.28

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Land- und forstwirtschaftliches Berufsausbil­dungsgesetz, neuer Lehrberuf, Biomasseproduktion und Bioenergiegewinnung: Wenn im Bereich der Landwirtschaft ein neuer Lehrberuf geschaffen wird, ist das nicht nur er­freulich, sondern sehr unterstützenswert.

Wenn man bedenkt, wie viele Bauern und Bäuerinnen ihre Höfe in den letzten Jahren aufgegeben haben, weil viele von ihnen keine Zukunft mehr gesehen haben, so kön­nen sich interessierte Jugendliche mit dem neuen Lehrberuf zum Facharbeiter oder zur Facharbeiterin in der Biomasseproduktion und in der land- und forstwirtschaftlichen Bioenergiegewinnung ausbilden lassen.

Ausbildungsversuche sind zum Teil im Laufen oder bereits abgeschlossen. Dieser Lehrberuf beinhaltet ja auch die Wartung solcher Anlagen und vieles mehr. Da kann es nur von Vorteil sein, wenn man dazu einen Lehrberuf hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was für die Erhaltung der bäuerlichen Be­triebe ganz wichtig ist, ist, dass die Betriebe von Anlagen zur Erzeugung und Lieferung von Wärme aus Biogas mit einer Brennstoffwärmeleistung bis einschließlich 4 Mega­watt als land- und forstwirtschaftliches Nebengewerbe geführt werden dürfen und von der Gewerbeordnung ausgenommen sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. 3 Mi­nuten. – Bitte.

 


14.01.06

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den vielen Lobesworten ist es vielleicht wieder einmal an der Zeit, die Kirche im Dorf oder die Kuh im Stall zu lassen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Es ist schon gut und auch richtig, dass es hier einen neuen Lehrberuf gibt, aber der große Wurf ist es eigentlich nicht. (Abg. Doppler: Aber besser als gar nichts!)

Ganz kurz noch zur Begründung, warum es nicht der große Wurf ist. Das Lehrbild ist zu eng gefasst; es ist ein Lehrbild, das nach wie vor nicht von modularen Einheiten ausgeht, was in diesem Fall sinnvoll wäre, weil beim Biomasseproduzenten – oder wie der Lehrling oder der Lehrberuf dann auch immer genannt werden wird – hängt es na-


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türlich von den Rahmenbedingungen ab, mit welchen Rohstoffen die Biomasse produ­ziert beziehungsweise verarbeitet wird und ob damit nicht Nahrungsmittelproduktion beziehungsweise Diversität gefährdet wird. Das heißt, es müsste sich auch in den Aus­bildungsinhalten etwas widerspiegeln, ein kritischer beziehungsweise reflektierter Um­gang mit diesen Rohstoffen, der nicht dazu führen soll – auch schon in der Ausbildung –, dass man blindlings, egal, wie die Rohstoffe produziert werden, diesen Lehrberuf als die tolle Perspektive beziehungsweise die Verarbeitung dieser Rohstoffe als die tolle Perspektive bezeichnet, unabhängig von ihren ökologischen Rahmenbedingungen.

Das sind einfach Anmerkungen die, so denke ich, zu beachten wären, aber mir hätte es noch besser gefallen, wenn irgendjemand von den Abgeordneten der Regierungs­parteien, die sich schon fast gnädig hergegeben haben, den Lehrberuf, der ja mehr oder minder von ihnen, von ihren Interessenvertretungen kommt, einzuführen, auch den Werdegang, wie man in diesem Fall zu diesem Gesetzentwurf gekommen ist, et­was genauer dargestellt hätte.

Eines ist ganz klar, soweit ich das mitbekommen habe: Aufgrund dieser ganz schwie­rigen verfassungsrechtlichen Lage – ja, Kollege Doppler deutet schon richtigerweise in diese Hälfte hin (in Richtung ÖVP) – ist es gar nicht so einfach, wenn etwas in Öster­reich in den Landwirtschaftsbereich fällt, dies über die Ländergrenzen hinaus auf eine Bundesebene zu bringen, ohne dass sich nicht eines der neun Bundesländer beson­ders negativ betroffen oder angegriffen fühlt oder seine Zustimmung einfach erteilen will und erteilen muss.

Was ich damit sagen will: Der Werdegang ist offensichtlich aufgrund der verfassungs­rechtlichen Lage kompliziert gewesen. Vielleicht sollte man das auch einmal darstellen, denn es kann ja nicht sein, dass solche Dinge so lange brauchen, weil da eine Unmen­ge an föderalen Bestimmungen beziehungsweise verfassungsrechtlichen Bestimmun­gen zu beachten ist. Wir müssen auch bei der Entwicklung von Lehrberufen, dort, wo sie sinnvoll sind, etwas flotter werden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Doppler.)

14.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Schenk zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.04.50

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es kurz und knapp. Wir werden hier natürlich auch zustimmen, wir finden es gut und richtig, dass ein neuer Lehrberuf ein­geführt wird. Ich sehe ihn auch als zukunftsträchtig, vor allem in der Biomasseproduk­tion im land- und forstwirtschaftlichen Bereich der Bioenergie.

Die Kritik des Kollegen Öllinger kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen, kann ihr auch nicht nähertreten. Wir wollen Arbeitsplätze schaffen, es ist wichtig, dass Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies hier ist eine Möglichkeit, mit dieser neuen Berufsgruppe eben Arbeitsplätze zu schaffen und auch jungen Menschen eine Möglichkeit zu geben, die­sen Lehrberuf zu wählen.

Weiters wird auch eine Vereinheitlichung von Berufsbezeichnungen mitbeschlossen. Diese Vorlage erhält daher unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall des Abg. Hagen.)

14.05

14.05.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2324 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.06.3212. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2241/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Peter Michael Ikrath, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Un­vereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz, Unv-Transparenz-G) und das Bundes­gesetz, mit dem das Bezügebegrenzungs-BVG geändert wird, geändert werden (2573 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.07.16

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz ist zu sagen: Es sind in diesen gesetzlichen Regelungen einige Lücken aufgetaucht, diese gilt es zu schließen. Man hat jetzt in diesem neuen Gesetz und in dem noch einzubringenden Abänderungsantrag daran gedacht, dass einerseits die Leitungspositionen, insbeson­dere als Mitglied im Vorstand, als Geschäftsführer oder Aufsichtsrat einer Aktiengesell­schaft oder einer GesmbH oder einer Stiftung oder in einer Sparkasse, nicht nur ge­meldet, sondern auch veröffentlicht werden müssen. Das war eine Lücke, die aufge­treten ist.

Diese Meldepflicht obliegt auch jeder ehrenamtlichen Tätigkeit. Es kann auch eine lei­tende Position in einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgeübt werden. Auch diese Lücke wurde nun geschlossen, indem das künftig zu veröffentlichen ist.

Und eine der ganz wesentlichen Änderungen ist, dass wir über eine verfassungsge­setzliche Bestimmung eine Ausdehnung der Geltung dieser Gesetze auch für Land­tagsmitglieder beschließen.

Darüber hinaus kommt es in diesem Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz zu ei­ner Definition der jeweils verwendeten Termini technici, sodass man eine genaue Defi­nition hat, was ein Vermögensvorteil, eine leitende Stellung, eine politische Funktion oder ein politischer Amtsträger ist. Das sind Klarstellungen, die notwendig waren und sich aus der Praxis ergeben haben.

Im Wesentlichen ist es nur ein weiterer Schritt in die notwendige Richtung der Trans­parenz. Ich glaube, dass wir hier eine vernünftige Regelung getroffen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Jakob Auer.)

14.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.09.30

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Herr Staatssekretär ist noch nicht hier. Mein Vorredner hat schon die Details dieser Rege-


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lung für das Unvereinbarkeitsgesetz erwähnt. Mir ist noch wichtig, vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher auf ein paar Grundsätze einzugehen und ich möchte mit ei­nem Zitat beginnen.

Ich zitiere: „Wer öffentliche Aufgaben wahrnimmt, hat eine Vorbildfunktion, er verkör­pert die Sichtbarkeit eines guten politischen Verhaltens und steigert damit das Vertrau­en in Staat und Politik. Daher ist für politische Funktionsträgerinnen und Funktionsträ­ger ein strenger Maßstab nicht nur bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben, sondern auch im allgemeinen Verhalten notwendig. Der Großteil der Menschen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, ist anständig und um gute Arbeit bemüht.“ – Zitat­ende. (Abg. Windholz: Von wem ist das Zitat?)

Dieses Zitat stammt aus dem Verhaltenskodex der Österreichischen Volkspartei (Abg. Scheibner: Ooh!) und trifft auf alle Politikerinnen und Politiker, hoffentlich auch hier im Hohen Haus, zu. (Beifall bei der ÖVP.)

Von diesem Ansatz her, Herr Kollege vom Team Stronach – weil Sie das Zitat nicht gekannt haben, aber Sie könnten es auch gerne in Ihrer Partei übernehmen –, von die­sem Ansatz her versteht sich auch diese gesamte Regelung betreffend Unvereinbar­keit, nämlich dass wir davon ausgehen, dass die Menschen hier im Parlament nicht nur eine ausschließlich berufliche Aufgabe haben, sondern dass das auch eine Berufung als Politiker ist und sie daher auch eine berufliche Grundlage haben sollen, die auch öf­fentlich darlegen.

Jede Wählerin und jeder Wähler hat das Recht darauf zu wissen, wer sie vertritt und wie das Verhalten des Mandatars durch sein berufliches Leben geprägt sein kann. (Abg. Neubauer: Was ist mit der Einhaltung der Wahlversprechen?) Das ist, glaube ich, ein wichtiger Grundsatz, dass wir hier einen Weg zum gläsernen Abgeordneten gehen, der Anstand, Ehrlichkeit, Sauberkeit und Transparenz in den Vordergrund stellt. (Zwischenruf des Abg. Hagen.) Das ist das, was wir mit der Unvereinbarkeit heute hier beschließen.

Mein Vorredner hat auch gesagt, dass nun alle Tätigkeiten, die jeder Abgeordnete wahrnimmt, egal, ob sie ehrenamtlich oder ob sie bezahlt ausgeübt werden, auch nachvollziehbar sind und dargelegt werden.

Zusätzlich kommt dazu, dass diese Tätigkeiten auch in den Einkommenskategorien – wir haben fünf davon – ausgewiesen werden, damit jede Bürgerin oder jeder Bürger auch nachvollziehen kann, von wem ein Abgeordneter noch Geld bekommt und von wem er auch abhängig sein könnte.

Ich möchte daher noch einen Abänderungsantrag einbringen, der wichtig geworden ist, weil wir diesen Gesetzentwurf auch in eine Ausschussbegutachtung geschickt haben. Ich sage das deswegen, weil es einzelne Journalisten in manchen Zeitungen und Re­daktionen gegeben hat, die uns vorgeworfen haben, dass das Gesetz vom Zeitpunkt der Einbringung bis zur Beschlussfassung so lange gedauert hat. Der Grund war die Begutachtung, der Grund waren die Rückmeldungen, die wir bekommen haben. (Abg. Mag. Steinhauser: Das war die Schrecksekunde!)

Wir konnten damit einzelne Passagen noch besser darlegen, noch mehr klarstellen, damit es noch klarer für jeden Abgeordneten wird, was gemeldet und was nicht gemel­det werden muss. Vor allem kann es nicht mehr zu Doppelmeldungen kommen, so wie das bei der ursprünglichen Variante der Fall war.

Wir sind hier den Weg gegangen, den man bei der direkten Demokratie von uns ge­fordert hat und der uns jetzt eigentlich zum Vorwurf gemacht wird, weil es so lange gedauert hat. Also ich möchte da all diejenigen, die gerne immer mit dem erhobenen Zeigefinger da sind, daran erinnern: Schauen Sie sich beides an! Die Begutachtung


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hier war gut und ist im anderen Fall genauso gut. Sie bringt immer zusätzliche Lösun­gen. Aus dieser Begutachtung ist auch hervorgegangen, dass wir eine zeitliche Nähe zwischen dem Inkrafttreten der Bestimmungen für die Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates und für die Mitglieder der Landtage schaffen wollen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Artikel III Z 2 lautet:

,2. für die Mitglieder der Landtage mit 1. Jänner 2014.‘“

*****

Was bedeutet das nun für alle Landtagsmitglieder? – Dieser Gesetzentwurf tritt für sie mit 1. Jänner 2014 in Kraft und für die Mitglieder des Hohen Hauses hier mit der Neu­konstituierung des Nationalrates. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pendl.)

14.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses (2573 d.B.) über den Antrag 2241/A der Ab­geordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Peter Michael Ikrath, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Unverein­barkeits- und Transparenz-Gesetz (Unv-Transparenz-G)) und das Bundesgesetz, mit dem das Bezügebegrenzungs-BVG geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (2573 d.B.) über den Antrag 2241/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Peter Michael Ikrath, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz und Unvereinbarkeiten für oberste Organe und sonstige öffentliche Funktionäre (Un­vereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz (Unv-Transparenz-G)) und das Bundesge­setz, mit dem das Bezügebegrenzungs-BVG geändert werden angeschlossene Geset­zesantrag wird wie folgt geändert:

„Artikel III Z 2 lautet:

,2. für die Mitglieder der Landtage mit 1. Jänner 2014.‘“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 4 Minuten. – Bitte.

 



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14.14.50

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause im Internet und vor den Fernsehgerä­ten! Natürlich könnte ich es nun mehr oder weniger zum Exzess treiben und die Inhalte dieses vorliegenden Antrages und Abänderungsantrages erneut wiederholen und wie­derkauen, damit jeder Redner hier immer wieder das Gleiche sagt.

Ich möchte aber die Gelegenheit nützen, indem ich meinen Vorrednern inhaltlich, logi­scherweise, eine Bestätigung dafür geben kann, was dort drinnen steht, was umzu­setzen ist, welches Jahresservice, wenn wir es so sehen wollen, heute stattfindet, um eine Reparatur des letztjährig beschlossenen Gesetzes stattfinden zu lassen.

Diese Gelegenheit möchte ich umso mehr mit Blick auch auf die gegebenen Zivilberufe im freiheitlichen Parlamentsklub nützen. Es ist grundsätzlich für das Hohe Haus festzu­halten, wie wichtig es für uns alle hier sein muss und auch in Zukunft sein wird, Zivilbe­rufe nebst Mandatsfunktion zuzulassen, ja diese sogar zu fordern, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Pendl und Jakob Auer.)

Sicherlich ist es im Sinne der österreichischen Bevölkerung, wenn wir als Parlamen­tarier auf die Kompetenzen zurückgreifen können, die jeder Parlamentarier auf der ei­nen Seite aus seinem Zivilberuf hier ins Hohe Haus mithereinnimmt. Auf der anderen Seite können wir dadurch aber auch eine gewisse Unabhängigkeit leben, denn wenn man eine entsprechende Absicherung im Zivilberuf neben der Mandatsfunktion hier im Nationalrat oder auch in den Landtagen in weiterer Folge hat, dann ist auch eine ge­wisse Unabhängigkeit in der Beschlussfassung grundsätzlich gegeben.

Geschätzte Damen und Herren! Damit einher geht aber natürlich das Recht der Bevöl­kerung, eine entsprechende Transparenz hinsichtlich der Zivilberufe, der beruflichen Tätigkeiten und der Nebenbeschäftigungen, wenn man so will, der Abgeordneten hier im Hohen Haus und auch anderer Mandatsträger zu haben – eine Transparenz, die von unserer Seite auch zu leben ist und dementsprechend in Beschlussfassungen ab­gebildet werden muss. Daher auch die heutige Reparatur, die ja nicht nur einen Ver­weisungsfehler des letzten Jahres beseitigen wird, sondern auch weitere Lücken schlie­ßen wird.

Für die Zukunft, geschätzte Damen und Herren, wäre es aber natürlich auch sinnvoll, weitere Überlegungen anzustellen, was ja auch im Sinne der Transparenz für die Be­völkerung von Seiten der Parlamentarier, die hier tätig sind, klar gestellt werden muss. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, Einkommen, Pension, Sonderpensionen zu be­ziehen. Auch da wäre es interessant zu wissen, von welcher Seite man diese Pen­sionen bezieht. Auf der anderen Seite wäre es natürlich auch anzudenken, in Zukunft Beteiligungen an Gesellschaften offenzulegen, um auch diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Wenn wir schon von Transparenz reden, soll diese hier auch umfassend ge­währleistet und auch der Bevölkerung offen entgegengetreten werden.

Ich glaube, hier wird es in Zukunft noch einige weitere Entwicklungsschritte im Hinblick auf Unvereinbarkeiten und Transparenz geben müssen. Von unserer Seite gibt es zu diesem Tagesordnungspunkt eine Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser. 6 Minuten. – Bitte.

 


14.18.21

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Gerstl! – Ich sehe ihn jetzt nicht. (Abg. Mag. Gerstl hebt die


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Hand.) – Da sind Sie, Entschuldigung! War kein Vorwurf, ich habe nur gesucht, wo Sie sitzen.

Wenn Sie jetzt das Hohe Lied auf die politische Moral singen, dann kann ich Ihnen eine gewisse Strenge aus grüner Sicht nicht ersparen. Sie wissen  (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das hat nichts mit „Oberhüter“ zu tun, wir kommen gleich dazu. Aber ich mei­ne, es ist ein guter Hinweis. Auf die Grünen hören, wenn es um Korruption und Trans­parenz geht, ist nie falsch. Ich werde Ihnen auch erklären warum.

Die heutige Novelle ist im Prinzip Ausdruck einer peinlichen Blamage von SPÖ, ÖVP und FPÖ. Vor einem Jahr ist dieses Gesetz beschlossen worden und wesentliche Teile sind bei den Offenlegungspflichten nicht vergessen worden, sondern damals bewusst nicht beschlossen worden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich werde Ihnen jetzt gleich sagen, warum Sie das gewusst haben. Aus einem ganz einfachen Grund, weil ich vor einem Jahr hier am Rednerpult gestanden bin und Fol­gendes gesagt habe – und jetzt hören Sie gut zu! –:

„Die Grünen stimmen nicht mit. () Das ganze Gesetz ist wie ein Emmentaler mit mehr Lücken als Käse. Es muss zwar offengelegt werden, wer in Vorständen und Auf­sichtsräten sitzt, wer wie viel verdient, aber veröffentlicht werden soll es nicht.

Die FPÖ stimmt mit! Das heißt, es darf niemand erfahren, wer in welchem Vorstand und in welchem Aufsichtsrat sitzt, nämlich welcher Abgeordneter, und was er verdient. Ihr wollt, dass das geheim bleibt.

Wir haben das im Ausschuss thematisiert. Wissen Sie, was der Abgeordnete Fichten­bauer gesagt hat? Das sollen sich die Bürgerinnen und Bürger zusammenrecherchie­ren!“

Ihr habt vor einem Jahr genau gewusst, dass ihr zwar Aufsichtsräte und Vorstände melden müsst, aber dass es nicht veröffentlicht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des BZÖ.)

Die Grünen und – zugegebenermaßen – das BZÖ haben deswegen damals dagegen gestimmt. Ihr habt diese Blamage bewusst in Kauf genommen! Das war bei Verhand­lungen mehrfach das Thema.

Daher sage ich relativ klar: Erstens einmal – dies zu Beginn der Rede –, es schadet nicht, bei Transparenz und Korruption auf die Grünen zu hören.

Und an die Adresse der FPÖ: Schwächt die Verhandlungsposition der Opposition nicht durch vorschnelle Zustimmung! – Das war genau das Problem: Es hat ein Jahr lang Verhandlungen gegeben, da ist nichts weitergegangen, weil man das eigentlich nicht wollte. Einen Tag vor der Sitzung hat die FPÖ zugestimmt, die Verhandlungen waren erledigt, und wir konnten nicht den notwendigen Druck machen, dass das in die Of­fenlegungspflicht hineinkommt.

Genau das interessiert doch die Bürgerinnen und Bürger: In welchem Aufsichtsrat, in welchem Vorstand sitzt wer? Wo gibt es Loyalitäten? – Das ist das, was die Bürge­rInnen wissen wollen, und das ist das, was ihr den Bürgerinnen und Bürgern nicht sa­gen wolltet.

Man sollte aber auch heute gut zuhören, denn dieses Gesetz hat zahlreiche Schwä­chen – offensichtlich deckt das der ÖVP-Verhaltenskodex, der jetzt der Maßstab ist, nicht ab. Man muss sich vorstellen: Die Abgeordneten müssen offenlegen, es wird jetzt auch veröffentlicht, aber wenn jemand nicht offenlegt, dann gibt es dafür in diesem Ge­setz keine Sanktion!

Das ist ja etwas, das sich die Bürgerinnen und Bürger bei Gesetzen wünschen würden: dass wir im Parlament etwas beschließen, aber wenn sie sich nicht daran halten, wer-


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den sie nicht bestraft. – So ein Gesetz werden Sie kaum finden. Wenn hingegen Abge­ordnete etwas offenlegen sollen und das nicht machen, dann gibt es keine Sanktionen. Das interessiert sozusagen niemanden, das ist ein Kavaliersdelikt.

Also, meine Damen und Herren: Sanktionen fehlen. Die Debatte wird nicht lange auf sich warten lassen. Sobald der erste Fall bekannt wird, wo ein Abgeordneter etwas nicht offenlegt, werden die Medien über SPÖ, ÖVP und FPÖ herfallen und werden fra­gen, warum es keine Sanktionen gibt.

Zweiter Punkt. – Eine Schwäche des Gesetzes: Es fehlt eine ... (Ruf bei der ÖVP: Met­ternich!) Metternich? – Nein, Metternich ist eher in der ÖVP zu Hause, ist eher ein geis­tiger Gründungsvater der ÖVP. (Ironische Heiterkeit und Kopfschütteln des Abg. Räd­ler.) Wir wollen etwas anderes. Wir wollen Transparenz! Wir wollen, dass die Bürge­rinnen und Bürger wissen, in welchem Sold Abgeordnete unterwegs sind. Das ist das Ziel. (Beifall bei den Grünen.)

Weiters: die Zusammenrechnung der Einkünfte. – Jetzt muss man zwar offenlegen, wie viel man verdient, aber die Zuordnung zu den einzelnen Tätigkeiten ist nicht mög­lich. Wenn einer im Aufsichtsrat sitzt, ein bisschen selbständig tätig ist und darüber hi­naus angestellt ist, dann gibt er eine Gesamtsumme bekannt. Damit ist aber wieder nicht rückführbar, wo die Loyalitäten liegen. Da wäre eine spezifische Ausweisung sinnvoll, damit Transparenz gegeben ist.

Unternehmensbeteiligungen: Aus solchen können Unvereinbarkeiten entstehen im Hinblick auf die Entscheidungsfindung hier im Parlament – doch sie interessieren nie­manden.

Der Deutsche Bundestag ist da viel weiter. Man muss sich vorstellen: Wenn Mitglieder des Deutschen Bundestages Beraterverträge abschließen, Reden halten, dann müs­sen sie im Deutschen Bundestag angeben, wer diese Studien, diese Reden et cetera in Auftrag gegeben hat und wie viel sie dafür bekommen haben. Sie können auf der Website des Deutschen Bundestages bei jedem Abgeordneten nachschauen, wo er möglicherweise irgendwelche Beratertätigkeiten durchführt. Und wir wissen auch, warum das so ist, weil wir ja einen Untersuchungsausschuss hinter uns haben, in dem aufgezeigt worden ist, dass genau über Studien, über Beraterverträge et cetera dann Kick-back-Zahlungen erfolgt sind. – All das sieht das Gesetz nicht vor.

Trotzdem, muss man dazusagen, werden wir der Novellierung heute zustimmen – nicht, weil sie ein großer Quantensprung wäre, sondern weil sie einen Mindestmaßstab sicherstellt und das Gesetz dahin gehend repariert, dass in Zukunft zumindest Auf­sichtsräte und Vorstandsposten und auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ge­nannt sind. Das ist nicht alles, aber es ist zumindest eine Weiterentwicklung. Aber ich vermute, wir werden uns in einem Jahr bei der nächsten Reparatur sehen, und ich werde Ihnen dann gerne behilflich sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Grosz. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.25.00

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Jawohl, Kollege Steinhauser hat vollkommen recht, sowohl in seiner Kritik an dem Gesetz als auch in dem von ihm Vorgetragenen, das vor einem Jahr Bestandteil der Diskussion war. Her­bert Scheibner, unser Verhandler in dieser Angelegenheit, hat sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum auf die Schwächen dieses Transparenzgesetzes hingewiesen und hat auch die Freiheitlichen massiv kritisiert, dass sie hier der nützliche Steigbügel­halter für ein Gesetz waren, das eigentlich seinen Namen nicht verdient. Statt Trans­parenz wurde damit nämlich Intransparenz geschaffen – und Chaos.


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Es ist ja blamabel, sehr geehrte Damen und Herren von der Volkspartei und von der Sozialdemokratie, dass man heute großartig eine Reparatur abfeiern muss. Denn was bedeutet die Reparatur? – Dass man vor einem Jahr Mist gebaut hat. Und zwar hat man auf Druck des Boulevards – das muss man auch dazusagen –, auf Druck der öf­fentlichen Meinung geglaubt, man entledigt sich des unbequemen Themas Transpa­renz schnell, indem man husch-pfusch eine Regelung schafft, die de facto mit Trans­parenz wenig zu tun gehabt hat. Sie haben geglaubt, die Journalisten, die Meute der Journalisten werden Sie los, indem Sie hier ein Blatt Papier beschließen lassen, das in irgendeiner Form Transparenz vorgaukelt – was es nicht war.

Daher haben sowohl die Grünen als auch das BZÖ vor einem Jahr vor diesem Trans­parenzgesetz gewarnt und nehmen mit Genugtuung zur Kenntnis, dass Sie, auch der Kollege Darmann, sich heute hier herausbewegen und plötzlich von „mehr Transpa­renz“ sprechen, die Sie in dieses Gesetz verpacken wollen – ein Gesetz, sehr geehrte Damen und Herren, dem Sie von freiheitlicher Seite, von sozialdemokratischer Seite und vonseiten der Österreichischen Volkspartei mit Stolz zugestimmt haben.

Wir werden den Änderungen heute unsere Zustimmung geben, wiewohl wir auch da­rauf aufmerksam machen, dass wir uns in absehbarer Zeit in der nächsten Gesetzge­bungsperiode hier treffen werden (Zwischenrufe bei der ÖVP), um auf die noch vorhan­denen Schwächen dieses Gesetzes aufmerksam zu machen. – Da kann die letzte Rei­he der Österreichischen Volkspartei noch so schreien: Sie haben es zu verantworten, sehr geehrte Damen und Herren, dass man sich heute in blamabler Art und Weise hier treffen muss und ein Gesetz repariert, denn Sie gehören ja zu jenen Abgeordneten, die nicht wissen, was überhaupt hier beschlossen wird, anstatt dass Sie sich selbst einmal damit beschäftigen, worum es bei Transparenz überhaupt geht.

In diesem Sinne werden wir dieser Änderung zustimmen – Herbert Scheibner hat das auch im Ausschuss gesagt. Wir weisen aber einmal mehr warnend darauf hin, dass auch dieses Gesetz nach wie vor Schwächen hat, die eine Reparatur in absehbarer Zeit notwendig machen werden. (Beifall beim BZÖ.)

14.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


14.27.30

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ja, es ist schon richtig: Transpa­renz schaut anders aus, meine Damen und Herren. Und die Fehler wurden hier aufge­zeigt. Kollege Steinhauser hat es sehr deutlich gesagt, wo die Problematik liegt – ich möchte all das jetzt nicht wiederholen. Und was nützt mir ein Gesetz, wenn ich es nicht vollziehen kann? Denn: Wenn ich keine Sanktionen habe, kann ich keine Maßnahmen durchsetzen, dann ist es „für die Fische“! – Das ist so! Meine Damen und Herren, das muss man sich schon einmal vor Augen führen. (Beifall der Abg. Schenk.)

Diese Reparatur dieses sogenannten Redaktionsfehlers – wie es ja drinnen steht oder wie man sagt – ist schon etwas blamabel. Abgeordnete mussten Nebentätigkeiten bis­her zwar melden, aber man konnte es bisher nicht anschauen, man musste nicht sa­gen, was Sache war. Wenn man sich anschaut, welche Herrschaften in den diversen Vorständen und Aufsichtsräten drinnen sitzen und hier natürlich die jeweiligen Interes­sen fast als Lobbyisten vertreten, dann sieht man, wie notwendig diese Neuregelung ist.

Außerdem sehe ich auch die Meldepflicht für Kammer- und Gewerkschaftsfunktionäre als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, dass das hier auch einmal klar dar­gelegt ist. Auch Mandatare, Bürgermeister und Gemeinderäte sind hier umfasst.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 112

Aber ob die bisherige Regelung wirklich absichtlich so erfolgt ist oder aufgrund der durch den öffentlichen Druck entstandenen Anlassgesetzgebung passiert ist, das wird wohl die Regierung alleine wissen, und das wird man uns auch nicht sagen.

Regelungen zur Transparenz sind jedenfalls ein ganz besonders wichtiger Teil der Ge­setzgebung. Meine Damen und Herren, wie wichtig die Transparenz ist, hat das Bei­spiel des ehemaligen ÖVP-EU-Abgeordneten und Ex-ÖVP-Innenministers Strasser ganz deutlich gezeigt.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Herr Kollege Gerstl, wenn Sie jetzt mit dem von Ihrer Ethikkommission beschlossenen Ehrenkodex daherkommen, dann ist das schon ein bisschen schwach. Diesen sollten Sie dem Herrn Strasser wirklich einmal vorlegen und ihm „eine betonieren“, damit er das wirklich unterschreibt (Zwischenrufe bei der ÖVP), denn so wie dieser Herr die österreichische Politik blamiert hat und wie der den Menschen gezeigt hat, was alles möglich ist mit dieser Gesetzgebung, die Sie hier beschlossen haben und die nicht zielführend war, das passt auf keine Kuhhaut, meine Damen und Herren! Das muss auch einmal gesagt werden. – Danke. (Beifall der Abg. Schenk. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher zu Wort gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.30.18

Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf allem voran die Schü­lerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer des BRG Klusemann aus Graz herzlich bei uns begrüßen. Mein Abgeordnetenkollege Michi Ehmann hat sie ja vorher zu einer Diskussion eingeladen. Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Transparenz, Unvereinbarkeit – Debatten über diese Themen sind in diesem Hohen Haus immer sehr spannend, insbesondere was die Beiträge von meinem Vorredner, des Kollegen Hagen, betrifft. Sie legen mir immer wieder einen Elfmeter auf, Herr Kollege, auch wenn Sie jetzt wieder lächeln. Aber dass Sie von Transparenz sprechen angesichts dessen, dass Ihr Oberpartei­hauptmann sich überlegt, wann er etwas offenlegt, ob das jetzt vor der Wahl oder nach der Wahl sein wird, dass Sie von Lobbyismus sprechen angesichts dessen, dass fünf Abgeordnete hier im Hohen Haus als direkte Lobbyisten gehalten werden, das halte ich schon für ein starkes Stück, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Grundsätzlich glaube ich, dass es immer wieder zu Diskussionen kommen wird, und wir sind es von den Grünen und insbesondere vom Herrn Abgeordneten Steinhauser ja gewöhnt, kritisiert zu werden, insbesondere was Transparenz und Unvereinbarkeit be­trifft, und wissen, dass Sie da auch oft den Oberlehrer spielen. Aber ich glaube, dass man eben aus den Praxiserfahrungen auch sehr, sehr viel dazulernen kann und dass es nicht unbedingt eine Blamage ist, wenn man sich eingesteht, dass gewisse gesetz­liche Regelungen nicht so greifen, wie es erwünscht war. Wenn man dann aber den nötigen Schritt setzt und diese ändert – und das machen wir mit diesem Gesetz –, dann ist das, glaube ich, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Und ich glaube, es ist auch wichtig, im Rahmen dieser Diskussion zu erwähnen, dass auch die Plattform „Meine Abgeordneten“, die ja eine freiwillige Plattform ist, sehr, sehr gute Arbeit leistet. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.32

14.32.10

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 113

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 2573 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte Abänderungsantrag Verfas­sungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest. (Abg. Grosz und weitere Abge­ordnete des BZÖ, auf die eher spärlich besetzten Reihen von Grünen und FPÖ wei­send: Na ja! Na ja !) – Jetzt darf halt niemand mehr gehen.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel III eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zei­chen. – Ich stelle erneut die einstimmige Annahme fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.34.3613. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2340/A der Abgeordneten Otto Pendl, Johann Singer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (2574 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Herbert. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 4 Minuten ein. – Bitte.

 


14.35.14

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es wird Sie wenig überraschen, dass wir seitens der FPÖ, da wir ja die neuen rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare grundsätzlich in Frage stellen, nun


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 114

auch diese dienstrechtlichen beziehungsweise besoldungsrechtlichen Anpassungen im öffentlichen Dienst, die genau auf diese Bestimmungen abzielen, ebenfalls ablehnen werden.

Ich möchte mich hier nicht wesentlich verbreitern über die Problematik dieser Stiefkind­adoption und der daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen. Dazu wird es ja morgen in der Justizdebatte noch genügend Zeit geben, und da wird auch seitens un­serer Fraktion klar Stellung bezogen werden. Ich darf an dieser Stelle nur grundsätzlich feststellen, dass allein der Umstand, dass hier ein Adoptionsrecht für gleichgeschlecht­liche Paare geschaffen wurde, um einer vermeintlichen Diskriminierung aufgrund einer sexuellen Orientierung zu begegnen, schon zeigt, in welcher argumentativen Einbahn­straße wir uns familienpolitisch hier befinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch gesellschaftspolitisch – das möchte ich hier schon klar feststellen. Und es offen­bart auch, was für ein fragwürdiges ideologisches Experiment mit diesen neuen ge­setzlichen Bestimmungen auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen wird.

Auch wenn es bei dieser Materie hauptsächlich um redaktionelle Anpassungen geht, nämlich dienst- und besoldungsrechtliche Anpassungen – wie gesagt, das Hauptstück wird ja erst morgen verhandelt –, werden wir jedenfalls diese falschen und negativen familienpolitischen Entwicklungen ablehnen und daher auch heute keine Zustimmung zu dieser Dienstrechts-Novelle geben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Pendl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Grosz  in Richtung des sich zum Red­nerpult begebenden Abg. Pendl –: Mit einem herzlichen „Danke“! – Abg. Pendl: Das gehört auch dazu!)

 


14.37.31

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann ja über gewisse Abläufe unseres Lebens, auch gesellschaftspolitisch, durchaus auch unterschiedliche Meinungen haben, das ist überhaupt keine Frage. Aber: Wenn Österreich die EMRK ratifiziert hat – ich meine, wir haben das ja schon im Ausschuss diskutiert – und wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Klarstellung oder ein Urteil trifft – wie man es nennen will – und wir dann, so wie immer, wenn ein Höchstgericht auf nationaler oder europäischer Ebene eine Entscheidung in einer heiklen Frage trifft, auch wenn sie vielen nicht passt, das in unseren Rechtsbestand mit aufnehmen und dann noch im Ausschuss das Urteil überhaupt in Frage gestellt oder kritisiert wird – denn das haben wir ja alles diskutiert –, dann frage ich mich, bitte, schon! (Abg. Scheibner: Zulässig ist das aber schon?)

Man kann alles. Das kann man schon, Herbert. Nur: An und für sich haben wir immer den Rechtsstaat mit seinen Abläufen akzeptiert. Und daher meine ich auch, wenn wir aufgrund dieses EMRK-Gutachtens des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte im ASVG diese Regelungen getroffen haben, dann müssen wir – denn sonst schaffen wir ununterbrochen Parallelsituationen in der Gesellschaft – das für den öf­fentlichen Dienst in seinen Ausformungen, ob Beamte oder Vertragsbedienstete betref­fend, ebenfalls umsetzen. Das ist, glaube ich, für jeden, der sich mit diesen Abläufen beschäftigt, die größte Selbstverständlichkeit dieser Welt, auch eine Frage der Fair­ness, denn sonst schaffen wir wieder Unterschiede zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern.

Ich glaube – und es geht nicht anders; jeder, der unser Dienst- und Besoldungsrecht oder das Vertragsbedienstetengesetz kennt, weiß es –, dass wir diese Regelung, wenn wir sie in diesen Rechtsbestand nicht aufnehmen, ganz einfach nicht in Rechtskraft bringen. Ich sehe das ganz einfach als Anpassung, ausgehend von diesem Urteil des


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 115

Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, ausgehend in weiterer Folge von der Um­setzung im ASVG, dass man das jetzt als Abschluss in den öffentlichen Bereichen für den öffentlichen Dienst mit seinen Beamten und mit seinen Vertragsbediensteten um­setzt.

Das ist ein Schritt der Fairness. Diesen Schritt der Weiterentwicklung setzen viele Ge­sellschaften der zivilisierten Welt, auch wir ziehen da nach. Wir befinden uns da also in Gesellschaft anderer westlich orientierter Staaten.

Ich darf Sie noch einmal einladen, ganz einfach durchzuatmen und dieser Vorlage Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.40


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.40.36

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Lieber Otto Pendl! Ich habe jetzt ein paar Mal kräftig durchgeatmet, aber ich habe keine Ver­änderung in mir festgestellt. Auch bei zunehmendem Sauerstoffgehalt – vielleicht ist die Luft nicht ausreichend mit Sauerstoff durchsetzt – finde ich trotzdem kein Argu­ment, das dafür spricht, dass wir dieser Vorlage zustimmen. Es bleibt dabei, und ich sage das ganz unaufgeregt.

Ich glaube, es sollte grundsätzlich dazu kommen, dass wir über derartige Materien, was die Behandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich anlangt, etwas weniger aufgeregt diskutieren, denn wenn wir sagen, alle Menschen und auch alle Partnerschaften sind gleich, dann sollte man auch gleich unaufgeregt darüber reden und verhandeln können. Das ist ja auch interessant. Die Umsetzung einer Maßnahme, die morgen hier im Parlament auf der Tagesordnung steht, soll jetzt schon beschlossen werden.

Wir werden morgen die Art und Weise, wie hier die Bestimmungen für gleichge­schlechtliche Paare bei der Stiefkind-Adoption gemacht werden, ablehnen, und zwar aus unterschiedlichen Gründen, das werden wir morgen noch diskutieren. Deshalb werden wir auch der Umsetzung dieser Regelung im öffentlichen Dienst nicht zustim­men.

Ich werde jetzt beim Raufgehen noch einmal tief durchatmen, aber ich habe wenig Hoffnung oder auch Glaube, dass sich da noch etwas ändern wird, lieber Otto, aber es war trotzdem ein guter Versuch. (Beifall beim BZÖ.)

14.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Himmelbauer. – Bitte.

 


14.42.16

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie von Ministerin Karl nach Bekanntgabe des Urteils schon angekündigt wurde im Mai eine Regierungsvorlage präsentiert, die die Stiefkind-Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht, sofern dieser auch von dem anderen leiblichen Elternteil zugestimmt wird.

Die Änderungen, die sich dadurch ergeben, werden erst morgen nach einer Debatte zum Adoptionsrechts-Änderungsgesetz zur Abstimmung gelangen und beinhalten Än­derungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im Eingetragenen Partner­schafts-Gesetz. Diese Änderungen haben auch Anpassungen im Bereich des Dienst- und Besoldungsrechts zur Folge, diese werden mit diesem Antrag umgesetzt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 116

Kollege Herbert hat es ja schon angesprochen. Erst morgen wird diese Debatte zur Gänze ausgetragen.

Ich gestatte mir doch noch eine Schlussbemerkung. Unter Kindeswohl verstehe ich, dass ein Kind durchaus Anspruch auf seine leiblichen Eltern hat und dass dies auch mit Pflichten und Verantwortung verbunden ist. Mir ist auch bewusst, dass diese Fa­milienkonstruktionen von einem Vater, einer Mutter und den Kindern nicht mehr das einzige Modell in unserer Gesellschaft sind.

Wir haben dieses Urteil zur Kenntnis genommen und sind der damit verbundenen Um­setzungsverpflichtung nachgekommen, aber von unserer Seite, vonseiten der ÖVP ste­hen wir weiterhin zur Institution Ehe als Vorstufe zur Familie und auch zu deren Schutz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Was heißt als „Vorstufe“?)

14.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Dr. Zinggl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.44.10

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Staatssekretär! Werte Minis­terin! Wir stimmen der Gesetzesvorlage heute und morgen zu. Das Traurige an diesem zu beschließenden Gesetz ist allerdings, dass es nur zustande kommt, weil der Euro­päische Gerichtshof für Menschenrechte unsere Nase darauf gestoßen und uns verur­teilt hat.

Das heißt, wenn wir jetzt diese Stiefkind-Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare beschließen, dann ist das das Mindeste, was wir machen müssen, aber es ist nicht das, was wir aufgrund von Minderheitenrechten machen sollten.

Regelmäßig muss Österreich auf die elementaren Rechte der Menschen hingewiesen werden, die Verhinderung von Diskriminierung ist hierzulande keine Selbstverständlich­keit. Das habe ich jetzt auch wieder anhand der Ausführungen der Kollegin von der ÖVP gesehen. Ich habe es im Ausschuss immer wieder von den konservativen Par­teien vernommen. Und schließlich deutet die Ablehnung eines von unserer Seite ge­stellten Antrags auf Fremdkind-Adoption, das genauso gleichheitswidrig ist, wenn es nicht durchgeführt wird, auch darauf hin, dass hier im Zusammenhang mit Diskriminie­rung und Minderheitenrechten noch einiges an Übung notwendig ist.

Also das heißt, das eine wird beseitigt, wenn eine ganz notwendige Korrektur vorge­schrieben wird, und das andere brauchen wir nicht zu machen, weil noch kein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliegt.

Auch wenn die Diskussion morgen weitergeführt wird, möchte ich an den Ausschuss erinnern, wo so Argumente gekommen sind wie: Wir wollen das nicht!, und das „Wir“ ist in einer Mehrheit begründet. Schon aus dem Namen „Minderheitenrecht“ ist aber ablesbar, dass es nicht um Mehrheitsrechte geht, sondern um Minderheitsrechte.

Aber ich habe vor allen Dingen ein anderes Argument jetzt wieder bei der ÖVP und auch im Ausschuss mehrere Male gehört: Es geht ums Kindeswohl und aufgrund eines Zeugungsvorgangs, der von Mutter und Vater notwendigerweise vollzogen wird, sind Vater und Mutter die Urinstanz einer Familie! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass mit dieser Logik lediglich Naturrecht fortgeschrieben wird. Aber wir wissen, dass in verschiedenen Kulturen Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ver­hältnisse Selbstverständlichkeit waren und dass es also dabei immer um eine kulturelle Interpretation geht und keine naturrechtliche.

Diese naturrechtliche Definition oder Interpretation, die Sie möglicherweise aus der ka­tholischen Morallehre übernehmen mit irgendeinem Moralkodex, bezieht sich auf nichts


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anderes als auf den Zweck der Sexualität zur Zeugung und Fortpflanzung. Das allein kann es aber nicht sein. Daher glaube ich, dass wir hier eine kulturelle Diskussion füh­ren müssen und dass bei gleichgeschlechtlicher Familienbildung ein geeignetes Um­feld genauso existieren kann und genauso existiert wie bei heterosexueller Familienbil­dung.

Das heißt, die Lebensgemeinschaft, in der die Kinder aufwachsen, darf nicht von der Sexualität abhängen, alles andere wäre eine Diskriminierung. Und ich denke, die Rechte von Minderheiten anzuerkennen mag für die Mehrheit eine schwierige Übung in Sachen Demokratie sein, aber möge diese Übung irgendwann einmal beginnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.47

14.47.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2574 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.48.2414. Punkt

Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e
B-VG betreffend COM(2013) 370 final – Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2013 mit einer Stellungnah­me des Rates zum Stabilitätsprogramm Österreichs für die Jahre 2012 bis 2017 (115900/EU XXIV.GP) (2455 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.49.12

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns am Beispiel der länderspe­zifischen Empfehlungen des Rates ansehen, wie die Entwicklung Österreichs von au­ßen beurteilt wird, dann sieht man ganz deutlich, Österreich steht im internationalen, im europäischen Vergleich sehr gut da.

Wir haben die Wirtschaftskrise besser bewältigt als andere Staaten. Wir haben die ge­ringste Arbeitslosigkeit der EU. Wir haben auch die geringste Jugendarbeitslosigkeit der EU, was sehr wichtig ist, und wir haben ein Wirtschaftswachstum, das durchaus höher ist als in anderen Staaten. Das ist ein Ergebnis einer klugen Politik, einer Politik, die die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Mittelpunkt stellt. Darauf können wir, wie ich meine, mit Recht stolz sein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 118

Die jüngste Erfolgsmeldung ist erst vor wenigen Tagen eingetroffen. Die EU-Kom­mission hat neue Zahlen veröffentlicht. Und diese Zahlen zeigen, dass Österreich mitt­lerweile das zweitreichste Land der EU ist. Und das ist kein Zufall, meine Damen und Herren, sondern wir haben mit sozial gerechten und nachhaltigen Maßnahmen einen erfolgreichen Weg eingeschlagen. Die Früchte sieht man jetzt. Daher freuen wir uns auch über das ausdrückliche Lob dieser länderspezifischen Empfehlungen für unsere Politik.

Aber es kann trotzdem immer alles noch besser gemacht werden. Und es ist auch wichtig, den Faktor Arbeit zum Beispiel steuerlich zu entlasten und als Ausgleich dafür Millionäre zu besteuern. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, die wir stärker angehen müssen, der wir uns stärker widmen müssen. Und selbst die EU-Kommission und der Rat, der ihr hier gefolgt ist, stellen fest, dass die Steuerbelastung in Österreich zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen falsch verteilt ist. Und ich denke, das sollte doch den Gegnern und Gegnerinnen der Millionärssteuer hier im Haus zu denken ge­ben.

Gerade in stürmischen Zeiten ist es außerdem notwendig, umfangreiche Investitionen zu tätigen und so auch viele Arbeitsplätze zu sichern. Kaputtsparen wird es mit der SPÖ sicher nicht geben. Wir brauchen nur den Blick in andere EU-Länder zu richten. Dort sieht man genug abschreckende Beispiele.

Ein Qualitätsmerkmal erfolgreicher Politik ist es daher auch, rasch auf Entwicklungen zu reagieren. Und das Konjunkturpaket, das die Bundesregierung letzte Woche ge­schnürt hat, zeigt auch sehr deutlich, dass wir hier um jeden Arbeitsplatz kämpfen.

Investitionen brauchen wir aber auch in weiteren Bereichen wie zum Beispiel, ganz wichtig, in die ganztägige Betreuung unserer Kinder, in die Bildung und in die Ausbil­dung unserer Jugend, in die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher und auch in die Pflege. Ich glaube, man kann sagen, das ist eine sozialdemokratische Ant­wort auf die Krise. Und das ist umso erfreulicher, als die Kommission genau diese Be­reiche anspricht und weitere Maßnahmen empfiehlt, die wir eben durchführen wollen.

Ein Punkt in den länderspezifischen Empfehlungen freut mich ganz besonders. Es geht um die Niederlage, die die Kommission im Bereich der Pensionen erlitten hat. Wäre es nach der Kommission gegangen, hätte das gesetzliche Pensionsantrittsalter erhöht werden müssen oder sollen. Das wurde von den Mitgliedstaaten abgelehnt. Wir wis­sen, das österreichische Pensionssystem funktioniert. Wir versuchen das tatsächliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen, und wir werden alles tun, damit das auch in Zukunft so bleibt.

Die Empfehlungen, die die EU gibt, decken sich also zum Großteil mit den Forde­rungen der SPÖ, was ich als Zeichen dafür sehe, dass unsere Positionen sehr ver­nünftig sind und einen guten Weg in die Zukunft weisen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist an sich Herr Abgeordneter Dr. Hübner. Ich sehe ihn jetzt nicht hier im Saal. (Abg. Grosz: Da sollten wir unterbrechen! Wir wollen unbedingt den Abgeordneten Hübner hören!)

Daher gehen wir zum nächsten Redner über, und das ist Herr Abgeordneter Mag. Ross­mann. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.54.11

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt von der Vorrednerin gehört, wie toll das alles ist, was in den Empfehlungen drinsteht. Wir haben aber nicht gehört,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 119

dass das, was in den Empfehlungen drinsteht, schon jahrelang drinsteht. Also die Empfehlungen lesen sich sozusagen von Jahr zu Jahr ziemlich ähnlich. Sie sind auch nicht schlecht. Das werde ich in der Folge noch ausführen. Aber sie zeigen ganz klar die Versäumnisse dieser Regierung in sehr vielen Bereichen auf. Und einige Beispiele, wo diese Empfehlungen sehr scharfe Kritik an der Politik der Regierung üben, möchte ich doch hier erwähnen.

Erstens einmal geht es darum, dass die Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen in diesem Lande zu niedrig ist. Da geht es um weitere Optimierungen, wie in diesen Emp­fehlungen zu lesen ist, da wir hier eben deutlich unter dem Durchschnitt der Euro­päischen Union liegen.

Da geht es um das Fehlen von Kinderbetreuungseinrichtungen. Da geht es um das Fehlen von Langzeitpflegediensten und die entsprechende Vorsorge dafür. Da geht es um fehlende Anreize für die höhere Erwerbsbeteiligung durch steuerliche Entlastung niedriger Einkommen. Da geht es also um die Entlastung des Faktors Arbeit. Das hat meine Vorrednerin zwar schon erwähnt, aber geschehen ist in den letzten Jahren nichts.

Da geht es aber auch insbesondere um die schlechten Bildungsergebnisse in unserem Land, und das möchte ich ganz besonders betonen. Besonders hervorgehoben werden erstmals in diesem Bericht die Migranten, da sie eben aufgrund der schlechten Aus­bildung ein deutlich höheres Armutsrisiko haben, es ist nämlich in Österreich doppelt so hoch wie bei Nicht-Migranten, aber auch die generell schlechten und durchschnittli­chen Bildungsergebnisse in unserem Land. Und das habe ich von meiner Vorrednerin nicht gehört.

Und entsprechend fallen auch die Empfehlungen in den Schlussfolgerungen des Rates aus, die kürzlich beschlossen worden sind und die mit dem Ende des Europäischen Semesters Eingang in die Politik finden sollen. Da geht es in einer Forderung darum, die Erwerbsbeteiligung der Frauen zu erhöhen. Und eine dieser Forderungen heißt: Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Da gibt es Fehlbedarf in Österreich, das wissen wir. Wir fordern das seit Langem.

Es gibt aber auch die Forderung, den Faktor Arbeit zu entlasten. Auch da gibt es seit Jahren Versäumnisse. Da wird erwähnt, dass man das aufkommensneutral finanzieren kann. Und in diesem Kontext werden die Immobiliensteuern hervorgehoben. Betont wird, dass es sich hierbei um eine Steuer handelt – das sei besonders an die Adresse der ÖVP gerichtet –, die zu den wachstumsunschädlichsten Steuern in diesem Lande gehört. Im Bericht des letzten Jahres waren auch noch die Ökosteuern als Kompen­sation dafür enthalten. Das fehlt diesmal.

Ein zweiter Punkt, auf den ich hinweisen möchte, sind die Empfehlungen im Bildungs­bereich. Aufgrund der schlechten und durchschnittlichen Bildungsergebnisse insbeson­dere von benachteiligten und jungen Menschen geht es eben darum, die Ergebnisse zu verbessern. Da ist davon die Rede, dass die Gesamtschule eingeführt werden soll. Wenn wir im Ausschuss diskutiert haben und gesagt wurde, dass 67 Novellen in die­sem Bereich verabschiedet worden sind, dann muss ich dem entgegenhalten, die Quantität sagt gar nichts über die Qualität aus. Und da gibt es mehr als großen Nach­holbedarf. (Beifall bei den Grünen.)

Und schließlich und endlich geht es bei Empfehlung 7 – das ist die letzte Empfehlung, und darüber werden wir gleich im Anschluss bei der Dringlichen zu reden haben – um die Beschleunigung der Umstrukturierung der verstaatlichten Banken. Und auch in die­sem Bereich ist nichts geschehen.

Wo wir nicht einer Meinung mit diesen Empfehlungen sind, möchte ich auch besonders betonen, das sind nämlich jene Empfehlungen, wo es um die Harmonisierung des Pen-


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sionsalters zwischen Männern und Frauen geht, denn man muss sich vor Augen hal­ten, dass jede dritte Frau aus der Arbeitslosigkeit in die Pension geht. Also diese Emp­fehlung macht aus meiner Sicht wenig Sinn.

Probleme habe ich auch mit der Anpassung des gesetzlichen Pensionsalters an die Lebenserwartung. Heben wir zunächst einmal das faktische Pensionsantrittsalter an, bevor wir über alles andere reden! Dann können wir einmal weiterreden. Aber solange das nicht gelungen ist, hat das alles keinen Sinn.

Und was zur Gänze in diesem Bereich fehlt, das ist die Frage der ökologischen Di­mension. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

14.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nun die Verhandlungen über den Punkt 14 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

14.59.03Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Finanzen betreffend Totalschaden in der Hypo Alpe-Adria und Totalversagen der Bundesregierung (15418/J)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 15418/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Das Hypo-Desaster ist das größte Finanzdebakel der 2. Republik und wird die österrei­chischen SteuerzahlerInnen schwer treffen. Fast 12 Milliarden Euro an Krediten, die unter schwarz-blau in Kärnten – besichert mit Landeshaftungen – vergeben wurden, sind faul; mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Republik Österreich einen Großteil die­ses Geldes nie wieder sehen. Umgerechnet kann das jede ÖsterreicherIn mit 1.350 Eu­ro, eine vierköpfige Familie also mit ca. 5.500 Euro belasten.

Ein Schaden, der in dieser Höhe vermeidbar gewesen wäre, wenn rechtzeitig das Richtige getan worden wäre. Die zwei schwerwiegendsten Fehler wurden bzw. werden von zwei ÖVP-FinanzministerInnen gemacht:

1. Die „Notverstaatlichung“ 2009 unter Finanzminister Josef Pröll wurde dilettantisch und zum maximalen Schaden Österreichs durchgeführt. Die Verträge wurden so schlecht verhandelt, dass beispielsweise der Ex-Eigentümer, die bayrische Landesbank, jedem weiteren Schritt in Sachen Abwicklungsbank zustimmen muss, obwohl sich die Bayern längst aus der Verantwortung gestohlen haben. ÖVP und SPÖ blockieren die Ladung von Josef Pröll in den Rechnungshofausschuss zur Klärung der Vorgänge bis heute.

2. Die Weigerung der Finanzministerin Maria Fekter, eine Abwicklungsbank („Bad Bank“) zur Rettung der Hypo zu installieren. Die meisten ExpertInnen erklären, dass die Gründung einer Abwicklungsbank für die faulen Hypo-Kredite der richtige Weg wä­re. Durch eine Trennung in den „schlechten“ und den „guten“ Teil der Bank, sinkt das Eigenkapitalerfordernis für den Staat. Die guten Teile der Bank können dann auch besser verkauft werden. Durch ihre Blockade vergrößert Maria Fekter den Schaden für die SteuerzahlerInnen. Ihre Weigerung war einer der Gründe, warum Hypo-Aufsichts­ratschef Johannes Ditz das Handtuch geworfen hat; auch der neue Aufsichtsratschef Klaus Liebscher hält eine Bad Bank für absolut erforderlich. Ähnlich argumentiert der soeben zurückgetretene Vorstandschef Gottwald Kranebitter.


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Haiders Selbstbedienungsladen und Mafiageschäfte

Landeshauptmann Haider und die blau-schwarze Kärntner Regierung haben die Hypo Alpe Adria über Jahre in riskante Geschäfte getrieben. In abenteuerlicher Geschwin­digkeit wurde über Jahre hinweg die Bilanzsumme mit Landeshaftungen aufgebläht. In halb Europa war bekannt: Wer nirgendwo mehr einen Kredit bekommt, geht zur Hypo Alpe Adria. Die Hypo Alpe Adria übernahm reihenweise windige Kreditnehmer, die von anderen Banken abgewiesen wurden. Vor allem am Balkan war die Hypo Alpe Adria ein Garant für schnelle und billige Kredite, Leasinggeschäfte und ähnliches, abgesi­chert von der blauen-schwarzen Landesregierung mit Landeshaftungen. Oft genug wa­ren die Geschäftspartner in Mafiastrukturen beheimatet.

Über 20 Mrd. Euro betrugen die Landeshaftungen zu Spitzenzeiten im Jahr 2006. Seit 2007 dürfen nach EU-Recht keine neuen Haftungen mehr eingegangen werden. Bis 2017 müssen die Haftungen auslaufen.

Schutz der ÖVP-Klientel statt Schutz der SteuerzahlerInnen

Beim Verkauf der Hypo Alpe Adria an die Bayerische Landesbank konnte ein der ÖVP nahestehender Klüngel an Geschäftsleuten praktisch risikofrei einen Millionengewinn mitnehmen. Dieser Kreis von Personen um Tilo Berlin trat als Zwischenkäufer der GRAWE Anteile an der Hypo Alpe Adria auf und machte innerhalb weniger Monate eine Rendite von angeblich 40 %. Diese Gruppe finanzierte den Zwischenkauf im We­sentlichen mit Krediten des späteren Käufers BayrischeLB. Abgesehen davon, dass die Mitglieder der Gruppe teilweise aus der Verwandtschaft von Tilo Berlin stammten oder ein sonstiges Naheverhältnis hatten, soll der Deal noch über Nebenabsprachen praktisch risikofrei gewesen sein. Finanzstrafverfahren gegen die Beteiligten laufen dem Vernehmen nach. Aber es scheint bis jetzt keinerlei Aktivitäten zu geben, Schritte wegen möglicher Insidergeschäfte, Untreue oder ähnlichen Delikten zu setzen. Das er­weckt den Verdacht, dass hier die eigene Klientel geschützt wird und nicht der Scha­den für die SteuerzahlerInnen verringert werden soll.

„Notverstaatlichung“ als Schurkenstück

2007 kaufte die Bayrische Landesbank 51% der Bank. 2008 bekam die Hypo erstmals 900 Mio. an staatlichem Hilfskapital aus dem Bankenpaket. 2009 wurde die Bank „not­verstaatlicht“. Die BayernLB konnte sich mit 825 Millionen, das Land Kärnten mit 180 Millionen und die Grazer Wechselseitige mit 30 Millionen frei kaufen. Die Republik übernahm die Bank zu symbolischen vier Euro – inklusive der Haftungen.

Die Ende 2009 bei Nacht und Nebel verhandelte „Notverstaatlichung“ der offenkundig verseuchten Hypo Alpe Adria ist ein Schurkenstück der Sonderklasse. Womit der schwarze Finanzminister erpressbar war, ist bis heute unklar und müsste nach dem Setzen aller schadensbegrenzenden Maßnahmen Gegenstand einer schonungslosen Untersuchung sein. Die bayerischen Eigentümer hätten es sich gar nicht leisten kön­nen, die Hypo in die Pleite zu schicken.

Internen Berechnungen der Nationalbank zufolge kann das Hypo-Desaster im worst case bis zu 16 Mrd. Euro kosten. Die „notleidenden“, also faulen Kredite, der Hypo Alpe Adria betragen laut aktuellem Hypo-Geschäftsbericht 11,7 Mrd. Euro. ExpertInnen rechnen damit, dass davon, wenn überhaupt, nur ein Bruchteil wieder zurückgezahlt werden kann.

Diplomatisches Fiasko auf EU-Ebene

Nachdem jahrelange Aufforderungen nichts genützt haben, stellte die EU-Kommission der Finanzministerin im April 2013 endgültig die Rute ins Fenster: Wenn nach 5 Jahren Untätigkeit nicht endlich ein Sanierungskonzept übermittelt werde, müsse die Bank ab­gewickelt werden. Die Finanzministerin traf sich am 5.4.2013 erstmals mit dem zustän-


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digen Wettbewerbskommissar Almunia. Vereinbart wurden lediglich Fristerstreckungen für die Übermittlung eines Abwicklungskonzepts. Ende Mai hat das Finanzministerium eine Zusammenfassung dieses Konzepts übermittelt. Ende Juni wurde ein detailliertes Konzept übermittelt. Einziges Ziel der Finanzministerin war jedes Mal: Die Entschei­dung, wann die Hypo Alpe Adria abgewickelt wird, auf Oktober 2013 zu verschieben. Somit sollten die SteuerzahlerInnen erst wenige Tage nach der Nationalratswahl er­fahren, mit wie vielen Milliarden sie einspringen müssen bzw. um wie viele Milliarden sich die Staatsschulden erhöhen.

Wahlkampfmotivierte Verschiebung der Konfliktlösung mit der BayernLB

Gleiches gilt für die Einigung mit den Bayern. Die Hypo Alpe Adria hat ihre Rückzah­lung eines vier Mrd. Kredits an die Bayrische Landesbank mit dem Verweis eingestellt, dass es sich um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen und nicht um einen Kredit hand­le. Der bayerische Finanzminister Markus Söder von der CSU hat das als „klaren Rechtsbruch“ gewertet und Klage bei der EU-Kommission eingebracht. Dem Verneh­men nach haben sich die jeweiligen Eigentümer der Bayrischen Landesbank und der Hypo Alpe Adria, also der bayrische Finanzminister und Finanzministerin Maria Fekter, darauf geeinigt, die Verhandlungen über einen Vergleich, der den österreichischen SteuerzahlerInnen wieder viele hunderte Millionen kosten könnte, ab Oktober 2013, al­so nach den Landtagswahlen in Bayern und den Nationalratswahlen in Österreich zu führen.

Diese Vorgehensweise der Finanzministerin und der Bundesregierung, alle Entschei­dungen auf die Zeit nach der Wahl zu verlegen und damit zusätzlichen Milliardenscha­den für den SteuerzahlerInnen zu riskieren, ist eine Verantwortungslosigkeit in noch nie da gewesenem Ausmaß.

Finanzministerin Fekters Verweigerung einer „bad bank“

Finanzministerin Maria Fekter verabsäumte es in den letzten Jahren, der EU ein sinn­volles Sanierungskonzept für die Hypo Alpe Adria vorzulegen. Sie wehrt sich gegen eine Abwicklungsbank („Bad Bank“), in der die notleidenden assets der Hypo Alpe Adria möglichst budgetschonend abgebaut werden könnten. Der Grund dafür ist, dass mit einer bad bank die potentiellen Schulden in die offizielle Staatsschuldenquote ein­zurechnen wären und entsprechend erhöhen würden.

Finanzministerin Maria Fekter hat mit dem Bundesfinanzrahmen also eine wahlkampf-motivierte Budgetlüge vorgelegt. Ob jetzt ausgewiesen oder später: der Schaden aus dem Hypo-Debakel erhöht Österreichs Schulden. Die Vertuschungsversuche der Bun­desregierung richten aber noch zusätzlichen Schaden an:

Milliardenteure Verzögerung

„Ein Chaos, das uns locker zehn Milliarden kostet“

Die Presse vom 3. Juli 2013

Finanzministerin Maria Fekter erhöht durch ihr Auftreten auf europäischer Ebene und ihre Verweigerung eines sinnvollen Abwicklungskonzepts der Hypo Alpe Adria die Kos­ten für die SteuerzahlerInnen noch weiter. Diese Fekter‘schen Verzögerungen kosten den SteuerzahlerInnen zusätzliche Milliarden. Denn eine Abwicklungsbank müsste nicht mit Eigen-Kapital von 8 % unterlegt werden. Und die gesunden Teile der Bank könnten lukrativer verkauft werden.

Hauptverantwortliche ÖVP hat als „Wirtschaftspartei“ abgedankt

Finanzministerin Maria Fekter hat ihre Kurzfassung eines angeblichen Sanierungskon­zeptes am letztmöglichen Tag der Frist im Mai an die EU übermittelt. Ohne Absprache mit den Organen der Bank selbst. Daraufhin legte Hypo-Aufsichtsratschef Johannes


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Ditz sein Amt nieder. Er könne Maria Fekters Kurs bezüglich der Verhandlungen mit der EU-Kommission und im speziellen die Ablehnung der Bad Bank Lösung nicht nachvollziehen. Nach der Übermittlung des Detailkonzepts Ende Juni tritt auch der Vorstand der Hypo Alpe Adria, Gottwald Kranebitter, genervt zurück.

Das ist also die Wirtschaftskompetenz der ÖVP: Den SteuerzahlerInnen werden durch wahlkampfmotiviertes Herumlavieren Milliardenkosten eingebrockt, Bankorgane wer­den übergangen, das Aktiengesetz gebrochen und ÖVP-nahe Verantwortliche verlas­sen das sinkende Schiff.

Die Budgetlüge

Kurz vor Ende der Frist hat die Finanzministerin der EU-Kommission Ende Juni ein Pa­pier zur nunmehr geplanten Vorgehensweise übermittelt. Dieses Papier beinhaltet dem Vernehmen nach folgende Punkte:

Die Österreichtochter der Hypo Alpe Adria wird wie bereits bekannt bis Jahresende verkauft.

Die Balkantöchter der Hypo Alpe Adria sollen bis Mitte 2015 verkauft werden.

Die Italientochter der Hypo Alpe Adria stellt ihr Neugeschäft ein und soll ebenfalls ver­kauft werden

Das Konzept einer bad bank ist nicht vorgesehen. In Folge dieser Unterlassung be­nötigt die Hypo Alpe Adria sofort frisches Kapital, um die drohenden Abwertungen aus­zugleichen. Dem Vernehmen nach sollen mindestens 650 Mio. Euro – möglicherweise weit mehr – für die Halbjahresbilanz 2013 benötigt werden. In Summe soll die Hypo Alpe Adria im Jahr 2013 über 2 Mrd. Euro an Steuermitteln benötigen.

Was aber tut die Finanzministerin? Sie beharrt nach wie vor auf ihrem Budget für 2013. Dort sind aber lediglich 700 Mio. Euro für die Hypo Alpe Adria vorgesehen. Dieses Geld wird bereits im August verbraucht sein. Mindestens weitere 1,3 Mrd. Euro werden voraussichtlich im Jahr 2013 nötig. In den Jahren darauf hat die Bundesregierung über­haupt nur 133 Mio. Euro pro Jahr für alle maroden Banken eingestellt. Diese Vorge­henswiese widerspricht allen Grundsätzen einer soliden Haushaltsführung.

Artikel 51(8) der Bundesverfassung besagt, dass „bei der Haushaltsführung des Bun­des die Grundsätze der Wirkungsorientierung [], der Transparenz, der Effizienz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes zu beachten sind.“ Wenn die Bundesregierung im Budget und im Bundesfinanzrahmengesetz nicht sofort Vorsorge für die Milliardenzahlungen an die Hypo Alpe Adria trifft, handelt sie da­her zweifellos verfassungswidrig.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage

1. Wie hoch schätzen Sie den finanziellen Bedarf der Hypo Alpe Adria im ersten Halb­jahr 2013 ein?

2. Wie hoch schätzen Sie den finanziellen Bedarf der Hypo Alpe Adria im zweiten Halb­jahr 2013 ein?

3. Wie beurteilen Sie die Aussagen von ExpertInnen, wonach die Hypo Alpe Adria im 2. Halbjahr 2013 ca. 1,3 Mrd. Euro benötigen wird?

4. Was sind Ihrer Meinung nach die ausschlaggebenden Gründe für den vermuteten Bedarf von ca. 1,3 Mrd. Euro im 2. Halbjahr 2013?

5. Mit welchen Abschreibungsvolumina rechnen Sie bei der Hypo Alpe Adria in den Jahren 2013 bis 2017?


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6. Mit welchen sonstigen Kapitalnachschussverpflichtungen rechnen Sie bezüglich der Hypo Alpe Adria in den Jahren 2014 bis 2017?

7. Entspricht es den Tatsachen, dass es einem Bericht der Presse vom 3. Juli zufolge ein internes Papier des Finanzministeriums gibt, das den zukünftigen zusätzlichen Ka­pitalbedarf bei der Hypo Alpe Adria zwischen 2,6 und 5,4 Mrd. Euro schätzt?

a. Wenn ja, wodurch ergeben sich diese Zahlen heuer und in den nächsten Jahren?

8. Entspricht es den Tatsachen, dass es einem Bericht der Presse vom 3. Juli zufolge ein internes Papier des Finanzministeriums gibt, das den zukünftigen zusätzlichen Li­quiditätsbedarf bei der Hypo Alpe Adria zwischen 2,2 und 2,9 Mrd. Euro schätzt?

a. Wenn ja, wodurch ergeben sich diese Zahlen heuer und in den nächsten Jahren?

9. Mit welchen Auswirkungen auf Staatsschulden und Defizit nach Maastricht rechnen Sie durch die Hypo Alpe Adria in den Jahren 2013 bis 2017?

10. Mit welchen Auswirkungen auf Staatsschulden und Defizit nach Maastricht rechnen Sie im Falle der Schaffung einer bad bank durch die Hypo Alpe Adria in den Jah­ren 2013-2017?

11. Wann erwarten Sie eine Entscheidung der EU-Kommission zum von Ihnen vorge­legten Papier und mit welchem zusätzlichen Eigenkapitalerfordernis rechnen Sie dabei in den Jahren 2013 bis 2017?

12. Können Sie ausschließen, dass das Verschleppen der Einrichtung einer bad bank im Jahr 2013 zwei Milliarden Euro ausmacht, wie der Ex-Vorsitzende des Aufsichtsra­tes der Hypo Alpe Adria, Johannes Ditz, fest stellte?

13. Wo genau wurde im Bundesfinanzgesetz 2013 Vorsorge für die nun kolportierten mindestens 2 Mrd. Euro getroffen, die die Hypo Alpe Adria im Jahr 2013 benötigt?

14. Wie erklären Sie, dass Sie ab dem Jahr 2014 lediglich 133 Mio. Euro jährlich für Bankenrettungsmaßnahmen insgesamt im Bundesfinanzrahmen eingestellt haben?

15. Gehen Sie angesichts der aktuellen Entwicklungen davon aus, dass das Bundes­finanzgesetz 2013 und das Bundesfinanzrahmengesetz in seiner derzeitigen Form nicht novelliert werden müssen?

16. Wie hoch sind derzeitig die Haftungen für die Hypo Alpe Adria und in welchem Zeitraum sollen diese Haftungen wie abgebaut werden?

17. Welche Detailmaßnahmen enthält das so genannte Sanierungskonzept zur Hypo Alpe Adria, das Sie an den EU-Kommissar übermittelt haben?

18. Warum beinhaltet dieses Konzept keine bad bank?

19. Was genau verstehen Sie unter „kreativere Lösungen“ bzw. unter „Verwertungsge­sellschaften, Beteiligungsgesellschaften, Fondslösungen, Stiftungslösungen“, die an­geblich „den Steuerzahler schonen und keinen Schaden anrichten“ wie Sie dies bei der aktuellen Stunde des Nationalrats am 12. Juni 2013 angekündigt haben?

20. Inwiefern unterscheidet sich eine solche „kreativere Lösung“ von einer bad bank?

21. Haben Sie mit Vertretern von Banken Gespräche zur Schaffung einer bad bank mit Privatbeteiligung durch die Banken nach irischem Vorbild geführt?

a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

b. Wenn nein, warum nicht?

22. Warum haben Sie die Organe der Hypo Alpe Adria – nach deren Aussage – bei der Erstellung des Sanierungskonzepts nicht einbezogen?


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23. In welcher Form hat der ehemalige Eigentümer der Hypo Alpe Adria, die BayernLB, ein Mitwirkungsrecht bei der Erstellung von Verwertungs- und Abwicklungsgesellschaf­ten für die Hypo Alpe Adria?

24. In welcher Form hat der ehemalige Eigentümer der Hypo Alpe Adria, die BayernLB, ein Mitwirkungsrecht beim Verkauf von Beteiligungen der Hypo Alpe Adria?

25. Wie oft und wann haben Sie sich seit ihrem Amtsantritt mit dem für die Bankenre­strukturierungspläne zuständigen EU-Kommissar Almunia getroffen, um die österreichi­schen Problembanken zu besprechen?

26. Wie hoch sind die bisher angefallenen Kosten für Beratungsleistungen für die Hypo Alpe Adria seit der Notverstaatlichung?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs.1 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Kogler als ers­tem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.

 


15.00.32

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Ja, das Thema Hypo Alpe-Adria ist aus mehreren Gründen dringlich. Ich möchte aber mit etwas beginnen, das den zeitlichen Ablauf in der Tat betrifft und aus diesem Grund die Dringlichkeit schon besonders rechtfertigt: dass wir, Frau Bundesministerin, retten sollten, was noch zu retten ist – es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit so, dass da­zu auch dieses Haus gebraucht wird –, nämlich mit einer Gesetzesänderung. Deshalb bringen wir dieses Thema heute hier auch noch einmal ein – nicht nur deshalb, aber auch deshalb. Es soll nachher, nämlich 2014, wenn jetzt das Notwendige unterlassen wird, keiner sagen: Es war eh immer alles alternativlos – so wie die Notverstaatlichung, so wie der Pallawatsch mit der Union, und so weiter und so fort. (Präsidentin Mag. Pram­mer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es ist noch einiges zu retten, es ist noch nicht das Schlimmste eingetreten, allerdings wird es so oder so Milliarden kosten, und es geht jetzt nur mehr darum, ob es bes­tenfalls 5, eher 7 oder 10,5 Milliarden sind. Ich werde auf diese Zahlen dann noch ein­gehen, sie sind ja auch Gegenstand der Frage, weil das nämlich – je nachdem, wie sich die Republik verhält – einen entsprechenden Ausgang nehmen wird. – So weit zu unserem Angebot.

Wir reichen Ihnen wirklich die Hand, dass Sie hier die Gesetzesvorlagen rechtzeitig einbringen, sodass noch vor der Wahl die entsprechenden Voraussetzungen, vor allem im Bankwesengesetz, geschaffen werden können, denn das, was jetzt geschieht, schränkt die Handlungsmöglichkeit der Bundesregierung ein. Das sagen alle Experten, das sagen Ihre Bankmanager, die Ihnen reihenweise davonlaufen, und bis jetzt ist nicht klar, warum Sie eigentlich nicht handeln – im Übrigen die ganze Bundesregie­rung.

Es handelt sich aus meiner Sicht bei dieser Angelegenheit um den größten Bankraub der Geschichte, allerdings von einer ursprünglich blauen Bank mit einem schwarzen Management und in Tateinheit einer rot-schwarzen Bundesregierung, die das Ganze jetzt noch entsprechend befördert. Die Dimensionen sind jüngst wieder einmal nach oben gewachsen, und ich darf später ein Zitat aus der Zeitung „Die Presse“ bringen, vom Herrn Urschitz; ihm werden Sie ja nicht unterstellen, dass er mit uns kollaboriert.

Es ist relativ leicht errechenbar, wie wir auf die 7 bis 10,5 Milliarden kommen: 2,2 Mil­liarden sind drinnen, die können wir mehr oder weniger vergessen. Der vermutliche


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Kapitalbedarf beträgt 2,6 bis 5,4 Milliarden und der Liquiditätsbedarf – im unteren Fall – 2,2 bis – im oberen Fall – 2,9 Milliarden. So errechnet sich das.

Wir würden Sie ja auch in den Anfragen dringend ersuchen, das entsprechend zu be­antworten. Herr Urschitz bezieht sich nämlich auf ein Papier des Finanzministeriums. Diese Zahlen – Urschitz, und so weiter und so fort – stammen also nicht von irgendwo, sondern sie stammen vielmehr aus einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Papier des Finanzministeriums – werden also wohl einigermaßen stimmen. Wenn das aber so ist, dann werden Sie hier erklären müssen, erstens, wo Sie das im Budget vorgesehen haben, und zweitens, wo Sie Ihre schadensabwehrenden Maßnahmen treffen.

Die Historie muss jetzt tatsächlich noch einmal erzählt werden. Es kann nicht uner­wähnt bleiben, dass die Notverstaatlichung eines der Hauptprobleme war, das Sie da verursacht haben. Zunächst war es aber noch eine Angelegenheit der Kärntner Bank, einer schwarzen, vor allem aber auch blauen Landesregierung, die da eine Plünderung organisiert hat, die ihresgleichen sucht. Das Geschäftsmodell war ein Pyramidenspiel, und in weiterer Folge ist man nicht einmal davor zurückgeschreckt, mit der Mafia in Kroatien entsprechende Geschäfte abzuschließen. Genauso ist es dann gelaufen.

Als wir im Banken-Untersuchungsausschuss 2007 – und deshalb drängen wir hier so, dass das Parlament da eine Rolle spielt, auch jetzt wieder – darauf hingewiesen ha­ben, was da alles schiefläuft, dass es mittlerweile um Milliarden geht und um weitere Milliardenschäden, die abzuwenden gewesen wären, da haben Rot und Schwarz das Ganze zugedreht. Heute ist keine Rede mehr davon, dass damals schon klar war, dass es kein Risikomanagement gegeben hat, dass Geldwäsche im großen Stil betrieben wurde, dass weitere Betrügereien an der Tagesordnung gewesen sind. Aber aus Angst davor, dass das alles aufkommt, und letztendlich damals schon aus Angst vor Raiff­eisen haben Rot und Schwarz das Ganze hier abgedreht.

Gleichzeitig liefen die Verkaufsbemühungen Richtung BayernLB. Vorher hat ein Klün­gel von im Wesentlichen schwarzen Geschäftsleuten, unter anderem der damalige Präsident der Industriellenvereinigung, noch ein Millionenschnäppchen gemacht – je­der für sich natürlich. Es ist bis heute nicht klar, ob das nicht weitere Untersuchungen hätte nach sich ziehen müssen; offenkundig wurden nicht einmal die entsprechenden steuerlichen Fristen eingehalten.

In weiterer Folge – das wird immer behauptet, das ist aber nicht das Thema in Öster­reich – haben die Bayern das ganze Problem vervielfacht. – Das mag schon sein. Aber wenn es so ist – und jetzt kommt die entscheidende Frage –, warum war es dann die Republik Österreich, die sich das Ganze hat einhandeln müssen?

Es war völlig klar, dass da nicht nur Haftungen schlummern, sondern viele Kredite und Assets notleidend sind. Und in diesem Zusammenhang muss die Erpressbarkeit der Republik oder des damaligen Finanzministers einmal geklärt werden, es muss geklärt werden, warum in einer Nacht- und Nebelaktion in den schlechtesten, in den aller­schlechtesten Varianten für Österreich die Verträge abgeschlossen wurden.

Jeder, der sich damit beschäftigt hat, hat wissen müssen, was Sache ist. Und sagen Sie jetzt nicht – das ist ja die typische Antwort –, das wäre alternativlos gewesen und es wäre uns nichts anderes übrig geblieben! Natürlich hätte man die Bayern drängen können, einen größeren Anteil zu übernehmen – da geht es um Milliarden –, oder man hätte es darauf ankommen lassen müssen, weil die BayernLB, ihrerseits ja im Eigen­tum des Freistaates Bayern, das gar nicht hätte riskieren können.

Ja, es ist richtig – wenn Sie so argumentieren wollen –: Wäre das alles eingetreten, wäre natürlich ein großer Schaden entstanden – aber nicht primär in Österreich, son­dern am Balkan. Es hat europäische Interessen gegeben, dass das nicht passiert. (Abg. Dr. Bartenstein: Na ja, !) – Ja, natürlich; aber dann ist es ja überhaupt nicht


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erklärlich, warum das ausgerechnet nur dem österreichischen Steuerzahler umgehängt wird und warum die Verträge so ausschauen, dass bei jedem Ausweg, den es heute noch hätte geben können, ein Blockaderecht der BayernLB existiert, das jetzt natürlich wie ein Damoklesschwert darüber schwebt.

Warum? – Weil natürlich auch in weiteren Versäumnissen mit der BayernLB Verträge geschlossen wurden, mit denen sich noch heute – oder sogar gerade eben erst wieder – die Gerichte befassen. Und diese Versäumnis- und Fehlerkette hat dazu ge­führt, dass wir überhaupt erst in diese Lage gebracht wurden.

Das alles sollte aufgeklärt werden, das verhindern Sie aber. Ich erwähne das nur des­halb, weil es ja das typische Spiel hier im Haus ist: Hunderte Seiten kritischer Rech­nungshofbericht, aber der Herr Finanzminister, Ex-Finanzminister Pröll darf nicht gela­den werden. Er soll versteckt werden. Es soll ja nichts ausgesagt werden. – Und das macht die Sache nur umso verdächtiger.

So weit, so schlecht! Aber jetzt, Frau Finanzministerin, hätte – und das spielt sich bis zum heutigen Tag ab – die Republik wesentlich mehr herausholen oder wesentlich an­ders handeln können. Es war von Anfang an klar, dass die Europäische Union dieser Sache nicht länger zuschauen wird. Es war völlig klar, dass Abwicklungskonzepte hät­ten vorgelegt werden müssen. Bis vor Kurzem ist überhaupt nichts geschehen. Warum haben Sie hier nichts unternommen? Warum haben Sie nicht früher auf die entspre­chenden Aufforderungen, die berechtigten Aufforderungen der Union – und die liegen ja vor – reagiert? (Beifall bei den Grünen.)

Das war es, was es ausgemacht hat, dass wir heute dort sind, wo wir sind – Urschitz zitierend, er kommt zu folgendem Schluss –: dass hier durch und durch geschäftsschä­digend gehandelt wurde. Es wird dann geschäftsschädigend, schreibt er, wenn sich die Eigentümer – das sind in Vertretung Sie – zur Methode „nur keine Wellen“ entschlie­ßen; der Vorstand und der Aufsichtsrat sollen dumm sterben, und ihnen wird stattdes­sen mit einer Taskforce in die Parade gefahren. Diese Paralyse kennzeichnet die Si­tuation, und die Friktion ist vorgezeichnet. Dieses Chaosmanagement kostet uns wei­tere Milliarden.

Zu diesen weiteren Milliarden – deshalb ist das auch ein Kern dieser Anfrage – muss jetzt Folgendes festgehalten werden: Sie haben 700 Millionen für die Hypo in diesem Jahr eingestellt, das ist ohnehin keine Kleinigkeit. Tatsache ist aber, dass alleine die Vermeidung, sagen wir es einmal höflich, das Nicht-in-Angriff-Nehmen von Abwehr­maßnahmen, die 700 Millionen schon in der Halbjahresbilanz verschlingen wird – vom ganzen Jahr gar nicht zu reden.

Wo also sind im Budget und in weiterer Folge im Finanzrahmen die Vorsorgen getrof­fen, dass das auch irgendwo aufscheint? Das sind Dimensionen, die es noch nie gege­ben hat. Es handelt sich – wenn Sie die Sache nicht einstellen, Frau Finanzministerin – um die größte Budgetlüge aller Zeiten. Und das ist nicht irgendeine Notlüge, da kann man schon etwas dazu sagen. Sie haben Vorkehrungen zu treffen, vor allem – und ich hoffe, Sie werden sich nicht wieder davor drücken, sondern das auch beantworten – geht es aber um die Vermeidung eines Verfassungsbruchs. Natürlich ist es so, dass nach den Grundsätzen der Transparenz und der Budgetwahrheit das hier auszuweisen ist.

Und wenn jetzt das Ganze bei 7 bis 10,5 Milliarden zu liegen käme, stellt sich schon die Frage der weiteren Zuordnung dieser ganzen Angelegenheit. Frau Finanzministe­rin, Sie selbst haben im Dezember – das ist also ein halbes Jahr her – noch gesagt, die Hypo sei ein Fass ohne Boden. Vorher – das alles in kurzen Abständen – haben Sie noch gesagt: „Die Bank ist auf einem guten Sanierungsweg.“ – Also was jetzt?

Deshalb haben Sie hier nicht nur Glaubwürdigkeit verspielt, sondern es ist wohl auch so, dass die Wirtschaftskompetenz und die Finanzkompetenz durchaus angezweifelt


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werden müssen, zumal Sie es ja auch fertiggebracht haben, dass mit der Europäi­schen Union die schlechtestmögliche Verhandlungsposition erreicht wurde. Auch das ist aus Zeitungskommentaren klipp und klar herauszulesen – und das sind, wie gesagt, der „Kurier“, „Die Presse“; alles Medien, die mit Sicherheit nicht einmal grundsätzlich den Grünen nahestehen.

Wenn jetzt die Möglichkeit besteht – und dazu gibt es ja eben unser Angebot –, dass wir hier noch retten, was zu retten ist, dann müssen Sie einmal erklären, was eigentlich die besonders kreativen Lösungen sind, von denen Sie hier neulich gesprochen haben, in Alternative zu Abwicklungsinstrumenten, die dazu führen können und sollen, dass der Schaden noch minimiert wird. Es muss eine Möglichkeit geben, die Sie und die Bundesregierung hier einschlagen, damit die maximale Höhe des Schadens vermieden wird.

In diesem Zusammenhang gehen alle Kommentatoren, vor allem aber alle Expertinnen und Experten davon aus, dass es Abwicklungsinstrumente braucht. Sie verschieben das nicht nur bis nach der Nationalratswahl. Es wird Regierungsverhandlungen ge­ben – wer mit wem auch immer –; bis das Ganze steht und im Haus ist, ist es 2014. Ja, wie wollen Sie denn dann – nachdem die jetzigen Verzögerungen schon zusätzlich Hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden gekostet haben, wie die meisten hier rech­nen – den weiteren Schaden verhindern? Welche kreativen Modelle sind denn das? Diese Fragen sollten Sie heute hier auch beantworten.

In letzter Konsequenz hat diese Bundesregierung die Sache noch ausreichend ver­bockt. Auch wenn es so ist, dass die Ursprünge in Kärnten gelegen haben, muss man mittlerweile feststellen, dass der größere Milliardenschaden dadurch entstanden ist, dass auf die dümmste Art und Weise die Sache notverstaatlicht wurde und dass in der Folge erst recht wieder alles unterblieben ist, was notwendig gewesen wäre. (Abg. Krainer: Das ist ein Blödsinn!)

Jetzt ginge es darum, dass Sie hier dem Haus ein Konzept vorlegen und erklären, wie Sie das Ganze noch in den Griff kriegen wollen. Sie haben sich hier ständig als An­wältin der SteuerzahlerInnen ausgegeben. – Diesen Anspruch haben Sie mit Sicherheit verwirkt.

Aus meiner Sicht ist das der größte Raubzug, der jemals auf die SteuerzahlerInnen verübt wurde. Eigentlich müsste man den guten Rest des Mafia-Paragraphen noch auf die hier handelnden Personen ausweiten. Es handelt sich um einen organisierten An­schlag auf die SteuerzahlerInnen, es hat mit jeder Entscheidung noch mehr gekostet. Man möchte ja fast meinen, das ist Absicht. (Beifall bei den Grünen)

Bei jeder Weichenstellung, wo eine Entscheidung notwendig war, ist genau falsch ent­schieden und der falsche Weg eingeschlagen worden. Und aus diesem Grund sollten Sie besser heute als dann, wenn es zu spät ist, die notwendigen Schritte einleiten.

Wenn es so ist, dass zu den 2,2 Milliarden – laut einem Papier aus Ihrem eigenen Haus – die Differenz zwischen den notwendigen Kapitalmaßnahmen immer noch zwi­schen 2,6 und 5,4 Milliarden € beträgt, dann ist das eine „anständige“ Summe. Diese Differenz, die hier verborgen ist, hängt offensichtlich davon ab, was in nächster Zeit ge­schieht, und das sind nicht nur unbeeinflussbare Umstände am Balkan oder irgendwo sonst, sondern das hängt auch damit zusammen, wie wir hier die Abwicklung organi­sieren, oder vielmehr: wie Sie sie organisieren oder zumindest organisieren sollten.

Natürlich ist es so, dass jedenfalls in der kurzen Frist – weil Sie das neulich geradezu ins Lächerliche gezogen haben – die Abwicklungskonstruktion den Vorteil hat, dass Sie kein Eigenkapital dafür unterlegen müssen; dass es außerdem dazu führen würde, dass die guten Teile der Bank offengelegt werden, dass diese besser bewertet werden können und auf dem Markt – so sich der dann vielleicht noch entsprechend selbst ver-


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bessert; das bleibt ja die Hoffnung – dann auch ein entsprechender Preis erzielt wer­den kann. Das Ganze funktioniert natürlich nur dann, wenn Sie die guten von den schlechten Teilen trennen.

Wenn Sie sich in die Festhalle von Raiffeisen stellen und dort wortwörtlich hinauspo­saunen: „Also, will wer eine Bank? Ich habe welche zu verkaufen“, dann wird das nicht sehr vertrauenerweckend sein; das mit Sicherheit nicht! Was aber getan werden kann, sind die Schritte, die ich Ihnen jetzt angedeutet habe – oder erklären Sie, wie es besser geht. Alle Vorstände und alle Aufsichtsräte, die Ihnen jetzt schon schaden, weil sie da­vonlaufen, haben das nicht nur ähnlich, sondern ganz gleich gesehen. Sie haben nicht einmal auf ihre Vorschläge geantwortet. Das wird ja jetzt alles offenkundig.

Es bleibt also die Frage nach dem Krisenmanagement dieser Bundesregierung. Ma­chen Sie jetzt das Richtige, bevor noch weitere Milliarden den Bach hinuntergehen! Ich bin der Meinung, wir brauchen hier eine entsprechende Gesetzesänderung. Bringen Sie diese vor der Nationalratswahl ein, damit nicht noch ein halbes Jahr – oder im schlimmsten Fall ein Dreivierteljahr – vergeht! Oder erklären Sie, wie Sie es sonst ma­chen! (Beifall bei den Grünen.)

15.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Frau Bundesministerin Dr. Fekter zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


15.19.47

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Innenministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich nütze heute abermals gerne die Gelegenheit, um hier im Hohen Haus eingangs einige Fakten klarzulegen.

Die gesetzliche Grundlage für Stützungsmaßnahmen der heimischen Banken im Fi­nanzmarktstabilitätsgesetz wurde mit den Stimmen aller Parteien und somit auf brei­testmöglicher politischer Basis beschlossen. (Abg. Rädler: Schau!)

Damals waren sich alle einig – auch die Oppositionsparteien! –, diese Verantwortung und die Notwendigkeit für das Bankenpaket wahrzunehmen. (Abg. Mag. Kogler: Aber das hat ja mit der ... nichts zu tun!) Bedauerlicherweise sieht das die Opposition am heutigen Tag offenbar anders und will nichts mehr davon wissen (Abg. Grosz: Aber die Verstaatlichung haben wir nicht mitbeschlossen!) – ein sehr durchsichtiges Vorwahl­kampfmanöver, wie ich meine. Allein die Kampf-Rhetorik, die Herr Kogler hier an den Tag gelegt hat, entlarvt es. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Petzner: Was ist mit Ihrer Rhe­torik? – Abg. Grosz: Das war viel, aber nur keine Kampf-Rhetorik! Das war handzahm, Frau Ministerin! – Ruf: Geben Sie den Schotter zurück!)

Statt gesamtstaatliche Verantwortung zu übernehmen, schädigt die Opposition aus wahlkampftaktischem Kalkül die Bank, das Institut und somit auch den Steuerzahler in einer ungeahnten Weise. (Zwischenrufe beim BZÖ.) Jede verbreitete Horrorzahl geht zulasten der Bank (Ruf: Die haben Sie verbreitet!) und erhöht die Kosten für die Re­publik enorm.

Das ist genau jene Vorgangsweise, Herr Petzner und Herr Kogler, die Generaldirektor Kranebitter in seinem öffentlichen Brief gemeint hat, als er dort massiv kritisiert hat, dass der Bank durch die Art und Weise der öffentlichen Diskussion (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Ja, Ihre! – Abg. Grosz: Damit hat er aber Sie gemeint!), „von Schlie­ßungsszenarien und undifferenzierten Kostenspekulationen“, massiver Schaden zuge­fügt und in kurzer Zeit „große Teile der Sanierungsarbeit der vergangenen drei Jahre“ dadurch – und zwar durch Sie! (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Nein, durch Sie!) – zunichte gemacht wurden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Scheibner.)


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Damit wurden auch gesunde Bankteile in Mitleidenschaft gezogen. Das ist besonders verantwortungslos in einer schwierigen Situation, wo ein nationaler Schulterschluss drin­gend geboten wäre. (Abg. Rädler: So ist es!)

In der letzten Aktuellen Stunde habe ich gebeten, diese Verantwortung auch in der Wortwahl wahrzunehmen (Abg. Scheibner: Wer hat denn die Bank schlecht gemacht in den letzten Monaten?), aber Sie wollen diesbezüglich keine Verantwortung wahrneh­men! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Nein, Sie wollen sie nicht übernehmen!)

Ich respektiere das parlamentarische und öffentliche Informationsbedürfnis, mahne aber erneut staatspolitische Verantwortung ein und appelliere dringend (Abg. Brosz: Hat die Rede ... geschrieben?), diese Wahlkampfrhetorik aus Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein) – denn dem scha­den Sie zuletzt, wenn Sie das Institut ramponieren! – und der Republik einzustellen.

Wir bemühen uns, umsichtig und mit großer Sorgfalt die Bank in ruhigere Gewässer zu bringen. Oberste Maxime dabei ist, einerseits das Wohl der Bank und andererseits (Ruf: Das Wohl der ÖVP!) die schonendste Lösung für die Steuerzahler, das Budget und für das Defizit zu finden. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht verwerflich, sich für die Interessen des Steuerzahlers einzusetzen, auch wenn man Verantwortung für eine Bank übernimmt. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Dann fangen Sie einmal an damit! – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wo haben Sie sich eingesetzt? – Abg. Neubauer: Die Retterin des Bankgeheimnis­ses!)

In diesem Prozess werden selbstverständlich alle Maßnahmen mit dem Bundeskanz­leramt und der Bank gemeinsam abgestimmt. Die von mir eingesetzte Task Force be­rät uns zudem hervorragend. Die Richtigkeit unserer Vorgangsweise wird durch die jüngsten positiven Signale von Kommissar Almunia in Bezug auf das Beihilfeverfahren eindrucksvoll bestätigt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Jeder Cent, der für die Banken ausgegeben wird, muss gemäß Gesetz zwischen dem Finanzministerium und dem Bundeskanzleramt abgestimmt werden. Das Bankenpaket steht daher unter Regierungsverantwortung, so wie auch alle Maßnahmen, die die Hy­po betreffen.

Nun zum zweiten Vorwurf, zu den Fakten der Notverstaatlichung. – Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Die Verstaatlichung im Dezember 2009 war zum Schutz der österreichischen Volkswirtschaft, nicht zuletzt, weil das Land Kärnten mehr als 20 Mil­liarden € an Haftungen für die Hypo übernommen hatte.

Die damalige Situation auf den Finanzmärkten war eine andere als heute, und das ver­drängen heute viele hier. Die Hypo war damals systemrelevant sowohl für Österreich als auch für die gesamte Balkanregion. (Abg. Mag. Kogler: Nie! – Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Glauben Sie das?) Eine Pleite hätte einen Dominoeffekt ausgelöst und einige Monate nach der Lehman-Pleite womöglich ein Lehman II in Europa provo­ziert. (Zwischenrufe bei Grünen und FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die damalige Instabilität auf den europäi­schen Finanzmärkten wird von vielen heute verdrängt (Ruf: Na geh!), und ich halte es für eine ungeheure Entgleisung des Herrn Kogler (Zwischenrufe bei Grünen und FPÖ), wenn er sich hier herstellt und wörtlich sagt, darauf hätte man es ankommen lassen müssen. (Beifall des Abg. Dr. Bartenstein.) – Herr Kogler, was geben Sie da von sich? Sie lassen ein Kind auch nicht auf die heiße Herdplatte greifen, nur damit es selber spürt, wie heiß sie ist! (Ironische Heiterkeit des Abg. Petzner.) Man hätte es nicht da­rauf ankommen lassen müssen! (Beifall bei der ÖVP.)


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Wie verantwortungslos die Grünen hier argumentieren, nämlich dass man Lehman II hätte provozieren müssen; dass man es hätte darauf ankommen lassen müssen (Zwi­schenruf des Abg. Mag. Kogler), dass das wie die Dominosteine im damaligen insta­bilen Gesamtrahmen in Europa gewirkt hätte, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, das entlarvt Sie! (Abg. Mag. Kogler: Sie haben sich über den Tisch ziehen las­sen!) Sie haben keine Ahnung, wie man staatspolitisch vorgeht (Abg. Petzner: Sie haben sich über den Tisch ziehen lassen!) – und das im Unterschied zu den Grünen in Kärnten.

Die Bundes-Grünen sind unverantwortlich; die Grünen in Kärnten haben eines erkannt (Zwischenrufe bei den Grünen) – sie tragen derzeit dort Regierungsverantwortung –: Sie stehen zur Bank in Kärnten. Holub hatte einen Untersuchungsausschuss und hat viel zutage gefördert, er hat mir aber persönlich gesagt: Frau Minister, wir stehen jetzt zur Bank! (Abg. Mag. Kogler: Na eh!) Wir schädigen die Bank nicht durch Wahlkampf­rhetorik! (Abg. Mag. Kogler: Sie stehen der Bank im Weg!) – Nehmen Sie sich ein Bei­spiel an den Grünen in Kärnten! (Beifall bei der ÖVP.)

Zur instabilen Finanzsituation in ganz Europa, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, die Sie jetzt so gerne beiseitelassen, weil Sie heute ja gar so gescheit sind und al­les besser wissen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: ... als Finanzministerin!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damals war die Situation in Europa brand­gefährlich in die Richtung, dass insgesamt ein Flächenbrand im Hinblick auf Bankplei­ten entsteht. (Abg. Scheibner: Und Sie haben ..., dass eh alles passt!) Daher war für die Europäische Gemeinschaft ein Auffangen der Hypo Alpe-Adria von entscheidender Bedeutung.

So haben sich damals EZB-Präsident Trichet persönlich sowie der damalige Wäh­rungskommissar Almunia selbst für die Rettung der Bank eingesetzt und haben Öster­reich gebeten um die Notverstaatlichung. Und es sitzt einer hier neben mir, der dabei war in der ganzen Nacht. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei FPÖ, Grünen und BZÖ. – Abg. Strache: Ach so? Wo war denn der Herr Schieder? Herr Schieder, wo waren Sie?) Das ist nicht lächerlich! Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, es ist nicht lächerlich, wenn man Staatsverantwortung übernimmt (Beifall bei der ÖVP – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), es ist aber lä­cherlich, wenn man unverantwortlich handelt, verantwortungslos und alles das in den Dreck zieht. (Abg. Scheibner: Herr Staatssekretär Schieder scheint nicht ganz Ihrer Meinung zu sein!)

Notenbankgouverneur Dr. Novotny, Staatssekretär Schieder, der Vorstand der Auf­sicht, Dr. Ettl, und im Finale, in den frühen Morgenstunden, auch der Bundeskanzler waren anwesend, und alle wussten um die Dramatik, dass es notwendig war, die Fi­nanzmarktstabilität nicht nur in Österreich, sondern eben auch auf dem Balkan herzu­stellen. (Abg. Scheibner: Kann man dem Herrn Staatssekretär auch noch 5 Minuten Redezeit geben?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben inzwischen seriös gearbeitet, ein Drittel der Haftungen abgebaut, auch ein Drittel der negativen Assets abgebaut – das heißt, wir haben den Schaden um ein Drittel verkleinern können.

Es war gerechtfertigt, konsequent und seriös zu arbeiten, die Bank umzustrukturieren und nicht das zu tun, wovon manche meinen, wir hätten es schon vor zwei Jahren tun sollen. – Hätten wir das vor zwei Jahren getan, hätte es Milliarden mehr für den Steu­erzahler gekostet (Zwischenruf des Abg. Huber), denn vor eineinhalb Jahren, meine sehr verehrten Damen und Herren (Abg. Brosz: Das ist die erste Rede, die maschek nicht synchronisieren muss!) – und auch das vergisst die Opposition! –, vor eineinhalb Jahren also haben wir ein Konsolidierungspaket von 27 Milliarden € geschnürt, denn


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wir wollen ein Nulldefizit bis 2016 haben. Hätten wir damals eine Bad Bank gegründet, wäre das Konsolidierungspaket um Milliarden größer geworden, und das hätte der Steu­erzahler schultern müssen. (Abg. Mag. Kogler: Und so kostet es nichts? – Abg. Stra­che: Und so kostet es doppelt so viel!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Steuerzahler ist Ihnen für ein Wahl­kampfgeplänkel total wurscht! – Mir aber nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Bad Bank bereits vor zwei Jahren hätte zu einem unvergleichlich größeren Kon­solidierungsbedarf geführt (Abg. Neubauer: „Her mit der Marie!“), und wir hätten der Bevölkerung ein Sparpaket zusätzlich abringen müssen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich nicht getan. Ganz im Gegenteil: Wir haben uns bemüht, die Bank steuerschonend in ruhigeres Gewässer zu führen und sukzessive den Scha­den zu verkleinern. (Abg. Strache: „Ruhigere Gewässer“?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Bad Bank heißt, dass man jene Teile, die hässlich sind, die Verluste bringen, dem Steuerzahler umhängt und die gewinnbrin­genden Teile verkauft. Ich habe hier im Hohen Haus mehrere Reden von der Opposi­tion gehört, wo man uns dem Vorwurf gemacht hat, dass man die verlustbringenden Teile dem Steuerzahler umhängt und die Gewinne privatisiert. Na was jetzt, Herr Kog­ler? Hätte ich es dem Steuerzahler in der Größenordnung, die Sie sich wünschen, um­hängen sollen? – Das wäre eine Maximierung der Verluste für den Steuerzahler gewe­sen! Das habe ich nicht gemacht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bad Bank löst sich ja nicht in Luft auf! Warum sagen Sie das nicht dazu, wenn Sie ständig die Bad Bank herbeireden wollen? – Sie wollen sie heute noch beschließen, habe ich gehört. (Abg. Mag. Kogler: Ich habe Sie gefragt, was Ihre Alternativen sind!) Warum sagen Sie nicht dazu, dass das der Verlustrucksack für den Steuerzahler ist? (Abg. Bucher: Bei der Kommunalkredit löst sich alles auf! Völlig andere Situation! – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.) Man kann intelligentere Lösungen finden, und ich bemühe mich um eine intelligentere Lösung! (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Verwertungsgesellschaft, kreativere Instrumente, begleitet von einem professio­nellen Prozess: Beispielsweise müssen die vielen Immobilien nicht zwangsläufig in ei­ner Bad Bank landen (Abg. Mag. Kogler: Das verlangt ja auch keiner, Hauptsache, dass es etwas bringt!), oder: Leasinggeschäfte brauchen nicht zwangsläufig eine Bank hinter sich. Da kann man sehr wohl kreative Ansätze finden, man muss sich aber se­riös um Partner bemühen, die bei einer klugen Lösung mittun, und nicht Wahlkampf­rhetorik mit apokalyptischen Szenarien spielen.

Daher erarbeiten wir nicht Ihr Modell, Herr Kogler, weil wir für die Steuerzahler mit­denken und zum Wohl der Bank agieren. (Abg. Strache: Der Herr Schieder kriegt schon Sorgenfalten!) Daher erarbeiten wir eine strukturelle Ergänzung im Hinblick auf eine möglichst geringe Belastung für das Budget und für den Steuerzahler. (Zwischen­ruf des Abg. Petzner.) Die Steuerzahler können sich darauf verlassen, dass ich auch ihr Wohl im Auge habe. – Sie wollen nur Wahlkampfgeplänkel und nicht eine gute Lö­sung für den Steuerzahler! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Horrorzahlen herumzujonglieren, da­durch die Interessen der Bank zu verletzen, im Hinblick auf den Steuerzahler Ängste zu schüren und den internationalen Markt zu irritieren, das ist verantwortungslos, und daher mahne ich noch einmal ein bisschen mehr Sorgfalt bei der Wortwahl ein, wenn es um die Informationen bezüglich der Hypo geht. (Abg. Petzner: Und was machen Sie? Dass Sie nicht rot werden!)

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einen positiven Bescheid von der Kommission be­kommen, dass wir wesentlich mehr Zeit bekommen als im ursprünglichen Brief vom 14. März. Die Signale von Kommissar Almunia sind dazu sehr, sehr positiv.


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Nun zu den Fragen 1 bis 8 sowie 11:

Wie viel Kapital die Hypo Alpe-Adria sowohl kurzfristig für den Halbjahresabschluss als auch längerfristig bis 2017 noch von der Republik Österreich benötigt, muss im Zusam­menhang mit dem Inhalt des Strukturierungsplanes gesehen werden. Das Bundesmi­nisterium für Finanzen hat fristgerecht, vor dem 30. Juni, den gemeinsam mit der Bank erarbeiteten Strukturierungsplan der Europäischen Kommission vorgelegt. Die Kom­mission wird diesen nun prüfen, und wir erwarten eine positive Entscheidung der Kom­mission im Herbst.

Erst nach tatsächlicher Finalisierung dieses Restrukturierungsplanes steht der genaue Kapitalbedarf fest. Sowohl vonseiten der Republik wie auch vonseiten der Bank wer­den in jedem Fall Bestrebungen gesetzt, diese Kosten für die österreichischen Steuer­zahler und Steuerzahlerinnen so gering wie möglich zu halten.

Der endgültige Restrukturierungsplan und der dazugehörige Beihilfenbescheid liegen noch nicht vor und daher kann ich seriöserweise auch keine Zahlen nennen. Insbeson­dere gebe ich – wie mancherorts in der Vergangenheit geschehen – keine Horrorzah­len bekannt, die den Restrukturierungsweg der Hypo Alpe-Adria beschädigen könnten (Zwischenruf des Abg. Huber – Abg. Brosz: Sie können ja realistische Zahlen nen­nen!), Tausende Mitarbeiter verunsichern und zu massiven Einlagenabflüssen aus der Bank führen können.

Ich bekenne mich dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ich einmal in einem Ausschuss, der vertraulich war, bei den Ausschussberatungen gesagt habe (Zwi­schenruf des Abg. Brosz), die Hypo scheint ein Fass ohne Boden zu sein – ein ver­traulicher Ausschuss! Das in die Öffentlichkeit getragen und breitgetreten zur Verunsi­cherung aller haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit des Abg. Petzner. – Abg. Bucher: Das war eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz! – Abg. Ing. Westenthaler: Was ha­ben Sie gegen die Parlamentskorrespondenz? – Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Zu den Fragen 9 und 10:

Da die konkrete Ausgestaltung der Restrukturierungsmaßnahmen noch nicht feststeht, können derzeit die budgetären Auswirkungen für 2013 und die Folgejahre weder in ad­ministrativer Sicht noch aus Maastricht-Sicht angegeben werden. Es wird eine Lösung angestrebt, die möglichst budgetschonend ist.

Zu den Fragen 12, 19, 20 und 21:

Seit Monaten geistert das Schlagwort Bad Bank, als Allheilmittel dargestellt, durch die Medien. Dabei wird oft so getan, als würden sich mit dem Einbringen von Vermögens­werten die Kosten einer Bad Bank einfach in Luft auflösen. – Das ist ein großer Irr­glaube!

Ich halte es nicht für zielführend, wahllos mit Zahlen herumzuwerfen und die Bank wei­ter zu schädigen. (Abg. Neubauer: Haben eh nur Sie gemacht!) Unrichtig ist, dass das Einsparen von regulatorischer Eigenkapitalunterlegung unmittelbar mit einer Einspa­rung von Kosten aus Verlusten und somit einer geringeren Belastung des Steuerzah­lers gleichzusetzen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Weg der Kapitalisierung, den wir einge­schlagen haben, nämlich Rekapitalisierung – beispielsweise im vorigen Jahr über eine Anleihe, wo der Bund die Haftung übernommen hat –, war allemal billiger, als diese ge­samten Assets in eine Bad Bank auszulagern und die dem Steuerzahler umzuhängen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Seit der Notverstaatlichung arbeiten wir konsequent an einer Lösung, die sowohl die Bank voranbringt in der Aufarbeitung ihrer Probleme, als auch den Steuerzahler mög-


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lichst wenig belastet. Ein Schnellschuss ist nicht angebracht. Bad Banks generieren keinen wirtschaftlichen Mehrwert, und ich bin sehr froh, dass der Herr Kogler in der ZiB 2 laut und deutlich gesagt hat, dass es keine Garantie gibt, dass eine Bad Bank die günstigere Variante gewesen wäre. (Abg. Rädler: Schau!) – Daher, Herr Kogler, sind Sie ja selber nicht überzeugt von Ihrem Modell, sondern Sie wollen heute hier nur Wahlkampfgetöse veranstalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird zudem immer wieder erwähnt, dass eine Bad Bank weniger Eigenkapitalerfor­dernisse hätte. Dazu ist zu sagen, dass der langfristige ökonomische Kapitalbedarf weitgehend identisch ist und nur der regulatorische Kapitalbedarf geringer wird.

Auch eine Bad Bank muss ausreichend mit Kapital und Liquidität gefüttert werden, und die Risiken aus dem Kreditportfolio tragen dann natürlich der Staat und der Steuer­zahler. Dem vermeintlichen Vorteil einer geringeren Eigenkapitalausstattung steht die Verlustübernahme gegenüber, die sich durch Abwertungen sofort im Defizit nieder­schlägt. Das heißt, eine Bad Bank würde für den Steuerzahler allemal teurer kommen als eine kreativere Lösung, die nicht dem Steuerzahler zuzurechnen ist. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Ein langfristig sinnvolles Konzept muss gut durchdacht sein. Es gibt mehrere intelli­gente Möglichkeiten, die die Staatsschulden nicht plötzlich in die Höhe treiben würden. Das wäre etwa der Fall, wenn nicht der Staat die Mehrheit an einer Verwertungs­gesellschaft hält, sondern andere, private Institutionen. Von den Bad-Bank-Enthusias­ten wird nur allzu gerne übersehen, dass mit der Übertragung von problematischen As­sets auf eine Bad Bank erhebliche Verluste plus ein erhöhtes Defizit und eine Erhö­hung der Staatsschuld für den Steuerzahler entstehen.

Solange das Beihilfeverfahren noch nicht abgeschlossen ist, fehlt die Entscheidungs­grundlage, und planlose Schüsse in die Luft möchte ich vermeiden. Jetzt liegt der Kom­mission der Restrukturierungsplan vor. Erst auf Basis der Kommissionsentscheidung ist ein weiteres Vorgehen zielführend und möglich.

Unterschiedliche Varianten werden analysiert und unter Einbindung der Bank und der Task Force durchgerechnet. Sobald die Kommissionsentscheidung vorliegt, kann und wird die bestmögliche Variante rasch umgesetzt.

Zu den Fragen 13 und 15:

Im Bundesfinanzgesetz 2013 sind in der UG 46 700 Millionen € für Kapitalzuschüsse an die Hypo Alpe-Adria eingeplant. Da in der UG 46 ausreichend Rücklagen verfügbar sind, wäre eine Änderung des BFG und des BFRG nicht erforderlich.

Zur Frage 14:

Bei den 133 Millionen €, die in der UG 46 als Auszahlungen eingestellt sind, handelt es sich zum Großteil, nämlich 128 Millionen €, um die zweckgebundenen Einzahlungen aus dem Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe. Sie haben vielleicht nicht mehr in Erin­nerung, dass der Zuschuss zur Stabilitätsabgabe zweckgebunden für Sanierungen von Banken ist und daher nicht zu den Ertragsanteilen der Länder gezählt wurde. In weiser Voraussicht haben wir genau das so gestaltet. Bei den restlichen 5 Millionen € handelt es sich um sonstige Auszahlungen aus der operativen Verwaltungstätigkeit.

Zur Frage 16:

Per 30. Juni 2013 bestehen Haftungen für die Hypo Alpe-Adria-Bank International AG in Höhe von insgesamt 15,8 Milliarden €. Davon entfallen 1,8 Milliarden € auf Haftun­gen des Bundes und 14 Milliarden € auf Haftungen des Landes Kärnten. Die Haftun­gen reduzieren sich aufgrund der Fristigkeiten der zugrunde liegenden Kapitalmarkt­instrumente. Die übernommenen Haftungen nach IBSG in Höhe von 0,6 Milliarden €


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werden im Juli 2013 auslaufen. Die im Dezember 2012 für eine Nachranganleihe der Bank gegebenen Garantien nach FinStaGesetz in der Höhe von 1 Milliarde € laufen im Dezember 2022 aus. Die Landeshaftungen des Landes Kärnten reduzieren sich stetig. 2008 betrugen die Landeshaftungen noch 22,2 Milliarden €, in den vergangenen Jah­ren wurden sie auf derzeit rund 14 Milliarden € verringert.

Zu den Fragen 17 und 18:

Die Republik Österreich hat am Samstag, den 29. Juni 2013, der Europäischen Kom­mission fristgerecht den neuen Restrukturierungsplan der Hypo Alpe-Adria übermittelt. Die wesentlichen Inhalte des Restrukturierungsplanes sind:

Die österreichische Bank HBA soll bis Ende 2013 verkauft werden. Dies konnte nach Abschluss des Kaufvertrages mit einem britisch-indischen Investor am 31. Mai bereits erreicht werden. Die Italien-Tochter HBI wird ab 1. Juli 2013 kein Neugeschäft mehr tätigen und abgebaut werden. Die Südosteuropa-Banken, das gesamte SEE-Netzwerk, sollen bis Mitte 2015 verkauft werden.

Im Interesse aller österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler konnte die noch im März von der Kommission gesetzte Frist eines Verkaufs aller marktfähigen Einheiten bis Ende des heurigen Jahres, die zu einer Wertverminderung für die Repu­blik in Milliardenhöhe geführt hätte, abgewendet werden. Die nunmehr erreichte Frist eines Verkaufs der Südosteuropa-Banken bis Jahresmitte 2015 wird es dem Vorstand der Hypo Alpe-Adria erlauben, den Verkaufsprozess in einen vernünftigen zeitlichen Rahmen zu setzen und dadurch einen verlustmindernden Preis zu erzielen.

Der Umstrukturierungsplan sieht vor, dass jene Teile, die nicht verkauft werden kön­nen, geordnet und wertschonend abgebaut werden müssen. Zeitliche Befristung haben wir dafür keine, daher können wir hier kreative Lösungen anpeilen.

Wie der Abbauteil organisatorisch und rechtlich aufgestellt wird, war nicht im Umstruk­turierungsplan zu definieren, sondern wird zwischen der Republik als Eigentümerin und der Bank zu entscheiden sein.

Zu den Fragen 22 und 25:

Die Organe der Hypo Alpe-Adria waren voll umfänglich in die Erstellung des Sanie­rungskonzeptes, das sich im Restaurierungsplan widerspiegelt, eingebunden. Es hat allein seit Jahresbeginn 2013 viele Gespräche mit der Europäischen Kommission ge­geben, an denen nahezu immer auch Vertreter der Bank teilgenommen haben. Diese Gespräche haben teils auf technischer Ebene in Brüssel und in Wien, teils im Rahmen von Telefonkonferenzen und auch persönlich mit Vizepräsidenten Almunia stattgefun­den.

Ich selbst habe Kommissar Almunia erstmals im August 2011 getroffen – das war drei­einhalb Monate, nachdem ich Finanzministerin geworden bin –, dann immer wieder bei diversen ECOFIN-Räten. Ich habe bei einem Termin am 5. April in Brüssel länger mit ihm bezüglich des Restrukturierungsplanes verhandelt und dann am 25. Juni hier in Wien die Eckpunkte des Plans finalisiert.

Es ist also falsch, Herr Kogler, wenn in Ihren einleitenden Bemerkungen steht, ich hätte mich nicht um diese Causa gekümmert.

Die Einbeziehung der Organe der Bank war immer gegeben, weil aufgrund der Daten­inhalte der Restrukturierungsunterlagen diese vom Vorstand aufgestellt und bankintern mit dem Aufsichtsrat abzustimmen sind. Auch den Beratungen der nunmehr eingerich­teten Task Force wurden mehrmals die Bankorgane beigezogen. Auch an Gesprächen im Ressort haben die Bankorgane – sowohl was den Aufsichtsrat als auch Gespräche mit Generaldirektor Kranebitter betrifft – immer wieder teilgenommen.


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Zu den Fragen 23 und 24:

Es wurde vorab von der Bank intensiv geprüft, ob der BayernLB bestimmte Zustim­mungsrechte bei der weiteren gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung der Bank zukom­men. Die rechtlichen Optionen hängen von der Auslegung der jeweiligen Vereinbarun­gen, der weiteren Ausgestaltung der Bank und somit dem angestrebten Umstrukturie­rungskonzept ab.

Weder bei der Gründung einer Verwertungs- oder Abwicklungsgesellschaft noch beim Verkauf von Beteiligungen der Hypo Alpe-Adria-Bank International kommen der Bay­ernLB als ehemaliger Eigentümerin darüber hinausgehende Rechte zu. Die weitere Gestaltung und die Handhabung möglicher Zustimmungsrechte obliegen allein den Or­ganen der Bank, die auch im Interesse des Eigentümers handeln wird.

Im Bundesministerium für Finanzen sind für die Hypo Alpe-Adria seit der Notverstaat­lichung keine Beratungskosten entstanden, da im Sinne der Sparsamkeit und Wirt­schaftlichkeit ausschließlich auf ressortinternes Know-how zurückgegriffen wurde. Eine rechtliche Beratung ist durch die Finanzprokuratur erfolgt. Externe Berater, die in Ein­zelfällen, beispielsweise zur Prüfung von Sanierungskonzepten, beauftragt wurden, waren auf Grundlage der im Zuge von Stützungsmaßnahmen getroffenen Vereinbarun­gen von der jeweiligen Bank zu bezahlen. (Abg. Strache: Unter welchem Titel ist das abgerechnet worden, wenn es keine Beratungskosten waren? Unter welchem Titel?)

Unter meiner Amtsführung ist zudem auch festgestellt worden, dass das Geld der Lan­desbank Bayern, das die Bayern noch in der Hypo haben, Eigenkapitalqualität hat, und daher wurde aufgrund der gesetzlichen Grundlage gemäß dem Eigenkapitalersatz-Ge­setz verboten, dass dieses Geld den Bayern zurückgezahlt wird. Die Bayern sehen das anders und haben Klage eingebracht, um festzustellen, welche Qualität dieses Kapital hat. Dieser Prozess ist anhängig, und zu anhängigen Verfahren möchte ich mich nicht detaillierter äußern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.49

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Erst kürzlich hatten wir, die Mitglieder der Präsidiale, in der Präsidialkonferenz eine ausführliche Debatte darüber, wie wir denn in Zukunft den Dialog zwischen Regierungsmitgliedern und den Abgeordneten dieses Hauses pflegen wollen. (Abg. Öllinger: Dialog war das jetzt kei­ner!)

Wir sind übereingekommen, dass von der früheren Vorgangsweise Abstand genom­men wird und im Sinne des offenen Dialogs keine Polemik von der Regierungsbank geduldet wird. Das heißt aber auch, dass wir von Regierungsmitgliedern dieselbe Fair­ness, wie wir sie untereinander einfordern, gerade auch vonseiten der Vorsitzführung aus, erwarten.

Frau Bundesministerin, wir haben es bis jetzt geschafft, ohne Vorwürfe wie „Wahl­kampfrhetorik“ und „Wahlkampfgeplänkel“ auszukommen (Rufe bei der ÖVP: Bitte?!), auch wenn die Wahlen bevorstehen, ich würde daher bitten, das auch beizubehalten. (Anhaltender Beifall bei SPÖ, FPÖ, Grünen, BZÖ und Team Stronach. – Bravorufe beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Eine anständige Präsidentin! – Abg. Ing. Westenthaler: Diese abgehobene Ministerin! Ungeheuerlich!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Kopf zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.51.28

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Steibl: Das geht zu weit!) Es ist richtig,


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dass wir in der letzten Präsidiale darüber gesprochen haben, wie denn künftig der Dia­log zwischen Regierungsmitgliedern und Abgeordneten angelegt sein soll, weil das na­türlich immer wieder vorkommt, und auch früher vorgekommen ist, dass Abgeordnete Regierungsmitglieder attackieren.

Es herrschte in der Präsidiale einhellige Meinung dahin gehend, dass wir uns generell bemühen sollen – und das kann man nicht oft genug sagen –, bei aller Differenziertheit der Meinungen – das ist eben ein Haus der Auseinandersetzung, keine Frage – ein ge­wisses Maß oder eine gewisse Grenze nicht zu unterschreiten, was gegenseitige Atta­cken anlangt.

Aber das kann nicht einseitig sein. Es kann nicht sein, dass die Regierungsmitglieder – das war auch die Meinung in dieser Besprechung –, wenn es den Abgeordneten frei­steht, auch einmal ein schärferes Wort an die Regierungsbank zu richten, den Abge­ordneten quasi ausgeliefert sind, ohne sich auch selbst einmal wehren zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Insofern, Frau Präsidentin, ist das jetzt geradezu ein Widerspruch zu dem, was Sie eingangs gesagt haben, als Sie das richtig geschildert haben. Daher halte ich es nicht für gerechtfertigt, die Frau Finanzministerin ihn dieser Weise zu maßregeln, wie Sie das getan haben. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

15.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann, die Einschätzung über die Wortwahl obliegt immer noch dem Präsidium (Beifall bei SPÖ, FPÖ, Grünen, BZÖ und Team Stronach – Abg. Kopf: Und ich sage meine Meinung dazu!), und ich habe fest­gehalten, und dabei bleibe ich, ich werde sehr darauf achten, dass es so bleibt, dass wir uns bis morgen Abend nicht die Worte „Wahlkampfgeplänkel“ und „Wahlkampfrhe­torik“ um die Ohren schmeißen. Das bringt gar nichts. Das gilt für die Abgeordneten in gleicher Weise wie für Regierungsmitglieder. – Das habe ich festgehalten, und dabei werde ich auch bei meiner Vorsitzführung bis morgen bleiben. (Beifall bei den Grünen.)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.54.11

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Meine sehr ge­ehrten Damen und Herrn! Frau Präsidentin! Im Gegensatz zu meinem Vorredner, der die Rechte der Abgeordneten offensichtlich hinter die der Regierungsmitglieder hier im Parlament stellt, möchte ich mich ausdrücklich bei Ihnen bedanken, dass Sie die Abgeordneten und auch die Oppositionsabgeordneten in diesem Haus in Schutz neh­men, wenn es darum geht, sich gegen ungerechtfertigte Angriffe von der Regierungs­bank aus zur Wehr zu setzen. (Beifall bei BZÖ, FPÖ, Grünen und Team Stronach.)

Es gab einmal Aussagen von der Frau Finanzministerin gegen Frau Abgeordnete Bayr von der SPÖ, die wir zum Anlass genommen haben, in der Präsidiale diese Debatte zu führen. Für mich war es schon verwunderlich, dass man von der alten Usance abge­gangen ist, dass es eben ein Unterschied ist, ob ein Abgeordneter oder ein Mitglied von der Regierung etwas sagt. Man hat gesagt, es ist kein Unterschied zu machen, aber es ist auf die Wortwahl besonders zu achten, und es ist auch möglich, wenn ein Regierungsmitglied einen Abgeordneten abqualifiziert, dass die Frau Präsidentin vom Recht der Erteilung eines Ordnungsrufes Gebrauch macht, meine Damen und Herren! Das war einhellige Meinung.

Jetzt einer wirklich sachlichen Rede derart zu entgegnen, ist (Bundesministerin Dr. Fek­ter: Eine sachliche Rede von Kogler?!)  – Es geht schon wieder weiter. Also, Frau Präsidentin, Sie haben unsere vollste Unterstützung, wenn Sie auch in Zukunft dafür


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sorgen, dass hier im Parlament der Abgeordnete im Vordergrund steht und nicht ein Regierungsmitglied mit den jeweiligen Befindlichkeiten. (Beifall bei BZÖ, SPÖ, FPÖ, Grünen und Team Stronach. – Bravoruf des Abg. Grosz.)

15.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Kollege Scheibner, Sie werden aber auch so wie in der Vergangenheit damit rechnen können, dass ich in derselben Strenge auch Ihnen gegenüber auftrete.

Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Frau Klubvorsitzende Glawisch­nig-Piesczek. – Bitte.

 


15.56.12

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Über stilistische Fragen kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber ich bin Ihnen auch dankbar für diese Klarstellung. Es ist jetzt von der Regierungsbank, vonseiten der Frau Finanzministerin, eine Unterstellung, eine Pauschalunterstellung an alle Oppositionsabgeordneten erfolgt, wir hätten geheime Informationen aus dem Fi­nanzausschuss hinausgetragen.

Nachweislich richtig ist, dass die Parlamentsdirektion eine einfache Pressemeldung ge­bracht hat mit dem Titel „Fass ohne Boden“ als Ihr Zitat, einfach als Bericht aus dem Ausschuss. Sie haben das tatsächlich gesagt. (Rufe beim BZÖ – in Richtung Bundes­ministerin Dr. Fekter –: Sie haben das selbst gesagt!) – Ich darf noch kurz ausreden! Das jetzt den Abgeordneten umzuhängen und sie damit jetzt sozusagen erschwerend zu beschimpfen, dem Abgeordneten Kogler damit zu drohen, das ist wirklich unglaub­lich. Das im Übrigen schlägt dem Fass den Boden aus! (Beifall bei Grünen, SPÖ, FPÖ, BZÖ und Team Stronach. – Abg. Grosz – in Richtung Bundesministerin Dr. Fekter –: Den Misstrauensantrag überleben Sie heute nicht! Sollen wir einen einbringen?)

15.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


15.57.15

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Sie haben das wiedergegeben, was wir in der Präsidiale diskutiert haben. Das war auch im Geiste des Ergebnisses der Diskussion in der Präsidiale, dass Sie diese Ihre Äußerung in wohlgesetzten Worten jetzt gemacht haben.

Ehrlich gesagt, ich kann nicht nachvollziehen, dass die Frau Finanzministerin heute in der Art und Weise, wie sie aufgetreten ist, den Abgeordneten ausgeliefert gewesen sein soll. Das war mir nicht erkennbar, sondern das war eine Form, über die man un­terschiedlicher Meinung sein kann.

Ich bin jedenfalls der Auffassung, Sie sind die gewählte Präsidentin aller Abgeordneten hier im Haus und Sie haben vollkommen korrekt agiert. Sie erhalten dafür auch die Unterstützung der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion. (Beifall bei SPÖ, Grünen, BZÖ und Team Stronach.)

15.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Wortmeldung zur Geschäftsbehand­lung: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


15.58.05

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH) (zur Geschäftsbehandlung): Ich muss mich da leider anschließen. Jeder, der aufgepasst und mitverfolgt hat, in welch sachli­cher und sehr fundierter Art und Weise Herr Kogler die Fragen vorgebracht hat, die uns


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alle interessieren und die auch den Steuerzahler ganz brennend interessieren, wird das auch so sehen. Das war für meinen Geschmack viel weniger aggressiv, als wir das sonst erlebt haben, also wirklich sehr sachlich.

Dass Sie dann mit dem Begriff Wahlkampfrhetorik antanzen, nur weil Ihnen das ir­gendjemand aufgeschrieben hat, anscheinend noch nicht wissend, dass Herr Kogler das viel sachlicher und viel verbindlicher bringen wird, war doch einigermaßen be­fremdlich.

Wenn Sie dann auch noch pauschal alle Oppositionsparteien verunglimpfen und auch in einer Art und Weise beschimpfen, die nicht nachvollziehbar ist, nur weil wir uns Sor­gen um den Steuerzahler machen, dann frage ich mich wirklich, ob das die Auseinan­dersetzung ist, die wir wollen.

Ich glaube nicht, dass sich der Steuerzahler das verdient hat, dass eine Finanzminis­terin auf einfachste Fragen, die ja wirklich von hohem Interesse sind, auf eine so un­tergriffige und diffamierende Art und Weise reagiert. – Vielen Dank. (Beifall bei Team Stronach und Grünen.)

15.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann, ich weise zurück, dass die Frau Bundesministerin „diffamierend“ war. Das nehme ich nicht zur Kenntnis, und da­her auch der Verweis an Sie.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


16.00.03

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich muss der Ordnung halber erwähnen, dass wir in der Präsidiale grundsätzlich darüber gespro­chen haben, dass wir Abgeordneten – wir erleben das ja immer wieder – keine Waserl sind, nicht zart besaitet sind, dass hier immer wieder auch gegenüber der Regierungs­bank natürlich härtere Worte fallen. Auch das wurde beleuchtet. Und es gab in der Prä­sidiale – der Ordnung halber – Verständnis dafür, dass vielleicht manche Ministerinnen und Minister entsprechend emotional darauf reagieren.

Ich glaube, wir alle können uns wehren und auch Frau Finanzminister Fekter bricht kein Zacken aus der Krone, wenn sie von der Präsidentin einmal dahin gehend auf­merksam gemacht wird. Auch mir passiert das durchaus immer wieder aus der Emo­tion heraus (Abg. Dr. Bartenstein: Na geh!), und das ist durchaus verständlich.

Ich kann mich auf alle Fälle wehren, Frau Finanzminister, und werde Ihnen dann sach­lich und inhaltlich antworten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.00

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub kommt eine Gesamtrede­zeit von 25 Minuten zu. (Abg. Rädler – in Richtung FPÖ –: Das war staatstragend! – Anhaltende Zwischenrufe. – Abg. Ing. Westenthaler: Ob die Frau Fekter als künftige Zweite Präsidentin das auch so sieht? – Abg. Grosz: Frau Minister, halten Sie heute auch eine Abschiedsrede?)

Herr Abgeordneter Mag. Rossmann gelangt zu Wort. – Bitte.

 


16.01.05

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Eines hat mich schon gewundert: Wir haben hier eine Frau


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Finanzministerin erlebt, die anfangs vom Blatt gelesen hat. Sie hat etwas vom Blatt ge­lesen, das sie schon darauf stehen hatte, noch bevor sie die Rede des Abgeordneten Kogler gehört hat (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!), und sie hat ihm Vorwürfe unterstellt, über die wir soeben diskutiert haben. – Frau Finanzministerin, woher wuss­ten Sie denn, was Herr Abgeordneter Kogler hier zu seiner Dringlichen Anfrage vor­bringen würde? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Von wem haben Sie sich diese Rede wohl schreiben lassen? (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es um die Frage der Diffamierung geht, dann muss man ein bisschen tiefer ge­hen und Revue passieren lassen, was diese Frau Finanzministerin zu Herrn Abgeord­netem Kogler gesagt hat. Es waren ja nicht nur das Wahlkampfgetöse und die Wahl­kampfrhetorik, sondern da ging es ja noch um viel mehr. Da ging es darum, dass wir Horrorzahlen zulasten der Banken verbreiten würden. – Völlig falsch! Herr Kogler hat aus der „Presse“ vom 3. Juli 2013 zitiert. Nicht Zahlen der Grünen, sondern Zahlen be­ruhend auf einem internen Papier des Bundesministeriums für Finanzen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Frau Finanzministerin, dass Sie uns oder Herrn Abgeordnetem Kogler dann unterstel­len, wir seien am Debakel der Hypo schuld, das schlägt doch dem Fass den Boden aus! Das ist doch unglaublich, Frau Finanzministerin! (Beifall bei den Grünen.)

Sie unterstellen ihm Verantwortungslosigkeit. – Ich sehe das ganz anders, Frau Fi­nanzministerin: Das, was Sie in Sachen Hypo Alpe-Adria aufgeführt haben und Ihr Vor­gänger bei der Notverstaatlichung, assistiert vom nicht mehr anwesenden Staatssekre­tär Schieder, das ist strukturierte Verantwortungslosigkeit zum Schaden der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler dieses Landes! (Beifall bei Grünen und BZÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Und wenn die Frau Finanzministerin weiter sagt, dass wir, die Grünen, keine Ahnung davon hätten, wie man staatspolitisch vorgehen soll, so ist auch das eine Diffamierung, die man so nicht im Raum stehen lassen kann.

In dieser Situation, wo der Bank nachweislich bereits 2,2 Milliarden € in den Rachen gesteckt wurden, die Schuld den anderen Parteien, nämlich den Grünen umhängen zu wollen und nicht dafür geradestehen zu wollen, das halte ich für verantwortungslos!

Ebenso verantwortungslos ist es, den nationalen Schulterschluss in dieser Frage ein­zufordern. Ja, das habe ich schon in der Aktuellen Stunde am 12. Juni gesagt, wir ste­hen zum einstimmigen Beschluss der Bankenrettungspakete. Aber für die Umsetzung dieser Bankenrettungspakete, Frau Finanzministerin, ist diese Regierung, sind in erster Linie Sie verantwortlich und nicht wir von der Opposition! (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir nun zu einigen Fakten, Frau Finanzministerin! Faktum ist auf jeden Fall, dass die Bank – das geht aus einer Anfragebeantwortung vom 4. Juni auf eine Anfrage von mir hervor – 1,8 Milliarden € bis zum Jahr 2012 verloren hat. Wie schaut es im Jahr 2013 aus? – Diese Frage haben wir gestellt, aber wir haben keine Antwort be­kommen. Von 650 Millionen € ist die Rede.

Der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Ditz hat ja gemeint, im Jahr 2013 würden es mehr als 2 Milliarden € werden. Also nicht wir verbreiten Horrorzahlen, sondern ein Or­gan dieser Bank hat diese Zahlen in den Raum gestellt.

Und wo sind diese Zahlen im Budget verbucht? – Sie sind nirgends verbucht.

Auch das, was Josef Urschitz gestern in der „Presse“ an Zahlen bekannt gegeben hat, beruht auf internen Berechnungen des Finanzministeriums. Es hat ja schon vorher ein­mal durch die Oesterreichische Nationalbank Zahlen gegeben, ebenfalls ein internes Papier, veröffentlicht im „profil“. Da war nicht die Rede von 7 Milliarden bis 10,5 Milliar­den €, sondern da war die Rede von 5,5 Milliarden bis 16 Milliarden €. Also nicht wir


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verbreiten Horrorzahlen, sondern entweder die Organe der Bank selbst oder die Eigen­tümervertreterin, das sind Sie, Frau Finanzministerin, oder eben die Organe selbst – aber nicht wir.

Das, was Sie verabsäumen, ist das, was das neue Haushaltsrecht einfordert, nämlich die Zahlen im Budget und im Bundesfinanzrahmen transparent darzustellen. Das tun Sie weder für das Jahr 2013, geschweige denn für die Jahre 2014 bis 2017.

Wir haben mit diesem neuen Haushaltsrecht nicht nur den Grundsatz der Transparenz verankert, sondern auch den Grundsatz der möglichst getreuen Darstellung der finan­ziellen Lage des Bundes. Und ich kann und will es Ihnen nicht abnehmen, dass Sie keine Berechnungen darüber haben, wie viel Ihre Restrukturierungsprobleme kosten. Dass Sie durch Kommissar Almunia geprüft werden, das ist selbstverständlich, aber Berechnungen müssen Sie haben. Und genau diese Berechnungen müssen als Grundlage für den Bundesfinanzrahmen herangezogen werden. Alles andere heißt, Sie missachten Grundsätze, budgetäre Grundsätze, die in der Verfassung verankert sind. (Beifall bei den Grünen.)

Der Bundesfinanzrahmen, den Sie eingebracht haben, ist verfassungswidrig.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Kogler, Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Verfassungsbruch der Bundesregierung bei der Hypo Alpe-Adria

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Änderung des Bundesfinanzgeset­zes 2013 und des Bundesfinanzrahmengesetzes 2014–2017 vorzulegen, mit dem fi­nanzielle Vorsorge für die finanziellen Risken durch die Hypo Alpe Adria und die ande­ren (teil-)verstaatlichten Banken getroffen wird, um damit wieder einen verfassungs­konformen Zustand herzustellen.“

*****

Nun zur Bad Bank, Frau Finanzministerin: Nehmen wir einmal den Geschäftsbericht des Jahres 2012 her! Aus diesem geht hervor, dass die Hypo Alpe-Adria intern bereits drei Bad Banks eingerichtet hat, mit einem Risikopotenzial von 11,7 Milliarden €. Das lesen Sie offensichtlich nicht.

Sie lesen offensichtlich auch nicht die Erläuterungen zur Erfolgsrechnung. Dort steht nämlich klipp und klar drinnen:

„Die umfassende und wertschonende Reduzierung des existierenden Abbauportfo­lios“ – also das, was in der Bad Bank drinnen ist – „der als nicht strategisch identifi­zierten Geschäftsbereiche stellt eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Restrukturierung der Hypo Alpe Adria dar.“

Und das wollen Sie, Frau Finanzministerin, nicht wahrhaben. Sie weigern sich seit mehr als einem Jahr beharrlich, eine Bad Bank einzurichten, obwohl jeder sagt, dass eine Bad Bank unumgänglich, dass sie notwendig ist. Es sind die Organe der Gesell­schaft, es ist der Vorstand, es ist der Aufsichtsrat. Beide sind dahin. Warum? – Sie sa­gen, sie seien in die Restrukturierungspläne einbezogen worden. Aber das kann ich nur für einen Scherz halten. In Wirklichkeit wurde ihnen die Taskforce vorgesetzt! (Zwi­schenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) Diese Organe der Bank hatten


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doch in Wirklichkeit nichts zu reden! Das scheint doch die Wahrheit zu sein, Frau Fi­nanzministerin! (Beifall bei den Grünen.)

Sie wollen durch die Nichteinrichtung dieser Bad Bank den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern vor den Wahlen nicht die Wahrheit über die Hypo Alpe-Adria sagen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist Wahlkampf!) Aber das, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, aber auch von der SPÖ, wäre dringend geboten, denn wie kommen die SteuerzahlerInnen dazu, zu den Wahlurnen zu gehen und erst nach dem Wahlurnengang zu erfahren, dass sie 7 Milliarden, 10 Milliarden, 15 Milliar­den – ich weiß nicht, wie viel – für die Hypo Alpe-Adria zahlen müssen?

Wenn Sie, Frau Finanzministerin, sagen, dass Sie steuerschonend vorgehen und nach kreativen Lösungen suchen, muss ich sagen: Sie erzählen uns immer dieselbe Ge­schichte, und wir warten seit Monaten auf diese kreativen Lösungen. Sie sagen, Sie schicken Restrukturierungspläne nach Brüssel. Ja, aber was ist denn das kreative Ele­ment an diesen Restrukturierungsplänen? Sagen Sie uns das einmal!

Herr Ditz zumindest hat uns klipp und klar gesagt, dass die Verschleppung der Bad Bank den Steuerzahler 2 Milliarden € kosten würde. Und Sie sagen uns, die Einrich­tung einer Bad Bank würde den Steuerzahler mehr Geld kosten als die Nichteinrich­tung einer Bad Bank. – Genau das Gegenteil ist wahr, Frau Finanzministerin! Nehmen Sie das irgendwann einmal zur Kenntnis! Wie viele Menschen in diesem Land, die mit der Bank befasst sind und die wissen, was in dieser Bank vor sich geht, müssen Ihnen noch sagen, was zu tun ist?!

Für dieses Desaster, beginnend mit dem Notverkauf (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), sind Sie, Frau Finanzministerin, und Ihr Vorgänger verantwort­lich. Wir Steuerzahler wollen uns das nicht länger gefallen lassen. Mit dieser struktu­rierten Verantwortungslosigkeit muss Schluss gemacht werden! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

16.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Kogler, Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde betref­fend Verfassungsbruch der Bundesregierung bei der Hypo Alpe Adria

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Kog­ler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Totalschaden in der Hypo Alpe Adria und To­talversagen der Bundesregierung“

Begründung

Artikel 51(8) der Bundesverfassung besagt, dass „bei der Haushaltsführung des Bun­des die Grundsätze der Wirkungsorientierung [], der Transparenz, der Effizienz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes zu beachten sind.“

Im Bundesfinanzgesetz 2013 sind lediglich 700 Mio. Euro plus 200 Mio. Euro an Ga­rantien für die Hypo Alpe Adria vorgesehen. Das Bundesfinanzrahmengesetz 2014-2017 sieht überhaupt nur 133 Mio. Euro pro Jahr für die maroden Banken vor. Vor dem Hintergrund, dass sich alleine bei der Hypo Alpe Adria heuer und in den kommenden Jahren Zahlungen in Milliardenhöhe ergeben, handelt die Bundesregierung daher zwei­fellos verfassungswidrig.


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Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Änderung des Bundesfinanzgeset­zes 2013 und des Bundesfinanzrahmengesetzes 2014-2017 vorzulegen, mit dem fi­nanzielle Vorsorge für die finanziellen Risken durch die Hypo Alpe Adria und die anderen (teil-)verstaatlichten Banken getroffen wird, um damit wieder einen verfas­sungskonformen Zustand herzustellen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Petzner mit einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte.

 


16.11.38

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Finanzministerin Fekter hat in ihrer Be­antwortung der Anfrage gegenüber den Oppositionsparteien die Aussage und den sehr schwer wiegenden Vorwurf getätigt, dass die Oppositionsparteien vertrauliche Informa­tionen aus einem geheimen Ausschuss an die Öffentlichkeit gespielt hätten (Zwischen­bemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter) und damit der Bank und dem Steuerzah­ler schweren Schaden zugefügt hätten. (Bundesministerin Dr. Fekter: Habe ich nicht gesagt!)

Ich stelle tatsächlich richtig, dass das kein geheimer Ausschuss war (Bundesministerin Dr. Fekter: Ich habe nichts von geheim gesagt!) und keine vertraulichen Informationen, sondern dass das der öffentliche EU-Unterausschuss vom 9. April 2013 war (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Genau! Danke!) und dass es dazu eine entsprechende öffentliche Aussendung der „Parlamentskorrespondenz“ gibt (Abg. Ing. Westenthaler: Das sollte sie als künftige Präsidentin wissen!), aus der ich wortwörtlich zitiere:

Aussendung der „Parlamentskorrespondenz“ vom 9. April 2013: „Endspurt bei der Fi­nanztransaktionssteuer?“

Dann gibt es auf Seite 2 einen Zwischentitel, dieser lautet wie folgt – Zitat –: „Fekter: Hypo Alpe Adria – ein Fass ohne Boden“.

Zitat: „Im Rahmen der Diskussion wurde auch kurz die Situation der heimischen Ban­ken angesprochen. Dabei betonte die Finanzministerin, ihr bereiteten die Kommunal­kredit und besonders die Hypo Alpe Adria besonders große Sorgen. Die Hypo sei ein ,Fass ohne Boden‘ und sehr belastend für die SteuerzahlerInnen, so die kritischen Worte Fekters gegenüber Abgeordnetem Petzner (B).“

In der Folge gab es zu dieser Aussendung der „Parlamentskorrespondenz“ eine APA-Meldung vom 9. April, 19.26 Uhr, unter dem Titel „Kärntner Hypo für Fekter ein Fass ohne Boden“.

Ich fordere Sie daher auf, Frau Finanzministerin (Abg. Scheibner – in Richtung Bun­desministerin Dr. Fekter –: Entschuldigen Sie sich beim Abgeordneten! – weitere Zwi­schenrufe – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), diesen schwer wie­genden Vorwurf zurückzunehmen und sich in aller Form nicht nur bei den Abgeordne­ten, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der „Parlamentskorres­pondenz“ zu entschuldigen! (Beifall bei BZÖ, FPÖ, Grünen und Team Stronach.)

16.13



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 144

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung Bundesministerin Dr. Fekter –: Da fällt Ih­nen kein Zacken aus der Krone, wenn Sie sich einmal entschuldigen!)

 


16.13.44

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Dass Sie, Frau Finanzministerin, die rhetorische Provokation lieben, ist an sich nichts Neues. Das konnten wir bei anderer Gelegenheit auch schon feststellen. Und über die Kunst der öffentlichen Kommunikation kann man halt unterschiedlicher Meinung sein; über Ihre Kunst der öffentlichen Kommunikation auch.

Aber, was ich schon sagen möchte: Wäre der verstorbene Landeshauptmann Jörg Hai­der noch am Leben und hätte er diese Debatte jetzt vor dem Fernseher verfolgt, müss­te er sich vor lauter Lachen am Klagenfurter Lindwurm festhalten. Denn die Wahrheit ist: Wir diskutieren hier herinnen (Abg. Kopf: Wie wir seinen Dreck wegräumen!) – in diesem Fall konkret die Grünen, die herauskommen und sagen, Rot und Schwarz sei­en schuld an dem Ganzen, daran, dass jetzt Steuergelder verlorengehen; seitens der Regierungsbank heißt es, die gesamte Opposition sei schuld daran, dass das mit der Landes-Hypo in die Binsen geht –, aber wenn man sich genauer ansieht, warum das alles überhaupt so gekommen ist – und das ist die entscheidende Frage; wir sitzen doch heute hier, um etwas zu diskutieren, das eine Geschichte hat –, stellt man fest: Der Landeshauptmann von Kärnten, der damals Jörg Haider geheißen hat, und der, der ihm zur Mehrheit verholfen hat, Herr Martinz von der ÖVP Kärnten, haben genau gewusst, dass das Land Kärnten gemäß dem Kärntner Landesholding-Gesetz als Aus­halfsbürge für die Hypo gehaftet hat. Als Aushalfsbürge für die Hypo! (Abg. Grosz: Ausfallsbürge! Das hat mit dem Hals nichts zu tun! – Abg. Petzner: „Aushalfsbür­ge“?) – Genau.

Wenn man weiß, dass diese Landeshaftung bei rund 20 Milliarden € gelegen ist und das dann zu dieser Notverstaatlichung geführt hat, um zu vermeiden, dass das schla­gend wird, und wenn man weiß, dass in der Landesaufsicht Landeshauptmann Jörg Haider und ein Beamter gesessen sind, die es offensichtlich verabsäumt haben, das Risiko des Schlagendwerdens der Landeshaftung in der damaligen Zeit schon zu mini­mieren – er war ein Jurist und muss wohl gewusst haben, was er da tut; er wird ja auch gewusst haben, dass, wenn Kärnten das nicht mehr schafft, das alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Österreich zu bezahlen haben (Abg. Ing. Westenthaler: Erzählen Sie uns etwas über die BAWAG!) –, dann muss man sagen, dass das das wirkliche Thema des heutigen Tages ist, das wir zu diskutieren haben, und nicht das Schuldzu­weisungsfestival. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Petzner:  was ein Ausfallsbürge ist?)

Es gab die Verflechtung zwischen der Landes-Hypo und, sagen wir jetzt, Jörg Haider und Co damals – zuerst war er ja der Obmann der Freiheitlichen Partei und dann des BZÖ, das alles sollte man nicht vergessen (Abg. Grosz: Jetzt wissen wir, warum die BAWAG  gegangen ist! Bei Ihrem wirtschaftlichen Verständnis! „Konsum“, BAWAG! – weitere Zwischenrufe beim BZÖ) –, und man muss sehen, was da alles geduldet wur­de, wozu da motiviert wurde, und das ist nicht wenig.

Schauen wir uns nur die Expansion der Bank laut einer APA-Aussendung an: Diese Bank hatte 1992 eine Bilanzsumme von 1,87 Milliarden €, 2005 eine Bilanzsumme von 24,23 Milliarden € und 2008 eine Bilanzsumme von 42,3 Milliarden €! Jeder, der halb­wegs eine Ahnung hat und dessen Horizont über das Verkaufen von Zuckerln und Würstl mit Senf hinausgeht (Abg. Bucher: Wer war denn Eigentümer?), weiß, was das bedeutet! Was war das? – Das ist der wahre Skandal, über den wir heute hier zu dis­kutieren haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Grosz: Wer war 2008 Eigentümer? 2008 war Haider tot, und Eigentümer waren die Bayern!) – Aber geh, das wird ja nicht


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 145

besser. Ihnen werden die Stimmbänder gleich reißen, und dann haben Sie Sendepau­se, und zwar für länger, als Sie glauben. Machen Sie nicht so laute Zwischenrufe!

Es kommt ja noch etwas dazu: Es hat der Verkauf der Landes-Hypo an die Bayern stattgefunden, und die Ausfallshaftungen sind bei Kärnten geblieben! Ein Wahnsinn! Man hat gesagt: Geh kommt, kauft sie, ihr kauft den Schinken, und wir behalten uns das, was schon faul ist, die verdorbenen Eier! So ungefähr war das damals. – Und dann haben ein paar damit begonnen, eine Verteidigungslinie aufzubauen. Das ist doch unglaublich! (Abg. Bucher: Wie kann man als Klubobmann so einen Unsinn re­den!)

Ich finde, all das muss man sehen, wenn man darüber diskutiert. Da rede ich noch gar nicht über das Honorar von irgendeinem Campingplatzbetreiber, der plötzlich dafür, dass er „Guten Tag!“ sagt und einen Füller in die Hand nimmt und irgendetwas unter­schreibt, zwischen 6 Millionen und 12 Millionen € abkassiert! (Abg. Mag. Widmann: Ihr wart überall dabei!) – Hallo, aufwachen, Widmann, aufwachen! Im Parlament sind wir! Es geht auch um dich! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn ich all das sehe, dann muss ich sagen, es ist an der Zeit, dass wir eine Aufgabe, die wir haben, auch immer wieder erfüllen: nämlich darauf hinzuweisen, warum das entstanden ist, wie das entstanden ist und was man tut, damit es nicht wieder ent­stehen kann. Das sind zum Beispiel entscheidende Schritte, die wir in diesem Rahmen zu klären und zu diskutieren haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Diskussion über die Bad Bank, muss ich sagen, ist überhaupt das Allerbeste. (Abg. Ing. Westenthaler: Zwei Sachen zur BAWAG!) Vor zwei Jahren hätten wir vielleicht darüber diskutieren können, dass man das probiert. Aber diese Was-wäre-wenn-Dis­kussion, wo dann lauter  (Zwischenruf des Abg. Dr. Strutz.) – Kollege Strutz möchte auch mitdiskutieren? Das ist aber interessant, denn Sie, Kollege Strutz, kommen auf meiner Liste auch vor. Sie sind auch dort irgendwo gesessen, sind sicherlich auch Gast im Untersuchungsausschuss in Kärnten gewesen und sollten eigentlich mehr wis­sen, als auf meiner Liste steht. Also kommen Sie bitte heraus und erzählen Sie ein bisschen etwas. (Abg. Dr. Strutz: Mache ich gerne!)

Bringen Sie nicht immer den gleichen Schmäh, dass andere Parteien auch irgendwann irgendwo dabei waren. Derjenige, der operativ dabei war, war der Landeshauptmann, als dessen Schatten Sie monatelang in Bewegung waren. Kaum habe ich Haider gese­hen, war auch Strutz dabei. Sie müssen ja auch gewusst haben, was damals wirklich los war. (Abg. Dr. Strutz: Da komme ich gerne raus!)

Daher sage ich nur: Man soll nicht vergessen, wie sich das abgespielt hat – und daher auch die nötigen Schlussfolgerungen, wie sich Banken organisieren, was sie für Hand­lungsspielräume haben, wie die Haftungsregelungen sind und, und, und, all das, was ja auf internationaler und nationaler Ebene geschieht. (Abg. Ing. Westenthaler: Könnten wir noch was zur BAWAG hören?)

Die Bankenabgabe ist ebenfalls ein ganz wichtiger Punkt, der in diesem Zusammen­hang berücksichtigt werden muss, damit es nicht immer der Steuerzahler und die Steuerzahlerin sind, die das zu zahlen haben, und damit es auch eine Solidarität der Banken untereinander gibt! (Abg. Grosz: Und ein bisschen was zur Kommunalkredit! Da hätten wir auch gerne was gehört, Herr Kollege Cap!) – Das ist fad, was Sie sagen, denn wir diskutieren heute über die Landes-Hypo – Sie haben schön langsam eh schon so einen Kärntner Blick, das heißt, mir gelingt es, mit meiner Argumentation durchzudringen –, denn die ist das heutige Thema. Da geht es um eine Dimension, im Vergleich zu der alle anderen Dimensionen in Relation eine Lappalie sind, nämlich um 19 Milliarden €, 20 Milliarden € Ausfallshaftung. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Cap, was ist mit der BAWAG gewesen? Die BAWAG war eine Lappalie?)


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Eine Lappalie ist grundsätzlich überhaupt nichts, wenn es um Steuergelder geht, auch nicht 1 €, aber nur, damit wir einander richtig verstehen, um welche Dimension es da geht! Ich will gar nicht alles aufzählen, was da Thema ist: Mafia-Vorwürfe, welche Na­men da herumgeistern, was die da am Balkan für Geschäfte gemacht haben, was sich da alles abgespielt hat. (Abg. Mag. Widmann: Märchenstunde! Weitere Zwischenru­fe beim BZÖ.)

Das ist etwas, was heute einmal offensiv angegangen und diskutiert werden muss, und ich glaube, wir sollten wirklich eine Debatte darüber führen, warum und wie es dazu gekommen ist, wer diejenigen sind, die die Verantwortung tragen, und was man in Zu­kunft tun kann, damit sich das nicht wiederholt. (Abg. Petzner: Kannst du zur BAWAG auch was sagen?)

Aber Ihre Aufgeregtheit und der Umstand, dass Sie so tun, als ob jetzt langsam die Schuld irgendwo anders zu suchen sei und nicht bei Ihnen selbst, das, finde ich, ist ein starkes Stück, und jeder Fernsehzuschauer und jede Fernsehzuschauerin, die jetzt noch zuschauen (Abg. Scheibner: Nach der Rede nicht mehr!  Ruf beim BZÖ: Da kann gleich auch der Stronach reden!) – jetzt wieder; da ich rede, ist die Quote wahr­scheinlich hinaufgegangen –, werden wissen müssen, wo das zuzuordnen ist.

Da, in diesem Kreis (der Redner deutet in Richtung BZÖ) – meine Wünschelrute schlägt aus –, orte ich die Verantwortlichkeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit beim BZÖ. – Abg. Grosz: Diese Bilder! Wir möchten von deiner Rute nichts wissen! – Abg. Ing. Westenthaler: Wir möchten von deiner Rute nichts wissen! Lass deine Rute eingesteckt!) – Je lauter der Zwischenruf, desto schlechter das Gewissen! Das möchte ich noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Ab­geordneten der ÖVP. – Abg. Grosz: Josef Cap seine Rute! Wie bekomme ich diese Bilder aus dem Kopf?! – Abg. Ing. Westenthaler: Lass deine Rute eingesteckt! Das ist ja fürchterlich! Diese Bilder!)

16.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stumm­voll zu Wort. – Bitte.

 


16.22.29

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwar nicht, wie mein Vorredner, eine Wünschelrute mit, aber ich kann ihm voll zustimmen.

Ich möchte das, was er gesagt hat, in einem Satz zusammenfassen, meine Damen und Herren: Du kannst mit einer kriminellen Vergangenheit nicht die Gegenwart belas­ten!

Was heißt das? – Vor der Notverstaatlichung war da nicht nur Missmanagement, war da nicht nur eine lockere Hand beim Geldausgeben, war da nicht nur eine Vernetzung zwischen Vorstand und Politik, sondern da war auch kriminelle Energie am Werk, mei­ne Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Ihr habt die Untersuchung abgedreht!)

Erst vor wenigen Tagen hat der Oberste Gerichtshof den damaligen Generaldirektor Kulterer zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, meine Damen und Herren! Da bin ich vollkommen beim Kollegen Cap! Schauen wir uns an, was eigentlich zur Notver­staatlichung geführt hat, meine Damen und Herren! – Und das war damals eine Not­verstaatlichung. Niemand, mein Lieber, weder der damalige Finanzminister Pröll, noch Staatssekretär Andreas Schieder, noch der Bund, niemand wollte, dass man diese Bank verstaatlicht. (Abg. Mag. Kogler: Warum dann Wien und nicht München?) Das war ein Hilferuf, auch der Europäischen Union. Trichet, damals Präsident der EZB, Al­munia, alle haben gesagt: Um Himmels willen, wir wollen nach Lehman keinen zweiten Super-GAU! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)


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Gar keine Frage, Lehman Brothers hat eine globale Finanzkrise ausgelöst – und ein Konkurs der Hypo hätte eine europäische Finanzkrise ausgelöst! Daher, Herr Mag. Kog­ler, bin ich der Meinung der Frau Finanzminister. So leichtfertig zu sagen: Hätten wir es halt darauf ankommen lassen!, das kann nur jemand, der keine Verantwortung trägt, Herr Mag. Kogler! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Überhaupt nicht! Die Bayern hätten es nicht gemacht! Erklären Sie das einmal!) – Herr Mag. Kogler, Sie ha­ben Ihre Redezeit schon am Rednerpult gehabt.

Noch einmal, meine Damen und Herren: Es war eine Notsituation, ausgelöst durch die­se vielen Vorgänge, die Herr Kollege Cap auch angesprochen hat. Es war eine Not­verstaatlichung. Wer nimmt sich denn gerne eine marode Bank?  Niemand! Das war in einer äußersten Notsituation eine Maßnahme, um die uns alle gebeten haben, weil wir sonst einen finanzpolitischen Tsunami ausgelöst hätten, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Die war ja schon im Besitz!)

Ich darf auch noch Folgendes sagen, auch in Richtung von Mag. Kogler: Es ist heute schon sehr viel über die Bad Bank gesprochen worden. (Abg. Mag. Kogler: Ich habe gesagt „Abwicklungsmodelle“!) Ich habe größtes Verständnis für jeden Bankvorstand, für jeden Bankaufsichtsrat, der sagt, die faulen Kredite, die giftigen Wertpapiere hätte er gerne los. (Abg. Petzner: Der Schieder sagt das! Der Schieder hat das gesagt!) Je­der Volksschüler versteht, Herr Kollege Petzner, dass eine Bank sofort saniert ist, wenn alle giftigen Wertpapiere und alle faulen Kredite weg sind. Das kann doch keine Lösung sein! Das ist doch keine Lösung, bitte! (Abg. Scheibner: Kritisieren Sie nicht dauernd den Staatssekretär Schieder!)

Sie begeben sich in die Rolle eines Bankvorstandes. Natürlich hat der gern alle faulen Wertpapiere los, aber was Sie wollen, ist eine maximale Belastung des Steuerzahlers. (Abg. Petzner: Der Herr Schieder hat das heute selber gesagt!) Da bin ich voll der Mei­nung der Frau Finanzminister. Bleiben Sie bei Ihrer Rolle! Sie sind der Generalanwalt des Steuerzahlers, Frau Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Man könnte über die Vor- und Nachteile einer Bad Bank lange diskutieren. Da gibt es eigene bankwissenschaftliche Seminare darüber. Klar ist aber – und da bin ich voll bei der Frau Finanzminister! –: Auch wenn man eine Bad Bank macht, sind ja die faulen Kredite und die giftigen Wertpapiere nicht in Luft aufgelöst. (Abg. Bucher: Bei der Kommunalkredit war es anders! Bei der Kommunalkredit ist es gegangen! Bei der Kommunalkredit hast du es gemacht!)

Was wir wollen – und auch da bin ich Ihrer Meinung, Frau Finanzminister –: Es geht jetzt um eine intelligente Lösung, wie sie zum Beispiel der langjährige Finanzminister Androsch vorgeschlagen hat. Er hat gesagt, vielleicht sollte man die Banken beteiligen, statt sie mit einer Bankenabgabe zu belasten. Die sind ja auch Profis in der Verwer­tung! – Also ehrlich gesagt, dieser Vorschlag gefällt mir sehr gut, und ich würde Sie er­muntern, Frau Finanzministerin, in der Richtung weiterzudenken und weitere Verhand­lungen zu führen.

Und noch etwas: Mir ist schon klar, wir haben Vorwahlkampf, gar keine Frage. Und mir ist klar, die Frau Finanzministerin ist eine Zielscheibe. Aber bleiben wir auch da bei den Fakten, bitte! Allein nach dem Finanzmarktstabilitätsgesetz ginge es gar nicht, dass die Frau Finanzministerin einen Alleingang macht.

Das ist gemeinsame Kompetenz von Finanzministerium und Bundeskanzleramt. Die größten Finanzexperten des Landes, die Finanzmarktaufsicht, die Notenbank – alle waren voll eingebunden, meine Damen und Herren! Aber mir ist schon klar, dass Sie eben gerne eine Zielscheibe im Vorwahlkampf haben.

Frau Finanzminister, ich darf Sie ermutigen, bei Ihrer Strategie zu bleiben, die best­mögliche Lösung für den Steuerzahler zu erreichen, und sich durch Zwischenrufe der


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Opposition nicht irremachen zu lassen. (Abg. Petzner: Na, bitte ned! Bitte nicht!) Herr Kollege Petzner spielt hier ein Spiel und versucht, die Jahre vorher völlig zu vergessen.

Herr Kollege Petzner, das ist Geschichtsfälschung! (Beifall bei der ÖVP.)

16.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


16.26.58

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar Dinge muss man schon zurechtrücken: Die Frau Finanzminister hat vom „Fass ohne Boden“ gesprochen. Das ist ja ihr wort­wörtliches Zitat, um das auch noch einmal herauszustreichen, in einer öffentlichen Sit­zung. Wenn man dann hergeht und versucht, das zu verdrehen, ist das schon mehr als eigenartig,

Frau Finanzminister! Da sollten Sie schon einmal ein bisschen in sich gehen und zumindest in dem Punkt zugeben, sich da in einen Fehler verstiegen zu haben. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein in Richtung Bundesministerin Dr. Fek­ter, die mit Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner spricht : Könnten Sie zuhören, Frau Mi­nister?)

Sie sind eine Finanzministerin, die oftmals eine lockere Zunge hat, aber das berechtigt Sie natürlich nicht dazu, solche Unwahrheiten zum Besten zu geben und im Raum ste­hen zu lassen. (Abg. Ing. Westenthaler: Die hört nicht einmal zu!) So gesehen war die Richtigstellung vorher wichtig, natürlich auch vonseiten der Präsidentin ein Ordnungs­ruf im Sinne der Präsidiale, keine Frage.

Ich würde mir nur wünschen, dass diese präsidiale Vorsitzführung vielleicht einmal beim Herrn Kanzler Faymann ebenso gelebt wird, der sich durchaus auch immer wie­der in seiner Diktion versteigt. (Beifall bei der FPÖ.) Da musste ich das bis dato vermis­sen, aber wir werden beim Verhalten anderer Minister und Regierungsverantwortlicher gespannt auf diese gelebte objektive und korrekte Vorsitzführung warten.

Wenn dann natürlich der Herr Klubobmann Cap herauskommt (Abg. Ing. Westentha­ler: Der Wünschelrutengeher!) und von den Landeshaftungen redet, die in der Zeit des SPÖ-Landeshauptmanns Ambrozy initiiert worden sind, was er völlig vergisst und links liegen lässt, aber natürlich wieder mit dem Gespenst Jörg Haider daherkommt, dann muss ich sagen: Bitte vergessen Sie doch nicht Ihren SPÖ-Landeshauptmann Ambro­zy, der mit den Landeshaftungen begonnen hat! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.  Abg. Grosz: Der Köfer ist auch einmal mit der Wünschelrute ... gegangen!)

Verschweigen Sie den nicht, denn der hat das begonnen, so wie im roten Wien der Häupl, so wie im schwarzen Niederösterreich der Pröll! (Abg. Ing. Westenthaler: Die Idee der SPÖ!) Das ist das Muster der Landeshaftungen, das unter Rot und Schwarz überall gelebt wird – und es war dann leider damals neben SPÖ und ÖVP in Kärnten auch die FPÖ dabei und hat mitgestimmt. Ja, das ist vielleicht ein Vorwurf, den man machen kann, dass man ein rot-schwarzes System mitgetragen hat, das unter einem roten Kärntner Landeshauptmann Ambrozy initiiert worden ist.

Wenn Sie dann von einem Beamten reden, der da in der Landesaufsicht tätig gewesen sein soll, dann sagen Sie doch, wen Sie meinen! Wer war denn damals der verant­wortliche Beamte der Landesaufsicht, der Chef der Finanzabteilung? – Ein langjähriges SPÖ-Mitglied, Dr. Felsner (Oh- und Geh-Rufe bei der FPÖ), den Sie nicht beim Namen genannt haben, aber so gerne in eine andere Ecke gewischt hätten, bei den vielen ro­ten Aufsichtsräten, die damals in der Bank gesessen sind. (Beifall bei der FPÖ.)


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Also hören Sie doch bitte auf mit Ihrer Scheinheiligkeit – Entschuldigung, „Scheinheilig­keit“ nehme ich zurück, sonst krieg’ ich wieder einen Ordnungsruf –, mit Ihrer Unehr­lichkeit in diesem Zusammenhang.

Genau darum geht es, und da versuchen Sie sich dann abzuputzen. Genauso wie es natürlich schon interessant ist, dass genau jene Behörden beteiligt waren: die Finanz­marktaufsicht, die Oesterreichische Nationalbank. Und wer war denn damals der Gou­verneur, der das beaufsichtigt hat, als die Hypo verkauft wurde? – Das war zufälliger­weise Herr Liebscher. Ui! (Abg. Ing. Westenthaler: Ein roter Skandal in Wahrheit!)

Herr Liebscher und andere, bis hinein ins Finanzministerium, beaufsichtigten den Ver­kauf der Hypo: natürlich höchst korrekt, alles bestens, perfekt sogar! Moniert hat man von roter Seite, die Bank sei zu billig verkauft worden. (Abg. Grosz: Kollege Cap, mei­ne Wünschelrute schlägt auch gerade aus!) Dann wird die Bank verkauft, gehört den Bayern, und dann vergessen Sie heute hier völlig, wer der Eigentümer war? – Na die Bayern! (Abg. Dr. Strutz: Der Gusenbauer war Berater! Abg. Petzner: Da hat es ei­nen eigenen Untersuchungsausschuss gegeben!)

Da fragt man sich zu Recht: Wie kommt es zu der Entwicklung, dass dann unter der Regierungsverantwortung ein ÖVP-Finanzminister, Josef Pröll, nach Bayern fährt und mit österreichischen Steuergeldern die Bayern aus ihrer Verantwortung herauskauft? (Beifall bei FPÖ und BZÖ sowie der Abg. Dr. Moser.) Ja bitte, wie geht denn das zu­sammen? Sie reden von Notverstaatlichung. Da hätten sich die Deutschen und die Bayern Gedanken machen müssen, wie sie in der Art und Weise in ihrem Zuständig­keitsbereich, in ihrer Verantwortung diese Hypo retten. Und die hätten die Rettungs­maßnahmen gesetzt! Nicht wieder einmal die österreichischen Steuerzahler hineinrei­ßen, weil dahinter offensichtlich irgendwelche Raiffeisen-Interessen als Gläubigerinter­essen stehen! (Beifall bei FPÖ und BZÖ. Abg. Dr. Bartenstein: Herr Strache, ... das Land Kärnten gehaftet!)

Genau darum geht es! Das ist der größte Politskandal der Zweiten Republik, und Sie sitzen da und versuchen, von diesem unglaublichen Skandal abzulenken, dass Sie mit österreichischen Steuergeldern die bayerische Verantwortung sozusagen aufgehoben haben und die österreichischen Steuerzahler heute auf dem Milliardenschaden sitzen, der eigentlich eine bayerische Verantwortung in sich birgt. Genau darum geht es! (Abg. Mag. Hakl: Landeshaftung! Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Da wird zu klären sein, wie Kollege Kogler zu Recht gesagt hat: Wer hat damals Fi­nanzminister Josef Pröll am Gängelband gehabt, dass er funktioniert hat? Sie schrei­ben sogar andeutungsweise in der Anfrage: Hat man den irgendwo erpressen können? (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Frage stellt sich, und genau das gilt es aufzuklären. Wie kommen die österrei­chischen Steuerzahler dazu, die Verantwortung der Bayern wegzuwischen? Die Bay­ern haben sich im wahrsten Sinne des Wortes vor lauter Lachen auf die Schenkel ge­klopft über diese – Entschuldigung, ich verwende den Begriff – unglaublich unfähigen Herrschaften, die aus Österreich gekommen sind und die Bayern aus ihrer Verant­wortung herausgelassen haben. (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Die haben sich auf die Schenkel geklopft! Die haben es ja selbst nicht für möglich gehalten, was da für unfähige Herrschaften kommen und dann die Österreicher in so eine Malaise hinein­reiten. Und genau darum geht es! Deshalb muss das aufgeklärt werden, und zwar rest­los. Das ist Ihre Verantwortung.

Da sitzt auch Herr Staatssekretär Schieder, der dabei war und den man natürlich nicht vergessen darf. Es gehört alles restlos aufgeklärt. Ich frage mich daher: Warum haben


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Sie so sehr Angst vor diesem Untersuchungsausschuss, den die Opposition geschlos­sen schon x-mal beantragt hat? Natürlich haben Sie Angst, denn genau das wollen Sie natürlich nicht behandelt und aufgedeckt wissen. Da geht es natürlich um Wahrheit und darum, dass die Wahrheit zumutbar sein muss. Da geht es um die notwendige Wahr­heit, die man auch auf den Tisch legen muss, sodass sichtbar wird, welche Zusam­menhänge dahinterstehen.

Wenn dann die Finanzministerin sagt: Wir schützen den Steuerzahler!, dann muss ich sagen: Eine größere Verhöhnung der Steuerzahler habe ich überhaupt noch nie ge­hört! Wo haben Sie denn jemals die Steuerzahler in Österreich geschützt? Wo? Wo denn? (Beifall bei der FPÖ.)

Rot-schwarzer Beschluss mit grüner Unterstützung, Verfassungsmehrheit, Ausfallshaf­tung für die ESM-Schuldenunion von 68 Milliarden € – wenn wir schon bei Ausfallshaf­tungen sind! 68 Milliarden € Ausfallshaftungen aus österreichischen Steuergeldern hat die SPÖ mit der ÖVP und mit den Grünen für ESM-Bankenrettungspakete beschlos­sen – nur im Vergleich zu der Landeshaftung, die Ambrozy in Kärnten begonnen hat. Sie setzen dasselbe System fort! Wenn Sie so ein Gegner der Haftungsübernahmen sind, dann frage ich mich, warum Sie das System, das Sie da verurteilen, auf der ande­ren Seite mit zig Milliarden € fortsetzen! Da müssten Sie uns doch letztendlich recht geben und die Notbremse ziehen! Aber Sie tun es nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man dann heute als Steuerzahler Österreichs unter der höchsten Steuer- und Gebührenbelastung der Zweiten Republik leidet und die Ministerin sich hinstellt und sagt: Wir schützen die Steuerzahler! Wir schützen Sie!, dann ist das wirklich unglaub­lich. Höchste Staatsverschuldung, höchste Steuerbelastung: Wo schützen Sie die Steuerzahler? – Die werden ausgepresst und ausgenommen und noch mit Haftungen über drei, vier Generationen zugeschüttet, und die Enkelkinder und Urenkelkinder wer­den noch daran kiefeln. Das ist Ihr vermeintlicher Schutz der Steuerzahler? Das Ge­genteil ist der Fall! (Beifall bei der FPÖ.)

Und genau deshalb ist es notwendig, solche Sachen offen auf den Tisch zu legen, in einem Untersuchungsausschuss aufzuklären und nicht die eigene Verantwortung, den eigenen Schwarzen Peter irgendwo andershin zu schieben. Genau darum geht es Ih­nen aber offenbar! Wir werden das jedoch nicht zulassen, und wir werden natürlich die­se Debatte weiter in aller Konsequenz führen, da natürlich auch Herr Ditz und Herr Kranebitter nicht Helden sind, weil Sie jetzt gehen. Die verlassen in Wirklichkeit das sinkende Schiff! Die haben selbst dazu beigetragen, dass in den letzten Jahren die Hypo weiter in den Abgrund geführt und das ganze Kundengeschäft kaputtgemacht wurde. Das wird ja heute völlig außer Acht gelassen.

Die gehen nur rechtzeitig, um sich für die letzten Jahre nach dieser Zwangsverstaatli­chung ohne Not aus ihrer Verantwortung zu stehlen und versuchen, jetzt jemand an­deren hineinzutheatern. Nun taucht der Liebscher auf, der jetzt wieder Aufsichtsrat ist, obwohl er schon vorher versagt hat. Es sind immer dieselben rot-schwarzen Herrschaf­ten im Bankenbereich, bei der FMA, im Finanzministerium, in den Aufsichtsräten und überall, bis hin zur Nationalbank, die sich gegenseitig kontrollieren und gegenseitig be­aufsichtigen. Da erwartet man, dass jemals irgendetwas aufgedeckt werden soll?  Na­türlich nicht. Das sind die Zudeckungsritter dieser Republik, im wahrsten Sinne des Wortes. (Beifall bei der FPÖ.)

16.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Krainer zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die GO-Bestimmungen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 151

16.36.24

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Abgeordneter Strache hat gerade ge­meint, dass wir zurzeit die höchste Steuerbelastung in Österreich hätten. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) – Das ist falsch!

Wir haben eine Steuerbelastung von unter 43 Prozent. (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) Die höchste Steuerbelastung hatte Österreich unter dem blauen Finanzminister Grasser mit 45 Prozent. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ. – Abg. Krainer  das Rednerpult verlassend –: Das ist einfach die Wahrheit! Abg. Ing. Wes­tenthaler: Haben Sie das mit der Wünschelrute ausgerechnet?)

16.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


16.36.58

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist dasselbe passiert, was schon seit Jahren passiert, nämlich dass vonseiten der SPÖ und der ÖVP diese fatale Notverstaatlichung mit zwei Hauptargumenten begründet wird. Das Hauptargument eins ist das Argument der Landeshaftungen. Herr Kollege Cap hat es heute wieder gebracht. Ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal, denn Sie kennen sich offenbar beim Wünschelrutengehen aus, aber nicht bei den Bankbestim­mungen, Herr Kollege Cap.

Sie haben selber richtig gesagt, dass es sich um Ausfallsbürgschaften handelt. Der Unterschied zu gewöhnlichen Haftungen ist, Herr Kollege Cap, dass bei Ausfallsbürg­schaften zuerst der Eigentümer gehaftet hätte, und das wäre die Bayerische Landes­bank gewesen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Daher ist die Frage berechtigt, warum der österreichische Steuerzahler für die Miss­wirtschaft einer deutschen Bank zur Kasse gebeten wird. Wenn Sie den Kopf schütteln, Herr Cap, dann zitiere ich Ihnen dazu den Obersten Gerichtshof.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage der Ausfallsbürgschaft und zur Frage, wen sie trifft, in einer Entscheidung im September 2012 Folgendes erkannt:

Der Gläubiger kann erst dann auf den Bürgen greifen, wenn er gegen den Haupt­schuldner geklagt und vergeblich Exekution geführt hat– Zitatende.

Und Hauptschuldner war die Bayerische Landesbank als Eigentümer der Hypo Alpe-Adria. Informieren Sie sich zuerst richtig, bevor Sie draußen den Leuten Schmähs er­zählen, Herr Kollege Cap! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Jetzt wird es interessant: Das zweite Hauptargument für die Notverstaatlichung ist, dass gesagt wird, wir seien in einer Notsituation gewesen, die EU-Kommission habe angerufen und es seien alle so böse gewesen, die Kärntner und die Bayern. Die gro­ßen Prölls, Schieders und Peschorns hätten in einem Notwehrakt noch gerettet, was zu retten war. So lautet die Argumentation der Regierungsparteien.

Wir halten dem entgegen  Herr Kogler hat es heute schon gesagt , dass wir befürch­ten, dass diese Notverstaatlichung schlichtweg schlecht verhandelt wurde, weil Sie sich von den Bayern über den Tisch ziehen haben lassen, und zwar aus einem ein­fachen Grund: Die Bayern hätten sich diese Pleite überhaupt nicht leisten können, nicht nur wegen der Haftungen, die sie letztendlich getroffen hätten, sondern auch we­gen der gesamten Situation der Bayerischen Landesbank zum damaligen Zeitpunkt. Und jetzt wird es spannend. (Abg. Dr. Cap: Was sagt der Tilo Berlin?) Was der Tilo Berlin sagt, ist mir wurscht. (Abg. Dr. Cap: Der Tilo Berlin ist wichtig!) Ich zitiere jetzt aus einem internen Mail der BayernLB, denn das ist viel interessanter.


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Herr Pröll hat immer argumentiert, die Bayern seien nicht bereit gewesen, einen weite­ren Beitrag zu leisten, und hat damit auch die Notverstaatlichung begründet. Meine Da­men und Herren, dieses interne Mail aus der Bayerischen Landesbank, das ich aus München habe, beweist das glatte Gegenteil und überführt den ehemaligen Finanzmi­nister Pröll schlichtweg der Lüge. (Abg. Dr. Bartenstein: Ui, ui, ui!) Ich kann es be­weisen, Herr Kollege Bartenstein. Hören Sie sich an, was in dem Mail steht!

Ein Mail von einem ranghohen Mitarbeiter der Bayerischen Landesbank, gesendet am Dienstag, dem 24. November 2009, um 14.46 Uhr. (Abg. Gahr: Von wem?) Benedikt Haas, wenn Sie es genau wissen wollen, heißt dieser Mitarbeiter. 24. November 2009, 14.46 Uhr, versendet an die führenden Kabinettsmitarbeiter des damaligen bayeri­schen Staatsministers für Finanzen Fahrenschon, Betreff: Hypo Group Alpe-Adria – weiteres Vorgehen, Status: Streng vertraulich!

Was schreibt hier der Herr Benedikt an den bayerischen Finanzminister, meine Damen und Herren? Er führt eingangs aus, dass die BayernLB derzeit an einer „Zwischenlö­sung“ arbeitet in Sachen Hypo Group Alpe-Adria, und schlägt dann vor, dem Herrn Finanzminister Pröll einen Brief zu schreiben. Und dieser Brief ist dann auch angeführt. Ich zitiere:

„Wie soeben mit Herrn Dr. Haumer besprochen, bat mich Herr Dr. Kemmer, mit Ihnen zu klären, ob es sinnvoll sein könnte, jetzt einen Brief von STM Fahrenschon an Mi­nister Pröll mit etwa folgendem Inhalt zu schreiben:“

Und jetzt kommt dieser Brief, der meinen Informationen nach – und ich habe ihn auch vorliegen – an den Finanzminister Pröll tatsächlich verschickt wurde. Da erklärt er, dass man bereits am 20.11.2009 telefoniert hat wegen der schwierigen Situation bei der Hypo, dass man sich darauf geeinigt hat, da einen Weg zu suchen. Und dann kommt der entscheidende Absatz – ich zitiere – :

„Inzwischen arbeitet die BayernLB an einem Vorschlag, wie eine kurzfristige Stabili­sierung der Hypo Group Alpe-Adria unter Einbindung der übrigen Aktionäre und der Republik Österreich erreicht werden kann.“

Damit wird ja auch eingangs argumentiert. Die BayernLB selber arbeitet an einer Zwi­schenlösung und schreibt das in diesem Brief auch an Pröll. Das heißt, spätestens seit dem 24. November 2009 hat der Finanzminister Pröll gewusst, dass die Bayerische Landesbank an einer Zwischenlösung arbeitet und sie bereit gewesen wäre, sich wei­ter zu engagieren. Das geht nämlich jetzt aus diesem Mail weiter hervor.

Und jetzt wird es besonders interessant. Pröll behauptet, die Bayern waren nicht bereit, einen Cent zu zahlen. – Stimmt nicht, denn ganz am Schluss dieses Briefes steht dann in fetten Lettern:

„Nur für das Staatsministerium der Finanzen – nicht Bestandteil des Briefes:“ – drei Rufzeichen – „mögliche Eckpunkte für eine Stabilisierung der Hypo Group Alpe-Adria – vorläufige Arbeitsfassung“.

Und jetzt kommt es, was die Bayern mit dieser Zwischenlösung meinen – wörtliches Zitat –:

„Annahme:

Die BayernLB bleibt bei ihrer Haltung, kein neues Eigenkapital für die Hypo Group Al­pe-Adria zur Verfügung zu stellen. Es wird zunächst das Ziel weiterverfolgt, die“ kurz­fristige „Abgabe der Hypo Group Alpe-Adria an die Republik“ Österreich „zu erreichen.“

Und jetzt kommt es:

„Da jedoch zu erwarten ist, dass die Republik“ Österreich „keine kurzfristige Übernah­me der Hypo Group Alpe-Adria vollziehen wird, sondern zunächst nur eine Zwischenlö-


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sung realistisch ist, wird folgende Strukturierungsvariante vorgeschlagen, die zeitver­setzt zum gleichen Ergebnis () führen soll:“

In anderen Worten: Die BayernLB hat sich damals gedacht, die Republik, der Pröll wird ja nicht so deppert sein und diese Bank wirklich 1 : 1 übernehmen. (Abg. Grosz: Doch! Doch! Doch! Doch! – Abg. Strache: O ja, das geht eine!)

Noch einmal das Zitat: „() dass die Republik“ Österreich „keine kurzfristige Übernah­me der Hypo Group Alpe-Adria vollziehen wird ()“

Und dann schlägt die BayernLB selber in diesem Brief dem bayerischen Finanzmi­nister, damals Fahrenschon, in 15 Punkten vor, wie ein weiteres Engagement der Bay­ernLB in der Hypo aussehen könnte. Und der zentrale Punkt hier lautet, ich zitiere wörtlich:

„Erarbeitung eines Langfristkonzeptes, das der BayernLB einen Exit ermoeglicht

via Verkauf oder

Sanierungskonzept, welches zu Dekonsolidierung führt“.

Das schreibt hier die BayernLB, und damit ist schwarz auf weiß belegt das, was Kolle­ge Kogler gesagt hat, nämlich, dass der Pröll sich über den Tisch ziehen hat lassen, aus welchen Gründen auch immer (Beifall bei BZÖ und FPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen), weil die BayernLB davon ausgegangen ist, dass Österreich die Notver­staatlichung nicht durchführen wird, und weil die BayernLB bereit gewesen wäre, mit­tels eines eigenen Konzeptes, das sie hier anführt, sich weiter zu engagieren. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Umso mehr stellt sich die Frage, Herr Kollege Bartenstein, wenn die BayernLB davon ausgegangen ist, dass Österreich nicht notverstaatlichen wird, wenn die BayernLB in­tern an Konzepten gearbeitet hat, um eine Weiterfinanzierung sicherzustellen, wenn das sogar in einem eigenen Brief dem Finanzminister Pröll mitgeteilt wurde, dass diese Bereitschaft besteht, dass man an dieser Zwischenlösung arbeitet: Warum hat dann der Finanzminister Pröll diese Misswirtschaft der deutschen Bank trotzdem auf Kosten des österreichischen Steuerzahlers notverstaatlicht? Das ist die zentrale Frage! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Grosz: In Wahrheit ist das, was der Pröll gemacht hat, strafrechtlich relevant!)

Daher fordern wir auch und beantragen heute nochmals die Einsetzung eines Untersu­chungsausschusses, weil nämlich etwas ganz anderes passiert ist: Die Bayern haben das nicht auf Ebene der Banken verhandelt, zwischen BayernLB und Hypo, sondern das wurde auf Ebene der Minister verhandelt. Denn aus einem anderen Dokument geht hervor, dass der Minister Fahrenschon schon im August 2009 mit Finanzminister Pröll – entgegen dessen öffentlicher Darstellung – die Notverstaatlichung der Hypo Group Alpe-Adria besprochen und fixiert hat. Und das wollen wir untersuchen und auf­klären. (Abg. Dr. Bartenstein: Sie wollen ablenken von Ihren eigenen Fehlern!)

Es wundert einen dann nicht, dass die BayernLB in einem internen Statusbericht – ha­be ich auch aus München mitgebracht – sich des tollen Verhandlungsergebnisses rühmt und sagt: Wir waren so super. Wir haben die maximalen Ziele erreicht, die wir erreichen wollten. Zitat:

„5. Verkaufsverhandlungen – Ergebnisse

()

Wichtige Leitlinien und Vorgaben des Freistaats Bayern wurden in den Verhandlungen erreicht:

Keine Abgabe von Garantien durch die BayernLB

Keine neue Kapitalzuführung


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Erster notwendiger Schritt zur Dekonsolidierung und Abbau von Risikoaktiva innerhalb der BayernLB Gruppe“

Das heißt, die haben intern dieses Ergebnis abgefeiert und sich zu Recht riesig ge­freut, dass sie der Republik Österreich diese Bank umgehängt haben.

Und zum Schluss noch ein anderer Punkt, den ich ansprechen möchte, abgesehen da­von, dass das untersucht gehört. Ich kann Ihnen genau sagen, Frau Finanzminister Fekter, warum Sie keine Bad Bank wollen: weil der Notverstaatlichungsvertrag selber die Einrichtung einer Bad Bank de facto verunmöglicht, weil da zwei Voraussetzungen in diesem Vertrag festgelegt sind. Erstens, dass es die Zustimmung der Bayern braucht, mit denen Sie gerade prozessieren. Viel Spaß! Und zweitens, dass die Bay­ernLB sofort bei der Einrichtung einer Bad Bank über 3 Milliarden € österreichisches Steuergeld zusätzlich in den Rachen geschmissen bekommt. Das hat der Finanzminis­ter Pröll damals mit dem Peschorn verhandelt. (Abg. Grosz: Unfassbar! Unglaublich! Unfassbar! Der gehört eigentlich hinter Schloss und Riegel! – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Ist der Pröll auf freiem Fuß?)

Ich brauche das gar nicht selber behaupten, ich zitiere dazu die EU-Kommission, die zu diesem entscheidenden Passus feststellt, dass mit diesem Passus seitens der Re­publik Österreich den Bayern ein Vorteil verschafft wurde. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schluss.

Weiters stellt die EU-Kommission fest: „In einem solchen Szenario“, wenn Österreich diese Garantie nicht übernommen hätte, „hätte die BayernLB einen wesentlich höheren Verlust gehabt.“ (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Und sie kommt zur Schlussfolgerung, dass die Notverstaatlichung eine Maßnahme darstell­te – Zitat –, „die für die erfolgreiche Umstrukturierung der BayernLB notwendig“ war. Und nicht der Hypo Group Alpe-Adria! Der BayernLB, sagt die EU-Kommission! (An­haltender Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

16.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Petzner, Ihre 10 Minuten sind nicht nur vorbei, sondern überzogen. (Abg. Petzner versucht, seine Rede fortzu­setzen.) – Nein, Herr Abgeordneter, ich muss konsequent sein! Sie sind nicht mehr am Wort!

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die GO-Bestimmungen. – Bitte.

 


16.48.17

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! – Der Abgeordnete Petzner hat mit hochrotem Kopf und gestrecktem Zeigefinger hier behauptet, dass die Ausfallshaftungen des Landes Kärnten von 20 Milliarden € für den Schuldner Bayeri­sche Landesbank gegeben worden wären.

Ich berichtige tatsächlich: Die Ausfallshaftung ist ausschließlich für Verbindlichkeiten der Hypo Alpe-Adria und ihrer Gesellschaft gegenüber Dritten gegeben worden.

Roter Kopf, ja oder nein: Einfach falsch! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Rufe und Gegen­rufe zwischen Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

16.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


16.49.00

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir haben jetzt schon einiges vom Kollegen Petzner gehört. Ich glaube, dass die ganze


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Diskussion letztlich nur um zwei Faktoren geht: Die Regierung will aus ganz nachvoll­ziehbaren Gründen hier einiges zudecken, und die Opposition will hier einiges aufde­cken. Und genau in diesem Spannungsfeld diskutieren wir heute.

Es geht ja letztlich überhaupt nicht darum, jetzt der Frau Minister unmittelbar eine Schuld zu geben für die Notverstaatlichung und für die Probleme, die dadurch entstan­den sind. Es geht ja vielmehr darum, herauszufinden, wo tatsächlich die Schuldigen sind. Und da muss man ein bisschen in die Vergangenheit schauen. Wir haben ja jetzt einiges gehört vom Kollegen Petzner.

Wir haben gehört, dass die BayernLB 2007 die Bank gekauft hat vom Herrn Haider, der ganz eindeutig in die Verträge reingeschrieben hat, dass es auch dann, wenn die Bayern draufkommen, dass sie da sozusagen die Katze im Sack gekauft haben, kein Rückgaberecht gibt. Das war damals so verhandelt. Das heißt, die Bayern haben diese Bank gekauft, mit all den Problemen, die damit verbunden waren und auch schon 2007 sichtbar waren.

Herr Cap hat ja über die Bilanzsummen hier Auskunft gegeben. Sie haben aber etwas vermieden, und zwar ganz bewusst: Sie haben über die Volumina im Jahr 2008 ge­sprochen. Aber es geht auch um die Steigerung von dem Zeitpunkt, wo die Bayern ge­kauft haben, bis zu dem Zeitpunkt, wo die Probleme entstanden sind. Und man muss sich Folgendes anschauen: Die Bilanzsumme ist in diesem Zeitraum, also vom Kauf weg, von 24 Milliarden auf 41 Milliarden gestiegen  also fast eine Verdoppelung; oder die Kundenkredite: von 10,9 auf 18,8 Milliarden; oder, noch viel schlimmer, das Volu­men der Leasing-Verträge: von 2,7 auf 8 Milliarden; und das gesamte Finanzierungs­volumen: von 13,6 auf 26,8 Milliarden €.  Und genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Das heißt, die Bayern haben sich diese Bank gekauft, und zwar deshalb, weil sie wuss­ten, dass die Hypo sehr windig geführt war. Und das war sie. Die Hypo war windig ge­führt. Die Hypo hat jedem Kredit gegeben, der einen wollte. Und die Bayern haben diese Bank ganz bewusst gekauft, weil sie in ihrem eigenen Portfolio sehr konservativ waren und sie eine Bank wollten, wo sie eine andere Art von Geschäften machen konnten. So wie das damals die Kommunalkredit auch gemacht hat, indem sie eine Bank auf Zypern gegründet hat, um dort die windigen Geschäfte zu machen. Genauso sind die Bayern hergegangen und haben sich die Hypo ganz bewusst 2007 vom ös­terreichischen Staat beziehungsweise von Kärnten gekauft, um eben hier auf Teufel komm raus Geschäfte machen zu können. Das war auch die offizielle Linie. Es gibt ja ein Schreiben dazu, wo gesagt wird: Expansion um jeden Preis.

Irgendwann einmal sind dann die Bayern, nachdem das ziemlich in die Hose gegangen ist, draufgekommen, das funktioniert nicht, das geht schief. Und was haben die Bayern gemacht?  Sie haben einen Weg gefunden, die Bank wieder loszuwerden. Jetzt hat­ten sie aber laut Vertrag nicht die Möglichkeit, diese Bank wieder loszuwerden, weil der Herr Haider – man kann von ihm halten, was man will – so schlau war und in die Ver­träge geschrieben hat, wir nehmen die Bank nicht zurück, komme, was da wolle. Und jetzt hat man jemanden finden müssen – und das hat der Herr Petzner sehr gut formu­liert –, der so dumm ist und diese Bank kauft oder wieder zurücknimmt. Und das war natürlich nicht einfach, keine Frage.

Was hat man jetzt gemacht? Und da habe ich auch ein paar schöne Zahlen für Sie, und zwar: Kurz bevor die Notverstaatlichung passiert ist, hat die Muttergesellschaft, die Bayerische Landesbank, der Hypo, die ohnehin schon in Schwierigkeiten war, 1,1 Mil­liarden an Geldern entzogen. Und weil das immer noch nicht gereicht hat, um sie in die Pleite zu führen und um sie in Schwierigkeiten zu bringen, haben sie ihnen obendrauf noch eine Kreditlinie, die vereinbart war, um 625 Millionen gekündigt. Und dann war Feuer am Dach, dann waren sie wirklich in Schwierigkeiten.


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Dann ist man zum Finanzminister Pröll gegangen  der das aber gewusst hat. Es gibt auch einen Briefverkehr dazu. Der hat das gewusst. Er hat gewusst, dass die Mutter­gesellschaft die eigene Hypo so in Schwierigkeiten bringt, dass hier ein Ausfallsrisiko gegeben wäre. (Bundesministerin Dr. Fekter: Richtig!) Und jetzt ist der Steuerzahler eingesprungen, denn sonst wären Haftungen und was da alles im Raum steht, schla­gend geworden.

Nur, man hat sich anscheinend nicht die Frage gestellt: Warum macht das die Bay­ernLB? Warum machen sie das? Warum entziehen sie der eigenen Bank das Geld, um sie in Schieflage zu bringen? Warum wohl?  Weil sie uns, vertreten durch den Herrn Finanzminister, motivieren wollten, dieses Risiko auf uns zu nehmen. Und er hat es auch gemacht. Er hat dieses Risiko auf uns genommen, obwohl er wusste, dass das provoziert war, und obwohl er wusste, dass diese Ausfallshaftungen niemals in diesem Umfang schlagend geworden wären.

Wenn Sie jetzt erzählen, das ist ein Wahnsinn, dass die Kärntner so viele Ausfallshaf­tungen übernommen haben: Wie kann man nur, wie kann man nur?, dann sage ich Ihnen jetzt etwas: Die Stadt Wien hat Ausfallshaftungen für die Bank Austria von 16,6 Milliarden € – nur die Stadt Wien. (Abg. Dr. Matznetter: Und wie hoch ist das Budget?) Na, was glauben Sie: Können die das stemmen? Können sie das stemmen?

Oder Niederösterreich: 6,8 Milliarden! (Abg. Dr. Matznetter: Wie hoch ist das Bud­get?) Okay, das Budget, aber: Was ist mit Tirol? 6,9 Milliarden! Glauben Sie, dass Tirol das stemmen kann, 6,9 Milliarden Ausfallshaftungen? Steiermark: 4 Milliarden; Vorarlberg: 7 Milliarden Ausfallshaftungen.

Also wenn das so wäre, was Sie da behaupten, dass solche Ausfallshaftungen immer zu 100 Prozent schlagend werden und das eine absolute Katastrophe wäre, dann müssten Sie sofort auf Ihr Pferd steigen, Frau Finanzministerin, und hinausreiten in die Länder und dort schauen, dass Sie diese Haftungen loswerden. (Beifall beim Team Stronach.) Denn letztlich würden diese Haftungen ja genau zu dem führen, was Sie immer wieder hier behaupten, was aber falsch ist. Es ist falsch, dass diese Haftungen per se schlagend werden. Es ist einfach falsch! (Abg. Dr. Cap: Wenn das der Frank hört! – Abg. Dr. Wittmann: Was sagt der Frank, wenn er das hört?)

Jetzt noch einmal zu Ihrem Stil, Frau Finanzministerin, weil ich kritisiert wurde, als ich gesagt habe, dass Sie die Opposition diffamiert haben, weil die Opposition etwas will, was ihr wirklich zusteht. Es steht uns als Parlamentariern zu, die Frau Ministerin zu fra­gen – dafür sind wir ja heute hier. Ich glaube, das haben viele noch gar nicht verstan­den, dass wir heute hier sind und eine Anfrage, sogar eine Dringliche Anfrage an die Frau Finanzministerin stellen, die Fragen beinhaltet, die für uns interessant sind – mag sein, auch für die Bürger draußen, aber in erster Linie für uns –, weil wir das Recht haben, von der Frau Finanzministerin auch Auskunft zu bekommen. (Beifall beim Team Stronach. – Bundesministerin Dr. Fekter: Das respektiere ich auch!)  Überhaupt dann, wenn es um Milliarden geht.

Und was machen Sie? Was machen Sie? (Bundesministerin Dr. Fekter: Dass ich das respektiere!) Sie stehen auf, diffamieren uns deshalb, Sie sagen  (Bundesministerin Dr. Fekter: Aber geh!) – Na was? Sie haben uns nicht diffamiert? Sie haben behaup­tet, nur weil wir die Fragen stellen, wie viel an Belastungen jetzt auf die Steuerzahler zukommen wird, wie viel jetzt tatsächlich zu zahlen ist, verursachen wir diese Pro­bleme. Sie haben behauptet, wir sind überhaupt die Ursache dafür, dass der Steuer­zahler in die Tasche greifen muss. Wenn das keine Diffamierung ist, dann weiß ich es nicht.

Und dann haben Sie noch etwas gesagt. Sie haben gesagt, dass wir auch dafür ver­antwortlich sind, dass die Bank in Schieflage gerät, wenn wir hier diese Fragen stellen, weil eben die Kunden dann die Gelder abziehen und Sonstiges.


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Frau Finanzministerin, die Hypo ist auf die Einlagen bezogen die sicherste Bank Öster­reichs. Wissen Sie warum? Weil der Eigentümer der Staat Österreich ist. Und der Staat Österreich kann nur ganz, ganz schwer pleitegehen, außer Sie bemühen sich weiter so. Aber normalerweise kann der Staat nur ganz, ganz schwer pleitegehen, und des­halb ist die Hypo, was die Einlagen betrifft, die sicherste Bank. Das kann ich jedem sagen, der sein Geld von dort abziehen will: Es gibt keine sicherere Bank in Österreich! Da können die anderen Banken alle einpacken.

Daher: Erzählen Sie hier nicht diesen Lavendel, dass wir die Bank gefährden, weil wir von Ihnen das wissen wollen, was Sie uns gefälligst auch zu sagen haben, nämlich mit welchen Belastungen die Steuerzahler nach der Wahl rechnen müssen! – Das sind in etwa 9 Milliarden €. Ich kann es Ihnen sagen, wenn Sie es nicht sagen wollen. Das sind ungefähr drei große Steuererhöhungspakete, wenn man sich die Geschichte an­schaut. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Mehr! Viel mehr!)

Die Bürger können sich auf ungefähr drei große Steuererhöhungen einstellen, wirklich große wie Mehrwertsteuererhöhungen oder Sonstiges, wenn diese 9 Milliarden Realität werden. Und das werden sie, das sagen Ihnen auch Ihre eigenen Leute.

Sie machen hier nichts anderes, als zuzudecken, Sie wollen verschleiern. Sie riskieren, dass wir zusätzliche 2 Milliarden zahlen müssen, weil wir diese Bad Bank jetzt nicht sofort einrichten, noch vor der Wahl. Wenn wir das täten, würden wir es verhindern, dass wir diese 2 Milliarden zusätzlich zahlen müssen. Sie riskieren diese 2 Milliarden nur aus einem einzigen Grund: weil Sie sich bei der Wahl dadurch bessere Wahlergeb­nisse erhoffen. Und das ist nicht redlich. (Beifall beim Team Stronach.) Und das ist kein Wahlkampfgeplänkel, wie die Frau Präsidentin gesagt hat, das ist eine Tatsache, und das muss auch einmal in der Deutlichkeit gesagt werden. (Beifall beim Team Stro­nach.)

16.59

16.59.02*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann Lugar, für die mehrfache Ver­wendung – ich habe Sie vorher schon abgemahnt – der Unterstellung der Diffamie­rung erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall des Abg. Dr. Bartenstein. – Abg. Dr. Wittmann: Was sagt der Frank zum Ordnungsruf? – Abg. Dr. Cap: Das werde ich dem Frank erzählen, was ich da gehört habe!)

*****

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


16.59.14

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Finanzministerin! Meine Damen und Herren! Wie hat es geklungen? Fekter: „Es ist nicht verwerflich, sich für die Interessen des Steuerzahlers einzusetzen “ Das war Ihr Zitat: „Es ist nicht ver­werflich, sich für die Interessen des Steuerzahlers einzusetzen ...“

Frau Ministerin, ich bin eine Steuerzahlerin, und ich lese täglich die Zeitungen, inländi­sche, ausländische. Ich kann auch über die Medien die Debatte im Parlament verfol­gen, kann sie sogar auch direkt sehen und frage mich:

Erstens: Wieso werden die sogenannten kriminellen Machenschaften und Energien, die der Abgeordnete Stummvoll benannt hat und die dazu führten, dass die Hypo Alpe-Adria zu einer derartigen Belastung wurde, geradezu der Schauplatz für gerichtsrele­vante Machenschaften ist, noch nicht aufgeklärt? – Das frage ich mich als einfache


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Steuerzahlerin in die Vergangenheit blickend. Wieso konnte es so weit kommen? Wie­so wurde das noch nicht aufgeklärt? (Bundesministerin Dr. Fekter: Staatsanwalt­schaftsanhängig!) – Danke für die Antwort, Frau Ministerin, ich warte auf die Staatsan­waltschaft.

Zweitens frage ich mich: Wieso ist es möglich, dass wegen einer Bank, die Hypo Alpe-Adria heißt und im Eigentum der Bayerischen Landesbank ist, auf einmal ein österrei­chischer Finanzminister in einer Notsituation dem Land Bayern, der Politik Bayerns, der Bank Bayern mit österreichischem Steuergeld unter die Arme greift? Wieso? (Zwi­schenruf des Abg. Krainer.) – Das ist eine ganz naive, einfache Frage. Und ich bin sehr dankbar, dass der Herr Abgeordnete Petzner mir als einfacher Steuerzahlerin aus den Dokumenten endlich einmal eine Erklärung präsentiert hat.

Und diese Frage – Wieso konnte in der Situation einem fremden Eigentümer mit eige­nem Steuergeld ein Hochrisikounternehmen abgekauft werden? – haben Sie mir nicht beantwortet, Frau Ministerin! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Dürfen Sie auch nicht untersuchen!)

Sie haben gesagt – ich zitiere wieder –: Das war damals eine sehr instabile Finanzsi­tuation in Europa. – Zitatende.

Da haben Sie recht, Frau Ministerin!

Sie haben gesagt: „Die Hypo war damals systemrelevant 

Ich lese, sie war es nicht; von verschiedenen Experten lese ich, sie war es nicht.

Und Sie haben gesagt, Frau Ministerin: Die Dominosteine wären gefallen, wenn man hier nicht eingegriffen hätte.

Ja, eingreifen musste aufgrund der Eigentümerstruktur der Staat Bayern. Der Staat Bayern war auch vonseiten der EU bereits in Vorbereitungen. Nur, da gab es anschei­nend – das beobachte ich als einfache Steuerzahlerin – irgendeinen ehrgeizigen, am­bitionierten, couragierten, Nächsten liebenden, Bayern liebenden österreichischen Fi­nanzminister, der anscheinend zu viel österreichisches Steuergeld hat und damit bay­erisches Eigentum schützt. (Abg. Dr. Bartenstein: Wie kommen Sie darauf?) – Anders kann ich das nicht interpretieren. Erklären Sie es mir, wenn es anders war. Aber aus der fachlichen Zeitungslektüreperspektive und so weiter ist das so. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Und dann geht das ja weiter. Die Republik ist Eigentümer, und die Republik versucht jetzt, diese Malaise, dieses Bankkonvolut, dieses 11 Milliarden-Schuldenkonvolut ir­gendwie in Ihrem Sinne, Frau Ministerin, steuerzahlerschonend abzuwickeln oder sonst irgendwie zu managen. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Und dann lese ich als einfache Steuerzahlerin, da gibt es Aufsichtsräte, da gibt es Vor­stände, da gibt es Vorsitzende des Aufsichtsrats, und die ziehen überall die Reißleine, die gehen weg aus dieser Bank, weil sie die politischen Rahmenbedingungen für ihre Sanierungsarbeit nicht haben.

Da sagt einer, der jetzt sogar wieder Aufsichtsratsvorsitzender ist, Liebscher – gleich­zeitig auch in der Nationalbank tätig –, vor 14 Tagen: Wir werden nicht umhin kommen, eine Art Bad Bank zu machen.

Ich weiß ja noch gar nicht genau, was eine Bad Bank ist; ich erfahre das aus der Zei­tung. Das ist ein Konstrukt, ein Abwicklungsmodell, mit Hilfe dessen man die faulen Kredite aussondern kann. Das schlägt auf einmal der größte Bankexperte Österreichs, Liebscher, vor.

Das schlägt Kranebitter vor, ebenfalls ein aus dem Wirtschaftsbereich kommender, der ÖVP nahestehender Experte. Er verlässt die Bank ebenfalls, genau wie vorher Ditz. Ich


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sehe, da muss irgendetwas politisch nicht stimmen, wenn die Experten reihenweise die Segel streichen, reihenweise das Schiff verlassen. – Und wir stehen da und hoffen.

Ich lese in der Zeitung, die Frau Ministerin sagt: Unsere Hoffnung – ihr Ansatzpunkt –: kreative Lösungen, Verwertungsgesellschaften, Beteiligungsgesellschaften, Fondslö­sungen, Stiftungslösungen.

Ich hätte gerne gewusst, wann das jetzt wirklich passt. Ich hätte es gerne gewusst, weil auf der anderen Seite wird das Volumen, mit dem wir sozusagen die Abbauteile der Bank bedienen müssen, immer größer: 11,7 Milliarden, dann hört man 12, 13, von 17 Milliarden wird schon gesprochen.

Im Budget – ich schaue nach, weil ich muss ja als Steuerzahlerin auch dafür sorgen, dass das Budget irgendwie befüllt wird – wurde keine Vorsorge getroffen. Da liest man, wenn man die Möglichkeit hat, über Internet auf die Homepage des Finanzministeriums zu kommen, von Rückstellungen, ich glaube, von diesen ominösen 133 Millionen, aber weiter geht es nicht. Und irgendwann haben wir schon einmal 700 Millionen zur Verfü­gung gestellt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Letztlich sorge ich mich als einfache Steuerzahlerin: Wie soll das die Republik, die den wirklich raffinierten Bayern in einem unglaublichen Akt von entweder Blödheit oder Nächstenliebe diese Hypo Alpe-Adria abgekauft hat, wie soll dieses Österreich das jemals erstemmen? Wie soll Österreich das erstemmen, wenn wir Budgetsituationen haben, die uns selber schon ohne Hypo Alpe-Adria Sparpakete und so weiter aufzwin­gen?

Frau Ministerin, ich lese auch ausländische Zeitungen, und da lese ich und kann nach­vollziehen, dort gibt es ebenfalls Problembanken, zum Beispiel Hypo Real Estate. So, jetzt schaue ich nach, wie wurde umgegangen mit der Hypo Real Estate? – Und dann lese ich, ja, da hat es auch einen Abbauteil der Bank geben, eine sogenannte Bad Bank, und das wurde fein auseinandergenommen, filetiert in die guten und die schlech­ten Teile, und man hat sie abgewickelt. (Abg. Petzner: So hätten Sie es machen müs­sen!)

Ich lese auch in englischen Zeitungen und auch in amerikanischen Journalen, dass man auf die Art und Weise vorgegangen ist und in den USA letztlich der Staat, sprich Präsident Obama, aus einem Bankenrettungspaket eine Gewinnmarge gemacht hat. Eine Gewinnmarge aber nur deshalb, weil man fein säuberlich die Guten von den Schlechten getrennt hat und sorgfältig diese Restrukturierungsmodelle angegangen ist und nicht gewartet hat.

Jetzt kommt mein Schlusssatz: Als einfache Steuerzahlerin kann ich jetzt nur ein Motiv beobachten: Warum wurde nicht rechtzeitig im Interesse und zum Schutz der Steuer­zahlerInnen gehandelt? (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Aufklärung verhindern!) Wa­rum wurde nicht aufgeklärt? – Anscheinend steht zuerst im Werthorizont die eigene Partei, der Wahltermin und erst dann kommt die Republik und erst dann kommen die SteuerzahlerInnen.

Das tragen wir nicht mit! Wir bieten Ihnen heute die Hand, dass wir rechtzeitig gesetzli­che Konzepte schaffen, damit Sie mehr Möglichkeiten haben, Frau Ministerin – darum reden wir ja sehr konstruktiv –, um endlich einmal Ihre kreativen Lösungen, Verwer­tungsgesellschaft, Beteiligungsgesellschaften, Fondslösungen, Stiftungslösungen oder auch Bad Bank, umzusetzen im Sinne der EU-Kommission. –Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 



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17.08.36

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, zum Stil, den Kollege Kogler am Anfang dieser De­batte eingeführt hat, zurückzukehren und die Debatte eher wieder auf ein sachliches Ni­veau zu heben. (Abg. Petzner: In Kenntnis deiner Person wissen wir, dass das schwie­rig sein wird!)

Für mich stellen sich im Wesentlichen drei Fragen bei der Debatte. Die erste lautet: Wer hat uns die Suppe eingebrockt? (Abg. Mag. Stefan: Die Frage ist: Was ist die Suppe?)

Die zweite lautet: Wer bezahlt die Rechnung?

Und die dritte lautet: Wie verhindern wir ein nächstes Mal?

Wer uns die Suppe eingebrockt hat, ist, glaube ich – zumindest von meiner Seite –, re­lativ klar. Der Grund, wieso Österreich notverstaatlichen musste, waren natürlich die Haftungen, die das Land Kärnten eingegangen ist. Herr Petzner hat ohnehin vollkom­men richtig gesagt, wenn der Schuldner, nämlich die Hypo Alpe-Adria, nicht zahlungs­fähig ist, dass dann der Gläubiger dran ist oder der Hafter, sprich das Land Kärnten. (Abg. Grosz: Aber zuerst hätten die Bayern gezahlt!) – Nein, das ist eben ganz falsch! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Schauen Sie, das ist eben das Problem, dass Sie da ganz falsch liegen. Das ist ein­fach ein ganz falscher Glaube, dass die Bayern hätten zahlen müssen, sondern die Bayern haben ja – Sie haben es ja selber quasi gesagt, wie arg – Geld abgezogen, nämlich ihre Kreditlinien abgekappt, damit sie nur noch ihr Eigenkapital verlieren. Das wären damals zirka 2 Milliarden € an Eigenkapital gewesen, das die Bayern drinnen hatten. Durch die Notverstaatlichung haben sie noch einmal ein bisschen unter 1 Mil­liarde nachschieben müssen und haben dadurch 3 Milliarden verloren.

Zusätzlich mussten sie der Bank noch einmal 3 Milliarden € an Liquidität zur Verfügung stellen. Und diese 3 Milliarden € werden jetzt seitens des Eigentümers, der Republik Österreich, als quasi Nachschusskapital gewertet und deswegen nicht zurückbezahlt. Das heißt, die Bayern haben 3 Milliarden € durch die Notverstaatlichung verloren, ab­züglich, glaube ich, 1 €. Das ist nämlich das, was sie von der Republik Österreich bekommen haben. Und sie haben jetzt noch 3 Milliarden €, sage ich einmal, um die sie schwitzen müssen oder um die wir schwitzen müssen. Das kann man so oder so se­hen. Das sind auf jeden Fall Gelder, die jetzt noch in der Bank sind, die die Bayern zu­rückverlangen und wo wir sagen, nein, die geben wir nicht mehr zurück.

Das ist die Situation. Und natürlich waren die Haftungen der Grund, wieso Österreich am Ende des Tages notverstaatlichen musste. Da hat es damals natürlich Diskus­sionen gegeben. (Abg. Mag. Kogler: So ein Blödsinn!)

Bitte, das ist ja nicht so lange her. Wir brauchen uns nur zu erinnern, es hat ja damals schon Diskussionen gegeben: Kann sich Bayern das reputationsmäßig leisten? Was bedeutet das für das Rating von Bayern? Was bedeutet das für die Refinanzierung von Bayern, wenn das passiert? – Aber das waren ausschließlich Reputationskosten, die das den Bayern gekostet hätte, für Österreich aber auch Reputationskosten, weil natür­lich die Hypo trotzdem, auch wenn sie eine bayerische Mutter hat, eine österreichische Bank war.

Wenn Sie sich die Volatilität der Refinanzierungskosten anschauen, Österreich und Bayern vergleichen, da sind wir wohl etwas volatiler und gefährdeter als die Bayern ge­wesen. Das ist im Nachhinein eine schwierige Frage. Nachher ist man quasi immer ge­scheiter, und mit dem Weitblick des Rückblicks sieht man manche Sachen vielleicht anders und sagt, das hätten wir vielleicht so machen können oder diesen Subparagra-


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phen so machen können. Ich wüsste jetzt nicht genau welchen, aber das kann schon sein, dass man hier im Nachhinein etwas findet.

Aber der Grund, wieso notverstaatlicht werden musste und meiner Meinung nach kaum eine Alternative dazu bestanden hat, waren die Haftungen. Da hätte Kärnten mit einem Schlag 17 Milliarden € auf den Tisch legen müssen, und Kärnten hätte das mit 2 Milliarden € Budget nicht machen können. Dann hätte Österreich mit einem Schlag das Geld auf den Tisch legen müssen, ob wir wollen oder nicht. Das heißt, wieso wir notverstaatlichen mussten, ist für mich absolut geklärt.

Die zweite Frage – Wer bezahlt die Rechnung? – halte ich einmal für eine wesentliche. Bei der allerersten Debatte habe ich gesagt, dass wir als Sozialdemokraten sicher nicht zur Verfügung stehen, dass wir jetzt Massensteuern wie Mehrwertsteuer und so weiter erhöhen, um diese Kosten zu zahlen. Wir haben von Anfang an gesagt, der Finanzsek­tor muss etwas zahlen. Deswegen gibt es auch die Bankenabgabe. Es gibt auch den Zuschlag, der befristet ist. Meiner Meinung nach ist es völlig richtig, diese Befristung aufzuholen, denn das wird viele Jahre dauern, bis so viel Geld durch die Bankenab­gabe hereinkommt, dass die Kosten für die Bankenrettung für die Republik herinnen sind. Mir ist es lieber, es zahlen die Banken diese Rechnung als es zahlen die Pen­sionisten, die Arbeitslosen oder eine andere Gruppe. Insofern steht die SPÖ nach wie vor dafür, dass wir ausdrücklich sagen, der befristete Teil der Bankenabgabe gehört unbefristet gemacht und die Rechnung, die es hier gibt, soll das Finanzsystem bezah­len und nicht die breite Masse in Österreich.

Zur dritten Frage – Wie verhindern wir ein nächstes Mal? –: Wir alle haben gemeinsam im Untersuchungsausschuss gesehen, welche Teile der Bankenaufsicht gut und wel­che schlecht funktionieren, und haben dann 2008 die Art und Weise, wie die Banken­aufsicht funktioniert, geändert. Wir haben eben dieses Strickleitersystem zwischen FMA und OeNB geschaffen. Ich glaube, wir konnten uns alle davon überzeugen, vielleicht nicht, dass alles perfekt läuft, aber dass das System der Bankenaufsicht zwischen FMA und OeNB um einiges besser funktioniert als das bis 2007 der Fall war. Ich glau­be, dass alle, die im Bankenausschuss waren  und ich sehe hier viele bekannte Ge­sichter, die das viele Stunden mit uns angeschaut haben , sagen werden: Ja, das funktioniert heute viel besser als damals.

Das ist natürlich auch eine wesentliche Frage: Wie verhindern wir ein nächstes Mal? – Ich glaube, dass eine derartige Konstruktion, eine derartige Expansion, ein derartiges Risiko und auch ein „Sie wissen nicht, was sie tun“ in Wahrheit in der Bank heute nicht mehr möglich ist, wie das bei der Hypo der Fall war. Insofern glaube ich, dass wir auch mit all den Gesetzen, die wir morgen beschließen – sprich Basel III, Bankeninterven­tions- und ‑restrukturierungsgesetz –, richtige Antworten geben, dass wir das nächste Mal wesentlich besser agieren können. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


17.15.02

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Parlament und Hohes Haus! Das Land Kärnten ist eine Haftung als Ausfallsbürge in der Höhe von bekanntlich 20 Milliarden € eingegangen, und zwar für den Fall des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Hypo Alpe-Adria. Wenn jetzt, was zu erwarten und zu befürchten gewesen wäre – und ich bin hier ganz eins mit Krainer –, die Bayern die Hypo Alpe-Adria den Bach hinuntergehen hätten lassen, dann wäre natürlich Insolvenz, Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Und nicht erst nach Abwicklung des Verfahrens, sondern bereits in der Einleitung des Insolvenzverfahrens


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wäre es zur vollen Bürgschaft des Landes Kärnten und natürlich subsidiär der Republik Österreich gekommen, in der Höhe von sage und schreibe 20 Milliarden €.

Und das, meine Herren Petzner und Grosz, können Sie nicht wegdiskutieren! Das kön­nen Sie ebenso wenig wegdiskutieren wie die Tatsache, wer uns denn die Suppe ein­gebrockt hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nicht Krainer hat uns die Suppe eingebrockt, seine Analyse ist völlig richtig. Ein auf Wachstumswahn eingestellter Kulterer – da ist die Geschichte mit den viereinhalb Jah­ren und dass da Fremdmittel im Kreis gedreht wurden, plötzlich Eigenmittel geworden sind und weg von Liechtenstein zurück nach Österreich, ein Klacks im Verhältnis zu al­lem anderen. Aber das Gros dieses Wachstumswahns ging ja nach Kroatien und auch an den Balkan, und dort wurden die Kredite leichtfertigst vergeben. Dort wurden Bilanz­summen aufgebläht, um eben noch größer und noch schöner und noch besser zu sein. Dass das zum Teil natürlich auch mit der politischen Rückendeckung des damaligen Landeshauptmannes in Kärnten passiert ist, ist ebenso klar wie klar ist, dass es in Kärnten natürlich auch das eine oder andere Thema gegeben hat – Schlosshotel Vel­den, und, und, und –, wo spürbar ist, dass das eine geschehen ist, weil man eben das andere politisch wollte. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um diese Fakten können und wollen wir uns nicht herumschwindeln. Es ist einfach nicht so, dass man das den Bayern umhängen hätte können, dagegen verwahre ich mich. Da geht es nicht um Finanzminister Pröll, da geht es auch um die exzellenten Top-Beamten unseres Finanzressorts, um die Fi­nanzprokuratur, die da mitverhandelt haben, auch Schieder war dabei, soviel ich weiß, die jetzt natürlich das Beste für uns herausgeholt haben, so teuer das auch sein mag. Aber sie haben das Beste herausgeholt. Und es war keinesfalls so, wie es Frau Dr. Mo­ser geschildert hat: sie wisse nicht wieso, aber wir seien so bayernfreundlich, und, und, und – also das ganz sicherlich nicht!

Herr Kollege Kogler, eines kreide ich Ihnen schon ein Stück weit an, weil Sie immer auf differenziertes Argumentieren Wert legen, zu Recht Wert legen, aber da haben Sie heute ganz schön daneben gehaut. Sie haben nämlich die „Presse“ und Herrn Urschitz zitiert, aber nur teilzitiert.

Jetzt kommen wir noch zum Reputationsschaden, der für die Bayern eintreten hätte können und/oder für uns. Erstens einmal, lesen Sie die gestrige „Presse“ ganz. Sie ha­ben es auch ganz gelesen, Sie haben es nur halb zitiert.

Urschitz sagt ganz deutlich, er hat diesen Ausdruck alternativlos zwar nicht gerne – ich auch nicht, Sie auch nicht –, aber diese Notverstaatlichung war ziemlich alternativ­los.

Zweitens sagt Urschitz, es geht ja nicht nur um die Notverstaatlichung, weil Österreich solcher Schaden entstanden wäre. Wir hätten es uns als Staat leisten können, wären damit nicht Pleite gegangen, aber Kroatien und andere Balkanstaaten wären unter Um­ständen mit der Hypo Alpe-Adria-Pleite den Bach hinuntergegangen, und das hätten wir uns politisch nicht leisten können und wollen. (Abg. Mag. Kogler: Das gilt ja für die Bayern auch!)

Zitieren Sie bitte Urschitz voll und ganz, seine zwei konkreten Gründe, warum an der Notverstaatlichung kein Weg vorbeigeführt hat, meine sehr verehrten Damen und Her­ren. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bilder Pest oder Cholera, Scylla und Charybdis, das trifft alles zu. Wir haben jetzt darüber diskutiert, dass diese Formulierung da oder dort gefallen ist. Ich sage, es ist, das weiß ja ohnehin jeder, ein Fass ohne Boden. Schauen wir einmal, wo der Boden ist. Milliarden sind es allemal. Das ist bitter, und es geht um Schadensminimierung, um nicht mehr und nicht weniger als das.


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Ich halte das Thema herzlich wenig geeignet für Politik und Wahlkampf. Ich glaube, es gibt so Themen, da kann man wunderbar Wahlkampf spielen, da kann man wunderbar argumentieren, da kann man sich unterscheiden von politischen Gegnern.

Aber wenn es einmal um zweistellige Milliardenbeträge geht, wenn es einmal darum geht, den Schaden zu minimieren, dann sollten doch wir alle an einem Strang ziehen, wie das auch in dieser legendären Abstimmung  (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Da wäre es fair, das im Finanzrahmengesetz darzustellen!) – Schön, dass Sie auch an der Debatte teilnehmen, Frau Kollegin. Es wäre gut, wenn der Herr Strache jetzt auch noch da wäre, der sich vorhin so falsch in die Debatte eingeschaltet hat, weil er nicht daran gedacht hat, dass das nicht die Bayern gewesen wären, sondern das Land Ös­terreich und die Republik, die für die 20 Milliarden hätte einstehen sollen. (Abg. Dr. Gla­wischnig-Piesczek: Wenn Sie von Milliarden reden, dann wäre es fair, das im Finanz­rahmengesetz darzustellen und Vorsorge zu treffen!)

Das ist nicht absehbar! Und es bringt jetzt überhaupt nichts, in Worst-Case-Szenarien zu denken und zu argumentieren. Da haben Kranebitter und Ditz wahrscheinlich recht, wenn sie sagen, es schadet der Bank, wenn man da mit Milliardenbeträgen in der Ge­gend herumwirft. Dass es Milliarden sein werden, ist schon klar, es waren ja auch schon Milliarden. Bad Bank – das ist nicht die eierlegende Wollmilchsau, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden damit Schulden nicht los, Sie werden damit die Haftungen nicht los. (Beifall bei der ÖVP.)

Mag sein, dass das Teil einer kreativen Lösung ist. Die Finanzministerin ist relativ skeptisch, das hat sie heute einmal mehr zum Ausdruck gebracht. Liebscher, den ich und die meisten von uns sehr schätzen, ist diesem Thema gegenüber offener als neuer Aufsichtsratspräsident. Mal schauen, ob denn das eine Rolle spielen kann.

Es ist gut, dass die Frau Finanzministerin jetzt mit dem zuständigen Kommissär eini­germaßen ajour ist, was Termin und Ähnliches anbelangt. Da braucht es natürlich ein Miteinander mit der Kommission. Gut, dass die Abwicklungsplanung, so wie sie heute daliegt, auch mit der Kommission erarbeitet worden ist, das macht den Konsens in an­deren Dingen vielleicht leichter. Aber so wie ich in der Analyse mit Krainer völlig eins bin, was Ursache anbelangt und was auch die Notwendigkeit und die Rechtfertigung der Notverstaatlichung anbelangt, denke ich, die Hypo wird uns noch genug Sorgen machen. Machen wir es mit Politisieren und mit Wahlkampfrhetorik, lieber Herr Kogler, nicht auch noch schlimmer! Und das nächste Mal zitieren Sie die „Presse“ voll und ganz! (Beifall bei der ÖVP.)

17.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jenewein. – Bitte.

 


17.22.06

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein (FPÖ): Es freut mich ganz besonders, dass ich meine Jungfernrede gleich nach der Rede des ehemaligen Ministers Bartenstein halten kann, da er es hier ganz auf Elder Statesman gemacht hat, als hätte er mit der ganzen Sache nur am Rande zu tun und würde es heute nur kommentieren. Mitnichten, Herr Bartenstein! Sie waren nämlich bei den grundlegenden Dingen dabei, als es überhaupt dazu gekommen ist, dass die Hypo seinerzeit in dieses Schlamassel geschlittert ist.

Ich habe mir den Geschäftsbericht 2005 der Hypo Alpe-Adria herausgesucht, dieser ist öffentlich abrufbar, den kann sich jeder anschauen. 2005 war meines Wissens Herr Bartenstein noch Wirtschaftsminister, Herr Grasser war Finanzminister und Herr Schüs­sel war Bundeskanzler. Und in dieser Zeit, genauer gesagt am 15. Juni 2005, hat die Hypo Alpe-Adria  (Zwischenruf bei der SPÖ.)


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Ich war nicht in der Regierung! Das war übrigens nach der Abspaltung des BZÖ. Da müssen Sie sich besser informieren. Die Parteispaltung war am 1. April. Aber verges­sen wir das einmal ganz kurz!

Am 15. Juni 2005 hat die Hypo Alpe-Adria eine Wandelanleihe aufgelegt. Das ist noch nicht etwas wirklich Schlimmes, die haben halt wieder einmal fresh money gebraucht, wie das so schön heißt, und haben eine Wandelanleihe aufgelegt. Haften tut natürlich das Land Kärnten, das ist ja klar, es war ja noch eine Landesbank, aber – und jetzt wird es spannend! – es haftet auch die Republik Österreich. Wer hat es unterschrie­ben? – Der damalige Finanzminister! Und wer war damals Finanzminister? – Das war der ÖVP-Finanzminister Grasser. Und es geht ja da nur um einen „Lappalie“ von knapp 500 Millionen €.

Es sind ja „nur“ 500 Millionen €! Das Interessante ist aber – und deshalb freut es mich ja so, dass ich hier quasi der Nachredner von Herrn Bartenstein, dem ehemaligen Wirt­schaftsminister, bin –: Man hat nicht etwa österreichische Banken, Leitinstitute, wie zum Beispiel die Bank Austria oder die BAWAG, die es damals vielleicht noch war, weiß ich nicht, oder die Volksbank oder die ERSTE genommen, nein, man hat sich nach London vertschüsst, man hat die HSBC genommen, die dieses Produkt vertrie­ben hat. Die HSBC ist ja nicht gerade unbekannt. Wir wissen, dass im Juli 2012 der US-Senat festgestellt hat, dass die HSBC eine durch und durch – ich zitiere jetzt wört­lich – versaute Unternehmenskultur hat.

Das passt wunderbar zusammen, es passt nämlich mit den handelnden Personen wunderbar zusammen, es passt sehr gut zusammen mit dem ehemaligen Finanzminis­ter – auch damit, dass der Wirtschaftsminister offenbar nichts daran gefunden hat, dass das nicht etwa am Börsenplatz in Wien notiert war. Nein, da ist man nach Luxem­burg gegangen. Und warum ist man nach Luxemburg gegangen? Sie wissen es si­cher! – Weil es dort zu diesem Zeitpunkt keine Prospektpflicht gegeben hat. Das heißt, man hat versucht, das an der Finanzmarktaufsicht vorbeizuschummeln. Das ist der Punkt! (Beifall bei der FPÖ.)

Da war die ÖVP mit drinnen. Und was das Ganze noch besonders pikant macht –hor­chen Sie jetzt gut zu!, das sind alles Bekannte von Ihnen, das sind alles Ihre Partei­freunde, die das betrifft –: Wissen Sie, wer der Lead Manager für diese Wandelanleihe war? Wissen Sie das? – Vienna Capital Partners! Und wer war im Jahr 2005 der Ge­schäftsführer dort? Wissen Sie es, Herr Cap? – Ein gewisser Herr Ernst Strasser! Und das Interessante: Herr Ernst Strasser hat für Anleihen für seine Senior Partner Ver­triebsprovisionen von 2 Prozent angeboten. Das ist – wenn Sie Leute aus dem Ban­kenwesen fragen, werden Sie das erfahren – ein wenig unüblich vor allem dann, wenn ein Staat wie die Republik Österreich als Garant auftritt. Jetzt wissen wir, dass Herr Strasser nicht unbedingt der große Menschenfreund ist, der das für Gottes Lohn macht. Das heißt, wenn er 2 Prozent weitergibt, dann kann man davon ausgehen, dass es wahrscheinlich 4 bis 5 Prozent waren.

Es zeigt sich dann natürlich auch, wie dieses System wirklich funktioniert hat. Herr Strasser ist ja kein Unbekannter bei der ÖVP, nehme ich einmal an. Herr Strasser hat da wunderbar mitpartizipiert. Und darüber, meine Damen und Herren, sollten wir auch reden! Ich weiß schon, hier geht es nicht um 20 Milliarden €, sondern um 500 Millio­nen €. Aber ich glaube, die Frau Finanzministerin wäre recht froh, wenn sie heute über 500 Millionen € so einfach verfügen könnte, denn wir streiten ja schon um weit gerin­gere Beträge, wenn es um die Finanzierung und um die Deckelung von wesentlichen Investitionen geht.

Da brauchen Sie nicht so zu tun, meine Damen und Herren von der ÖVP, als wüssten Sie nichts davon. Das, Herr Bartenstein, ist auch Ihr Erbe! Und auch dieses Erbe wer-


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den wir uns früher oder später in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss anschauen müssen, denn wir wissen hier von einer Anleihe, für die die Republik Ös­terreich mit dem damaligen Finanzminister Grasser, mit dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und mit dem damaligen Wirtschaftsminister Bartenstein gehaftet hat.

Wir wissen nicht, wofür die Republik damals noch alles gehaftet hat, das wissen wir nicht. Deshalb wird es absolut wichtig sein, dass es eben auch zu einem parlamentari­schen Untersuchungsausschuss kommt und dass man im Rahmen dieses parlamenta­rischen Untersuchungsausschusses endlich einmal klarlegt, wohin die Gelder wirklich geflossen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Fall, Herr Kollege, Richtung ÖVP, Richtung Ernst Strasser. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


17.27.47

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass uns die Hypo Alpe-Adria noch einige Zeit be­schäftigen wird, nehmen wir wohl alle an, aber Tatsache ist, dass die im Jahr 2009 er­folgte Notverstaatlichung überhastet erfolgt ist, völlig unnotwendig war und vorsätzlich herbeigeführt wurde. Man hat Ende April 2009 als Sanierungsbeauftragten Franz Pinkl von der ÖVAG geholt. Und dass die ÖVAG auch nicht gerade gut abgeschnitten hat und auch in ein Desaster getrudelt ist, wissen wir auch. Da hat man nicht das Gelbe vom Ei dafür eingesetzt, was eigentlich notwendig gewesen wäre.

Von Experten und Expertinnen wird immer wieder erklärt, Frau Bundesminister, dass die Gründung einer Abwicklungsbank für die faulen Hypo-Kredite der richtige Weg ge­wesen wäre. Sie wehren sich dagegen, Sie blockieren, und der Schaden für die Steu­erzahler wird dadurch immer größer. Die Weigerung, die Gründe dafür zu nennen, dass Aufsichtsratschef Ditz jetzt das Handtuch wirft, ist ja augenscheinlich. Auch Auf­sichtsratschef Klaus Liebscher hält eine Bad Bank für besser und argumentiert ähnlich. Und auch der zurückgetretene Vorstandschef Gottwald Kranebitter, der auch sozusa­gen das sinkende Schiff früher verlässt, weil er keine Aussicht sieht, ist dieser Mei­nung. Durch die öffentliche Diskussion um das Schließungsszenario hat die Bank mas­siven Schaden genommen und sind potenzielle Investoren abgeschreckt worden.

Nun zur Haftungsfrage, die schon stark diskutiert wurde: Im Jahr 2007 hat die Landes­haftung des Landes Kärnten für die Ausfallsbürgschaft 16 Milliarden € betragen. Die Bayerische Landesbank kaufte Anteile im Ausmaß von 51 Prozent. Dann hat im Jahr 2008 die Hypo erst einmal 900 Millionen € als staatliches Hilfskapital aus dem Bankenpaket bekommen. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.)

Als die Bank notverstaatlicht wurde, war die Ausfallshaftung schon bei 40 Milliarden €. So ist das gestiegen. Von 2007 bis 2009, als sie mit 51 Prozent Mehrheitsanteilen der Bayerischen Landesbank gehört hat, ist das einfach explodiert. Da ist einiges daneben­gegangen, da ist einiges hineinverschachtelt worden, denn wer expandiert denn so und kauft eine Bank?

Ich erinnere Sie daran, dass seinerzeit die Bayerische Landesbank unbedingt expan­dieren wollte, schon die BAWAG kaufen wollte, aber die BAWAG dann nicht gekauft hat, weil diese ins Desaster geschlittert ist. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) Dann hat man bei der Hypo zugegriffen. Man wollte ins Ostgeschäft ein­steigen und wollte wahrscheinlich sämtliche Verbindlichkeiten, die man da gehabt hat, verschleiern.


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Bei den Haftungen des Landes Kärnten handelt es sich um eine Ausfallsbürgschaft, wie heute schon ein paar Mal gesagt worden ist, wobei für die Spareinlagen zuerst der Hypo-Haftungsverbund die Haftung trägt. Des Weiteren war dann auch Raiffeisen mit dabei. Und auf Basis des § 1356 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches hätte es auch eine Haftung des Hypo-Alpe-Adria-Mehrheitseigentümers Bayerische Landesbank gegeben.

Damit bin ich nicht allein. In der „Presse“ schrieb Josef Urschitz vor ein paar Wochen zur Frage der Haftungen – ich zitiere –:

„Zuerst wären die Eigentümer (Haupteigentümer war zu dem Zeitpunkt die Bayerische Landesbank) in die Pflicht genommen worden, gleichzeitig hätten die anderen Hypos und Raiffeisen ihre Haftung gegenüber den österreichischen Hypo-Sparern einlösen müssen. Und erst nach Abwicklung des Insolvenzverfahrens, das wohl Jahre gedauert hätte, wären die dann noch offenen Forderungen dem Ausfallsbürgen, also dem Land Kärnten, in Rechnung gestellt worden.“ – Zitatende. (Bundesministerin Dr. Fekter: Das ist nicht ganz richtig!) Zitat von Josef Urschitz, Frau Bundesminister! (Beifall beim BZÖ.)

Zu den Hintergründen: Es ist da schon auch die Rolle des Herrn Finanzministers Josef Pröll zu hinterfragen. Ist er da irgendwo von den Bayern erpressbar? Das ist bis heute unklar!

Wir wollen einen Untersuchungsausschuss, der schonungslos aufdeckt, wie weit das Ganze mit der Hypo-Pleite vorangetrieben worden ist und wo die Schuld dafür liegt. (Beifall beim BZÖ.)

Daher wäre es sinnvoll, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der alles auf­deckt, der auch die Frage über die restriktive Haltung auf EU-Ebene untersucht, denn es ist auch ein bisschen witzig, wie es da so läuft. Da wurde Ihnen sozusagen heuer im April die Rute ins Fenster gestellt. Was sollen wir machen: schnell verkaufen? Und wenn das so im Gerede ist, wenn Ditz schon abhaut und auch Kranebitter abhaut, weil gar nichts mehr möglich ist, ist das Ganze natürlich ein Fiasko, und der Steuerzahler zahlt drauf.

Da gehört einiges aufgedeckt. Ihre Vorgehensweise – Ihre, Frau Bundesminister, und jene der Bundesregierung –, wo man die Entscheidungen auf die Zeit bis nach der Wahl verschieben will, damit da nicht irgendetwas herauskommt, und damit zusätzli­chen Milliardenschaden für die Steuerzahler zu riskieren, das ist nicht das Gelbe vom Ei. Der Milliardenschaden muss vom Steuerzahler ferngehalten werden. Es ist nichts zu riskieren. Und die Verantwortungslosigkeit ist in einem Ausmaß vorhanden, wie sie noch kaum da war. (Beifall beim BZÖ.)

17.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kuzdas. – Bitte.

 


17.34.14

Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorgänge um die Hypo Alpe-Adria sind in der Tat aufklärungsbedürftig. Das rasante Wachstum und die riskanten Ge­schäfte, die die Hypo eingegangen ist, vor allem am Balkan mit schlechten und nicht besicherten Krediten, haben diese dramatische Situation herbeigeführt.

Es wurde heute schon erwähnt: Die Hypo hatte eine Führung, die mehr oder weniger seriös war. Wer keinen Kredit mehr bekommen hat, ist zur Hypo gegangen und hat sich dort bedienen lassen.

Die Hypo war aber auch lange Zeit der Financier des verunglückten Landeshaupt­manns. (Abg. Ursula Haubner: Nein, nein, nein!) Der Landeshauptmann hat bestellt,


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und die Hypo hat bezahlt. (Abg. Ursula Haubner: Nein, nein! Das ist ungeheuerlich!) Die Vorgänge rund um den Verkauf sind ebenfalls aufklärungsbedürftig, denn da ha­ben sich ja einige Schlüsselspieler massiv bereichert.

Misswirtschaft und das rücksichtslose Ausbeuten der Bank durch die Kärntner Politiker haben dazu geführt, dass die Bank jetzt dort steht, wo sie steht. Die Notverstaatlichung war unbedingt notwendig. Und das, was die RednerInnen vom BZÖ und von der FPÖ heute machen, ist nichts anderes als Kindesweglegung. Es ist eindeutig so: Das ist Kindesweglegung, denn es waren Politiker von FPÖ und BZÖ, die massiv dazu beige­tragen haben, dass es der Bank heute so schlecht geht, und die mit dazu beigetragen haben, dass 20 Milliarden Landeshaftung da waren. Die Namen Haider, Scheuch, Dörfler sind ja untrennbar mit diesen Vorgängen verbunden.

Wie die Hypo geführt wurde, zeigen ja die Prozesse um Generaldirektor Kulterer, der wegen Untreue verurteilt wurde, sogar oberstgerichtlich bestätigt.

Die Hypo wird zum Milliardengrab, und verantwortlich dafür sind verantwortungslose Politiker und überforderte Manager, die die Wünsche der Kärntner Politik unkommen­tiert erfüllt haben. Ich kann mir schon vorstellen, dass das für manche ein Problem ist, gerade jetzt vor der Wahl, gerade für Strache, der sich die FPK als Partner eingekauft hat.

Die Notverstaatlichung für dieses Desaster verantwortlich zu machen, das ist, gelinde gesagt, ein Ablenkungsmanöver. Und dass andere Verbände hätten geschont werden sollen, ist, glaube ich, eine Verschwörungstheorie. Schuldzuweisungen in Richtung Bundesregierung gerade zum jetzigen Zeitpunkt hängen vielleicht auch damit zusam­men, dass der Wahltermin mittlerweile bekannt ist. Diese Ablenkungsmanöver sind ja sehr leicht zu durchschauen.

Die Auswirkungen des Pleitegehens der Hypo Alpe-Adria auf den Bankenplatz Öster­reich wurden schon genannt und das Fälligwerden der Haftungen ebenfalls. Jetzt geht es um die Abwicklung. Es gibt einen Restrukturierungs- und Abwicklungsplan, den die EU-Kommission bereits hat, nämlich der Wettbewerbskommissar, und da ist klar gere­gelt, was zu tun ist.

Der Österreich-Teil ist schon verkauft, haben wir heute gehört. Beim Italien-Geschäft soll es keine Neugeschäfte mehr geben. Das Ost-Geschäft am Balkan soll bis 2015 verkauft werden. Wir haben heute auch gehört, dass Wettbewerbskommissar Almunia schon leicht positive Zeichen dazu gegeben hat.

Warum ist es notwendig, den Druck für den Verkauf jetzt wegzunehmen? – Das ist ja auch klar: Der Markt ist, sage ich jetzt einmal, leicht irritiert, wenn es darum geht, Ban­ken zu verkaufen. Und wer unter Druck Banken verkaufen möchte, noch dazu bei der­artigen Marktverhältnissen, wird keinen guten Preis erzielen.

Zur Abwicklung und zu den Kosten, meine Damen und Herren: Was da momentan an Zahlen verbreitet wird, auch in der Dringlichen Anfrage und in den Medien, das ist – ich möchte nicht sagen, geschäftsschädigend – jedenfalls entbehrlich, denn das schadet auch dem gesunden Teil der Bank und verringert auch einen allfälligen Verkaufswert.

Zur Form der Abwicklung, ob Bad Bank: Es gibt viele Experten, die eine Bad Bank be­vorzugen. Da kann man darüber diskutieren. Wir sind ja auch gespannt, wie die kreati­ven Modelle der Frau Finanzministerin ausschauen werden. Wichtig ist jedenfalls, dass die Entscheidung über die Abwicklung sehr rasch getroffen wird und dass die Steuer­zahler nicht zu Schaden kommen – egal, welches Modell gewählt wird! Der Schaden für den Steuerzahler ist so gering wie möglich zu halten.

Kollege Jury – er ist jetzt nicht im Saal –, es ist schon gut, dass es die Bankenabgabe gibt. Es ist schon gut, dass der Bankensektor einen Teil der Finanzierung seiner eige-


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nen Rettung zahlt. Und es ist gut, dass es die erhöhte Bankenabgabe gibt. Es ist völlig falsch, dass die Kunden diese Bankenabgabe bezahlen.

Es gibt zahlreiche Studien der Arbeiterkammer und auch Aussagen von maßgeblichen Bankern, zum Beispiel von der Bank Austria, die gemeint haben: Wir haben so viele Stellschrauben, dass wir diese Mehrbelastungen auch selbst wegbringen und dass sie nicht an die Bankkunden weitergegeben werden!

Das ist wichtig, das ist gut so! Die Bankenabgabe sollte in unbeschränkter Form weiter bestehen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.

 


17.40.06

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Hypo Alpe-Adria hat uns schon einige Male hier beschäftigt. Es ist erst knapp einen Monat her, da haben wir das in der Aktuellen Stunde gehabt – das wurde auch von der grünen Fraktion eingebracht –, und heute wieder dieses The­ma zur Kurzdebatte. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Nein, eine Dringliche, also eine Langdebatte!) Eine Dringliche Anfrage, Entschuldigung!

Faktum ist, es ist dies sicherlich das größte finanzielle Desaster der Zweiten Republik, und ich denke eigentlich die ganze Zeit darüber nach, weil ich der Debatte zugehört habe: Frau Glawischnig, Sie sind Kärntnerin und verantwortlich für die Freiheitlichen als Klubobfrau (ironische Heiterkeit bei der FPÖ) – pardon: für Ihre Fraktion, für die Grünen. Für die Fraktion der Grünen – entschuldigen Sie diesen Versprecher.

Es ist ganz klar, was man damit eigentlich bezweckt. Ihr Kollege, Herr Holub in Kärn­ten, hat sehr viel dazu beigetragen, dass diese leidige Geschichte, die uns Kärntnern sicherlich nicht guttut – ich bin Kärntner, und deswegen tut mir das auch so leid –, diese Geschichte der Vergangenheit aufgearbeitet wird. Wenn Sie jetzt hier eine Dis­kussion in dieser Form anfangen – Sie merken ja selbst, wie sie läuft  (Abg. Mag. Kog­ler: Wir haben ganz anders angefangen!)

Wir wissen genau, dass das Geschäft der Hypo Alpe-Adria, diese Bank künstlich hochgezogen wurde, und zwar unter massivem politischen Einfluss. Wer seit dem Jahr 1999 und bis zum Jahr 2013 in Kärnten zuständig war, das wissen wir auch: Dort war ein Freiheitlicher vorher BZÖ oder eben umgekehrt Landeshauptmann und auch Finanzreferent. Wir wissen, wer Aufsichtsratskommissär in einer Bank ist: Das ist eben der Finanzreferent, und das war immer ein Freiheitlicher. (Abg. Dr. Strutz: Und wer war der Aufsichtsratsvorsitzende?) Das war einfach so. Der Aufsichtskommissär ist dort gesessen und nicht der Aufsichtsratsvorsitzende der Landesholding. Das nur zur Auffrischung.

Wenn wir beurteilen, wie sich die Diskussion jetzt entwickelt: Man versucht mit Gewalt, in der Aufarbeitung dieser Geschichte jetzt nicht denjenigen, der dafür verantwortlich ist, die Schuld zu geben, sondern demjenigen die Schuld zuzuschieben, der löscht und dafür sorgt und darauf schaut, dass der Schaden so gering wie möglich ausfällt. (Beifall bei der ÖVP.)

Den Worten der Vorredner unserer Fraktion, der ÖVP, und von der SPÖ möchte ich nichts hinzufügen. Wir wissen, dass der Schaden, der in Kärnten angerichtet worden ist, jetzt vom Bund minimiert wird, dass wir den dadurch so gering wie möglich halten können. Alles andere wäre teurer gewesen! Die Verantwortung dafür liegt leider in Kärnten. Es ist dort passiert, ausgeführt von der Bank unter massivem politischen Ein­fluss.


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Ich zitiere jetzt – nicht von mir erfunden – einige Zeitungskommentare. „Eine schäbige Kindesweglegung“ nennt das, was da passiert, die Presse. Es will davon niemand mehr etwas wissen, der damals dafür verantwortlich war.

Jedem bekannt: Scheuch, Kärnten. Sein Spruch: Der Tocka is der, der kaaft, nit der, der vakaaft.“ (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Ich glaube, „Tocka“ muss man erklä­ren!) – Ich meine, und das muss man dazusagen, er hat zum damaligen Zeitpunkt si­cherlich recht gehabt. (Abg. Mag. Kogler: Und jetzt gibt es den Doppel-Tocka! – Abg. Mag. Rossmann: Pröll war also der Tocka!)

Etwas hat Herr Scheuch damals jedoch vergessen: Die einzige Möglichkeit, die Haftun­gen vom Land Kärnten und damit von der Republik wegzubekommen, gab es im Jahr 2007, als die Hypo Alpe-Adria verkauft wurde. Man hat aber einen hohen Ver­kaufswert vorgezogen, hat dafür alle Haftungen behalten, auch mit dem Wissen, dass die eventuell auch einmal zum Tragen kommen.

Um das gleich auch noch dazuzusagen – ebenfalls zitiert aus einer Zeitung –: Gerhard Dörfler und seine Kollegen Uwe Scheuch und Dobernigg scheinen sich pubertär da­rüber zu freuen, dass Rest-Österreich nun für die hausgemachte Misere tief in die Ta­sche greifen muss – eine bundesstaatliche Provokation. – Zitiert aus der „Kleinen Zei­tung“.

Wir wissen, was da passiert ist, allein betreffend Kroatien: Akten von Hunderttausend Seiten liegen dort auf. Da steht zu den Kroatien-Geschäften der Hypo Alpe-Adria: Kor­ruption, dubiose Geschäftsleute und eine Bank, die kein Risiko scheut. (Abg. Dr. Strutz: Wer ist damals im Aufsichtsrat gesessen?)

Ich möchte nicht alles aufzählen, nur einen Punkt: Wir wissen, dass 400 Jachten fi­nanziert wurden, die man nie gefunden hat.

Die vom BZÖ, zumindest von Klubobmann Lugar angesprochenen Haftungen haben andere Bundesländer auch, und es gibt klare Vergleichszahlen. Kärnten hat eine Haf­tung bis zum Elffachen seines Budgets übernommen, Tirol bis zum Dreifachen seines Budgets, und in Niederösterreich ist es 1 : 1. Diese Zahlen sollte man wirklich so an­führen, dass sie ihren Bezug haben.

Als Kärntner möchte ich wirklich nur sagen: Ich weiß, dass wir auch einmal in einer Koalition waren. Wir wissen aber auch, dass die SPÖ einmal in einer Koalition war. Ge­schichte aufzuarbeiten ist nur möglich, wenn man auch dazu steht, was dort passiert ist. Dass sich die grüne Fraktion dafür hergibt, die Geschichte zuzudecken und mit Freiheitlichen und BZÖ zu schreien, dass die Misere jetzt beim Bund liegt und nicht mehr dort, wo sie verursacht worden ist, das enttäuscht mich sehr und wird wahr­scheinlich auch Ihren Kollegen in Kärnten enttäuschen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Leider richtig diese Feststellung!)

17.46


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Darmann. – Bitte.

 


17.46.31

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Nebelgranaten, die hier von braven Parteisoldaten von SPÖ und ÖVP geworfen werden, suchen ihresgleichen! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja unfassbar, wenn Sie hier herausgehen und nach Aufklärung und Information der Bevölkerung rufen und diese fordern und auf der anderen Seite die vielen Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ablehnen, diesen verhindern, ge-


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schätzte Damen und Herren! Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie tatsächlich glau­ben, dass Sie damit durchkommen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist richtig schwierig, wo ich da jetzt anfangen soll, ob ich bei Klubobmann Cap an­fange oder am besten gleich bei Herrn Kollegen Obernosterer aus dem Kärntnerland.

Kollege Obernosterer kommt hier heraus, verlangt mit sonorer Stimme Aufklärung und sagt, die ÖVP habe natürlich nichts damit zu tun. Mit dem Finger wird immer akkordiert von SPÖ und ÖVP auf die Freiheitlichen oder sonst wen von der Opposition gezeigt, auf der anderen Seite scheint er aber vergessen zu haben, wer als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Kärntner Landesholding im Learjet regelmäßig nach München geflo­gen ist, die Verkaufsverhandlungen mit der BayernLB geführt hat und schlussendlich seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hat. Es war nämlich Ihr Landesparteiob­mann Josef Martinz, der ja schlussendlich dann auch verurteilt worden ist, Herr Kollege Obernosterer! (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen: Hören Sie auf, sich hier künstlich abzuputzen an Kollegen hier im Kärntner Landtag und anderen politischen Verantwortungsträgern in Kärnten (Abg. Amon: Wir sind hier nicht im Kärntner Landtag!), im Parlament und Verantwortungsträgern im Kärntner Landtag und in der seinerzeitigen Kärntner Landesregierung, denn Sie wissen es besser, geschätzter Herr Kollege, wer schlussendlich, wenn wir die ganze Ge­schichte aufrollen, überhaupt die Verantwortung dafür gehabt hat, dass, wenn wir so wollen – und das ist heute von allen Seiten gekommen –, Landeshaftungen schuld sind oder die Notwendigkeit einer Verstaatlichung erzeugt haben, geschätzte Damen und Herren!

Ich werde noch einmal von vorne beginnen, denn das scheint hier in diesen Reihen wieder in Vergessenheit geraten zu sein. Kollege Klubobmann Strache hat das anfäng­lich aber schon gesagt: Im Jahre 1990 ist durch einen Landtagsbeschluss des Kärntner Landtages die Grundlage dafür geschaffen worden, Landeshaftungen für die Landes­bank zu übernehmen. Dieser Beschluss ist unter einer SPÖ/ÖVP-Regierung mit über­wiegender Mehrheit der SPÖ gefasst worden.

Hernach hat es, aufbauend auf diese Beschlussfassung, immer Beschlussfassungen der Regierungen zu den Landesbudgets gegeben. Immer zusammen mit der jeweiligen Beschlussfassung zum Landesbudget hat es die Beschlussfassung zur Ausweitung der Landeshaftung gegeben, um entsprechendes Kapital in die Landesbank zu bringen, damit sie auch arbeiten kann, sich entsprechend ausweiten kann, so wie das – und das gehört jetzt auch bitte unterstrichen, und das setze ich mit Ausrufezeichen hierher, auch für das Protokoll – in anderen Bundesländern die Landesbanken auch getan ha­ben, geschätzte Damen und Herren!

Wenn wir jetzt noch einen Schritt weitergehen, was das Abbeuteln von Verantwortung in den Reihen von SPÖ und ÖVP betrifft, so haben Sie anscheinend auch vergessen, wer im Aufsichtsrat der Hypo gesessen ist, nämlich sehr wohl auch SPÖ- und ÖVP-Vertreter, die die Expansionsstrategie in den ost- und südosteuropäischen Raum mit beschlossen haben. Sind sie deswegen alle Verbrecher? – Ich glaube das nicht.

Dass da der eine oder andere Kriminalfall dabei war, steht ja außer Streit. Das brau­chen wir gar nicht mehr zu diskutieren. Man sollte jedoch nicht mit dem Finger auf poli­tische Verantwortungsträger einer anderen Partei zeigen, wenn man selbst alle Ent­scheidungen mit getroffen hat, was die Strategie, die Ausrichtung dieser Bank betroffen hat, bis hinauf zur letzten Beschlussfassung über die höchste Landeshaftung, die das Land Kärnten für die Hypo übernommen hat.

Und das, bitte, lassen Sie sich jetzt auf der Zunge zergehen, werte Damen und Herren: Da war noch in den Jahren 2005/2006 der derzeit amtierende Erste Präsident des


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Kärntner Landtages, seines Zeichens Ingenieur Reinhart Rohr von der SPÖ, mit erho­bener Hand mit dabei und hat diese Landeshaftung mit beschlossen. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Das muss man auch wissen, wenn man sich hier im­mer wieder alles anhören und sich zuschütten lassen muss mit irgendwelchen Vorwür­fen, mit Schmutzkübelkampagnen, die sich das Land Kärnten, die Kärntner Bevölke­rung in den letzten Jahren auch mit Unterstützung der Frau Finanzministerin und von diversen anderen vermeintlichen Aufklärern vonseiten der Grünen inklusive – ich sage es dazu – Rolf Holub hat gefallen lassen müssen. Anschüttungen zu Unrecht, Disquali­fizierung der Kärntner Bevölkerung, Disqualifizierung des ganzen Kärntnerlandes, zu­geschüttet mit Dreck – das ist regelmäßig quer durch die Medien gegangen.

Das hat sich unser Kärnterland nicht verdient, erst recht nicht, wenn Sie eines immer verkennen und das auch wider besseres Wissen in den Medien transportieren: Die Mi­sere der Hypo-Alpe-Adria-Bank war schlussendlich die Misere einer deutschen Hypo-Alpe-Adria-Bank und keiner Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank, weil der bayerische und somit der deutsche Eigentümer in den zwei Jahren Eigentümerschaft schlussendlich die Bilanzsumme verdoppelt hat, und das in einer Phase der Weltwirtschaftskrise, in der die europäischen Märkte am Boden waren und in der der Osten mit der Immobi­lienkrise eine totale Immobilienentwertung erlebt hat.

Trotzdem ist die BayernLB dort auf Biegen und Brechen hineingefahren und hat dort alles aufs Spiel gesetzt. Das war der Niedergang einer deutschen Bank, und die Repu­blik Österreich hat dann unter Federführung von Herrn Finanzminister Pröll und in wei­terer Folge unter allen anderen so hochrangigen Beamten, die angeblich alles richtig gemacht haben, eine deutsche Bank verstaatlicht, geschätzte Damen und Herren.

Das ist ja ein regelrechter Wahnsinn, der aufgeklärt gehört. Und damit bin ich wieder beim Beginn meiner Rede. Wenn Sie alle davon reden – und das, was Herr Cap ge­sagt hat, habe ich mir sogar aufgeschrieben: Wir müssen uns genau ansehen, was dort abgelaufen ist!; Herr Klubobmann Cap, das ist es! –, muss ich fragen: Ja wer hin­dert Sie daran, hier endlich dem Antrag, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, zuzustimmen, den alle Oppositionsparteien bereits mehrfach eingebracht haben und der, wie ich gesehen habe, auch heute wieder zur Abstimmung kommt? (Beifall bei der FPÖ.)

Stimmen Sie zu! Sorgen Sie für Aufklärung im Hinblick auf die für die Republik Öster­reich so schädliche Verstaatlichung! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


17.53.16

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Herr Klubobmann Cap, Sie Wün­schelrutengänger in der ersten Reihe der Sozialdemokratie, vielleicht haben Sie die Gnade, mir kurz einmal Ihr Ohr zu leihen, weil Ihre Wünschelrute heute so stark ausge­schlagen hat, vor allem in diese Richtung. Vielleicht sollten Sie, um die eigene Orientie­rung wieder zu finden, auch im Falle des Hypo-Skandals, statt Wünschelruten in Ihrer Fraktion auszuteilen, einfach einen Kompass nehmen. Ein Kompass tut es nämlich auch, um die Orientierung wiederzufinden. Denn das, was heute Sie, aber auch Red­ner der Österreichischen Volkspartei hier abgeliefert haben, war äußerst orientierungs­los.

Im Jahre 1992 wurden unter dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Christof Zer­natto, Österreichische Volkspartei, im Kärntner Landtag erstmals die sogenannten Aus­fallsbürgschaften für die Hypo Alpe-Adria beschlossen. (Abg. Ing. Westenthaler: Unter wem war das?) – Zernatto, Österreichische Volkspartei.


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In weiterer Folge wurden diese Ausfallsbürgschaften verlängert, ausgeweitet, ausge­baut durch den damaligen Landeshauptmann Peter Ambrozy, Sozialdemokratische Partei Österreichs. Unter anderem wurden Haftungen, sogenannte Ausfallsbürgschaf­ten für die Hypo Kärnten mit wechselnden Mehrheiten – SPÖ, ÖVP, die Freiheitlichen in Kärnten – jeweils mehrheitlich beschlossen, sehr geehrte Damen und Herren, wie im Übrigen auch in allen anderen Bundesländern, wo sich Länder eigene Landesbanken gehalten haben oder bis heute halten.

Im Jahre 2007 wurde die Bank – mein Vorredner, Kollege Darmann von den Freiheitli­chen, hat es gesagt – unter Federführung des Herrn Landesrates Martinz an die Bay­ernLB, an die Parteifreunde von Laptop und Lederhose, an die bayerische CSU ver­kauft, sehr geehrte Damen und Herren.

Im Jahre 2008 fand noch eine Prüfung dieser Bank durch die Oesterreichische Natio­nalbank statt, die mit dem Prädikat „not distressed“ ausgegangen ist. Das heißt, die Oesterreichische Nationalbank hat der Hypo Alpe-Adria im Jahr 2008 trotz Weltwirt­schaftskrise ein gutes Zeugnis ausgestellt. Plötzlich – Heureka! –, im Dezember 2009, war diese Bank auf einmal pleite.

Ich erkläre es schon der Frau Finanzministerin, keine Sorge! Sie will es ja auch erklärt haben, und zwar auch ihr eigenes Verschulden in der Zeit, als sie Regierungsmitglied war. Im Übrigen passierte das mehr als ein Jahr, nachdem Jörg Haider gestorben ist, sehr geehrte Damen und Herren, und fast zwei Jahre, nachdem die Bank an die Baye­rische Staatsregierung, an die BayernLB verkauft worden ist, sehr geehrte Damen und Herren.

Da war sie plötzlich pleite. Und da habe ich noch in Erinnerung, wie Ihr Amtsvorgänger Pröll um 40 Millionen € eine Hypo-CSI ins Leben gerufen hat – mit dem einzigen und ausschließlichen Ziel, Jörg Haider zu kriminalisieren. Dazu war Ihnen jedes Mittel recht. (Beifall beim BZÖ.)

Da haben Sie gesagt: Die Bank ist pleite, diese Bank ist ein zweites Griechenland, diese Bank ist ein Mühlstein! Als es darum gegangen ist, Jörg Haider ans Zeug zu fli­cken, war Ihnen jedes Mittel recht, um diese Bank zu diskreditieren und die Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Bank in Gefahr zu bringen, sehr geehrte Da­men und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Mit Ihrer vordergründigen parteipolitischen Vorgangsweise im Wahlkampfgetöse, Frau Finanzministerin, haben Sie mehr Schaden angerichtet als alle mafiösen Strukturen, die die Hypo in den letzten Jahrzehnten in Kroatien überhaupt hat anhäufen können. Das soll man bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen. Sie haften dafür, Sie haften für den Schaden der letzten Jahre. (Neuerlicher Beifall beim BZÖ.)

Heureka! 2009, Dezember, die Bank ist pleite, und nun treten Josef Pröll und sein Staatssekretär Schieder auf den Plan, kaufen eine Pleitebank, bei der wir froh sein könnten, dass wir sie bei gutem Wind losgeworden sind, nämlich an die Bayern, um den berühmt-berüchtigten 1 € zurück. Wir übernehmen somit die Gesamtschuld dieser Bank und müssen sie notverstaatlichen. Selbstverständlich hätte bei der Ausfallsbürg­schaft, die das Land Kärnten gegeben hat, zuerst der Eigentümer gehaftet, Kollege Bartenstein. (Abg. Dr. Bartenstein: Nein!)

Ihre Zwischenrufe haben den gleichen Wahrheitsgehalt wie die Eurofighter-Gegenge­schäfte, die Sie zu verantworten haben. Die gehören auch einmal kontrolliert, Kollege Bartenstein. (Beifall beim BZÖ.)

Der gleiche Wahrheitsgehalt! Hätten Sie doch heute auch dazu gesprochen, zu Ihren Verquickungen. Dass Sie hier heraußen reden mit so viel Butter am Kopf und bei der Hitze, die wir vor dem Parlament haben, ist auch sagenhaft.


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Zurück zum Thema: Pröll und Schieder kaufen also diese Bank, nämlich die Hypo, zu­rück, obwohl wir erst in dritter oder vierter Linie dafür gehaftet hätten, nämlich zuerst der Eigentümer, in weiterer Folge selbstverständlich die Hypo, und für die Sparbuch­einlagen alle anderen Landeshypothekenbanken und in weiterer Folge der Raiffeisen­konzern. Um den Raiffeisenkonzern vor möglichen Mittelzuschüssen zu schützen, hat der nunmehrige Raiffeisenmitarbeiter und ehemalige Finanzminister Pröll österreichi­sches Steuergeld versenkt, um die Bayern und die Raiffeisen aus ihrer Ziehung zu las­sen. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist der Kriminalfall um diese Hypo, und den haben Sie von der Österreichischen Volkspartei zu verantworten. Und daher ist es gut, dass wir darüber diskutieren, näm­lich nicht im Sinne der Geschichtsfälschung, sondern im Sinne der Geschichtsaufarbei­tung, wo die jeweilige Verantwortung für dieses Debakel bei der Hypo liegt.

Wie gesagt, als es darum gegangen ist, andere zu diskreditieren, war Ihnen jedes Mit­tel recht, diese Bank madig zu machen, Frau Finanzministerin. Und heute kommen Sie herein und beschwören aus staatspolitischer Verantwortung, nur ja nicht mehr über diese Hypo zu reden.

Ich zitiere Ihren Parteikollegen Ditz, ehemaliger ÖVP-Minister: „Nicht zuletzt die Dis­kussion der letzten drei Monate ist laut Ditz Schuld daran, dass die Österreich-Tochter deutlich unter dem Buchwert verkauft werden muss. ,Das hat uns vorsichtig geschätzt mindestens 30 Millionen Euro gekostet‘ ().“

Das ist ein Schaden, den Sie zu verantworten haben. Zahlen Sie ihn persönlich zurück, diesen Schaden? Ein Schaden, den auch Ihr Herr Dr. Johannes Ditz in einem Brief, sehr geehrte Frau Finanzministerin – „sehr geehrte“ lasse ich weg –, vom 2. Mai 2013 anführt: „Die politische Diskussion über die Zukunft des Unternehmens erschwert zu­nehmend längerfristig planbares Handeln auf Unternehmensebene und beeinträchtigt die Verkaufsverhandlungen der Österreich Tochter ().“

Das hat Ihnen Herr Ditz ausgerichtet und hat seinen Aufsichtsratsvorsitz zurückgelegt. Der Vorstandsvorsitzende Gottwald Kranebitter hat Sie nicht einmal vor dem Minister­rat informiert, dass er zurücktritt. Er gibt auf Sie mit Ihrer sogenannten Unterstützung keinen Cent mehr, und hat in einem Brief ausgerichtet: „Seit Mitte März 2013 ist die Bank immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.“

Sie haben zur öffentlichen Diskussion von Schließungsszenarien und undifferenzierten Kostenspekulationen beigetragen, Frau Finanzministerin: Die Hypo ist ein Fass ohne Boden, die Hypo ist Griechenland. Sie haben dazu beigetragen, dass ein Herr Krane­bitter sein Vorstandsmandat zurückgelegt hat, dass ein Herr Ditz sein Aufsichtsrats­mandat zurückgelegt hat und dass diese beiden Briefe an Sie geschrieben haben, in denen sie den massiven Schaden kritisieren, der durch Ihr unplanbares Handeln ent­standen ist. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.)

Frau Ministerin Fekter, Sie sind der politische Fettnapf dieser Republik. Einem Herrn Juncker richten Sie Nierensteine aus, und in Österreich ruinieren Sie eine Bank. Über­legen Sie Ihre eigene Umgangsweise und kritisieren Sie nicht Parlamentarier wie Klub­obmann-Stellvertreter Kogler, der heute zu Recht und auch sehr sachlich diese Kritik an Ihrer Vorgangsweise vorgebracht hat. (Zwischenruf des Abg. Hornek.  Abg. Dr. Bar­tenstein: Das hat Kogler nicht verdient!)

Frau Minister Fekter, Sie treten plötzlich als Anstandsdame dieses Parlaments auf. Sie, die Sie international dadurch aufgefallen sind, dass Sie jegliche Regeln des normalen politischen Anstands ständig verletzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesminister! In diesem Sinne schließe ich mit dem Wunsch, dass Ihre Amtszeit in den nächsten drei Monaten bald


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zu Ende gehen wird (Abg. Ing. Westenthaler: Das wird eh so sein! – Ruf bei der ÖVP: Und Ihre?), dass das Ihre letzte Aktion war und vielleicht auch Ihr letzter Auftritt in die­sem österreichischen Parlament, und Sie politisch dorthin verfrachtet werden, wo Sie hergekommen sind. (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wetten wer­den angenommen!)

18.02


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


18.02.13

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der Vorwurf des Herrn Grosz ist, es würde jemand den verstorbenen Landeshauptmann Haider kriminalisieren. – Das geht nicht, denn un­ser Strafrecht sieht vor, dass, wenn jemand verstorben ist, keine weiteren Ermittlungen gegen diese Person geführt oder eingeleitet werden können.

Nicht einmal für die Ursache oder den Alkoholgehalt kann er zur Rechenschaft gezo­gen werden. Aber was für einen Grund gibt es, dass sich seine Buberl-Partie mit hoch­rotem Kopf und gestrecktem Zeigefinger hier herstellt? – Um davon abzulenken, was geschehen ist. Unfassbar! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Gestern bestätigte der Oberste Gerichtshof, dass der Bankier dieses Jörg Haider – und nichts anderes war Herr Kulterer, Exekutor der dortigen Politik – rechtskräftig zu vier­einhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Die Fragestellung  (Abg. Ursula Haubner: Blödsinn! – Abg. Petzner: Dreieinhalb Jahre! Falsch! Dreieinhalb! – Abg. Ing. Westenthaler: So ein Blödsinn! Dreieinhalb Jahre!) – Herr Westenthaler empfin­det dreieinhalb Jahre als eine Bagatelle, das nehmen wir zur Kenntnis. (Weitere Zwi­schenrufe beim BZÖ.) – Beim BMW-Fahren wieder aufpassen! (Abg. Ing. Westentha­ler: Du hast ja keine Ahnung! – Zwischenrufe der Abgeordneten Ursula Haubner und Petzner.) Dieses System gilt es aufzuräumen.

Dann herzugehen und sich plärrend auf die Straße zu stellen, während das Gebäude noch brennt, ist einfach eine dermaßen unappetitliche Vorgangsweise. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Schläft den ganzen Tag und stellt sich dann da her!)

Für all jene, die sich bemühen, das zu löschen, ist es schwierig genug, die Aufräumar­beiten zu machen. Es will heute noch niemand die Bank kaufen. Es will heute noch niemand die Teile kaufen. Sie ist in einen Zustand gebracht worden, in dem sie nie­mand haben will. (Abg. Ing. Westenthaler: Du schläfst ja sonst den ganzen Tag! – Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Jetzt kommen wir zu der Fragestellung: Ist die Notverstaatlichung zu Recht erfolgt oder nicht? Ist die Notverstaatlichung zu Recht erfolgt? (Abg. Grosz: Jetzt ist er einmal munter! – Abg. Ing. Westenthaler: Der schläft ja den ganzen Tag! Ein Siebenschlä­fer! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ sowie des Abg. Krainer. – Präsident Neuge­bauer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Westenthaler zum Beispiel will das in seiner Hysterie gar nicht hören, weil da der Rest seiner Argumentation zusammenbricht – beim sogenannten Herrn Ingenieur, der bei der FPÖ gelernt hat, auch einer aus der Buberl-Partie, die sich hier gefunden hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Lieber Buberl-Partie als Siebenschläfer!) Herr Grasser, der auch da dabei war, hat die Wandelanleihen unterschrieben, die Sie uns vorgehalten haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie schlafen ja dauernd! Sie sind ja nie da! – Zwi­schenruf des Abg. Petzner.)

Zurück zu dieser Frage der Notverstaatlichung: Wir haben einen sachlichen Punkt zu lösen, eine Fragestellung: Hätte Bundesminister Pröll die Alternative gehabt, den mög-


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licherweise programmatischen Stil der Bayern  (Abg. Ing. Westenthaler: Sie schla­fen ja! Sie sind ja geistig immer abwesend! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Herr Präsident, wollen Sie den draußen schreien lassen – oder können wir weiterma­chen? Da besteht natürlich die Gefahr, dass er wie beim Fußballstadion beim Wegfah­ren Probleme hat. (Abg. Petzner: Du kannst dich auch hinsetzen! – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Herr Ing. Westenthaler ist ja der, der immer zum Fußballmatch gehen muss, wenn hier Parlamentssitzung ist und dann draußen mit den Polizisten Schwierigkeiten hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Das ist er, der Herr Westenthaler. Aber hier kann er schreien. Schreien Sie weiter, das ist ja völlig wurscht. Ihr Beitrag interessiert eh niemanden. (Abg. Ing. Westenthaler: Wechselst jede Woche die Haarfarbe und dann stellst dich da heraus!)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege Westenthaler! Zwischenrufe zur Sache sind ja sicher sehr interessant, aber Sie diffamieren ununterbrochen den Redner. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber das ist zur Sache!) Sie diffamieren ununterbrochen den Redner. Wir wollen hier eine wertschätzende Debatte der Person gegenüber führen, auch wenn in der Sache Unterschiede bestehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Das spricht dann für meinen Beitrag, denn wenn Kollege Westenthaler so hysterisch schreit und sich über seine eigene Haarfarbe und die Menschen unterhält (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, über deine habe ich geredet!), dann weiß ich, dass er zu verhindern versucht, dass wir über den Inhalt reden, der ihm unangenehm ist. Wir werden trotzdem darüber reden, Herr Ing. Westenthaler! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist Ihre Fraktion, die dort in Kärnten die Verantwortung hatte. Diese Verstaatlichung musste erfolgen, denn sonst hätten wir die Refinanzierungskosten unserer Staats­schulden in einem Ausmaß in die Höhe getrieben, dass es nicht mehr möglich gewe­sen wäre, ohne in eine ähnliche Situation wie Zypern oder ein anderes Land zu kom­men. (Abg. Ing. Westenthaler: Dein Schlafplatz ist neben Krainer! – Abg. Petzner: Gute Nacht!)

Das heißt, diese Art von Politik, die Politik von Haider und Co. inklusive Westenthaler und Ähnlicher, denen die Schilder auf den Kopf fallen, wenn sie sich kurzfristig dazwi­schen verabschieden, hat das gesamte Land in Geiselhaft genommen. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Gute Nacht! Geh wieder schlafen!) Für diese Geiselhaft bezahlt der Steu­erzahler, der hoffentlich abrechnen wird, indem die Fraktion nicht mehr da ist, indem der Herr Westenthaler und seine ganze Fraktion nicht mehr da sind. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Das ist doch eine Peinlichkeit!)

Das hilft aber den Österreichern nicht weiter (Abg. Ursula Haubner: Ist das jetzt zu Westenthaler oder zur Hypo?), weil sie den Schaden des Systems Haider zu bedienen haben. Dessen Epigonen setzen sich dann auch noch hier her und machen sich auch noch lustig darüber, dass der Rest für das Desaster zahlen muss. (Abg. Petzner:
Was heißt „Epigonen“? – Abg. Ursula Haubner: Was soll das heißen, „Epigonen“? – Abg. Ing. Westenthaler: Was heißt hier „Epigonen“? – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)
Schämen Sie sich einmal dafür und übernehmen Sie einmal Verantwortung! (Abg. Ing. Westenthaler: Sag einmal, hast du was getrunken? – Zwischenruf des
Abg. Petzner.)

Der „Herr Lebensmensch“ mit dem roten Kopf ist dann der Erste, der sich als Aufklärer und Ankläger gibt. Das ist überhaupt das Beste!

 


Präsident Fritz Neugebauer: Den Schlusssatz, bitte!

 



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Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Das heißt nämlich, ich stelle etwas an und beschimpfe dann jene, die die Aufräumarbeiten machen können. Das ist wie bei der WC-Anlage, wo man dann auf die Leute losgeht, die sie reinigen müssen, nachdem sie verdreckt wurde.

Ich „gratuliere“ Ihnen, Herr Petzner! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Westen­thaler: So ein Ungustl! – Zwischenrufe der Abgeordneten Ursula Haubner und Petzner.)

18.07


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgorschek. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kannst wieder schlafen gehen – oder zum Fri­seur!)

 


18.08.14

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Kollege Matznetter, nachdem Kollege Kogler aus meiner Sicht eine sehr seriöse  (Zwischenrufe beim BZÖ sowie der Abgeordneten Krainer und Dr. Matznetter.)

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Entschuldigen Sie, Herr Kollege.

Wenn Sie noch 30 Sekunden brauchen, dann schreien Sie sich das jetzt aus. Aber dann sollte man dem Redner zuhören. Er hat das Recht auf Aufmerksamkeit.

Sie haben keinen Zwischenruf zur Sache, Sie stören ständig. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Herr Abgeordneter Westenthaler, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Bitte noch einen!)

*****

Herr Kollege Podgorschek ist wieder am Wort. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Podgorschek (fortsetzend): Nachdem Herr Kollege Matznetter ja Stimmung hereingebracht hat, möchte ich nur feststellen, dass Herr Kollege Kogler aus meiner Sicht eine sehr seriöse Rede gehalten hat.

Ich lege ausdrücklich Wert darauf, dass ich nicht zu dieser Buberl-Partie gehöre (Ruf bei der ÖVP: Das haben wir auch nicht angenommen!) und erst als 50-Jähriger in die Politik eingestiegen bin.

Dennoch habe ich ein paar Fragen, die aus meiner Sicht erst durch diese Debatte auf­getaucht sind. Ist es Ihnen jetzt endlich klar, wann das Kreditvolumen so massiv erhöht wurde? – Nämlich in der Zeit, als die Bayern im Eigentum der Hypo Alpe-Adria waren. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweitens: Bis zum Schluss war die ÖVP im Aufsichtsrat an bestimmender Stelle. Auch das ist ein Faktum und hat nichts mit Emotion zu tun. Ganz interessant ist auch die Aussage, dass wir unter anderem auch dafür sorgen mussten, dass wir die Balkanlän­der, unter anderem Kroatien, damit retten. Das ist auch ein sehr interessanter Aspekt, der zu durchleuchten ist.

Frau Bundesminister, das war nicht unter Ihrer Verantwortung, es war unter Ihrem Vorgänger, aber Sie setzen diese Politik fort. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Föhrenberg­kreis ein Begriff ist. Das ist eine Zusammenkunft von namhaften Managern und Wirt­schaftswissenschaftern, die interessanterweise bereits einen Tag nach der Verstaatli-


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chung Ihre Bedenken angemeldet haben, und letzten Endes ist exakt das eingetreten, was sie gemeint haben.

Wir haben ein Mail bekommen, da schreibt uns ein Mitglied dieses Kreises:

Wir haben den Föhrenbergkreis von Anbeginn an mit dem Problem der Hypo Alpe-Ad­ria befasst. Aus aktuellem Anlass übermittle ich Ihnen unsere Stellungnahme vom 13. Dezember 2009, die das Büro von Herrn Pröll zu Spott und Hohn gegen uns veran­lasst hat. Heute ist einer unserer Hauptkritiker und gelernter Journalist Österreichs Ver­treter beim ESM.

So viel Kompetenz kann man nur beglückwünschen, wenn das vertreten wird. Heute besitzt er Immunität. (Abg. Dr. Bartenstein: Wer schreibt das?) – Das ist der Föhren­bergkreis.

Da sind Punkte angeführt, die genau stimmen, nämlich was man nicht machen darf, wenn man eine Bank sanieren soll – Zitat:

Den Eigentümer und die Gläubiger nicht in die volle Verantwortung nehmen. –

Das darf man einmal nicht. –

Im Vorhinein sagen, dass sie saniert werden soll. (Zwischenruf des Abg. Kopf.) Also, im Vorhinein sagen, dass sie eine Systembank sei. Daher wissen alle Beteiligten in ei­ner Verhandlung, dass man sie jedenfalls retten werde.

Drittens: Berater nehmen, die selbst ein großes finanzielles Engagement haben, wie zum Beispiel Raiffeisen, UniCredit, BAWAG, und daraus noch ein Geschäft machen wollen. Eine Haftung der Altschulden übernehmen und damit gegen die Regel eines jeglichen Geschäftes verstoßen und als Käufer keine Option offen lassen. Das heißt, auch die Option einer Insolvenz und eine geordnete Abwicklung ist in Betracht zu zie­hen. – Zitatende.

Das alles wurde nicht berücksichtigt. Das ist jetzt die Folge, die auf uns zukommt.

Daher ist es an der Zeit, dass wir einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Alle be­haupten, sie wollen unbedingt Aufklärung. Nur interessanterweise lehnen die Regie­rungsfraktionen das ab, und das wirft ein Bild auf den Zustand dieser Regierung. (Bei­fall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Bartenstein: Wer hat den Brief jetzt geschrieben? – Bun­desministerin Dr. Fekter: Das waren die Jungen von !)

18.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Kopf. – Bitte.

 


18.12.48

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Das BZÖ und die FPÖ werden bei dieser Debatte nicht müde, uns zu erklären, dass die Bank, die Hypo Alpe-Adria, zum Zeitpunkt ihres Verkaufs an die BayernLB gesund gewesen sei, und dass sie von den Bayern  (Abg. Strache: Lieb­scher hat das gesagt!) – Warten Sie ein bisschen, Geduld, Geduld. – Sie sei von den Bayern konkursreif gemacht worden.

Wenn das so ist – und lassen wir das einmal so stehen –, dann ist es umso schlimmer. Welcher Kaufmann geht her, verkauft eine gesunde Bank, behält für 20 Milliarden € Haftungen und muss dann zuschauen, wie der neue Eigentümer diese Bank konkurs­reif macht und die Haftungen gegen ihn schlagend werden? (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Der muss ja verrückt sein! (Rufe beim BZÖ: Richtig!) Ich glaube, der Eigentümer war das Land Kärnten mit Landeshauptmann Haider. (Zwischenruf des Abg. Stra­che. – Abg. Bucher: Und wer war der Vorsitzende?) Meine Damen und Herren! So et­was kann ein Kaufmann und auch der Landeshauptmann eines Landes nicht machen, denn das ist gröbst fahrlässig.


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Noch eine Bemerkung zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung (Abg. Strache: Was war jetzt mit der Landesholding?): Diese Bank war zum Zeitpunkt der Notverstaatlichung unmittelbar vor dem Konkurs. Kollege Bartenstein hat das schon ausgeführt, ich wie­derhole es noch einmal: Im Konkursfall kommen die Eigentümer genau mit so viel dran, wie sie Kapital in diesem Unternehmen haben. Ja, das ist weg. (Bundesministerin Dr. Fekter: Stammkapital!) – Mit dem Stammkapital. Aber das war es dann auch schon. Dann kommt als Nächster sofort der Ausfallbürge dran.

Noch einmal zur Erinnerung: Das war Kärnten und indirekt die Republik Österreich, weil Kärnten das niemals bezahlen hätte können, die 20 Milliarden €. Da war es ein Gebot der Stunde, das Schlagendwerden dieser Haftung durch die Notverstaatlichung abzuwehren. (Abg. Strache: Gläubiger! Zuerst die Gläubiger!)

Jede Milliarde, die wir uns jetzt ersparen – und es werden viele Milliarden gegenüber den 20 sein, die wir uns auch jetzt durch ein behutsames, bedachtes Vorgehen unserer Finanzministerin ersparen werden –, rechtfertigt es selbstverständlich, diese Notver­staatlichung vorgenommen zu haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Petzner – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Magst auch etwas zu dem Mail sagen?)

Meine Damen und Herren, ein Letztes noch: Wenn der jetzt ausgeschiedene Aufsichts­ratsvorsitzende Ditz und auch der ausscheidende Vorsitzende des Vorstandes Krane­bitter so deutlich und eindringlich darauf hingewiesen haben, dass dieses ständige poli­tische Anschütten der Bank und der Sanierung der besseren Verwertung der Assets der Bank schadet, dann haben sie nicht uns gemeint, sondern Sie. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Abg. Petzner: Na, geh bitte! – Abg. Ing. Westenthaler: Kranebitter ist wegen dem BZÖ zurückgetreten! Was wir alles können! – Abg. Petzner: Die böse Op­position! – Weitere Zwischenrufe bei Abgeordneten von BZÖ und FPÖ.)

18.16

18.16.30

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfassungsbruch der Bundes­regierung bei der Hypo Alpe-Adria.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Er findet keine Mehrheit und ist abgelehnt.

18.17.00Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zur kurzen Debatte betreffend den An­trag der Frau Abgeordneten Gartelgruber, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstat­tung über den Antrag 321/A der Abgeordneten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes eine Frist bis 5. Juli 2013 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Dem Erstredner kommt zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zu. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung beziehungs­weise von zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Gartelgruber. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 179

18.17.31

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Mein Fristsetzungsantrag beschäftigt sich mit einem Thema, das uns zurzeit in Tirol ziemlich stark beschäftigt, und zwar die angekündigte Aufhebung der Vignetten­freiheit von der deutschen Staatsgrenze bis zur Ausfahrt Kufstein-Süd.

Die ASFINAG plant, mit 1. Dezember 2013 diese Kulanzlösung, die bis jetzt im Raum gestanden ist, dass bis zur Ausfahrt Kufstein-Süd die Vignettenpflicht nicht kontrolliert wird, aufzuheben. Die Strecke, von der wir hier sprechen, ist 5,7 km lang. Diese 5,7 km sind für die Stadt Kufstein wesentlich, aber für die Frau Minister anscheinend über­haupt nicht. Seit 15 Jahren gibt es nun diese mündliche Vereinbarung, die gut, richtig und wichtig ist.

Die durchschnittliche Verkehrsbelastung im Raum Kufstein beträgt laut Zählung des Landes Tirol binnen 24 Stunden 44 000 Kraftfahrzeuge – Pkw, Lkw und Busse. All je­ne, die jetzt vor der Maut flüchten wollen, müssen durch das Nadelöhr Kufstein Stadt fahren. Das ist für die Stadt Kufstein eine Riesenkatastrophe. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist aber nicht nur für die Stadt Kufstein eine Katastrophe, sondern auch für alle umliegenden Gemeinden wie Ebbs und Niederndorf, aber natürlich auch Kiefersfelden und Oberaudorf im Grenzbereich. Das wird provoziert.

Deswegen setzen wir heute unserem Antrag 321/A die Frist bis morgen. Ich glaube, es ist wirklich notwendig, dass wir so schnell wie möglich eine gesetzliche, eine rechtliche Regelung schaffen, um Mautflüchtlingen nicht die Ausweichstrecke nach Kufstein zu öffnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der jetzige Bundeskanzler und damalige Verkehrsminister Werner Faymann hat diese Maßnahme auch unterstützt, wissend, dass man eine Ausnahmeregelung, die man kippt, nicht auf dem Rücken der Kufsteinerinnen und Kufsteiner austragen kann.

Leider habe ich gestern vergeblich versucht, mit der Frau Bundesminister ein kurzes Gespräch zu führen. Es ist nicht zustande gekommen. Ich glaube, es war ja schon fast eine Majestätsbeleidigung, dass ich als Abgeordnete aus dem Bezirk Kufstein ohne lang angekündigten Termin ein kurzes Gespräch mit ihr führen wollte. Es hat sie ein­fach nicht interessiert.

Das wundert mich nicht bei der Ignoranz, denn die Wogen sind ja auch bei uns nach dem 8-€-Bier-Vergleich ziemlich hochgegangen, den Sie nach dem Motto angestellt haben: Die, die nach Kitzbühel reinfahren wollen, die können die 8-€-Vignette für zehn Tage leicht bezahlen, denn so viel kostet ja auch ein Bier in Kitzbühel. – Was nicht ganz stimmt. Das war ein unglücklicher Sager, und Sie wissen, die Touristiker in Tirol waren damals sehr, sehr böse auf Sie.

Aber diese Ignoranz setzt sich ja auch damit fort, dass Ihnen nicht bewusst ist, was Sie da jetzt mit dem Kippen dieser Ausnahmeregelung verursachen. Frau Minister, ich lade Sie herzlich ein – und ich glaube, ich bin nicht die Erste und werde auch nicht die Einzi­ge sein –, dieser Bitte, nach Kufstein zu kommen, nachzukommen, sich diese Situa­tion, dieses Nadelöhr persönlich anzuschauen, um zu sehen, welche Verantwortung Sie mit dem tragen, was Sie jetzt hier in Kufstein machen. Und ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wer sich dann aller bei Ihnen bedanken wird.

Wenn Sie das jetzt auch nicht wissen: Kufstein ist ein Luftsanierungsgebiet. Das heißt, aufgrund der Topographie, die wir dort haben, sind wir nicht einmal in der Lage, eine Ausweichstrecke zu bauen. Der ganze Verkehr wird wieder durch die Stadt fließen. Und darüber hinaus haben wir jetzt schon Luft- und Lärmschadstoffe in einem Aus­maß, das weit über dem von allen anderen Gemeinden in Österreich liegt. Deshalb ist es dringend notwendig, die bestehende Regelung nicht nur aufrechtzuerhalten, son­dern unbedingt – am besten noch morgen – gesetzlich zu verankern.


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Ich bin ja mit diesem Vorstoß heute nicht die Erste, denn bereits im Jahr 1996 hat un­sere ehemalige Abgeordnete Edith Haller mit der ehemaligen ÖVP-Abgeordneten Ka­tharina Horngacher einen diesbezüglichen Antrag für das Parlament vorbereitet. Leider wurde dann Kathi Horngacher von der ÖVP zurückgepfiffen, und Edith Haller hat da­mals, im Jahr 1996, diesen Antrag alleine eingebracht. Natürlich mit der Konsequenz, dass der Antrag hier im Hohen Haus abgelehnt worden ist. Gott sei Dank gab es dann eine mündliche Vereinbarung, die jetzt nach 15 Jahren kippen soll.

Jetzt hat der Kollege Josef Lettenbichler – da oben steht er – dankenswerterweise in Tirol eine Unterschriftenliste gestartet, gemeinsam mit den Bürgermeistern der Region. (Abg. Strache: Der wird sicher zustimmen! – Abg. Huber: Der wird sicher zustimmen wollen!)

Das ist natürlich unterstützenswert. Aber, lieber Herr Kollege Lettenbichler, den Vor­wurf, ich hätte jetzt populistisch gehandelt, weil ich in meiner Verantwortung als Abge­ordnete aus dem Bezirk Kufstein genau den Antrag hier in diesem Haus einbringe, wo er hingehört, kann ich wirklich nicht so stehen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das erinnert mich ja schon fast an die Aussage des Kollegen Josef Auer – er ist jetzt nicht im Saal –, der damals im Umweltausschuss gesagt hat, die Opposition bringe ja nur deshalb ständig Anträge ein, um die Regierung zu ärgern. – Ich kann mich erin­nern, dass wir damals aufgrund dieser Aussage aus dem Umweltausschuss ausgezo­gen sind.

Aber noch einmal: Deine Forderung ist legitim. Aber es kann nicht die Lösung sein, ei­nen ungesetzlichen Zustand weiter zu prolongieren. Das kann nicht die Lösung sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ebenso kann ich nicht ganz nachvollziehen, dass du sagst, ihr seid in einer Koalition und ihr könnt die Regierung nicht überstimmen, besonders angesichts der Tatsache, dass wir eigentlich in der letzten Plenarwoche dieser Gesetzgebungsperiode sind. Ich glaube, es wäre sicher möglich, dass wir hier endlich gemeinsam einen Kompromiss finden, schulterschließend eine vernünftige Lösung finden. Dazu lade ich natürlich auch die SPÖ ein. Und deshalb brauchen wir eine gesetzliche Änderung. Diese ge­setzliche Änderung brauchen wir deshalb, damit wir nicht in zwei, drei Jahren wieder vor derselben Situation wie jetzt stehen und wieder um des gleichen Kaisers Bart dis­kutieren müssen. Wir brauchen jetzt eine Änderung. Und deshalb würde ich Sie alle einladen, das auch mitzutragen.

Trotzdem möchte ich mich bei dir bedanken. Ich habe heute in deiner OTS-Aussen­dung gelesen, dass du auch mich zu deinem Runden Tisch einlädst. Ich gehe davon aus, wenn du alle Abgeordneten zum Runden Tisch einlädst, dass du mich dann auch einlädst. (Abg. Mag. Lettenbichler: Selbstverständlich!) Ich nehme die Einladung dan­kend an und werde mich selbstverständlich auch konstruktiv daran beteiligen.

Aber ich glaube, wir brauchen jetzt eine Maßnahme, weil wir Kufstein vor diesem dro­henden Verkehrskollaps schützen müssen, denn am 1. Dezember ist es zu spät. (Abg. Strache: Taten sind gefragt!)

Ich weiß ja nicht recht, was du mit deinen Unterschriften machen wirst. Es ist eine gute, sinnvolle Aktion. Aber bitte erkläre mir, wie das jetzt funktionieren soll! Du machst eine Unterschriftenliste. Ich gehe jetzt davon aus, das wird bis über den Sommer laufen. Was passiert dann am 30. September? (Abg. Strache: Das Abstimmungsverhalten wird zu werten sein!)

Ich habe auf deiner Website nachgeschaut und hätte gerne sofort unterschrieben. Nur steht nicht da, wie es weitergehen soll. Ich hoffe, du klärst mich auf. Denn auch wenn wir das in Form einer Petition machen wollen, können wir das laut dem parlamentari-


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schen Ablauf sicher nicht vor Dezember dieses Jahres machen. Daher bitte ich dich, mir das jetzt schon zu sagen. (Abg. Strache: Wenn er es ernst meint, stimmt er dei­nem Antrag zu, Carmen!)

Deshalb richte ich meinen Schlusssatz heute an den Klubobmann Kopf: Bitte, Herr Klubobmann, befreien Sie heute die Tiroler Abgeordneten heute vom Klubzwang, da­mit wir gemeinsam von Wien aus nach Tirol, nach Kufstein ein Zeichen setzen können, dass wir einer ehrlichen, wichtigen und richtigen Lösung für die Stadt Kufstein arbei­ten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.

 


18.27.20

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Österreich hat ein sehr hochrangiges Straßennetz mit 1 719 Kilome­tern Autobahn und 466 Kilometern Schnellstraße, das ergibt zusammen 2 185 Kilome­ter hochrangiges Straßennetz.

Dieses Straßennetz, meine Damen und Herren, muss erhalten werden. Es wird teil­weise neu gebaut. Es muss in Betrieb bleiben. (Zwischenruf der Abg. Gartelgruber.)

Dieses Erhalten, dieser Neubau und dieser Betrieb erfolgen über die Einnahmen aus der Autobahnvignette. Diese Autobahnvignette, meine Damen und Herren, gibt es als Jahresvignette, als 2-Monats-Vignette und als 10-Tages-Vignette. Die Jahresvignette kostet 80,60 €, die 2-Monats-Vignette kostet 24,20 € und die 10-Tages-Vignette kostet 8,30 €. Das ist durch das Bundesstraßen-Mautgesetz so geregelt, meine Damen und Herren.

Es gibt nur eine einzige Ausnahme in Österreich, und zwar in Vorarlberg eine Kor­ridorvignette für den Pfändertunnel. Diese ist im Monat September 2008 eingeführt worden – weil ja der Pfändertunnel einröhrig war und es dort viele „Ausweichler“ über die Stadt Bregenz gegeben hat – und ist mit 3. Juli 2013 hinfällig, weil ja die zweite Pfändertunnel-Röhre eröffnet wurde. Daher gibt es auch dort die Korridorvignette nicht mehr, meine Damen und Herren.

Jetzt zu Kiefersfelden und Kufstein-Süd. Die Kollegin Gartelgruber hat gesagt – und das steht auch im Antrag drinnen –, es gibt eine Mautfreiheit. Im Antrag steht: „Die Au­tofahrer wurden sogar mittels Hinweisschildern in Kufstein-Süd und vor der Staatsgren­ze bei Kiefersfelden auf die ,Mautfreiheit‘ hingewiesen.“

Meine Damen und Herren, es hat dort noch nie eine Mautfreiheit gegeben, sondern es wurde von der Staatsgrenze weg bis Kufstein-Süd nicht kontrolliert. Aber eine Maut­freiheit hat es dort nicht gegeben, denn das wäre gegen das Bundesstraßen-Mautge­setz gewesen, und das haben wir in Österreich immer einzuhalten.

Ab 1. Dezember 2013 wird vonseiten der ASFINAG ab jeder Staatsgrenze kontrolliert, und das wird in ganz Österreich gleich gemacht. Eine Ausnahme, meine Damen und Herren, würde viele, viele Türen aufmachen. (Abg. Gartelgruber: Wissen Sie, was in Kufstein dann los ist?) Und ich sage Ihnen nur, Kollegin Gartelgruber, wie viele Forde­rungen es gibt, Ausnahmen zum Bundesstraßen-Mautgesetz zu machen:

Salzburg zum Beispiel: Vignettenbefreiung für Teilbereiche der A 1 West Autobahn zwischen dem Grenzübergang Walserberg und der Anschlussstelle Salzburg-Mitte be­ziehungsweise zwischen Salzburg-Nord (A 1) und Salzburg-Süd (A10).

Kärnten: Antrag auf Vignettenbefreiung für die A 2 Grenze–Abzweigung Gailtal, vom Tourismusverband Villach-Therme Warmbad, Faaker See für die A 11 Rosental bis Vil­lach, zuletzt auch für die Autobahnumfahrung (A 2/A 10) der Stadt Villach und für die Ferienregion Villach allgemein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 182

Tirol, Kufstein, das wissen wir ja. Innsbruck: Vignettenbefreiung der innerstädtischen Autobahnabschnitte der A 12 sowie des Abschnitts Zirl-Ost–Innsbruck-Süd.

Wien: Vor allem für die Nordbrücke und anschließende Spange zur B 7 als stark befah­rene Donauquerung. Generell auch Vignettenfreiheit für Stadtautobahnen in Wien.

Burgenland, Nickelsdorf und Bratislava: Vignettenfreiheit für den Grenzabschnitt der A 4 bis zur (ersten) Anschlussstelle Nickelsdorf, wie sie auf der ungarischen Autobahn M 1 bis zur Auffahrt Hegyeshalom gegeben ist. Vignettenfreiheit für Fahrzeuge mit slo­wakischer Vignette zwischen Kittsee und Flughafen (A 6/A 4).

Steiermark, Graz: Vignettenfreiheit oder Tarifsondermodell für Stadtautobahn (A 2, A 9) in und um Graz.

Oberösterreich, Suben: Vignettenfreiheit für Grenzregion A 8 (Therme Geinberg).

Allgemein, Grenzabschnitte der Autobahnen: Vignettenfreiheit bis zur ersten Ausfahrt auf österreichischem Gebiet.

Und der Österreichische Städtebund fordert auch Vignettenfreiheit für den innerstädti­schen Verkehr (Wels, Linz, Bregenz, Graz, St. Pölten, Amstetten, Schwechat, Wiener Neustadt, Villach, Klagenfurt, Salzburg).

Meine Damen und Herren, würden wir all diese Wünsche erfüllen, würde das zu einem massiven Einnahmenverlust für die ASFINAG führen und damit auch gleichzeitig einen entsprechenden Einschnitt für die Erhaltung unseres hochrangigen Straßennetzes be­deuten. Daher kann das nicht gehen.

Und jetzt zum Argument der Mautflüchtlinge, meine Damen und Herren: Es gibt von München weg – denn von dort kommen ja alle Autofahrer, die über Kiefersfelden fah­ren – bis nach Kiefersfelden elf Stellen, an denen man Vignetten kaufen kann. (Abg. Huber: Das stimmt gar nicht!) Ich habe erheben lassen, wie viele Vignetten an diesen 11 Stellen im Jahr 2012 gekauft wurden. (Zwischenrufe der Abg. Gartelgruber.)

Ich kann Ihnen sagen, meine Damen und Herren, nur im Jahr 2012 wurden bei diesen 11 Stellen 1 780 785 Vignetten gekauft. Das sind die Autofahrer, die über Kiefersfelden nach Kufstein hineinfahren.

Meine Damen und Herren, wenn man sagt, das müsse man den Urlaubern nach Italien freigeben, dann kann ich Folgendes antworten: In Italien zahle ich für jeden Kilometer, den ich auf der Autobahn fahre, in Kroatien zahle ich für jeden Kilometer, den ich auf der Autobahn fahre, und in Slowenien zahle ich auch für jeden Kilometer, den ich auf der Autobahn fahre. Und da regt sich kein deutscher Urlauber auf. Dann soll er auch in Österreich schauen, dass er für jeden Kilometer bezahlt, den er auf der Autobahn fährt. (Abg. Huber: Die müssen das sowieso bezahlen!) Meine Damen und Herren, gleiches Recht für alle in Österreich! Es muss so sein, dass jeder Österreicher, jede Österrei­cherin seine und ihre Autobahngebühren, seine und ihre Autobahnvignetten bezahlt, und das gilt auch für die Urlauber.

Landeshauptmann Platter und auch Landeshauptmann Haslauer haben Angst, dass die Vignettenflüchtlinge auf die Nebenstraßen ausweichen werden. (Abg. Riepl: Das sind Angsthasen!) Aber, meine Damen und Herren, die beiden Landeshauptleute ha­ben Möglichkeiten, Rechtsvorschriften zu schaffen, damit diese Autofahrer nicht auf die Nebenstraßen ausweichen und diese 5,8 Kilometer zwischen Kiefersfelden und Kuf­stein-Süd die Autobahn benützen.

In dem Sinne kann ich nur sagen, wir werden zu diesen Fristsetzungsanträgen Nein sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Lettenbich­ler. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 183

18.32.58

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin, es ist schön, Sie heute, bei diesem für uns so wichtigen Thema begrüßen zu dürfen, weil bisher Ihre Diskussionsbereitschaft ja nicht die größte war, wie ich von verschiedenen Gesprächspartnern, die mit Ihnen das Gespräch su­chen wollten, vernehmen musste.

Kollegin Gartelgruber hat in der Begründung gut dargestellt, warum wir in Kufstein bis­lang diese Sonderlösung gehabt haben. Es ist dies ja nicht aus Jux und Tollerei pas­siert, sondern ich Jahre 1996 hat der damalige Bürgermeister Marschitz, im Wissen, was für eine verkehrstechnische Katastrophe mit der Vignette auf Kufstein zukommen wird, umgehend das Gespräch gesucht. Er hat beim damaligen Minister Ditz einen Ter­min bekommen und das ausverhandelt, und das hat in weiterer Folge auch unter Minis­ter Farnleitner während der Einführungsphase gehalten.

Was uns jetzt enttäuscht, Frau Ministerin, ist, dass Sie ohne Vorwarnung, ohne dass man begleitende Maßnahmen wenigstens einmal diskutieren würde und Sie hier Dia­logbereitschaft zeigen, einfach sagen, dass das, was 1996 eine politische Vereinba­rung war, die 2007 auch vom jetzigen Bundeskanzler Faymann bestätigt wurde, jetzt vorbei ist. Er wollte es auch abschaffen, hat es aber dann nicht gemacht, weil er für Ar­gumente zugänglich war.

Ich empfehle Ihnen, reden Sie mit ihm, weil die Argumente, die 1996 und 2007gegolten haben, natürlich auch jetzt, 2013 gelten. Auch wenn man das nun mit der Fertigstellung des Pfändertunnels verquicken will, uns Kufsteinern ist nicht damit geholfen, dass jetzt in Vorarlberg ein Tunnel fertiggestellt ist. Wir haben die Probleme nach wie vor.

Und Sie wissen auch, verehrte Freunde von der FPÖ – weil ihr ja des Öfteren kritisiert, was hier in Wien abgeht –, dass ich von erster Minute an auf der Seite der Bürger und der Bürgermeister gekämpft habe. (Abg. Gartelgruber: Das habe ich ja gesagt!) Ich habe die Bürgermeister eingeladen, wir haben einen Schulterschluss gemacht. Wir ha­ben mit den Gemeinden eine Unterschriftenaktion gestartet. Die Listen liegen bei den Gemeinden auf. Wir haben eine Unterschriftenaktion auf einer Homepage, die am Wo­chenende online gestellt worden ist, gestartet, da kann man unter www.mautfrei-bis-kuftstein.at unterschreiben.

Und jetzt raten Sie, wie viele Unterschriften wir mittlerweile haben! – Es sind mehr als 3 000. Da ist noch nicht einmal eingerechnet, was auf den Gemeindeämtern unter­schrieben wird. Das ist also eine große Anzahl. Die Leute sind betroffen. Sie haben Angst. Und diese Ängste, Frau Ministerin, muss man ernst nehmen. Man kann nicht einfach sagen, das ist jetzt so, die Leute so im Regen stehen lassen, irgendwelche Verkehrszählungen anbieten. Das ist zu wenig. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn mir jetzt vorgeworfen wird, dass ich aktiv bin, weil ich Unterschriftenlisten oder Ähnliches mache (Zwischenruf der Abg. Mag. Rudas) – das hat vorhin anders geklun­gen –, finde ich das abstrus. Wenn ich jetzt die Zielscheibe für die Angriffe der FPÖ bin, dann halte ich das leicht aus. Nur: Wenden Sie sich an die Ministerin! Sie hat das in der Hand, denn sie kann das mit einem Anruf auch ohne gesetzliche Änderung wieder zurücknehmen, und alle sind zufrieden. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Rudas.

Was ich Ihnen von der FPÖ vorwerfe, ist nicht, dass Sie Anträge einbringen. Das ist Ihr gutes Recht. (Abg. Gartelgruber: Der Antrag liegt ja schon seit 2009, bitte!) Doch Sie sind jetzt auf einem falschen Gleis und fahren mit dem Zug immer wieder gegen die Wand. Sie bringen Anträge ein – das ist das oppositionelle Spiel –, im Wissen, dass Sie keine Mehrheit bekommen, weil unser Koalitionspartner hier nicht zustimmen will. Wir stecken in der parlamentarischen Sackgasse. (Abg. Gartelgruber: Aber du kannst


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ja zustimmen!) Das wissen Sie genau. Überzeugen Sie nicht mich, ich bin überzeugt, überzeugen Sie den Koalitionspartner. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie den Leuten mit Scheinargumenten Hoffnung machen, dass hier eine gesetzliche Lösung möglich ist, obwohl die SPÖ kategorisch blockt.

Genau dieses Hickhack, das in den letzten Tagen stattgefunden hat, wollen die Leute nicht. Sie wollen eine Lösung. Und das sagen natürlich auch die Journalisten in ihren Kommentaren. Wir haben das gleiche Ziel, Frau Gartelgruber. (Abg. Gartelgruber: Das habe ich ja gesagt! Dann stimm wenigstens heute mit! Um Gottes willen!) Ich will das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Hier werden wir kein Ziel erreichen, weil der Koalitionspartner nicht zustimmen wird.

Deswegen habe ich einen runden Tisch gefordert, der nächste Woche auch einberufen wird. Da sind die Abgeordneten dabei, die Bürgermeister, Vertreter der Institutionen aus dem bayrischen und aus dem Tiroler Teil. Wir wollen jetzt endlich einmal Fakten dafür auf den Tisch bringen, wie wir uns in der Region organisieren können, damit wir der Ministerin einen Weg zeigen können, wie sie diesen Schritt zurück machen und den bewährten Zustand wieder einleiten kann. Für so etwas kämpfen wir. Und das wol­len auch die Leute, dass wir gemeinsam kämpfen. Die Zustimmung von Einzelnen heu­te bei diesem Antrag bringt in der Sache rein nichts. (Abg. Gartelgruber: Es geht um das Signal!)

Das Signal ist, dass ich von der ersten Minute an dafür da war, dass wir auf regionaler Ebene den Druck verstärken. Und das sollten Sie auch tun. Dazu lade ich Sie ein und dafür bin ich auch zu haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.38


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


18.38.08

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die ASFINAG hat mich darüber informiert – wie im Übrigen auch informell den Außenminister und Vizekanzler, auch das Finanzministerium, auch das Land Tirol, auch den Baudirektor des Landes Tirol –, dass sie mit 1. Dezember die Vignettenkontrollen auf Autobahnen in ganz Ös­terreich ausnahmslos ab der Staatsgrenze durchführen wird.

Das gilt also auch für den Abschnitt der A12 ab der Staatsgrenze bis zum Bereich Kuf­stein-Süd. Und die ASFINAG begründet dies unter anderem damit, dass diese Rege­lung im Bundesstraßen-Mautgesetz für das gesamte Autobahnnetz vorgesehen ist, und mit der Notwendigkeit, dass alle Verkehrsteilnehmer in Österreich gleich behandelt werden sollen. Denn diese Vignettenkontrolle wird in ganz Österreich ab der Staats­grenze durchgeführt. Der Abgeordnete Keck hat das ausgeführt, das ist im Burgenland in Nickelsdorf so, das ist in Arnoldstein so, das ist in Suben so, das ist beim Walser­berg so.

Es hat auch seine Richtigkeit, dass die gleiche Regelung für alle Verkehrsteilnehmer gelten muss, denn es hat auch etwas mit Fairness zu tun, wenn es nicht zwei Gruppen von Autofahrerinnen und Autofahrern gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ein bewährtes und ein breit akzep­tiertes System der Pkw-Bemautung, nämlich die Vignetten-Maut. Und 90 Prozent aller Autofahrerinnen und Autofahrer in Österreich haben auch diese Vignette. Mit diesen Beiträgen und der Lkw-Maut gelingt es uns in Österreich, ein hervorragendes österrei­chisches Straßennetz zur Verfügung zu stellen, ausschließlich mit der Bemautung un­seres Straßensystems erhalten wir die Straßen. (Abg. Gartelgruber: Bitte kommen Sie nach Kufstein!) Wir bauen zweite Tunnelröhren zur Verkehrssicherheit. Wir haben ein


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Konjunkturpaket geschnürt mit einem Tunnelsicherheitsprogramm, und dafür werden diese Gelder zweckgebunden eingesetzt. (Abg. Gartelgruber: Kennen Sie die Situa­tion in Kufstein? Zwischenruf des Abg. Riepl.)

Noch einmal: Ich bin der Auffassung, wenn de facto jeder österreichische Autofahrer eine Autobahnvignette bezahlt, dann, würde ich meinen, sind die 8,30 € auch zumutbar für jene Gäste, die herzlich willkommen sind in einem Tourismusland, in Österreich. (Abg. Gartelgruber: Aber die fahren wegen 6 Kilometer ! Sie fahren durch Kufstein!) Und auch in Tirol ist es zumutbar, einen Beitrag von 8,30 € zu zahlen, so wie das jeder österreichische Autofahrer auch tut. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Gartelgruber: Da geht nichts mehr!  Verantwortung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte wirklich betonen, dass ich natür­lich diese Reihe an Forderungen nach Vignettenfreiheit kenne – es wurde angeführt. Wir haben Wünsche für Ausnahmen in Salzburg; wir haben Wünsche für Ausnahmen im Burgenland. Aber ein System lebt nur dann, wenn es wirklich von allen gemeinsam getragen wird. (Abg. Gartelgruber: Die Tiroler werden sich  bedanken!) Und dabei, wie gesagt, geht es auch um die ausländischen Gäste. Ich glaube, keines unserer Nachbarländer, kein einziges unserer Nachbarländer, das eine Pkw-Bemautung hat, hat so eine geringe Maut, wie wir sie unseren Gästen in unseren Tourismusregionen anbieten. Und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe ganz großes Verständnis dafür, dass wir die Mautflüchtlinge von unseren Ortschaften, unseren Dörfern, unseren Städ­ten fernhalten. Wir arbeiten tagtäglich daran, dass es gelingt, diese Mautflucht hintan­zuhalten. (Abg. Gartelgruber:  keine Straße gibt! Wie soll denn das gehen?) Ich kann Ihnen unzählige Orte und Städte in ganz Österreich aufzählen, wo es in Zusam­menarbeit mit den Gemeinden, mit dem Land, mit der ASFINAG, die die Expertise ha­ben, auch gelungen ist. Und ich bin zuversichtlich, dass das in Kufstein auch gelingen wird. (Abg. Gartelgruber: Die Tiroler SPÖ wird sich bei Ihnen bedanken!)

Und es geht mir, noch einmal, darum, dass wir ein bewährtes System haben, wo ich nicht will, dass es zwei Gruppen, nämlich inländische Autofahrer und ausländische Au­tofahrer, gibt, sondern es haben alle ihren Beitrag dazu zu leisten, dass wir so ein tol­les Straßennetz unserer Bevölkerung zur Verfügung stellen können.  Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Abg. Gartelgruber.)

18.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. – Bitte.

 


18.43.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Gott sei Dank sind wir in Österreich in einem Rechtsstaat. Und dieser Rechts­staat baut nicht nur auf ordentlichen Gesetzen, sondern auch auf halbwegs vernünfti­gen, fairen Lösungen und der Fairness allgemein auf.

Trotzdem gibt es immer wieder in einzelnen Bereichen – und diesmal haben wir es im Verkehrsbereich, im Bereich der Bemautungen – Stellen, wo sich die lokale Bevölke­rung oder ausländische Gäste einfach etwas wünschen. – Gehen wir einmal ganz ab­strakt an diese Geschichten heran!

Es sind Lösungen gefragt. Wir haben Problemstellungen, und diese Problemstellungen wurden in der Geschichte unterschiedlich einer teilweisen Lösung zugeführt: sei es jetzt der Murpark in Graz, in der Steiermark, wo sich die Seiersberger etwas Ähnliches wünschen; wir haben das zuletzt gehabt in Kärnten, vom Kollegen Jury; Salzburg und Burgenland wurden heute schon angeführt. Und jetzt sind es die Tiroler. Bei den Tiro-


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lern sei es mir gestattet, zu sagen, dass sie sich nicht nur selbst ein bisschen benach­teiligt vorkommen: Man denke an das Unterinntal mit dieser Lösung in Kufstein, den Perjentunnel, den Arlberg – also es ist nicht nur das Selbstmitleid, das bei den Tirolern vorhanden ist. Es gibt durchaus Probleme. (Abg. Hörl:  Maut!)

Und bei der Bemautung ist es halt so: Wir haben, vollkommen richtig, 8 €; wir haben es aber auch mit einer gewissen Irrationalität zu tun – sonst gäbe es ja keine Lkw-Maut­flüchtlinge. Und die gibt es nicht nur in Tirol, die gibt es in ganz Österreich. Darum gibt es ja auch Mautflüchtlinge. In dem Fall sind sie erwartete Mautflüchtlinge von der deut­schen Grenze über die Bundesstraße zu den Feriengebieten. Mit rationeller Argumen­tation werden wir diesen Touristenströmen nicht begegnen können. Fakt ist, wir haben ein Problem, und wir haben ein Parlament und eine Regierung und vor allem die Re­gierungsparteien (Abg. Keck:  Landeshauptmann!) – und auch einen Landeshaupt­mann –, die eine Lösung erarbeiten können. Was machen sie? – Wir nähern uns dem Wahlkampf, es wird Angstpolitik betrieben und es wird gegeneinander polarisiert, damit man möglichst elegant die Oppositionsparteien an den Rand spielen und sich gegen­seitig als Retter der jeweiligen Bevölkerung darstellen kann.

So ist es ja nicht, auch wenn der Kollege Lettenbichler jetzt sagt, er ist der große Volksretter: Das, was er in der Zeitung von sich gegeben hat und was er auch heute wieder wiederholt hat, nämlich dass ein Antrag nichts bringt – Kollege Lettenbichler, was halten Sie eigentlich vom Parlamentarismus? (Ruf: Gar nichts!) – Ja, gar nichts! Das dürfte vollkommen richtig sein. (Abg. Neubauer: Wer war das?) Es wäre ihm lie­ber eine Diktatur hier herinnen, und die Opposition brauchen wir gar nicht mehr, oder was? Was soll denn die Opposition machen, als Anträge stellen? (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Lieber Kollege Lettenbichler, ich probiere es bei mir an und für sich immer mit kons­truktiven Methoden, und ich komme damit eigentlich auch am weitesten. Nur, am Ende steht immer noch ein Antrag, ob das der ÖVP gefällt oder nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eigentlich muss man sagen: Es ist der ÖVP ohnehin schon wurscht, denn sie handelt ja da in ihrem traditionellen Verhaltensschema, vom Austrofaschismus bis heute durch­gehend. (Rufe bei der ÖVP: Na, na! – Abg. Kopf: Jetzt reicht’s aber!) Das Autoritäre ist Ihnen eigentlich am liebsten. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Kopf: Herr Präsident!  Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn wir schon dazu stehen, wie man sich bei Anträgen verhält, wie man wirklich ab­stimmt, unabhängig vom Klubzwang: Herr Kollege Lettenbichler, Herr Kollege Ikrath hat genau gezeigt, wie das ist, wenn man einem Antrag nicht zustimmt, er ist nämlich hinausgegangen. Gestern hat es die Frau Kollegin Durchschlag gezeigt, wie es ist, wenn man nicht mitstimmen will mit dem eigenen Klub.

Diese Kraft geht Ihnen offensichtlich ab. Da wird natürlich lieber ein bisschen auf die Opposition hing’haut, da wird auf die Ministerin hing’haut. Und dann sagt man, man ist der große Volksretter, man hat alles mit den Bürgermeistern getan. Die Gespräche hat es mit anderen auch gegeben, und ich hoffe, dass Ihr runder Tisch gelingt, denn rund ist er dann, wenn alle daran teilnehmen, wenn auch die Grünen, wenn auch das BZÖ, wenn auch die SPÖ daran teilnehmen. Wenn sie nicht daran teilnehmen, dann haben Sie einen eckigen Tisch, und der wird Ihnen genauso wenig helfen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Kopf.)

18.48

18.48.01*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Dipl.-Ing. Deimek, ich hoffe, es ist Ihnen bewusst, dass Ihnen da ein ganz schwerer Fehler unterlaufen ist: Eine Fraktion austrofaschisti-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 187

schen Verhaltens zu zeihen, ist nicht entschuldbar! Ich erteile Ihnen einen Ordnungs­ruf. (Ruf: Bravo!)

*****

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


18.48.16

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Da­men und Herren! Wir sollten das möglichst stringent und pragmatisch gleichzeitig an­gehen. Mir ist durchaus klar, dass sich eine Ausnahmesituation eingeschlichen hat, ob­wohl Bundesgesetze gelten. Das ist ja der Punkt: Es gibt geltende Bundesgesetze, und die sind für alle gleich – da hat die Frau Ministerin völlig recht. Das ist die eine Seite. (Abg. Gartelgruber: Deswegen habe ich einen Antrag eingebracht!)

Die andere Seite – ich kenne ja die Verhältnisse durchaus als Oberösterreicherin – ist die, dass dieses Kufstein wirklich gequält wird vom Durchzugsverkehr. Nur weiß ich, man könnte ja mit anderen Mitteln den Durchzugsverkehr auch verhindern. (Ruf: Genau!) Ich meine, ich kenne das von anderen Ortschaften in Oberösterreich. Es gibt da Blockabfertigungen, es gibt da irgendwelche Geschwindigkeitsbeschränkungen, es gibt auch die Möglichkeit, einfach mit Hinweistafeln klarzumachen: Durchfahrt durch Kufstein ist nicht möglich! Diese Möglichkeiten gilt es einmal aufzulisten und einmal durchzuschauen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Gartelgruber.)

Auf der anderen Seite gibt es ja auch bei der ASFINAG eine Möglichkeit. Ich schaue ja, möglichst pragmatisch mit mehreren Varianten das Problem zu lösen. Aufseiten der ASFINAG gäbe es vielleicht auch die Möglichkeit, dass man nicht eine 8-€-Vignette macht, sondern eine 4-€-Vignette, und das kann sich wirklich jeder leisten, der diese kurze Strecke fährt. (Abg. Gartelgruber: Für 5,7 Kilometer! Abg. Riepl:  kostet schon mehr als 4 €!) Und mit dieser sozusagen Zusatz-Maut-Vignette wäre auch ei­nerseits die gesetzliche Konformität gegeben, und andererseits könnte man dann auch den Ausweichverkehr vermeiden, denn 4 € zahlt man doch wirklich locker für die Stre­cke, dass man nicht im Stau steht, dass man keine Verkehrsübertretungen macht, son­dern dass man zügig auf der Autobahn Kufstein umfährt. Das wäre ja auch ein gangba­rer Weg.

Diese Argumentation auf Basis des Gesetzes ist durchaus nachvollziehbar, wegen die­ser Domino-Wirkung – wenn ich es wo aufhebe und wo eine Sonderregelung mache, dann schreien ja hundert andere Orte auch. Aber mir ist auch klar  und in der Hinsicht gebe ich Ihnen völlig recht, und ich bin ja dafür, dass es diesen runden Tisch gibt , dass die lokale Situation, die geographische Situation, die Straßensituation in Kufstein einfach in dem Sinne wirklich verhängnisvoll einzigartig ist. (Abg. Gartelgruber: Ja!)

Aber es gibt auch Methoden der Straßenverkehrsordnung, wie man diese einzigartige Negativsituation für den Durchzugsverkehr, muss ich jetzt sagen, auch noch anders bewältigen kann. Das möchte ich mir gerne anschauen, und ich bin für die Fristset­zung, weil durch die Fristsetzung die Möglichkeit besteht, noch ins Detail zu gehen. Das ist also meine Herangehensweise. Ich sehe aber sehr wohl die Notwendigkeit, durchgehend stringent Gesetze einzuhalten.  Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.51


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


18.51.24

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Wie viele Tagesschifahrer fahren jeden Tag von München nach Sölden, nach Kitz-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 188

bühel, ins Brixental? – Ich glaube, dass das Tausende sind. Frau Bundesminister, aber wie viele Tausende werden wegen diesen 8 € nach Garmisch-Partenkirchen auswei­chen? Wissen Sie, welche Schäden das sind?

Aber es geht ja da um ganz etwas anderes. Diese Ausnahme, dass von Kufstein-Süd bis zur Grenze in Kiefersfelden nicht kontrolliert wurde, hat ja ganz einen anderen Sinn: Es gibt Hunderte Wochenpendler, die von Osttirol in den Großraum München zur Ar­beit fahren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Mag. Darabos.) Diese Aus­nahme ist deswegen immer gegangen. Es gibt Menschen, die heute über zwei Berg­pässe fahren müssen, die für eine Fahrt von 200 Kilometern jetzt schon dreieinhalb Stunden brauchen, und dann geht die Frau Bundesminister wegen 5,7 Kilometern her und verteuert das Ganze noch einmal. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist.

Aber auch beim Tourismus, welches Minus wird es da geben, wenn diese sogenannten Tagestouristen, die zum Pillersee fahren, die nach Kitzbühel fahren, die ins Brixental fahren, die nach Waidring fahren, nicht mehr kommen – denn die, die die Vignette kau­fen, das wissen wir, die fahren alle durch. Da fährt keiner mehr in Kufstein Ort ab. (Zwi­schenruf des Abg. Keck.) Das, bitte, weiß auch die Frau Minister.

Frau Bundesminister, nach dieser Aussage, die Sie gemacht haben, so quasi: Ja, wenn das Bier 8 € in Kitzbühel kostet, dann werden sich die Leute ja wohl so eine Vig­nette leisten können!, ich sage Ihnen, das ist das erste Mal, seit ich mich erinnern kann, dass Sie in der „Tiroler Tageszeitung“ auf die Titelseite gekommen sind. Aber nur, weil die „Tiroler Tageszeitung“ auf der Titelseite geschrieben hat, der Zorn und Un­mut der Kitzbüheler ist unbeschreiblich und sie werden kämpfen bis zum Letzten. Die­ser Vergleich ist ja vollkommen falsch. Frau Bundesminister, das Bier in Kitzbühel kos­tet 3 € – und nicht 8 €, wie Sie gesagt haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Darabos. Abg. Mag. Rudas: Beim Billa vielleicht! Abg Riepl: Beim Billa vielleicht das Flaschl Bier! Sie haben wirklich keine Ahnung!)

Wenn Sie wütende Proteste haben wollen, dann werden Sie sie kriegen! Faymann, das sollte man ja bitte bedenken, hat sehr wohl zugestimmt und angeordnet, dass nicht kon­trolliert wird. Aber ein bisschen habe ich wirklich das Gefühl, das ist ein Racheakt an der Tiroler Bevölkerung dafür, dass die SPÖ heuer im Frühjahr das schlechteste Wahl­ergebnis gehabt hat, denn ansonsten ist das ja nicht erklärbar. (Beifall des Abg. List.)

Frau Bundesministerin Bures, ich kann Ihnen nur eines sagen: Es ist tragisch, wenn wir heute in einem Parlament nicht über Anträge diskutieren können, wenn da von Ihrer Seite Aussagen kommen wie: Die depperten Oppositionsanträge, regieren tun wir schon selber! (Abg. Mag. Darabos: Wer hat das gesagt?), und dann alles wegargu­mentieren, anstatt nachzudenken, warum es 1996 zu dieser Regelung gekommen ist, die ja bis heute gehalten hat. Warum haben Sie dann nicht 2007, da hat sich nichts verändert, dem damaligen Bundesminister Faymann gesagt, er darf das nicht verlän­gern?  Das müssen Sie mir erklären, Frau Bundesminister!

Ich weiß nicht, wenn Sie diese Talenge dort kennen, wenn Sie die Situation kennen – denn egal, ob Sie über Oberndorf kommen, ob Sie von Ebbs kommen, bis zum Eiberg haben Sie jetzt schon Stau –, dann frage ich mich, wie Sie da diese sogenannten Mautflüchtlinge unter Kontrolle bringen wollen. Da bin ich neugierig. Aber aus der Ge­schichte, glaube ich, lernt ihr nichts. Aus der Geschichte lernen wir alle zusammen nichts, denn zu glauben, dass das von 1996 ein Geschenk war, ist einfach falsch.

Frau Bundesminister Bures, Sie wissen, was in Osttirol los ist, was passiert ist mit die­ser Felbertauern-Katastrophe? Und jetzt fällt Ihnen nichts anderes ein als die Vignet­tenpflicht von der Grenze weg sofort einzuführen. Bitte bedenken wir das, machen wir das nicht zu einem Wahlkampfthema, denn da wird der Druck so groß, Frau Bundesmi­nisterin, da lernen Sie die Unterländer und die Tiroler kennen!


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Und diese gescheiten Aussagen, die dann auch von dieser sozialistischen Fraktion kommen, dass in Kitzbühel das Bier 8 € kosten würde, sind einfach falsch. Ich kann Ihnen sagen, ich habe heute mit einem Hotelier telefoniert, mit dem Herrn Rainer Ker­tess, der sagt, das ist eine Sauerei, so wurde Kitzbühel noch nie beleidigt. Das sagen die Hoteliers, und da können Sie sich gerne wehren. Aber ich hoffe doch, Frau Bun­desminister, dass Sie sich endlich entschuldigen, denn das haben die Tiroler nicht ver­dient! Denkt nach! (Beifall beim BZÖ.)

18.56


Präsident Fritz Neugebauer: Frau Bundesministerin Bures gelangt nochmals zu Wort. – Bitte.

 


18.56.46

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Huber, ich kenne unser Land, ich kenne ganz Österreich. (Abg. Huber: Ich weiß, dass du das kennst!) Ich kenne aber im Besonderen auch das Land Tirol, weil es tatsächlich auch bei mir zu den beliebtesten Orten, vor allem nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, ge­hört. (Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Huber und Hörl.)

Daher würde ich meinen, Sie sollten ein bisschen leiser treten, wenn Sie von ganz Tirol reden! Wir reden jetzt noch gar nicht vom Neusiedler See bis zum Bodensee, vom Bur­genland bis nach Vorarlberg, wo wir diese Regelung haben (Zwischenruf des Abg. Hu­ber), sondern selbst in Tirol ist der Tourismus weder im Zillertal, nehme ich an, Herr Abgeordneter Hörl, eingebrochen durch 8,30 €, noch am Arlberg ist er eingebrochen durch 8,30 €. Also ich finde, wenn alle Pendlerinnen und Pendler, die Sie angespro­chen haben, nämlich nachweislich eine Jahresvignette zahlen (Abg. Mag. Hakl: Die fahren ja jeden Tag!), um für den Straßenerhalt einen Beitrag zu leisten, dann können wir das von Touristen, die unsere schöne Heimat besuchen, die herzlich willkommen sind, auch verlangen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens noch ein Punkt: Ich zähle, muss ich Ihnen gestehen, nicht meine Schlagzei­len in der „Tiroler Tageszeitung“, aber ich kann mich erinnern, es hat ein Danke für den Brenner-Basistunnel gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


18.58.11

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es ist hier schon die Korridorvignette zwischen Bregenz und Hohenems angesprochen worden, oder besser gesagt zwischen Hörbranz und Hohenems, um Bregenz, den Ballungsraum, etwas vom Verkehr zu schützen. Das ist eine vernünftige Maßnahme gewesen.

Frau Bundesminister, Sie werden mir zustimmen, es war Ihr Vorgänger, der jetzige Bundeskanzler und damalige Verkehrsminister Faymann, der diese Korridorvignette auf starken politischen Druck hin eingeführt hat, natürlich nicht ganz zufällig kurz vor den Nationalratswahlen 2008. (Zwischenruf der Abg. Gartelgruber.)

Meine Damen und Herren, ich kenne die Problematik dieser Ballungszentren, wo es keine Ausweichstrecke gibt. Das ist am Bodensee, nämlich zwischen Hörbranz und Bregenz, genau die Problematik. Kilometerlange Staus waren eine klare Sache.

Jetzt kann man schon sagen, wir haben die zweite Tunnelröhre bekommen. Gott sei Dank wurde diese dann auch zehn Jahre zu spät in Bau genommen. Es wurde bei der Anbohrfeier auch von einem ehemaligen ÖVP-Landesrat, der damals für Verkehr zu-


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ständig war, gesagt, dass es zehn Jahre zu spät war. Es war aber die ÖVP-Landesre­gierung, die das zehn Jahre lang blockiert hat. Damals war es ein anderer Verkehrsmi­nister einer anderen Fraktion einer anderen Regierung als derjenigen, die jetzt an der Macht ist, der das dann umgesetzt hat.

Gott sei Dank wurde diese zweite Pfändertunnelröhre, dieses Nadelöhr in Vorarlberg jetzt eröffnet beziehungsweise zweispurig geöffnet. Es gibt jetzt mehr Sicherheit, es ist mehr Verkehrsdurchfluss, und diese Stausituation, sobald irgendetwas im Gegenver­kehrstunnel passiert ist, hat sich nun hoffentlich erledigt.

Seien wir froh, dass es das dort gegeben hat! Die Diskussionen gehen natürlich weiter: Soll diese Korridorvignette bleiben, ja oder nein? – Das ist ein heikles Thema. Es wird natürlich stark für die Korridorvignette gekämpft, um die Problematik der S18 in Vorarl­berg, die ja nach wie vor nicht gebaut wird, um diese Verkehrssituation Richtung Schweiz etwas zu erleichtern, also mehr Verkehr auf das höherrangige Straßennetz zu bekommen. Das bedeutet Erleichterungen für die Urlauber, die nur durch Vorarlberg durchfahren, damit diese auch eine Vignette kaufen und nicht über das niederrangige Verkehrsnetz fahren.

Und das ist ja genau der Punkt, den Sie angehen. Ich kann Sie gut verstehen, Frau Kollegin Gartelgruber, ich verstehe Ihre Argumentation. Ihren Wunsch kann ich gut ver­stehen, diesen würde ich auch unterstützen, das ist überhaupt kein Thema. Ich möchte aber der Frau Verkehrsminister mitgeben, dass sie vielleicht über eine Lösung wie da­mals in Bregenz mit der Korridorvignette nachdenkt. Ich glaube, dass ein deutscher Ur­lauber, der einmal durchfährt, bereit ist, für 24 Stunden 2 € hinzulegen, und diese Stre­cke dann benutzt. (Abg. Gartelgruber: Wie lang ist die Strecke?) Das wäre vielleicht eine Kooperationslösung.

Man kann nicht immer, wenn einem der Finger gereicht wird, auch die ganze Hand ha­ben. Aber ich glaube, das wäre vielleicht eine Lösung, Frau Minister. Es stehen wieder Wahlen an, Sie könnten sich an Ihrem Parteivorsitzenden ein Beispiel nehmen. Das gebe ich Ihnen einmal mit zum Nachdenken. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

19.01

19.01.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gartelgruber, Kolle­ginnen und Kollegen, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 321/A der Abgeordneten Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes eine Frist bis 5. Juli 2013 zu setzen.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Er findet keine Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.02.09Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich nehme die Verhandlungen über den Punkt 14 der Tagesordnung wieder auf: Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2013 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Öster­reichs für die Jahre 2012 bis 2017.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte. (Abg. Dr. Bartenstein: Hallo, Herr Präsident!) – Er ist nicht im Saal.

Herr Klubobmann Ing. Lugar ist der Nächste. (Abg. Petzner betritt soeben den Sit­zungssaal. – Ruf bei der SPÖ: Zu spät!)

 



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19.02.39

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Ich bin jetzt etwas überraschend hier am Rednerpult. – Wir sprechen heute über diesen Bericht, der aus meiner Sicht doch einigermaßen zu denken gibt. Es sind drei Punkte, die ich hier he­rausgreifen will, und zwar Pensionen, Gesundheit und Bildung. Diese drei Punkte sind auch neben anderen Punkten meiner Meinung nach sehr beachtenswert, denn es ist für uns auch immer sehr hilfreich, wenn die Kritik an der Regierung auch einmal von ei­ner Stelle kommt, die von der Regierung immer wieder als sehr vertrauenswürdig an­gesehen wird, und wenn nicht immer nur von der Opposition die Kritik kommt, dass hier einiges zu tun wäre. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

So sagen die EU und dieser Bericht, dass wir gerade im Pensionsbereich gewaltige budgetäre Risken haben, die auf uns zukommen, wenn wir es nicht schaffen, gewisse Punkte umzusetzen, die da wären: erstens die Kopplung an die tatsächliche Lebenser­wartung. Das ist ja leider immer noch nicht der Fall. Die Lebenserwartung steigt Gott sei Dank jedes Jahr, aber es gibt in unserem Pensionssystem keinerlei Kopplung an die Lebenserwartung, und damit steigen die Kosten jedes Jahr übermäßig. Wir müssen ja im Moment schon 6 Milliarden bis 8 Milliarden €, je nach Berechnung, zu den Pen­sionen aus dem Budget dazuzahlen. Und das ist sicher auf Dauer nicht leistbar.

Weiters spricht die Kommission an, dass auch die Anhebung des Pensionsalters be­ziehungsweise die Angleichung des Pensionsalters zwischen Männern und Frauen vo­rangetrieben und früher eingeführt werden muss als geplant, weil das sonst auch ein Kostentreiber ist, der nicht erklärbar ist, warum es so lange dauert, bis eine Anglei­chung und auch eine Gleichberechtigung stattfindet.

Oder: der Bereich Gesundheit. Auch da gibt es gewaltiges Einsparungspotenzial. Auch das wird in diesem Bericht immer wieder angemerkt. Hier müssen wir auch über­legen, ob wir nicht endlich die Kompetenzen zwischen Land und Bund neu ordnen. Wir wissen ja, es gibt die „Landeshäuptlinge“, wie in Niederösterreich den Herrn Pröll, oder auch andere in anderen Bundesländern, die die Spitäler als private Versorgungsein­richtungen für ihre Politikgünstlinge sehen und ganz ungeniert Altpolitiker in den Spitä­lern versorgen und deshalb keine Freude haben, wenn wir ihnen aus finanziellen und auch aus ökonomischen Gründen manche Spitäler zusperren, die nicht für die Patien­ten da sind, sondern nur für die Politikerkaste, um ein gutes Ausgedinge zu haben.

Auch das hat der Rechnungshof immer wieder angeprangert, auch die Opposition und jetzt einmal die EU. Ich glaube, dass es auch gut ist, wenn einmal von außen Kritik kommt, dass hier einiges im Argen liegt. (Beifall beim Team Stronach.)

Was zum Beispiel die Pflege betrifft, ist zu sagen: Die EU hat diesbezüglich auch im­mer wieder gesagt, dass wir im Bereich der Pflege sehr weit im EU-Vergleich hinter­herhinken. Es gibt nicht ausreichend Plätze, es gibt nicht ausreichend Bemühungen. Und wenn die Zahlen stimmen, wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Österreich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Da keine Maßnahmen zu setzen ist aus meiner Sicht grob fahrlässig. Auch das wird hier angesprochen, und dafür bin ich sehr dank­bar. Ich hoffe, dass die Regierung jetzt aktiv wird, wenn die Kritik jetzt einmal von au­ßen kommt.

Der letzte Punkt, den ich noch ansprechen will, ist die Bildung. Wir wissen, dass die Mittel, die wir für unser Bildungssystem aufwenden, im EU-Schnitt an der obersten Grenze liegen. Das heißt, wir geben am meisten von allen EU-Staaten aus und liegen aber, was die Ergebnisse betrifft, weit unter dem EU-Schnitt. Wir haben immer noch 25 Prozent der Pflichtschulabgänger, die nicht ordentlich lesen und schreiben können. Das muss man sich einmal vorstellen! Das heißt, auch die EU sieht, dass wir gerade in diesem Bereich noch ordentlich Handlungsbedarf haben.


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Also ich würde sagen, der Bericht ist hilfreich und der Bericht ist auf jeden Fall zur Kenntnis zu nehmen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie jetzt einmal, nicht weil es die Opposition sagt und nicht weil es der Rechnungshof sagt, sondern weil es die EU sagt, endlich aktiv werden. Ich glaube, das erwartet man sich von einer guten Re­gierung. Und gerade jetzt in Vorwahlzeiten könnten Sie mit ein bisschen mehr Aktivität oder zumindest mit der Absicht, mehr Aktivitäten zu zeigen, auch wahlkampftechnisch einiges gewinnen. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach.)

19.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Os­termayer. – Bitte.

 


19.07.59

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich beim Abgeordneten Lugar anschließen. Es hat in der letzten Zeit zwei Berichte sozusagen von externen Organisationen zu Ös­terreich gegeben. Der eine kommt von der Europäischen Kommission, der jetzt disku­tiert wird, der Zweite von der OECD. Ich möchte auf beide Berichte kurz eingehen und in einem Punkt dem Herrn Abgeordneten Lugar, aber auch den Vorrednern – das ist schon einige Stunden her – recht geben. (Abg. Ing. Lugar: Danke!)

Natürlich ist noch nicht alles erledigt, natürlich ist noch viel zu tun. Das betrifft insbe­sondere auch die Bereiche, die schon angesprochen wurden: Bildung und Pflege. Es ist die Ausweitung des Pflegefonds besprochen worden. In dieser Sitzung sind auch die Pflegekarenz und einige weitere Bereiche besprochen worden.

Ich möchte aber mit zwei Zitaten beginnen. Am Dienstag war der Generalsekretär der OECD in Wien und hat den Bericht der OECD präsentiert. Generalsekretär José Ángel Gurría hat zwei Dinge gesagt.

Er sagte: „Ihr solltet alle sehr stolz sein“. – Gemeint war: auf Österreich und die Leis­tungen, die erbracht wurden.

Und das zweite Zitat, das ich auch noch bringen will, war – er sagte –: „Eine Gesell­schaft, der es gut geht. Gratulation“.

Also das ist jetzt nicht Eigenlob der Regierung oder der Regierungsparteien, sondern das sind die Worte, die der Generalsekretär der OECD diese Woche im Bundeskanz­leramt gesagt hat.

Und wenn man sich die beiden Berichte anschaut, die Europäische Kommission sagt: „() ist der Rat der Auffassung, dass Österreich beträchtliche Konsolidierungsanstren­gungen unternommen hat, um einen Haushaltskurs zur Korrektur des übermäßigen De­fizits einzuschlagen.“

Der Rat sagt weiters: „Auf der Grundlage der derzeitigen Projektionen ist Österreich auf gutem Wege, sein übermäßiges Defizit () zu korrigieren“, weist aber auch – das soll auch nicht verschwiegen werden – darauf hin, dass es gewisse Risiken im Zusam­menhang mit einem großen Geldinstitut gibt.

Aufbauend auf der Prüfung durch die Kommission wurden mehrere Empfehlungen ab­gegeben – ein Teil ist schon angesprochen worden, einen Teil kann ich ansprechen –, dass wir bei der Haushaltskonsolidierung auf dem richtigen Weg sind, auch mit dem Mix, den wir voriges Jahr beschlossen haben: einerseits Einsparungen, andererseits zusätzliche vermögensbezogene Einnahmen, drittens Investitionen, also nicht nur Kon­solidierung durch Sparen oder durch zusätzliche Einnahmen, sondern auch in die Zu­kunft investieren. Das wird generell als sehr positiv und als vorbildhaft angesprochen.

Es wird aber auch angesprochen, dass wir uns im Bereich der Kinderbetreuung noch verbessern müssen, dass wir uns im Bereich der Pflege noch verbessern müssen. Ge-


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nau deshalb haben wir ein zusätzliches Konjunkturpaket beschlossen, mit dem wir ei­nerseits Maßnahmen aus dem Pflegefonds vorziehen, mit dem wir in den Jahren 2014 bis 2017 zusätzlich jeweils 100 Millionen € in die Hand nehmen wollen, um Kinderbe­treuungseinrichtungen auszubauen, insbesondere auch für die kleinsten Kinder, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, etwas, das auch die OECD genauso in ihrer Studie angeregt hat. (Beifall der Abgeordneten Csörgits und Mag. Muttonen.)

Der zweite Punkt wurde von Frau Abgeordneter Muttonen heute schon angesprochen, bevor die Dringliche Anfrage aufgerufen wurde, nämlich dass die Europäische Kom­mission empfiehlt, „die tatsächliche Steuer- und Beitragsbelastung der Arbeit bei Ge­ringverdienern in haushaltsneutraler Weise durch Verlagerung auf andere, weniger wachstumsschädliche Steuerquellen“ zu reduzieren. – Angeführt sind beispielsweise periodische Immobiliensteuern.

Es gibt einen dritten Punkt, wo angeregt oder vorgeschlagen wird, dass die jüngsten Reformen des Gesundheitswesens effektiv umgesetzt werden – etwas, das in Arbeit ist – und dass auch bei der Langzeitpflege Verbesserungen vorgenommen werden sol­len.

Es gibt einen weiteren Punkt, der besagt: „() Verbesserung der frühkindlichen Bil­dung und eine Abmilderung der negativen Konsequenzen früher Leistungsdifferenzie­rung“.

Einen großen Schritt haben wir in dieser Legislaturperiode gesetzt, nämlich die Aus­weitung der Neuen Mittelschule. Weitere Schritte stehen bevor. Aber insgesamt ist der Bericht und sind die Empfehlungen der Kommission sehr positiv.

Ich komme noch kurz auf den Bericht der OECD zu sprechen. Die OECD sagt etwas, das gestern in der Diskussion auch schon angesprochen wurde, nämlich dass wir mit unserer niedrigen Arbeitslosenquote und der stetigen Annäherung an die höchsten Pro-Kopf-BIP-Niveaus beachtliche Ergebnisse erzielen konnten.

Wir hatten 2008, am Beginn dieser Legislaturperiode, was das BIP pro Kopf anlangt, den fünften Platz inne. Wir wissen jetzt aufgrund eines Berichts der Europäischen Kommission, dass wir mittlerweile auf dem zweiten Platz sind. Erster ist Luxemburg, aber das hat eine etwas andere Struktur als Österreich.

Der OECD-Bericht sagt weiters: „Österreich weist ein hohes Maß an materiellem Wohlstand und Lebensqualität auf.“ Außerdem: „Möglich wurde dieses Ergebnis“ – und damit komme ich auf die gestrige Diskussion zurück –„ durch () ein breites öffentli­ches Dienstleistungsangebot und eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft.“

Zum Herrn Abgeordneten Lugar: Eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft heißt ein gut funktionierendes Zusammenspiel der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, und die Arbeitnehmervertreter sind bekanntlich die Gewerkschaften. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich könnte noch viele Punkte aus dem Bericht zitieren, ich würde empfehlen, die Seiten 13 und 14 nachzulesen. Dort wird nämlich genau beschrieben, dass das öster­reichische Wohlstandsmodell auf besonderen wirtschaftlichen und sozialen Merkmalen beruht. Es wird von Einkommen, von Arbeit, von Wohnen, von Gesundheit, von Bil­dung, von guter Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, von sozialen Beziehungen, von bürgerschaftlichem Engagement – Stichwort „Hochwasser“, die vielen Freiwilligen seien nur kurz in Erinnerung gerufen –, von Umwelt und von subjektivem Wohlbefinden gesprochen.

Und da steht: „In Österreich gibt es ein hohes Maß an subjektivem Wohlbefinden, und zwar unabhängig davon, ob dieses anhand der Lebenszufriedenheit, der ,Gefühlsbi­lanz‘ () oder am ,Flourishing‘“ – also den Verwirklichungschancen – „gemessen wird.“


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Genau aufgrund all dieser Daten, all dieser Untersuchungen hat Generalssekretär Gur­ría gemeint, dass wir stolz auf dieses Land sein sollen. Ich glaube, das sollten wir uns alle zu Herzen nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Pendl: Das wird eine gute Rede! Das weiß ich jetzt schon! – Abg. Mag. Grossmann – auf dem Weg zum Rednerpult –: Na, schauen wir mal!)

 


19.16.22

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächlich: Die länderspezifischen Emp­fehlungen der Europäischen Kommission stellen der Arbeit der Bundesregierung und des Parlaments – das darf man ja auch nicht übersehen – in Österreich ein sehr, sehr gutes Zeugnis aus.

Die Reformaktivitäten werden offenbar außerhalb Österreichs stärker gewürdigt als im Inland, hat man oft den Eindruck. Gerade die niedrige Jugendarbeitslosigkeit ist ja mitt­lerweile ein Markenzeichen der österreichischen Politik – ein Markenzeichen, das inter­national beachtet wird!

Aber auch die höhere Erwerbsquote älterer Menschen wird wahrgenommen und kommt auch nicht von ungefähr. Unser Sozialminister Rudi Hundstorfer hat hier sehr wertvolle Initiativen gesetzt, wie „fit2work“.

Ich erspare es mir, jetzt noch weitere Ausführungen zu tätigen. Es ist so ein lobender Bericht und wirklich ein ausgezeichnetes Zeugnis für die österreichische Politik. Der Herr Staatssekretär ist ja auch schon sehr ausführlich auf die Empfehlungen einge­gangen. Ich erspare es mir jetzt aus Zeitgründen, noch weiter auszuholen.

Lob hört man natürlich immer wieder gern, aber auch Kritik ist ernst zu nehmen. Und die Empfehlungen sind natürlich sehr ernst zu nehmen, und ich möchte einige heraus­greifen und auch näher betrachten.

Zum Beispiel wird eben die hohe Belastung des Faktors Arbeit kritisiert und deutlich empfohlen, die Einnahmen aus weniger wachstumsschädlichen Quellen zu beziehen. Die Immobiliensteuern – das wird auch eigens angeführt – zählen in Österreich zu den niedrigsten in Europa, während die Steuern auf Arbeit zu den höchsten zählen.

Wenn man das in Österreich sagt, wird man oft fast ins linksradikale Eck gestellt, hier sagt das aber die vorwiegend konservativ zusammengesetzte Kommission. Also das sollten sich manche in diesem Hause schon auch genauer ansehen, was uns da emp­fohlen wird.

Genauso die Warnung vor den negativen Folgen einer zu frühen Leistungsdifferenzie­rung in der Schule. Wenn man auch noch die Forderung nach mehr frühkindlicher Bil­dung betrachtet und den Gender Pay Gap heranzieht, könnte man meinen, man hätte ein sozialdemokratisches Parteiprogramm vor sich liegen – das ist es aber nicht, wenn man nämlich weiterliest und auch das Verlangen nach früherer Angleichung des Frau­enpensionsalters entdeckt. (Abg. Kopf: Also ist der Bericht doch nicht !)

Da läuten natürlich schon die Alarmglocken, lieber Herr Kollege. Da gibt es einige Gründe, die dagegen sprechen, das Vertrauen in den verfassungsrechtlich gewährleis­teten Fahrplan zu erschüttern: eben die nach wie vor bestehenden Benachteiligungen von Frauen in der Arbeitswelt. (Abg. Kopf: Frau Kollegin! Nur Rosinenpicken geht auch nicht!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 195

Außerdem, lieber Herr Klubobmann, haben wir in Österreich den richtigen Weg einge­schlagen – und darauf können Sie auch stolz sein, denn Sie haben auch Ihren Beitrag dazu geleistet –, nämlich das faktische Pensionsalter anzuheben. Darum geht es näm­lich, die Menschen möglichst lange gesund und arbeitsfähig in Beschäftigung zu hal­ten. Und da sind wir auf dem richtigen Weg, und das wird auch entsprechend gewür­digt, und das sollten wir in diesem Haus auch würdigen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.20.25

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Ostermayer hat zu Recht zwei aktuelle Berichte, von OECD und EU-Kommission, zitiert. Wir haben seit Kurzem auch eine dritte Stelle, die üblicherweise sehr kritisch ist – es war vor zweieinhalb Wo­chen der Internationale Währungsfonds bei uns, dessen Endbericht wir inzwischen auch als Vorabdruck haben – und die ganz den gleichen Tenor anschlägt: Seid stolz auf das, was ihr geleistet habt! Ihr seid gut unterwegs! Ihr habt ein tolles Krisenma­nagement gehabt! Ihr habt die Budgetkonsolidierung sehr gut im Griff! – Also alle Be­richte decken sich hier völlig, jene von OECD, Währungsfonds und EU.

Auf der anderen Seite werden natürlich zu Recht auch die Herausforderungen ge­nannt, und ich muss ehrlich sagen, das ist eigentlich schon jetzt eine Art Latte für die nächste Regierung, denn zweifellos haben wir gewaltige Herausforderungen, auch wenn wir stolz sind, dass alle diese drei Organisationen anerkennen, dass unsere Wirt­schafts- und Finanzpolitik, inklusive auch der sozialen Absicherung, eigentlich auf die­sem Drei-Säulen-Prinzip beruht, nämlich einerseits Budgetkonsolidierung, zweitens Strukturreformen und drittens Impulse für Wachstum und Beschäftigung. Das hat zu den Kennzahlen geführt, die Staatssekretär Ostermayer genannt hat, nämlich: im Ver­gleich zum Durchschnitt der Eurostaaten höheres Wachstum, bessere Beschäftigungs­situation, zweiter Platz in der Volkseinkommensstatistik pro Kopf der Bevölkerung. Das ist schon ein Erfolg dieser sehr klugen, weitsichtigen, nachhaltigen wirtschaftspoliti­schen Strategie dieser Bundesregierung.

Aber, noch einmal, ich bin auch sehr froh darüber, dass aufgezeigt wurde, wo die künf­tigen Herausforderungen liegen, und ich möchte da nur zwei Bereiche herausnehmen.

Einerseits: Ganz Europa lechzt nach Wachstum, und wir sagen auch ständig, wir brau­chen mehr Wachstum. Jetzt sagen aber alle drei Berichte ziemlich gleich, dass wir in unserem Land zwei Wachstumsbremsen haben. Das eine ist der Zugang vieler Klein- und Mittelbetriebe zur Finanzierung, und das Zweite ist eine zunehmende Arbeitskräf­teknappheit. Viele Betriebe sagen – wir hatten gestern wieder eine Sitzung in Sachen Crowd-Funding, da werden wir morgen einen ersten kleinen Schritt beschließen –, für uns ist es so schwierig, zu einer Finanzierung zu kommen. Und andere sagen, wir ha­ben zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte. – Das sind zwei Wachstumsbremsen. Diese müssen wir beseitigen, dann haben wir auch wieder ein höheres Wirtschaftswachstum.

Und das Zweite sind natürlich die langfristigen Herausforderungen. Wir haben ja seit Kurzem – ihr wisst es – die langfristige Budgetprognose, dass bis 2050 die demogra­phiebezogenen Ausgaben von 31,5 Prozent auf 34,5 Prozent steigen. Das ist eine ge­waltige Sache. Das sind nach heutigem Geld 10 Milliarden € pro Jahr; im Jahr 2050 werden es wahrscheinlich wesentlich mehr sein.

Ich muss ehrlich sagen, ich sage immer, die große tickende Zeitbombe in unserem Staatshaushalt sind die Pensionen. Die politische Botschaft darf aber nicht lauten: Ihr


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müsst länger arbeiten!, sondern die Botschaft muss lauten: Wir Politiker werden alles tun, damit ihr länger arbeiten könnt! – Das sind Herausforderungen an die Gesund­heitspolitik, an die Qualifikationspolitik, übrigens auch an die Lohnpolitik der Sozialpart­ner – Angleichung Lebenseinkommenskurve und Lebensleistungskurve.

Da bestehen wirklich gewaltige Herausforderungen, und ich darf jetzt schon sagen, da ich in der neuen Gesetzgebungsperiode nicht mehr im Parlament sein werde: Ich wün­sche jetzt schon der künftigen Regierung, der künftigen Parlamentsmehrheit viel Erfolg bei der Bewältigung dieser Herausforderungen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.23.56

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Man könnte fast vermuten, dass das kurz vor Beginn des Wahlkampfes ein bestellter Be­richt ist, aber die Summe der positiven Stellungnahmen, wie sie Kollege Stummvoll jetzt angesprochen hat, ist natürlich ein gutes Zeugnis für unsere gemeinsame Leis­tung. Und vieles hier im Haus ist ja auch mit großer Mehrheit verhandelt und beschlos­sen worden.

Trotzdem möchte ich vielleicht in einigen Punkten, die angesprochen wurden, ein biss­chen unter die Überschriften schauen, in die Details hinein, was in diesem länderspezi­fischen Bericht der EU steht. Was zum Beispiel den Budgetpfad betrifft, so anerkennt die Kommission, dass er ambitioniert ist, dass Österreich auf gutem Weg ist, die Bud­getziele auch tatsächlich zu erreichen.

Zum Kollegen Lugar vom Team Stronach, der die Pensionen eher als Kostenbelastung dargestellt hat: Das kann ich aus diesem Bericht nicht herauslesen, sondern vielmehr ganz konkrete Vorschläge, zum Beispiel dass das tatsächliche Pensionsantrittsalter und die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer anzuheben sind – es steht nichts drinnen davon, das gesetzliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen oder die Pensionen als budgetäre Belastung zu sehen. Darüber hinaus gibt es Vorschläge, was den Be­reich der Kinderbetreuungsangebote und der Langzeitpflege betrifft, aber auch für steuerliche Entlastungen der Geringverdiener und des Mittelstandes mit dem Hinweis auf vermögensbezogene Steuern.

Der zweite Punkt, der mir sehr wichtig ist im Reformwesen ist der Bereich der Gesund­heit und der Bildung. In der Bildungspolitik ist eindeutig formuliert, dass die frühkindli­che Bildung gefördert werden soll – dazu haben wir heute wieder konkrete Maßnah­men beschlossen – und die negativen Konsequenzen früher Leistungsdifferenzierung gemildert werden sollen. – Das heißt, das Konzept einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen, wie sie jetzt auch von den ÖVP-Landeshauptleuten immer öfter gefor­dert wird, findet sich auch in diesem Reformpapier.

Im Wesentlichen wird der hohe Wohlstand in unserem Land gelobt, und ich möchte, so wie es der Herr Staatssekretär Josef Ostermayer gemacht hat, auch auf einen zweiten Bericht verweisen, nämlich den der OECD, anlässlich dessen eine große österreichi­sche Tageszeitung gestern berichtet hat: Mehr Wirtschaftswachstum als andere, niedri­ge Arbeitslosigkeit, hoher Lebensstandard, geringe soziale Unterschiede: die Organi­sation der Industrieländer stellt Österreich ein gutes Zeugnis aus. – Das gilt für die Ge­genwart und ist Auftrag für die Zukunft.

Wir sollten diesen Bericht sehr ernst nehmen als Arbeitsauftrag für die weitere Reform­arbeit in stürmischen Zeiten mit einer ruhigen Hand für Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26



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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt hat sich Herr Abgeordneter Petzner ein zweites Mal zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.27.15

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Meine Damen und Herren! Anstatt wie der Vor­redner jetzt irgendwelche Wahlkampfslogans von irgendwelchen Plakaten hinauszu­posaunen, konzentriere ich mich auf die Sache. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Steßl-Mühlbacher und Weninger.) – Ich bewerte den Slogan inhaltlich ohnedies nicht, sondern ich stelle nur fest, dass ich auf Sloganaufzählung verzichte.

Ich beginne, was diese Empfehlungen des Rates vom 29. Mai 2013 betrifft, damit, grundsätzlich einmal festzuhalten, dass man gerade bei Empfehlungen seitens der EU und des Rates sehr, sehr vorsichtig sein muss, denn wenn man sich anschaut, wie die teilweise fuhrwerken und welche katastrophalen Ergebnisse sie in einzelnen Mitglied­staaten mit ihrer Politik zutage fördern, dann sollte man grundsätzlich auch sehr, sehr vorsichtig sein und sich genau ansehen, welche Empfehlungen da seitens der Europäi­schen Kommission und des Rates kommen. Nicht immer muss alles richtig sein, was die uns da aus Brüssel ausrichten.

Interessant ist aber schon – und das schließt an an eine Debatte, die wir heute geführt haben, und an etwas, was auch die Grünen zu Recht moniert haben, nämlich der Ab­geordnete Rossmann, aber auch der stellverstretende Klubobmann Kogler –, nämlich dass auch in diesen Empfehlungen davor gewarnt wird, dass die Konsolidierungsan­strengungen Österreichs und der Budgetpfad, den wir eingeschlagen haben, gefährdet werden könnten durch – Zitat – „zusätzliche Kosten durch die Abwicklung eines großen Geldinstituts, die eine signifikant defiziterhöhende Wirkung haben könnten“.

Und das ist genau der Punkt! Auch die EU sieht dieses Problem, und es wird noch der Tag kommen, an dem wir hier darüber diskutieren werden, dass jene 700 Millionen €, die heuer im Budget vorgesorgt sind und auch im Finanzrahmenplan, dass diese Sum­men einfach nicht ausreichen werden. Und die EU warnt hier auch sehr deutlich davor und hat damit meiner Meinung nach auch recht. Ich bin gespannt, wie die Frau Finanz­ministerin am Ende des Tages dann die höheren Kosten erklären wird und überhaupt die Sinnhaftigkeit eines Finanzrahmenplanes, wenn er nicht hält.

Ein zweiter Punkt noch, der vielleicht sehr interessant ist, auch für den Herrn Integra­tionsstaatssekretär, weil er gerade anwesend ist. – Der macht das ja nicht so schlecht, zumindest wenn man den Medienberichten glauben darf. Der wird ja abgefeiert wie ein Superstar. Sebastian Kurz wird sogar schon seinem eigenen Parteiobmann Spindeleg­ger gefährlich und übertrumpft ihn bei so mancher Parteitagsrede. Gut, das ist beim Herrn Spindelegger und dessen Performance auch nicht schwierig.

Aber inhaltlich, Herr Kollege Kurz, muss man schon auch darauf verweisen, dass die Aufgaben im Integrations- und Migrationsbereich, die wir zu bewältigen haben, nach wie vor sehr, sehr groß sind. Ich zitiere hier aus den Empfehlungen: Die EU sagt, dass Migranten sich besonders schwertun auf dem österreichischen Arbeitsmarkt und eine signifikant höhere Arbeitslosenquote gegenüber Inländern aufweisen, nämlich 9,7 Pro­zent gegenüber 3,6 Prozent, und zugleich eine niedrigere Beschäftigungsquote haben.

Nicht zuletzt stellen diese Empfehlungen auch fest, dass sie darüber hinaus viel, viel schlechtere Bildungsergebnisse erzielen und damit auch ein doppelt so hohes Armuts­risiko haben – im Verhältnis 26,6 Prozent zu 12,6 Prozent, was die Verteilung zwischen Inländern und Ausländern betrifft.

Das heißt, trotz aller Lobeshymnen, die da über Sie hereingehen, ob zu Recht oder zu Unrecht, glaube ich, dass diese Zahlen auch belegen, dass da noch sehr, sehr viel zu tun ist und es nichts hilft, irgendwelche schönen Inserate zu schalten und im Raiff-


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eisenblatt „profil“ mit vier Seiten abgefeiert zu werden, wenn die tatsächlichen Migran­tenprobleme, die Arbeitsmarktprobleme, die Bildungsprobleme in diesem Bereich nicht gelöst werden, meine Damen und Herren. Von einem jungen, engagierten Staatsse­kretär, der nur abgefeiert wird, hat niemand in diesem Land etwas, außer seine eigene Partei und vielleicht er selbst.

Nicht zuletzt sei darauf verwiesen, dass die EU auch eine aktuelle Debatte und aktuelle Forderung des BZÖ eigentlich positiv unterstützt und auch deren Sinnhaftigkeit bestä­tigt, weil nämlich auch hier moniert wird, dass es eindeutig einer steuerlichen Entlas­tung vor allem bei den Niedriglohnempfängern in Österreich bedarf und dass wir zu ho­he Steuern haben. Daher fordert ja auch das BZÖ auf Basis unseres Fair-Tax-Modells eine steuerliche Entlastung für Niedriglohnempfänger und den Mittelstand, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Kaufkraft anzukurbeln und die Wirtschaft auf Vorder­mann zu bringen. Und die EU-Kommission fordert das ebenfalls für Österreich und regt diese steuerliche Entlastung dringend an.

Wie gesagt, wir wollen das mit einem eigenen Steuermodell erreichen und nicht so wie die Sozialdemokratie, die ja neue Steuern einführen will und weiter abzocken will, sei es mit Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer und was auch immer. Ich glaube, neue, hö­here Steuern und die Besteuerung des Mittelstandes sind nicht die Lösung, sind nicht zielführend, sondern es braucht eine steuerliche Entlastung – Steuern senken, Steuern reduzieren und nicht weiter Steuern erhöhen! Das ist eine Auseinandersetzung, die wir auch im Wahlkampf noch gemeinsam führen werden, aber das muss ja nicht immer zum Nachteil beider sein.

In diesem Sinne: Schauen wir, was herauskommt! (Beifall beim BZÖ.)

19.32

19.32.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, seinen Bericht 2455 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

19.33.2315. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (2303 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ge­ändert wird (2539 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 150/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staats­bürgerschaftsänderungsgesetz 2008) (2540 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 738/A der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun-


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desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürger­schaft geändert wird (2541 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 786/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staats­bürgerschaftsänderungsgesetz 2009) (2542 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 1199/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staats­bürgerschaft geändert wird (2543 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 468/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Chan­cengleichheit für Kinder von Geburt an – Verankerung des Geburtslandprinzips (ius Soli) im Staatsbürgerschaftsgesetz (2544 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 1960/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlie­ßung einer verheerenden Lücke im Staatsbürgerschaftsgesetz (2545 d.B.)

22. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 2335/A der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (2546 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 bis 22 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Vilimsky. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.33.52

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schade, sehr schade, dass man diese wichtige Debatte zu dieser späten Stunde abführt, denn ich meine, dass eine Diskussion über die österreichische Staatsbürgerschaft einen prominenteren Platz verdient hätte, als inmitten von drei Tagen zu später Stunde abseits der großen medialen Öffentlichkeit und auch abseits des großen Zuseher-Interesses hier abgeführt zu werden.

Faktum ist, Einbürgerungen werden künftig schneller, rascher, einfacher, unkomplizier­ter erfolgen. Grund dafür ist, dass Herr Staatssekretär Kurz natürlich für die Besetzung


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des Integrationsstaatssekretariats Erfolge herzeigen muss. Und was kann man für sei­ne Zuwandererklientel da anderes machen als knapp vor einer Wahl die Staatsbürger­schaftsregeln so zu vereinfachen, dass hier rascher, einfacher, schneller und unter dem Strich natürlich mehr Staatsbürgerschaften vergeben werden?

Wir aufseiten der Freiheitlichen Partei vertreten da einen völlig konträren Standpunkt. Wir sind der Auffassung, Staatsbürgerschaft ist nicht nur ein hohes, sondern ein höchs­tes Gut, das diese Republik zu verteidigen hat; und nur jene Personen sollen auch tat­sächlich Staatsbürger werden, die mit ihrem Kopf und ihrem Herzen Teil dieser öster­reichischen Republik geworden sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Grund, warum wir uns so sehr gegen die hier jetzt debattierte Regelung wenden, ist auch folgender: Es gibt in Österreich eine Vielzahl von Integrationsdefiziten, und zwar veritablen Integrationsdefiziten. Ich rede jetzt gar nicht davon, dass gerade in der Bundeshauptstadt Wien, wo vorzeitige Einbürgerungen über viele, viele Jahre aus ei­ner rein politischen Motivation heraus an der Tagesordnung waren, Personen, die zu­gewandert sind, die die Staatsbürgerschaft erhalten haben, dann, wenn sie zum Arzt mussten, dann, wenn sie einen Behördengang hatten, dann, wenn sie wegen irgendei­ner Angelegenheit vor Gericht standen, einen Dolmetscher gebraucht haben, weil sie der deutschen Sprache nicht einmal ansatzweise mächtig waren.

Und jetzt kommen wir zu Beispielen aus der jüngeren und jüngsten Vergangenheit, die aus meiner Sicht auch diese Integrationsdefizite so sichtbar machen, dass Sie zumin­dest darüber nachdenken sollten, ob das gut ist, die Staatsbürgerschaft in einer derarti­gen Form weiter zu vereinfachen.

Wir hatten vor Kurzem an die 8 000 – manche sagen 10 000 und mehr – Türken in Wien am Columbusplatz, die für den türkischen Staatsführer, den Herrn Erdogan ein­getreten sind und mit ihren Vorstellungen, mit ihren Aussagen, mit ihren Forderungen und Wünschen so etwas von weit weg von der österreichischen Gesellschafts- und Werteordnung waren, dass man natürlich die Frage stellen muss, ob hier bislang die Integrationspolitik eigentlich vor einem Totalversagen steht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn hier in Wien 10 000 Türken, die nicht zu 10, zu 20 oder zu 30 Prozent, sondern laut Aussagen von Türken und Demonstrationsteilnehmern zu zwei Dritteln die öster­reichische Staatsbürgerschaft hatten, mit dieser Republik so etwas von überhaupt nichts am Hut haben und gedanklich, geistig 1 300 Kilometer weit weg in Istanbul, in Ankara, in Anatolien oder wo auch immer sind, dann weiß ich, dass hier Staatsbürger­schaften mehr als leichtfertig vergeben wurden.

Der traurige Höhepunkt war im ORF-„Report“, wo eine junge Dame türkischer Herkunft, von der man eigentlich, rein von ihrem optischen Auftritt, meinen könnte, dass sie Teil dieses Österreich geworden ist, Aussagen von sich gibt, laut denen das mitnichten der Fall ist. Ich habe mir das Transkript vom ORF entsprechend verfügbar gemacht, und diese junge Dame sagt:

„Mein Blut ist türkisches Blut. Nur weil ich einen österreichischen Pass habe, heißt das noch lange nicht, dass ich im Kopf österreichische Staatsbürgerin bin.“

Meine Damen und Herren, was heißt denn das? Wo ist man österreichischer Staats­bürger, und wo ist man nicht österreichischer Staatsbürger? Ist man dann österreichi­scher Staatsbürger, wenn es um das Sozialsystem geht, wenn es um den Arbeitsmarkt geht, wenn es um Vergünstigungen geht, während man dann, wenn man sich mit dem Herzen entscheiden muss, eigentlich in seinem Ursprungsland verhaftet ist und mit diesem Österreich nichts mehr zu tun haben will? – Nein, ich sage, dass derjenige ein guter Österreicher geworden ist, der hier in diesem Österreich mit Kopf und Herz an­kommt und auch Teil dieses Österreich werden möchte.


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Nur weil jemand – Kollege Kößl, weil da ein Nicken kommt – gut Deutsch spricht oder auch ein entsprechendes Niveau in der deutschen Sprache hat, heißt das noch lange nicht, dass da die Verösterreicherung auch tatsächlich stattgefunden hat.

Es sind nämlich etwa – und damit komme ich zu einem weiteren Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit – über 20 Austro-Taliban in Syrien gefallen, weil sie dem Dschihad gefolgt und für Ziele eingetreten sind, mit denen unser Österreich so etwas von überhaupt nichts am Hut hat – weshalb ich sage, dass diese Personen, auch wenn sie gut Deutsch gesprochen haben mögen, alles andere als Teil dieser Republik hätten werden sollen. Das waren Personen aus Tschetschenien, Personen aus Pakistan – und das war die Spitze des Eisberges. Wir diskutieren ja oft über diese Dschihad-Camps und Extremisten-Camps auf der Arabischen Halbinsel, aber es waren Österrei­cher. Trauriger Höhepunkt war Mohamed Mahmoud, der die österreichische Staatsbür­gerschaft publikumswirksam zurückgelegt hat, den österreichischen Reisepass ver­brannt hat. – Also, meine Damen und Herren, es gibt hier Integrationsdefizite sonder Zahl. (Beifall bei der FPÖ.)

Und es ist ein völlig falsches Zeichen, nur weil eine Partei, nämlich die ÖVP, glaubt, Wahlzuckerl verteilen zu müssen, in einer Phase drei Monate vor der Wahl Signale setzen zu wollen, den Zugang zur österreichische Staatsbürgerschaft immer weiter nach unten zu nivellieren.

Wir vertreten die Auffassung, dass es überhaupt keine Zeitnot gibt für jene Personen, die Teil unserer Republik werden wollen. Da brauche ich jetzt nicht sechs Jahre oder zehn Jahre, sondern für den, der Teil werden möchte, der hier am Arbeitsprozess teil­nimmt, der hier an der Entwicklung unserer Republik teilhaben möchte, besteht keine Zeitnot.

Angesichts der Integrationsdefizite, die ich nur ansatzweise hier erwähnt habe, ich habe nur die Spitzen der Eisberge genannt, wäre es durchaus überlegenswert, nicht nur die Frist von zehn Jahren beizubehalten, sondern in Richtung 15 Jahre zu gehen, um auch tatsächlich sicherstellen zu können, dass nicht jene Personen eingebürgert werden, die eigentlich mit Österreich nichts am Hut haben.

Es sollte auch etwas möglich sein, was wir gefordert haben, was auch von anderen kommt, nämlich die Staatsbürgerschaft auf Probe zu vergeben. Wenn ich nämlich draufkomme, dass jemand, der vielleicht augenscheinlich Teil dieses Österreich gewor­den sein mag, trotzdem dem Dschihadismus oder anderen Extremismen verpflichtet ist, dann sage ich, das war eine Falschbeurteilung, und entziehe ihm die Staatsbürger­schaft wieder. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie werden heute mit einer Ablehnung unsererseits rechnen. Sie setzen die falschen Signale. Die Staatsbürgerschaft geht weiter in Richtung Erleichterung, geht weiter in Richtung Ausverkauf, und zwar deswegen, weil zwei Parteien hier glauben, vor der Wahl die Staatsbürgerschaft instrumentalisieren zu können, Wahlzuckerl vergeben und Stimmen einheimsen zu müssen.

Wenn Sie Wahlzuckerl vergeben wollen, senken Sie die Steuern, das ist in Ordnung, aber spielen Sie nicht mit der Staatsbürgerschaft herum! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kößl. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.41.26

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, es hat keinen Sinn, heute darü­ber zu diskutieren, ob wir Wahlzuckerl verteilen oder sonst irgendetwas. Die Sache ist


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viel zu ernst. Die österreichische Staatsbürgerschaft ist, wie ich meine, wirklich ein ho­hes Gut, und man muss sich ganz genau überlegen, wie jemand zur österreichischen Staatsbürgerschaft kommt.

Die vorliegende Novelle spiegelt an und für sich den Willen der Bevölkerung wider, und zwar des Großteils der Bevölkerung, wie man in Österreich zur österreichischen Staatsbürgerschaft gelangen soll.

Auf der einen Seite glaube ich, dass wir sehr restriktive Ansätze haben, weil verschie­dene Kriterien zu erfüllen sind, und auf der anderen Seite ist es richtig, dass wir den Schwächeren, ich meine den Kindern wie auch Behinderten, entgegenkommen und für diese doch einige Erleichterungen schaffen. Weiters meine ich, dass das Anreizmodell, das diese Novelle mit sich bringt, ebenfalls einen ganz, ganz wichtigen Schritt in Rich­tung Integration, in Richtung wirklich gute Integration darstellt.

Wenn jemand sehr gut Deutsch spricht und sich auf der anderen Seite ehrenamtlich betätigt, dann ist es möglich, bereits nach sechs Jahren die österreichische Staatsbür­gerschaft zu erhalten anstatt zehn Jahre zu warten. Diese Novelle bringt sehr viele Verbesserungen, und ich werde dann auf die Verbesserungen auch eingehen. Außer­dem wird durch diese Novelle auch das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 an die Judika­tur des Verfassungsgerichtshofes und des Gerichtshofes für Menschenrechte ange­passt.

Wenn ich von Verbesserungen spreche, dann habe ich eine schon erwähnt, nämlich die Möglichkeit, schneller zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu gelangen.

Auf der anderen Seite werden eheliche und uneheliche Kinder im Staatsbürgerschafts­recht gleichgestellt. Wenn zumindest ein Elternteil österreichischer Staatsbürger ist, dann gilt das Abstammungsprinzip, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht. Die Einbürgerung von Adoptivkindern wird erleichtert und beschleunigt. Da­rüber hinaus – und das habe ich ebenfalls schon erklärt – wird es Behinderten, Men­schen, die aufgrund einer Behinderung nicht oder nur teilweise in der Lage sind, einem Erwerb nachzugehen und somit ihr Leben zu finanzieren, ermöglicht, ebenfalls die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Kinder bis 14 Jahre erhalten ebenfalls einen leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft.

Es sind also viele Maßnahmen gesetzt worden, um rascher zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu gelangen, da gebe ich dir recht, Kollege Vilimsky, aber die sind für Kinder. Uneheliche und eheliche Kinder werden gleichgestellt.

Auf der anderen Seite, das habe ich ebenfalls gesagt, haben wir auch verschiedene restriktive Maßnahmen, die sich ja nicht verändert haben. Ich glaube schon, dass diese restriktiven Maßnahmen eine Gewähr dafür sind, dass ein Schritt in Richtung Anpas­sung an unser Gesellschaftssystem gesetzt wird.

Wir sollten nicht Einzelsituationen herausnehmen, sondern die Situation generell se­hen. Ich glaube, dass wir mit dieser Novelle auf einem sehr, sehr guten Weg sind, die Menschen besser zu integrieren, und die Möglichkeit schaffen, dass sie schneller die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Korun. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.45.52

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Damit wir hier beim Thema Staatsbürgerschaft nicht wie die Blinden von der Farbe reden, macht es Sinn,


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auch den Stimmen jener Gehör zu verschaffen, um die es in diesem Gesetz auch geht. Deshalb aus den Erläuterungen von einem betroffenen Bürger – Zitat –:

Ich bin 1990, also vor 23 Jahren, aus Brasilien nach Österreich gekommen. Hier habe ich gleich am Anfang einen Deutschkurs besucht. Dann folgten Prüfungen in Deutsch und Literatur, Geschichte und Geographie, um die österreichische Matura zu erlangen. Am Konservatorium der Stadt Wien habe ich Operngesang studiert und für mehrere Jahre hatte ich ein fixes Engagement am Wiener Burgtheater, das heißt, ich hatte dort ein richtiges Anstellungsverhältnis.

Trotz all der 23 Jahre Aufenthaltszeit in Österreich mit der Matura und dem Studienab­schluss und all der Jahre, in denen ich als Angestellter gearbeitet habe, darf ich nicht Österreicher werden, weil ich in den letzten drei Jahren kein für die Regierung gesi­chertes Einkommen gehabt habe.

Weiterhin werden viele Menschen, die schon sehr lange in Österreich leben wie ich, dis­kriminiert, weil sie an der erneut eingeführten Einkommenshürde scheitern. Das heißt, nicht die Integration entscheidet über die Einbürgerung, wie es sein sollte, sondern das Geld. – Zitatende.

Dieser Herr war übrigens – das für diejenigen, die sich den „Report“-Beitrag im ORF vor zwei Tagen angeschaut haben – dort live zu erleben. Das können Sie sich noch im­mer im Internet anschauen.

Dieser Mann hat auch nach der heutigen Gesetzesänderung keine Chance, die Staats­bürgerschaft zu erlangen, weil er nämlich als Künstler seit Jahren keine Anstellung findet, und das Einkommen, das er erzielen kann  er arbeitet sehr wohl , ist leider unter jenem Niveau, das SPÖ und ÖVP als ausreichendes Einkommen betrachten.

Dieser Mann lebt aber seit 23 Jahren hier, hat ein unbefristetes Visum, darf bis zu sei­nem Lebensende weiter hier leben und darf auch bis an sein Lebensende Sozialleis­tungen beziehen, gleiche Rechte werden ihm allerdings verweigert. Mitbestimmen, ös­terreichischer Staatsbürger werden darf er nicht.

Und ich sage ganz klar dazu, Integration, Inklusion und Zusammenwachsen schauen ganz anders aus. (Beifall bei den Grünen.)

Und im Großen und Ganzen wird es bei diesem Satz „nicht Integration entscheidet über die Einbürgerung, sondern das Geld“ bleiben, obwohl es da eine kleine Änderung gibt, die von den Kollegen der Regierungsfraktionen sicher groß gelobt wird. Aber da sich die Einkommensgrenzen nicht ändern, gleich hoch bleiben, werden Menschen, die nach diesen Vorstellungen zu wenig verdienen, auf Dauer, eigentlich bis an ihr Lebens­ende von der Einbürgerung ausgeschlossen sein.

Natürlich kann man als Bedingung für die Einbürgerung verlangen, dass erwachsene Menschen, die arbeitsfähig sind, einer Arbeit nachgehen. Das ist in den allermeisten Ländern auch so. Nur geht es eben genau um Menschen, die einer Arbeit nachgehen, deren Einkommen aber nach dem Gesetz nicht ausreicht und die deshalb zwar bis an ihr Lebensende hier leben dürfen, aber nicht die gleichen Rechte haben.

Zu dieser Gruppe würden übrigens 70 Prozent der österreichischen Arbeiterinnen, also der weiblichen Arbeiterinnen gehören. Bis zu 70 Prozent der Arbeiterinnen verdienen nämlich nicht so viel, wie im Gesetz für die Einbürgerung vorgesehen ist.

Nächste Baustelle: Ein einziger Tag Lücke im Visum genügt, um das gesamte Vorle­ben, um alle Jahre, die man in Österreich ganz legal gelebt hat, zu löschen. Dann fängt nämlich die zehnjährige Wartefrist von Neuem an.

Und ich hatte die Ehre, ein paar solcher Betroffener kennenzulernen, Menschen, die seit zwölf Jahren, 14 Jahren, 15 Jahren legal hier leben. Viele von ihnen hatten das


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Pech, dass sie zwei- oder dreitägige Lücken im Visum, im Pass hatten. Mensch ärgere dich nicht! Das Ganze geht an den Anfang zurück, und die zehnjährige Frist beginnt von vorne zu laufen. Auch dazu findet sich in der Regierungsvorlage von SPÖ und ÖVP kein einziges Wort.

Das wurde sowohl im Experten-Hearing im Innenausschuss als auch davor in mehre­ren Zeitungsmeldungen thematisiert. Der Regierung ist es offensichtlich kein Anliegen. Das ist wieder nicht Integration, nicht Inklusion, nicht Zusammenleben, sondern nur ei­ne willkürliche Hürde auf dem Weg zu gleichen Rechten.

Nächste Baustelle: In Österreich kommen jährlich 10 000 Kinder im Inland als Auslän­der auf die Welt. Das sind sogenannte Ausländer, die im Inland auf die Welt kommen, die im Inland aufwachsen, die das Ausland in vielen Fällen gar nicht gesehen haben. Und ich frage mich: Was für ausländische Kinder sollen das sein, die hier geboren werden, hier aufwachsen und eigentlich Teil dieses Landes sind? Aber unser Staats­bürgerschaftsgesetz macht sie noch immer zu Ausländern. Das heißt, wir haben auch eine aktive Ausländerproduktionspolitik, leider unterstützt von SPÖ und ÖVP, die aus Kindern, die hier geboren werden und hier aufwachsen, Ausländer macht. Und auch das scheint der Regierung kein Anliegen zu sein.

Diese ganzen Baustellen bleiben mit der Regierungsvorlage. Es gibt ein paar kleine Verbesserungen. Diese habe ich teilweise auch im Innenausschuss angesprochen. Großteils sind das Verbesserungen, die vom Verfassungsgerichtshof erzwungen wur­den, da Gesetzesteile als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Das heißt, auch da hat die Bundesregierung eigentlich nicht aus eigenem Willen etwas verändert, sondern sie musste es verändern, da es der Verfassungsgerichtshof vorgeschrieben hat.

Zum Schluss: Was wäre ein Staatsbürgerschaftsgesetz für das 21. Jahrhundert? – Das wäre ein Staatsbürgerschaftsgesetz, das hier geborene und hier aufwachsende Kinder nicht künstlich zu Ausländern und Ausländerinnen macht. Das wäre ein Gesetz, das sagen würde, wie in England, in Frankreich, in den Niederlanden, in Schweden und in vielen anderen Ländern, dass Menschen, die fünf Jahre legal in diesem Land leben, sich an die Gesetze gehalten haben und sich selbst versorgen können, gleiche Rechte für gleiche Pflichten bekommen.

Bis das erreicht ist, werden wir weiterhin unsere Stimme erheben. Denn wir haben viel­leicht nicht alle die gleiche Herkunft in unserem Land, aber wir haben eine gemeinsa­me Zukunft. Und um die Gestaltung dieser Zukunft in Respekt und mit gleichen Rech­ten und gleichen Pflichten geht es. In diesem Sinne erwarten wir eine echte Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes und nicht ein Flickwerk, wie es derzeit vorliegt. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

19.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Lueger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Pendl: Ich glaube, das wird erfrischend!)

 


19.53.39

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Ja, es stimmt, Frau Kollegin Korun, es müssen einige Änderun­gen im Staatsbürgerschaftsgesetz geschehen, da es VfGH-Erkenntnisse gegeben hat. Und die werden bereinigt. Diese Bereinigung, denke ich mir, ist eine positive Sache, denn die Gleichstellung der ehelichen und unehelichen Kinder ist, so meine ich, schon einmal der erste Schritt in die richtige Richtung. Denn bis dato war es so: War die Mutter Österreicherin, war es kein Thema. Ist die Mutter nicht Österreicherin und nur der Vater Österreicher, konnte das Kind die Staatsbürgerschaft nicht erlangen. Das wurde mit diesem Gesetz jetzt korrigiert.


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Das heißt, auch Kinder von ausländischen Müttern, wo der Vater Österreicher ist, sind dann automatisch Österreicher. Die ÖVP hat zuerst gemeint, die Vaterschaftsanerken­nung sollte noch vor der Geburt erfolgen. Gott sei Dank ist es in den Verhandlungen noch gelungen, die Frist bis auf acht Wochen nach der Geburt zu erstrecken.

Jetzt weiß ich, dass Sie kritisieren, dass das für Kinder gilt, die ab jetzt, ab August, ge­boren werden, und nicht rückwirkend. Es gibt in vielen Gesetzen Stichtagsregelungen. Das ist so, daher muss man da jetzt einmal positiv in diese Richtung schauen.

Es gibt weiters eine Erleichterung bei den Adoptivkindern. Das sind unmündige minder­jährige Kinder, wo es bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft natürlich nicht darauf ankommt, ob sie straffällig gewesen wären und ob sie sich auch selbst erhalten kön­nen. Und da erfolgt die Verleihung der Staatsbürgerschaft durch die Behörde innerhalb von sechs Wochen. Ich bin überzeugt, dass das im Sinne der Kinder, im Sinne von unmündigen minderjährigen Kindern einmal ein positiver und sehr, sehr guter Schritt ist.

Die raschere Verleihung, nämlich nach sechs Jahren, auf Vorschlag von Staatsse­kretär Kurz ist eine Variante. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es jetzt einen so gro­ßen Run darauf geben wird. Es gibt eine relativ hohe Sprachhürde. – Ja, das stimmt. Voraussetzung ist entweder die Beherrschung der Sprache oder freiwilliges soziales Engagement. – Ja, das soll so sein und ist eine gute Variante, um ganz einfach die Zeit zu reduzieren, da wir in Österreich mit unseren zehn Jahren, die nun einmal bei der Einbürgerung normal sind, relativ restriktiv in Europa sind, die anderen europäischen Länder haben viel kürzere Zeiten für die Einbürgerung.

Herr Kollege Kößl, mich hat etwas an Ihren Ausführungen gestört – vielleicht kann es ihm dann jemand ausrichten –: Man kommt einem behinderten Menschen nicht entge­gen, wenn es für ihn leichter ist, die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Er hat einen Rechtsanspruch darauf. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ein toller und guter Erfolg; Kollegin Königsberger-Ludwig hat sich dafür auch sehr eingesetzt. Wenn ein behinderter Mensch infolge seiner Krankheit seinen Lebens­unterhalt nicht selbst bestreiten kann und nicht hinreichend gesichert ist, dann soll er die Möglichkeit haben, die Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Die Opfer des Nationalsozialismus wurden berücksichtigt. Da wurde eine Lücke ge­schlossen. Es ist erneut eine kurzfristige Variante, dass die betroffenen Menschen um die Staatsbürgerschaft ansuchen können.

Die Putativ-Österreicher waren auch eine Problematik, die sich aufgetan hat, während wir über das Staatsbürgerschaftsrecht verhandelt haben. Es kann durch einen Irrtum, der eigentlich im Amt passiert, jemand glauben, österreichischer Staatsbürger zu sein. Speziell für Männer, die dann oft Wehrdienst oder Zivildienst geleistet haben, ist es schwierig, wenn sie auf einmal erfahren, dass sie nicht österreichische Staatsbürger sind. – Auch das wurde korrigiert. Und das, so meine ich, ist auch eine sehr positive Sache.

Ich glaube, dass man Menschen, die künstlerisch begabt sind, speziell mit dieser Lö­sung entgegenkommt, dass sie nicht ein durchgehendes Einkommen nachweisen müs­sen, sondern dass sie die besten drei Jahre der letzten sechs heranziehen und um die Staatsbürgerschaft ansuchen können. Ich glaube, dass das eine gute Variante ist. Gut ist auch, dass dabei auf den Antragszeitpunkt abgestellt wurde, denn damit kann man auch Menschen, die zum Beispiel Saisoniers sind, berücksichtigen.

Und vor allen Dingen ist eine sehr positive Sache in diesem Gesetz, dass der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes, wenn eine ausländische Frau hier ein Kind bekommt, jetzt auch als ausreichendes Einkommen betrachtet wird.


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Den Lehrlingsfall habe ich vorher schon erwähnt, wo für junge Menschen, die noch minderjährig und schon als kleines Kind nach Österreich gekommen sind und mindes­tens 15 Jahre rechtmäßigen Aufenthalt gehabt haben, die Möglichkeit besteht, ohne dass es einen Nachweis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes benötigt, unter erleichterten Bedingungen die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Ich denke, dass wir da auf einem guten Weg sind, dass sich die Staatsbürgerschaftsfrage aber ewig weiterentwickeln muss. Und da bin ich bei Ihnen, das gehört weiter diskutiert. (Beifall bei der SPÖ.)

19.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Westen­thaler. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.59.08

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Herr Staatssekretär! Frau Kollegin Korun, etwas hat mir bei Ihrer heutigen Re­de gefehlt. Sie haben ein leidenschaftliches Engagement für die Zuwanderer, die nach Österreich kommen, und setzen sich dafür ein, dass diese leichter zu ihrem Recht kommen. Sie haben es in der eigenen Fraktion im Moment aufgrund so mancher Aus­ritte auch nicht so leicht.

Aber um auf den Brasilianer zurückzukommen: Der hat natürlich auch uns geschrie­ben, und ich habe den Fall auch im „Report“ gesehen und muss wirklich zugeben, son­derbar, dass jemand, der so perfekt integriert ist, dann an einer Hürde scheitert, die für ihn eigentlich nicht in Frage kommt. Ich hake das jetzt einmal unter Einzelfall ab, den man sich aber genau anschauen muss. Nur, erlauben Sie mir jetzt diese Spitze: Ich kenne den Herrn nicht persönlich, ich kenne auch nicht seine Gesinnung, aber mögli­cherweise wäre er durch den Gesinnungstest durchgefallen, den Kollege Pilz von Ihrer Fraktion bei Werbern um die Staatsbürgerschaft ansetzen will. Er hätte dann auch die Staatsbürgerschaft nicht bekommen.

Da hat mir heute ein klares Wort gefehlt, wie Sie dazu stehen, dass der Sicherheits­sprecher Ihrer Partei für den Erwerb der Staatsbürgerschaft einen politischen Gesin­nungstest fordert, was immer das ist. Ich weiß nicht, was das sein soll. Muss derjenige das grüne Programm unterschreiben, damit er eingebürgert wird? Was soll das eigent­lich? – Ich weiß es nicht, aber vielleicht können Sie es erklären!

Kollege Vilimsky hat auf die Erdogan-Demo verwiesen. Diese hatte interessante Aus­wirkungen nicht nur in dem Sinn, dass es wirklich skurrile und – wie ich meine – zum Teil sogar durchaus gefährliche Äußerungen von so manchen Diskussionsteilnehmern gegeben hat, was jedenfalls mit einer ordentlichen Integration nichts zu tun hatte. Die­se hat aber auch quer durch alle Fraktionen und Geisteshaltungen für Empörung ge­sorgt, sogar bei den Grünen! Bekanntlich ist in diesem Zusammenhang Ihr grüner Bun­desrat mit dem One-Way-Ticket daher gekommen und hat gesagt: Eigentlich sollen die alle gleich mit einem One-Way-Ticket heim in die Türkei fahren! Am nächsten Tag musste er das dann korrigieren und sich dafür entschuldigen. – Die ganze Geschichte hat auch Ihre Fraktion ein bisschen in die Instabilität geführt, und daher ist das nicht mehr ganz nachvollziehbar.

Ich nehme Ihnen allerdings Ihr Engagement, Herr Staatssekretär, was die Integration anlangt, ab. Es ist tatsächlich traurig, dass wir den Rucksack, den wir seit den neun­ziger Jahren nach der Hauptzuwanderungswelle in der näheren Geschichte Öster­reichs noch immer mit uns tragen, quasi nicht verarbeitet haben, dass nämlich noch immer Menschen bei uns sind, die in den neunziger Jahren – aus welchem Grund auch immer – nach Österreich gekommen und im Land noch immer nicht integriert sind.


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Sie wollen das jetzt angehen und haben durchaus vernünftige Projekte gemacht, zum Beispiel das Projekt mit den Integrationsbotschaftern „Zusammen: Österreich“. Es sind dies sehr gute Projekte, die ich voll unterstützen möchte. Andererseits lassen die Erfol­ge noch auf sich warten. Man weiß, dass Integration ein Prozess ist, der über Jahre beziehungsweise vielleicht sogar Jahrzehnte gehen muss und gehen wird, aber diese Erdogan-Demo war doch abschreckend, denn das hat mit Österreich-Identifikation, die für mich ein Grundmerkmal für eine Staatsbürgerschaft sein muss, überhaupt nichts zu tun. Es ist doch irgendwie bemerkenswert und zeigt, dass Integration noch immer nicht voll funktioniert, wenn dort Demonstranten, die österreichische Staatsbürger sind, sa­gen: Mit dem Kopf und mit dem Geist bin ich eigentlich Türke und gar nicht Österrei­cher!

Warum sage ich das in einer Debatte über die Staatsbürgerschaft? – Ich habe es bei aller Wertschätzung Ihrer Tätigkeit in diesem Bereich im Ausschuss schon gesagt: Die Staatsbürgerschaftsverleihung ist für mich kein Integrationsmotiv. Herr Kollege von der ÖVP, ich glaube nicht, dass die Staatsbürgerschaftsverleihung – ob sie jetzt früher oder später stattfindet – ein Motiv für Integration ist. Ich glaube das nicht. Wenn jemand hier­her kommt und – unterstellen wir das einmal – tatsächlich integrationswillig ist, dann ist es nicht sein erstes Anliegen, Staatsbürger zu werden. Sein erstes Anliegen ist es, ver­festigten Aufenthalt zu bekommen, Arbeit zu bekommen, sich und gegebenenfalls sei­ne Familie ernähren zu können, die deutsche Sprache zu lernen und sich bestmöglich integrieren zu können. Und ich glaube, erst ganz am Ende der Kette steht der Wunsch nach dem Erwerb einer Staatsbürgerschaft oder einer verfrühten Staatsbürgerschaft.

Ich gehe in diesem Punkt mit der Kollegin von der SPÖ konform. Ich glaube auch nicht, dass es einen Run auf diese verfrühte Staatsbürgerschaft geben wird. Und wenn wir das feststellen, dann stellt sich schon wieder die Frage: Welchen Sinn macht das ei­gentlich? Warum müssen jetzt ein paar Kriterien geschaffen werden, nach welchen eine verfrühte Staatsbürgerschaft ermöglicht wird, die gar nicht so sehr gewünscht wird?

Ich bin froh darüber – ich habe das auch im Ausschuss gesagt –, dass die allgemeinen Voraussetzungen, die relativ scharf sind und die zum Teil noch aus einer Zeit stam­men, als wir Regierungsverantwortung getragen haben, weiterhin aufrecht sind. Also: Unbescholtenheit, gesicherter Lebensunterhalt, Deutschkenntnisse und auch zwei Punkte, die nicht unwichtig sind, nämlich eine bejahende Einstellung zur Republik Ös­terreich und kein Naheverhältnis zu extremistischen Gruppen. Das sind für mich zwei ganz wichtige Punkte, die im einen oder anderen Fall – siehe Demonstration – sehr wohl in Betracht zu ziehen sind.

Also: Staatsbürgerschaft ist sicherlich kein Integrationsmotiv. Es wird den großen Run nicht geben. Daher: So what? Wozu brauchen wir eine solche Verkürzung?

Ich hätte es umgekehrt gemacht, Herr Staatssekretär. Ich hätte gesagt: Wenn be­stimmte Voraussetzungen – bessere Deutschkenntnisse, Bestreitung des eigenen Le­bensunterhaltes in Österreich – erfüllt sind, bekommt jemand eine Staatsbürgerschaft auf Probe. Ich sehe nämlich, im Gegensatz zu Ihnen, die bisherige Anwartschaft nicht bereits als Probe, weil ich meine, dass man auf Probe nur etwas haben kann, was man schon hat und nicht etwas, was man nicht hat. – Ich hätte also diese Regelungen ein­geführt: Nach sechs Jahren wird eine Staatsbürgerschaft auf Probe für vier Jahre ver­liehen, und in diesen vier Jahren muss sich der neue Staatsbürger bewähren. Und wenn er sich bewährt und nichts passiert, dann hat er nach zehn Jahren – so wie das jetzt der Fall ist – auch das Recht auf eine dauerhafte Staatsbürgerschaft.

Allerdings hätte ich in Anbetracht der Demonstrationen und so mancher Geisteshal­tung, die da herrscht, noch ein Element eingeführt, nämlich die Möglichkeit zur Aber­kennung einer Staatsbürgerschaft für zugewanderte Menschen. – Ich glaube, dass es


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auch möglich sein muss, dass man, wenn jemand eines der Grundkriterien für die Staatsbürgerschaft plötzlich nicht mehr erfüllt – wenn er kriminell wird, wenn er sich nicht mehr zur Republik bekennt, wenn er plötzlich der Meinung ist, dass er sich einer extremistischen islamistischen Gruppe et cetera anschließen will –, die Frage stellt: Willst du überhaupt noch österreichischer Staatsbürger bleiben?

Ich glaube daher, dass die Staatsbürgerschaft auf Probe und die Aberkennung zwei elementare Punkte sind. Die Staatsbürgerschaft an und für sich ist ein elementares Bürgerrecht mit Rechten und Pflichten. Damit sollte man keinesfalls spielen. Ich sehe das auch nicht als Spiel, sondern ich sehe das als einen Schritt, der Ihrer Meinung nach zur Integration beiträgt. – Ich glaube, der Schritt ist überflüssig und wird keinen wesentlichen Integrationsfortschritt bringen, und daher lehnen wir das ab. (Beifall beim BZÖ.)

20.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Gerstl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.06.04

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundesminister! Ich glaube, die vorige Debatte hat klar gezeigt, wohin der Weg geht. Den rechten Parteien ist dieser Entwurf viel zu wenig extrem, und den linken Par­teien, sprich den Grünen, ist er ganz genauso zu wenig extrem – nur jeweils in die an­dere Richtung. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo würden Sie uns einordnen?)

Die Freiheitlichen wollen, dass im Grunde niemand integriert wird – ich übertreibe jetzt ein bisschen – und dass niemand die Staatsbürgerschaft bekommt, und die Grünen wollen, dass im Grunde jeder die Staatsbürgerschaft bekommt.  Zwischen diesen bei­den Extremvarianten befinden wir uns hier im Haus, und das, was vorliegt, ist genau die gute Mitte. Das, was der Herr Staatssekretär vorgelegt hat, zielt darauf ab, dass die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen wird, wenn ein integrationspolitischer Prozess schon stattgefunden hat. Das ist der entscheidende Punkt.

Herr Kollege Westenthaler, die Staatsbürgerschaft wird erst verliehen – ich glaube, das haben Sie vorher falsch verstanden –, wenn der integrationspolitische Prozess vollzo­gen ist. Und dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Verleihung erfolgt, so wie wir das bisher gehabt haben, nach zehn Jahren, oder es besteht, wenn sich eine Per­son ganz besondere Verdienste erworben und ein ganz besonders intensiver integra­tionspolitischer Prozess stattgefunden hat, die Möglichkeit der Verleihung bereits nach sechs Jahren. (Zwischenruf des Abg. Strache.)

Ich glaube, das ist es, was die Österreicherinnen und Österreicher wirklich wollen. Sie wol­len, dass sich die Menschen zu Österreich bekennen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Es soll so sein, wie Kollege Vilimsky gesagt hat: Diese Leute sollen mit Kopf und Hirn bei der Sache sein, sie sollen mit dem Herzen da sein, sie sollen sich auch ehrenamt­lich in Interessenvertretungen engagieren, und sie sollen bereits ein entsprechendes gesichertes Lebenseinkommen haben. Sie sollen wirklich sagen: Ich habe hier eine neue Heimat gefunden, ich beantrage daher die österreichische Staatsbürgerschaft, und diese ist mir auch etwas wert. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Frau Kollegin Korun, diesen Menschen soll es auch wert sein, etwas dafür zu zahlen, weil sie das gerne haben wollen. Wenn nämlich etwas nichts kostet, dann ist es auch nichts wert. – Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Frau Kollegin Korun! Ich möchte daher, weil meine Redezeit sehr begrenzt ist, nur noch einen letzten Punkt ansprechen, um den es im Ausschuss gegangen ist: Herr Kollege Pilz hat – er ist heute leider nicht da – verlangt, dass Staatsbürgerschaften


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 209

nach der Gesinnung vergeben werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ganz arg!) – Ich möchte heute nicht das wiederholen, was ich im Ausschuss schon gesagt habe, sondern ich möchte jetzt gerne wiederholen, was der Vertreter von „SOS Mitmensch“ am Dienstag im „Report“ gesagt hat.

Herr Alexander Pollak von „SOS Mitmensch“ hat zur Frage des ORF, ob man Erdo­gans Anhängern die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verleihen solle, wie der Grünpolitiker Peter Pilz gefordert hat, gesagt: Von unserer Seite ist es ganz klar ein de­mokratiepolitischer Irrweg, demokratische Grundrechte mit bestimmten Gesinnungen zu verknüpfen. Demokratie ist kein Gesinnungswunschkonzert! – Zitatende.

Frau Kollegin Korun: Auch wenn Menschen vielleicht Gesinnungen zum Ausdruck brin­gen, die jetzt nicht überall beliebt sind oder von uns als nicht richtig erachtet werden, haben diese Personen trotzdem demokratische Grundrechte wie etwa das Aufenthalts­recht oder auch das Recht, wählen zu gehen. – Zitatende.

Frau Kollegin Korun! Herr Kollege Pilz! Mir ist es als Verfassungssprecher ganz wich­tig, dass hier in dieser Republik nach Artikel 18 der Bundesverfassung vorgegangen wird, nämlich dass die gesamte Verwaltung nur aufgrund von Gesetzen erfolgt und nicht nach Gesinnungen. Das enttäuscht mich von Ihnen. Ich sehe Sie da in einer Rei­he mit den Wiener Grünen, die jahrelang für Volksbefragungen gestanden sind und nach den Volksbefragungen den Willen des Volkes nicht angenommen haben. (Abg. Neubauer: Wo ist denn Herr Pilz?)

Frau Kollegin Korun, das entspricht nicht der österreichischen Bundesverfassung. Es wäre klug, wenn Sie Ihre Gesetze nicht nach Gesinnungen auslegen, sondern nach der österreichischen Bundesverfassung. (Beifall bei der ÖVP.)

20.10


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Hagen. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.10.35

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Grüß Gott, Herr Staatssekretär! Frau Bundesminister! Herr Präsident! (Abg. Wöginger: Grüß Gott!) Es wurde hier jetzt schon einiges dargelegt, was aus verschiedenen Sichten betreffend das Staatsbürger­schaftsgesetz sehr wohl zutrifft oder auch weniger zutrifft.

Ich darf gleich vorwegnehmen: Wir werden dieser Änderung des Staatsbürgerschafts­gesetzes zustimmen, weil das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Diese Änderung ist sicherlich noch nicht das Nonplusultra, aber sie ist ein Schritt in die richtige Rich­tung.

Man muss das einmal so betrachten: Als gelernter Polizist, der ich vor ein paar Tagen mein 25-jähriges Polizei- beziehungsweise Gendarmerie-Dienstjubiläum feiern durfte, hatte ich natürlich auch mit jenen Menschen zu tun, von denen Herr Vilimsky gespro­chen hat. (Abg. Neubauer: War das in Ihrer Zeit beim BZÖ oder beim Team Stro­nach?)

Im Hinblick auf das Bild, das mir diese Menschen vermittelt haben, muss ich Ihnen recht geben, dass tatsächlich Menschen dabei sein, die früher eine Staatsbürgerschaft bekommen haben, obwohl sie sie nicht verdient haben. Das muss ich ganz offen sagen. Ich habe mich oft über die Verleihungspraxis gewundert und bin überzeugt: Da war Handlungsbedarf gegeben. In den letzten Jahren wurde unter einer Vorregierung im Bereich der Fremdenpolitik einiges verändert, und es wurden viele Verbesserungen geschaffen. Und wenn ich mir jetzt die vorliegenden Änderungen des Staatsbürger­schaftsgesetzes anschaue, dann muss ich sagen: Die verkürzten Verleihungsverfahren für Adoptivkinder erscheinen mir sinnvoll zu sein. Warum soll das nicht sinnvoll sein?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 210

Warum sollte ein Kind, das heute mit einem halben Jahr oder einem Jahr hier adoptiert wird, bis zu zehn Jahre warten, bis es die österreichische Staatsbürgerschaft be­kommt? Das Kind wird wie ein leibliches Kind der Eltern behandelt, die das Kind adop­tiert haben. Daher ist es nicht einleuchtend, dass dieses Kind dann, wenn es mit sei-
ner Familie auf Urlaub fährt, ein Visum für gewisse Staaten oder was auch immer braucht.
 – Die diesbezügliche Änderung ist für mich nachvollziehbar.

Außerdem meine ich, dass die vorzeitige Verleihung für Fremde, die sich hier in einem Verein, etwa bei der Feuerwehr, in die Gesellschaft einbringen, ein Anreizsystem ist. Meine Damen und Herren! Das ist sehr wohl vernünftig, denn es gibt sehr viele Staats­bürgerschaftswerber, die sich sehr gut integrieren, anpassen und bemühen, und ich meine, das sollte auch belohnt werden!

Allerdings muss man sich natürlich auch  da gebe ich dem Kollegen Westenthaler recht – die Möglichkeiten bei einer Aberkennung für den Fall überlegen, dass das Gan­ze missbraucht wird. Das ist in den jetzigen Änderungen noch nicht enthalten, ich mei­ne aber, Herr Staatssekretär, dass man einen solchen Schritt im Auge behalten sollte.

Ich möchte zwei Beispiele bringen.

Erstens: Den „Freiheitskämpfern“ – unter Anführungszeichen – beziehungsweise den Jihadkämpfern in Syrien muss man selbstverständlich die Staatsbürgerschaft sofort ab­erkennen!

Zweitens: Wir alle erinnern uns an den Fall desjenigen, der die türkische Staatsbürger­schaft anscheinend jetzt noch hat, der aber in Ägypten den österreichischen Pass zerrissen und angezündet hat. Er ist österreichischer Staatsbürger, und diesem muss die Staatsbürgerschaft sofort aberkannt werden, meine Damen und Herren. Das ist ein klarer Fall. (Beifall beim Team Stronach.)

Für diese Fälle sollen aber nicht jene Menschen leiden, die sich hier bemühen, sich zu integrieren und anzupassen, und die die Sprache lernen. So ist etwa im Fall des Bra­silianers, der angesprochen wurde, überhaupt nicht verständlich, warum ein solcher Mensch nicht österreichischer Staatsbürger werden kann.

Nun zum Fall des irrtümlich als Staatsbürger Gehandelten: Er leistet seinen Wehr­dienst ab, erfüllt seine Pflichten, irgendwie wird er aber falsch geführt und dann kommt heraus, dass er nicht österreichischer Staatsbürger ist. Was spricht in diesem Fall da­gegen, dass dieser Mann die Staatsbürgerschaft bekommt? Er hat wie ein Österreicher gelebt, hat hier alle Pflichten erfüllt. Warum, bitte, soll er die Staatsbürgerschaft nicht bekommen?

Der nächste Punkt ist die Gleichstellung von unehelichen Kindern. Wenn der Vater Ös­terreicher ist und das Kind dann zum Vater kommt und sich um die Staatsbürgerschaft bemüht: Warum soll man da nicht Gnade walten lassen und sagen, dass dieses Kind ja Österreicher ist?

Diese Fälle haben meiner Ansicht nach absolut ihre Berechtigung und Richtigkeit. Da kann man sicherlich zustimmen.

Ich möchte, weil wir jetzt ja mehrere Tagesordnungspunkte besprechen, auf den An­trag der Grünen betreffend die Staatenlosen eingehen. Ich habe einen Fall im Vorde­ren Bregenzerwald, in Langen bei Bregenz, erlebt: Die Eltern dieses Mannes sind im Zweiten Weltkrieg von Südtirol, wenn ich es richtig im Kopf habe, geflüchtet. Die Staatsbürgerschaft haben sie in Österreich nie bekommen, sie waren also Staatenlose. Dieser Mann ist mittlerweile 62 Jahre alt; er hat 40 Jahre lang als Staatenloser eine Fir­ma geführt. Jetzt ist er in eine Notsituation gekommen und hat die Härte des österrei­chischen Staates kennengelernt: Er hat nämlich null Anspruch, er hat Anspruch auf nichts. Und das kann es auch nicht sein!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 211

In solchen Fällen können die Menschen meiner Meinung nach wirklich nichts für ihre Situation. So ist zum Beispiel dieser Mann ja nicht selbst als Staatenloser hierherge­kommen, sondern er wurde hier als Staatenloser geboren. Und meiner Ansicht nach hat auch in einem solchen Fall klarerweise Gnade zu walten. (Beifall beim Team Stro­nach.)

Ich habe noch ein kleines Beispiel, nämlich einen Antrag der Freiheitlichen betreffend die Südtiroler: Die Südtiroler – das ist für mich auch nachvollziehbar – haben die Staats­bürgerschaft nicht freiwillig aufgegeben. Auch in diesem Fall müsste man darüber nach­denken, dass diese Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn sie diese wünschen, wieder zurückbekommen. Das ist eine vernünftige Sache, das können wir auch unterstützen. Das sollte man vielleicht auch angehen, Frau Minister!

Es gibt also viel zu tun. Es kann dies nur ein erster Schritt sein, allerdings ein Schritt in die richtige Richtung, und deswegen bekommen Sie unsere Unterstützung. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Staatssekretär Kurz. – Bitte.

 


20.17.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Sebastian Kurz: Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben heute einen Modernisierungsschritt auf der Agenda, nämlich die Weiterentwicklung des Staatsbürgerschaftsgesetzes. – Ich darf, da Sie hier so zen­tral sitzen, mit ein paar Worten an Sie, Herr Abgeordneter Vilimsky, und an Sie, Frau Abgeordnete Korun, beginnen.

Herr Abgeordneter Vilimsky, Sie haben vorhin gesagt, dass die österreichische Staats­bürgerschaft ein hohes Gut ist. – Diesbezüglich stimme ich zu 100 Prozent mit Ihnen überein! Außerdem haben Sie gesagt, dass es früher oftmals leichtfertige Vergaben der Staatsbürgerschaft gegeben hat, die dazu geführt haben, dass wir heute Leute in Österreich haben, die österreichische Staatsbürger sind, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. – Auch in diesem Punkt bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen. Sie haben recht: Es war nicht gut, dass das so gewesen ist.

Ich kann Sie aber gleichzeitig beruhigen: Wir schaffen mit dem neuen Gesetz keinen leichtfertigen Ausverkauf der österreichischen Staatsbürgerschaft, sondern ganz im Gegenteil: Die österreichische Staatsbürgerschaft unterliegt nach wie vor ganz klaren Kriterien, und im internationalen Vergleich ist sie nach wie vor eine grundsätzlich relativ schwer zu erreichende Staatsbürgerschaft, was aus meiner Sicht auch gerechtfertigt ist, weil sie ja ein hohes Gut ist.

Zu Ihnen, Frau Abgeordnete Korun: Sie haben gesagt, dass es bei dem alten Gesetz viel Verbesserungsbedarf gegeben hat. Ich möchte Sie einladen, vielleicht auch die positiven Seiten zu sehen. Wir haben eine Verbesserung für Menschen mit Behinde­rungen geschaffen. Wir habe eine Verbesserung für Putativösterreicher geschaffen. Wir haben eine Gleichstellung von unehelichen Kindern geschaffen. Wir haben einge­führt, dass die Staatsbürgerschaft in einem feierlichen Rahmen vergeben werden muss. Auch das ist, wie ich glaube, ein sinnvoller Schritt, denn es ist wohl nicht gescheit, je­manden dazu einzuladen, dass er Staatsbürger wird, und die Staatsbürgerschaft dann in einem bürokratischen Akt zu vergeben, als wäre das keinen Festaktwert und als wä­re das etwas, wofür man sich genieren muss.

Wir haben aber auch einen Paradigmenwechsel betreffend die allgemeine Vergabe der Staatsbürgerschaft zustande gebracht. Wir sind vom reinen Augenmerk auf die Aufent­haltsdauer abgegangen, und zwar in Richtung Anreizsystem. Und ich bin vollkommen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 212

bei Ihnen, Herr Abgeordneter Westenthaler, dass das keinen Run auf die österreichi­sche Staatsbürgerschaft auslösen wird. Aber es zeigt doch klar, was wir uns von einem Zuwanderer erwarten.

Sie haben gesagt, die Staatsbürgerschaftsverleihung sei kein Motiv für die Integra­tion. – Das mag schon sein! Aber die Staatsbürgerschaftsverleihung gibt uns die Chan­ce, zu zeigen, was wir uns von einem Zuwanderer erwarten. Ein Anreizsystem gibt uns die Chance, zu zeigen, dass es nicht nur darauf ankommt, dass jemand seinen Auf­enthalt in Österreich absitzt, sondern dass er gewisse Kriterien erfüllen muss, damit er Staatsbürger werden kann.

Deshalb halte ich es für sinnvoll, dass wir ein dreistufiges System haben: nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft für alle, die sehr, sehr gut integriert sind; nach zehn Jah­ren die Staatsbürgerschaft für all jene, die die Kriterien erfüllen; und die Staatsbürger­schaft soll niemand bekommen, der die Sprache nicht kann oder nicht selbster­haltungsfähig ist oder den Staatsbürgerschaftstest nicht besteht. (Zwischenruf des Abg. Strache.)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Sie haben auch davon gesprochen, dass es doch sinnvoll wäre, eine Staatsbürgerschaft auf Probe einzuführen. (Abg. Strache: Ge­schenkartikel Staatsbürgerschaft !) Ich glaube, die sechs Jahre Wartezeit auf die Staatsbürgerschaft beziehungsweise die zehn Jahre Wartezeit auf die Staatsbürger­schaft bei der normalen Frist, das ist ja so etwas wie eine Bewährungsphase, das ist ja so etwas wie eine Probezeit, wo sich jemand in Österreich bewährt, um dann auch Staatsbürger werden zu können, wenn er alle Kriterien erfüllt.

Ich bin froh, dass wir heute dieses Gesetz beschließen können, darf mich bei allen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern des BMI für ihre Arbeit bedanken, darf mich beim Koali­tionspartner für die Verhandlungen und für die Verbesserungsvorschläge bedanken, die da gekommen sind und die wir einarbeiten durften. Ich darf mich auch beim Team Stronach für die Zustimmung bedanken. Ich freue mich, wenn wir die Staatsbürger­schaft heute weiterentwickeln können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.21.00

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Ganz anders muss man meines Erachtens diese ganze Thematik angehen. Ich muss mir erst einmal anschau­en, welche Einstellung wir zum Staat haben, was uns der Staat als Organisationsform bedeutet – damit es den Menschen gut geht, damit es Wohlstand gibt, Sicherheit gibt, sozialen Frieden gibt. Und wenn ich einmal davon ausgehe, dass der Staat wichtig ist und ich daher seine Souveränität auch möglichst bewahren will – ein hier häufig disku­tiertes Thema –, dann leitet sich davon ab, was ein Staatsbürger sein soll und was eine Staatsbürgerschaft bedeutet.

In einem gebe ich Ihnen schon recht, natürlich, und genau das ist der springende Punkt: Diese Staatsbürgerschaft ist ein sehr zentraler, wichtiger Punkt im Zusammen­leben innerhalb des Staates und daher ein sehr hoher und wesentlicher Wert. Daher ist es entscheidend, wie ich damit umgehe. Jeder Hinweis, jede Botschaft, die ich der Öf­fentlichkeit vermittle, indem ich sage: Staatsbürgerschaft ist ein Geschenkartikel, den bekommst du möglichst bald, wir wollen ihn dir geben!, ist der Weg in die falsche Rich­tung. (Beifall bei der FPÖ.)

Entscheidend ist es – und das ist für das Zusammenleben in einer Gesellschaft nun einmal unerlässlich –, dass Menschen hier zusammenfinden, die sich zu denselben


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 213

oder ähnlichen Werten bekennen, die Sitten und Gebräuche übernehmen und die sich mit dem Gemeinwesen, mit dem Staat identifizieren. Das ist nun einmal der entschei­dende Punkt, und daher ist es wichtig, dass die Integration, wenn Menschen zuwan­dern, funktioniert.

Was ist aber in den letzten Jahren passiert, und was ist Realität? Wir können das noch so lange wegdiskutieren: Es hat überhaupt nicht funktioniert. Ich kenne genug Men­schen, die österreichische Staatsbürger sind und nicht schreiben können, nicht lesen können und kein Wort Deutsch sprechen – das ist Realität. Sie sagen vielleicht, das ist schon Jahre her. – Das ist nicht wahr. Es ist so, dass es bei Staatsbürgerschaftsverga­ben – und das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – einen sehr großen Ermessensspielraum gibt.

Ich kenne genug Fälle – als ich noch im Wiener Landtag war, gab es sogar einen pro­minenten Fall –, in denen dezent Druck ausgeübt wurde, Geld gezahlt wurde und Ge­schenke gemacht wurden – und plötzlich hat man dann keinen Deutschkurs gebraucht; dann wurde gesagt: Pass auf, antworte da so und so!

Also es gibt da einen sehr weiten Ermessensspielraum, und das ist genau das Heikle. Und genau diesen Bereich machen wir auf und verringern die Zeit in Wirklichkeit auf nur sechs Jahre, denn: Was bedeutet es denn, Mitglied in einer karitativen Organisa­tion zu sein?

Es gibt ja diese Industrie – das kennen wir ja –, die funktioniert. Innerhalb der NGOs wird es sofort Vereine geben, die Folgendes anbieten: Pass auf, du bist jetzt bei uns dabei! Wir machen das mit Förderungen; du bekommst gerade so viel, wie ein ge­ringfügig Beschäftigter bezahlt wird, nach drei Jahren hast du diese Bestätigung, und schon bist du dabei!

Wir öffnen da Tore, was einerseits all jenen, die sehr findig sind – und es gibt eben ei­ne Industrie –, Möglichkeiten gibt, das auszunutzen; andererseits gibt es den Ermes­sensspielraum, sodass man Deutschkurse und Ähnliches in Wirklichkeit – wir wissen das ja – auch anders interpretieren kann. Und genau das ist der springende Punkt: Man verschlechtert daher sehr wohl den Wert der Staatsbürgerschaft.

Die Staatsbürgerschaft ist insofern ein Wert, als sie ein Achtmillionstel des Vermögens dieses Staates ist, das ich herschenke. Das ist nun einmal so. Das wissen auch die Menschen, die zu uns kommen. Es ist für sie eben auch attraktiv – oder soll es zu­mindest sein –, und es ist nur dann attraktiv, wenn es auch eine entsprechende Hürde gibt. Wenn man sagt, wir sind eigentlich unglaublich froh, dass überhaupt jemand un­sere Staatsbürgerschaft annimmt, weil zu uns ja niemand will, dann kommt auch nie­mand. Das ist auch genau das, was wir vermitteln.

Wir haben die Einwanderung ins Sozialsystem, da haben wir heute auch wieder Bei­spiele gehört; wenn jemand nach Österreich einwandert und hier nicht die Möglichkeit hat, etwas zu verdienen. Das ist eben genau der Punkt: Das ist genau das, was nicht sein soll. Uns wird immer wieder erklärt: Wir wollen die Leistungsträger. – Ja, aber in Wirklichkeit haben wir eine Einwanderung ins Sozialsystem, und das wird wieder pro­longiert, das wird fortgeführt, und das geht immer so weiter. (Zwischenruf der Abg. Kö­nigsberger-Ludwig.) – Ja, das hat auch mit der Staatsbürgerschaft zu tun, denn der nächste Schritt ist dann immer die Staatsbürgerschaft. (Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Wir haben die Rot-Weiß-Rot-Karte eingeführt. Wer ist da gekommen? – Überhaupt nie­mand! Das funktioniert einfach nicht, weil der österreichische Staat nicht dem Leis­tungsträger etwas anbietet, sondern dem, der ins Sozialsystem einwandert, für den ist das attraktiv. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Manager, die hierherkommen, leiden nicht darunter, dass sie österreichische Staats­bürger werden wollen, sondern sie fragen: Wieso kann ich hier keinen Grund erwer-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 214

ben? – Weil man in Tirol oder sonst wo eine ausländergrundverkehrsbehördliche Ge­nehmigung braucht, daher kann er keinen Grund erwerben. – Das sind die wirklichen Probleme. Der möchte sich halt hier vielleicht etwas kaufen und will gar nicht Staats­bürger werden, er geht dann aber unter Umständen weg, wieder zurück. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Lueger.) Die Leistungsträger werden in Wirklichkeit abgeschreckt, das heißt, das ist ein Weg in die völlig falsche Richtung. Die Integration ist völlig dane­bengelaufen.

Ein typisches Beispiel sind jetzt natürlich die Erdoğan-Demonstrationen. Ein scheinbar viel harmloseres Beispiel ist Folgendes: Wer sich im Stadion das Spiel Österreich ge­gen Türkei angeschaut hat – also es war für mich schon sehr bezeichnend (Zwi­schenruf des Abg. Strache), wie viele österreichische Staatsbürger dort völlig begeis­tert mit den türkischen Fahnen herumlaufen. Ihnen ist völlig klar, wer für sie wichtiger ist, was für sie wichtiger ist. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) Die sind aber angeblich alle hier angekommen, angeblich alle unter den schwierigen Bedin­gungen der österreichischen Staatsbürgerschaft. (Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Wir holen uns in Wirklichkeit die Schwierigkeiten der halben Welt herein. Wir holen uns die Diskussionen und die Probleme etwa der Türkei oder des Nahen Ostens oder einer anderen Region in den Staat herein (Zwischenruf der Abg. Dr. Oberhauser), geben diesen Leuten die Staatsbürgerschaft und machen es damit unumkehrbar.

Der wesentliche Punkt ist: zuerst Integration! Daher ist eine lange Dauer sehr wohl wichtig, daher ist es durchaus richtig, zu sagen: 15 Jahre. – Warum nicht? Der, der das wirklich will, hat ohnehin vorher alle Möglichkeiten (Zwischenruf bei den Grünen); der ist dann hier voll integriert, für den gibt es dann nicht mehr den Rückzug in seine alte Heimat – insofern, als er dort mehr zu Hause ist als hier. Daher ist es ganz richtig, möglichst hohe Kriterien anzusetzen, damit eines klar ist: Es ist ein hoher Wert, die ös­terreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen (Abg. Strache: Identifikation!); als Ende der Integration und nicht am Anfang. – Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Es ist ein frommer Wunsch, dass alles so läuft, wie es jetzt hier geschildert wurde; ich muss gestehen, ich glaube es auch nicht. Die Botschaft, die nach außen geht, wenn man die Medien betrachtet, ist: Das ist nun einmal eine typische Sache, die man kurz vor der Wahl macht; man will da moderner sein, weltoffener sein, und so weiter. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Lueger.) In Wirklichkeit geht man verantwortungslos mit der österreichischen Staatsbürgerschaft um, macht sie zum Geschenkartikel – und das ist aus unserer Sicht sehr abzulehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.28.58

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Debatten über politische Identitäten sind immer schwierig, und ich glaube, gerade für die Zuwanderergeneration ist das keine einfache Debatte. Ich glaube schon, dass man sich von der Identität her durchaus der türkischen Kultur zugehörig fühlen, sich aber trotzdem zur Republik und zum Staat Österreich und auch zu den Werten bekennen kann. Das sehe ich nicht grundsätzlich als Widerspruch. (Abg. Strache: Siehe Erdo­ğan-Befürworter!) Es gibt auch bei der FPÖ Politiker, die sich zum Deutschtum beken­nen und trotzdem österreichische Staatsbürger sind – an eine Aberkennung der Staats­bürgerschaft ist jedenfalls nicht gedacht. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Meine Damen und Herren! Ich wollte aber eigentlich über einen anderen Aspekt spre­chen, den Kollegin Lueger in einem Nebensatz angesprochen hat und der im Zusam­menhang mit jenen Anträgen steht, die ich gestellt habe.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 215

Kollegin Lueger hat gesagt, dieses Gesetz rehabilitiere auch jene NS-Vertriebene, die die Staatsbürgerschaft verloren haben, und deren Nachkommen. – Das ist eine etwas kühne Behauptung. (In Richtung Abg. Lueger, die eine entsprechende Geste macht:) Sie deuten schon so, das kommt der Wahrheit schon näher, genau: In einem kleinen, schmalen Segment, das das Gesetz zufälligerweise oder bewusst abdeckt – darüber will ich nicht spekulieren –, ist es gegeben.

Also wenn man Nachkomme eines NS-Opfers ist und zufälligerweise nach 1964 gebo­ren wurde, nicht davor, und wenn die Mutter zu diesem Zeitpunkt hoffentlich Österrei­cherin war, dann bekommt man die Staatsbürgerschaft (Zwischenrufe der Abgeordne­ten Petzner und Grosz in Richtung des Abg. Dr. Matznetter); wenn man davor gebo­ren worden ist oder wenn die Mutter die Staatsbürgerschaft nicht hatte, dann bekommt man sie nicht. – Also Lösung ist das keine! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter. – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Es war auch ein Wunsch der Kultusgemeinde, dass es da eine Lösung gibt, und ich finde es schade, Frau Innenministerin, dass Sie für diese Lösung nicht offener waren; ich habe das im Ausschuss schon gesagt. (Abg. Grosz: Kannst dich wieder hinlegen!) Ich kenne Sie ja bei diesem Thema als sehr unverdächtig und in Ihrer Position klar, und umso mehr verwundert mich das. Ich habe das auch im Ausschuss schon mit Ih­nen diskutiert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Das Hauptproblem der NS-Vertriebenen ist Folgendes: 1938 haben sie ihre Staatsbür­gerschaft verloren, und zwar unfreiwillig, weil die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, oder sie sind geflüchtet und haben zum eigenen Schutz in einem fremden Land, für sie fremden Land, die Staatsbürgerschaft angenommen.

Im Jahre 1945 hat man diese NS-Gesetze, die die Staatsbürgerschaft aberkannt ha­ben, aufgehoben. Das Problem war aber: Da die betroffenen NS-Opfer eine neue Staats­bürgerschaft angenommen haben, haben sie den Verlusttatbestand Annahme einer neu­en Staatsbürgerschaft gesetzt und – obwohl das Gesetz zurückgenommen worden war – die Staatsbürgerschaft gleich wieder verloren.

Es hat dann – das habe ich auch im Ausschuss gesagt – durchaus einige Verbesse­rungen gegeben und 1993 einen erleichterten Erwerb. Trotzdem hat aber die Histori­kerkommission der Republik Österreich, die eingesetzt wurde, den Sachverhalt klar be­urteilt und gesagt, dass der derzeitige Gesetzesstand dem historischen Sachverhalt nicht angemessen ist.

Meiner Meinung nach hätte man den letzten Schritt gehen und in zwei Punkten nach­bessern sollen, nämlich erstens, für die Betroffenen die Regeln so gestalten, dass sie mit einer erleichterten Annahme der Staatsbürgerschaft die neu angenommene Staats­bürgerschaft nicht verlieren – also jene des neuen Landes –, weil das für sie natürlich sozialversicherungsrechtliche und sonstige Nachteile hat; das ist derzeit nicht möglich. Und das zweite Angebot, das man hätte schaffen können, wäre ein Angebot für die Nachkommen zum erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft. Warum? – Die Staats­bürgerschaft folgt der Staatsbürgerschaft der Eltern. Wenn den Eltern zu Unrecht auf­grund des NS-Verbrechens die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, können sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht annehmen. Auch dieses Angebot hat man nicht gemacht.

Ich bedauere das und sage noch einmal: Ich verstehe nicht, warum Sie da nicht einen Schritt gesetzt haben. Das Argument, diese Nachkommen haben mit Österreich nichts mehr zu tun, ist falsch. Ihre Eltern waren ja Österreicherinnen und Österreicher, und sie haben es sich nicht ausgesucht, dass sie vertrieben worden sind. Ich glaube auch nicht, dass Massen zuwandern würden. Die meisten – das stimmt schon – haben in Nordamerika, in Südamerika, in Asien eine neue, nicht nur berufliche Heimat gefunden;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 216

aber das Angebot hätte man aus der historischen Situation machen müssen. Scha­de! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Neubauer. 7 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Petzner: Ich bin dafür, dass der Matznetter noch was redet ! – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

 


20.33.28

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte, liebe Südtiro­ler, die vor den Fernsehschirmen dieser heutigen Debatte folgen! Es könnte heute ein historischer Tag werden, ein historischer Tag, wenn nämlich die Delegierten dieses Hohen Hauses heute dem Tagesordnungspunkt 22 ihre Zustimmung geben, der der Forderung vieler Südtiroler nach der Zuerkennung einer österreichischen Staatsbürger­schaft entspricht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf mir erlauben, kurz die Historie dieser Forderung in den Blick zu nehmen: Im Jahre 2006 hat die Südtiroler Volkspartei in Rom anlässlich einer Sitzung im Senat Überlegungen angestellt, wie man denn die Autonomie in Südtirol besser schützen könnte. Sie hat deshalb beschlossen, die Forderung nach einer doppelten Staatsbür­gerschaft zu erheben, die sie aber leider nach den Wahlen in Südtirol wieder fallen ge­lassen hat.

Die Freiheitliche Partei hat mit Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und mir als Südtirol-Sprecher diese Forderung gerne aufgenommen. Wir haben sie bis heute verfolgt und – wie ich meine – auch zu einem Ergebnis gebracht, das sich durchaus sehen lassen kann, weil die Ergebnisse mittlerweile auf dem Tisch liegen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie stellt sich jetzt die Situation in Südtirol zu dieser Frage dar? Ich darf sie Ihnen zu Gehör bringen: Alle deutschsprachigen Parteien haben sich ganz eindeutig für die dop­pelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Der Südtiroler Landtag hat einen Antrag ver­abschiedet, die doppelte Staatsbürgerschaft zu begrüßen. Der Gesamttiroler Schützen­bund hat sich vollinhaltlich hinter die doppelte Staatsbürgerschaft gestellt. Der Südti­roler Heimatbund, der Andreas-Hofer-Bund hat sich ebenfalls für die doppelte Staats­bürgerschaft ausgesprochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Endpunkt dieser Reihe bildete wohl die Übergabe von 22 000 Unterschriften an das österreichische Parlament mit der Bitte, das österreichische Parlament möge den Südtirolern diese doppelte Staatsbürger­schaft zuerkennen.

Die Grundlage unseres Antrages bildet ein hervorragend ausgebautes rechtliches Fun­dament von drei Innsbrucker Anwälten, die als Grundlage das österreichische Staats­bürgerschaftsgesetz und die Situation, dass die Südtiroler nach 1918 unfreiwillig Italien zugeschlagen worden sind, hergenommen haben. Mit diesem Entschluss heute könnte dieses Unrecht wieder halbwegs entkräftet werden.

Eine Umfrage durch das Karmasin-Institut hat – diese Woche veröffentlicht – festge­stellt, dass 54 Prozent die Rückkehr der Südtiroler nach Österreich wollen; 22 Prozent wollen los von Rom, befürworten das sogenannte Freistaatmodell, und 22 Prozent ha­ben keine Angaben gemacht. Das heißt, eine großartige Mehrheit von 76 Prozent hat in den letzten Jahren eine Änderung herbeigeführt, was das Ansinnen zum Vaterland Österreich betrifft.

Wir haben mit dem Staatsbürgerschaftsgesetz das Abstammungsprinzip vorrangig ge­geben, und das Gutachten, das der Südtirol-Unterausschuss von Universitätsprofessor


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Dr. Obwexer eingefordert hat, sieht klare Richtlinien, die für die Südtiroler zutreffend sind. Ja, alle Forderungen, die vom Ausschuss an dieses Gutachten gestellt wurden, konnten erfüllt, ja sogar übertroffen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da Italien selbst das Prinzip der doppelten Staatsbürgerschaft in der Verfassung verankert hat, ist auch die Beibehaltung der ita­lienischen Staatsbürgerschaft bei Zuerkennung der österreichischen Staatsbürger­schaft kein Problem, wäre also möglich. Die doppelte Staatsbürgerschaft – das sagt auch Landeshauptmann Durnwalder in Südtirol – wäre zur Absicherung der eigenen Autonomie auch für Südtirol ein doppeltes Signal.

Wenn in der EU von 28 Mitgliedstaaten bereits 25 das Prinzip der doppelten Staats­bürgerschaft haben, dann sollte es auch für Österreich kein Problem darstellen, un­seren Landsleuten in Südtirol diese doppelte Staatsbürgerschaft zuzuerkennen. (Beifall bei der FPÖ.)

Als im letzten Jahr eine Südtirol-Delegation hier im Parlament zu Gast war, haben sich alle Delegationsteilnehmer für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Auch die grünen Delegierten namens Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba haben hier vor uns gesagt, dass sie damit überhaupt kein Problem haben, weil es auch Grundsatz der italienischen Verfassung ist.

Diese Delegation wurde dann bei Staatssekretär Lopatka vorstellig, und dort wurde auch die Frage gestellt, ob es bei einer solchen Vorgehensweise Österreichs eventuell zu diplomatischen Auseinandersetzungen, Unstimmigkeiten kommen könnte. Staatsse­kretär Lopatka hat versichert, dass das Freundschaftsverhältnis zu Italien so gefestigt sei, dass es dazu nicht kommen würde, auch dahin gehend also keine Probleme zu er­warten seien.

Wenn also in diesem Fall die historisch gewachsene österreichische Minderheit dieses Ansinnen an uns richtet, dann sollten wir – wenn wir schon alle rechtlichen Fragen ge­klärt haben, und das ist der Fall – diesem Ansinnen auch tatsächlich nachkommen. Das Parlament könnte die Verleihung mit einfacher Mehrheit heute hier schon be­schließen.

Die Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat heute somit die Wahl, den Südtirolern diese doppelte Staatsbürgerschaft zukommen zu lassen.

Die Südtiroler Volkspartei als Schwesterpartei der Österreichischen Volkspartei hat letzte Woche in einem einstimmigen Vorstandsbeschluss die doppelte Staatsbürger­schaft als Hauptprinzip für die Wahlen im Oktober 2013 festgelegt, meine sehr geehr­ten Damen und Herren. Das passiert erstmalig in der Geschichte der Südtiroler Volks­partei, dass so eine Forderung im Wahlprogramm an erster Stelle steht. Das haben wir zu respektieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir können uns nicht mehr aus der Verantwortung stehlen und sagen, der Ruf aus Südtirol muss kommen, sonst könnte Österreich nicht reagieren. – Der Ruf ist da!

Und wenn man nach Südtirol eingeladen wurde, hat man in vielen Sonntagsreden ge­hört, wie den Menschen dort in Sonntagsreden immer wieder entsprechende Verspre­chungen gemacht wurden – und da sind viele dabei gewesen –: Man will sich in Ös­terreich hier im Parlament für die doppelte Staatsbürgerschaft einsetzen, hat man ge­hört. Man will sich für die Verankerung der Schutzmachtfunktion einsetzen, hat man gehört. Man will sich für die Begnadigung aller Südtirol-Aktivisten einsetzen, hat man gehört. Und man hat auch gehört, dass man sich für die Entfernung beziehungsweise Umgestaltung der faschistischen Relikte in Südtirol einsetzen will. – Bis heute ist nichts von den Versprechungen übrig geblieben (Beifall bei der FPÖ), bis heute hat man nichts davon eingehalten, meine sehr geehrten Damen und Herren!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 218

Und ich sage Ihnen ganz im Sinne Andreas Hofers, meine Damen und Herren, gerade von der Österreichischen Volkspartei: Mander, s’isch Zeit! – Wir müssen endlich han­deln, diese Versprechen sind endlich auch einzulösen!

Ich darf Ihnen eines sagen: Die Freiheitliche Partei steht für die Landeseinheit Tirols von Kufstein bis Salurn. Es lebe Südtirol, es lebe Tirol! (Beifall bei der FPÖ.)

20.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Dr. Walser zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.42.15

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Kollege Neubauer, wenn man Sie ernst nehmen würde – was die meisten in diesem Hohen Haus zum Glück nicht ma­chen –, dann würde das bedeuten, dass wir für die Balkanisierung Österreichs eintre­ten. Sie wollen Zustände, wie sie in Ex-Jugoslawien geherrscht haben. (Abg. Neubau­er: Es sind Ihre Grünen, die das fordern!) Sie sehnen sich offensichtlich zurück nach Zeiten, in denen die Bumser in Tirol den Ton angegeben haben – das ist völlig jensei­tig.

Aber in einem gebe ich Ihnen recht, da kann ich durchaus mit Ihnen mit, nämlich bei der Doppelstaatsbürgerschaft: Natürlich, die wird von uns begrüßt! Wir wollen sie aller­dings nicht nur – wie Sie – eingeschränkt auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, sondern wir wollen Sie für Menschen, die zwischen den Kulturen leben. (Abg. Neubau­er: Sie haben aber noch nie einen Antrag eingebracht!) Das wäre ein Zeichen dieses Hohen Hauses nach außen, wenn wir sagen: Ja, wir wollen das! Wir verstehen, dass Menschen in einem kulturellen Zwiespalt sind, dass sie aus einer Kultur kommen, in eine andere geraten, dass sie sich für beide Kulturen interessieren. – Natürlich, das ist ein fortschrittlicher Ansatz. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neubauer: Sie haben noch nie einen Antrag eingebracht!)

Wir sind für die Doppelstaatsbürgerschaft der Südtirolerinnen und Südtiroler, aber wir sind auch für die Doppelstaatsbürgerschaften für andere Migrantinnen und Migranten, die zu uns gekommen sind und sehr wohl gute Österreicher sein können und gleich­zeitig mit ihrem Heimatland verbunden bleiben, auch durch die Staatsbürgerschaft. Das ist durchaus etwas, was wir begrüßen würden.

Übrigens hat mich die Rede des Herrn Kollegen Stefan, der ja bemängelt hat, dass tür­kischstämmige Österreicher beim Länderspiel Österreich gegen die Türkei ihr Herz eventuell auch bei der türkischen Nationalmannschaft hatten, an etwas erinnert: Herr Kollege Stefan, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube, es ist etwa zehn oder elf Jahre her, da ist ein Abgeordneter in den Wiener Landtag hineingestürmt und hat gerufen: Wir haben gewonnen! Wir haben gewonnen! Die Deutschnationalen haben gewonnen! – Können Sie sich noch daran erinnern? Ich glaube, der Name war Harald Stefan.

Ich weiß nicht, Herr Kollege Stefan, wie das mit Ihrem nationalen Bewusstsein ist, aber: Wir haben gewonnen, die Deutschnationalen haben gewonnen? – Das ist ein wörtliches Zitat von Ihnen! Steckt da bei Länderspielen auch bei Ihnen mehr als nur ein Herz in Ihrer Brust? Gibt es da auch mehrere, Herr Stefan? (Abg. Neubauer: Kollege Stefan kann sich zu der Kultur bekennen!) – Ja, Herr Kollege Neubauer, regen Sie sich doch nicht auf!

Sie haben zum Beispiel kein Problem damit, dass man in Südtirol für Südtiroler Aus­wanderer nach Brasilien, nach Dreizehnlinden, sammelt. Die sprechen Deutsch, die machen dort Umzüge mit Tiroler Fahnen. – Ich würde mir anschauen, was Sie da sa-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 219

gen würden: türkische Staatsbürger in Österreich, die mit türkischen Fahnen Türkisch sprechend hier sind. (Abg. Neubauer: Gibt es ja!) – Ja, da regen Sie sich auf! Da re­gen Sie sich auf, aber mit den Auswanderern aus Tirol nach Brasilien, die nach einem halben Jahrhundert immer noch Tiroler Deutsch reden, haben Sie kein Problem. (Abg. Neubauer: Keine Ahnung!)

Hören Sie auf! Scheinheilig, falsch, von hinten bis vorne verlogen – Ihre Politik ist eine Politik der Ausgrenzung. Damit haben wir nichts zu tun. Sie machen sich ja in Wirklich­keit lächerlich. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Staatssekretär, eigentlich wollte ich ja ein bisschen über Ihren Vorschlag reden, dass wir in Österreich Tests durchführen, und ich wollte ein bisschen über den von Ih­nen mitzuverantwortenden Staatsbürgerschaftstest reden. (Abg. Neubauer: Unsere ar­men Kinder!)

Sie sind – verständlicherweise nicht Sie persönlich – seit insgesamt sieben Jahren nicht in der Lage, einen Test herauszubringen, der frei von Fehlern ist. (Zwischenbe­merkung von Staatssekretär Kurz.) Peinlich bis zum Letzten! (Beifall bei den Grünen.) Sie sind bis heute nicht dazu in der Lage, und Sie sind bis heute den Nachweis schuldig geblieben, beweisen zu können, dass solch ein Test überhaupt in irgendeiner Weise sinnvoll ist.

Dort, wo es solche Tests gibt, kommt man davon ab, weil man sagt: Wir prüfen ja nicht das, was wir wollen – die staatsbürgerliche Gesinnung wollen wir alle nicht geprüft ha­ben –, wir prüfen in Wirklichkeit die Sprache. Es ist ein zweiter Sprachtest, auf einem meist höheren Niveau. (Staatssekretär Kurz: Und die USA und Kanada?) – Lassen Sie diesen Unfug!

Ja, gerade die USA! Herr Staatssekretär, bringen Sie mir bitte eine Untersuchung aus den USA, die das belegt! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Kurz.) – Gerne, gerne! Wenn Sie sich auf diese Diskussion einlassen, dann schauen Sie aber schlecht aus! Genauso Australien: Die kommen alle weg davon – und wir wollen darauf beharren.

Meine Damen und Herren, es ist unverständlich! Wir wollen keine willkürlichen Hürden. Bauen Sie sie ab, statt sie aufzubauen! Und führen wir auch nicht eine Prüfung ein, die schlussendlich Staatsbürgerschaften nach dem Einkommen oder nach irgendwelchen finanziellen Umständen vergibt. Das ist unseres Staates unwürdig.

Machen wir eine offenere Politik, als es derzeit der Fall ist, und versuchen Sie ein biss­chen, auf unsere Argumente einzugehen! Wir alle würden gut damit fahren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.47

20.47.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2303 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 220

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2540 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2541 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2542 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2543 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2544 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2545 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2546 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

20.51.2123. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvor­lage (2211 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrens­gesetz 1991, das Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz, das EU-Polizeikooperationsgesetz, das Kriegsmaterialgesetz, das Luftfahrtsicherheitsgesetz 2011, das Meldegesetz 1991, das Namensänderungs­gesetz, das Passgesetz 1992, das Personenstandsgesetz 2013, das Polizeibefug­nis-Entschädigungsgesetz, das Polizeikooperationsgesetz, das Pyrotechnikge-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 221

setz 2010, das Sicherheitspolizeigesetz, das Sprengmittelgesetz 2010, das Staats­grenzgesetz, das Strafregistergesetz 1968, das Vereinsgesetz 2002, das Ver­sammlungsgesetz 1953, das Waffengesetz 1996, das Wappengesetz und das Zi­vildienstgesetz 1986 geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungs­gesetz-Inneres – VwGAnpG-Inneres) (2547 d.B.)

24. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Ent­wurf eines Bundesgesetzes, mit dem das FNG-Anpassungsgesetz, das Fremden­behördenneustrukturierungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylge­setz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden (2548 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 und 24 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Korun. Ich mache darauf aufmerk­sam, dass bislang nur wenige Redner bis zur Abstimmung gemeldet sind, und erteile Frau Kollegin Mag. Korun das Wort. – Bitte.

 


20.52.19

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Es handelt sich bei dieser Vorlage um eine Anpassungsnovelle zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wenn eine bestimmte Bestimmung nicht drinnen wäre, wäre das eine Formsache – diese eine Be­stimmung hat es aber in sich.

Wir haben das auch im Innenausschuss besprochen, und es hat, würde ich sagen, ein ziemliches Chaos gegeben, als ich die inhaltliche Frage gestellt habe, wozu diese Be­stimmung gut sein soll, weil wir der Meinung sind, dass das eine Bestimmung ist, die verfassungsrechtlich nicht halten wird.

Noch einmal zur Erinnerung: Wie auch im Innenausschuss besprochen, hat es vor Kur­zem – vor zirka zwei Jahren, glaube ich – ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gegeben, das eine Bestimmung des Fremdenpolizeigesetzes als verfassungswidrig aufgehoben hat, nämlich die automatische Koppelung der Ausweisung mit einem 18-monatigen Einreiseverbot. – Der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, das ist unsach­lich, das ist zu pauschal und das kann nicht halten.

Aufgrund dessen musste diese Bestimmung abgeschafft und aus dem Fremdenpolizei­gesetz gestrichen werden. – Hier handelt es sich nun um Reste derselben Bestimmung im Asylgesetz, und es ist nicht nachvollziehbar, warum etwas, was sachlich nicht ge­rechtfertigt ist, überschießend ist, zu pauschal ist, für restliche Ausländer verfassungs­widrig sein soll, für Asylwerber und Asylwerberinnen aber in Ordnung sein soll. Des­halb verstehen wir nicht – auch wenn von der ÖVP ständig argumentiert wurde, das sei eine Übergangsbestimmung –, welche Übergangsbestimmung das sein soll, die unse­rer Meinung nach und höchstwahrscheinlich auch nach Meinung des Verfassungsge­richtshofs schlicht verfassungswidrig ist.

Diese Bestimmung wird wieder nicht halten, und SPÖ und ÖVP werden sich noch ein­mal blamieren mit dem Pfusch, den sie bei den Ausländergesetzen machen. Deshalb warnen wir Sie heute noch einmal und ein letztes Mal, bevor Sie diesen Gesetzes­pfusch hier beschließen. Bei der nächsten Aufhebung durch den Verfassungsgerichts­hof können Sie nämlich argumentieren, warum Sie sehenden Auges in diese rechts­politische Katastrophe hineingegangen sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 222

Wir werden dieser Vorlage aus den genannten Gründen auf jeden Fall nicht zustim­men, und ich werde mir die Freiheit herausnehmen, Sie dann, wenn es zu dieser Auf­hebung durch den Verfassungsgerichtshof gekommen ist, daran zu erinnern, dass es Ihnen rechtzeitig gesagt wurde.

In diesem Sinne bitte ich Sie, dieser Vorlage nicht zuzustimmen. – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen.)

20.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Fürntrath-Moretti. 3 Minuten sind eingestellt. – Bitte.

 


20.55.07

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Ich bringe folgenden Antrag ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Artikel 14 (Änderung des SPG) lautet die Z 20 wie folgt:

„20. Dem § 94 wird folgender Abs. 36 angefügt:

„(36) § 14a samt Überschrift, § 38a, § 49c Abs. 4, § 53a Abs. 6, § 58b Abs. 2, § 58c Abs. 2, § 58d Abs. 2, § 60 Abs. 2, § 77 Abs. 2, § 85, die Überschrift zu § 86, § 88 Abs. 1 bis 4, § 89 Abs. 1, 2 und 4, § 90, § 91 Abs. 1, 1a und 2 samt Überschrift, § 91d Abs. 3 sowie die Einträge im Inhaltsverzeichnis zu § 14a, § 86 und § 91 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2013 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft; gleichzei­tig tritt § 89 Abs. 5 außer Kraft.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle schaf­fen wir neue Gerichtsstrukturen. Wie war es bisher? – Bisher gab es rund 100 Sonder­behörden, also einen sehr aufgeblähten Apparat, der nicht nur hohe Kosten verur­sachte, sondern auch die Dauer der Verfahren in die Länge zog.

Mit der Novelle, die wir heute beschließen, gibt es nunmehr neun Landesverwaltungs­gerichte, ein Bundesfinanzgericht und ein Bundesverwaltungsgericht. Wesentlich aus meiner Sicht ist auch, es gibt nur mehr einen Verwaltungsinstanzenzug mit Ausnahme der Gemeinde, und jede erstinstanzliche Entscheidung kann beim zuständigen Verwal­tungsgericht angefochten werden.

Diese Novelle bringt also schlanke Strukturen und eine höhere Effizienz, eine kürzere Verfahrensdauer und damit auch schneller Rechtssicherheit und mittelfristig deutliche Einsparungen im Verwaltungsbereich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 223

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (2547 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Bun­des-Gemeindeaufsichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz, das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Kriegsmaterialgesetz, das Luftfahrtsicherheitsge­setz 2011, das Meldegesetz 1991, das Namensänderungsgesetz, das Passge­setz 1992, das Personenstandsgesetz 2013, das Polizeibefugnis-Entschädigungsge­setz, das Polizeikooperationsgesetz, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Sicherheitspoli­zeigesetz, das Sprengmittelgesetz 2010, das Staatsgrenzgesetz, das Strafregisterge­setz 1968, das Vereinsgesetz 2002, das Versammlungsgesetz 1953, das Waffenge­setz 1996, das Wappengesetz und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (Ver­waltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz-Inneres – VwGAnpG-Inneres) (2211 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (2547 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz, das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz, das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Kriegsmaterialgesetz, das Luftfahrtsicherheitsge­setz 2011, das Meldegesetz 1991, das Namensänderungsgesetz, das Passgesetz 1992, das Personenstandsgesetz 2013, das Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz, das Poli­zeikooperationsgesetz, das Pyrotechnikgesetz 2010, das Sicherheitspolizeigesetz, das Sprengmittelgesetz 2010, das Staatsgrenzgesetz, das Strafregistergesetz 1968, das Vereinsgesetz 2002, das Versammlungsgesetz 1953, das Waffengesetz 1996, das Wappengesetz und das Zivildienstgesetz 1986 geändert werden (Verwaltungsgerichts­barkeits-Anpassungsgesetz-Inneres – VwGAnpG-Inneres) (2211 d.B.) angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

In Artikel 14 (Änderung des SPG) lautet die Z 20 wie folgt:

„20. Dem § 94 wird folgender Abs. 36 angefügt:

„(36) § 14a samt Überschrift, § 38a, § 49c Abs. 4, § 53a Abs. 6, § 58b Abs. 2, § 58c Abs. 2, § 58d Abs. 2, § 60 Abs. 2, § 77 Abs. 2, § 85, die Überschrift zu § 86, § 88 Abs. 1 bis 4, § 89 Abs. 1, 2 und 4, § 90, § 91 Abs. 1, 1a und 2 samt Überschrift, § 91d Abs. 3 sowie die Einträge im Inhaltsverzeichnis zu § 14a, § 86 und § 91 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2013 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft; gleich­zeitig tritt § 89 Abs. 5 außer Kraft.“

Begründung:

Diese Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Westen­thaler. 3 Minuten sind wunschgemäß eingestellt. – Bitte.

 


20.57.31

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! An sich ist ja diesen Anpassungen, die aufgrund der Novelle betreffend die Verwaltungs­gerichtsbarkeit notwendig sind, nichts Negatives hinzuzufügen, ich möchte aber bei diesem Tagesordnungspunkt die Gelegenheit nützen, Frau Ministerin, etwas einzu­mahnen, was Sie leider in Ihrer Zeit versäumt haben – das passt zu diesem Tagesord­nungspunkt –, nämlich dass man diesen Wust an verschiedenen Gesetzesmaterien in der Ausländergesetzgebung zu einem einzigen Gesetz zusammenführt. Sie wissen, dass das eine unserer größten Forderungen und einer der größten Wünsche in der Ge­setzgebung ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 224

Wir haben das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz, das Asylgesetz und was weiß ich noch welche Untergesetze und Einzelgesetze. Ein Beam­ter, der einen Fall zur Abwicklung bekommt, muss zunächst einmal drei Gesetze prü­fen, damit er weiß, welches er anwenden darf.

Wir haben da eigentlich einen Gesetzesdschungel, der auch dafür mitverantwortlich ist, dass die Zuwanderungs- und Ausländergesetzgebung in diesem Land nicht ordentlich funktioniert oder nicht so funktioniert, wie sie funktionieren sollte. Daher ist es ganz dringend notwendig – und das wäre auch ein Wunsch betreffend die nächste Legisla­turperiode, denn dieses Mal wird es sich ja nicht mehr ausgehen –, tatsächlich ein einheitliches Fremdenrecht aus einem Guss zu schaffen, das für Rechtssicherheit und tatsächlich für schnelle Verfahren sorgt, denn die Verfahren dauern nach wie vor zu lange und es ist nach wie vor Rechtsunsicherheit gegeben. (Präsidentin Mag. Pram­mer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir haben nach wie vor ein Problem mit der Gestaltung und in der Umsetzung, in der Realisierung dieser Gesetze. Fragen Sie bei der Fremdenpolizei nach! Dort stöhnt man auch bereits, weil man nach wie vor Probleme hat, was die Umsetzung der Gesetze anlangt.

Ein einheitliches Fremdenrecht aus einem Guss zu machen, das wäre ein Meilenstein gewesen! Das würden wir uns von Ihnen in der nächsten Legislaturperiode, für den Fall, dass Sie dann noch dafür Verantwortung tragen, wünschen, denn das braucht Ös­terreich für eine geordnete und sichere Zuwanderung, aber auch für eine, bei der wir als Österreicher entscheiden, wer zu uns kommt, und nicht jemand anderer. (Beifall beim BZÖ.)

20.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Faze­kas. – Bitte.

 


21.00.05

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ho­hes Haus! Wir haben schon gehört, es geht hier um Anpassungen zahlreicher Gesetze im Kompetenzbereich des Bundesministeriums für Inneres an die neue zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Hervorzuheben ist zum Beispiel der Aspekt, dass es nunmehr bei Aktionen der unmit­telbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt eine Beschwerdemög­lichkeit bei dem zuständigen Verwaltungsgericht gibt. Das ist, glaube ich, auch eine wesentliche Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger, was den Rechtsschutz be­trifft.

Ein kleiner Aspekt ist enthalten, der in der Diskussion nicht zu wenig Bedeutung hat, den ich nicht ganz unerwähnt lassen möchte. Es geht um die Harmonisierung der Si­cherheitsaspekte auf den internationalen Flughäfen, auf den europäischen Flughäfen. Ich bin ganz froh darüber, wenn man überlegt, dass auch auf dem internationalen Flug­hafen in Wien Schwechat 24 Millionen Passagiere abgefertigt werden, fast täglich 70 000 Menschen unterwegs sind und natürlich eine Unzahl an Sicherheitsaufgaben anfällt. Es landen nicht nur hohe Staatsgäste mit ihren Flugzeugen, vielleicht nicht ganz freiwillig, und werden mit unterschiedlichen Facetten sicherheitspolizeilicher Handlungs­weisen konfrontiert, sondern es gibt Aspekte, die die vielen Reisenden be­treffen, und daher ist es notwendig, dass mit dieser Bestimmung auch dafür gesorgt wird, dass ein­heitliche Standards in ganz Europa geschaffen werden und dass mit dem Luftfahrtsi­cherheitsgesetz auch Änderungen eingebaut werden, damit das Sicherheitspersonal des Flughafens und der Fluglinien, das bisher nicht zu kontrollieren war, jetzt wieder zu kon­trollieren ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 225

Das ist notwendig, das sind wir den vielen Menschen, die tagtäglich in der Luft unter­wegs sind, für ihre Sicherheit schuldig. In diesem Sinne danke ich für die Anpassun­gen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Hagen gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.02.49

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ich mache es kurz: Auch wir werden dieser Novelle aufgrund der Ver­waltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 unsere Zustimmung geben. Auch diesen An­passungen und Redaktionsversehen bei Tagesordnungspunkt 24 werden wir unsere Zustimmung geben.

Aber ich darf auch darauf hinweisen – Kollege Westenthaler hat das schon ein biss­chen vorweggenommen –: Das Fremdenrecht ist unglaublich kompliziert, und es haben Ihnen schon viele Experten in Hearings gesagt, dass da wirklich Handlungsbedarf ge­geben ist. Es muss vereinfacht werden, dass es einfacher lesbar und einfacher voll­ziehbar wird. Gerade als Polizeibeamter erlebe ich oft, dass Kollegen auf mich zu­kommen und sagen, dieses Gesetz ist total unbefriedigend, weil es nicht vollziehbar ist.

Wenn ein Gesetz nicht mehr vollziehbar ist, dann besteht akuter Handlungsbedarf, Frau Minister! Ich weiß nicht, wer nach der Wahl den Innenminister stellen oder wie die Regierung zusammengesetzt sein wird, aber das ist mein Wunsch an die zukünftige Regierung, diese Arbeit umgehend aufzunehmen und hier klare Verhältnisse zu schaf­fen. – Danke. (Beifall der Abg. Schenk.)

21.03

21.03.04

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort wird seitens der Berichterstattung keines gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Entwurf betreffend Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz-Inneres in 2547 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen.

Die Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 14 Z 20 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 226

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das FNG-Anpassungsgesetz, das Fremdenbehördenneustrukturie­rungsgesetz, das BFA-Verfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 2548 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung dem Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

21.05.1825. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (2406 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986, das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Freiwilligengesetz und das Familienlasten­ausgleichsgesetz 1967 geändert werden (ZDG-Novelle 2013), sowie über die An­träge

1898/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Absicherung der Gedenk-, Sozial- und Friedensdienste als Zivil­ersatzdienst und

2196/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kol­legen betreffend: Auslandsdienste auf eigene finanzielle Beine stellen und für Frauen und Männer öffnen (2537 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 2195/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen be­treffend notwendige Reformen des Zivildienstes in Österreich (2538 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zu den Punkten 25 und 26 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


21.06.29

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Bei der Volksbefragung im Jänner dieses Jahres haben sich knapp 60 Prozent für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen. 80 Prozent jener, die ihr Kreuzerl bei der Wehrpflicht gemacht haben, sagten bei einer Nachwahlbefragung, das taten sie nur, um den Zivildienst zu erhalten. Das heißt, der Zivildienst hat de facto die Wehrpflicht gerettet.

Das Ergebnis ist zu akzeptieren, die Kritikpunkte am System Zivildienst, am System Wehrdienst dürfen dabei allerdings keinesfalls vergessen werden. Der Zivildienst ist der Wehrersatzdienst. Mehr als 13 000 junge Männer pro Jahr leisten ihren neunmona­tigen Dienst bei rund 1 200 Trägerorganisationen im Gesundheits- und im Sozialbe-


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reich, drei Monate länger als jene 23 000 jungen Männer pro Jahr, die sich für den Dienst an der Waffe entscheiden.

Die sogenannten helfenden Hände – diese Wortwahl haben wir von der Innenministe­rin im Zuge der Debatte zur Volksbefragung immer wieder gehört –, die „helfenden Hände“ bekommen für ihre engagierte und zuverlässige Arbeit im Sozial- und Gesund­heitsbereich rund 300 € im Monat. Wenn ein Zivildiener krank wird, dann ist es noch immer so, dass er tatsächlich die Art der Erkrankung beim Zivildienstträger nennen muss. Das ist datenschutzrechtlich sehr bedenklich, aber der Zivildienst ist halt ein Zwangsdienst, so wie der Wehrdienst auch, und ein Zwangsdienst ist ein Zwangs­dienst. Die Regierung ist noch nicht bereit, so weit ist sie anscheinend noch nicht, dass tatsächlich richtige Schritte hin zu einer Anpassung gegangen werden können.

Was aber bei der Regierung angekommen ist, und das ist auch sehr begrüßenswert, ist, dass Zivildiener das, was sie im Zivildienst lernen, nach dem Zivildienst auch weiter benutzen und verwenden können. Diese Novelle sieht dafür auch endlich die entspre­chenden Maßnahmen vor.

Ausbildungsmodule sollen absolviert werden können. Das heißt, Zivildiener können Teile von Modulen von Heimhelfern absolvieren, von Kindergartenhelfern, von Behin­dertenhelfern. Die Novelle sieht auch vor, dass Zivildiener einen Kompetenznachweis bekommen, einen standardisierten Kompetenznachweis. Das bedeutet, dass es dann auch leichter sein wird, in einschlägigen Ausbildungen nach dem Zivildienst ECTS-Punkte anrechnen zu lassen. Das heißt, alles, was Pädagogik anlangt, kann dann hof­fentlich angerechnet werden, alles für die Medizin-Universität et cetera. Das sollte na­türlich weiter forciert werden, diese beiden Punkte werden schon lange gefordert.

Dazu kommt noch, dass junge Männer, die ein freiwilliges Sozialjahr oder ein freiwilli­ges Umweltschutzjahr, also einen zwölfmonatigen Dienst, absolvieren, diesen dann als Zivildienst anrechnen lassen können. Das ist ein guter Schritt, die Freiwilligentätigkeit und Freiwilligenarbeit anzuerkennen, ein guter Schritt auch für die jungen Männer, die das machen wollen – es sind doch gerade vor allem Frauen, die das freiwillige Sozial­jahr machen –, er lässt hoffen, dass sich mehr Männer dafür entscheiden. – Das ist das eine. Das andere: Wenn Männer ein freiwilliges Sozialjahr oder ein freiwilliges Um­weltschutzjahr machen, dann brauchen sie nicht mehr zusätzlich den Zivildienst zu ma­chen. Das hat alles seine Richtigkeit, wiewohl die Freiwilligendienste wahrscheinlich auch in Zukunft mehr Aufmerksamkeit benötigen.

Aus diesem Grund bin ich auch froh darüber, dass wir gemeinsam mit dem Sozialmi­nisterium eine Evaluierung fixieren konnten, nämlich dass vonseiten des/der Bundes­ministers/Bundesministerin, wer auch immer das sein mag in der nächsten Legislatur­periode, besonderes Augenmerk darauf zu legen ist, welche Verbesserungen für die Freiwilligenarbeit und für die Freiwilligendienstleistenden laut Freiwilligengesetz umzu­setzen sind. Das ist ein guter, wichtiger und richtiger Schritt. Wenn sich Leute zusam­mensetzen und ein bisschen politisieren und ein bisschen politisch reden, kommen sie doch auch hie und da auf einen grünen Zweig, und das freut mich sehr.

Es gibt rund 100 bis 120 junge Männer, die pro Jahr im Rahmen des Zivildienstes ei­nen Auslandsdienst absolvieren. Finanziert wird dieser Auslandsdienst über den Zivil­dienstförderverein, der vom Innenministerium mit rund 740 000 € pro Jahr subventio­niert wird. Diese 740 000 € pro Jahr stehen bis jetzt nur zivildienstpflichtigen Männern zur Verfügung, aber das wird sich ändern. Diese 740 000 € werden dann auch für Frauen zugänglich sein, und das freut mich persönlich sehr.

In diesem Zusammenhang möchte ich ganz herzlich den Obmann des Verein ge­denkdienst begrüßen, der auf der Zuschauergalerie sitzt, Herrn Adalbert Wagner. Wir haben erst vor Kurzem darüber debattiert, wie lange eigentlich diese Forderung


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schon besteht, dass der Gedenkdienst, der Sozialdienst und der Friedensdienst auf ei­genständige Beine gestellt werden, damit auch Frauen finanziert werden können. Ich weiß es nicht mehr, ich glaube, solange ich mich erinnern kann und solange du dich erinnern kannst. Alle Auslandsdienste sollen auf organisatorische Beine gestellt wer­den. – Danke für deine Arbeit auch in diesem Bereich.

Die Gedenkdiener und dann hoffentlich ganz viele Gedenkdienerinnen leisten wertvolle Arbeit, etwa in Gedenkstätten wie Yad Vashem in Israel – ganz wichtig, niemals ver­gessen sein sollen die Gräuel des Nationalsozialismus –, ebenso die Sozialdiener, So­zialdienerinnen in der Altenbetreuung, zum Beispiel in Lateinamerika, in Kinderbetreu­ungsprojekten, in Bildungsbetreuungsprojekten, oder auch die Friedensdiener, Frie­densdienerinnen in einem weltweiten Netzwerk für die Erreichung gewaltfreier Konflikt­lösungsmodelle.

Ich weiß, dass das für die Vereine ein ganz, ganz wichtiger Schritt ist. Ich hoffe, dass die Vereine und die Menschen, die dahinter stehen, auch dranbleiben, dass das Ge­setz umgesetzt wird. Davon bin ich eigentlich überzeugt, aber macht ein bisschen Dampf! In diesem Sinne: vielen Dank für die Arbeit. (Beifall bei den Grünen.)

21.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wögin­ger. – Bitte.

 


21.12.34

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Am 20. Jänner dieses Jahres hat sich die österrei­chische Bevölkerung eindeutig für die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivil­dienstes entschieden – 60 : 40 ist diese Abstimmung ausgegangen –, daher ist es not­wendig, dass wir auf der einen Seite natürlich den Wehrdienst und die Wehrpflicht wei­terentwickeln, aber es gibt auch einige sehr gute und wichtige Adaptierungen im Be­reich des Zivildienstes. Im vorigen Jahr wurden in Österreich 13 869, also beinahe 14 000 junge Männer zum Zivildienst zugewiesen.

Was machen wir mit dieser Zivildienstgesetz-Novelle? – Wir attraktivieren den Zivil­dienst zum einen für die Zivildienstleistenden, zum anderen für die rund 1 200 Einrich­tungen, die Zivildiener haben, und wir schaffen Verwaltungsvereinfachungen für die Voll­zugsbehörden, vor allem für die Bezirkshauptmannschaften und für die Länder.

Einige Eckpunkte aus dieser Novelle:

Zivildiener können in Zukunft entsprechend ihrer erworbenen Qualifikationen einge­setzt werden. Das heißt, was sie sich vor oder während des Zivildienstes aneignen, wird bei der Einsetzung berücksichtigt. Es gibt eine Kompetenzbilanz über absolvierte Einschulungen, über Aus- und Fortbildungen während des Zivildienstes. Es wird mög­lich, dass das im Rahmen weiterführender Ausbildungen angerechnet wird. Was heißt das? – Viele Zivildiener bleiben uns ja in den Sozialberufen erhalten, viele wechseln auch in einen Sozialberuf, und es wird ermöglicht, dass das Erworbene in diesen Beru­fen auch angerechnet wird.

Es wird ein Ausbildungsbeitrag für bestimmte Einrichtungen von maximal 1 700 € ein­geführt – die Kosten teilen sich die beiden Minister hinter mir –, vor allem für Kranken­häuser, Pflegeheime und Lebenshilfe.

Es gibt eine Anrechnung der Teilnahme am FSJ. Wenn die jungen Männer das min­destens zwölf Monate machen, dann müssen sie den Zivildienst nicht mehr absolvie­ren.

Ein sehr wichtiger Punkt noch im Freiwilligengesetz: Es wird im Freiwilligengesetz beim Freiwilligen Sozialen Jahr die Sparte Rettungsdienst dazugefügt. Das heißt, auch die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 229

Rettungsorganisationen können in Zukunft das Freiwillige Soziale Jahr anbieten. Ich halte das für einen sehr wichtigen Schritt und eine gute Weiterentwicklung.

Es wird auch im Verwaltungsbereich – wie ich angesprochen habe – eine Erhöhung der Flexibilität im Bereich der Zuweisungen geben, bis zu drei Tage vor Dienstantritt auf Wunsch, bei Krankenständen eine Verlängerung der Vorlagefrist von drei auf sie­ben Tage, und die Höchstzahl an Zivildienstplätzen kann für bis zu zwei Monate um maximal zwei Plätze überschritten werden, zum Beispiel bei einer Restzeit bei krank­heitsbedingter Entlassung. Das war immer ein Problem, dass nicht aufgestockt werden konnte.

Meine Damen und Herren! Im Gesamten gesehen ist das eine sehr gute Novelle. Der Zivildienst ist eine unverzichtbare Säule in unserem Sozial- und Gesundheitssystem geworden.

Wir haben auch zwei Entschließungen angehängt, Frau Kollegin Windbüchler-Souschill ist bereits darauf eingegangen. Wir wollen das FSJ evaluieren, und wir wollen eine Gleichstellung von Männern und Frauen bei den Auslandsgedenkdiensten.

Ich bedanke mich abschließend bei den beiden Ministerien, vor allem bei der zustän­digen Innenministerin für den Zivildienst, aber auch beim Sozialminister, und vor allem auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch hier im Hohen Haus bei den Fraktionen, weil dieses Gesetz ja mehrheitlich getragen wird, nicht nur von den Regie­rungsparteien. Abschließend danke ich allen Zivildienern, die im Einsatz sind für die Menschen, die Hilfe brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


21.16.28

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Innenminister! Herr Sozialminister! Meine Damen und Herren! Ich halte eingangs fest, das BZÖ hat im Ausschuss gegen diese Reformen – nennen wir es einmal so – im Bereich des Zivildienstes gestimmt. Wir ha­ben jetzt intern noch ein bisschen diskutiert und uns dazu entschieden, diesen Ände­rungen doch zuzustimmen. Ich war selbst Zivildiener in einem Altersheim in Neumarkt in der Steiermark, das heißt, ich weiß, wovon ich spreche. Es war ein schönes Jahr. Ich glaube, dass der Zivildienst eine wichtige Einrichtung ist und daher jede Verbes­serung für die Zivildiener grundsätzlich auch zu begrüßen ist.

Diese Verbesserungen finden mit den Änderungen im Zivildienstgesetz statt; die Vor­rednerin von den Grünen hat schon einige Beispiele genannt. Es ist auch vollkommen richtig, diese Verbesserungen vorzunehmen.

Grund dafür, dass wir trotzdem – wie soll ich sagen? – diskutiert haben und auch ein bisschen skeptisch waren, waren einerseits kritische Stellungnahmen, die es seitens der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes zu diesen Änderungen gegeben hat. Ich nenne hier nur das Stichwort „Arbeitsmarktneutralität“. Natürlich muss man auf­passen, dass dieses Prinzip der Arbeitsmarktneutralität nicht gefährdet wird. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Letztlich muss man auch festhalten, dass trotz all dieser Verbesserungen im Bereich des Zivildienstes, die zu begrüßen sind, eine umfassende Reform, eine Totalreform der Wehrpflicht notwendig ist. Die Position des BZÖ dazu ist hinlänglich bekannt. Wir sind dafür, ein Berufsheer zu schaffen, bleiben auch bei dieser Position und halten auch die Änderungen, die jetzt Verteidigungsminister Klug angestoßen hat, für letztendlich nicht ausreichend.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 230

Diese zwei Punkte waren auch die Gründe dafür, dass wir im Ausschuss negativ ab­gestimmt haben. Wie gesagt, am Ende des Tages ist das Abstimmungsverhalten im Plenum entscheidend, und hier werden wir nach Diskussionen – danke auch für die Unterstützung des Kollegen Westenthaler – diesen Änderungen auch zustimmen.

Schlusssatz: Wo ist Herr Kollege Matznetter? – Schon wieder in der Cafeteria. Na ja. (Beifall beim BZÖ.)

21.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


21.19.27

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Es tut mir leid, dass Frau Kollegin Korun jetzt nicht anwesend ist, aber ich muss zu ihren Aus­führungen zum vorherigen Tagesordnungspunkt etwas sagen. Wir waren voll besetzt im Innenausschuss. Wo das Chaos gewesen sein soll, weiß ich nicht. – Mit absoluter Sicherheit nicht im Innenausschuss! Das wollte ich ihr selbst sagen.

Wir haben also so wie immer versucht, auch auf die Wünsche der Grünen einzugehen, auch wenn mehrere Gesetzesmaterien in Verhandlung gestanden sind. Und ich kann nicht sagen, dass irgendwo Chaos geherrscht hätte oder die Gesetzgebungsmaschi­nerie nicht funktioniert hätte. Ganz im Gegenteil, wir haben versucht, zwischen den Fraktionen Konsens herzustellen. Dass dies nicht immer gelingt, ist keine Frage, aber ich glaube, wir sind Profis genug, um die Kirche im Dorf zu lassen. Das wollte ich dazu gesagt haben.

Einige Anmerkungen, ohne das zu wiederholen, was jetzt hier schon gesagt wurde: Zu­erst möchte ich mich bei den Ministern mit ihren Stäben bedanken, denn dies war kei­ne leichte Arbeit, das weiß jeder, der sich mit der Gesetzesmaterie Zivildienst wirklich beschäftigt.

Ich denke, dass die Verbesserungen und die Fortschritte für die Zivildienstleistenden, aber auch für die Trägerorganisationen eindeutig nachvollziehbar sind. Ich bringe nur ein Beispiel, das mich persönlich schon lange mehr als unglücklich gemacht hat. Bei den Zivildienern gibt es verschiedene Gruppen. Der einzige Bereich, der lange Ausbil­dungszeiten hat, ist der Rettungsbereich, wo die Ausbildung drei Monate dauert. Es gibt aber auch Bereiche, die nur eine sehr kurze Ausbildungszeit haben.

Ein Zivildiener hat also dieselbe Ausbildung wie ein Rettungssanitäter, ganz genau die­selbe Ausbildung, darf aber nichts allein machen, jeder freiwillige Rettungssanitäter darf aber alles machen. Diese Diskussion wurde jahrelang geführt. Das haben wir jetzt auch geklärt. Wir haben das also auch präzisiert, wenn ich das so formulieren darf, was die Tätigkeit der Zivildiener betrifft.

Herr Kollege Westenthaler, ich weiß und habe schon immer gewusst, worum es uns al­len geht – mir geht es dabei nicht um die Interessen der Kammer –, wir wollen ja nicht fixe Arbeitsplätze in diesem Bereich wegrationalisieren. Jeder weiß, warum wir den Zi­vildienst und das Ehrenamt brauchen: weil diese Bereiche ohnehin sehr schwer auf­rechtzuerhalten sind.

Ich bin also mit dieser Novelle durchaus zufrieden, mir ist aber auch klar, dass wir das in Zukunft weiterentwickeln werden müssen – das ist in vielen Bereichen so.

Ich möchte mich abschließend bei allen, die daran mitgewirkt haben, bei beiden Res­sorts, bei unseren Bediensteten bedanken (Abg. Grosz: Danke!) – das gehört dazu, und mir fällt keine Perle aus der Krone, wenn ihr euch nicht bedankt, ist das euer Bier –,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 231

weil das wirklich viel Arbeit war. Wir haben mehrere Anläufe genommen, und das, das kann man ruhig sagen, was wir heute beschließen werden, ist im Interesse der Zivil­dienstleistenden, aber auch im Interesse der Trägerorganisationen. Es ist auch im In­teresse jener, die die Hilfe oder die Dienstleistung der sozialen Organisationen oder Rettungsorganisationen in Anspruch nehmen.

Und wenn wir so wie heute sagen können, dass die Trägerorganisationen, vor allem aber auch die Zivildienstleistenden einen Vorteil haben, dann ist das einfach ein gutes Gesetz. Ich lade Sie daher noch einmal ein, dieser Novelle Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Herbert. – Bitte.

 


21.23.53

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Innenminister! Herr So­zialminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch wir werden dieser Zivil­dienstgesetz-Novelle unsere Zustimmung geben, nicht nur deshalb, weil sich der Zi­vildienst als Wehrersatzdienst in der Bevölkerung verhaftet und auch sehr bewährt hat, sondern auch deshalb, weil die in dieser Zivildienstgesetz-Novelle eingearbeiteten Än­derungen im Sinne eines, sage ich einmal, sinnvollen Ableistens des Zivildienstes absolut zu begrüßen sind und weil auch – das wurde von meinen Vorrednern schon angesprochen – die Fördermaßnahmen hinsichtlich des Freiwilligenengagements eine wertvolle Bereicherung darstellen.

Wir alle wissen, Freiwilligenleistungen sind keine Selbstverständlichkeit. Von den Blau­licht- und Hilfsorganisationen werden viele unentgeltliche und wertvolle, ich sage, kost­bare Stunden für die Allgemeinheit geleistet, die kaum abgegolten werden könnten. Wer in einer Gemeinde dafür Verantwortungsträger ist, für Bereiche wie Freiwillige Feuer­wehren, Rettungsorganisationen zuständig ist, der weiß, dass es für die Gemeinden unfinanzierbar wäre, müssten sie die Stunden, die da erbracht werden, auch tatsäch­lich abgelten.

So gesehen ist jede Förderung, jede Unterstützung dieses Freiwilligenengagements absolut zu begrüßen.

Ich darf mich an dieser Stelle bei allen, die in Hilfs- und Rettungsorganisationen, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder sonstigen privaten Hilfseinrichtungen freiwillige Diens­te erbringen, namens der FPÖ recht herzlich bedanken.

Wir wissen – das haben wir auch vor Kurzem bei den dramatischen Ereignissen des Hochwassers gesehen –, dass ohne dieses Engagement, ohne diese Hilfeleistung die­ser Freiwilligen die Bewältigung der Katastrophen nicht so rasch und nicht in dieser professionellen Art möglich wäre. Daher danke ich noch einmal allen Freiwilligen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Ich danke auch den rund 13 500 Zivildienern, die in den sozialen Bereichen große und wichtige Dienstleistungen erbringen.

Diese Zivildienstgesetz-Novelle steigert die Attraktivität des Zivildienstes, und daher ist diese Erweiterung zu begrüßen, weshalb wir zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 232

21.26.42

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Auch wir werden dieser Zivildienst­reform zustimmen. Ich denke, es ist wichtig, dass der Zivildienst etwas attraktiviert wird. Im Rahmen der Volksbefragung hat sich ja gezeigt, dass der Zivildienst der Hauptgrund war, für die Wehrpflicht zu stimmen. Also ist der Zivildienst in der Bevölke­rung anerkannt.

Zivildienstleistende leisten sehr gute Dienste bei Rettungsorganisationen und bei vielen anderen wichtigen Institutionen, welche sie dringend brauchen. Deshalb können wir auch dem Antrag der Kollegin Windbüchler-Souschill zustimmen, wir finden ihn voll in Ordnung, denn es geht ja darum, dass die Rettungsorganisationen immer beklagen, dass die Zeit zu kurz ist, um die Leute auszubilden und sie dann entsprechend einzu­setzen.

Allerdings müsste man das dann vielleicht ein bisschen verfeinern, indem man sagt, das soll nur für jene Bereiche gelten, wo es wirklich notwendig ist, dass jemand länger im Dienst ist. Ich sehe zum Beispiel nicht ein, dass man einen Zivildienstleistenden, der mit dem Taferl bei einem Zebrastreifen steht und dort den Verkehr regelt, für ein Jahr braucht. Das muss man auch klar sagen. Und der muss auch nicht 1 400 € haben. Das muss man schon ein bisschen präziser formulieren.

Ich möchte noch einen Vorschlag machen: Da wir bei den Musterungen sehr viele Un­taugliche haben, die weder zum Zivildienst noch zum Bundesheer kommen, sollte man sich das einmal genauer anschauen. Es sind nämlich viele dabei, die sehr wohl Zivil­dienst leisten könnten und dort vernünftige Dienste machen könnten. Man sollte einmal schauen, Frau Minister, ob man diese dann nicht als tauglich für den Zivildienst schrei­ben könnte. Es ist ja nicht mehr eine Gewissensfrage, davon sind wir ja abgekommen. Auch das wäre eine Möglichkeit, und das wäre fair gegenüber allen, die Zivildienst oder Heeresdienst ableisten.

Zum Schluss möchte ich aber noch betonen, dass wir, das Team Stronach, grund­sätzlich gegen Zwangsdienste sind. Man müsste auch da einmal in Richtung mehr Freiwilligkeit gehen. Unsere Stellungnahmen bei der Volksbefragung waren ja klar. Wir akzeptieren das Ergebnis, aber vielleicht denkt man weiter. In einiger Zeit ändert sich wieder einiges, und vielleicht sieht man das dann auch so, wie wir es sehen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

21.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.29.18

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren im Ho­hen Haus! Heute wurde schon der 20. Jänner dieses Jahres angesprochen, an dem die Volksbefragung stattgefunden hat und sich an die 60 Prozent der Bevölkerung pro Wehrdienst und Zivildienst entschieden haben.

Ich bin froh darüber, dass es uns erstens gelungen ist, eine Wehrdienstreform auf den Weg zu bringen, die zum einen mehr an Sicherheit bringt und sowohl das Bundesheer als auch den Katastrophenschutz stärkt und zum anderen bewirkt, dass die jungen Männer die Zeit beim Präsenzdienst auch als sinnvolle Zeit erleben können und damit auch einen Mehrwert ins weitere Leben mitnehmen können.

Zweitens ist es uns gelungen, eine Zivildienstreform auf den Weg zu bringen, die sich auf alle Fälle sehen lassen kann. Wir wissen, dass es gerade im Bereich des Zivil­dienstes bei allen – sowohl bei den Zivildienern als auch bei den Trägerorganisatio-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 233

nen – bereits eine Zufriedenheit von mehr als 90 Prozent gibt. Nichtsdestotrotz war es uns wichtig, an den verschiedenen Schrauben zu drehen und Verbesserungen herbei­zuführen.

Was sind die Eckpunkte der Verbesserungen? Zum Ersten ist es das Ausbildungs­paket. Wie Sie wissen, gibt es gerade für Zivildiener, die sich bei Rettungsorganisa­tionen aktiv einbringen, eine sehr umfassende Ausbildung. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, auch eine Ausbildungsmöglichkeit in anderen Bereichen – im Krankenbereich, im Altenbereich und im Behindertenbereich – zu schaffen. Das ist auch eine sehr gute Entscheidung, die sehr zukunftsorientiert ist, da wir ja alle um die demographische Ent­wicklung wissen und ganz klare Zahlen auf dem Tisch liegen, dass wir eine hohe Anzahl an Pflegekräften brauchen. Wenn wir daher in diesen Bereich investieren, dann gehen wir auch davon aus, dass es uns gelingen wird, viele Zivildiener im Altenbereich und im Behindertenbereich zu behalten.

Deswegen ist es ein gutes Investment, für das die Mittel zur Hälfte vom Sozialminis­terium und zur Hälfte vom Innenministerium aufgebracht werden – eine finanzielle Unterstützung für die Ausbildung in der Höhe von 70 Prozent der Kosten, maximal 1 700 €, die einfach gut angelegt ist.

Zum Zweiten ist es uns vor allem wichtig, dass die Zivildiener entsprechend ihrer Kom­petenz, ihren Fähigkeiten, eingesetzt werden können. Das heißt, in Zukunft soll es auch so sein, dass die berufliche Kompetenz eingebracht werden kann. Ich denke da im Speziellen an Ärzte, die nicht Hilfsdienste machen müssen, sondern auch im ärztli­chen Dienst eingesetzt werden können. Das bringt Vorteile für alle – für die Zivildiener, für die Einsatzorganisationen und natürlich auch für diejenigen, die betreut werden.

Zum Dritten war es uns auch wichtig, Bürokratie abzubauen und vor allem Flexibilität bei der Zuweisung sicherzustellen. Bisher war es so, dass eine Zuweisung bis zu zwei Wochen vor dem Antrittstermin gemacht werden konnte. In Zukunft wird es eine Frist von drei Tagen geben, wenn die Zustimmung des Zivildieners vorhanden ist. Das ver­schafft mehr an Flexibilität und mehr an Freiraum, vor allem auch für die Einsatzorgani­sationen.

Zum Vierten ist es uns wichtig, dass vor allem auch die Fähigkeiten und die Kompe­tenzen, die man sich während des Zivildienstes angeeignet hat, angerechnet werden können. Deswegen wird es am Ende des Zivildienstes eine sogenannte Kompetenz­bilanz geben, die ganz klar die Fähigkeiten und Kenntnisse darlegt, die erworben wor­den sind. Es wird angeführt, welche Ausbildungen absolviert wurden und welche Tä­tigkeiten während des Zivildienstes ausgeführt wurden. Wie diese Kompetenzbilanz im Detail ausschauen wird, wird durch eine Verordnung festgelegt werden.

Eine weitere Neuerung, bezüglich derer ich auch dem Herrn Arbeits- und Sozialmi­nister Danke sage, ist, dass es möglich sein wird, den Zivildienern auch eine Studien- und Berufsberatung anbieten zu können, wobei vor allem auch das AMS eine wichtige Drehscheibe darstellt.

Außerdem ist es uns wichtig, dass die Zivildiener die Möglichkeit haben, die Einrich­tung, in der sie tätig sind, zu bewerten. Warum ist uns das wichtig? – Weil das Qualität sichert und vor allem auch einen guten Umgang des Personals mit den Zivildienern si­cherstellt.

Eine weitere Neuerung, die bereits kurz angesprochen wurde, die nicht unmittelbar mit dem Zivildienst zusammenhängt, ist das Freiwillige Soziale Jahr. Wir machen es mög­lich, dass jene jungen Männer, die den sozialen Dienst im Rahmen des Freiwilligen So­zialen Jahres absolvieren, das auch als Zivildienst angerechnet bekommen. Somit wer­den jene, die dieses Freiwillige Soziale Jahr machen, auch jenen gleichgestellt, die ei­nen Auslandsdienst leisten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 234

Ganz wichtig ist auch, dass das Freiwilligenjahr für Rettungsorganisationen aufge­macht wird. Wer wird davon vor allem profitieren? – Im Speziellen natürlich die Frauen, für die die Möglichkeit geschaffen wird, in diesen Bereich hineinzuschnuppern, als Al­ternative zum Zivildienst für Frauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute wird diese Novellierung beschlossen. Ab morgen geht es voll und ganz an die Umsetzung. Ich möchte die Gelegenheit nut­zen, allen Expertinnen und Experten, allen Trägerorganisationen, die mitgearbeitet ha­ben, den beide Ministerien – dem Sozialministerium und dem Innenressort – und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die daran mitgewirkt haben, Danke zu sagen. Mein Dank gilt auch dir, sehr geehrter Herr Minister, lieber Rudi, für diese wirklich gute Ko­operation. Wir können sagen, es ist uns wieder einmal gelungen, den Zivildienst noch ein Stück besser zu gestalten. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

21.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.

 


21.36.02

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin, Sie ha­ben auf die Volksbefragung im Jänner Bezug genommen, genauso wie viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner. Auch ich möchte es tun. Warum? – Weil sich viele Menschen für die allgemeine Wehrpflicht und für den Zivildienst ausgesprochen haben, im Verständnis, aber auch in der Erwartung, dass der Einsatz junger Menschen für die Allgemeinheit ein wertvoller ist und als solcher von den Betroffenen auch wahrgenom­men werden kann.

In vielen Gesprächen mit den Menschen wurde das zum Ausdruck gebracht, und ich halte es daher für sehr wichtig, dass wir diesen berechtigten Forderungen der Bevölke­rung Rechnung tragend den jungen Männern nun eine reformierte Wehrpflicht anbieten können und heute eine Zivildienstreform beraten können, die den Zivildienst attraktiver macht.

Ein paar Punkte darf ich ansprechen, speziell aus dem Blickwinkel der Zivildienstein­richtungen. Ich halte es für sehr gut, dass beim Einsatz der Zivildiener auch die Qualifi­kation der Zivildiener – deren Kenntnisse, Fähigkeiten und Ausbildungen – eine Rolle spielt. Ich sehe das positiv für die Zivildiener selbst, aber auch für die Einrichtungen.

Es wurde auch festgelegt, dass die späteste Zuweisung vor Antritt des Zivildienstes von bisher zwei Wochen auf drei Tage verkürzt wurde – ein sinnvoller Wunsch von Ein­richtungen und Zivildienern. Damit wird die gesamte Abwicklung flexibler und vor allem kann bei kurzfristigen Ausfällen dem Wunsch der Einrichtungen Rechnung getragen werden.

Noch ein Wort zum Anreizsystem, zum verstärkten Anbieten von Ausbildungen im Be­reich der Gesundheits- und Sozialberufe, wie etwa Heimhelfer, Kindergartenbetreuer oder Behindertenbetreuer, und der damit verbundenen teilweisen Rückerstattung der Ausbildungskosten: Das ist meiner Meinung nach ein besonderes und gutes Angebot für die Zivildiener.

Noch ein Wort zum Interesse von Zivildienern an Gesundheits- und Sozialberufen. Als politisch Mitverantwortlicher im Sozialhilfeverband Steyr-Land kann ich berichten, dass 10 Prozent der Zivildiener in unseren Alten- und Pflegeheimen nach Absolvierung ihres Zivildienstes ihren Berufswunsch beziehungsweise ihren Beruf hin zu Sozial- und Ge­sundheitsberufen verändern. Das heißt, der Zivildienst ist für die Zivildiener eine gute


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 235

Möglichkeit, ihr Interesse für Gesundheits- und Sozialberufe zu erkennen. Das ist posi­tiv, da wir im Gesundheits- und Pflegebereich mehr Personal brauchen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Dank allen engagierten Zivildienern! Danke auch der Zivildienstagentur für die unkomplizierte Arbeit. Und danke den beiden Bundesmi­nistern, dass mit dieser Novelle der Zivildienst wesentlich attraktiver geworden ist. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Königs­berger-Ludwig. – Bitte.

 


21.39.34

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn Herrn Berti Wagner vom Verein Gedenkdienst ganz herzlich begrüßen und mich für seinen Einsatz für diese wichtige Säule des Zivildienstes bedanken. Herzlich willkommen, schön, dass Sie bei unserer Debatte dabei sind. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Geschätzte Damen und Herren, über das Gesetz wurde jetzt schon sehr viel gesagt. Ich möchte nicht alles wiederholen, was wir heute betreffend Verbesserungen schon gehört haben. Ich freue mich sehr, dass diese Novelle heute beschlossen werden kann, da ich davon überzeugt bin, dass sie den Zivildienst attraktiver machen wird – für die jungen Menschen und auch für die Einrichtungen, da es auch Vereinfachungen und Verbesserungen für die Zivildiensteinrichtungen geben wird.

Es wurde schon angesprochen: Für die Zivildiener wird es erleichtert, Ausbildungen zu machen, die dann auch im Nachhinein anerkannt werden. Es wird auch Verbesse­rungen bei der Zuweisung geben. Außerdem wird es flexiblere Zuweisungsmöglichkei­ten geben sowie eine Anrechnung auf den Zivildienst, wenn ein junger Mann ein Frei­williges Soziales Jahr abgedient hat.

Ich denke, es sind in dieser Novelle viele Errungenschaften enthalten, die den Zivil­dienst in Zukunft attraktiver machen werden. Ich bin daher froh darüber, dass wir diese Novelle heute beschließen werden, wenngleich ich aus meinem Herzen keine Mörder­grube machen möchte und auch sage, dass ich am 20. Jänner anders abgestimmt ha­be und noch immer der Meinung bin, dass es besser gewesen wäre, die Wehrpflicht abzuschaffen.

Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass wir heute dieses Gesetz beschließen werden. Es wurde heute auch schon angesprochen, dass die Abstimmung ja vor allem pro Zivil­dienst ausgegangen ist, weshalb es gut ist, dass diese Novelle heute so beschlossen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


21.41.22

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es wurde ja bereits ausreichend dargestellt, dass mit dieser Zivildienstnovelle ein erfolgreiches Modell wei­ter ausgebaut und perfektioniert wird. Es waren ja schon bisher 90 Prozent der Zivil­diener mit der Einrichtung und mit dem Ablauf des Zivildienstes zufrieden.

Es geht also darum, dass wir – was künftig ganz wichtig ist –, gerade was Sozialberufe und Pflegeberufe betrifft, mit diesem neuen Modell einen weiteren Anreiz und damit ei­nen Beitrag zur sozialen Sicherheit schaffen können.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 236

Aus Sicht der Einrichtungen sind drei Punkte ganz wichtig: Erstens ist es ein Vorteil, dass es möglich ist, kurzfristig zugewiesen zu werden. – Das ist bei jungen Menschen wichtig, gerade bei Studierenden; das war bisher vielleicht ein wenig zu unflexibel. Zu­künftig ist das wirklich sehr rasch und unbürokratisch möglich.

Zweitens: Wenn Zivildiener durch Unfall oder Krankheit ihren Zivildienst unterbrechen müssen – ich habe das selber als Einsatzleiter von Zivildienern schon erlebt –, dann haben sie nur schwer die Möglichkeit, die restliche Zeit abzudienen. Das wird jetzt durch die Überschreitungsmöglichkeit von maximal zwei Plätzen für zwei Monate neu geregelt und der Praxis angepasst.

Drittens: Es gibt auch bei den Krankmeldungen Verbesserungen, die durch die Ab­stimmung mit den Bezirksverwaltungsbehörden durchaus etwas kompliziert und schwer­fällig waren.

Abschließend gilt mein Dank der Frau Bundesminister, und zwar dafür, dass sie das Ziel erreichen konnte, in gemeinsamer Arbeit mit Sozialminister Hundstorfer bis Jah­resmitte ein neues Modell, eine Novelle vorzulegen. Vielen Dank auch für die vielen Ideen, die bei dieser Diskussion um die Novellierung eingebracht wurden.

Zum Schluss muss ich ganz offen sagen: Ich kenne keine Einrichtung, die so effizient und schlagkräftig arbeitet wie die Zivildienstverwaltungs-GmbH. Da wird wirklich spar­sam gewirtschaftet, und ein schlagkräftiges Team weist junge Menschen schnell und unbürokratisch zu.

Auch in Sachen Service wird gute Arbeit geleistet, und das kann nur im Sinne aller sein. Vielen Dank! Ich glaube, wir können heute alle diesem Modell gerne zustim­men. (Beifall bei der ÖVP.)

21.43

21.43.47

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Es wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 25.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ZDG-Novelle 2013 samt Titel und Eingang in 2537 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Damit ist natürlich auch die verfassungsmäßig erforderliche Mehrheit ge­geben. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2537 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend Evaluierung der „Freiwilligen Jahre“ nach dem Freiwilligengesetz 2012.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 237

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 324.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2537 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Schaffung besonderer bundesge­setzlicher Regelungen für Auslandsdienste.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 325.)

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2538 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

21.46.0227. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (2434 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertre­tungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013), und über den

Antrag 2176/A der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspoli­zeigesetz – SPG), BGBl. I Nr. 53/2012, geändert wird (2549 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 1982/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schließung der Schutzlücken im 2. Gewaltschutzgesetz zum Schutz und zur Sicherheit von Gewaltopfern, insbesondere von Kindern und Jugendlichen (2550 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 27 und 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill zu Wort. – Bitte.

 


21.47.00

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Alle Verbesserungen für mehr Opferschutz, für mehr Ge­waltschutz sind natürlich zu begrüßen, aber es braucht ganz klar eine Vielzahl von un­terschiedlichen Maßnahmen und von Maßnahmen, die sich ineinander verschränken. Das ist das Wichtigste im Opferschutzmanagement, im Gewaltschutz.

Jede vierte bis fünfte Frau erleidet zumindest einmal in ihrem Leben eine Form von Gewalt durch den Beziehungspartner. Häusliche Gewalt bedeutet jedoch oft nicht, dass es nur eine Straftat ist, die dann geahndet werden kann, sondern es ist oft eine Summe von Straftaten, eine Gewaltgeschichte, die sich ereignet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 238

Es ist ein komplexes System. Da geht es oft um Misshandlung, um Kontrolle, um Isola­tion, um Demütigung, um Machtansprüche, um Einschüchterungen, um das Benutzen der Kinder, um das Schaffen finanzieller Abhängigkeiten, um ökonomische Gewaltan­wendungen, Drohungen, Nötigungen, Zwang, körperliche und sexuelle Gewaltanwen­dungen. – Das alles ist natürlich mit nichts zu rechtfertigen und muss mit allen Maß­nahmen, die einerseits der Legislative, aber andererseits auch der Exekutive bereitste­hen, geahndet werden.

In ungefähr der Hälfte aller Fälle von Betretungsverboten – es sind rund 7 600 im Jahr – sind minderjährige Kinder mitbetroffen. Direkt betroffen werden laut Schätzun­gen der Experten und Expertinnen rund 100 Kinder pro Jahr.

Die selbst erlebte Gewalt, aber auch die Gewalt, die miterlebt wird, ist für Kinder zwei­felsohne dramatisch und natürlich auch traumatisierend.

Wenn der Partner weggewiesen wird, sind Kinder oft ein Instrument für den wegge­wiesenen Partner, zum Beispiel um Nachrichten zu übermitteln, aber auch um Druck auszuüben – keine Frage – oder ihnen Schuldgefühle zu machen.

Die Ausweitung des Betretungsverbotes, die jetzt hier beschlossen wird, nämlich auf Schulen, Kindergärten und Horte für Kinder bis zum 14. Lebensjahr, die unmittelbar und direkt der Gefährdung von Leben, Gesundheit und Freiheit ausgesetzt sind, ist ein erster Schritt – keine Frage –, aber es ist eben nur ein erster Schritt.

Alle Schutzlücken, die gerade von den ExpertInnen beanstandet werden, werden damit jedoch auf keinen Fall geschlossen. Es steht auch in dem Gesetz, dass Kinder in Ös­terreich einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Schutz und Fürsorge ha­ben. Diesem Satz wird auch dieses Gesetz leider nicht gerecht. Das heißt, auf der ei­nen Seite werden die Schutzlücken nicht geschlossen, was Frauen und den Opfer­schutz anbelangt, und auf der anderen Seite natürlich auch nicht, was die Kinder be­trifft. Da gibt es auch breite Kritik der Opferschutzeinrichtungen, die nicht ganz einge­flossen ist.

Das heißt, das, was die Innenministerin immer wieder angedeutet hat, dass sie ge­meinsam mit den Opferschutzeinrichtungen und gemeinsam mit den ExpertInnen eine nachhaltige, gescheite Novelle für den Kinderschutz umgesetzt hat, das finden wir auf keinen Fall in diesem Gesetz. Es ist einfach leider nur ein erster Schritt.

Gewalt ist mit nichts zu rechtfertigen. Die Exekutive muss unterstützt werden. Die Justiz muss unterstützt werden. Die Opferschutzeinrichtungen müssen unterstützt wer­den. Die Jugendwohlfahrt muss unterstützt werden. Und es braucht ein System von al­len Akteuren und Akteurinnen, um gemeinsam Gewalt tatsächlich zu verhindern. (Bei­fall bei den Grünen.)

21.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

 


21.50.51

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätz­te Damen und Herren! Bevor ich zum Tagesordnungspunkt einiges sagen möchte, bringe folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kößl, Pendl, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (2549 d.B.) über die Regie­rungsvorlage (2434 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizei-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 239

gesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungs­übertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013) (2434 d.B.), in der Fassung des Ausschussberichtes (2549 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 Z 9 wird der Ausdruck „1. September“ durch den Ausdruck „1. September 2013“ ersetzt.

*****

Geschätzte Damen und Herren, ich möchte vorweg einmal der Frau Bundesminister ein herzliches Dankeschön sagen, dass sie die Taskforce Kinderschutz ins Leben ge­rufen hat. Anlass war ein Mord von einem Vater an seinem Kind in St. Pölten. Mit die­ser Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes wird das Kind, das Opfer in den Mittel­punkt gestellt. Sie bringt eine Ausweitung des Betretungsverbotes bei häuslicher Ge­walt. Es ist ein wichtiger Schritt zum besseren Schutz von Kindern vor familiärer Ge­walt. Und sie sieht die Verpflichtung der Exekutive vor, die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren, wenn Derartiges gegeben ist.

Mit dieser Novellierung wird das Betretungsverbot auf Schulen, Kindergärten, Horte, al­so auf alle Kinderbetreuungseinrichtungen ausgedehnt. Kinder sollen in diesen Betreu­ungseinrichtungen vor dem Zugriff des Weggewiesenen geschützt werden. Deshalb auch die Verständigung der betreuenden Personen in diesen Institutionen durch das einschreitende Sicherheitsorgan. Es ist also auf jeden Fall erforderlich, wenn es zu ei­ner Wegweisung kommt und Kinder in der Schule sind, dass der Schulleiter, die Lehrer und natürlich auch der Schulwart von der Exekutive verständigt werden über diese Si­tuation, damit für den Fall, dass der Weggewiesene in die Schule kommen sollte, alle von dieser Wegweisung informiert sind.

In dieser SGP-Novelle wird außerdem darauf verwiesen, dass es, wenn der Wegge­wiesene in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt, bis zu einer Festnahme kommen kann. Es ist eine Verwaltungsübertretung gegeben, wenn er gegen das Be­tretungsverbot verstößt, und, wie gesagt, es kann bis zu einer Festnahme gehen, wenn er in der strafbaren Handlung verharrt.

Also insgesamt glaube ich, dass es eine wichtige Ausweitung des Betretungsverbotes und des Wegweisungsgebotes ist. Es ist sicherlich ein ganz, ganz wichtiger Schritt, um Kinder vor Gewalttätern zu schützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


21.55.00

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes schließen wir eine weitere Lücke im Gewaltschutz für Frauen, im Gewaltschutz für Kin­der, auch im Schutz vor häuslicher Gewalt. Wenn wir heute diese Novelle beschließen, sind wir einmal mehr Vorreiter im europäischen Gesamtkontext. Wir haben hier viel vorzuweisen: das Gewaltschutzgesetz 1, das Gewaltschutzgesetz 2. Wir haben das


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Stalking unter Strafe gestellt und beschließen nun die Ausweitung des Betretungsver­botes zum Schutz der Kinder, die sich in der Schule, die sich im Hort befinden. Das ist ein wichtiger und notwendiger Schritt im Bereich des Gewaltschutzes, des Schutzes vor Gewalt gegen Frauen, die Menschenrechtsverletzung Nummer eins ist, aber auch, wie heute schon gesagt wurde, vor Gewalt gegen Mitbetroffene, wie es die Kinder oft sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, es wurde schon einiges zu diesem Bereich gesagt. Morgen werden wir durch die Ratifizierung der Konvention gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt einen weiteren Schritt setzen und hier noch einmal ein Zeichen setzen, dass dieses Problem, dass diese Menschenrechtsverletzung für uns ein sehr wichtiger Bereich unserer Gesetzgebung im österreichischen Parlament ist und wei­terhin sein wird. Und darauf, sehr geehrte Damen und Herren, können wir stolz sein und bin ich auch stolz.

Wenn heute noch nicht darauf hingewiesen wurde, möchte ich das tun, weil mir das sehr wichtig ist: Neben der Ausweitung des Betretungsverbotes, neben der Ausweitung auch der einstweiligen Verfügung, neben den Verwaltungsstrafen und neben der Zwangsgewalt, die diesbezüglich auch ausgeübt werden kann, ist als zusätzliche Maß­nahme vorgesehen, und das ist ein sehr wichtiger Beitrag, dass auch die Täterarbeit finanziert wird. Und das wird immer wieder von den Gewaltschutzeinrichtungen betont: Wir müssen auch mit den Tätern arbeiten, und ich spreche hier bewusst nicht in der weiblichen Form, weil es zu über 90 Prozent männliche Täter sind, die diese Gewalt ausüben. Dass Täterarbeit auch entsprechend gemacht werden muss und dass mit der zusätzlichen Ausweitung des sogenannten MARAC-Prozesses – und das ist etwas sehr Wichtiges – die Hochrisikofälle gesondert behandelt werden, dass dieses Projekt ausgeweitet wird, das war eine wichtige und notwendige Forderung der Gewaltschutz­zentren, der Frauenhäuser. Nicht nur die zwei Bezirke, die in Wien jetzt schon damit arbeiten, sondern auch zwei zusätzliche Bundesländer sollen in Zukunft damit arbeiten.

Wir haben hier schon verschiedene Zahlen, zum Beispiel aus Großbritannien, wo sich gezeigt hat, dass durch diese Konferenzen für Hochrisikofälle diese Gewaltfälle – und hier geht es wirklich oft um Leben und Tod – um 42 Prozent gemindert werden konn­ten.

Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein notwendiger und wichtiger weiterer Schritt in Bezug auf die Prävention und in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz in Öster­reich. Und daher können wir diesem Gesetz und der Ausweitung mit Freude zustim­men. (Beifall bei der SPÖ.)

21.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Herbert. – Bitte.

 


21.58.33

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Wurm, auch wenn mir jetzt nicht ganz klar war, von welcher Zwangsgewalt Sie da gerade gesprochen haben, eines ist mir aber schon wichtig festzustellen: Natürlich muss man auch mit den Tätern umge­hen, natürlich muss man auch den Zugang zu den Tätern suchen, aber viel wichtiger ist der Opferschutz. Die Opfer sollten im Mittelpunkt unseres polizeilichen wie auch ge­sellschaftlichen Interesses stehen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Gartelgruber: Bravo! – Abg. Mag. Wurm: No na!)

Ich denke, das ist nicht nur ein wichtiges Anliegen, das uns alle berühren sollte, son­dern das ist auch eine Sache, die aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen, gerade wenn es um Gewalt in der Familie, Gewalt gegen Kinder, Gewalt gegen Frauen geht, im­mer zu wenig herausgearbeitet wird. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Gartelgruber: Bravo!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 241

Zu dieser Regierungsvorlage konkret. Wir stehen diesen Erweiterungen der Regeln für das Betretungsverbot durchaus differenziert gegenüber. Es ist ein guter, es ist ein wichtiger Ansatz, dass man den Opferschutz, nämlich den Schutz von Kindern, von Müttern, erhöht, indem man das Betretungsverbot auch auf Schulen, auch auf Kinder­betreuungseinrichtungen ausweitet. Das ist wichtig, weil es den Schutz erhöht, aber die Art und Weise, wie man das in diesem Gesetz praktiziert, ist doch etwas, sagen wir einmal, oberflächlich und pauschal.

Wenn es nur darum geht, dass man den Leiter einer Schule von einer solchen Maß­nahme verständigt – auch natürlich von der Aufhebung einer solchen Maßnahme –, aber das nicht weiter regelt, wie man das insbesondere im urbanen Bereich, wo es Schulen mit mehreren hundert Schülern, mit mehreren hundert Lehrern gibt, praktizie­ren soll, ohne dass Bilder in Umlauf gebracht werden, ohne dass datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt werden, dann stelle ich mir das doch etwas kompliziert vor. Ich denke, das ist eine Abwälzung einer wichtigen, einer notwendigen Sache, allerdings sehr oberflächlich geregelt, auf den Schulleiter, der dann mitunter oder wahrscheinlich an die Grenzen des Machbaren stoßen wird.

Die Frage ist, ob man mit derart oberflächlichen und unpraktikablen oder, besser ge­sagt, suboptimalen Lösungsansätzen tatsächlich das bewirken kann, was man ei­gentlich beabsichtigt, nämlich eine Verbesserung der Schutzmechanismen für Kinder in Schulen und in Kinderbetreuungseinrichtungen. Daher sehen wir hier in Bezug auf diese Erweiterung der Betretungsverbote durchaus noch einen Verbesserungsbedarf.

Hinsichtlich meines Antrages darf ich mich bedanken, dass die Anregung, nämlich dass man im Sinne der Abgeltung von finanziellen Schäden, die durch die polizeiliche Inanspruchnahme von Sachen entstehen, nunmehr eine Ausweitung dahin gehend vorgenommen hat, dass es nicht mehr nur bei der Gefahrenabwehr zu einem finan­ziellen Ausgleich kommt, sondern dass diese quasi Abgeltungen auch bei einer Hilfe­leistung durch polizeiliches Einschreiten erfolgen. Das war ein Manko, weil zwar die Inanspruchnahme von Sachen bei Hilfeleistung durch die Exekutive durchaus möglich war, allerdings der Schaden den Betroffenen nicht ersetzt wurde, weil es hier einfach keine rechtliche Grundlage gab. Mit diesem Antrag ist dieses Manko zum Wohle der Betroffenen beseitigt worden, und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass man das in diese Regierungsvorlage aufgenommen hat.

Alles in allem ein guter Ansatz, wichtige Erweiterungen, allerdings ein bisschen eine suboptimale Umsetzung, was die Praktikabilität betrifft, und eher wohl bald wieder eine evaluierungsbedürftige Frage der Betretungsverbotslage bei Schulen und Kinderbe­treuungseinrichtungen. (Beifall bei der FPÖ.)

22.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich habe noch nachzuholen, dass der schon vorhin eingebrachte Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Kößl ordnungsge­mäß eingebracht wurde und auch mit in Beratung steht.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

 


22.03.12

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Kollege Herbert, mir ist jetzt nicht klar, ob ihr jetzt zustimmt oder nicht. Sie haben zwar gesagt, grundsätzlich gut, aber es fehlt etwas.

Ich sage dazu, vorher gab es kein ausgeweitetes Betretungsverbot bei Kinderbetreu­ungseinrichtungen, Horten et cetera, jetzt gibt es eines, und das ist der Punkt. Daher kann man dem nur zustimmen. Natürlich, dass man alles besser machen kann, ist auch klar, es ist ja nie alles fertig, aber grundsätzlich kann man dem nur zustimmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 242

Als eine Partei, die – und so machen wir das seit vielen Jahren – für den Kinderschutz besonders eintritt, kann man es nur begrüßen, dass es hier eine Ausweitung des Schutzmechanismus für Kinder und im Endeffekt natürlich auch für Mütter gibt, indem jetzt das Betretungsverbot auch auf die Kinderbetreuungseinrichtungen ausgeweitet wird. (Beifall beim BZÖ.)

Ich stimme Ihnen auch zu, was die (Zwischenruf der Abg. Gartelgruber.) – Viel­leicht können wir das nachher draußen klären, weil ich Sie kaum verstehen kann. Ich habe das Privileg eines Mikrofons, das Sie nicht haben. Aber noch einmal: Es war ein bisschen unverständlich, aber ich gehe ohnedies davon aus, dass ihr auch zustimmt, denn da kann man ja nicht dagegen sein. Ich glaube, dass das völlig richtig ist, was da passiert. Ich bin auch sehr froh und bedanke mich, dass es zu dieser Ausweitung kommt, und unterstreiche auch das, was Frau Kollegin Wurm gesagt hat, zu 100 Pro­zent.

Wir haben ja gehört, im Schnitt sind es 100 betroffene Kinder und mehr im Jahr, die ja doppelt missbraucht werden, im wahrsten Sinne des Wortes: einerseits bei der häusli­chen Gewalt, wo sie entweder direkt Betroffene sind oder zumindest Zeugen von häus­licher Gewalt, und dann ein zweites Mal, wenn eben der Weggewiesene – das war bisher möglich – zu Kinderbetreuungseinrichtungen kommt, dort mit seinem Kind in Kommunikation treten kann und das Kind ein zweites Mal möglicherweise missbraucht. Das hat uns die Frau Kollegin Souschill sehr, sehr gut erklären können, wie das ablau­fen kann.

Das sind eben im Schnitt 100 Kinder pro Jahr, die hier betroffen sind, und daher sehen wir im Wesentlichen immer das hochwertige Schutzinteresse von Kindern im Vorder­grund, und alles andere ist nebensächlich. Ob es da jetzt Datenschutzprobleme geben könnte, ob es jetzt zu wenig ist, nur den Schulleiter zu informieren, das kann man alles diskutieren, aber im Mittelpunkt steht das hochwertige Interesse des Schutzes von Kindern. Das ist hier gewährleistet, und deswegen können wir hier aus vollster Über­zeugung zustimmen.

Ich würde mir im Anschluss an diese beispielhafte Umsetzung im Sicherheitspolizei­gesetz ähnliche Maßnahmen mit einem stärkeren Kinderschutz auch im Strafgesetz­buch wünschen. Ich weiß schon, Frau Ministerin, dass Sie hier nicht unmittelbar Betrof­fene sind, aber wir haben das von dieser Stelle immer gesagt: Wenn wir das Kind als eine besonders schützenswerte Person und Kinder als besonders schützenswerte Gruppe definieren – und das machen wir heute mit der Verbesserung im Sicherheits­polizeigesetz –, dann muss das endlich auch im Strafgesetzbuch seinen Niederschlag finden. Und dann darf im Strafgesetzbuch nicht mehr unterschieden werden bei se­xuellem Missbrauch von Kindern zwischen sexuellem Missbrauch und schwerem se­xuellem Missbrauch. Das darf nicht unterschieden werden, weil jeder Missbrauch von Kindern schwer ist. Und wir verlangen, dass das endlich auch im Strafgesetzbuch sei­nen Niederschlag findet. Ansonsten finden wir das heute gut und werden dem zustim­men. (Beifall bei BZÖ und Team Stronach.)

22.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


22.06.52

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir werden natürlich mit vollstem Herzen auch dieser Gesetzesvorlage zustimmen.

Meine Damen und Herren, jedes Kind – und da verstehe ich die Freiheitlichen nicht; Kollege Herbert, du bist Polizist wie ich –, das wir mit dieser Maßnahme retten können, und sei es nur eines, ist ein gewonnenes Kind. Und das ist der Punkt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 243

Ich weiß schon, dass es nicht einfach ist, das Ganze durchzuführen, und ich weiß auch, wie schwierig der Schutz ist. Die Situation ist ja die, man wird solche Fälle nie und nimmer verhindern können, es wird immer wieder zu so etwas kommen, weil das einfach nicht vorhersehbar ist. Aber wenn ich einen Schutzmechanismus einbaue, der zumindest einen, zwei oder fünf solcher Fälle verhindern kann, dann ist das schon ein gewonnener Schutzmechanismus und dann haben wir viel gewonnen. Dann haben wir Kinderleben geschützt und viel, viel Gutes getan.

Meine Damen und Herren, auch wenn man hier sicher sagen kann, man könnte noch mehr machen: Zu 100 Prozent kann man so etwas nicht verhindern, das wissen wir alle, aber jede Schutzmaßnahme, die ein Kind rettet, ist eine gute Schutzmaßnahme.

Denken wir noch einmal ein bisschen nach! Der Fall von Niederösterreich wurde vom Kollegen Kößl angesprochen. Vor Kurzem hat es auch in Graz einen Fall gegeben, wo die Mutter vor dem Kinderhort niedergestochen worden ist. Auch das wäre vielleicht ein Fall gewesen, der damit hätte verhindert werden können. Oder der Fall in Wien vor Kurzem vor diesem Frauenzentrum: Da muss man sich auch überlegen, ob man das vielleicht auch auf diesen Bereich erweitert und hier einen Schutz vorsieht.

Also da gibt es schon Möglichkeiten, und jede Maßnahme, die wir hier treffen, auch wenn es schwierig zu vollziehen ist, und die zumindest die Chance gibt, ein Kinderle­ben zu schützen oder zu retten, ist eine gute Maßnahme. Und da sollten auch Sie von den Freiheitlichen über Ihren Schatten springen und zustimmen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

22.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner kommt nun zu Wort. – Bitte.

 


22.09.00

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren Abgeordnete! Heute steht eine wichtige Novelle des Si­cherheitspolizeigesetzes im Mittelpunkt dieser Parlamentssitzung. Diese ist ganz, ganz wichtig, weil wir den Kindern, den Jugendlichen so viel Schutz wie möglich zukommen lassen wollen.

Abgeordneter Günter Kößl hat es angesprochen: In Niederösterreich hat sich im letzten Jahr ein tragischer Vorfall ereignet, wo ein Vater in der Schule seinen Sohn erschos­sen hat und der Vater sich dann im Anschluss selbst gerichtet hat. Gerade derartig schreckliche Vorfälle gehen jedem Einzelnen von uns natürlich unter die Haut und ma­chen uns äußerst betroffen.

Aber Betroffenheit alleine hilft den Opfern nicht, sondern da hilft nur handeln. Deswe­gen war es auch ganz richtig, da eine eigene Task Force ins Leben zu rufen, um Überlegungen anzustellen: Wie können wir unseren Kindern und Jugendlichen noch mehr Schutz zukommen lassen und wie schaffen wir es, Gewalt zu verhindern?

An dieser Stelle darf ich mich bedanken bei allen, die an dieser Task Force mitbeteiligt waren, die da intensiv mitdiskutiert haben und Maßnahmen mitentwickelt haben. Ich darf auch ein Danke sagen an die Justiz, ein Danke an das Unterrichtsministerium, an die Jugendwohlfahrt, an die Gewaltschutzzentren, an alle Expertinnen und Experten, die sich mit ihrer Kompetenz und mit ihrem Wissen und mit ihrem Know-how da ein­gebracht haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich darf ganz kurz die wichtigsten Punkte herausstreichen: Das zentralste Element ist die Ausweitung des Betretungsverbots, bisher eingeschränkt auf den Wohnbereich, in Zukunft bei unmittelbar von Gewalt betroffenen Kindern eine Ausweitung auf Schule, Kindergarten und auch Nachmittagsbetreuung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 244

Und da bin ich schon etwas verwundert über den Herrn Nationalratsabgeordneten Herbert. Von ihm als gelerntem Polizisten erwarte ich mir, dass er mit der Ausweitung dieses Betretungsverbotes umgehen kann, denn das ist praktikabel und hilft, unsere Kinder noch mehr zu schützen. Und wenn Sie es nicht wissen, dann bitte ich Sie: Fragen Sie Ihre Kollegen, damit die Ihnen erklären, wie das anzuwenden ist und wie man damit umzugehen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf nun zu einem zweiten wesentlichen Punkt kommen, nämlich: Bei Missachtung der einstweiligen Verfügung eines Gerichtes kann in Zukunft eine Geldstrafe bis zu 500 € ausgestellt werden, und es ist auch die Möglichkeit gegeben, den Gewalttäter festzunehmen. Diese Maßnahmen sind vor allem wichtig, um der einstweiligen Verfü­gung auch zur Durchsetzung zu verhelfen. Das heißt, dass wir da mehr darauf schau­en können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die einzelnen Maßnahmen, die mit dieser Änderung des SPG verbunden sind, wurden schon im Detail angesprochen. Es gibt viele Maßnahmen, die zu mehr Schutz führen. Jetzt mag der eine oder die andere von Ihnen sagen: Ja, aber das ist noch immer viel zu wenig!, wie die Frau Kollegin Wind­büchler-Souschill das getan hat. Da würde ich schon ersuchen, dass man sich vor Augen führt, dass wir da einen umfassenden Werkzeugkoffer seitens der Polizei, sei­tens der Justiz und seitens der Jugendwohlfahrt zur Hand haben, wo es wichtig und notwendig ist, situativ das passende Werkzeug letztendlich anzuwenden.

Sie alle wissen, dass wir gerade im Bereich des Gewaltschutzes, im Bereich des Op­ferschutzes federführend in ganz Europa sind und weit darüber hinaus, dass wir hier Vorzeigebeispiel international sind. Wir haben auch immer wieder internationale Dele­gationen zu Gast, die an unseren Maßnahmen Anleihe nehmen, um diese dann auch in ihren Ländern umzusetzen. Das ist wohl ein Kompliment, und deswegen freue ich mich auch, dass wir es wieder einmal geschafft haben, weitere Maßnahmen zu setzen, die einen wesentlichen Beitrag dazu leisten werden, Gewalt hintanzuhalten bezie­hungsweise den Kindern und Jugendlichen noch mehr Schutz zukommen zu lassen, natürlich im Wissen, dass wir es nie schaffen werden, alle Gewalttaten zu verhindern. Das ist leider eine Unmöglichkeit. Wenn wir das könnten, wäre ich die Erste, die da vo­rangehen und das auch möglich machen würde. Wir wissen, dass wir Gewalttaten nicht zu 100 Prozent verhindern können. Aber ich glaube, dass wir jetzt einen ganz gu­ten und wichtigen Schritt nach vorne gemacht haben.

Auch an dieser Stelle an alle, die diesem Gesetz, dieser Novellierung zustimmen, ein herzliches Danke. Ein herzliches Danke auch dem Koalitionspartner, allen Expertinnen und Experten, die da mitgeholfen haben, im Speziellen auch den Sicherheitssprechern Günter Kößl und Otto Pendl. Danke! Ich glaube, wir machen da einen ganz wichtigen und richtigen Schritt. (Beifall bei der ÖVP.)

22.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Plessl gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


22.15.00

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Kinder sind unsere Zukunft, und deshalb steht ihr Schutz auch im Fokus der heutigen Debatte im Hohen Haus, insbesondere der Schutz vor Gewalt im familiären Bereich – Gewalt, die viel zu oft geheim und versteckt statt­findet und manchmal leider auch erst in einem sehr späten Stadium erkannt wird.

Diese Novelle dient dem Schutz der unmündigen Minderjährigen und ist damit eine Re­aktion auf die traurigen Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 245

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns muss bewusst sein, dass noch so viele Gesetze Einzelfälle nicht verhindern können. Das wurde von meinen Vorrednern heute schon gesagt. Trotzdem müssen wir aber die gesetzlichen Grundlagen überarbeiten, und zwar mit Vorsicht und Augenmaß, und auch abwägen, wie weit die geplanten Schutzmaßnahmen auch tatsächlich zu mehr Sicherheit führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Bedenken, die wir aufseiten unserer Fraktion gehabt haben, in einen Entschließungsantrag einfließen lassen. Dabei ist es vor allem um die Praxistauglichkeit der Gesetzesnovelle gegangen.

Ich möchte jetzt folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Kößl, Lueger, Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Sicherheitspolizeigesetzes

eingebracht bei der Debatte zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (2434 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungs­übertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013) und über den Antrag 2176/A der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheits­polizei geändert wird (2549 d.B.)

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht, so rasch wie möglich, spätestens im Laufe des Jahres 2016, eine Evaluierung der Maßnahmen im Sicherheitspolizeigesetz zum Schutz unmündiger Minderjähriger durchzuführen.“

*****

Ich ersuche auch hier um Abstimmung und Zustimmung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte aber noch einen Punkt erwähnen, der im Ausschuss vorgekommen ist, weil er, so glaube ich, sehr wichtig ist, und zwar betrifft es den § 44, der jetzt verändert wird. Da geht es – Kollege Herbert hat es schon mitgeteilt – um die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht, die endlich einmal im Rahmen der SPG-Novelle evaluiert worden ist. Es soll der Bund für die entstandenen Schäden haften.

Ich muss dazusagen: Herr Kollege Herbert, ich hätte mir von dir gewünscht oder zu­mindest gehofft, dass du dich bei der Kollegin Lueger bedankst, denn sie hat dich im Ausschuss, als du gegen deinen eigenen Antrag euphorisch eine Aussage getroffen hast, was für uns überraschend war, auf deine Ablehnung deines Antrages aufmerk­sam gemacht. Aufgrund dessen hast du dann kurz vor der Abstimmung eine getrennte Abstimmung verlangt. Ich hätte geglaubt, dass du so weit wärst, dich bei der Kollegin Lueger zu bedanken, die dich auf diesen Irrtum hingewiesen hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.18



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 246

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Werner Herbert hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bevor ich ihm das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, dass der Entschließungsantrag, der soeben eingebracht wurde, ausreichend unter­stützt ist und mit in Verhandlung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Kößl, Angela Lueger, Ridi Steibl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Sicherheitspolizeigesetzes

eingebracht im Zuge der 215. Nationalratssitzung am 4. Juli 2013 bei der Debatte zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (2434 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013) und über den Antrag 2176/A der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Si­cherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz - SPG), BGBl. I Nr. 53/2012, geändert wird (2549 d.B.)

Mit der zur Beschlussfassung vorliegenden Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes werden die bewährten Institute der Wegweisung und des Betretungsverbots bei häus­licher Gewalt auf Schulen, institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen und Horte ausgeweitet. Ziel dieser Neuerungen ist es, gefährdete unmündige Minderjährige auch an diesen Orten besser vor Übergriffen schützen zu können. Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung des Gewaltschutzes ist auch die unverzügliche Information des Kin­der- und Jugendhilfeträgers durch das einschreitende Organ des öffentlichen Sicher­heitsdienstes, unmittelbar im Anschluss an die Verhängung eines sicherheitspolizeili­chen Betretungsverbotes. Um die Wirkkraft der neuen Bestimmungen zu überprüfen ist sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht eine Evaluierung der neuen Rechtsgrundlage geplant. Diese Evaluierung soll ehestmöglich durchgeführt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht so rasch wie möglich, spätestens im Laufe des Jahres 2016, eine Evaluierung der Maßnahmen im Sicherheitspolizeigesetz zum Schutz unmündiger Minderjähriger durchzuführen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Herbert. – Bitte.

 


22.18.28

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Also offensichtlich will man den Standpunkt, den ich hier vertreten habe, nicht verstehen, oder man war unaufmerksam, sodass man dem nicht gefolgt ist, was ich hier gesagt habe.

Zum Ersten: Wir werden dieser Regierungsvorlage zustimmen, weil uns – und das ha­be ich vorhin klar festgehalten – das Kindeswohl wie auch jede Gewaltprävention in


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 247

Bezug auf Gewalt in der Familie und die dazugehörige Ausweitung der Schutzmecha­nismen – Stichwort: Gewalt in der Familie, Prävention auch bei Schulen und Kinderbe­treuungseinrichtungen – am Herzen liegen. (Beifall bei der FPÖ.)

So weit einmal die Klarstellung. Das habe ich bereits in meiner ersten Wortmeldung gesagt. Was ich aber sehr wohl kritisiert habe, ist die faktische Umsetzung, die in die­sem Gesetz die Maßnahmen sicherstellen soll. Und da darf ich gleich anmerken, dass es nicht so ist, wie es der Kollege Plessl hier fälschlicherweise gesagt hat, nämlich dass ich im Ausschuss angeblich gegen meinen Antrag gesprochen hätte. Das ist nicht der Fall.

Ich habe auch dort schon kritisiert, dass die Maßnahmen, die als vermeintliche Schutz­mechanismen hier eingebaut wurden, faktisch nicht umgesetzt werden können. Zum Beispiel halte ich es für nicht sinnvoll, dass man einem Schulleiter, der vielleicht 1 000 bis 1 200 Schüler hat und einen Lehrkörper mit mehreren hundert Lehrern, eine Ver­ständigung der Staatsanwaltschaft in die Hand drückt und sagt: Setze die erforderli­chen Maßnahmen!, ohne dass eine, wie im Gesetz nicht vorgesehen, ausdrücklich verbotene fotografische Aufarbeitung der betreffenden Person erfolgen darf, ohne dass eine Verbreitung der Daten nach dem Datenschutzgesetz zulässig ist. Das war der An­satzpunkt, den ich angeführt habe.

Ich denke mir, der Schulleiter, der mit dieser Gesetzesnovelle, wie sie hier jetzt vor­liegt, umzugehen hat, ist eigentlich ein Getriebener zwischen einerseits dem berechtig­ten Wunsch und unser aller Anliegen, dem Gesetz Genüge zu tun und dem Kindes­wohl zu entsprechen, und andererseits der fast unlösbaren Aufgabe, das faktisch um­zusetzen. Und da denke ich – und da interpretiere ich den Entschließungsantrag, den der Kollege Plessl hier soeben eingebracht hat, auch in diese Richtung –, dass hier eine Evaluierung dringend notwendig wäre und dass man das so rasch wie möglich, wie du richtig ausgeführt hast, für die Reparatur dieser, wie ich meine, dringenden An­passung durchführen sollte. – So weit die Klarstellung. Ich hoffe, damit ist klar, was die Intention der FPÖ in dieser Sache ist.

Ich denke, diese Vorlage ist eine gute Vorlage, weil sie die richtige Richtung hat. In der Sache, im Detail hapert es! Und da müssen wir daran arbeiten, das möglichst rasch zu korrigieren. (Beifall bei der FPÖ.)

22.21

22.21.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort seitens des Berichterstatters wird keines gewünscht.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 27: Entwurf betreffend SPG-Novelle 2013 in 2434 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Herbert vor.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes fol­gend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Ziffer 3, § 38a Abs. 4 Ziffer 2 lit. b in der Fassung der Regierungsvorlage.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 248

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dem die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Artikel 1 Ziffer 9 eingebracht.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Pendl, Kößl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Sicherheitspolizei­gesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 326.)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 2550 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

22.24.2429. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (2433 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Exekutivdienstzeichengesetz und das Verwundetenmedaillengesetz geändert werden (2551 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zum 29. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Abgeordneter Pack. – Bitte.

 


22.24.40

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Orden und Medaillen sind ja in Österreich nichts Neues. Bis dato hat es für den sensiblen Bereich des Innenressorts keine Möglichkeit gegeben, eine Ver­wundetenmedaille sozusagen zu verleihen. Mit dieser Novelle wird nun diese Lücke geschlossen.

Zusätzlich gibt es nun auch die Möglichkeit, Zivilpersonen mit Anerkennungszeichen für besondere Verdienste um die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung auszu­zeichnen sowie Angehörige des Wachkörpers der Bundespolizei für ihre besondere Tapferkeit im Dienst auszuzeichnen. Also Sie sehen, eine wichtige Änderung, um so­zusagen die Tradition der Ordensverleihung in Österreich weiter fortzusetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 249

Meine geschätzten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss nur ganz kurz noch eines sagen: Ich bin seit dem Jahr 2002 hier im Haus – mit einigen Unterbre­chungen –, habe noch nie eine Abschiedsrede gehalten und werde es auch jetzt nicht tun, aber da es nun definitiv eine längere Zeit sein wird, in der ich nicht hier im Haus sein werde, möchte ich Ihnen nur das Beste wünschen und vor allem, dass Sie mög­lichst bald in einem wirklich modernen, dem Anstand entsprechenden Gebäude Ihre Arbeit versehen können. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

22.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Faze­kas. – Bitte.

 


22.26.20

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache etwas, was nor­malerweise immer der Otto Pendl in so einer Situation macht – und zwar aufgrund des Umstandes, dass wir das Gesetz noch nicht beschlossen haben –, nämlich mich bei jenen, die in den Zeiten davor aus unterschiedlichen Beweggründen, aber meistens mit dem Ziel, jemanden aus höchster Gefahr und höchster Not zu retten, ihr eigenes Le­ben möglicherweise aufs Spiel gesetzt haben oder sich zumindest einer hohen ge­sundheitlichen Gefährdung ausgesetzt haben, recht herzlich und tausend Mal zu bedanken. Ob das jetzt freiwillige Helfer sind, ob das Zivilpersonen sind, ob das Mit­glieder von Einsatzorganisationen sind, allen ein herzliches Dankeschön von dieser Stelle aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass es nun möglich ist, auch Zivilpersonen auszuzeichnen und auch Exekutivbeam­tinnen und -beamte unter ganz besonderen Umständen, ist ein positives Signal. Das ist auch gut und das ist wichtig. Man soll halt bei den Zivilpersonen darauf achten, dass sie sich nicht im Übereifer, mit dem Wissen, eine Auszeichnung erhalten zu können, in Gefahr begeben, wenn das nicht notwendig ist. Das sollte man auch immer wieder da­bei bedenken.

Bei den Verwundeten-Abzeichen ist das halt so eine Sache. Ich glaube grundsätzlich nicht, dass ein Verwundetenabzeichen den durch die Verwundung hervorgerufenen Schmerz lindern wird. Aber es ist zumindest eine Dokumentation dessen, dass man sich einer besonderen Gefahr ausgesetzt hat. Und das ist in Ordnung und soll auch entsprechend honoriert werden. Daher erachte ich das auch als ein sehr positives Sig­nal, auch als Motivation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Exekutivdienstes, die tagtäglich unter sehr großen Gefahren ihren Dienst absolvieren.

In den Erläuternden Bemerkungen des Innenressorts zur Regierungsvorlage ist dabei­gestanden: Es ist bei den Tapferkeitsmedaillen mit etwa zehn pro Jahr zu rechnen, bei den Verwundetenabzeichen mit 70 pro Jahr. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir persönlich wäre es lieber, wenn es umgekehrt wäre, nämlich 70 Tapferkeitsmedail­len und nur zehn Verwundetenmedaillen. Dann wäre es ein wenig besser. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt schon alles Gute für die Polizistinnen und Polizisten. Es werden sicher viele diese Auszeichnung bekommen und vor allem auch Zivilpersonen, die plötzlich in eine Si­tuation kommen, wo es keine Zeit zum Nachdenken gibt, sondern ad hoc geholfen wird und Entscheidungen getroffen werden zur Rettung eines Menschen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 250

22.28.57

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich muss dem Kollegen Fazekas schon ein bisschen widersprechen, der hier den Eindruck erweckt hat, als ob sich die Exekutivbeamten ex­tra in Gefahr bringen würden, um eine Exekutivdienstmedaille zu erhalten. Also das ist ein Schwachsinn! Ich glaube, dass die Kollegen von der Exekutive sehr vorsichtig sind. (Abg. Riepl: Das hat er überhaupt nicht gesagt! Wieder nicht aufgepasst!)

Ich finde es auch gut, dass es jetzt Anerkennungszeichen auch bei einer Verwundung gibt. Aber viel lieber wäre den Exekutivbeamten, wenn die Frau Bundesminister ein or­dentliches Exekutivdienstgesetz schaffen würde, das nämlich dann wirklich die Auf­gaben und die Leistungen der Exekutivbeamten honoriert. Und da geht es darum, dass einmal ordentliche Bezahlung kommt und ein ordentliches Dienstsystem, sodass
die Exekutivbeamten wirklich etwas davon haben. (Beifall der Abgeordneten Schenk und Mayerhofer.)

Jede Medaille ist zwar gut und schön an der Uniform zu tragen, aber viel mehr ge­holfen ist dem Exekutivbeamten, wenn er mit seinem Gehalt auskommt, wenn er ausgeruht in den Dienst gehen kann und nicht Überstunden machen muss, damit er die Wohnung zahlen und überleben kann, und wenn er ein ordentliches Pensionssys­tem hat. Damit wäre er dann auch wirklich belohnt für die Leistungen, die er für die Allgemeinheit erbracht hat, dafür, dass wir alle gut schlafen können, dass wir alle Sicherheit haben, eines der höchsten Güter auf dieser Erde. Dort könnten Sie einmal ansetzen.

Mein Antrag liegt immer noch im Verfassungsausschuss und wurde leider nicht weiter­gereicht. Ich hoffe, dass wir das im Herbst dann durchführen können, wenn wir vom Team Stronach dann die Stärke haben werden, dass wir Anträge auch in den Aus­schüssen einbringen können und uns nicht auf die anderen Fraktionen verlassen müs­sen. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

22.30

22.30.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort wird seitens der Berichterstattung keines gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 2551 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zei­chen. – Das ist einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

22.31.1330. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (2132 d.B.): Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaub­ten Handel damit, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen ge­gen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (2552 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 30. Punkt der Tages­ordnung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 251

Ich mache darauf aufmerksam, es sind nur 11 Minuten Redezeit eingetragen.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


22.31.55

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Die Bekämpfung der international organisierten Krimina­lität und des Terrorismus bleibt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Anteil der Delikte mit internationalen Bezügen und der Anteil der Fälle, bei denen Tat­verdächtige unterschiedlicher Nationalität zusammenwirken, steigen. Nach Schätzun-gen der Vereinten Nationen werden jährlich mehrere hundert Milliarden US-Dollar von transnational organisierten Kriminellen umgesetzt.

Die Betätigungsfelder reichen vom Drogenhandel bis zur Geldwäsche, reichen aber auch weiter bis hin zu Menschenhandel und Waffenhandel. Eine wirksame Bekämp­fung dieser Form des Verbrechens ist daher nur durch internationale Zusammenarbeit und auf internationaler Ebene möglich.

Einen wichtigen Schritt hin zu verstärkter Kooperation bildet dabei die von der General­versammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Konvention gegen die grenz­überschreitende organisierte Kriminalität, ergänzt und erweitert in der Folge durch die Zusatzprotokolle gegen die Schleusung von Migranten und den Menschenhandel. Wir behandeln heute das dritte Zusatzprotokoll, in dem es gegen die unerlaubte Herstel­lung von Schusswaffen, der dazugehörigen Teile und Komponenten und Munition so­wie gegen den unerlaubten Handel damit geht.

Die illegale Herstellung und der illegale Handel mit Schusswaffen müssen mit allen Mitteln bekämpft werden, denn nur so kann man dem Terrorismus einerseits und orga­nisierter Kriminalität andererseits entgegenwirken und diesen Ressourcen entziehen. Insgesamt schaffen diese vier internationalen Verträge ein hochkomplexes Regelwerk zur Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. Vor allem aber geht es um die Signal­wirkung, denn die Verträge machen unsere Entschlossenheit deutlich, den Kampf mit der organisierten Kriminalität weltweit aufzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


22.33.40

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Empfehlung zum Abschluss dieses Staatsvertrages wurde im Innenausschuss einstimmig beschlossen. Mein Kollege Prinz hat schon einiges darüber gesagt. Die Kernstücke: Der erste Punkt: Kriminalisierung der unerlaubten Herstellung von Schusswaffen und deren unerlaubter Handel – zweiter Punkt. Dritter Punkt: mit Feuerwaffen verbundene Fälschungsdelikte. Vierter Punkt: Er­teilung von Lizenzen und Genehmigungen für die Ausfuhr, Einfuhr und Durchfuhr von Feuerwaffen. Abschließend, fünftens: Bestimmungen über gegenseitige Information, Zusammenarbeit und technische Hilfe im Sinne der Bestimmungen des Übereinkom­mens der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende Organisation von Krimina­lität.

Ich möchte noch festhalten, dass gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Nationalrat hiezu eine Genehmigung erteilen muss, jedoch keine Zustimmung des Bundesrates notwendig ist, denn durch das Abkommen werden keine Angelegenheiten des selbst­ständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 252

Meine sehr geehrten Damen und Herren, geschätzte Ministerin: Einige Kooperations­dienststellen haben sich hervorragend bewährt, dabei grenzüberschreitend gemeinsam mit den Dienststellen im Nachbarland gearbeitet. Es gibt Tätigkeiten wie gemischte Streifen, die Probleme bereiten, zum Beispiel Verständigungsschwierigkeiten. Insge­samt gesehen aber sind die Kooperationsdienststellen ein hervorragendes Werk, um gemeinsam gegen die staatenübergreifende internationale Kriminalität tätig zu werden. Es wäre schön, das verstärkt zu tun. Vielleicht sollte es weniger gemischte Polizeistrei­fen im Bezirk geben, solange die Verständigungsschwierigkeiten nicht behoben sind.

Zum Schluss noch eines: Frau Ministerin! Ich habe das schon mehrmals gesagt, ich würde Sie ersuchen, in meinem Bezirk Gänserndorf den Unterstand bei den AGM-Gruppen aufzufüllen. Vielleicht kann man bis zur Auffüllung des Unterstandes Dienst­zuteilungen von Personal für Streifen in anderen Bezirken aussetzen. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

22.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Ko­run. – Bitte.

 


22.35.55

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen selbstverständlich die Annah­me des Zusatzprotokolls zum UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, das insbesondere den unerlaubten Handel mit Schusswaffen erschweren soll.

Meine Vorredner haben mehrere Details genannt, ich werde sie nicht wiederholen. Wir werden der Vorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.36

22.36.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort wird seitens der Berichterstattung keines gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angele­genheiten, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, Protokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Schusswaffen, dazugehörigen Teilen und Komponenten und Munition und gegen den unerlaubten Handel damit, in Ergänzung des Überein­kommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Krimi­nalität, in 2132 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

22.37.1731. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2410 d.B.): Ver­einbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den weiteren Ausbau ganztägiger Schul­formen (2496 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Marek. – Bitte.

 


22.38.06

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Mei­ne Damen und Herren! Ich freue mich über den heutigen Beschluss zum weiteren, deut-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 253

lichen Ausbau der schulischen Tagesbetreuung, den wir hier einstimmig fassen wer­den. Wir investieren in Infrastruktur, in Personal, damit die Angebote dann vorhanden sind, wenn die Eltern und Kinder sie benötigen. Der Standort wird entscheiden, welche Form der schulischen Tagesbetreuung gewählt wird. Das hat sich bewährt, das wird auch weiterhin so fortgeführt, und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

Wir haben in die vorliegende Vereinbarung einzelne Neuregelungen aufgenommen, et­wa dass, wenn der Standort das haben möchte, die Betreuung bis 18 Uhr ausgeweitet werden kann. Ich glaube, das ist nicht nur im Sinne der bestmöglichen Förderung der Kinder ganz wesentlich, sondern es ist auch im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein ganz, ganz gutes Signal und eine positive Weiterentwicklung.

Meine Damen und Herren, ich möchte aber, weil ich davon ausgehe, dass der jetzt nach mir folgende Redner Elmar Mayer ohnehin im Detail auf die vorliegende Geset­zesnovelle eingehen wird, die Gelegenheit nützen, mich sozusagen in den Reigen der heute Abschied Nehmenden einzureihen und auch ein bisschen Bilanz zu ziehen.

Es ist heute meine letzte Rede in diesem Hohen Haus, in das ich vor mittlerweile knapp elf Jahren eingezogen bin. Meine Anliegen waren immer die Themen der Fami­lienpolitik. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für mich, die ich immer Allein­erzieherin war, ein ganz herausragendes Thema – no na! – gewesen, aber auch die Chancengleichheit von Frauen auf allen Ebenen.

Ein ganz zentrales Thema war für mich natürlich auch der Bildungsbereich. Gerade jetzt in meiner, ich sage einmal, sehr jungen Position der Bildungssprecherin der ÖVP. Mag sein, dass ich gerade auch in meinen eigenen Reihen mit meinen Ideen und Initia­tiven vielleicht ein bissel oft angeeckt, so manchem auch auf die Nerven gegangen bin. Vielleicht habe ich gerade auch deswegen die Chance bekommen, auch etwas durch­zusetzen und zu etwas zu kommen. Warum man etwas erreicht, ist egal, Hauptsache man kommt ans Ziel. Es ist nie Selbstzweck, es geht immer um die Sache, und ich habe so manches erreicht, worauf ich sehr stolz bin.

Ich möchte da insbesondere das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld an­sprechen, auf das ich unglaublich stolz bin. Am Anfang, als ich es das erste Mal öf­fentlich gefordert habe, habe ich noch eine Kopfwäsche bekommen. Mittlerweile ist es Realität, es ist eine echte Erfolgsgeschichte. Der Väteranteil ist mittlerweile bei 30 Pro­zent insgesamt, und wir alle sind sehr dafür, dass wir da auch weiterarbeiten. Es ist ei­ne gute Sache.

Auch das verpflichtende kostenlose Kindergartenjahr mit dem bundeseinheitlichen Bil­dungsplan ist etwas, auf das man sehr stolz sein kann. Die Verhandlungen mit den Ländern, die ich als Staatssekretärin geführt habe, waren denkbar schwierig, und Sie können sich sicher vorstellen, wie das ungefähr abgelaufen ist. Ich denke, dass wir da auch weiterarbeiten müssen. Das ist etwas, was offengeblieben ist. Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren gelingt, gerade im Bereich des Kindergartens in allen Bundeslän­dern nach einheitlichen Standards und Kriterien zu arbeiten, gemeinsam mit den Län­dern, auch bei der Ausbildung in der Elementarpädagogik. Wir haben mit der Pädago­gInnenbildung neu einen ersten Schritt geschafft, indem wir die Elementarpädagogik mit hineingenommen haben. Jetzt geht es darum, daran weiterzuarbeiten und das auch stärker zu verankern.

Meine Damen und Herren, ich habe in den elf Jahren meiner politischen Tätigkeit im Hohen Haus und in den unterschiedlichen Funktionen immer ein Prinzip hochgehalten, das mir wichtig war, nämlich dass ich mit allen Menschen, egal welcher Partei, über die Parteigrenzen hinweg, auf Augenhöhe spreche und verhandle, immer wertschätzend mit anderen umgehe. Der Respekt füreinander und auch miteinander zu reden, das ist ganz wesentlich. Das Schlimmste ist, nicht miteinander zu reden und gar nichts mitein-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 254

ander zu vereinbaren, selbst wenn dann zum Schluss keine gemeinsame Lösung he­rauskommt.

Apropos miteinander reden: Ich muss es hier auch ansprechen, meine Damen und Herren, manchmal kann man auch miteinander singen, und das geht sogar erstaunlich gut. Klar, dass ich das an dieser Stelle ansprechen muss. Die Hohe.Haus.Musik hat in sieben Jahren in vier Konzerten gemeinsam parteiübergreifend sehr viel Geld für kari­tative Zwecke ersungen und hat auch zur „Hygiene“ untereinander sehr viel beigetra­gen. (Allgemeiner Beifall.)

Es tut ganz gut, wenn Politiker vielleicht einmal positiv überraschen können, auf unge­wöhnliche Art und Weise, und das ist uns auch ganz gut gelungen. Ich danke allen, die die Hohe.Haus.Musik und die damit verbundene positive Energie singend, swingend, spendend und organisatorisch unterstützt haben.

Ich danke allen Menschen, die mich über die Jahre unterstützt haben auf unterschiedli­che Art und Weise. Alleine kann man nichts bewegen, nur gemeinsam ist man stark. Auch das habe ich zu schätzen gelernt. Insbesondere ein Danke an die, die mich in schwierigen Zeiten unterstützt haben. Da möchte ich meinen Klubobmann ganz beson­ders hervorheben, denn dann, wenn die Sonne scheint, ist es immer leicht, aber wenn es schwer ist – und ich habe schwere Zeiten erlebt –, dann ist es ganz besonders wich­tig.

Danke an Roman Kunyik und Markus Klinser vom ÖVP-Klub. Ein tolles Team und ge­rade für mich als Bildungssprecherin eine wichtige Unterstützung!

Frau Bundesministerin Schmied! Danke für die wirklich amikale Gesprächsbasis. Wir kennen uns ja schon lange. Bei allem, was vielleicht inhaltlich unterschiedlich ist, wich­tig ist, dass man miteinander reden kann, und das können wir gut. Dafür danke ich dir. Ich wünsche dir alles Gute!

Ihnen allen wünsche ich alles, alles Gute, viel Kraft! Es braucht viel Kraft, es braucht viel Energie. Ich wünsche Ihnen viel positive Energie und alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

22.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Marek, ich wünsche Ihnen auch wirklich alles Gute. Und hätten Sie es nicht angesprochen, hätte ich es getan. Ich weiß jetzt nicht, wie es weitergehen wird mit Hohe.Haus.Musik, aber vielleicht können Sie die Stafette noch an jemanden übergeben, solange Sie noch im Haus sind. Es wä­re schade, wenn dieses Projekt verlorengehen würde. Ich wünsche Ihnen alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 


22.45.27

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden der Artikel-15a-Ver­einbarung über den weiteren Ausbau ganztägiger Schulformen wie auch schon im Aus­schuss zustimmen, damit insbesondere bei berufstätigen Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt wird. Auch für Kinder von alleinerziehenden Elternteilen ist ein ganztägiges Schulangebot notwendig.

Ab dem Jahre 2014 werden jährlich 160 Millionen € in den Ausbau der schulischen Ta­gesbetreuung investiert, und bis zum Schuljahr 2018/19 sollen rund 200 000 Plätze ge­schaffen werden. Das ist eine sehr hohe Zahl, und da stellt sich die Frage: Gibt es auch so einen großen und so hohen Bedarf? Voraussetzung muss sein: Bevor ein Schulerhalter großzügig und qualitätsvoll ausbaut, muss auch der Bedarf sichergestellt sein, und nicht umgekehrt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 255

Mir ist von einigen Gemeinden bekannt – und ich kenne eine Gemeinde davon sehr gut –, dass da vorerst großzügig und qualitätsvoll ausgebaut worden ist. Erst nachher ist erhoben worden, ob auch der Bedarf gegeben ist, und das war nicht der Fall. So sind Jahre vergangen. Also umgekehrt wäre eigentlich der richtige Weg.

Für uns ist auch Wahlfreiheit wichtig, die muss auch im Vordergrund stehen, egal in welcher ganztägigen Schulform, ob mit einer reinen Nachmittagsbetreuung nach dem Unterricht oder auch verschränkte Ganztagesschulen, in denen sich Unterricht und Frei­zeit abwechseln.

Zum Abschluss möchte ich noch die Wertschätzung von Eltern ansprechen, und zwar jener Eltern, die die ganztägige Schulform nicht in Anspruch nehmen und ihre Kinder am Nachmittag selbst betreuen, denn genau bei denjenigen Eltern erspart sich der Staat sehr, sehr viel Geld. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wal­ser. – Bitte.

 


22.47.57

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Auch ich möchte meine Glückwünsche, die besten Wünsche jedenfalls für die Zukunft an Christine Marek richten. Ich habe sie in den kurzen Wochen und Monaten als sehr angenehme Gesprächspartnerin erlebt, als eine, auf deren Wort man bauen konnte, mit der man auch unter vier Augen schwierige Dinge besprechen konnte. Das habe ich sehr geschätzt. Ich wünsche dir alles Gute!

Als dein Nachfolger im Parlamentschor eigne ich mich nicht. Ich bin zwar als lauter Sänger bekannt, aber, sagen wir so: Die Qualität, muss ich gestehen, ist nicht unbe­dingt überzeugend. Also diesbezüglich wird sich wer anderer finden müssen. – Dir je­denfalls alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zum Gesetz, das wir hier beschließen: Es ist ein sehr erfreuliches. Wir haben jahrelang darum gekämpft, dass beispielsweise auch Schulen in freier Trägerschaft, Schulen mit Öffentlichkeitsrecht eingebunden werden in die Nachmittagsbetreuung, dass sie eben­falls Förderung bekommen. Das wird nun gewährleistet. Das ist gerade für diese Schulen geradezu überlebensnotwendig, denn die Situation ist für viele in den vergan­genen Jahren sehr kritisch geworden, obwohl wir ja einiges verbessern konnten vor drei Jahren. Inzwischen ist durch den Ausbau der Schulen in freier Trägerschaft die Fi­nanzsituation doch eine schwierigere geworden.

Wir begrüßen natürlich insgesamt den Ausbau, die Verdoppelung der Mittel bis 2018. Ich glaube, das ist ein großer Schritt in Richtung einer modernen Schule.

Frau Ministerin, Sie sehen, wenn es in die richtige Richtung geht, sind die Grünen an Ihrer Seite. Ich hoffe, dass jetzt die Schulen auch mit Essräumen, mit Aufenthaltsräu­men, mit Räumen zur Freizeitgestaltung, Musikzimmern et cetera ausgestattet werden, dass es die Möglichkeit geben wird, Hausübungen in Ruhe zu machen, Sport zu be­treiben und so weiter und so fort. Das ist ein enorm wichtiger Schritt. Auch der Ausbau des integrativen Betreuungsangebotes wird von uns sehr begrüßt.

Ein kritisches Auge werden wir auf die Qualitätssicherung legen. Das habe ich im Ausschuss auch schon gesagt. Ich bin mir nicht so sicher, dass wir das Geld dann auch überall optimal einsetzen können. Nicht überall ist das Bewusstsein vorhanden, dass diese Nachmittagsbetreuung mehr als nur Betreuung ist, dass es sich dabei auch um eine pädagogisch wichtige Maßnahme handelt. Daher hoffen wir, dass dieses Geld hauptsächlich in jene Bereiche geht, wo wir verschränkten Unterricht und die Möglich­keit haben, dass Lernen auch dann stattfindet, wenn man es nicht unbedingt erwartet:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 256

in der sogenannten Freizeit, in der Kinder untereinander und mit den Lehrerinnen und Lehrern kommunizieren. Gerade im verschränkten Unterricht ist das möglich. Es schafft eine lernanregende Umgebung, und darauf kommt es an. Ganz zu schweigen vom sozialen Lernen, das in solchen Unterrichtsformen stattfinden kann. Kinder, die miteinander kommunizieren und auskommen müssen, die mit ihren Lehrkräften aus­kommen und kommunizieren müssen, lernen sehr viel auch in Bereichen und in Pha­sen, von denen andere glauben, es handle sich um keine Lernphasen.

Daher begrüßen wir das und sind sehr froh, dass doch eine Initiative in die richtige Richtung gesetzt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Haubner gelangt zu Wort. – Bitte.

 


22.52.44

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Prä­sidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Christine! Auch ich als Bildungsspre­cherin des BZÖ wünsche dir alles Gute für deine weitere aktive Zukunft. Persönlich bedanke ich mich für die vielen interessanten Gespräche, die wir geführt haben, vor allem, wenn wir uns gegenseitig über Sinn und Unsinn der Zuverdienstgrenze überzeu­gen wollten. (Abg. Marek: Ach so, ja!) Wir haben es nicht geschafft. Ich bedanke mich auch dafür, dass du im Rahmen der Hohen.Haus.Musik mein musikalisches Talent zu­mindest für kurze Zeit erkannt hast. Alles Gute! Ich bin mir sicher, dass du weiter eine sehr aktive Zukunft vor dir hast.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir werden diesem Ausbau der Tages­betreuung natürlich zustimmen. Die Mittel werden aufgestockt und das Tagesbetreu­ungsangebot wird in zumutbarer Entfernung zum Wohnort dort, wo es gebraucht wird, ausgebaut. Es besteht auch die Möglichkeit, dass regional übergreifend ausgebaut wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich wieder mein immerwährendes Thema der Ab­schaffung der Schulsprengel erwähnen. Mittlerweile hat ja auch das Burgenland diese Schulsprengel abgeschafft. Schulsprengel verhindern, dass diese Betreuungsangebo­te, diese Ganztagesangebote auch regional und bezirksübergreifend eingerichtet wer­den können. Diese Hindernisse haben in der heutigen Zeit eigentlich keinen Platz mehr.

Sehr positiv finden wir, dass es ganz klare Qualitätskriterien gibt, das heißt die Sicher­stellung einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Ich denke nur an unseren Sechs-Parteien-Antrag für die tägliche Bewegungseinheit, den wir beschlossen haben. Dabei ist es auch sehr wichtig, je nach Region vor Ort mit den Vereinen gut zu kooperieren. Wichtig ist auch, dass klar geregelt ist, dass die Aufenthaltsräume, die Spielplätze und so wei­ter dementsprechend ausgestattet werden sollen und das Geld dafür verwendet wird.

Was ich im pädagogischen Gesamtkonzept auch sehr begrüße, ist, dass es möglich ist, Lernbetreuung, Förderunterricht, aber auch Begabtenförderung einzuplanen. Denn das, glaube ich, ist in Zukunft ganz wichtig. Das macht auch diese Ganztagsschule so sinnvoll, dass all diese Lernarbeiten, Förderungen und so weiter in der Schule abge­deckt werden.

Dann hört sich auch einmal die Diskussion auf, die jedes Jahr wieder in Erscheinung tritt, wenn es heißt, wie viel Geld die Eltern für private Nachhilfe ausgeben. Das ist der­zeit ein sehr großer Brocken, das geht in viele Millionen. Es sind immerhin 21 Prozent der Schüler in Österreich, die private Nachhilfe brauchen. Die Eltern können es sich nicht alle leisten. Das ist schon einmal die große Ungerechtigkeit. Andererseits wirft es auch kein gutes Bild auf unser Bildungssystem, wenn wir so viele Nachhilfeschüler haben. Da besteht aber eine große Chance im Bereich der Ganztagesbetreuung, im


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 257

Bereich der Ganztagsschulen, und ich denke, das Angebot muss da sein. Die Eltern sollen im Rahmen der Schulpartnerschaft entscheiden, welches Angebot sie anneh­men. Das ist richtig und gut so.

Das ist also heute ein Beschluss, der in die richtige Richtung geht, vor allem auch in die Richtung, dass Schule immer mehr zum Lebensraum wird, und dieser Lebensraum auch den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entsprechend gestaltet werden soll. (Beifall beim BZÖ.)

22.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Marko­witz. – Bitte.

 


22.57.01

Abgeordneter Stefan Markowitz (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Christine, ich muss sagen, als Bildungssprecher des Team Stronach habe ich dich viel zu spät kennen gelernt. Was ich an dir schätze, habe ich auch viel zu spät kennen gelernt: Du verhandelst auch mit der Opposition, wenn du nicht unbedingt davon ausgehen kannst, dass wir die Zweidrittelmaterie gemeinsam umsetzen können. Das hat mir aber insofern gefallen, weil wir das ernst genommen ha­ben und wir deshalb auch später zustimmen werden. Wenn ein Wille da ist, und das zeichnet eben eine große Partei aus, wenn man gemeinsam etwas erreichen will, dann kann man es schaffen. Da sage ich danke, das zeichnet dich aus. Ich wünsche dir auch alles Gute auf dem weiteren Lebensweg, vor allem auf dem beruflichen Weg. (Beifall der Abg. Schenk sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Antrag, den wir heute beschließen, geht absolut in die richtige Richtung. Wir haben jetzt gerade das Vergnügen gehabt, in „60 Minuten Politik“ gemeinsam zu diskutieren. Ich glaube, dass es vor allem wichtig ist, dass man die Eltern entlastet. Hier machen wir etwas, was, glaube ich, der absolut richtige Schritt ist: Wir versuchen, eine Ganz­tagsschule ins Leben zu rufen, bei der man davon ausgehen kann, dass sie am Ende des Tages funktioniert.

Ich finde verschränkten Unterricht gut, das sage ich ganz ehrlich. Man muss sich nur einmal trauen, das umzusetzen. Vielleicht schaffen wir das auf lange Sicht auch wirk­lich, Kollege Mayer. Auf lange Sicht wird es auch nicht anders gehen.

Wir haben das schon oft diskutiert. Wir müssen Geld in Schulgebäude investieren. Wir brauchen einfach mehr Platz für die Lehrer, das ist ganz klar. Wir haben jetzt bei der täglichen Turnstunde geschaut – sie heißt nur symbolisch tägliche Turnstunde, weil sie ja trotzdem auf zwei Stunden gekoppelt werden muss. In einer Stunde geht es sich nicht wirklich aus: umziehen, turnen, und dann bist du schon wieder in der Klasse.

Frau Ministerin, das heißt, da werden wir Geld brauchen, das wir in die Infrastruktur stecken müssen. Ich gehe davon aus, dass das, wenn wir es in einer gescheiten Re­form machen, auf lange Sicht funktionieren wird. Da geht es absolut in die richtige Richtung.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Den Lehrplan werden wir anpassen müssen, wenn wir schon in diese Richtung gehen. Das dürfen wir auf lange Sicht sicher nicht ver­gessen. Dann, glaube ich, ist es ein richtiger Schritt, und ich hoffe, dass es am Ende des Tages nicht nur den Eltern, sondern auch unseren Kindern hilft. – Vielen Dank. (Beifall der Abg. Schenk.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 258

22.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Ru­das. – Bitte.

 


22.59.41

Abgeordnete Mag. Laura Rudas (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Auch ich möchte natürlich Kollegin Christine Marek alles Gu­te wünschen, die ich als sehr umgängliche, nette und verlässliche Kollegin kennen ge­lernt habe. Alles Gute für ihre berufliche Zukunft! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Selten wurde ein Reformschritt so positiv bewertet. Das ist wieder ein Puzzlestück mehr zu einer großen Veränderung in der Bildungspolitik. Dass wir ganztägige Schul­formen mit verschränktem Unterricht brauchen, zeigen ja nicht nur alle Studien, alle in­ternationalen Beispiele, sondern auch alle Beispiele in Österreich. Dass hier Bedarf be­steht, sieht man ja schon daran, dass alle Privatschulen, für die Menschen bereit sind, sehr viel Geld auszugeben, ganztägige Schulen mit verschränktem Unterricht sind.

Ich meine, dass Kinder und Familien es verdienen, dass Bildung in der Schule statt­findet und man nicht jeden Abend damit verbringen muss, mit den Kindern selbst Hausaufgaben zu machen, oder viel Geld für Nachhilfe ausgeben muss. (Abg. Dr. Gla­wischnig-Piesczek: Genau!) Man soll sich mit den Kindern über ihre Sorgen, ihre Ängste, ihre Wünsche, ihre Träume unterhalten können, und Bildung soll, wie gesagt, in der Schule stattfinden. Diesen Bedarf spürt jede Mutter, jeder Vater, aber auch jedes Kind.

Ich sehe diese Reform daher als einen großen Schritt in die richtige Richtung, nämlich in Richtung flächendeckendes Angebot ganztägiger Schulformen mit verschränktem Unterricht. Das heißt, das ist nicht nur ein Schritt in Richtung besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern vor allem auch ein Schritt hin zu Chancengerechtigkeit und zu einer besseren Schule für unsere Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

23.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin Dr. Schmied gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


23.01.52

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, liebe Frau Abgeordnete, liebe Christine Marek, auch von mir ein herzliches Danke für die professionelle Zusammenarbeit. Danke vor allem aber auch für deine freundschaftliche Kooperation, und ich wünsche mir einfach, dass wir weiter in Kontakt bleiben. Vielen, vielen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute hier in großer Eintracht und Zufriedenheit ein wichtiges Thema für die Schulentwicklung, den Artikel-15a-Ver­trag zum Ausbau der schulischen Tagesbetreuung in den beiden Varianten verschränkte Ganztagsschule und schulische Nachmittagsbetreuung, auch mit dem Zugang, Wahlfrei­heit für die Eltern anzubieten.

Da bin ich gleich bei einem wichtigen Thema, das Sie, Frau Abgeordnete Haubner, be­reits angesprochen haben: Wahlfreiheit für die Eltern. Ich freue mich sehr, dass das Burgenland jetzt mit dem Instrument, Berechtigungssprengel einzurichten, den Eltern diese Wahlfreiheit tatsächlich ermöglicht. Ich hatte erst letzte Woche die Gelegenheit, in Vorarlberg mit Frau Landesrätin Mennel Gespräche zu führen. Auch Vorarlberg denkt darüber nach. Ich glaube, dass das ein konsequenter nächster Schritt ist, dass wir gerade im Pflichtschulbereich – wir sprechen da von Volksschulen, Hauptschulen, Neuen Mittelschulen in allererster Linie – den Eltern dann auch tatsächlich die Wahl­freiheit ermöglichen und in einer erreichbaren Nähe zum Wohnort ein entsprechendes schulisches Angebot schaffen, wie wir das ja seinerzeit, Herr Abgeordneter Amon, schon überlegt und konzipiert haben. Das können wir jetzt umsetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 259

Es geht schlicht und einfach um lebenspraktische Lösungen für die Eltern, damit Beruf und Familie vereinbar sind. Es geht aber auch um Chancengerechtigkeit, vor allem auch für jene Kinder, die in Familien aufwachsen, in denen zu Hause nicht Deutsch ge­sprochen wird, die vielleicht aus sozial schwächeren Schichten kommen. In ganztägi­gen Schulformen ist einfach auch die Förderung der jungen Menschen gut und besser möglich.

Ich bedanke mich ganz besonders bei Gemeindebundpräsident Mödlhammer und bei Landeshauptmann Wallner für die ständige Initiative und den permanenten Rücken­wind bei diesem Projekt. Es ist ja auch sehr naheliegend, dass sich der Herr Landes­hauptmann und auch der Gemeindebundpräsident dafür stark machen, denn es geht um Planungssicherheit und Finanzierungssicherheit in allererster Linie auch für die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen. Sie sind, wie Herr Abgeordneter Markowitz schon ausgeführt hat, als Schulerhalter ja für die entsprechende Infrastruktur verant­wortlich. In diesem Sinn werden die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen zu immer wichtigeren Schulpartnern, weil sie erkennen, dass es ein hoher gesellschaftlicher Wert ist, eine gute Schule im Ort zu haben und damit zufriedene Bürger und Bürgerinnen, die in den meisten Fällen ja auch Eltern, Großeltern sind, mit der Kinderbetreuung be­fasst sind. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Ich lege großen Wert darauf, dass die öffentlichen Schulen in ihrem Leistungsangebot und in der Wettbewerbsfähigkeit mit dem Privatschulangebot mithalten können.

Deshalb ist das eine solch wichtige Initiative. Deshalb ist dieser Beschluss so wichtig, und ich freue mich – im Unterrichtsausschuss hat es ja schon danach ausgeschaut –, dass alle im Parlament vertretenen Parteien dieser Initiative zustimmen. Vielen Dank. Danke auch für die gute Diskussion im Unterrichtsausschuss. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


23.06.21

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs auch Christine Marek danke sagen. Wir haben dich nicht so lange hier erlebt, aber wir haben uns an dich gewöhnt, und eigentlich ist es schade, dass du uns verlässt. Du hast viel dazu beigetragen, dass wir gerade in der letzten Zeit einen sehr produktiven Ausschuss gehabt haben, und da­für recht herzlichen Dank, Christine! (Beifall bei der ÖVP.)

Mit der vorliegenden Artikel-15a-Vereinbarung gelingt es uns, die verschiedensten In­teressen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu bündeln und einen klaren Fahr­plan bis 2018/2019 vorzugeben, die Ganztagesbetreuung auszubauen, zu optimieren und an die Anforderungen anzupassen. Die Zahl der Plätze wird gesteigert, die Mittel werden verdoppelt, und das Ziel, für 30 Prozent der 6- bis 14-Jährigen Ganztagesbe­treuung anbieten zu können, können wir damit erreichen.

Ich meine, insgesamt geht es darum, dass wir die Wahlfreiheit beibehalten, dass wir Kapazitäten dort schaffen, wo wir Kapazitäten brauchen und wo es Bedarf gibt. Ziel muss es sein, die Angebote bei der Tagesbetreuung entsprechend attraktiv zu gestal­ten, damit sie auch von Eltern und Kindern angenommen werden. Ziel muss es auch sein, Tagesbetreuung auch so anzubieten oder vorzufinden, dass sie nicht so weit vom Wohnort entfernt ist. Ich komme aus einer ländlichen Region und glaube, dass wir ei­nerseits unbedingt städtischen Ballungsräume, andererseits aber auch die ländlichen Regionen berücksichtigen müssen, wo es durchaus auch Bedarf gibt. Ich finde es äu­ßerst sinnvoll, dass es möglich ist, diese Tagesbetreuung auch gemeindeübergreifend anzubieten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 260

Wichtig ist auch – ich glaube, das steigert insgesamt die Akzeptanz der Tagesbetreu­ung –, dass die Entscheidungen vor Ort gefällt werden, dass die Bürgermeister einge­bunden werden und aus föderaler Sicht entschieden wird.

Gemeindebundpräsident Mödlhammer hat hier ja federführend mitgewirkt und auch einige Wünsche geäußert. Die Ziele sollten uns also nicht ausgehen. Insgesamt wird mehr Mitsprache für die Schulerhalter eingefordert. Es wird gefordert, dass auch am Nachmittag mehr Lehrer an den Schulen sind. Die Erwartung der Eltern ist gegeben, dass die Kinder bei Hausaufgaben, beim Üben und Lernen besser unterstützt werden. Auch dass die Anstellungsverhältnisse idealerweise einheitlich bei den Ländern sein sollten, ist ein Wunsch des Gemeindebundes.

Der Fahrplan ist also festgelegt. Es geht darum, dass wir das Ganze jetzt zum Wohle der Kinder umsetzen, und natürlich auch darum, dass wir die Herausforderungen, ge­rade was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft, bewältigen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

23.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


23.09.21

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Das gemeinsame Ziel von Bund und Ländern, das Angebot an schulischer Tagesbetreuung bis zum Schuljahr 2018/2019 auf rund 200 000 Plätze auszuweiten, ist äußerst begrüßenswert.

Der Ausbau der schulischen Tagesbetreuung und die verschränkte Ganztagsschule sind ein wesentlicher und wichtiger Reformschritt, der sowohl höhere Bildungschancen für unsere Schülerinnen und Schüler als auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bringt. Gerade gesellschaftspolitische Veränderungen erfordern heutzuta­ge solche Modelle.

Kinder mit Lernschwächen können dadurch besser und gezielter gefördert werden, was wiederum eine Erhöhung des Bildungserfolges für die Kinder bedeutet.

Das Schuljahr 2012/2013 neigt sich auch in der Steiermark dem Ende zu, und wenn man die IFES-Studie, erstellt im Auftrag der Arbeiterkammer Steiermark, näher an­sieht, so erkennt man bedauerlicherweise sehr wohl, dass nach wie vor Millionen für Nachhilfe ausgegeben werden, auch wenn die Ausgaben gesunken sind. Steirische Eltern haben im laufenden Schuljahr rund 10 Millionen € für Nachhilfe ihrer Kinder aus­gegeben. Und meine Erfahrungen als Pädagogin zeigen sehr wohl, dass die Zukunft der Ganztagsschulen sicher in der verschränkten Form liegt, wo sich Unterricht-, Lern- und Freizeitphasen abwechseln, wo individuelle ganztägige Förderung mit Sicherheit die teuren Nachhilfestunden reduziert und somit auch die Eltern finanziell entlastet. Des Weiteren haben die Eltern mit ihren Kindern am Abend Freizeit und keine Lernzeit mehr.

Daher erscheint es mir besonders wichtig, dass in Zukunft die verschränkte Ganztags­schule gleichberechtigt mit der herkömmlichen Tagesbetreuung angeboten wird, denn ich bin schon sehr davon überzeugt, dass diese Form in Zukunft auch eine zentrale Rolle spielen wird. Gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass noch viel Überzeu­gungs- und Informationsarbeit vor uns liegt. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Ganz­tagsschule mit verschränktem Unterricht eines Tages als Regelschule geführt wird.  Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Lettenbich­ler. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 261

23.11.58

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Es freut mich, dass wir heute diesen wichtigen Schritt set­zen und dieser Schritt parteiübergreifend erfolgt. Es ist jetzt schon öfter das Schlagwort der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefallen, ich möchte diesen Punkt noch ein wenig herausarbeiten.

In diesem Gesetz, in dieser Vereinbarung gibt es erstmals auch die Fördermöglichkeit bis 18 Uhr, dass Kinderbetreuungstagesstätten gefördert werden. Und das ist, glaube ich, jetzt erstmals eine reelle Möglichkeit und ein wichtiger Schritt, dass es Elternteilen, ob alleinerziehend oder in einer Partnerschaft lebend, tatsächlich nun ermöglicht wird, auch ganztägige Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse einzugehen. Oftmals war das bis­her nicht möglich, da die Elternteile daran gebunden waren, wann das Kind aus der Schule kommt, damit man sich darum kümmern kann. Dies ging bis hin zu der Frage, welchen Beruf man vielleicht sogar ergreifen musste oder welches Beschäftigungsaus­maß man sich zumuten konnte.

Jetzt, glaube ich, ist es so, dass man Frauen – es ist ja allgemein bekannt, dass Frau­en in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen ihr Geld verdienen – die Möglichkeit gibt, aus diesem zeitlichen Korsett herauszukommen und tatsächlich eine Ganztagesarbeit an­zunehmen. Das bringt natürlich auch eine Einkommensverbesserung mit sich, die vor allem für die Frauen wichtig ist – denn oftmals waren Frauen bis jetzt in den klassi­schen Berufen, die wir alle kennen. Immer noch 60 bis 65 Prozent der jungen Frauen, die eine Lehre ergreifen, sind in den klassischen drei Berufen, Friseurin, Bürokauffrau oder Einzelhandelskauffrau, zu finden. Und das ist nicht gut so, da das Berufe sind, die nicht immer gut bezahlt sind.

Junge Mädchen werden jetzt schon auch – vielleicht auch, weil sie wissen, dass es später einmal möglich ist, auch ganztägig zu arbeiten, wenn sie nach der Karenz wie­der zu arbeiten beginnen – andere Berufe ergreifen, vor allem im technischen Bereich. Die Wirtschaft hat ja großen Bedarf. Und es wäre natürlich auch für die Einkommens­situation wünschenswert, wenn sich mehr Frauen in technischen Berufen engagieren würden. Sie wissen jetzt schon in jungen Jahren, dass später die Möglichkeit besteht, dass sie nach der Karenz in einem Ganztagesverhältnis in einem technischen Beruf ar­beiten. Bisher waren sie oftmals beschränkt auf eben diese klassischen drei Berufe.

Wichtig ist mir, die Wahlfreiheit noch einmal hervorzuheben.

Es werden knapp 500 Millionen € in den nächsten fünf Jahren ausgegeben. Das ist ei­ne Riesensumme, aber eine gut investierte Summe. Und es freut mich, dass heute hier alle zustimmen.  Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Elmar Mayer.)

23.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. – Bitte.

 


23.15.02

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministe­rin! Hohes Haus! Es ist sehr gut und wichtig, dass wir diese Artikel-15a-Vereinbarung über den weiteren Ausbau und die Quasiverdoppelung von ganztägigen Schulformen noch in dieser Gesetzgebungsperiode beschließen können. Die Vorteile von ganztägi­gen Schulformen überzeugen mittlerweile. Kinder und Jugendliche profitieren in ihrer Persönlichkeit und Leistungsbereitschaft davon, dass abwechselnd gelernt, gefördert, gespielt und auch gemeinsam gegessen wird. Ein derartiges Angebot fördert darüber hinaus die Integration von SchülerInnen mit Migrationshintergrund.

Nicht zu vergessen ist, dass erstklassige Schulen wichtige Standortfaktoren auch für die Gemeinden sind. Es kann damit qualitative Betreuung stattfinden, und außerdem


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 262

schont die Schule ohne Schultasche nicht nur den Rücken der Kinder, sondern auch das Familienbudget, das oft durch die Kosten für Nachhilfe besonders belastet wird.

Durch den größeren Zeitrahmen wird es auch möglich, kreative und sportliche Angebo­te anzubieten, und diese können nunmehr auch flexibler bis 18 Uhr organisiert werden. Bis zum Schuljahr 2016/2017 können somit österreichweit 147 000 Plätze in der Ta­gesbetreuung flächendeckend entstehen und zwischen 2011 und 2018 mehr als 5 500 Arbeitsplätze geschaffen werden. Nach wie vor bleibt die Wahlfreiheit zwischen Halb- und Ganztagsschule bestehen, aber eben die Wahlfreiheit vor Ort, mit zumutba­rer Entfernung zum Wohnort in allen Regionen und vor allem auch im ländlichen Raum. Gerade dort gibt es einigen Aufholbedarf, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft.

Schließlich geht es auch darum, Bildung chancengerechter zu machen. Die Bildungs­nachteile können so sicher besser ausgeglichen werden.

Lassen Sie mich abschließend in meiner letzten Rede heute im Plenum einige persön­liche Worte anbringen. Als Mitglied im Unterrichtsausschuss möchte ich die umfangrei­chen Diskussionen über die ganz vielen Bildungsthemen und auch jene rund um das Bildungsvolksbegehren nicht missen. Ich freue mich besonders, dass ich als Päda­gogin diese Zeit, in der 61 Reformen im Bildungsbereich, darunter Meilensteine wie die Neue Mittelschule oder eben auch die ganztägigen Schulformen, beschlossen werden konnten, miterleben durfte. Ich gratuliere dir, liebe Frau Ministerin, und auch dir, lieber Elmar Mayer, dazu ganz besonders.

Erwähnen möchte ich auch noch einmal die intensive Zeit als Sprecherin für Petitionen und Bürgerinitiativen und die konstruktive Zusammenarbeit mit den SprecherInnen und Ausschussmitgliedern in diesem Gremium.

Danke meinem Klub und den KollegInnen sowie den Sekretärinnen und Sekretären im Klub und den ParlamentsmitarbeiterInnen für die freundliche und gute Unterstützung in den letzten mehr als sechs Jahren. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordne­ten von ÖVP und FPÖ.)

Liebe Christine Marek, ich konnte mich auch zweimal sängerisch im Parlamentschor Hohes Haus einbringen, eine besonders spannende Facette in diesem Hohen Haus. Danke dafür und dir weiterhin alles Gute!

Allen Abgeordneten möchte ich alles Gute wünschen und viel Kraft für die Herausfor­derungen in der kommenden Gesetzgebungsperiode! (Allgemeiner Beifall.)

23.18


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


23.19.00

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Selten ist ein Gesetz so feierlich und mit solch einer Abschiedsstimmung verabschiedet worden, ein solch wichtiges Gesetz. Ich darf mich natürlich auch im Namen unserer Fraktion ganz offiziell bei jenen, die schon ihren Abschied angekündigt haben, recht herzlich bedanken: Ursula Haubner, die es schon gesagt hat, unser Franzi Riepl, der immer wieder im Berufsschulwesen ... (Abg. Ursula Haubner: Ich habe meinen Abschied noch nicht bekannt gegeben!) – Aber du hast bereits gesagt, dass du nicht mehr kandidierst, jetzt im bildungspolitischen Be­reich. Ich darf dir trotzdem Danke sagen! (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Abg. Ursula Haubner.)

Unser Franzi Riepl, Rosa Lohfeyer, sie alle sind wichtige Leute, glaube ich, die in die­sem Bereich entscheidend mitgewirkt haben, dass wir diese 61 Reformschritte setzen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 263

konnten. Dazu gehört natürlich aus meiner Sicht auch Kollege Werner Amon, der über Jahre hinweg mit mir gemeinsam zusammen mit dem Ressort viele Dinge auf Schiene gebracht hat. Auch dir recht herzlichen Dank.

Und natürlich seine charmante Nachfolgerin, Christine Marek, die vieles mit Charme gemacht hat – Kollege Walser hat es schon gesagt –, was man dann oft auch ge­braucht hat, um den einen oder anderen Knoten zu lösen. – Vielen Dank für deine Mit­arbeit, für deine angenehme Zusammenarbeit, dass wir, wenn es auch nur kurz war, doch recht erfolgreich gemeinsam arbeiten konnten.

Ich möchte an das anschließen, was Kollege Walser gesagt hat – er sagt es ja nicht re­gelmäßig und nicht oft –, aber das, was wir heute beschließen, ist ein großer Schritt in der Bildungspolitik. Ich meine, wir haben viele solche Schritte gemacht. Ich erinnere an die Verkleinerung der Klassen – ein ganz, ganz wichtiger Schritt –, an die Bildungs­standards, die wir eingeführt haben, an die Neue Mittelschule, an den Weg dorthin, da­mit in der Sekundarstufe 1 der 10- bis 14-Jährigen ein entsprechender Schub kommt. Wir haben die Oberstufenreform jetzt einmal auf die erste Schiene gebracht, damit wir auch dort entsprechende Maßnahmen setzen können, bis hin zur neuen Matura.

Also viele, viele Dinge sind auf Schiene gebracht worden. Und auch heute ist das ein Herzstück der Bildungspolitik. Stellen wir uns einmal vor, was wir eigentlich wollen, wenn Kinder, wenn Jugendliche in die Schule kommen. Wir wollen, dass sie glücklich sind, dort viel lernen, Freude und Spaß haben, Begeisterung haben, dass sie eine ge­sunde Jause bekommen, ein Mittagessen bekommen und dann, wenn sie nach geta­ner Arbeit und nach Übung und Erholung und Sport und Freizeit um 16, 16.30, 17 Uhr nach Hause kommen, die Schultasche in der Schule lassen können und dann zufrie­den das Familienleben genießen können – so, wie man sich Schule vorstellt, wie es auch in vielen Ländern üblich ist.

Dafür setzen wir heute die ersten Schritte, mit diesen zusätzlichen 320 Millionen €, die wir zur Verfügung stellen – Ländern und Gemeinden –, damit man die Maßnahmen setzen kann. Das ist ein Schritt dazu, dass wir tatsächlich frohe Kinder, lernfreudige Kinder haben, und das ist schließlich eine Investition wert; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die nächste Generation, das sind jene Leute, die dann hier sitzen wer­den, wenn wir längst nicht mehr da sind.

In diesem Sinne: Vielen Dank für diesen einstimmigen Beschluss, und ich meine, das ist eine gute und wichtige Entscheidung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.22

23.22.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, dem Ab­schluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG in 2410 der Bei­lagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die hiezu zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

23.22.5432. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverfas­sungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-


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Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013) (2498 d.B.)

33. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2411 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (2497 d.B.)

34. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2436 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird (2499 d.B.)

35. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2427 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Unterrichts­praktikumsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsge­setz – Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Bereich Dienstrecht) (2500 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zu den Punkten 32 bis 35 der Tages­ordnung.

Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


23.23.09

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Nun, es sind vier Punkte, die hier in einem verhandelt werden. Zwei Punkte betreffen die Umsetzung, die Frage der Landesverwaltungsgerichte. Keine Frage, dass man dem zustimmen kann.

Interessanter wird es dann schon bei der Frage der Schülerbeihilfe. Die ist ja so ge­regelt, dass man gesagt hat: Es gibt Begabtenförderung. Es gibt soziale Gründe, um entsprechende Beihilfen zu geben. Was macht man? – Und es nicht die Not oder der Druck, dass man jetzt sagt: Wir müssen Geld sparen oder es funktioniert so nicht!, nein, es gibt nur mehr soziale Bedürftigkeit. Die Frage, ob jemand begabt ist, wird kom­plett ausgeklammert. Und da glauben wir, dass das der falsche Ansatz ist.

Neben der Notwendigkeit, für sozial Bedürftige selbstverständlich Mittel zur Verfügung zu stellen, dass sie sich auch den Schulbesuch leisten können, respektive deren El­tern, sollte es doch auch ein Anliegen einer Gesellschaft sein, jungen Menschen zu zeigen: Wenn du dich einbringst, wenn du etwas leistest, wenn du Leistung erbringst, kannst du davon auch etwas haben! – Das ist nämlich etwas, was man im späteren Leben durchaus auch brauchen kann, wenn man eine Leistungsgesellschaft haben möchte. Wenn man das nicht haben möchte, dann muss man es eben auch anders machen. Wir wollen jedenfalls auch eine Leistungsorientierung haben, und daher leh­nen wir diese Gesetzesreform ab.

Aber es ist aufgrund des entsprechenden Beschlusses dazu gekommen, dass auch noch ein weiterer Tagesordnungspunkt eingefügt wurde. Wir Freiheitlichen haben uns nicht dagegen gestemmt. Wir haben gesagt: Ja, wenn das wirklich jetzt der große Wunsch ist und sich mittlerweile auch die – wie hat der Kollege Walser beim vorigen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 265

Tagesordnungspunkt gesagt? – kämpferischen Grünen eingebracht haben und man sagt, jetzt geht es wirklich um eine Schulverwaltungsreform, die sich gewaschen hat, mit einer grünen Handschrift, wie man es jetzt auch noch aufgrund von Abänderungsan­trägen, die dabei sind, sieht, sind wir nicht dagegen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.)

Man muss sagen: Es hat wirklich ein riesengroßer Berg gekreißt, aber diesmal keine Maus geboren, sondern einen Floh. Aber auch Flöhe können sich in der Fauna und Flora interessant darstellen, sind auch eine Bereicherung der Natur. Es gibt die Forde­rung, die Bezirksschulräte abzuschaffen. Wenn das nur die einzige Forderung gewe­sen wäre, die von Bildungsvolksbegehren, Regierungsübereinkommen, Koalitionspak­ten, Allparteienentschließungen und sonst was übriggeblieben wäre – nein, jetzt wird nach mehreren Jahren, nach einer gesamten Gesetzgebungsperiode noch eine Schul­verwaltungsreform auf den Tisch gelegt, und zwar angeblich eine, die sich gewaschen hat.

Und was passiert tatsächlich?  Ja, die Bezirksschulräte werden abgeschafft. Die Be­zirksschulinspektoren, die dort drinnen sitzen und ihren Dienst versehen haben, die werden jetzt dem Landesschulrat zugeteilt und von dort dann gleich in eine Bildungs­direktion oder Bildungsregion geschickt. Da kann man nämlich dann mehrere Bezirke unter Umständen zusammenfassen – was allerdings bis jetzt auch schon möglich war und auch tatsächlich umgesetzt wurde.

Aber man spart natürlich auch eine Instanz. Jetzt gibt es dann nur mehr eine beim Lan­desschulrat. Das heißt, es wird unter Umständen jenen Eltern, die vielleicht in einem größeren Bundesland nicht so die Möglichkeit haben, zu einer Behörde hinzukommen, natürlich eine Behörde vor Ort weggenommen. Aber vielleicht gibt es da auch Möglich­keiten, dass dann irgendwelche Juristen bei den Bildungsregionen, -direktionen  wie dann die Hauserln beziehungsweise wie dann die Schilder dort heißen mögen  he­rumrotieren: am Montag dort, am Dienstag dort, am Mittwoch dort. Vielleicht lässt sich das alles einrichten.

Aber dann kommt die große Einsparung: Es werden die parteipolitisch besetzten Kolle­gien aufgelöst – ersatzlos gestrichen. Richtig so! Gut so! Entpolitisierung, Entparteipoli­tisierung. Allerdings gerade bei dem Punkt, wo die Leute ehrenamtlich tätig waren, wo eigentlich gar nichts eingespart wird.

Und wenn ich jetzt zum Beispiel noch eine Pressemeldung hernehme, die da lautet: „Brisante Forderung der Grünen: ‚Landesschulrat abschaffen‘“.  Ja, die Grünen haben jetzt wirklich, damit auch diese Zweidrittelmehrheit sichergestellt ist, noch Bemerkens­wertes geleistet. Sie haben hier nämlich einen Entschließungsantrag verfasst, mitge­staltet, Abänderungsantrage noch dazu gestaltet. Und zwar wird es jetzt beim Landes­schulrat im Kollegium neben den Eltern, neben den Lehrern und neben den Politik­vertretern noch zusätzliche Elternvertreter und Schülervertreter geben. (Zwischenruf der Abg. Ursula Haubner.) Also das ist so diese typische Grüne Verschlankung von Behörden, wie man es sich vorstellt, indem man noch mehr hineinschickt. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und das Interessante ist, wenn man sagt, wenn schon Elternvertreter drinnen sitzen sollen in einem Landesschulratsgremium oder überhaupt in einem beratenden Gre­mium, was auch immer, dass sich irgendwo demokratische Grundsätze vielleicht auch dort wiederspiegeln sollen: Warum streicht man nicht die Elternvertreter, die politisch nominiert worden sind, ganz raus und sagt: Ja, wenn Elternvertreter, dann nur die von den Elternvereinigungen!?

In Wirklichkeit – weil man sagt, das ist eine grüne Handschrift, die da dabei ist – ist es ein grüner Fineliner, den man eigentlich mit der Lupe suchen muss, wo da etwas ist. Also von den flotten Ankündigungen weit gefehlt!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 266

Frau Kollegin Rudas hat beim vorigen Punkt gemeint, das sei ein Puzzlestück mehr, eine große Reform, so etwas. – Wahrscheinlich wird das auch wieder als großer Re­formschritt gefeiert werden, als ein Puzzlestück mehr. Nur muss ich sagen: Dieses Puzzle, so eines kriegt man von der Stückanzahl in keinem Kinderspielzeuggeschäft, denn so viele Puzzlesteine kann man eigentlich gar nicht mehr zusammenbringen. Es geht nämlich der Blick auf das Große verloren.

Es war anlässlich dieser Not der Regierung, hier etwas weiterbringen zu wollen, damit sie zumindest eine Überschrift haben, um sich gegenseitig auf die Schultern zu klop­fen, zu sagen: Jetzt haben wir sogar in der Schulverwaltungsreform etwas weiterge­bracht! – allerdings nur bis daher, bis die Bundesländer zugestimmt haben, denn es ist ganz klar gewesen, dass bei Landesschulrat oder sonst irgendwas das Ende der Fah­nenstange ist. Da sagt nämlich der Landeshauptmann: Da lassen wir die Kirche im Dorf, das bleibt alles! – Eine wirkliche Reform ist es ja bei Gott nicht: Fünf Jahre Legis­laturperiode, und dieses Reförmchen ist jetzt herausgekommen!

Die Chance wäre gewesen, noch echte Reformen hineinzureklamieren. Aber die Grü­nen waren zufrieden, dass jetzt Elternvereine und Schülervertreter beim Landesschul­rat zusätzliche Termine wahrnehmen können. – Ach, wie schön, wenn sich alle liebha­ben! (Beifall bei der FPÖ.)

23.30


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


23.30.14

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Danke für die Einleitung, Herr Kollege Rosenkranz, denn das, worüber Sie gesprochen haben, dieser Antrag wird erst jetzt eingebracht.

Ich bringe im Zuge dieser Debatte folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneter Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem oben stehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geän­dert:

Die Regierungsvorlage 2412 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformge­setz 2013, in der Fassung des Ausschussberichts 2498 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 3 ist nach Z 7 der Regierungsvorlage folgende neue Z 7a einzufügen:

„7a. Dem § 8 Abs. 2 lit. b Z. 3 wird folgende Z. 4 angefügt:

„4. Vertreterinnen und Vertreter von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Leh­rern und Eltern“

2. In Artikel 3 wird in Z 19 in § 24 Abs. 7 Z. 5 vor dem Zitat „§ 8 Abs. 8“ das Zitat „§ 8 Abs. 2 lit. b Z. 4 und“ eingefügt; das Wort „tritt“ wird durch das Wort „treten“ ersetzt.

*****


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 267

Im Wesentlichen hat es Kollege Rosenkranz schon angesprochen – er sieht das al­lerdings weniger positiv, als es ist –, dass dieses Gremium um Schülervertreter und Schülervertreterinnen und Eltern erweitert wird. Dem ist, finde ich jedenfalls, nichts Ab­trägliches hinzuzufügen, wenn erstmals im Kollegium auch Schüler und Schülerinnen mitreden können. – Das zu diesem einen Punkt.

Und zum zweiten Punkt, was wir auch noch diskutieren, was ich für wesentlich halte: dass wir das Schülerbeihilfengesetz insofern modernisieren, als Schülerbeihilfen aus­schließlich nach sozialen Kriterien vergeben werden und auch die Altersgrenzen ange­passt und erhöht werden, gerade vor dem Hintergrund, dass Menschen später noch Ausbildungen machen und für den Bezug der Beihilfen die Altersgrenze zu niedrig lag. Darüber bin ich froh. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.32


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Abänderungsantrag steht mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehör­den - Verwaltungsreformgesetz 2013 (2498 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem oben stehenden Bericht angeschlossene Gesetzesantrag wird wie folgt geän­dert:

Die Regierungsvorlage 2412 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens ge­ändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformge­setz 2013, in der Fassung des Ausschussberichts 2498 d.B. wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 3 ist nach Z 7 der Regierungsvorlage folgende neue Z 7a einzufügen:

"7a. Dem § 8 Abs. 2 lit. b Z. 3 wird folgende Z. 4 angefügt:

"4. Vertreterinnen und Vertreter von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Leh­rern und Eltern"

2. In Artikel 3 wird in Z 19 in § 24 Abs. 7 Z.5 vor dem Zitat "§8 Abs. 8" das Zitat "§8 Abs. 2 lit.b Z. 4 und" eingefügt; das Wort "tritt" wird durch das Wort "treten" ersetzt.

Begründung

§ 8 Abs 2 Bundesschulaufsichtsgesetz sieht vor, dass den Kollegien der Landesschul­räte neben Mitgliedern mit beschließender Stimme (lit a) auch Mitglieder mit beratender Stimme angehören (lit b).


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 268

Den Schulpartnern kommen sehr wichtige Aufgabenstellungen zu, und es erscheint da­her geboten, neben den Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer und Eltern, die den Kollegien der Landesschulräte mit beschließender Stimme angehören, künftig auch Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Landesschülervertretung sowie Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern, sofern diese den jeweiligen gewählten Landesverbänden angehören, analog zu § 18 leg cit, mit be­ratender Stimme den Kollegien beizuziehen.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


23.32.53

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schule kostet Geld. Das merken Eltern jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Ob es jetzt Sportwochen, Schulveranstaltungen, Sprachwochen oder Arbeitsunterlagen sind, die Kosten für die Schule steigen und steigen; nicht mit­berechnet auch die Nachhilfe. Gerade für Familien mit geringerem Einkommen ist Schule manchmal nicht mehr leistbar.

Die vorliegende Reform des Schülerbeihilfengesetzes habe ich im Ausschuss insofern kritisiert, als ich auch gesagt habe, dass der Leistungsanreiz, der jetzt vorhanden ist, gestrichen werden soll und wir dem damals auch im Ausschuss nicht zugestimmt ha­ben.

Wir haben jetzt sehr intensiv über dieses Thema diskutiert. Ich denke, dass soziale Bedürftigkeit und soziale Leistung Vorrang haben. Daher werden wir dieser Änderung, dieser Anpassung zustimmen. Wichtig ist uns aber auch, dass es bei dieser sozialen Leistung in Zukunft, ähnlich wie bei der Familienbeihilfe, wo es noch nicht passiert ist, auch laufende Anpassungen, Wertanpassungen und Valorisierungen geben muss. Das ist wichtig, vor allem auch, wenn diese Leistung für Schüler oder Studierende verwen­det wird, die sich umschulen lassen, die in einem zweiten Bildungsweg etwas nachho­len. Gerade sie brauchen auch die notwendigen Mittel. Das BZÖ wird daher diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall beim BZÖ.)

Wir werden auch unsere Zustimmung geben, was die erweiterte Möglichkeit betrifft, dass Leiter von Schulen nicht nur eine Schule leiten können, sondern zwei oder drei Schulen leiten können. Das ist sehr richtig und sehr wichtig, dass man das ermöglicht. Bisher war es nur für eine zweite Schule möglich, jetzt ist es für mehrere Schulen möglich, schul- und schultypenübergreifend. Vor allem an Schulzentren ist das sicher ein wichtiger und richtiger Schritt. Wenn die Rahmenbedingungen entsprechend ge­klärt sind, glaube ich, ist das in keine Weise abzulehnen.

Das, was die Schulverwaltung, die sogenannte Reform der Schulverwaltung anbelangt, so muss ich ganz ehrlich sagen: Als ich es zuerst gehört habe, hätte ich sehr gerne zugestimmt. Ich hätte nämlich sehr gerne zugestimmt, wenn die Bezirksschulräte wirk­lich ersatzlos abgeschafft worden wären. Wenn man sich aber anschaut, was bei die­sem Gesetz jetzt zustande gekommen ist, dass am Ende einer Legislaturperiode, wo man fünf Jahre nichts in der Verwaltung weitergebracht hat, nichts in der Verwaltungs­einsparung weitergebracht hat, und wenn ich das Gefühl habe, jetzt muss man einfach das Versprechen, das man gegeben hat, nämlich die Schulverwaltung zu reformieren, in irgendeiner Form einlösen, und wenn man jetzt diesen Vorschlag vorlegt, so muss ich sagen: Es nicht viel herausgekommen!

Frau Bundesministerin, Sie haben richtigerweise im Ausschuss auch gesagt: Das war das einzig Machbare mit den Ländern!°– Das glaube ich Ihnen schon. Aber ich sage:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 269

Es ist nicht einmal ein Kompromiss, sondern es ist eigentlich ein großer Bluff, denn es wird zwar eine Instanz, eine Behördeninstanz abgeschafft, ja, aber die Aufgaben blei­ben die gleichen. Die Inspektoren bleiben weiter. Sie heißen halt nicht Bezirksschul­inspektoren, sondern Pflichtschulinspektoren. Es bleiben die Aufgaben in Bereich des Konfliktmanagements, in der Verwaltung und so weiter.

Da frage ich mich schon: Warum macht man das? Warum hat man nicht die Chance ergriffen und gesagt: Ändern wir überhaupt die Schulaufsicht!? – Die Schulaufsicht ist ja an sich schon reformbedürftig. Schauen Sie nach Finnland! In Finnland wurden 1996 die Inspektoren überhaupt abgeschafft. Die Kontrolle und Begleitung der Lehrer ma­chen die Leiter, die Direktoren der Schulen. Da kommt nicht von außen ein Bezirks­schulinspektor oder Pflichtschulinspektor. Also das hat man verabsäumt.

Auch die Bezirksschulräte werden zwar in den einzelnen Bezirken abgeschafft, dort gibt es sie nicht mehr, aber sie kommen durch die Hintertür wieder, nämlich durch so­genannte regionale Außenstellen. Und diese regionalen Außenstellen sind mehr oder weniger Bezirksschulräte light. Aus meiner Sicht wird das Schild ausgewechselt und al­les andere dahinter bleibt gleich.

Daher ist das wirklich keine gelungene Reform. Kollege Rosenkranz hat es ohnehin schon richtig gesagt: Diese regionalen, übergreifenden Stellen sind ja bisher auch schon möglich gewesen. – Also was ist da neu?

Es besteht auch eine große Gefahr. Wir haben ja diskutiert, und es hat geheißen: Na ja man muss einmal anfangen und dann entwickelt man es weiter!, aber die Erfahrung sagt mir, dass man so ein Modell, so ein sogenanntes Kompromissmodell eigentlich einzementiert und in den nächsten Jahren nicht mehr viel passieren wird.

Es tut mir echt leid, dass Sie diese Chance vertan haben, wirklich etwa zu reformieren. Sie haben wieder einen typisch österreichischen Kompromiss vorgelegt. Das ist ein bisschen durchlüftet worden, aber im Grunde bleibt alles beim Alten.

Ich verstehe jetzt zum Beispiel auch diesen Abänderungsantrag in keiner Weise, nach dem die Schülervertreter mit beratender Stimme in diese Kollegien des Landesschulra­tes kommen sollen. Nicht, dass ich nicht möchte, dass Schülervertreter mehr mitbe­stimmen. Das ist richtig und gut. Aber wie oft haben wir diskutiert, dass diese Kollegien so aufgebläht sind? – Nicht nur, dass sie parteipolitisch besetzt sind, sondern sie sind so aufgebläht, dass die Entscheidungen meistens ohnehin die Mehrheitspartei trifft und sonst niemand.

Kollege Walser, ich verstehe nicht, dass du das möchtest. Ich weiß, du bist auch sehr kritisch dem gegenüber, was diese parteipolitischen und aufgeblähten Gremien anbe­langt. Und ich glaube, da müsste es eine andere Lösung geben, Schüler mehr einzu­binden und sie auch mitreden zu lassen. (Beifall beim BZÖ.)

Dem Entschließungsantrag kann ich zustimmen, wo es heißt: „() mit den Schul­partnern und Ländern in Gespräche einzutreten und dem Nationalrat Vorschläge vor­zulegen, die eine Stärkung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Schulpartner vorse­hen.“ – Okay. Da schaut man dann, was am Ende herauskommt.

Aber wir werden dem Abänderungsantrag sicher nicht zustimmen, so wie wir dem gan­zen Projekt – sage ich jetzt einmal – nicht zustimmen werden.

Daher erinnere ich in diesem Zusammenhang an den BZÖ-Antrag, der vertagt wurde, der schon im Ausschuss liegt und in der nächsten Legislaturperiode wahrscheinlich wieder vertagt wird, aber es ist eine Chance, dass man ihn dann wieder aufgreift. Ich bringe ihn neuerlich ein, denn hier sind wirklich die Punkte aufgelistet, wie eine richtige Reform der Schulverwaltung aussieht:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 270

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betreffend Reform der Schulverwal­tung

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, folgende sieben Punkte zur Reform der Schul­verwaltung in Form eines Gesetzesvorschlages so rasch wie möglich an den National­rat zu übermitteln:

1. Das Schulwesen wird in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund übertragen.

2. In den Bundesländern werden sogenannte Bildungsdirektionen eingerichtet. Die Landesschulräte werden mit den Schulabteilungen der Länder fusioniert und als Bil­dungsdirektionen des Bundes geführt.

3. Die Bezirksschulräte werden ersatzlos abgeschafft.

4. Artikel 81a Abs. 3 lit.a B-VG, der den Parteienproporz in allen Kollegien der Bezirks- und Landes(Stadt-)schulräten vorsieht, wird ersatzlos gestrichen.

5. Alle Lehrer werden mit einem einheitlichen Dienst- und Besoldungsrecht zu Bundes­bediensteten.

6. Die Schulaufsicht in der bestehenden Form wird abgeschafft, die Aufgaben werden in ein österreichweites Schul- und Qualitätsmanagement überführt und an die moder­nen Herausforderungen angepasst.

7. Die Schulstandorte erhalten vollständige Autonomie und Verantwortung in Fragen der Bestellung ihrer Schulleiter und ihres Personalmanagements.

*****

Es wäre schön gewesen, wenn einer dieser Punkte wenigstens am Ende dieser Le­gislaturperiode umgesetzt worden wäre, denn dann hätte auch das BZÖ zugestimmt. (Beifall beim BZÖ.)

23.41


Präsident Fritz Neugebauer: Der Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner und Kollegen betreffend Reform der Schulverwal­tung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsge­setz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013 (2498 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 271

"Die Funktionen im österreichischen Schulsystem sind auf die verschiedenen Verwal­tungsebenen derart verteilt, dass eine effiziente Leistungserbringung nicht gewährleis­tet ist. Nicht nur in Bezug auf die Erhaltung und Errichtung von Schulen sind Planungs­kompetenz und Kostenträgerschaft der allgemeinen Pflichtschulen auf unterschiedl­ichen politischen Zuständigkeitsebenen angesiedelt, sondern auch in Bezug auf Ver­waltung und Aufsicht des Lehrpersonals."

"Die derzeitige Schulverwaltung stammt aus dem Jahr 1962 und ist nicht mehr zeit­gemäß. Sie ist durch vergleichsweise hohe Ausgaben (Input) und durchschnittliche Er­folge (Output) gekennzeichnet. (). Konkrete Vorgaben für bildungspolitische Ziele sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die Schulqualität kann nicht beurteilt werden; die Zielerreichung ist nicht messbar. Die Gründe liegen vor allem in der verfas­sungsrechtlich komplexen Kompetenzverteilung und der fehlenden Übereinstimmung von Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern und allenfalls auch Gemeinden. Dies führt zu unterschiedlichen Sichtweisen bzw. Inter­essenslagen und so zu Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten und Zielkonflikten. Hinzu kommt eine unzureichende Datenlage."

Auch diese Erkenntnisse haben keinen Neuigkeitswert mehr, immerhin stammen sie aus den Jahren 2007 respektive 2009. Dennoch ist bisher (Juli 2013) nichts geschehen und nun wird im Schulverwaltungsbereich lediglich eine Behördeninstanz abgeschafft, der Aufgabenbereich beleibt aber bestehen und wird an regionale Außenstellen des Landesschulrates übertragen, womit wiederum der "Bezirksschulrat Light" eingeführt wird. Dies kann also nicht einmal als Minireform bezeichnet werden! Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das österreichische Schulsystem eine grundlegende Reform braucht. In diesem Zusammenhang berufen wir uns auch auf das im Verfassungsaus­schuss am 15.04.2010 von Bundesministerin Schmied präsentierte Papier mit dem Ti­tel "Position der Bundesregierung zur Schulverwaltung" und verlangen die Umsetzung der vorgestellten Punkte.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, folgende sieben Punkte zur Reform der Schul­verwaltung in Form eines Gesetzesvorschlages so rasch wie möglich an den Natio­nalrat zu übermitteln:

1. Das Schulwesen wird in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bund übertragen.

2. In den Bundesländern werden sogenannte Bildungsdirektionen eingerichtet. Die Landesschulräte werden mit den Schulabteilungen der Länder fusioniert und als Bil­dungsdirektionen des Bundes geführt.

3. Die Bezirksschulräte werden ersatzlos abgeschafft.

4. Art. 81a Abs.3 lit.a B-VG, der den Parteienproporz in allen Kollegien der Bezirks- und Landes (Stadt-) schulräten vorsieht, wird ersatzlos gestrichen.

5. Alle Lehrer werden mit einem einheitlichen Dienst- und Besoldungsrecht zu Bundes­bediensteten.

6. Die Schulaufsicht in der bestehenden Form wird abgeschafft, die Aufgaben werden in ein österreichweites Schul- Qualitätsmanagement überführt und an die modernen Herausforderungen angepasst.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 272

7. Die Schulstandorte erhalten vollständige Autonomie und Verantwortung in Fragen der Bestellung ihrer Schulleiter und ihres Personalmanagements.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


23.42.03

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich freue mich über die Reform der Schulverwaltung, über die Abschaffung der Bezirksschulräte. Wir haben diesen Punkt Christine Marek zu verdanken, ihrem Verhandlungsgeschick. Ich gratuliere dir zu die­sem Deal zum Abschluss deiner Parlamentskarriere. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Elmar Mayer.)

Es werden in diesem Fall nur noch die Bundes- und die Landesbehörde bestehen. Es gibt auch tatsächlich eine Einsparung: Bis 2018 sollen es um die 3 Millionen € sein. 20 Prozent der derzeit 130 Bezirksschulratsplanstellen werden damit eingespart, und das ist nun tatsächlich nicht ohne.

Die Bildungsregionen werden durch die Länder geschaffen, was ich sehr gut finde. Hier finden sich dann auch die Ansprechpartner für Lehrpersonen, für Eltern und für Schüle­rInnen.

Es soll auch im Zuge dieser Schulreform die Schulpartnerschaft gestärkt werden. Das finde ich sehr gut, und dazu möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Einbindung der Schulpartner

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, mit den Schul­partnern und Ländern in Gespräche einzutreten und dem Nationalrat Vorschläge vor­zulegen, die eine Stärkung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Schulpartner vorse­hen.“

*****

Wir alle wissen, Schulpartner sind direkt vor Ort, kennen die Gegebenheiten dort, ken­nen den Schulalltag. Deshalb macht es durchaus Sinn, diese auch stärker einzubezie­hen.

Im Bereich der Schülerbeihilfe sollen die Anträge vereinfacht werden, sie können in Zukunft auch elektronisch eingebracht werden. Das gibt auch Verfahrensvereinfachun­gen. Und ich meine auch, dass gerade die Leistungsabhängigkeit, die nun weggelassen wird, für Schüler aus sozial schwachen Schichten, aus bildungsfernen Schichten gut ist, da sie speziell eine finanzielle Unterstützung brauchen.

Kleine Schulen können nun unter eine gemeinsame Leitung gestellt werden, auch ver­schiedene Schularten, so werden auch Campus-Schulen gefördert.

Zum Schuljahresende möchte ich aber auch noch den Dank an die engagierte Lehrer­schaft richten. Ich würde mir wünschen, dass mit den Verhandlungen für das neue Dienstrecht etwas vorwärts geht, denn wir bekommen nur dann die Besten für diesen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 273

Beruf, wenn die notwendige Wertschätzung auch da ist; und die hat auch mit der Be­zahlung und den entsprechenden Rahmenbedingungen zu tun. Schließlich sind es die Lehrerpersönlichkeiten, die für die Qualität im Unterricht sorgen. (Beifall bei der ÖVP.)

23.45


Präsident Fritz Neugebauer: Der Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Einbindung der Schulpartner

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsge­setz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwe-
sens des Bundes geändert werden (Schulbehörden – Verwaltungsreformgesetz 2013 (2498 d.B.)

Besonders die Schulpartner sind sehr nahe am Ort des schulalltäglichen Geschehens. Sie verfügen daher über Erfahrungswerte aus der Praxis, die es entsprechend zu nut­zen gilt. Auch wurden den standortbezogenen Schulpartnern zahlreiche Aufgaben übertragen, die diese mit hoher Fachkenntnis und Verantwortungsbewusstsein erfüllen.

Um auch in Hinkunft eine stärkere Einbeziehung der Schulpartner zu ermöglichen, sol­len Vorschläge zur Stärkung der Rolle der Schulpartner erarbeitet werden.

Daher stellen sie unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, mit den Schul­partnern und Ländern in Gespräche einzutreten und dem Nationalrat Vorschläge vor­zulegen, die eine Stärkung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Schulpartner vorse­hen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


23.45.16

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ob ein Floh geboren war, als der Berg kreißte, Herr Kollege Rosenkranz, weiß ich nicht – das Sprichwort spricht von einer Maus. Die ist auch kein sehr großes Tier, ich weiß, und ich muss dazusagen, bei diesem Gesetz würde ich die Tiergattung noch ein bisschen größer darstellen.

Es ist – und da gebe ich der Kollegin Haubner natürlich recht – kein großer Wurf, was wir heute hier beschließen. Das Gesetz, gebe ich offen zu, trägt keine grüne Hand­schrift. Das Gesetz hat grüne Verbesserungen. (Abg. Dr. Rosenkranz: Es steht aber „Walser“ drauf!) – Sie müssen es genau lesen, Herr Kollege. Ich weiß schon, PISA


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 274

lässt grüßen. Die Probleme sind nicht nur bei der jungen Generation vorhanden. Ich er­kläre Ihnen das im Anschluss gerne. (Abg. Dr. Rosenkranz: Nein, heute nicht mehr!)

Das Gesetz, das wir hier heute beschließen, ist aber ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ich habe es als „Trippelschrittchen“ bezeichnet. Wir stimmen deshalb zu, Kollegin Haubner, weil wir hier wenigstens ansatzweise die Blockade durchbrechen wollen. Ich stimme ja zu: Die Kritik kann ich zu 99 Prozent unterstreichen, ein Punkt wird ja erfüllt. Du hast dir gewünscht, dass wenigstens ein Punkt durchgeht: die ersatz­lose Abschaffung der Bezirksschulräte. – Das wird ja erfüllt. Ich glaube, es ist der Punkt 3 in deiner Aufzählung. Also das ist immerhin durchgesetzt worden.

Vielleicht noch ein Wort zur Demokratisierung der Landesschulräte. Natürlich ist das ein Schritt nach vorne, wenn demokratisch legitimierte ElternvertreterInnen drinnen sind. Die Vertreter, die jetzt drinnen sind, sind von ihren Parteien legitimiert und nicht durch die Wahl ihrer Klientel, die sie vertreten sollen. Also das gilt weder für die Eltern noch für die SchülerInnen noch für die LehrerInnen. Jetzt gibt es erstmals diese Vertre­tung, diese demokratisch legitimierte Vertretung in den Landesschulräten. Und das würde ich zumindest als grünen Erfolg bezeichnen. Das hat es vorher nicht gegeben.

Ein Wort noch zu den beiden anderen Gesetzen, zum Schülerbeihilfengesetz. Ja, wir stehen dazu: Schülerbeihilfen haben aus sozialen Gründen gewährt zu werden. Ich bin für Leistung, die grüne Schule ist eine Schule, die Leistung von Schülerinnen und Schü­lern fordert, aber sozial unterstützen müssen wir Kinder beziehungsweise ihre Eltern dort, wo Not am Mann und an der Frau ist. Und wir müssen nicht diejenigen, die sowie­so schon privilegiert sind, noch weiter privilegieren. Also finanzielle Hilfe für sozial Schwache, das wird hier bereinigt. Das ist übrigens auch ein Beispiel dafür, wie man ein Gesetz reformieren kann, ohne dass es etwas kostet, denn das ist in diesem Fall so.

Zum Zweiten, zu den Dienstrechtsänderungen. Es ist ja, glaube ich, schon seit 2006 möglich, dass Direktorinnen und Direktoren zwei Schulen betreuen können. Hier geht man noch einen Schritt weiter. Ich halte das für eine sehr wichtige Reform. Wir sind in einer Zeit, in der sich auf Grund der Gegebenheiten an den Schulen immer weniger Lehrerinnen und Lehrer bereiterklären, Direktorin oder Direktor zu werden. Die Belas­tung ist zu groß, das finanzielle Entgelt zu klein.

In Vorarlberg haben wir die Situation im Bezirk Feldkirch, dass bei sieben Schulen ganze vier Lehrpersonen um die Direktion angesucht haben. Wir können also einzelne Stellen nicht mehr besetzen. Es werden altgediente Direktoren aus der Pension – in einem Fall ein über 70-Jähriger – zurückgeholt, damit Schulen überhaupt eine Leitung haben. Da müssen wir gegenarbeiten. Insbesondere bei Klein- und Kleinstschulen ist das durchaus eine sehr sinnvolle Maßnahme.

Über die anderen Änderungen in diesem Gesetz muss man, glaube ich, gar nicht re­den; da geht es um technische Anpassungen, da ist es selbstverständlich, dass wir da­für stimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Elmar Mayer.)

23.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


23.50.07

Abgeordneter Stefan Markowitz (STRONACH): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ja, diesem einen Gesetz werden wir natürlich zustimmen. Wir haben ernst­haft darüber verhandelt. Bei den Bezirksschulräten wird eingespart. Wir wissen, dass dies kein großer Wurf ist. Das ist ganz klar. Am Ende des Tages wäre es natürlich so gewesen, dass man mehr Geld eingespart hätte, und dann wäre das viel besser gewe­sen auf lange Sicht. Natürlich muss man hier noch den Hebel ansetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 275

Weil die Zeit schon vorgeschritten ist: Top 32, Top 33, Top 34 werden wir zustimmen. Und alles andere wurde heute den ganzen Tag über von den Kollegen schon aus­führlich diskutiert. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


23.50.45

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme mir heute wirklich ein bisschen wie ein „Dank­wart“ vor. Ich muss schon wieder Danke sagen, und zwar in dem Fall auch noch ein­mal Blumen streuen – den Kaffee gibt es ja morgen, Frau Kollegin Marek. Sie hat wirk­lich das Eis gebrochen und bewiesen: Die Opposition, sie bewegt sich ja doch.

Ich finde das einen wichtigen Schritt, und ich teile in fast allen Punkten die Kritik der Kollegin Haubner. Wir waren ja auch alle zusammen im Verfassungsunterausschuss, haben dort die Dinge beraten, wie sie sein sollten, mit Experten, mit Ländervertretern, mit Gemeindevertretern und mit dem Rechnungshof und allem, was Rang und Namen hat und sind dabei zu anderen Ergebnissen gekommen.

Ein Ergebnis war jedoch, und das ist auch auf Ihrem Antrag heute oben, und zwar unter Punkt 3, Kollege Walser hat das schon zitiert: Die Bezirksschulräte sollen ersatz­los gestrichen werden. – Die werden heute gestrichen. Und Sie haben gesagt, einen Punkt  Also, es wäre gut, auch bei diesem ersten Schritt einer Verwaltungsreform, wenn nicht nur fünf von sechs Fraktionen, sondern auch das BZÖ mitgehen könnte, denn das wäre wirklich ein Signal des Nationalrates: Man möchte den Weg einer kla­ren Verwaltungsvereinfachung nach klaren Strukturen gehen. Da ist viel Positives drin­nen. Das muss ich da gar nicht weiter hervorheben, aber dass insgesamt 98 Bezirks­schulratsbehörden aufgelöst werden, die auch eine Verwaltungsebene für ihre Verwal­tungsaufgaben haben, das muss man, wie ich meine, schon als wichtigen Fortschritt gelten lassen.

Für mich ist aus pädagogischer Sicht wichtiger, dass es erstmals möglich sein wird, dass Schulleitungen, pädagogische Leitungen mehrere Schulen gemeinsam führen kön­nen, sodass einmal wirklich nicht der Lehrer gleichzeitig Direktor sein muss an einer kleinen Schule.

Alle diese Wünsche, die wir gehabt haben, sind ganz wichtig. Für mich, ich habe mir das nochmals angeschaut, sind mit dem Paket, das wir jetzt da beschließen, fünf Sechstel des Bildungsvolksbegehrens abgearbeitet und auch fast alle Entschließungs­anträge, die wir dazu verabschiedet haben. Noch im Juni dieses Jahres ist das mit den Maßnahmen, die wir heute beschließen, abgearbeitet. Ich meine, damit kann man sehr wohl in der Bildungspolitik, wenn man Resümee ziehen will, ein positives ziehen. Und es freut mich, dass gerade am heutigen Tag die Opposition so breit der Regierungs­arbeit folgt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


23.53.20

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich freue mich sehr, dass wir diesen Schritt setzen können. Die Geschichte des Projektes Verwal­tungsreform ist bekannt. Wir haben uns ja im Unterrichtsausschuss auch länger dazu ausgetauscht. Wir haben sehr ambitioniert begonnen, wir haben uns hier ja immer auch sehr gut verständigt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 276

Frau Abgeordnete Haubner, ich erinnere an die weitgehende Bundeskompetenz auf vielen Linien. Die Gegenbewegung ist auch bekannt und uns allen in Erinnerung. Das war der Ansatz, das Schulwesen in Österreich zu verländern. Letztlich freue ich mich, dass es gelungen ist, jetzt einen Schritt in eine richtige Richtung zu setzen, ohne Ver­länderungsbestrebungen nachzugeben, und mit dem Wegfall einer Behördenebene doch substantiell Fortschritte zu erzielen, vor allem was Effektivität und Tempo bei der Umsetzung von einzelnen Maßnahmen betrifft. Ich freue mich sehr, dass das doch noch möglich werden wird, denn im Unterrichtsausschuss hat es ja noch nicht so ganz danach ausgeschaut.

Ich bedanke mich besonders beim Herrn Abgeordneten Elmar Mayer und dem SPÖ-Parlamentsklub. Ich erinnere an die parlamentarische Enquete, die wir zum Thema Verwaltungsreform gemacht haben. Das war damals ein entscheidender Moment, um die richtige Richtung gerade auch beim Thema Verwaltungsreform beizubehalten. Das betone ich jetzt.

Zum Thema mehrere Schulstandorte unter eine Leitung stellen, darf ich vielleicht noch ergänzen, Herr Abgeordneter Walser, dass ich dabei nicht nur an den ländlichen Raum denke, sondern diese Möglichkeit jetzt auch die Umsetzung von Campusschulmodellen erleichtert, also beispielsweise Volksschule, Neue Mittelschule, Oberstufengymnasium, damit wir wirklich Schulentwicklung, Schulstandortentwicklung betreiben können. Das sehe ich auch als großen Vorteil dieses Gesetzes.

Frau Abgeordnete Haubner, ich freue mich natürlich besonders, dass Sie Ihre Meinung beim Thema Schülerbeihilfen und vor allem den sozialen Aspekten gegenüber dem Unterrichtsausschuss noch revidiert haben.

Abschließend möchte ich mich bei Frau Abgeordneter Rosa Lohfeyer bedanken. Liebe Rosa, vielen Dank für die Zusammenarbeit, die wir im Schulbereich ja fortsetzen wer­den!

Bildung ist mir ein Anliegen. Ich darf mich ganz besonders bedanken bei Dr. Sonn­berger, Oberösterreich, der maßgeblich an diesem Projekt gearbeitet hat hinter den Kulissen, der sehr viel zur Verwirklichung beigetragen hat. Herzlichen Dank! Ich freue mich auf die zu erwartende Verfassungsmehrheit. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Grünber­ger. – Bitte.

 


23.56.47

Abgeordnete Mag. Silvia Grünberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich auf die Uhr schaue, dann möchte ich nicht als fade Mitternachtseinlage in die Geschichte des Hohen Hauses eingehen, wenngleich ich nach elf Jahren im Hohen Haus auch einiges zu sagen hätte. Ich werde aber alle meine Erinnerungen einfach mitnehmen. Ich war elf Jahre lang Jugendspre­cherin meiner Partei, zum Schluss auch Kultursprecherin meiner Fraktion.

Frau Bildungsministerin! Das Einzige, was ich jetzt noch sagen möchte, da Sie auch die zuständige Kulturministerin sind, ist Folgendes: Ich bedanke mich für die gute Zu­sammenarbeit. Wir haben im Laufe dieser Plenartage keine kulturpolitische Debatte mehr, was auch daran liegt, dass wir eigentlich zu 99,9 Prozent das Regierungspro­gramm abgearbeitet haben, worauf ich sehr stolz bin. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen, bei Kollegin Ablinger, beim Kollegen Zinggl, beim Kollegen Markowitz, beim Kollegen Petzner für die gute Zusammenarbeit bedanken.

In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit möchte ich dazu gar nicht mehr viel sagen, außer dass es durchaus zu überlegen wäre, ob man nicht in der kommenden Legisla-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 277

turperiode vielleicht mit 21 Uhr die Diskussionen beendet, weil die Konstruktivität sich vielleicht nicht bis Mitternacht in der Form fortsetzen kann.

Das soll der politischen Debatte keinen Abbruch tun, aber es wäre schön, wenn wir uns morgen in voller Frische wiedersehen könnten. Drei Tage lang bis nach Mitternacht zu tagen, das ist natürlich ganz schön anstrengend. Da soll noch einer sagen, Parlamen­tarierInnen arbeiteten nicht viel. Wir haben diese Woche den Beweis dafür erbracht, dass wir sehr viel für unser Volk tun und auch sehr, sehr viel arbeiten.

Es würde Sinn machen, diesen Schwung auch in die kommende Legislaturperiode mit­zunehmen. In diesem Sinne herzlichen Dank und alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

23.58


Präsident Fritz Neugebauer: Frau Bundesministerin Dr. Schmied gelangt zu Wort. – Bitte.

 


23.58.40

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Ich musste mich jetzt einfach zu Wort melden.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich möchte mich persönlich sehr bei Ihnen bedanken. Die Zusammenarbeit hatte immer Niveau, war dem Thema Kunst und Kultur einfach zu 100 Prozent angemessen. Ich konnte jetzt in der Schnelligkeit auch nicht Rücksprache halten, aber ich weiß, dass vor allem mein Mitarbeiter Dr. Florian Schulz sich sehr herzlich bedankt für Vertrauen, Wertschätzung und Freundschaft. – Vielen Dank. (All­gemeiner Beifall.)

23.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


0.00.03

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Zum vorliegenden Schulpaket sind alle Inhalte ausreichend besprochen.

Deshalb darf ich mich beschränken auf das Einbringen folgenden Antrages:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 der Beila­gen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bun­desverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bundes ge­ändert werden – Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetz 2013 (2498 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend das Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetz 2013 (2412 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Z 16 der Regierungsvorlage (Art. 151) hat zu lauten:

„16. Dem Art. 151 wird folgender Abs. 56 angefügt:

„(56) In der Fassung des Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetzes 2013, BGBl. I Nr. xxx/2013, treten in Kraft:

1. Art. 14 Abs. 5 lit. a und b sowie der Einleitungssatz des Art. 81b Abs. 1 mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 278

2. Art. 81a Abs. 1 mit 1. September 2013,

3. Art. 14 Abs. 3 lit. a, Abs. 4 lit. a, Art. 81a Abs. 2 und Abs. 3, Art. 81b Abs. 1 (sofern nicht von Z 1 erfasst), Art. 132 Abs. 1 und 4 sowie Art. 133 Abs. 6 mit 1. August 2014.“

*****

Die Begründung ist die folgende, dass am 13. Juni bei zwei gesetzlichen Änderungen das Verwaltungsreformgesetz entsprechend berührt war. Der Zeitpunkt des Inkrafttre­tens soll der 1. September 2013 sein.

Ich ersuche um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

0.02


Präsident Fritz Neugebauer: Der Abänderungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Elmar Mayer, Christine Marek, Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (2412 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens geändert wird, und das Bundes-Schulaufsichtsgesetz zur Reform der Verwaltung des Schulwesens des Bun­des geändert werden – Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetz 2013 (2498 der Bei­lagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend das Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetz 2013 (2412 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Z 16 der Regierungsvorlage (Art. 151) hat zu lauten:

„16. Dem Art. 151 wird folgender Abs. 56 angefügt:

„(56) In der Fassung des Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetzes 2013, BGBl. I Nr. xx/2013, treten in Kraft:

1. Art. 14 Abs. 5 lit. a und b sowie der Einleitungssatz des Art. 81b Abs. 1 mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt,

2. Art. 81a Abs. 1 mit 1. September 2013,

3. Art. 14 Abs. 3 lit. a, Abs. 4 lit. a, Art. 81a Abs. 2 und Abs. 3, Art. 81b Abs. 1 (sofern nicht von Z 1 erfasst), Art. 132 Abs. 1 und 4 sowie Art. 133 Abs. 6 mit 1. August 2014.“

Begründung:

Der Nationalrat hat am 13. Juni 2013 zwei Änderungen des Bundes-Verfassungsge­setzes beschlossen, die sich inhaltlich und formal mit dem Schulbehörden-Verwal­tungsreformgesetz 2013 überschneiden. Dies betrifft die Änderung des Art. 81a Abs. 1 sowie die Absatzbezeichnung „(55)“ des Art. 151 B-VG.

Es ist daher notwendig, die im Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetz 2013 vorge­sehene (zeitlich jüngere) Änderung des Art. 81a Abs. 1 nach Ablauf des Monats der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 279

Kundmachung des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates 766/BNR (AB 2380 der Beilagen) in Kraft zu setzen. Zeitpunkt des Inkrafttretens soll der 1. September 2013 sein. Damit ist sichergestellt, dass Art. 81a Abs. 1 in der Fassung des Schulbehörden-Verwaltungsreformgesetzes 2013 zur Anwendung gelangt.

Das Inkrafttreten selbst soll in einem neuen Abs. 56 des Art. 151 geregelt werden, da die Absatzbezeichnung „(55)“ mit dem Gesetzesbeschlusses des Nationalrates 767/BNR (AB 2381 der Beilagen) bereits vergeben ist.

*****

00.02.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die wir über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen.

Zunächst Abstimmung über Tagesordnungspunkt 32: Entwurf betreffend Schulbehör­den-Verwaltungsreformgesetz 2013.

Hiezu liegen folgende Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge vor:

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Elmar Mayer, Marek, Dr. Walser, Kollegin­nen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abge­ordneten Elmar Mayer, Marek, Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Ab­änderungsanträgen betroffenen Teile, der Systematik des Gesetzentwurfes folgend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Entwurfes ab­stimmen lassen.

Da der vorliegende Entwurf sowie der erwähnte Abänderungsantrag eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie eine Änderung eines Bundesverfassungsge­setzes zum Inhalt haben, stelle ich zunächst im Sinne unserer Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Elmar Mayer, Marek, Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 Ziffer 16 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. Ich stelle die verfas­sungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Weiters haben die Abgeordneten Elmar Mayer, Marek, Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügen ei­ner neuen Ziffer 7a sowie Änderung der Ziffer 19 in Artikel 3 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich komme zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Entwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die dem Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 280

Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Der Entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ur­sula Haubner und Kollegen betreffend Reform der Schulverwaltung.

Wer diesem Entschließungsantrag beitritt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Elmar Mayer, Marek, Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Einbindung der Schulpartner.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die hierfür sind, um ein entsprechendes Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 327.)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 33: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz geändert wird, samt Titel und Ein­gang in 2411 der Beilagen.

Für den Fall der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit an­genommen.

Wenn Sie dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung zustimmen, bitte ich Sie um Ihr Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 34: Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 2436 der Beilagen.

Für den Fall der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Wenn Sie auch in dritter Lesung zustimmen, bitte ich Sie um Ihr Zeichen. – Das ist Ein­stimmigkeit. Der Entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 35: Entwurf betreffend Ver­waltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Bereich Dienstrecht, samt Titel und Eingang in 2427 der Beilagen.

Wer für diesen Entwurf ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch in dritter Lesung um Ihre Zustimmung. – Der Entwurf ist in dritter Lesung einstimmig beschlossen und somit auch in dritter Lesung angenommen.

00.06.5236. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2341/A(E) der Abgeordne­ten Franz Kirchgatterer, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Schwerpunkt zur politischen Bildung anlässlich der Befreiung vom NS-Ter­ror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren (2501 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zum 36. Punkt der Tagesordnung.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 


0.07.17

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Meine Damen und Herren! Dies ist der letzte Tagesordnungspunkt, ich werde mich dementsprechend kurz fassen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 281

Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frieden, Demokratie, soziale Gerechtigkeit sind nicht selbstverständlich, das wissen wir. Daher ist dieser Entschließungsantrag so wichtig. 2015, 70 Jahre nach der Befreiung vom Nazi-Terror und dem Ende des Zwei­ten Weltkrieges soll dies Schwerpunkt der politischen Bildung werden.

Die Zeitzeugen werden immer weniger. Die Zeitzeugen, die gegen alle totalitäre Ideo­logie eingetreten sind, die Zeitzeugen des Holocaust und der anderen Genozide, die Zeitzeugen der Vertreibungen in Europa, die Zeitzeugen von Not, Zerstörung und Tod.

Diese Schwerpunktsetzung in der politischen Bildung umfasst auch die Fragestellung, wie es zum Faschismus kam.

Meine Damen und Herren! Die Lehre aus dieser schrecklichen, dunklen Zeit ist, lei­denschaftlich für Demokratie zu werben, leidenschaftlich für Demokratie einzutreten, besonders bei unseren Jungen.

Meine Damen und Herren! Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet für die demokra­tische Weiterentwicklung unserer Republik Österreich und für die positive Weiterent­wicklung des Friedensprojektes der Europäischen Union.

Ich bedanke mich ganz besonders bei den oberösterreichischen Donauschwaben, die sich für diesen schulischen Schwerpunkt eingesetzt und ihn angeregt haben. Ich ersu­che um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

0.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


0.09.00

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Ich freue mich ebenfalls, dass wir heute im Nationalrat die Ge­legenheit haben, über ein wichtiges Anliegen der Heimatvertriebenen zu sprechen, wenn auch schon zu sehr später Stunde. Erlauben Sie mir trotzdem einige Sätze dazu.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Österreich vertriebenen volksdeutschen Lands­mannschaften fühlen sich in der Geschichtsvermittlung Österreichs zu wenig repräsen­tiert und bei genauer Betrachtung ist das auch so. Nachdem, und das hat mein Kollege Kirchgatterer auch schon ausgeführt, die Erinnerungs- und Zeitzeugengeneration im Abnehmen ist, kommt dieser Geschichtsvermittlung noch größere Bedeutung zu, und daher sollten wir auch einen Schwerpunkt setzen.

Eines ist nämlich klar festzuhalten: Die Geschichte der Heimatvertriebenen hier in Ös­terreich ist ein wesentlicher Teil der österreichischen Nachkriegsgesichte und muss daher auch im Unterricht vermittelt werden. Mit diesem Beschluss setzen wir diesbe­züglich ein Zeichen, dass ein Schwerpunkt gesetzt werden muss.

Ich sage auch dazu, dass das ursprüngliche Ziel unter anderem auch einer einge­brachten Petition war, die Geschichte der Heimatvertriebenen verpflichtend in die Lehr­pläne aufzunehmen. Die Stellungnahme des Ministeriums dazu hält aber fest, dass die Struktur der Rahmenlehrpläne nicht vorsieht, dass einzelne Kapitel dezidiert ausgeführt werden. Ein Niederschreiben dieses Kapitels würde diese Systematik unterwandern. Deswegen ist es, glaube ich, notwendig, hier bewusst einen Schwerpunkt zu setzen.

Es wurde auch festgehalten – das möchte ich nochmals erwähnen –, dass das Kapitel Vertreibungen in den Lehrplänen beinhaltet ist. Es muss nur auch eine entsprechende Berücksichtigung eingebaut werden.

Mit dem gegenständlichen Beschluss fordern wir die Ministerin auf, beginnend mit dem Schuljahr 2014/2015 einen Schwerpunkt zu setzen, damit auch das Kapitel der Vertrei­bungen dezidiert einen Schwerpunkt bildet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 282

Frau Ministerin! Ich ersuche Sie wirklich auch entsprechend mit Nachdruck darauf hin­zuweisen, dass dieses Kapitel Einzug in den Unterricht hält.

Abschließend freue ich mich, dass es gelungen ist, eine Initiative gemeinsam zu set­zen, und dass diese auch einstimmig beschlossen wird. Ich glaube, auch das ist ein gutes Zeichen gegenüber den Heimatvertriebenen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

0.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


0.11.12

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehr­te Damen und Herren! Hohes Haus! Die Aufarbeitung der Geschichte rund um die Ge­schehnisse des Zweiten Weltkrieges und vor allem rund um die Geschichte der Vertrie­benen, der Volksdeutschen, ist ein wichtiger Punkt, der logischerweise auch im Schul­unterricht Platz finden muss. Wir begrüßen diese Initiative sehr, obwohl wir feststellen müssen, dass das mit Zeitverzögerung und in enorm abgespeckter Version jetzt von Ihnen, meine Herren, kommt. Sie hätten bereits am 13. Juni die Möglichkeit gehabt, unserem Antrag zuzustimmen, der weiterführend war und eben auch mehr berücksich­tigt hätte. (Beifall bei der FPÖ.)

Denn eines muss schon gesagt werden: Bei diesen Anträgen, die Sie hier gestellt ha­ben oder die hier als Unterrichtsgegenstand kommen sollen, geht es nicht nur um die Verbrechen des NS-Regimes, meine Damen und Herren. Es muss auch klar aufge­zeigt werden und die Schüler müssen darüber informiert werden, was nach dem Krieg geschehen ist, was den Vertriebenen, was den Volksdeutschen tatsächlich nach dem Friedensschluss und nach Ende des Zweiten Weltkrieges passiert ist.

Es geht darum, was die Vertriebenen oder die Volksdeutschen mitgemacht haben, zum Beispiel in Kärnten am Bleiburger Feld. Diese abscheulichen Taten der ehemaligen Tschechoslowaken, der ehemaligen Jugoslawen, der ehemaligen UdSSR sind nicht im Rahmen einer Kriegshandlung geschehen, sondern bereits zu Friedenszeiten.

Daher muss man die Geschichte wirklich aufarbeiten und den Kindern beibringen, denn das, was diesen Vertriebenen, den Volksdeutschen, passiert ist, ist unter Wegschauen der Alliierten, unter wegschauendem oder zusehendem Auge der Franzosen, Briten und Amerikaner geschehen. Dieses Thema muss genauso beleuchtet werden.

Meine Damen und Herren! Wahrscheinlich beginnt da nämlich die Geschichtsverfäl­schung, dass das unseren Kindern nicht beigebracht wird. Wahrscheinlich ist das deshalb so, da Sie möglicherweise als junger Abgeordneter selbst in der Schule nicht gelernt haben, was tatsächlich geschehen ist. Oder – was ich nicht annehmen möch­te – Sie wollen die Tatsachen nicht wahrhaben.

Genau das, was unsere Vorfahren da erlebt und erlitten haben, muss aufgearbeitet werden, zumal wir wissen, dass sie sehr wohl am Aufbau der Zweiten Republik, am Aufbau Österreichs nach dem Krieg maßgeblich mitgearbeitet haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich hätte nicht diesen Fortschritt erlebt, wenn die Volksdeutschen und Vertrie­benen, diese damals lange Zeit staatenlos Gewesenen, nicht mitgearbeitet hätten.

Alle wüssten darüber Bescheid, auch Sie, meine lieben Vertriebenen-Sprecher, wenn Sie doch nur eine unserer Veranstaltungen besucht hätten. Dort hätten Sie gelernt, hätten Sie gehört, was die vertriebenen Frauen und Jugendlichen für Schicksale er­litten haben.

Daher bringe ich nun folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Kitzmüller und weiterer Abgeordneter ein:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 283

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, beginnend mit dem Schuljahr 2014/15 einen Schwerpunkt in der politischen Bildung anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren zu setzen. Es sollen die Folgen und Auswir­kungen auf das politische System in Europa und Österreich sowie die Europäische Union ausreichend erörtert werden. Unter Nutzung der Möglichkeiten der Rahmenlehr­pläne sollen Themen, wie insbesondere der Holocaust und andere Genozide, totalitäre Ideologien, Vertreibungen, insbesondere der Altösterreicher, Verbrechen der TITO-Partisanen in Kärnten und der Steiermark, die Liquidation der kroatischen Streitkräfte und Zivilpersonen im Bleiburger Raum, der Ost-West-Konflikt, Bündnissysteme und in­ternationale Organisationen und Entwicklung von Demokratien unter Bezugnahme auf aktuelle weltpolitische Ereignisse erörtert und behandelt werden. Weiters sind Zeitzeu­gen im Rahmen der sog. „Oral History“ in den Lehrplan einzubauen und für eine aus­reichende finanzielle Ausstattung der Lehrbehelfe zu sorgen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

0.16


Präsident Fritz Neugebauer: Der Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller und weiterer Angeordneter betreffend Schwer­punkt zur politischen Bildung anlässlich der Befreiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren

eingebracht in der 215. Sitzung des Nationalrates am 4. Juli 2013, XXIV.GP, im Zuge der Debatte zu Top 36 Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2341/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anlässlich der Befreiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren (2501 d.B.)

Im Jahr 2015 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 70. Mal. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges auf die europäische und österreichische Gesellschaft und die damit verbundenen Umwälzungen waren enorm. Um die Geschichte und die Folgen des Zweiten Weltkrieges in Erinnerung zu halten, ist es unerlässlich, dieses Kapitel ös­terreichischer Geschichte weiterhin in die Bildungsvermittlung einzubeziehen, um zu vergegenwärtigen, dass auch angesichts jüngster internationaler Konflikte Demokratie, Friede und Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, beginnend mit dem Schuljahr 2014/15 einen Schwerpunkt in der politischen Bildung anlässlich des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren zu setzen. Es sollen die Folgen und Auswir­kungen auf das politische System in Europa und Österreich sowie die Europäische Union ausreichend erörtert werden. Unter Nutzung der Möglichkeiten der Rahmenlehr­pläne sollen Themen, wie insbesondere der Holocaust und andere Genozide, totalitäre


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 284

Ideologien, Vertreibungen, insbesondere der Altösterreicher, Verbrechen der TITO-Partisanen in Kärnten und der Steiermark, die Liquidation der kroatischen Streitkräfte und Zivilpersonen im Bleiburger Raum, der Ost-West-Konflikt, Bündnissysteme und in­ternationale Organisationen und Entwicklung von Demokratien unter Bezugnahme auf aktuelle weltpolitische Ereignisse erörtert und behandelt werden. Weiters sind Zeitzeu­gen im Rahmen der sog. "Oral History" in den Lehrplan einzubauen und für eine aus­reichende finanzielle Ausstattung der Lehrbehelfe zu sorgen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


0.16.19

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Wir werden diesem Antrag auch zustimmen, wiewohl mich die Reden der Kollegen, sowohl von der sozialdemo­kratischen Fraktion als auch von der ÖVP, doch einigermaßen verwundert haben.

Wenn einem Sozialdemokraten, wenn man vom Ende des Zweiten Weltkrieges, von der Befreiung vom NS-Terror spricht, und das auch in den Antrag hineinschreibt, aus­schließlich die Vertriebenen, die Donauschwaben, einfallen, dann muss ich doch sa­gen, bin ich einigermaßen erstaunt.

Meine Damen und Herren! 70 Jahre Befreiung vom NS-Terror – das ist vor allem Zeit, um daran zu erinnern, was in unserem Land vorgegangen ist. Es ist vor allem Zeit, auch den Beitrag, den Österreicherinnen und Österreicher an den Verbrechen des Na­tionalsozialismus geleistet haben, aufzuarbeiten und in der Schule zu behandeln. (Ruf bei der FPÖ: Das machen wir ja schon lange! – Abg. Scheibner: Daran kann ja wohl kein Zweifel sein! Das andere fehlt!)

Wenn wir uns mit dieser Zeit auseinandersetzen, dann müssen wir alle Facetten der Geschichte behandeln und nicht nur eine. Dass ÖVP und SPÖ diese Schwerpunktset­zung in ihren Reden – nicht im Antrag, aber in ihren Reden – wählen, ist aus meiner Sicht erschütternd. (Abg. Scheibner: Was ist erschütternd?) Das entspricht nicht je­nem Stand, den die zeitgeschichtliche Forschung hat. Das entspricht nicht jenem Stand, den die österreichische Zivilgesellschaft im Umgang mit dem Nationalsozialis­mus hat.

Mit dem Antrag der Freiheitlichen können wir nicht mitgehen, das ist für uns klar. Wer im Zusammenhang mit den Partisanen in Kärnten und der Südsteiermark ausschließ­lich von Verbrechen spricht, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, der hat aus der Geschichte nicht gelernt (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller), der nimmt nicht den gro­ßen Beitrag zur Kenntnis, den Partisaninnen und Partisanen zur Befreiung Österreichs geleistet haben. (Beifall bei den Grünen.) Das, bitte, disqualifiziert sich von selbst. (Abg. Dr. Rosenkranz: Ich bin sehr froh, Kollege Walser, dass Sie hier im Parlament sind und nicht Geschichtsprofessor! – Abg. Neubauer: Schämen Sie sich!)

Wir werden dem Antrag der Regierungsparteien trotzdem zustimmen, aber ich fürchte, Sie haben intern auch großen Diskussionsbedarf. (Beifall bei den Grünen.)

0.18


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


0.18.55

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmin­isterin! Ich kann es kurz machen. Wir begrüßen beide Anträge. Wir werden den ge­meinsamen Antrag und ebenso den Antrag der FPÖ unterstützen. – Danke. (Beifall bei BZÖ, FPÖ und ÖVP.)

0.19



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 285

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


0.19.00

Abgeordneter Stefan Markowitz (STRONACH): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wir werden auch beiden Anträgen zustimmen, da wir finden, dass gerade beim Thema politische Bildung über alles gesprochen werden soll, auch über den Zweiten Weltkrieg, ganz klar. Deswegen stimmen wir beiden zu. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach.)

0.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


0.20.01

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Lieber Kollege Walser! Vier oder fünf Punkte zuvor haben Sie einen epochalen Satz geprägt: Man kann auch dort lernen, wo man es am wenigsten erwartet! – Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Jetzt könnten Sie zum Beispiel einmal etwas lernen, indem Sie Kollegin Kitzmüller zuhören (Abg. Dr. Walser: Das bezweifle ich!), einmal die tiefrote Brille ablegen und einmal schauen, was denn so außerhalb der ideologischen Scheuklappen geschehen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie können nicht ernstlich glauben, dass wir einen Nachholbedarf in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus haben, weil wir das noch nie gemacht haben. Ich weiß nicht, ob sie die Lehrpläne einmal gelesen haben. Das Einzige, das in allen Lehrplänen im Geschichtsunterricht verpflichtend drinnen steht, sind die Gräuel des Nationalsozialis­mus und der Holocaust. Das ist seit Jahrzehnten so. Das ist klar.

Das Einzige, das sicher nicht drinnen steht, ist das, was nachher geschehen ist. Ich glaube, es ist ja gerade für einen wie Sie, der im Lehrberuf aufgewachsen ist, der sich mit Geschichte nicht nur hobbymäßig beschäftigt, doch eine Verpflichtung, zu schauen, was denn nach dem Krieg geschehen ist.

Macht man da jetzt einen Eisernen Vorhang oder eine Berliner Mauer und sagt: Da schaue ich lieber gar nicht hin, denn das passt vielleicht nicht ins Weltbild hinein? Oder schaut man vielleicht doch einmal drüber und denkt: Oje, das war nicht so schlimm?

Man muss das ja nicht gleich als Jugendlicher machen, nicht mit 20, 30, 40. Ich weiß nicht, wie alt Sie sind. Aber irgendwann, mit 50, grauhaarig, wäre es einmal an der Zeit, über die Mauer zu schauen, über den eigenen Schatten zu springen und zu sa­gen: Oje, das schaut ja böse aus. Da sind Millionen Leute vertrieben, Hunderttausende ermordet worden – im Frieden, nicht im Krieg, aus Rache, als Ausgleich, aus dem Wunsch einzukassieren, aus kommunistischer Ideologie und so weiter. Das darf man aber alles nicht anschauen.

Halten Sie es mit 50, 55 nicht für ein bisschen an der Zeit, doch hinzuschauen? Sind Sie nicht der Meinung, dass es gar nicht schlecht wäre, wenn wir auch in den Schulen verpflichtend dafür sorgen, dass die Kinder drüber schauen? Auch wenn Sie bis jetzt nicht geschaut haben, heißt das ja nicht, dass die nächste und übernächste Generation auch so sein muss – auch lauter Walsers, die da nicht drüber schauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin der Meinung, irgendwann einmal könnte man diesen Teufelskreis, dem Sie of­fenbar unterliegen, durchbrechen und dafür sorgen, dass auch diesen Leuten gedacht wird. Dieser Opfer hat man nicht nur nicht gedacht, sondern man hat dort, wo die Ver­brechen passiert sind, bis heute in der Regel keine Entschuldigung vorgebracht – von Entschädigung oder gar Restitution zu sprechen, daran denke ich nicht einmal.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 286

Das muss man sehen. Sie können nicht einmal beim besten Willen behaupten, dass Österreich die Opfer des Nationalsozialismus nicht restituiert, nicht entschädigt hätte beziehungsweise dass wir uns nicht entschuldigt hätten. Sie können nachzählen, ich glaube, es gibt vom Jahr 1945 bis jetzt 18 Restitutionsgesetze unter verschiedenen Aufhängern. Das ist ja alles gut.

Aber dann sagt man: Jetzt haben wir das 18 Mal gemacht, aber alle anderen Opfer, die dürfen wir überhaupt nicht anschauen! Es gibt gleich ein Riesengeschrei, wenn jetzt Kollegin Kitzmüller oder auch die Kollegen von der ÖVP kommen und sagen: Naja, geben wir einmal in die Lehrpläne einen Blick über diese sozialistisch-kommunistische Mauer hinein.

Herr Kollege! Ich würde Folgendes vorschlagen: Wir haben ja jetzt eine weitere Sitzung und dann eine lange Sommerpause. Bitte nehmen Sie sich einmal ein paar Bücher, die vielleicht nicht bei Ihnen im Schrank stehen und die vielleicht ein Datum nach dem 8. Mai 1945 haben. Blättern Sie darin! Dann reden wir im Herbst noch einmal über das Thema. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.23


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


0.23.50

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Worte des Herrn Kollegen Walser nicht unwidersprochen stehen las­sen. (Ruf bei der ÖVP: Das darf man auch nicht! – Abg. Dr. Graf: Das Schöne an der Politik ist, dass er von den Kindern ferngehalten wird!)

Herr Kollege Walser! Sie hätten als Lehrer ja eine besondere Verantwortung, ein Prin­zip hier und auch bei Ihren Schülern klar darzulegen, nämlich dass Menschenrechte unteilbar sind – jetzt, in der Zukunft, aber auch in der Vergangenheit – und dass es kei­ne guten und keine bösen Opfer gibt. Man muss auch der Jugend klarmachen, dass man es verurteilt, wenn es in der Vergangenheit Verbrechen und Fehler gegeben hat – egal, von wem und wem gegenüber sie verübt worden sind –, dass man die Ursachen dafür ergründet, daraus lernen soll, die richtigen Erkenntnisse und entsprechend auch die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen soll.

Wir sehen das heute. Wir haben es diskutiert. Auch in der Gegenwart wird noch immer in Gute und Schlechte unterteilt. Die Menschenrechte sind dort zu vertreten und dort mit einem Augenzwinkern ein bisschen hintanzustellen. Das wollen wir doch nicht.

Sie sind ungefähr, glaube ich, meine Generation. Wir sind unbelastet. Wir haben die Gnade der späten Geburt. Wir haben alle unsere Familiengeschichten. Auch ich habe in meiner Familie Angehörige, die unter schweren Repressalien gegen die Nationalso­zialisten aufgetreten sind. Ich habe aber auch Angehörige in meiner Familie, die nach dem Zweiten Weltkrieg Opfer von Vertreibung und Gewalt gewesen sind.

Ich kann nicht darüber entscheiden, wer die guten und die bösen Opfer waren, sondern ich kann nur für mich mitnehmen, dass wir heute wenigstens überall dort, wo Men­schenrechte verletzt worden sind, wo unschuldige Menschen vertrieben worden sind, gefoltert worden sind, ermordet worden sind, so weit sind und sagen: Das alles war Unrecht. Wir lernen daraus und wollen es in der Zukunft anders machen. Wir wollen auch unsere Jugend so ausbilden und erziehen, dass das nie wieder vorkommen kann.

Es ist einfach falsch, wenn wir heute noch so sind und versuchen, Menschenrechtsver­letzungen mit anderen Menschenrechtsverletzungen zu erklären und vielleicht auch noch zu rechtfertigen und zu sagen: Heute ist es zwar auf der Tagesordnung, aber wir wollen nicht darüber reden, sondern wir relativieren das, weil da gab es ja auch noch etwas anderes. Niemand bezweifelt das, Herr Kollege Walser. Aber Sie sind immer ei-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 287

ner von den Relativierern. (Abg. Dr. Walser: Ich weiß nicht, wem Sie zugehört haben, aber mir haben Sie nicht zugehört!)

Immer wenn es um diese Morde und Menschenrechtsverletzungen, die an den Vertrie­benen nach dem Zweiten Weltkrieg begangen worden sind, geht, versuchen Sie, das zu relativieren und mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten, die auch nicht zu erklä­ren sind, zu erklären. Das ist ganz einfach falsch, Herr Kollege Walser. Das will ich Ih­nen heute nur einmal sagen. (Beifall bei BZÖ, ÖVP und FPÖ.)

Die Frauen und Kinder, die nach 1945 ermordet worden sind, sind genauso unschuldig wie die, die vor 1945 ermordet worden sind. Schreiben Sie sich das einmal ins Stamm­buch! (Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.)

Wenn wir heute immer noch, so viele Jahrzehnte danach, nicht so weit sind, dass wir anerkennen, dass die Menschenrechte unteilbar sind, dann sind wir kein gutes Vorbild für unsere Jugend, und schon gar nicht als Lehrer in Österreich. (Beifall bei BZÖ, ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

0.27

00.27.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 2501 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anläss­lich der Befreiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 328.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kitz­müller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anläss­lich der Befreiung vom NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

00.28.36Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den An­trag der Abgeordneten Petzner, Kollegin und Kollegen auf Einsetzung eines Untersu­chungsausschusses betreffend die Notverstaatlichung von Hypo Alpe-Adria-Bank, Kom­munalkredit Austria AG und Österreichischer Volksbanken AG (ÖVAG).

Der Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Die Durchführung einer Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Stefan Petzner, Kollegin und Kollegen gemäß § 33 GOG

auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend der Notverstaatlichung von Hypo Alpe Adria Bank, Kommunalkredit Austria AG und Österreichischer Volks­banken AG (ÖVAG)

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsaus­schuss im Verhältnis: 5 SPÖ, 5 ÖVP, 3 FPÖ, 2 Grüne, 1 BZÖ einzusetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 288

Gegenstand der Untersuchung:

1. Hintergründe, Ursachen und Notwendigkeit der Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria Bank im Jahr 2009, insbesondere die Untersuchung einer vorsätzlich herbei ge­führten Pleite der Hypo Alpe Adria Bank durch den bewussten Entzug von Kapital im Zusammenspiel des Freistaates Bayern mit Organen der Hypo Alpe Adria Bank bzw. der Bayrischen Landesbank (BayernLB) und Verantwortungsträgern der Republik Ös­terreich, die Aufklärung der diesbezüglichen Tätigkeiten von Verantwortungsträgern der Republik Österreich, insbesondere in Finanzministerium, Finanzprokuratur, Finanz­marktaufsicht und Nationalbank sowie die Klärung der Verantwortung des Mehrheits­eigentümers der Hypo Alpe Adria Bank, der Bayrischen Landesbank (BayernLB), und die Untersuchung der Wahrnehmung der Kontroll-, Prüf- und Aufsichtstätigkeiten bzw. -pflichten seitens der zuständigen staatlichen Organe der Republik Österreich für Ban­kenaufsicht und Bankenkontrolle. Weiters die Vorgangsweise der verantwortlichen Or­gane der Republik Österreich im Zusammenhang mit den rechtlichen Aspekten rund um die Rückzahlung von rund 3 Mrd. Euro Kapital an die Bayrische Landesbank (Bay­ern LB) sowie die Vorgangsweise der verantwortlichen Organe der Republik Österreich und der verantwortlichen Organe der Hypo Alpe Adria Bank im Zusammenhang mit Sanierung, Abwicklung und Verkauf der Hypo Alpe Adria Bank nach der Notverstaat­lichung.

2. Hintergründe, Ursachen und Notwendigkeit der Notverstaatlichung der Kommunal­kredit Austria AG im Jahr 2008 sowie der Gründung der KA Finanz AG und die Aufklä­rung der diesbezüglichen Tätigkeiten von Verantwortungsträgern der Republik Öster­reich, insbesondere in Finanzministerium, Finanzprokuratur, Finanzmarktaufsicht und Nationalbank und die Untersuchung der Wahrnehmung der Kontroll-, Prüf- und Auf­sichtstätigkeiten bzw. -pflichten seitens der zuständigen staatlichen Organe der Repu­blik Österreich für Bankenaufsicht und Bankenkontrolle. Weiters die Vorgangsweise der verantwortlichen Organe der Republik Österreich und der verantwortlichen Organe der KA Finanz AG im Zusammenhang mit Sanierung, Abwicklung und Verkauf der KA Finanz AG nach der Notverstaatlichung.

3. Hintergründe, Ursachen und Notwendigkeit der Teilverstaatlichung der Österreichi­schen Volksbanken AG (ÖVAG) im Jahr 2012 und die Aufklärung der diesbezüglichen Tätigkeiten von Verantwortungsträgern der Republik Österreich, insbesondere in Fi­nanzministerium, Finanzprokuratur, Finanzmarktaufsicht und Nationalbank und die Un­tersuchung der Wahrnehmung der Kontroll-, Prüf- und Aufsichtstätigkeiten bzw. -pflich­ten seitens der zuständigen staatlichen Organe der Republik Österreich für Bankenauf­sicht und Bankenkontrolle. Insbesondere auch im Hinblick auf die nachweislichen Warnungen an die verantwortlichen Organe der Republik Österreich betreffend den wahrscheinlichen Ausfall von Rückzahlungen von Kapital und Zinsen an die Republik Österreich seitens der ÖVAG. Weiters die Vorgangsweise der verantwortlichen Organe der Republik Österreich und der verantwortlichen Organe der ÖVAG im Zusammen­hang mit Sanierung, Abwicklung und Verkauf der ÖVAG nach der Notverstaatlichung.

Insbesondere soll der Untersuchungsausschuss Einsicht in sämtliche Verträge und all­fällige zwischenstaatliche Vereinbarungen betreffend Notverstaatlichung von Hypo Al­pe Adria Bank und Kommunalkredit Austria AG sowie Teilverstaatlichung der Öster­reichischer Volksbanken AG (ÖVAG) nehmen und diese entsprechend dem Untersu­chungsgegenstand prüfen.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsauftrag soll durch die Anwendung aller in der VO-UA vorgesehenen Instrumente zum Untersuchungsgegenstand, insbesondere durch die Vorlage von


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll215. Sitzung / Seite 289

Akten der Bundesministerien, deren nachgelagerter Dienststellen, von Akten der Fi­nanz- und Justizbehörden sowie durch die Anhörung von Auskunftspersonen die den Gegenstand der Untersuchung bildenden Umstände ermitteln.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen daher zur Abstimmung über diesen An­trag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Der Antrag findet keine Mehrheit, ist abgelehnt.

00.29.23Einlauf

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 2372/A(E) bis 2374/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 15418/J bis 15429/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für heute, Freitag, den 5. Juli, 9 Uhr, ein. Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

00.29.24Schluss der Sitzung: 0.29 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien