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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 16. Juni 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

110. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode             Donnerstag, 16. Juni 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 16. Juni 2011: 9.06 – 19.19 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über die Anträge 1527/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und ein Bundes­gesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlge­setz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsge­setz 1989, das Volksbegehrengesetz 1973, die Strafprozessordnung 1975 und das Til­gungsgesetz 1972 geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2011),

914/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz BGBl. Nr. 1/1930, idF BGBl. Nr. 106/2009, geändert wird und Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsi­dentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, idF BGBl. Nr. 28/2007, geändert wird,

1001/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, geändert wird,

1002/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird,

1098/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 2010/13, und das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 11/2009, geändert werden, und

1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Reform der Briefwahl

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz 1968 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 600/A der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992 – NRWO) und das Bun­desgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Europawahlord­nung – EuWO) geändert wird (Wahlordnungs-Novelle 2009)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 2

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofes, Reihe BUND 2010/6

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch BGBI. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBI. I Nr. 111/2010, geändert wird (1478/A)

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geändert wird (1509/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Ordnungsrufe ........................................................................................................  87, 187

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 39

Fragestunde (17.)

Europäische und internationale Angelegenheiten ................................................. 11

Mag. Christine Muttonen (119/M); Oswald Klikovits, Ing. Robert Lugar, Mag. Wer­ner Kogler, Elmar Podgorschek

Dr. Ursula Plassnik (114/M); Herbert Scheibner, Mag. Judith Schwentner, Dr. An­dreas Karlsböck, Hannes Weninger

Dr. Johannes Hübner (117/M); Mag. Gisela Wurm, Mag. Karin Hakl, Mag. Ewald Stadler, Mag. Judith Schwentner

Karl Öllinger (118/M); Harald Vilimsky, Mag. Christine Muttonen, Adelheid Irina Fürntrath-Moretti, Gerald Grosz

Josef Bucher (116/M); Mag. Werner Kogler, DDr. Werner Königshofer, Dr. Josef Cap, Peter Haubner

Petra Bayr (120/M); Ing. Hermann Schultes, Mag. Rainer Widmann, Mag. Chris­tiane Brunner, Werner Neubauer

Wolfgang Großruck (115/M); Ing. Robert Lugar, Mag. Judith Schwentner, Josef Jury, Anton Heinzl

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  36, 188, 196


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Finanzen betreffend: Genug gezahlt – Steuern senken jetzt! (8801/J) .......................................................... 118

Begründung: Josef Bucher ......................................................................................... 124

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................ 129

Debatte:

Ing. Peter Westenthaler ............................................................................................. 137

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 141

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 143

Bernhard Themessl ................................................................................................... 145

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 147

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 150

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 153

Fritz Grillitsch ............................................................................................................. 156

Elmar Podgorschek ................................................................................................... 156

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 158

Mag. Ewald Stadler .................................................................................................... 160

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 163

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 164

Maximilian Linder ....................................................................................................... 166

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 167

Konrad Steindl ............................................................................................................ 168

DDr. Werner Königshofer ......................................................................................... 169

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 171

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 172

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend: Genug gezahlt – Steuerreform jetzt! – Ablehnung ..........................................................  140, 173

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend: Genug gezahlt – sofortige Umsetzung der Vorschläge des Rech­nungshofs zur Verwaltungsreform – Ablehnung           152, 173

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge 1527/A der Ab­geordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahl­ordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbe­gehrengesetz 1973, die Strafprozessordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2011),

914/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz BGBl. Nr. 1/1930, idF BGBl. Nr. 106/2009, geändert wird und Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, idF BGBl. Nr. 28/2007, geändert wird,

1001/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, geändert wird,


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1002/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsge­setz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird,

1098/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 2010/13, und das Europa-Wäh­lerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 11/2009, geändert werden, und

1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Briefwahl (1257 d.B.) ...................................................................................................................... 39

2. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz 1968 geändert wird (1258 d.B.) ....................................... 40

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 600/A der Ab­geordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (National­rats-Wahlordnung 1992 – NRWO) und das Bundesgesetz über die Wahl der Mit­glieder des Europäischen Parlaments (Europawahlordnung – EuWO) geändert wird (Wahlordnungs-Novelle 2009) (1259 d.B.) ...................................................................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ....................................................................................................... 40

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 43

Mag. Ewald Stadler ...................................................................................................... 46

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 49

Dr. Peter Fichtenbauer ................................................................................................ 53

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 55

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ......................................................... 61

Stefan Petzner .............................................................................................................. 63

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 65

Ernest Windholz ........................................................................................................... 68

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 69

Gerhard Huber .............................................................................................................. 71

Mag. Albert Steinhauser .............................................................................................. 73

Angela Lueger .............................................................................................................. 75

Karl Donabauer ............................................................................................................ 77

Dieter Brosz, MSc ........................................................................................................ 78

Stefan Prähauser .......................................................................................................... 80

Johann Singer .............................................................................................................. 81

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 83

Dr. Martin Bartenstein ................................................................................................. 84

Gerald Grosz ................................................................................................................. 85

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher .................................................................................... 87

Johann Höfinger ........................................................................................................... 88

Otto Pendl ..................................................................................................................... 89

Dr. Franz-Joseph Huainigg ......................................................................................... 90

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 91

Dr. Johannes Jarolim .................................................................................................. 92

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 94

Maximilian Linder ......................................................................................................... 94

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1257 und 1258 d.B. ....................................... 95

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1257 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend frühestmögliche Ausgabe von Wahlkarten (E 175) ....................................................... 97


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Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1257 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht (E 176) .......................................... 97

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1259 d.B. ..................................................... 97

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes, Reihe BUND 2010/6 (III-134/1229 d.B.) .................................................................................... 97

Redner/Rednerinnen:

Rosemarie Schönpass ................................................................................................ 97

Hermann Gahr .............................................................................................................. 98

Wolfgang Zanger .......................................................................................................... 99

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 105

Martina Schenk ........................................................................................................... 107

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 108

Erwin Hornek .............................................................................................................. 109

Leopold Mayerhofer ................................................................................................... 109

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 111

Mag. Michael Schickhofer ......................................................................................... 112

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 113

Alois Gradauer ........................................................................................................... 114

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 115

Werner Herbert ........................................................................................................... 116

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 174

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 174

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 175

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 176

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 176

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Auflösung der SIVBEG – Ablehnung ...................................................................  101, 177

Kenntnisnahme des Berichtes III-134 d.B. ................................................................... 177

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetz­buch BGBI. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBI. I Nr. 111/2010, geändert wird (1478/A) .......................................................................... 178

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 178

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 180

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 181

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 182

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 183

Gerald Grosz ............................................................................................................... 186

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 188

Zuweisung des Antrages 1478/A an den Justizausschuss ......................................... 188

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geändert wird (1509/A) ................................................................ 188

Redner/Rednerinnen:

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................... 188

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 190

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 191


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 6

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 191

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 192

Stefan Petzner ............................................................................................................ 192

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 193

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 194

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 194

Dr. Harald Walser (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 195

Zuweisung des Antrages 1509/A an den Verfassungsausschuss .............................. 196

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 36

Petition betreffend „Petition der Stadtgemeinde Ried im Innkreis zum weltweiten Atomausstieg“ (Ordnungsnummer 99) (überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber)

Petition betreffend „Petition der Gemeinde Behamberg betreffend NEIN zu einem Atommüllendlager in Grenznähe zu Österreich“ (Ordnungsnummer 100) (über­reicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 36

1214: Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von unbeweglichem Bundes­vermögen

1223: Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012

1224: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Prei­sen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird

1225: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und ver­pflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen

1226: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Sanitätsrat (OSR-Gesetz) erlassen und das Gesetz betreffend die Organisation des öffentli­chen Sanitätsdienstes geändert wird

1227: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsge­setz geändert wird

1252: Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011

1253: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen

1254: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Investmentfonds (Invest­mentfondsgesetz 2011 – InvFG 2011) erlassen sowie das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Pensionskassengesetz, das Be­triebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Versicherungsauf­sichtsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert werden

1255: Klimaschutzgesetz – KSG


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 7

1256: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird

1260: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird

Bericht ........................................................................................................................... 39

III-249: Jahresbericht 2010 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz; Bundeskanzler

Anträge der Abgeordneten

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte Bezahlung für KulturarbeiterInnen (1598/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerken­nung des Berufes „Wundmanager“, Errichtung juristischer Personen im Rahmen der Gesundheitsberufe (1599/A)(E)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übernahme der Kosten für die Facharbeiterprüfung („Gesellenprüfung“) durch die öffentliche Hand (1600/A)(E)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einschreiten eines nicht im Dienst stehenden Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes (1601/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Glyphosat und POEA (polyethoxyliertes Tallowamin) (1602/A)(E)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer (1603/A)(E)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der steu­erlichen Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten (1604/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Umgestaltung des FLAF zu einem ausgegliederten Jugend- und Familienzentrum (1605/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Jugend-Pass (1606/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Solidaritätsmodell – Nachhilfe (1607/A)(E)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „UNI-Bonus“ und „UNI-Card“ – Akutprogramm für die Universitäten (1608/A)(E)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Anglei­chung der Zahl ausländischer Studierender an österreichischen Universitäten an den OECD-Durchschnitt (1609/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reformbedarf im österreichischen Scheidungsrecht (1610/A)(E)

Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines gesetz­lichen Mindestlohns von 1 300 € zur Bekämpfung der Lohnarmut (1611/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Förderung des beruflichen Um­stiegs in den Pflege- und Betreuungsbereich (1612/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschwindigkeitsflexibilisie­rung auf Autobahnen (1613/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 8

Anton Heinzl, Ing. Hermann Schultes, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Infra­struktursenat-Einführungsgesetz (1614/A)

Anfragen der Abgeordneten

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betref­fend: Genug gezahlt – Steuern senken jetzt! (8801/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Hundebisse in Niederösterreich (8802/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Obduktion von mutmaßlichen Drogentoten (8803/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Vorgangsweise nach Misshandlungsvorwürfen durch Häftlinge (8804/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Borkenkäfer in den Naturschutzge­bieten (8805/J)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Wahlen der IGGiÖ (8806/J)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Missstände in der IGGiÖ (8807/J)

Martina Schenk, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffent­lichen Dienst betreffend Migrantinnen in Frauenhäusern (8808/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Jus­tiz betreffend die Verfahrenseinstellung zu Zahl der Staatsanwaltschaft: 3 UT 122/2010 (8809/J)

Ing. Mag. Hubert Kuzdas, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Umfärbeaktion im Finanzministerium der besonderen Art (8810/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Fa­milie und Jugend betreffend die Vorgänge in Zusammenhang mit dem beabsichtigten Verkauf der Osttiroler Berggipfel „Großer Kinigat“ und „Rosskopf“ durch die Bundesim­mobiliengesellschaft (8811/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gefährdung des Briefgeheimnisses und der Si­cherheit durch freien Zugang zum „Post-Zentralschlüssel“ (BG-Schlüssel) (8812/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Düngemittelge­setz 2009 und 2010“ (8813/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend „GPLA-Prüfungen: Prüfpraxis durch Sozialversicherungsträger und Fi­nanz 2010“ (8814/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „GPLA-Prüfungen: Prüfpraxis durch So­zialversicherungsträger und Finanz 2010“ (8815/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Geschwindigkeitsmessungen am Pfingstwochenende (8816/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 9

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zivilluftfahrtbeirat (8817/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Tollwut-Prävention (8818/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Obduktion von Drogentoten (8819/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend österreichische Führerscheinprüfung in einer Fremdsprache (8820/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Jugend am Werk (8821/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Hundebisse in Wien (8822/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Verbot von Greifvogelschauen (8823/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Behandlungskosten ausländischer Versicherter (8824/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Stoffwechsel-„Fingerabdruck“ (8825/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Stoffwechsel-„Fingerabdruck“ (8826/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Landärzte und Hausapotheken (8827/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die gegenseitige Anerkennung von Vorschriften bezüglich Fahrzeugen in Österreich beziehungsweise Ungarn (8828/J)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend „täterfreundliche“ Dienstanweisung bezüglich „In-Dienst-Stellen“ von Polizisten (8829/J)

Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inne­res betreffend in Arnoldstein durchgeführte Grenzkontrollen (8830/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Unterbringungsmöglichkeiten für Jugendliche und Familien 2 (8831/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend die Begünstigungspolitik der Republik Österreich gegenüber Rakhat Aliyev und seinen Mittätern (8832/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend sicherheitsbehördlichen Schutz Aliyevs (8833/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend geplantes Vorgehen in der Auslieferungscausa Rakhat Aliyev et al. nach der Dienstbesprechung vom 31. Mai 2011 (8834/J)


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Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Ermöglichung des Absetzens des Herrn Aliyevs nach Malta durch Behörden­untätigkeit (8835/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend die Untätigkeit der Justiz in sämtlichen Rakhat Aliyev und seine Mittäter betref­fenden anhängigen Causen (8836/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend dubiose Geldflüsse in der Causa Aliyev (8837/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Finanzierung der österreichischen Fachhochschulen (8838/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (8185/AB zu 8445/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen (8186/AB zu 8461/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stad­ler, Kolleginnen und Kollegen (8187/AB zu 8299/J)


 


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09.05.41Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Keck, Dr. Schüssel, Mag. Jarmer und Dr. Van der Bellen.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures wird durch den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos ver­treten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung bis zum Ende der Fragestunde auf ORF 2 und bis Sitzungsschluss auf TW1 live übertragen wird.

09.06.25Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen damit zur Fragestunde. Die Fra­gestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Red­ner-/Rednerinnenpulten im Halbrund vorgenommen. Die Beantwortung durch den Herrn Vizekanzler erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten.

Anfrage- und Zusatzfragesteller haben jeweils 1 Minute Redezeit. Die Beantwortung der Anfrage durch den Herrn Vizekanzler soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute betragen.

Ich werde so wie in der Vergangenheit kurz vor Ende der Redezeit mit einem Glo­ckenzeichen darauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur 1. Anfrage, jener der Frau Ab­geordneten Mag. Muttonen. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich habe, wie vermutlich andere auch, ganz aktuell die Petition betreffend Einführung einer Finanztransaktionssteuer bekommen, die ich gerne unterstütze.

Meine Frage lautet:

119/M

„Die österreichische Bundesregierung setzt sich für die Einführung einer Finanztrans­aktionssteuer auf europäischer Ebene ein. Welche konkreten Schritte werden Sie Ihrer­


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seits setzen, um dieses gemeinsame Ziel der Bundesregierung mit Nachdruck voran­zutreiben?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie haben vollkommen recht, das ist ein gemeinsames Projekt der Bundesregierung. Wir müssen uns hier einerseits mit den Partnern innerhalb der Europäischen Union, aber auch international bemühen, dass wir tatsächlich Schritte nach vorne machen, was die Einführung einer Finanztransaktionssteuer betrifft.

Was tue ich persönlich? – Einerseits bin ich mit meinem französischen Amtskollegen Alain Juppé in dieser Frage eng verbunden. Sie wissen, dass Frankreich jetzt den Vor­sitz bei den G 8 hat und dort auf internationaler Ebene das Projekt vorantreiben will. Und wir sind diesbezüglich eng abgestimmt.

Zum Zweiten müssen wir auf europäischer Ebene mit den Partnern, die das auch wol­len, Überzeugungsarbeit leisten, besonders bei jenen Ländern, die skeptisch gegen­über der Einführung einer solchen Finanztransaktionssteuer sind. Ich werde auch die Gelegenheit nützen, als ÖVP-Obmann im Rahmen der Europäischen Volkspartei – dieses Treffen vor dem nächsten Europäischen Rat findet sehr bald statt – dieses The­ma wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Das halte ich für sehr notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Mut­tonen, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Minister! Sollte die Einführung dieser europäischen, europaweiten Finanztransaktionssteuer nicht realisierbar sein, wie bewerten Sie dann die alternative Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu­nächst innerhalb der Euro-Zone?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Ich glaube, dass wir zunächst wirklich versuchen sollten, auf internationaler Ebene im Rahmen der G 8 einen Durchbruch zu erzielen. Das ist wünschenswert und auch im Interesse der österreichischen Unternehmen und Ös­terreichs und der Europäischen Union insgesamt. Wenn das nicht funktioniert, ist die zweite Ebene jene der Europäischen Union. Daran sollten wir mit Nachdruck arbeiten. Die dritte Ebene wäre jene der Euro-Zone. Das ist aber schon eine sehr abgespeckte Variante und würde mit Sicherheit auch Wettbewerbsnachteile für jene mit sich brin­gen, die in der Euro-Zone sind. Daher ist das nicht das erste Ziel, sondern erst das drit­te. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Klikovits, bitte.

 


Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Herr Vizekanzler! Das Burgenland ist großer Nutznießer der Förderperiode aus dem Ziel-1-Gebiet und jetzt in der Phasing-out-Phase gewesen und hat dadurch enorme wirtschaftliche Vorteile für sich nutzen kön­nen. Im neuen EU-Budget werden natürlich die Länder entlang der Donau, die ärmsten Länder in Europa stärker berücksichtigt.

Was werden Sie künftig unternehmen, damit auch die anderen Regionen in den neuen Förderperioden stärker mitberücksichtigt werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Was wir in der neuen Regionalpolitik zu gewährleisten versuchen, ist, dass wir nicht nur auf einzelne benach­teiligte Regionen Bezug nehmen, sondern eine größere Logik dahinter sehen. Entlang der Donau sollte es mit der Donauraumstrategie möglich werden, dass wir Infrastruk­turprojekte, dass wir insgesamt den Donauraum in den Fokus rücken und dort Förder­mittel auch aus der Regionalpolitik in solche Projekte stecken. Das ist für mich wichtig und ich tue alles, damit das auch gewährleistet wird.

Ich habe mit EU-Kommissar Hahn diesbezüglich auch ein sehr enges Einvernehmen. Das ist notwendig. Aber ich sehe schon, dass die Donauraumstrategie eine Möglichkeit darstellt, das in einem anderen Sinn als Regionalpolitik zu betreiben als in der Vergan­genheit. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Lugar, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Minister! Was halten Sie dem Vorwurf entgegen, dass diese von Ihnen angedachte Steuer letztlich wieder nur eine Geldbe­schaffungsaktion auf dem Rücken der österreichischen Steuerzahler ist? Warum wol­len Sie wieder neue Steuern einführen, wenn auf der anderen Seite unsere Steuergel­der nach Griechenland fließen und dort auf Nimmerwiedersehen versickern? Glauben Sie nicht auch, dass es viel besser wäre, wenn wir die Steuermittel, die wir schon ein­heben, hier in Österreich belassen, nicht nach Griechenland exportieren und schon gar nicht neue Steuern einführen, um Griechenland zu finanzieren? Glauben Sie nicht, dass das Geld in Österreich besser aufgehoben wäre, wir in Österreich genug Proble­me haben und nicht noch die Griechen unterstützen müssen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zunächst einmal müs­sen wir, was die Finanztransaktionssteuer und den wirklichen Sinn dahinter betrifft, schon sehen, was das bewirken soll: nämlich, dass wir von einer Spekulationswirt­schaft wegkommen hin zu einer Förderung der Realwirtschaft. Und damit halte ich es für sinnvoll, dass wir auch eine Finanztransaktionssteuer andenken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was Ihre Fragen zu Griechenland anlangt, bleiben wir bei der österreichischen Hal­tung: Wir brauchen eine Konditionalität. Jedes Geld, das Griechenland bekommt, egal ob von Österreich oder von der Europäischen Union, muss durch eine Reformagenda abgedeckt sein. Seit gestern haben wir eine neue Lage: In Griechenland ist nicht klar, wer tatsächlich die Regierung führen wird; der Ministerpräsident hat seinen Rücktritt angeboten. Wir werden jetzt einmal zu bewerten haben, ob diese Reformagenda, die im griechischen Parlament liegt, auch tatsächlich umgesetzt werden kann. Wenn nicht, ergibt sich eine vollkommen neue Situation. Das werden wir auch in dem Sinne be­werten, wie wir den Euro stabil halten können und damit auch für Österreich und all seine Bürger eine Stabilität der Währung gewährleisten können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Wenn es schon anlässlich der Finanztransaktionssteuer möglich ist, über Währungsprobleme und die Schuldenkrise in Griechenland zu reden, dann setze ich hier fort. Ich halte das zwar nicht für zwingend mit dem Thema im Zusammenhang, aber wenn es zugelassen ist, frage ich Sie, Herr Bundesminister, was die österreichische Regierung tun wird, um auf


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europäischer Ebene zu verhandeln, dass endlich diejenigen, die nachgewiesenerma­ßen bis jetzt zig Milliarden Euro verdient haben, weil sie das Vermögen dazu haben und nach Griechenland verborgt haben, jetzt aber der Steuerzahler für das Risiko auf­kommen soll, das diese Vermögenden eingegangen sind, beteiligt werden. Das sind Banken, das sind Spekulanten, das sind Finanzinstitutionen.

Meines Wissens unternimmt die österreichische Bundesregierung viel zu wenig, um diese sogenannten Privatgläubiger zu beteiligen. Es darf nicht sein, dass am Schluss immer der österreichische und der europäische Steuerzahler übrig bleiben, denn das ist Umverteilung von unten nach oben.

Jetzt möchte ich endlich einmal wissen, was die Bundesregierung auf diesem Sektor tut. (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Die Fragen des Proze­dere müssen Sie hier im Haus klären, das können Sie jetzt nicht mir überantworten. Aber wenn Sie mir diese Frage stellen, gebe ich Ihnen gerne eine Antwort. (Abg. Mag. Kogler: Ich habe Sie gefragt, was die Bundesregierung tut! Das sind immer noch Sie!) – Ich habe jetzt das Wort, Herr Kollege Kogler.

Die Frage, die Sie zu Griechenland gestellt haben, wird in einer eigenen Frage in die­ser Fragestunde ohnehin noch aufgerufen werden. Ich werde aber gerne darauf ant­worten: Aus meiner Sicht bleibt die Strategie Österreichs immer die gleiche: Wir haben Konditionen aufgestellt, gemeinsam mit den europäischen Partnern, von denen es ab­hängig ist, ob es neues Geld für Griechenland gibt. Diese Entscheidung steht aus. Wir werden im Europäischen Rat darüber zu entscheiden und bis dahin hoffentlich auch Klarheit haben, was in Griechenland tatsächlich Sache ist. Kommt es dort nicht zu ei­ner Reformagenda, wird dieses Paket für die 28 Milliarden € nicht geschnürt, dann kann ich mir auch nicht vorstellen, dass es neues Geld der Europäischen Union gibt. Das ist für mich eine klare Sache. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Podgor­schek. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Vizekanzler, wie Sie wissen, passieren drei Viertel der Finanzumsätze in Finanzplätzen, die außerhalb der Europäischen Union liegen, wie zum Beispiel Singapur, Hong Kong, New York, aber auch in Europa sind es nur Zürich und London – und London ist nicht in der Euro-Zone.

Wenn wir jetzt eine Finanztransaktionssteuer einführen würden, dann kämen 73 Pro­zent der Einnahmen Großbritannien zugute. Daher gibt es auch die Diskussion, ob man nicht eine Art Finanzausgleich auf europäischer Ebene schafft beziehungsweise ob man nicht diese Steuer direkt über die EU einhebt.

Daher meine Frage: Können Sie als Vizekanzler und Europaminister, aber auch als ÖVP-Obmann garantieren, dass sowohl das Finanz- als auch das Budgetrecht nationa­les Recht bleiben und wir Österreicher keinesfalls in Richtung EU ein Stück Autonomie abtreten werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich antworte Ihnen ger­ne als Bundesminister für europäische Angelegenheiten. Mein Ziel ist es, mit den Ins­trumentarien, die wir im Lissabon-Vertrag haben, auch auszukommen und nicht neue Kompetenzen in irgendeiner Weise an die Europäische Union abzutreten. Mit diesen


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Instrumentarien, die wir haben, sollten wir nicht nur auskommen, sondern wir müssen sie nützen. Und das ist jetzt die Aufgabe: diese Krise zu überwinden, die Währung sta­bil zu halten und den Abfluss von irgendwelchen Geldern nach Singapur zu verhindern. Selbstverständlich!

Dazu müssen wir als Finanzplatz interessant bleiben. Darum ist die erste Zielsetzung auch, diese Finanztransaktionssteuer auf internationaler Ebene tatsächlich einzufüh­ren. Der französische Vorsitz von G 8 und von G 20 wird dazu seinen Beitrag leisten, und in wenigen Monaten werden wir wissen, ob dieses Projekt Erfolg hat. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 2. Anfrage, jener der Frau Ab­geordneten Dr. Plassnik. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ursula Plassnik (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler und Bundesminister! Österreich ist vor einigen Wochen – am 20. Mai – in den UNO-Men­schenrechtsrat gewählt worden.

Meine Frage lautet:

114/M

„Was werden Ihre Schwerpunkte als Mitglied im Menschenrechtsrat der Vereinten Na­tionen“, die Sie sich für diese Funktionsperiode in einem der höchsten Gremien – ei­nem nicht unumstrittenen Gremium – vorgenommen haben, „sein?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir haben jetzt drei Jahre Zeit, im Menschenrechtsrat den Intentionen zu folgen, die wir als Österreich in dem Sinn definiert haben, dass wir als Erstes die Fragen der Religionsfreiheit als eines Menschenrechts, das umfassend gilt, auch entsprechend verfolgen wollen. Wenn wir uns heute ansehen, wie dieses Grundrecht und dieses Menschenrecht in vielen Län­dern nicht geachtet wird, haben wir ein breites Betätigungsfeld.

Das Zweite ist: Wir wollen gerne die Förderung der Meinungsfreiheit und insbesondere auch die Sicherheit der Journalisten zum Thema machen. Wir haben hier eine Insti­tution in Österreich, das Internationale Presse Institut, mit dem wir intensiv zusammen­arbeiten, wo wir auch verschiedene Anhaltspunkte haben, wo überall diese Meinungs­freiheit nicht gilt. Und wir werden in enger Abstimmung mit dem IPI versuchen, dort un­sere Aktivitäten und Initiativen im Menschenrechtsrat zu setzen.

Das dritte Thema wird sein, dass wir die Kinderrechte – auch wieder im europäischen, aber natürlich auch im Rahmen der Vereinten Nationen – mit neuen Initiativen verse­hen wollen. Ich glaube, dass ein umfassender Schutz von Kindern und insbesondere die Verhinderung von Ausbeutung von Kindern ein ganz wichtiges Anliegen ist. Dafür sollte Österreich auch Vorreiter im Menschenrechtsrat sein. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Plassnik, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ursula Plassnik (ÖVP): Im Lichte unserer zweijährigen Mitglied­schaft im UNO-Sicherheitsrat: Wo sehen Sie hier inhaltliche und auch politische Zu­sammenhänge? Wie sieht es insbesondere mit Ihrem Engagement für das Thema Frauen aus? Wie ist Ihre Haltung zu einer globalen Kampagne: Menschenrechte sind Frauenrechte – Frauenrechte sind Menschenrechte?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 



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Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich glaube, wir sollten das Engagement der zwei Jahre im UNO-Sicherheitsrat auch im Menschenrechtsrat fortsetzen. Wir haben uns ja einerseits starkgemacht für die Frage des Schutzes der Zivilisten in bewaffneten Konflikten, wo das Frauenthema eine besondere Rolle spielt. Wir haben andererseits hinsichtlich des Themas der Resolution 1325 und der zehn Jahre danach eine neue Initiative mit den Vereinigten Staaten begonnen. Ich meine, dass wir genau dort auch im Menschenrechtsrat weiter ansetzen müssen.

Die Rechte von Frauen und auch durchaus die Einbeziehung von Frauen in Konfliktlö­sung stellen ein großes Potenzial für die Zukunft dar. Da müssen wir als Österreich besonders engagiert bleiben, damit wir das auch zur Lösung der vielen Konflikte nutz­bar machen, die wir leider weltweit haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Scheibner.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Bundesminister, es ist natürlich erfreu­lich, dass wir in den nächsten Jahren in diesem Gremium arbeiten können.

Es gäbe – und ich betone den Konjunktiv: es gäbe – jetzt die Möglichkeit, auch eine ei­genständige österreichische Linie zu verfolgen, um das Ansehen Österreichs in der Welt zu stärken, gerade etwa bei der mit Sorge beobachteten Entwicklung in manchen Ländern des Nahen Ostens, wo es auch um Menschenrechtsfragen geht und wo man doch den Verdacht haben kann, dass auch manche der westlichen Akteure dort nicht die Menschenrechte, sondern Eigeninteressen in den Vordergrund stellen.

Es gäbe jetzt eine Möglichkeit, dass Österreich gerade im Nahen Osten seinen guten Namen nützt, um als Vermittler und Moderator zu wirken. Leider hat auch Ihre Außen­politik und die Außenpolitik Österreichs in den letzten Jahren diese Region vernach­lässigt. Es wurden Botschaften geschlossen, anstatt dass man das Engagement ent­sprechend ausgeweitet hätte.

Deshalb meine Frage: Werden Sie auch diese Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat dazu nutzen, um endlich in dieser wichtigen Region, im Nahen Osten, eine eigenstän­dige, aktive österreichische Note einzubringen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es tut mir außerordent­lich leid, dass Sie so schlecht informiert sind, obwohl Sie sich normalerweise eigentlich sehr eingehend mit diesen Fragen auseinandersetzen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Ing. Westenthaler– Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.) Darum darf ich Ihnen gerne einige Fakten auf den Tisch legen.

Erstens haben wir keine Botschaften geschlossen, sondern es ist immer die gleiche Botschaft im Oman, die Ihnen offenbar persönlich besonders am Herzen liegt. Aber ich muss selbstverständlich auch die Kostenzwänge, mit denen wir konfrontiert sind, be­achten!

Was tun wir im Nahen Osten? – Erstens haben wir uns angeboten, dass wir 2012 in Österreich in der Nachfolge dieses NPT-Vertragswerks eine Konferenz für eine nu­klearwaffenfreie Zone im Nahen Osten veranstalten. Das ist eine große Herausforde­rung, weil wir genau wissen, wer hier besondere Interessen hat und wer nicht. Ich halte das aber aufrecht. Ich habe mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen darüber mehrfach geredet, und die Chancen stehen gut. Das wäre eine große Herausforderung für uns, die vor allem darin besteht, dass wir alle Partner nach Österreich holen und uns diesem Thema widmen.


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Aber wir stehen dazu, wir wollen uns dieser Herausforderung stellen, und ich lade Sie herzlich ein, bei den Vorbereitungen mitzuwirken! Das wäre tatsächlich eine gute Ini­tiative! Ich hoffe, dass alle Partner dem auch zustimmen. Bisher habe ich aber sehr po­sitive Reaktionen dazu gehört. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Schwentner.

 


Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Sie haben den Schwerpunkt Frau­enrechte bei Ihrem Engagement im Menschenrechtsrat nicht aktiv angesprochen, aber zumindest auf Nachfrage. Ich möchte trotzdem nachhaken.

Welche Initiativen werden Sie setzen, um die Frauenrechte zu stärken, insbesondere in Ländern, die geopolitisch und wirtschaftlich strategisch wichtig sind, wie zum Beispiel Saudi‑Arabien, wo die Frauenrechte, wie wir wissen, und damit auch Menschenrechte massiv verletzt werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich glaube, dass man, wenn es um Religionsfreiheit geht, nicht zwischen Männern und Frauen unterscheiden kann. Diese gilt nicht nur für Männer, sondern sehr wohl auch für Frauen!

Ich glaube auch, dass wir bei der Frage der Förderung von Medienfreiheit nicht unter­scheiden müssen, ob es sich um Journalistinnen oder Journalisten handelt. Das sehe ich völlig geschlechtsneutral, und ich glaube, dass wir in all diesen Bereichen, auch beim Schutz der Kinderrechte und der Möglichkeit, dass Ausbeutung verhindert wird, immer Männer und Frauen gleichermaßen betrachten müssen.

Das sind unsere Schwerpunkte, und wir werden sorgsam darauf achten, dass das nicht nur Männer betrifft, sondern selbstverständlich auch Frauen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter Dr. Karlsböck.

 


Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Minister! Österreich gibt jedes Jahr rund 100 Millionen an Steuer-Euro als Beitrag für diverse mehr oder weniger sinn­volle internationale Organisationen und Vereinigungen aus. Gerade in Bezug auf die Menschenrechte wird in Bezug auf die Mitgliedstaaten diesbezüglich mit unterschied­lichem Maß gemessen.

Gewinnen auch Sie den Eindruck, dass die Menschenrechtsfrage hier oft als politische Waffe eingesetzt wird? Wie viel wird den österreichischen Steuerzahler die Mitglied­schaft im Menschenrechtsbeirat der Vereinten Nationen kosten? Wo liegt der konkrete Nutzen für den österreichischen Steuerzahler, abgesehen davon, dass es wieder zu ei­nem verstärkten Konferenztourismus kommen wird?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Der konkrete Nutzen für Österreich liegt darin, dass Österreich als ein Land wahrgenommen wird, das sich im Rahmen der Vereinten Nationen engagiert und Grundwerten folgt, und das halte ich für wichtig. Wir müssen Österreich in Europa so positionieren, und das bleibt ein Schwer­punkt unserer Außenpolitik.

Zweitens kann man nicht an Zahlen messen, was ein Engagement im Menschen­rechtsrat tatsächlich kostet. Wir haben dort eine Vertretung, die jetzt auch nicht mehr Personal hat und diese Aufgabe in Genf bewältigen wird. Ich werde mich selber öfters


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nach Genf begeben, um an den Sitzungen teilzunehmen. Wir werden unsere Initiativen dort starten und insgesamt unser Budget im Außenamt nicht erhöhen, sondern mit den bestehenden Ressourcen auskommen.

Ich halte aber doch fest: Sich für Menschenrechte einzusetzen, ist ein wichtiges Anlie­gen. Wir sind ein Land, das die Menschenrechtskonvention in den Verfassungsrang er­hoben hat, und wir wollen auf diesem Gebiet auch international stark aktiv bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter We­ninger.

 


Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Guten Morgen, Herr Außenminister! Die Vereinten Nationen prangern aktuell in der Person der Hochkommissarin für Men­schenrechte die brutale Vorgangsweise der syrischen Militärs und Truppen gegenüber den Protesten an. In den heutigen internationalen Medien wird berichtet, dass die sy­rischen Behörden einer UNO-Delegation zur Überprüfung der Menschenrechtssituation die Einreise verweigern.

Wie schätzen Sie die Situation ein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Die Situation in Syrien schätze ich als sehr besorgniserre­gend ein! Wir haben dazu Informationen von den Vereinten Nationen, aber auch von der Europäischen Union, die in diese Richtung deuten.

Das, was wir tun können, ist, dass wir mit den Mitteln, die eine internationale Staaten­gemeinschaft hat und die die Europäische Union im Besonderen hat, darauf einwirken, dass sich die Zustände ändern, das heißt, dass wir etwa bei der Europäischen Union auch Sanktionen gegen den Präsidenten beschließen – das haben wir getan – und sein Vermögen einfrieren, sofern es sich um Vermögensteile in Österreich handelt. Ins­gesamt wäre auch über Wirtschaftssanktionen nachzudenken, wenn unserem Aufruf nicht gefolgt wird, mit der Opposition einen konstruktiven Dialog zu beginnen und ins­besondere die Gewalt zu beenden.

Solche Schritte sehe ich derzeit nicht. Das ist sehr bedauerlich! Darum werden wir uns nächste Woche im Rahmen des Außenministerrates intensiv mit dieser Frage beschäf­tigen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Bevor ich die nächste Frage aufrufe, möchte ich festhalten: Sie wissen, dass die Geschäftsordnung Doppelfragen nicht vorsieht. (Abg. Ing. Westenthaler: Das gilt auch für Doppelantwor­ten!) Wenn die eine oder andere Doppelfrage von meiner Seite zugelassen wird, dann sollte es nicht zu einem Bündel an Fragen im Rahmen einer Fragestellung kommen, weil wir sonst die Zeit nicht einhalten können.

Herr Abgeordneter Dr. Hübner stellt die Anfrage 117/M. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Thema Türkei: Sie persönlich und eigentlich alle führenden Politiker der Koalitionsparteien ha­ben in Österreich nach innen, den Wählern gegenüber, immer klargemacht, dass sie einen Vollbeitritt der Türkei für eine nicht günstige Lösung halten und dass nur ein be­sonderer Status beziehungsweise ein besonderes Bündnisverhältnis möglich wäre. Diese Position wurde aber nach außen hin in der EU nicht vertreten. Die Beitrittsver­handlungen werden von Österreich mitgetragen und mitgestaltet, obwohl das eine Ein­stimmigkeitsmaterie ist und daher ein Beitritt gegen Österreichs Willen nicht stattfinden kann.


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Jetzt hat die Affäre Plassnik gezeigt, dass diese unsere eher unklare Haltung nicht be­lohnt wird, und Sie selbst haben öffentlich klargestellt, dass Sie diesen Türkei-Vollbei­tritt nicht wollen.

Meine Frage daher:

117/M

„Welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Verhinderung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei setzen?“

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie auf EU-Ebene setzen, um diesen Beitritt zu verhindern beziehungsweise zu stoppen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst muss ich Sie korrigieren: Es ist nicht richtig, dass Österreich nach außen nicht kommuniziert hätte, welche Haltung wir haben! Gerade Frau Kollegin Plassnik hat leidvoll selbst erfahren müssen, wie man auf das, was sie 2005 nach außen gesagt hat, nämlich dass Öster­reich für eine maßgeschneiderte Partnerschaft mit der Türkei und nicht für einen EU-Vollbeitritt eintritt, reagiert hat. Das hat, wie wir gesehen haben, langfristige Wirkungen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen zum Zweiten sagen: Auch ich habe das bei meinem Besuch in Ankara neuerlich klargemacht, und das wissen auch die Partner. Nichtsdestotrotz ist immer noch die Frage relevant, wie der Verhandlungsprozess der Europäischen Union mit der Türkei voranschreitet, und dazu gibt es nichts Neues zu berichten. Wir stehen diesbe­züglich seit vielen Monaten beziehungsweise – wie ich fast sagen möchte – seit Jahren immer wieder vor der gleichen Situation: Die Türkei akzeptiert die Regeln der Euro­päischen Union nicht – Stichwort: Ankara-Protokoll –, und solange sich das nicht än­dert, wird es auch in keiner Weise einen Fortschritt geben.

Wir bleiben bei unserer Linie. Wir wollen, dass eine spezielle Partnerschaft zwischen Europa und der Türkei eingegangen wird, und ich betrachte die EU‑Vollmitgliedschaft eigentlich für die nächsten Jahrzehnte nicht als Thema. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Hübner.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Minister, auch wenn die Beitritts­verhandlungen stocken, so sind sie doch nicht abgebrochen. Sie existieren und laufen.

Halten Sie es für eine faire Vorgangsweise gegenüber einem Land wie der Türkei, über einen Beitritt zu verhandeln, wenn doch zumindest ein Land, nämlich Österreich, das in dieser Sache eine Veto-Macht hat, klargestellt hat, dass es diesen Beitritt nicht will und nicht zulassen will? Das haben Sie selbst jetzt klargestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Werter Herr Abgeordneter! Zur Fairness gehören immer beide Teile, und Fairness heißt, dass man auf den Tisch legt, was in Österreich be­sprochen wurde und welche Linie wir verfolgen. Unsere Haltung kennt die Türkei auch aus meinem Mund, das weiß der Außenminister ganz genau.

Die Frage ist, wie wir uns weiter in die richtige Richtung bewegen, und wenn wir eine maßgeschneiderte Partnerschaft erreichen wollen, dann ist auch die Zustimmung der


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Türkei dazu erforderlich. In diesem Spannungsfeld stehen wir. Morgen ist keine Ent­scheidung darüber zu treffen, aber ich werde mich bemühen, dass wir auch die türki­schen Partner davon in Kenntnis setzen und überzeugen, dass dieser andere Weg, den Österreich vorgeschlagen hat, der richtige ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Wurm.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Ich stehe noch unter dem Eindruck der letztwöchigen Türkei-Wahlen. Ich war dort als Wahlbeob­achterin im Rahmen der Tätigkeit des Europarates eingesetzt.

Wir hatten im sogenannten Briefing am Freitag in Ankara auch die Möglichkeit, mit NGO-Vertreterinnen zu sprechen, und dabei ist die Frauenfrage zur Sprache gekom­men. Unter anderem wurde uns erklärt, dass es eine Zunahme von Delikten im Fami­lienbereich, also häufige Gewalt gegen Frauen gibt. Andererseits war am Freitagabend eine große Demonstration angesagt, bei der die Frauen auf die Straße gegangen sind, um zu verhindern, dass das Frauen- und Familienministerium abgeschafft wird.

Jetzt die Frage an Sie, Herr Bundesminister: Wie werden Sie immer dann, wenn Bei­trittsverhandlungen der Türkei in der EU angesprochen werden, die Frauenfrage und die diesbezügliche Problematik ansprechen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das, was Sie als Befund hier darstellen, gibt natürlich zu denken!

Wir haben entsprechende Organisationen, nämlich insbesondere den Europarat, der genau diese Fragen der Menschenrechte, zu welchen all das dazuzählt, was Sie ge­nannt haben, genau zu beobachten hat. Wir haben auch die Möglichkeit der Individual­beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und wir müssen eine politische Diskussion darüber führen, ob diese Menschenrechte von einem Mitglieds­land Türkei im Europarat auch eingehalten werden.

Wenn nicht, dann muss es darüber einen politischen Dialog geben, und zwar nachhal­tig und intensiv, und ich werde mich bemühen, das als Außenminister der Republik zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hakl, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Vizekanzler! In der Türkei waren vergan­genes Wochenende Wahlen. Wir wissen, dass sich das Land in einer spannenden Si­tuation an einer für Europa strategisch wichtigen Position zwischen Hi-Tech und einer alten Kultur, die Traditionen wie Zwangsverheiratung und anderes teilweise noch auf­rechterhält, befindet.

Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Beziehungen gerade im Lichte der jüngsten Ereignisse zwischen Österreich und der Türkei bilateral weiterentwickeln?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich hoffe, dass sich das gut entwickelt. Wir konnten ein sehr starkes wirtschaftliches Interesse in Österreich an Investitionen in der Türkei feststellen, und das ist auch ungetrübt. Aber im Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik werden manchmal auch verschiedene Wege beschrit­ten.

Meiner Überzeugung nach ist wichtig, dass wir das, was wir der Türkei gegenüber au­ßenpolitisch an den Tag legen, auch mit konkreten Fakten untermauern. Das tue ich.


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Davon wird aber nicht beeinträchtigt sein, dass Österreich nach wie vor eine aktive un­ternehmerische Rolle in der Türkei spielen wird und vice versa. Ich halte es aber für wichtig, dass wir auch politisch zu unseren Grundsätzen stehen, und das jeden Tag und nicht nur, wenn wir wirtschaftliche Interessen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Stadler.

 


Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Vizekanzler! 82 Prozent der Öster­reicher lehnen einen EU-Beitritt der Türkei ab. Ihr eigener Staatssekretär Waldner hat noch am 30. April erklärt, dass er große Sympathien für einen Türkei-Beitritt hat, und zwar im Gegensatz zu dem, was Sie heute gesagt haben.

Botschafter Tezcan hat sich im November des Vorjahres in unverantwortlicher und in­akzeptabler Weise in die österreichische Innenpolitik eingemischt. Ihrerseits gab es ei­ne lendenlahme Reaktion: Tezcan wurde nicht abberufen.

Gül verspricht Ihnen, nichts gegen Kollegin Plassniks OSZE-Kandidatur zu unterneh­men. Drei Wochen später tut die Türkei das Gegenteil davon.

Wann werden Sie endlich mit einer dermaßen wortbrüchigen, inakzeptablen, arrogan­ten Türkei die Beitrittsverhandlungen – im Einklang mit der Haltung der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung – abbrechen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe schon dazu Stellung genommen, wie ich die Frage der Türkei, Europas und insbesondere Öster­reichs sehe, und ich habe dem jetzt nichts hinzuzufügen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Schwentner.

 


Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Die Spannungen wurden schon an­gesprochen.

Mich würde interessieren, inwieweit Sie die mehr als angespannte Lage zwischen Tür­kei und Österreich dazu veranlasst, entsprechende Schritte zu setzen, um diese Span­nungen abzubauen, und mich würde auch interessieren, wie diese Schritte ausschauen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Diese Spannungen beru­hen auf einem besonderen Ereignis.

Es ist tatsächlich so: Wenn uns zugesichert wird, dass Österreich hinsichtlich seiner Kandidatin für die OSZE nicht blockiert wird, dann verlange ich, dass dieser Anstand, den wir in Österreich einfordern, auch international gilt. Das ist für mich eine Messlatte, über welche ich einfach nicht springe, und ich werde das natürlich auch im bilateralen Verhältnis immer wieder ansprechen. Ich halte es für nicht in Ordnung, dass man außenpolitisch Partnern gegenüber etwas anderes verspricht, als man nachher hält. Und das wird von mir gegenüber der Türkei auch im bilateralen Gespräch sehr hart an­gesprochen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 118/M des Herrn Abgeordneten Öllinger. – Bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Bei einer Pres­sekonferenz, die Herr Strache gemeinsam mit Marine Le Pen, Chefin der rechtsextre­


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men Front National in Straßburg gehalten hat, ist es zu einem Eklat gekommen, weil der Generalsekretär der FPÖ, Harald Vilimsky, und der außenpolitische Sprecher der FPÖ, Herr Johannes Hübner, die Pressekonferenz massiv gestört haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Hübner– Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist auch zu entsprechenden Wortwechseln gekommen. Die Journalisten haben ge­sagt: Das hier ist eine Pressekonferenz für Journalisten! – Harald Vilimsky dazu: Das ist die Frage! (Lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Nachdem Sie, Herr Vizekanzler, gerade jetzt auch das Grundrecht auf Informations- und Medienfreiheit, das es zu schützen gilt, angesprochen haben, frage ich Sie:

118/M

„Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit ein Schaden für das internationale Ansehen Österreichs durch den Angriff von FPÖ‑Chef Strache auf die freie und unab­hängige Medienberichterstattung im Rahmen der Pressekonferenz im Europaparla­ment mit Marine Le Pen abgewendet wird?“

(Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zunächst halte ich fest, dass ich mich als Außenminister immer bemühen werde, einen Schaden für das Anse­hen Österreichs abzuwenden beziehungsweise durch aktive Maßnahmen dem Anse­hen Österreichs durchaus für die Zukunft einen anderen Drive zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber den konkreten Fall, den Sie ansprechen, auch bewerten. Die Frage ist: Ist ein Schaden entstanden, und – wenn ja – wodurch?

Ich habe mir die internationale Berichterstattung zu diesen Fragen angesehen. Ich ha­be drei europäische Medien gefunden, die darüber auch tatsächlich berichtet haben; einerseits „Le Monde“, andererseits zwei deutsche Medien, die „Welt“ und der „Spie­gel“ beziehungsweise der „Stern“; ich glaube, es war der „Stern“.

Dabei findet sich aber nicht die Frage: Berichterstattung: Ja oder nein? oder: Fair: Ja oder nein?, sondern eher die Frage der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in manchen Gemeinden. Und da sehe ich auch die Grundlage für einen möglichen Schaden, der auf Österreich zukommen könnte. Darum bitte ich auch darum, dass wir dieses Thema nicht hochspielen. Das ist eine österreichische Diskussion, die auch in Österreich ge­führt werden sollte und die man nicht internationalisieren sollte. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Öllinger.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Vizekanzler, ich bin durchaus dankbar, dass Sie das Thema ansprechen, aber es war gerade die FPÖ, die gegen die Aberken­nung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in Amstetten gestimmt hat. (Abg. Strache: Das ist unrichtig!) Es war ausgerechnet der Herr Strache ... (Abg. Strache: Das ist ge­nau unrichtig! Das wird wider besseres Wissen gesagt! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Können Sie bitte etwas ruhiger sein? Sie brauchen nicht auch hier zu stören. (Abg. Strache: Warum lügen Sie?)

Es war ausgerechnet Herr Strache, der sich bei dieser internationalen Pressekonferenz auf einen Beschluss des Alliierten Rates aus dem Jahr 1946 berufen hat, der die Eh­renbürgerschaft angeblich überflüssig gemacht hat. (Abg. Strache: Warum lügen Sie?)


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Das ist leider nicht richtig. Auch das ist wieder eine Unwahrheit, denn den Alliierten Rat gab es in Deutschland, 1946 war aber Österreich – Gott sei Dank, Herr Strache! – von Deutschland schon frei und unabhängig! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich frage Sie daher, Herr Vizekanzler: Welche Maßnahmen sind es, die Ihrer Meinung nach bewirken können, dass die FPÖ ihren Standpunkt und ihre Haltung in der Frage der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers ändert?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich lasse die Frage zwar zu, würde aber verste­hen, wenn der Herr Vizekanzler diese Frage aufgrund von Nichtzuständigkeit nicht be­antworten kann, wie ich einmal gleich dazusage.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich antworte Ihnen trotz­dem: Diskussionen dieser Art gehören nach Österreich, und man soll das durchaus auch hier im Parlament austragen. Ich bitte Sie aber auch darum, dass wir nicht versu­chen, über internationale Medien Österreich wirklich in seinem Ansehen zu schaden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich denke daher: Ausdiskutieren in Österreich – okay, da kann man sehr unterschied­licher Meinung sein, aber keine Internationalisierung dieser Frage. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Vi­limsky.

 


Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Vielen Dank, sehr geehrter Herr Außenminis­ter! Ich kann mich als Mitglied dieses Nationalrates auch im Sinne des Ansehens des Hohen Hauses nur dafür entschuldigen, was Kollege Öllinger hier zum Besten gege­ben hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Öllinger ist offensichtlich das Opfer einer völlig falschen Wahrnehmung, was offensichtlich auch auf eine ideologische Verblendung zurückgeht, aber das möge ihm unbenommen sein. Faktum ist, dass FPÖ-Chef Strache in einer sehr ruhigen, sehr be­sonnenen, aber auch sehr deutlichen Art und Weise (ironische Heiterkeit bei den Grü­nen) klargemacht hat, dass keine hier im Haus vertretene Partei auch nur ansatzweise irgendwie daran festhalten würde, die Ehrenbürgerschaft von Hitler fortzusetzten. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Meine Empörung, Herr Außenminister, war eine spontane Bemerkung, wie unglaublich es ist, dass ein Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der im revolutionären Marxismus sozialisiert wurde, das Ansehen Österreichs beschmutzt. (Rufe bei BZÖ und Grünen: Frage!)

Herr Außenminister, eine kurze Frage: Werden Sie Überlegungen in Angriff nehmen, dass Journalisten im internationalen Ausland vor einer internationalen Öffentlichkeit das Ansehen Österreichs entsprechend wahren sollen? (Abg. Grosz: Dann krieg ich aber auch eineinhalb Minuten!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir setzten uns dafür ein, dass im Rahmen unseres Engagements im Menschenrechtsrat der Schutz von Journalisten ein wesentlicher Zielpunkt für die Zukunft ist. Das ist wichtig, denn das, was wir in Österreich und was Sie hier diskutieren, hat in Wirklichkeit mit der Realität, was in vielen Ländern passiert, gar nichts zu tun. Dort geht es darum, dass man nicht frei berichten kann, dass freie Meinungsäußerung nicht möglich ist, dass Journalisten


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verfolgt und zum Teil auch getötet werden. Um diese Fragen werden wir uns im Men­schenrechtsrat bemühen, und um nichts anderes. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Muttonen.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, dass es sinnvoll wäre, dass alle Parteien in Gemeinden die Ehrenbürger­schaft von Leuten wie Hitler oder anderen Personen, auch wenn sie tot sind, einfach aberkennen sollten? (Abg. Strache: Die sind ja nicht mehr aufrecht! Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, das ist eine Diskussion – ich verweise neuerlich darauf –, die in Österreich geführt werden muss, die auch jede Gemeinde zu entscheiden hat. Mehr will ich dazu nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Mag. Schwentner: Wir sind in Österreich! Abg. Öllinger: Was heißt denn das?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Fürn­trath-Moretti.

 


Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundes­minister, Österreichs Wirtschaft ist sehr exportabhängig. Das setzt natürlich eine hohe Qualität der Produkte voraus. Genauso wichtig ist aber auch unser Ansehen im Aus­land. Sehr geehrter Herr Bundesminister, welche Maßnahmen setzen Sie, um das in­ternationale Ansehen Österreichs noch weiter zu steigern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wir haben dazu bei unse­rer Regierungsklausur eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, insbesondere eine Initiative zu einer Etablierung der Marke Österreich im internationalen Feld. Das halte ich für wichtig, denn Österreich hat in vielen Bereichen, ob jetzt in der Umweltqualität, ob bei der Lebensmittelsicherheit, ob bei Industriebetrieben, ob in der Dienstleistung, sehr gute Leistungen vorzuweisen. Die müssen wir promoten, dazu müssen wir eine Werbekampagne im Ausland starten, um diese Marke Österreich bekannter und damit die österreichischen Produkte auch beliebter zu machen. Davon halte ich viel, und das wird sich auch sehr positiv auf Österreich und sein Ansehen auswirken. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Grosz.

 


Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Außenminister, nach dem peinlichen und sinnentleerten Hickhack zwischen Blau und Grün nun ein sinnvolles Anliegen, in einer Frage verpackt. Das internationale Ansehen Österreichs – darüber wurde schon ge­sprochen – hat tatsächlich dadurch Schaden genommen, dass Österreich einer Vorga­be der Europäischen Kommission nicht Folge leistet und die Kinderschutz-Hotline 116000 für Eltern von vermissten Kindern nicht umsetzt.

Diese ist vom Österreichischen Verband zur Suche nach vermissten Personen einge­richtet. Österreich gibt 1,2 Milliarden € für Griechenland aus – Geld, das wir nie mehr sehen. Und 12 000 € haben wir nicht für die einmalige Einrichtung dieser kostenlosen Kinderschutz-Hotline!

Ich werde jetzt als Erster 100 € spenden, Herr Außenminister (Ah-Rufe bei der SPÖ), werde diese Spendenbox heute den ganzen Tag während der Plenarsitzung aufstellen,


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um diese 12 000 € für Kinderschutz in Österreich zu sammeln, und frage Sie, ob Sie bereit sind, zu spenden, und auch, ob Sie bereit sind, innerhalb der Bundesregierung einen Beschluss herbeizuführen, dass diese europäische Empfehlung zur Einrichtung einer Kinderschutz-Hotline endlich in Österreich umgesetzt wird. (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich werde mir gerne an­sehen, welche Initiative Sie meinen. (Abg. Grosz: Unterstützen Sie es?) Es gibt aber viele Initiativen in Österreich, wie wir den Schutz der Kinder, auch in diesem Land, zu­künftig anders gestalten wollen. Ganz besonders möchte ich darauf verweisen, dass wir in nächster Zeit von der Justizministerin ein Schutzpaket erwarten, auch was die strafrechtliche Konsequenz für Personen betrifft, die diesen Schutz von Kindern nicht einhalten. Das halte ich für wesentlich in dieser Republik, dass sich alle darauf verlas­sen können: Wir stehen für den Schutz von Kindern in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Grosz: 100 €! Abg. Ing. Westenthaler: Greifen Sie in die Brieftasche rein! Abg. Grosz: Spenden Sie!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 116/M des Herrn Ab­geordneten Bucher. – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Vizekanzler, zum Thema Griechenland. Das Land ist pleite. Die Regierung hat ein Chaos zu verzeichnen, Unruhen auf den Straßen, Ratlosigkeit auf europäischer Ebene.

Sie wissen, dass Österreich 1,2 Milliarden € an Griechenland überwiesen hat – Geld, das wir nicht haben, Geld, das in keinem Tresor irgendwo versteckt ist, das wir aufneh­men müssen, für das wir auch Zinsen zahlen müssen. Sie haben in der Bundesregie­rung mit beschlossen, Griechenland weiter zu unterstützen, obwohl es ein Fass ohne Boden ist und das Geld nicht in Griechenland ankommt, sondern bei den Banken lan­det.

Wollen Sie dieses Unterfangen weiterhin unterstützen? Wollen Sie Griechenland wei­terhin sozusagen am Leben erhalten, das nicht lebenswert ist? (Abg. Kopf: Was? Grie­chenland ist nicht lebenswert? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, weil es sich in Knechtschaft befindet! Griechenland befindet sich in Knechtschaft und kann nicht selbstbestimmt das Land gestalten!

Die Frage, die ich an Sie richten möchte, lautet:

116/M

„Sind Sie nicht auch der Ansicht, dass die Auszahlung der nächsten Rate in der Höhe von 153 Millionen € ungerechtfertigt ist, nachdem Griechenland die Auflagen zur Bud­getstabilisierung nicht erreicht hat?“

Und meinen Sie nicht auch, dass die Auszahlung dieser Rate daher unterbunden wer­den soll?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Abgeordneter, ich habe dazu schon anlässlich einer anderen Frage Stellung genommen. Für uns ist wichtig, dass es eine Konditionalität gibt. Hilfe für den Erhalt der gemeinsamen Währung ist notwendig, aber was Griechen­land betrifft, wird es von den Konditionen abhängen, von der Reformagenda und vor allem davon, ob diese griechische Regierung überhaupt überlebt. Wir werden sehen, ob es sie morgen noch gibt.


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Ich hoffe sehr, dass es möglich ist, dass dort auch im Parlament ein neues Maßnah­menpaket geschnürt wird, weil das die Voraussetzung für weitere Hilfe ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Bu­cher.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Meine Frage ist, welchen Plan B Sie vorhaben, zu verfolgen, da sich ja jetzt die Slowakei schon skeptisch geäußert hat und nicht mit­zieht und der IWF als wichtiger Partner in der Troika ebenso Bedenken hat, denn wenn jetzt diese Hilfsmaßnahmen nicht greifen, Griechenland pleitegeht, das Geld nicht dort ankommen wird, wofür es bestimmt ist, was wollen Sie dann tun, um Griechenland aus dieser Misere zu helfen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Herr Abgeordneter, noch einmal: Wir werden uns in dieser Frage mit den europäischen Partnern, besonders mit den Hartwährungsländern inner­halb der Euro-Zone, eng abstimmen. Es wird Deutschland genauso wie die Holländer und Österreicher gemeinsam mit an einem Strang ziehen.

Die Vorbereitungen dafür sind im Gange. Es gab erst diese Woche ein Treffen der Fi­nanzminister, und es wird in absehbarer Zeit einen Europäischen Rat geben, wo man dann die Fakten auch bewerten kann. Aber ich kann Ihnen heute auch nicht sagen, was morgen in Griechenland der Fall sein wird. Warten wir ab, ob diese Regierung überlebt und ob es überhaupt möglich ist, dass wir eine Reformagenda auch tatsäch­lich an den Tag legen! Das ist aber für mich die Voraussetzung für weitere Hilfe. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kogler.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Geschätzter Herr Vizekanzler, mit Ab­warten allein wird es nicht getan sein. Es geht ja wohl genau darum, das ökonomisch vernünftig, aber auch gerecht zu organisieren. Uns eint mit Sicherheit die Überzeugung und Vorstellung, dass Griechenland in dem Sinn geholfen werden muss, dass man auch das brennende Haus eines Nachbarn löschen will, schon allein deshalb, damit die Flammen nicht auf das eigene Haus übergreifen. – Das war sicherlich ein passabler Vergleich bis jetzt, den die Bundesregierung geboten hat. Nur, Sie müssen schon auch dazusagen, wer die Kosten dafür zu tragen hat.

Sie sind mir vorher ausgewichen, daher frage ich Sie jetzt noch einmal: Was tut die ös­terreichische Bundesregierung in den europäischen Gremien, um sicherzustellen, dass die Banken, die Spekulanten und all jene, die bis jetzt massiv daran verdient haben und Griechenland in den letzten beiden Jahren zum Teil mit in diese Pleite getrieben haben, endlich einen Beitrag zahlen, bevor sie endgültig weg sind?

Sie beteiligen sich an Konkursverschleppung, weil Sie nicht einsehen wollen, dass Griechenland teilpleite ist und dass jetzt endlich einmal ein Strich gezogen werden muss, damit Griechenland die restlichen Schulden tragen kann und aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommt und damit vor allem in Europa endlich einmal auch andere zur Kasse gebeten werden als die SteuerzahlerInnen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr verehrter Herr Abgeordneter, noch einmal darf ich Ih­nen unsere Position erklären. Wir wollen gemeinsam mit den europäischen Partnern vor dem nächsten Schritt – das ist der nächste Europäische Rat – die Fakten bewer­ten. Dazu kann ich Ihnen heute nur sagen, wir warten ab, ob die Regierung in Grie­


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chenland morgen noch existiert, und das ist ja wohl auch aus Ihrer Sicht ein nachvoll­ziehbarer Grund, den wir nicht voll mitbestimmen und auch nicht beeinflussen können.

Entscheidend ist auch, da haben Sie recht, wie wir den Privatsektor mit einbeziehen. Die Finanzministerin hat unsere Vorstellungen dazu schon dargestellt. Wir wollen auch den Privatsektor mit einbeziehen. Wie das erfolgen kann, werden wir mit den europäi­schen Partnern eng abgestimmt zu erarbeiten haben und beim Europäischen Rat darü­ber letztlich auch eine Entscheidung treffen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kö­nigshofer.

 


Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Vizekanzler, dieses Thema wird ja sehr kontroversiell diskutiert – nicht nur hier im österreichischen Parlament, sondern auch europaweit. Da gibt es die eine – immer kleiner werdende – Gruppe rund um Jean-Claude Juncker, die Euphoriker, die meinen, dass man immer weiter finanzie­ren sollte, immer mehr Milliarden in ein Fass ohne Boden werfen sollte, und damit Kon­kursverschleppung betreiben, und auf der anderen Seite eine immer größer werdende Gruppe von Finanzfachleuten, Wirtschaftswissenschaftern und Nationalökonomen, die eine andere Linie vertreten und meinen, dass es so nicht zu bewältigen ist.

Auch gibt es schon Millionen Bürger in Europa, die, sich allein auf ihren Hausverstand verlassend, begreifen, dass man ein hochverschuldetes Land nicht mit noch mehr Mil­liarden retten oder sanieren kann.

Meine Frage direkt an Sie, Herr Bundesminister: Wie sehen Sie vor dem Hintergrund der schweren Finanzlage, der Finanzkatastrophe der südeuropäischen Staaten die gestrigen Ausschreitungen und Massendemonstrationen von Bürgern in Athen und auch in Barcelona? Stellen Sie sich so das europäische Friedensprojekt EU vor?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, jedes Land der Europäi­schen Union und insbesondere eines in der Eurozone hat seine Hausaufgaben zu er­ledigen. Wenn man das in der Vergangenheit nicht getan hat, muss man eben etwas nachholen. Das ist zwar schmerzlich, aber notwendig, da nicht alle anderen in der Eu­rozone, auch nicht Österreich, für diese Hausaufgaben, die nicht gemacht wurden, ge­radestehen können.

Das ist ein schmerzlicher Prozess, und es ist nicht erfreulich, zu sehen, mit welchen Arten von Demonstrationen und mit welcher Gewaltausschreitung hier vorgegangen wird, aber ich sehe für Griechenland keinen anderen Weg als jenen, diese Hausaufga­ben schmerzlich nachzuholen. Das gilt für andere Länder der Euro-Zone genauso, wenn sie tatsächlich innerstaatlich solche Schwierigkeiten haben. Darauf wird sich nie­mand – egal, wer Ministerpräsident von Griechenland oder Portugal oder sonst eines Staates ist – herumschwindeln können, sondern das wird jeder zu Hause erledigen müssen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Klub­obmann Dr. Cap.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Minister! Ich nehme an, der Herr Klub­obmann Bucher hat vorhin „lebensfähig“ und nicht „lebenswert“ gemeint. Es gibt De­monstrationen, einen Generalstreik in Griechenland, und während alle Mitgliedsländer unter großen innenpolitischen Problemen Geld in Bewegung setzen, damit dieses Land eine Überlebensperspektive hat, was vor allem auch in unserem Interesse ist, weil das für uns ein wichtiger Partner für den Export ist und so weiter, weigert sich die konser­vative Opposition trotzdem, diesen nationalen Konsens im Rahmen einer gemeinsa­men Regierung mitzutragen.


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Das ist völlig unverständlich, heizt die Stimmung in Griechenland noch an, während wir doch zu erwarten haben, dass Griechenland ein Partner ist und auch wirklich mitmacht. Was ist eigentlich jetzt die Initiative von Ihnen, vom IWF, von der EU, diese Konservati­ven wirklich auch zu motivieren, ja vielleicht sogar zu zwingen, dass sie das Programm mittragen, das wir alle ihnen unter dem Titel „Hausaufgaben“ übermittelt haben, damit das Geld überwiesen werden kann?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Klubobmann, ich habe keinen unmittel­baren Einfluss auf die Konservativen oder auf die Sozialdemokraten in Griechenland, und ich glaube, Sie auch nicht auf die Regierung. Entscheidend ist, dass etwas ge­schieht, und zwar unmittelbar, dass in Griechenland diese Reformen auch durch einen parlamentarischen Prozess laufen und eine Mehrheit finden.

Das ist schmerzlich – ich habe es schon gesagt –, aber alternativlos. Ich glaube, dass wir auch in unserem Interesse darauf beharren müssen, um Beispielsfolgen in anderen Ländern hintanzuhalten, dass dieser Prozess möglichst rasch abgeschlossen wird. Aber diese Hilfe sehe ich als notwendig, denn wir können nicht in irgendeiner Weise in Kauf nehmen, dass ein Land der Euro-Zone in fundamentale Schwierigkeiten kommt, wo doch die Rückwirkungen auf alle anderen in der Euro-Zone absehbar sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Haubner.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler, der Euro notiert 40 Prozent höher als der Dollar, 30 Prozent der Währungsreserven sind in Euro veran­lagt. Der Euro ist also eine stabile Währung. Was sagen Sie zu der immer wieder erho­benen Forderung, den Euro aufzugeben und den Schilling wieder einzuführen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Ich halte davon gar nichts. Das ist eine gefährliche Nostal­gie, die da manche verbreiten, aber klar ist: Wir haben uns ja bei der Regierungs­klausur mit unseren Experten, mit dem Gouverneur der Nationalbank und mit Professor Felderer auch mit dieser Frage auseinandergesetzt, mit dem Schluss, dass eine Aufga­be des Euro und die Wiedereinführung einer kleinen Währung in Österreich zu einem sofortigen Verlust von vielen Arbeitsplätzen und zu einer wirtschaftlichen Antidynamik führen würden, und vor allem auch, dass die Spekulation für eine kleine Währung gefährlich wäre. Ich denke, diesen Weg werden wir auf jeden Fall nicht gehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 120/M der Frau Abgeordneten Bayr. – Bitte.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Das schreck­liche AKW-Unglück in Fukushima am 11. März dieses Jahres hat abermals einerseits sehr viele europäische Bürgerinnen und Bürger aufgerüttelt und dazu gebracht, gegen Atomkraftwerke auf die Straße zu gehen, und andererseits hat dieses Unglück auch sehr klar vor Augen geführt, dass Atomenergie weder eine sichere noch eine billige, noch eine nachhaltige Energieform ist, geschweigen denn ein Beitrag zum Klima­schutz, wie das oft von den AKW-Lobbyisten dargestellt wird.

Meine Frage lautet:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 29

120/M

„Die österreichische Bundesregierung hat sich die Gründung einer Anti-Atom-Allianz auf europäischer Ebene zum Ziel gesetzt. Durch welche Maßnahmen werden Sie in Ih­rer Funktion als Außenminister einen Beitrag dazu leisten?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich nütze erstens jedes bilaterale Gespräch mit Nachbarn, aber auch mit Kollegen aus der Europäischen Uni­on, um darauf aufmerksam zu machen, dass diese Atomlobby, die es in Europa nach wie vor gibt, auch gefährliche Auswirkungen auf uns alle hat.

Niemand kann abschätzen, was nach der Nutzung mit diesen Brennstäben tatsächlich passiert. Wir wissen, dass die Frage der Endlagerung immer noch ungeklärt ist, dass die Sicherheit von Atomkraftwerken so nicht gewährleistet ist. Das tue ich daher im bi­lateralen und multilateralen Rahmen.

Ich werde zweitens auch an der internationalen Atomenergiekonferenz in Wien teilneh­men. Dort gibt es die Möglichkeit, gerade zu Fragen der Nuklearsicherheit Stellung zu nehmen. Auch das ist eine Möglichkeit, mit vielen anderen darüber ins Gespräch zu kommen.

Drittens werde ich auch zeigen, dass wir in Österreich mit den alternativen Energien eine Möglichkeit haben, einen anderen Weg zu gehen. Ich habe daher alle Diplomaten, die in Österreich akkreditiert sind, eingeladen, mit mir gemeinsam nach Güssing zu fahren, um diese energieautarke Stadt anzusehen und dort auch mit eigenen Augen zu erkennen, was alles möglich ist, wenn man Rohstoffe wie bei uns die Wälder hat, um Biomasse wirklich zu nützen, aber auch Gas und Strom aus Holz zu erzeugen. Auch das ist eine Möglichkeit, mit nachwachsenden Energieträgern etwas zu bewerkstel­ligen.

Das also ist mein Portfolio und mein Beitrag zu dieser Frage Atomsicherheit. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Bayr.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Als Außenminister von Österreich wissen Sie genauso wie ich als Umweltpolitikerin, dass Österreich auf europäischer Ebene sehr oft als sehr einsame Kämpferin gegen Atomkraft dagestanden ist, mit sehr wenig Verbün­deten.

Es zeigt sich jetzt, dass zum Beispiel in Deutschland auch aufgrund von Wahlergebnis­sen die konservative Regierung dazu genötigt worden ist, wieder den ursprünglichen rot-grünen AKW-Ausstiegskurs aufzunehmen.

Die italienischen Bürgerinnen und Bürger haben jetzt am Wochenende mit 95 Prozent total eindrucksvoll bewiesen, dass sie gegen einen weiteren Ausbau beziehungsweise eine Wiedereinführung von Atomkraft in Italien sind. Dort tut sich also sehr viel.

Mich würde auch Folgendes interessieren – auch weil Sie gesagt haben, dass Sie in dieser Frage sehr viel bilateral und multilateral unterwegs sind –: Wo sehen Sie denn mögliche weitere Partner und Partnerinnen für Österreich in diesem europäischen Kampf? Und: Mit welchen Mitteln kann man sie gewinnen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, es ist sehr unterschied­


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lich, wenn man das europäische Umfeld betrachtet, wie auch Bürger der jeweiligen Länder mit diesen Fragen umgehen. Ich darf ein Beispiel nennen:

In Frankreich ist es keine sehr weit verbreitete Meinung, dass man auf Atomkraft ver­zichten sollte, sondern ganz im Gegenteil: Da hat das einen ganz anderen Stellenwert in der Bevölkerung. Aber wir müssen uns an die Länder halten, in denen wir solche Be­wegungen spüren, dort auch versuchen, eine Partnerschaft in dieser Richtung einzu­gehen. Es hat ja unser Umweltminister Berlakovich auch mit einer Konferenz der „Like-Minded Countries“ in Wien einen ersten Schritt in diese Richtung gesetzt, und genau auf diesem Weg müssen wir bleiben: Einladen, miteinander reden, gemeinsame Ak­tionspläne besprechen, wie wir auch andere überzeugen können, auf diesen Weg ein­zuschwenken. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Schultes.

 


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler, die einzig wirksame und ehrliche Position in der Bekämpfung der Atomkraft ist der Verzicht auf die Atomenergie in der persönlichen Verwendung. Gerade Österreich ist da schon sehr weit, und ich denke, es ist in letzter Zeit einiges geschehen, um die österreichi­sche Energiewirtschaft zu stärken und die Eigenaufbringung zu verbessern.

Meine Frage lautet: Was ist da gerade aktuell im Gange?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich glaube, dass wir mit dem Ökostromgesetz, das gestern im Ministerrat beschlossen wurde, wieder einen gewaltigen Schritt nach vorne gehen, indem wir – auch mit den Förderungen von Bun­desseite – ein viel stärkeres Investitionsvolumen von etwa 500 Millionen € auslösen.

Wir verändern aber auch im Bewusstsein einiges, indem wir stärker auf diese erneuer­baren Energien setzen und vor allem auch Private dazu animieren, selbst in solche Energieträger zu investieren. Das muss sich selbstverständlich auch lohnen, darum muss es auch garantierte Preise geben, ohne dass wir die Wettbewerbsfähigkeit in Ös­terreich infrage stellen. Diese Balance im Ökostromgesetz ist aus meiner Sicht gut ge­lungen, und das Hohe Haus wird demnächst darüber beraten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Widmann.

 


Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Minister, die Anti-Atom-Politik Österreichs findet vorwiegend in Regierungsinseraten und auch in soge­nannten Plauderstunden am Sonntag am Stammtisch statt. Konkrete Schritte, konkrete Taten dazu, dass Österreich definitiv auch auf europäischer Ebene Schritte setzt, findet man kaum. Ich denke etwa an das Versäumnis, Hochrisikoreaktoren wie Mochovce oder Temelín auch rechtlich mit einem sogenannten Vertragsverletzungsverfahren zu bekämpfen, und ich denke auch an einen Ausstieg aus Euratom, im Rahmen dessen wir weiterhin Millionenbeiträge für Schrottreaktoren investieren.

Ich frage Sie daher ganz konkret: Es stehen die Beitrittsverhandlungen Kroatiens an. Werden Sie Schritte unternehmen und welche Maßnahmen werden Sie setzen, um das Hochrisikokraftwerk Krško dort zu thematisieren? Ist für Sie auch ein Veto beim EU-Beitritt Kroatiens denkbar? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst darf ich Sie


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darauf hinweisen, dass in Kroatien kein Atomkraftwerk steht, sondern dass sich das in Slowenien befindet. (Abg. Mag. Widmann: Beteiligung!) Kroatien ist lediglich über Un­ternehmen daran beteiligt; das ist schon ein wesentlicher Unterschied.

Zum Zweiten möchte ich Ihnen sagen, dass Kroatien für uns als Österreicher ein will­kommenes Mitglied in der Europäischen Union ist. Wir haben uns jahrelang dafür ein­gesetzt, dass Kroatien beitreten kann, und jetzt sind wir Gott sei Dank so weit. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Dritten darf ich Ihnen sagen, dass wir eine Reihe von guten Schritten gesetzt ha­ben: die Stresstests, die unser Minister Berlakovich begonnen hat, die von Ihnen klein­geredet werden, die aber auf europäischer Ebene natürlich etwas bewirkt haben, eine ganz andere Zugangsmöglichkeit von Staaten, was die Sicherheit von Atomkraftwer­ken anbelangt, oder die Konferenz der „Like-Minded Countries“. Ich habe Ihnen gerade gesagt, was ich tun werde, um Überzeugungsarbeit zu leisten. Sie sprechen dem ei­gentlich jede Berechtigung ab, und das finde ich nicht in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Brunner.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Sehr geehrter Herr Außenminister, ich bin schon ein bisschen überrascht darüber, dass Sie nicht so gut über die Stim­mung zur Atomkraft in einzelnen Ländern der Europäischen Union informiert sind. In Frankreich zum Beispiel sind 70 Prozent der Bevölkerung für den Ausstieg aus der Atomkraft.

In Italien ist die Lage jetzt klar, trotzdem bauen italienische Firmen Atomkraftwerke di­rekt an unseren Grenzen. Ich glaube, die österreichische Bevölkerung erwartet sich da auch von einem Außenminister ein scharfes Auftreten.

Ich war selbst in Güssing tätig, ich kenne das, ich finde das super. Ich glaube aber, dass unser Ökostromgesetz noch nicht ausreichend ist, um so etwas generell umzu­setzen, und dass es in Österreich hinsichtlich unserer Hausaufgaben in Richtung Ener­giewende Nachbesserungen braucht. Ich denke aber nicht, dass es ausreichend ist, nach Güssing zu fahren und ein Beispiel herzuzeigen, sondern dass es auch wirklich konkrete Schritte in unseren Nachbarstaaten, die weiterhin auf Atomkraft setzen, braucht. Viele von uns hier im Raum versuchen das auch. (Abg. Grillitsch: Wer soll das zahlen? Das ist Ihnen wieder wurscht!)

Daher meine konkrete Frage: Was haben Sie getan, mit wem haben Sie konkret ge­sprochen, um auch rechtliche Schritte anzukündigen, um wirklich in Richtung Atomaus­stieg zu arbeiten? Was sind die Ergebnisse dieser Gespräche?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wenn Sie Frankreich und die Stimmung der Bevölkerung ansprechen, dürfen Sie nicht bei Ihren Parteikollegen dort stehen bleiben. (Abg. Mag. Brunner: Sie auch nicht!) Letztlich geht es bei einer solchen Frage immer darum, wie die gesamte Bevölkerung dazu steht, und dazu gibt es in Frankreich ja klare Meinungsumfragen, die man nicht einfach negieren darf, son­dern man muss den Problemen ins Auge sehen.

Zum Zweiten darf ich Ihnen sagen: Ich habe mit allen unseren Nachbarländern, insbe­sondere mit der Tschechischen Republik und mit der Slowakei, intensive Gespräche als Außenminister darüber geführt, wie wir bei Temelín oder bei Mochovce gemeinsam vorgehen können, und zwar in die Richtung, die Sicherheit dieser Kernkraftwerke auf ein anderes Niveau zu heben, die Information Österreichs zu gewährleisten – wir ha­


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ben mit allen Nachbarn Informationsabkommen in dieser Richtung abgeschlossen, was richtig ist – und wie wir insgesamt auch über Alternativen nachdenken können.

Klar ist aber auch: Ich kann mich nicht über die Rechtsordnung hinwegsetzen, und diese sieht in den europäischen Verträgen vor, dass jedes Land selbst seine Energie­träger bestimmen kann. Wir werden trotzdem alle rechtlichen Mittel, die wir haben, in einem Parteistellungsverfahren ergreifen. Das haben wir den Partnern klargemacht, und davon werden wir auch Gebrauch machen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Neu­bauer.

 


Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, während Deutschland die Zeichen der Zeit nach Fukushima offenbar erkannt hat und aus der Atomkraft aussteigen wird, hat die österreichische Bundesregierung in den letzten Jahren im Kampf gegen Atomkraft beziehungsweise gegen grenznahe Atomkraftwerke nicht unbedingt geglänzt. Ich denke nur an den Kampf gegen den Schrottreaktor in Krško, der heute schon mehrfach erwähnt worden ist.

Dagegen hat die Freiheitliche Partei unter Bundesparteiobmann Strache vier Klagen beim Europäischen Gerichtshof eingebracht, nämlich bezüglich Temelín, Mochovce und Isar 1.

Meine Frage an Sie lautet: Was werden Sie konkret tun, um in Zukunft mit einer ent­sprechenden Atompolitik in Österreich etwas gegen die Kernkraftwerke und gegen die Lager, die von Tschechien beabsichtigt sind, zu unternehmen? Und: Wie werten Sie die Anwesenheit von Herrn Dr. Schüssel im Aufsichtsrat eines großen Atomkonzerns, und was werden Sie dagegen unternehmen? (Abg. Grillitsch: Der vertritt auch die KELAG!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zunächst müssen wir zwischen den rechtlichen und den politischen Möglichkeiten unterscheiden. Bezüglich der politischen Möglichkeiten habe ich schon auf viele Fragen geantwortet, was wir alles getan haben. Hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten: Wenn Sie Klagen beim Europäischen Gerichtshof erhoben haben, wird es eine Entscheidung geben. Wir wer­den uns aber, was die Fragen der unmittelbaren Nachbarschaft und der Verfahren dort zur Erweiterung von Atomkraftwerken betrifft, ganz genau ansehen, was wir da im Rahmen des Parteistellungsverfahrens tun können, unsere Kritikpunkte erheben und auch auf ministerieller Ebene in der Politik versuchen, dass es zu einem Umdenken in diesen Ländern kommt. Wir können das aber nicht verordnen, das müssen wir realisti­scherweise auch zur Kenntnis nehmen.

Was die Frage von Dr. Schüssel anlangt, möchte ich auch ein klares Wort sagen: Wenn jemand, der sich auch für diese Anti-Atomkraft-Bewegung einsetzt, im Aufsichts­rat eines deutschen Unternehmens ist, dann ist das ein Vorteil und kein Nachteil. (Bei­fall bei der ÖVP. Rufe bei FPÖ und BZÖ: Ha, ha, ha! Abg. Grillitsch: Der vertritt auch die Kärntner!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 115/M des Herrn Abgeordneten Großruck. – Bitte. (Ruf beim BZÖ: Keinen Zweizeiler, bitte!)

 


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler, beim Weltwirtschaftsforum in Davos konnte Österreich erreichen, dass das Regionalforum dieses Forums in Wien eine Tagung abhält. Diese hat jetzt im Juni stattgefunden, und Hauptthema dieser Tagung, an der wichtigste Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft teilgenommen haben, waren vor allem Osteuropa und Zentralasien. Öster­


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reich ist es somit gelungen, sich als Drehscheibe für Regionalpolitik im Donauraum und am Schwarzen Meer zu positionieren.

Meine Frage lautet:

115/M

„Wie kann Österreich durch das Regionalforum des ‚World Economic Forum‘, das An­fang Juni stattgefunden hat, langfristig profitieren?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Vizekanzler.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich glaube, dass wir mit der Auftaktveranstaltung dieses Regionalforums in Wien schon sehr viel erreicht ha­ben. Wir haben vom WEF auch die Zahlen bekommen, wie viele Artikel, Berichte und andere Beiträge es weltweit über dieses Wiener Treffen in den Medien gegeben hat, und es sind Tausende, die eine Personenzahl von etwa 170 Millionen weltweit erreicht haben. Das allein ist wichtig, weil man damit Österreich und insbesondere Wien als ei­ne Drehscheibe für diesen Raum anerkennt.

Ich habe beim Weltwirtschaftsforum insgesamt 12 bilaterale Gespräche geführt, nicht nur mit anderen Politikern, sondern vor allem auch mit Wirtschaftsleuten, die auch un­terstrichen haben, dass Österreich als Drehscheibe, möglicherweise auch als Head­quarter für eine unternehmerische Tätigkeit in diesem Raum sehr interessant erscheint.

Daher müssen wir da dranbleiben. Ich beabsichtige, in den nächsten Monaten mit Pro­fessor Schwab, dem Veranstalter des Weltwirtschaftsforums, ein Gespräch darüber zu führen, wie wir das fortsetzen können, um vielleicht nächstes Jahr wieder eine ähnliche Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums in Wien zu erreichen, denn das ist notwendig. Wenn wir die Marke Österreich präsentieren wollen, genau in diesen Räumen – ent­lang der Donau, im Schwarzmeerraum, in Zentralasien –, dann wird das unseren Ex­port beflügeln, dann wir das für viele neue Arbeitsplätze in Österreich sorgen, und das ist auch mein Ziel. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Groß­ruck.

 


Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Vizekanzler, es ist bekannt, dass die Entwicklung der Schwarzmeerregion neben der Donauregion Ihnen ein ganz besonde­res außenpolitisches Anliegen und Wirtschaftsminister Mitterlehner ein wirtschaftspoli­tisches Anliegen ist, wobei zur Schwarzmeerregion auch der Kaukasus dazuzuzählen ist.

Vor einem Jahr haben Sie gemeinsam mit Wirtschaftsminister Dr. Mitterlehner eine Studie des WIFO präsentiert, welche die wirtschaftliche Entwicklung der Schwarzmeer­region als vielversprechende Zukunftsoption für die österreichische Wirtschaft identi­fiziert hat.

Konnten Sie bei dem Weltwirtschaftsforum, das vor Kurzem in Wien abgehalten wurde, konkrete weitere Schritte in diese Richtung setzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben aus Anlass des Weltwirtschaftsforums in Wien diese Studie des WIFO aktualisieren lassen, und Professor Aiginger hat uns nachgewiesen, dass in diesen Ländern rund um das Schwarze Meer eine drei Mal so hohe Wachstumsrate wie in Österreich erwartet wird.


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Wir haben das auch im Expertenkreis beim Weltwirtschaftsforum präsentiert und an­hand der Reaktionen gesehen, dass gerade Wien als Drehscheibe für diesen Raum nicht nur anerkannt wird, sondern genützt werden soll.

Dazu ist es jetzt aber notwendig, dass wir nächste Schritte setzen, auch was den Ver­kehrsstandort Wien betrifft, für Flugverbindungen dorthin. Ich halte das für wesentlich, denn ohne Verbindungen dieser Art wird es nicht gelingen, diesen Raum viel stärker in den Fokus zu nehmen.

Wir haben darüber hinaus ein ganzes Konzept entwickelt – Minister Mitterlehner wird es demnächst vorstellen. Ich halte das für eine sehr zukunftsträchtige Strategie Öster­reichs, wie wir uns dort besser aufstellen können. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Lugar, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Beim Weltwirtschaftsforum wurde auch die Griechenland-Hilfe diskutiert. Herr Vizekanzler, Sie machen die Hilfe für Griechenland davon abhängig, ob die Griechen ihre Hausaufgaben machen. Jetzt sagen alle Exper­ten, ganz egal, was die Griechen machen werden, eine Pleite ist nicht abwendbar. Vie­le Experten sagen, es ist eine reine Frage der Mathematik, wann Griechenland in die Pleite rutschen wird. Für Sie und die Griechen gelten aber anscheinend die Regeln der Mathematik nicht – für uns gelten sie.

Es werden in diesem Zusammenhang gewaltige Kosten auf die Österreicher zukom­men. Wir rechnen, wenn wir die Zahlungen, die wir schon geleistet haben, plus die Haf­tungen nehmen, mit mindestens 10 Milliarden €, die für die Pleite Griechenlands – die nicht abwendbar ist, das sagen alle Experten – zu zahlen sein werden. Sie sind die Einzigen, bei denen das noch nicht angekommen ist.

Deshalb, Herr Minister, die Frage: Können Sie ausschließen, dass diese Zahlungen die Österreicher durch neue Steuern belasten werden und die Finanzministerin weiter in die Taschen der Österreicher greift, um Griechenland zu finanzieren? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! In den letzten 15 Minu­ten hat sich an meiner Einstellung nichts geändert, ich habe dazu ausführlich Stellung genommen. Wenn Sie jede Frage zum Anlass nehmen, wieder auf Griechenland zu sprechen zu kommen, weil das parteipolitisch in Ihrem Sinne ist, ist das Ihre Sache. Ich habe Ihnen dazu alles gesagt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Schwentner, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Sie betonen bei Ihren außenpoliti­schen Interessen in der Schwerpunktregion Schwarzmeer vor allem die Wirtschafts­interessen Österreichs. Sie wissen aber, dass das eine politisch sehr instabile Region ist.

Ich frage Sie daher, inwieweit Sie Lehren aus den Konflikten in Nordafrika ziehen und Maßnahmen setzen, um Konfliktprävention, Wahrung der Menschenrechte, Demokra­tieförderung in der Schwarzmeerregion zu gewährleisten.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wenn wir in wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit diesem


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Raum eine stärkere Verbindung knüpfen wollen, werden wir das genauso auch bei Fragen der Menschenrechte, der Demokratieentwicklung, der politischen Entwicklung dieser Länder tun. Aber ohne einen Konnex zu haben wird weder das eine noch das andere gelingen.

Ich sehe das daher immer in beiden Richtungen. Wir werden das selbstverständlich nicht nur wirtschaftlich betrachten, sondern im Sinne unserer Grundwerte auch einfor­dern, dass auch Reformen in dieser Hinsicht in diesen Ländern stattfinden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter Jury. (Rufe bei der ÖVP: Jury!)

 


Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! (Ironische Hei­terkeit bei ÖVP und BZÖ. – Abg. Mag. Stadler: Viertel nach zehn, bitte!) Immer noch „Guten Morgen!“, meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie sind noch nicht munter.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Beim Weltwirtschaftsforum konnte sich die Marke Österreich positiv präsentieren. Es hat aber immer wieder ein paar Wermutstropfen gegeben: Grüne Rabauken, an der Spitze der Abgeordnete Öllinger, sind wieder durch Demonstrationen aufgefallen.

Wie hoch waren die Kosten für diese Polizeieinsätze bei diesem Weltwirtschaftsforum?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die genauen Kosten werden wir jetzt ermitteln müssen, das kann ich Ihnen auswendig nicht sagen, weil das nicht mein Ressortbereich ist, aber es sind sicher Kosten angefallen, weil es notwendig ist, dass wir die Sicherheit gewährleisten, wenn ein solch hochrangiges Treffen in einem Land wie Österreich stattfindet. Es waren aber keine Millionen, sondern einige Hunderttausend Euro, die als Sicherheitskosten angefallen sind, die wir auch tragen müssen – das war der Deal mit dem Weltwirtschaftsforum.

Ich denke aber, insgesamt hat es sich für Österreich gelohnt, eine solche Veranstal­tung durchzuführen, da der Nutzen größer sein wird als die angefallenen Kosten. (Bei­fall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordne­ter Heinzl.

 


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Vizekanzler! In welcher Form hat sich Öster­reich konkret für die Schaffung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung eingesetzt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Vizekanzler, bitte.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Was eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung ist, muss man definieren, aber wofür wir uns einsetzen, ist, dass wir weltweit Wettbewerbsbedingungen vorfinden, die auf gemeinsamen Grundla­gen basieren; das heißt, dass nicht in Österreich wie auch in anderen Ländern der Eu­ropäischen Union enorme Auflagen existieren, wenn man etwas produzieren möchte, und in anderen Teilen der Welt das nicht der Fall ist und dort gerechte Löhne keine Rolle spielen, Umweltbedingungen nicht eingehalten werden und es damit zu Wettbe­werbsverzerrungen kommt.

Es ist auch das Ziel der WTO insgesamt, dass man auf einem gemeinsamen Grund­lagenniveau produziert und dann die Waren austauscht. Das ist aus meiner Sicht auch der richtige Boden, auf dem man sich für solch gerechtere Bedingungen einsetzen kann. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vielen Dank, Herr Vizekanzler.

Alle Fragen sind zum Aufruf gelangt, ich erkläre daher die Fragestunde für beendet.

10.16.32Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 8185/AB bis 8187/AB;

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (1214 d.B.),

Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012 (1223 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvor­schriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (1224 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Sanitätsrat (OSR-Ge­setz) erlassen und das Gesetz betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitäts­dienstes geändert wird (1226 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert wird (1227 d.B.),

Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011 (1252 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Investmentfonds (Investmentfondsge­setz 2011 – InvFG 2011) erlassen sowie das Bankwesengesetz, das Wertpapierauf­sichtsgesetz 2007, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, das Finanzmarktaufsichts­behördengesetz, das Pensionskassengesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selb­ständigenvorsorgegesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Einkommensteuer­gesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Finanzsicherheiten-Gesetz geändert werden (1254 d.B.),

Klimaschutzgesetz – KSG (1255 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von reli­giösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird (1256 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (1260 d.B.).

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 99 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Ried im Innkreis zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 100 betreffend „Petition der Gemeinde Behamberg betreffend NEIN zu ei­nem Atommüllendlager in Grenznähe zu Österreich“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber;


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2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Pflegefondsgesetz – PFG (1207 d.B.),

Pflegegeldreformgesetz 2012 (1208 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Arbeit­nehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz, das Arbeitsinspek­tionsgesetz 1993 und das Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz 1994 geändert werden (1221 d.B.),

Antrag 1594/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Erbringung der Hinterbliebenenleistungen ab dem Ableben des Versicherten;

Familienausschuss:

Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frü­hen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (1225 d.B.),

Antrag 1585/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Zigarettenautomaten,

Antrag 1590/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung,

Antrag 1591/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Grenzüberschreitender“ Kindergartenbesuch im verpflichtenden Kindergar­tenjahr;

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 und das Finanzmarktaufsichts­behördengesetz geändert werden (1202 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2008, das Gesundheits- und So­zialbereich-Beihilfengesetz und das Bundesfinanzgesetz 2011 geändert werden (1211 d.B.),

Abgabenänderungsgesetz 2011 – AbgÄG 2011 (1212 d.B.),

Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses und sonstiger Förde­rungen aus Anlass der 90. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung in Kärn­ten (1218 d.B.),

Bundesgesetz über die Gewährung eines Zweckzuschusses an das Bundesland Bur­genland aus Anlass der 90-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich (1219 d.B.),

Antrag 1597/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kol­legen betreffend den Stopp von Goldverkäufen durch die OeNB;

Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie:

Antrag 1583/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Open Data für Österreich,

Antrag 1589/A(E) der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Bericht betreffend Umsetzung der FTI-Strategie im Parlament;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 1582/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme der klinisch-psychologischen Behandlung in das ASVG,


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Antrag 1584/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Zigarettenautomaten,

Antrag 1586/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in den Räumen der Gastronomie;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 1593/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Finanzierung von Notwohnungen für von Zwangsverheiratung betroffene oder bedrohte Frauen und Mädchen;

Justizausschuss:

Antrag 1579/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebüh­rengesetz geändert wird,

Antrag 1580/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessord­nung 1975 geändert wird,

Antrag 1587/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abschaffung der Scheidung wegen Verschuldens;

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden (1209 d.B.),

Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen (1253 d.B.),

Antrag 1592/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Anpassung der Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO);

Verfassungsausschuss:

Gesetzesantrag des Bundesrates vom 1. Juni 2011 betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem zur Stärkung der Rechte der Gemeinden das Bundes-Verfassungsge­setz geändert wird (1213 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Volksgruppengesetz geändert wird (1220 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (14. FSG-Novelle) (1203 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1204 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (24. StVO-Novelle) (1205 d.B.),

Antrag 1595/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Nutzung der Bahnverbindung Oberwart–Friedberg für den Personenver­kehr;

Wissenschaftsausschuss:

Qualitätssicherungsrahmengesetz – QSRG (1222 d.B.),

Antrag 1596/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Herkunftslandprinzip“;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 39

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verfassungsausschuss:

Jahresbericht 2010 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-249 d.B.).

*****

10.16.42Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Klub des BZÖ hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 8801/J der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kol­legen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend: Genug gezahlt – Steuern sen­ken jetzt!, dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 3 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkon­ferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 84 Minuten, FPÖ 75 Minuten, Grüne 66 Minuten sowie BZÖ 63 Minuten.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 vor, die Redezeit des Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.18.071. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge 1527/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlord­nung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksab­stimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehren­


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gesetz 1973, die Strafprozessordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geän­dert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2011),

914/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz BGBl. Nr. 1/1930, idF BGBl. Nr. 106/2009, geändert wird und Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, idF BGBl. Nr. 28/2007, geändert wird,

1001/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, geändert wird,

1002/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird,

1098/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 2010/13, und das Europa-Wäh­lerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 11/2009, geändert werden und

1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Reform der Briefwahl (1257 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz 1968 geändert wird (1258 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 600/A der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlord­nung 1992 – NRWO) und das Bundesgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Europawahlordnung – EuWO) geändert wird (Wahl­ordnungs-Novelle 2009) (1259 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan. Ich stelle die Uhr wunsch­gemäß auf 7 Minuten. – Bitte.

 


10.21.08

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus und vor den Bildschirmen! Zum heutigen Gesetzesantrag zur Wahlrechtsreform halte ich vorweg fest, dass es sehr erfreulich ist, dass Initiativen der Freiheitlichen, die Kritik insbeson­dere an der Briefwahl geäußert haben, Eingang in diesen Reformvorschlag gefunden haben, und stehe nicht an, die diesbezüglichen Bemühungen der Regierungsparteien anzuerkennen.


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Es sind insbesondere folgende Punkte: Es wird heute das Schummelwählen abge­schafft, das heißt, das taktische Wählen nach Ende des Wahlschlusses, das bis jetzt möglich war. Es ist an sich schon sehr eigenartig, dass das überhaupt möglich war – wir haben das von Anfang an kritisiert –, aber immerhin, man ist unserer Ansicht hier gefolgt, und es wird jetzt abgeschafft. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt künftig eine genaue Prüfung, wie viele Wahlkarten ausgestellt wurden und ein­gelangt sind. Auch da war eine sehr große Manipulationsmöglichkeit vorhanden, weil diese Frage offen war. – Auch das wird abgeschafft.

Es werden die Fristen verlängert. Aufgrund dieser Änderung im Zusammenhang mit Schummelwählern werden die Fristen nach vorne verlegt, damit auch den Auslandsös­terreichern, für die ja die Briefwahl wirklich wichtig ist, die Wahl tatsächlich ermöglicht wird.

Es wird die Zustellung verbessert – das war eine der größten Schwierigkeiten, wie wir aus der Vergangenheit wissen.

Und letztlich wird im Zuge dessen auch Angehörigen der Familie Habsburg bei der Bundespräsidentenwahl das passive Wahlrecht ermöglicht.

Dazu eine kurze Anmerkung: Die Freiheitliche Partei ist am Ursprung der Demokratie und der Republik gestanden. Wir führen uns zurück auf die Revolution von 1848 und haben jetzt keineswegs eine Geschichtsverklärung, wenn wir dieses Kuriosum beseiti­gen wollen, wir sind einfach der Meinung, dass sich die Erde weitergedreht hat und das daher abzuschaffen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Briefwahl als solche muss hier trotzdem noch einmal dargestellt werden, um klar­zumachen, weshalb die Freiheitliche Partei diesbezüglich einen anderen Standpunkt einnimmt als die Regierungsparteien.

Die Briefwahl wurde in erster Linie eingeführt, damit Auslandsösterreicher die Möglich­keit haben, an der Wahl teilzunehmen, und als Ausnahme für die Wahl im Inland – so ist das auch in der Bundesverfassung formuliert.

Die Briefwahl im Inland war von Anfang an nicht ganz verständlich, denn es gibt ja die Möglichkeit, eine Wahlkarte zu nehmen und in ein anderes Wahllokal zu gehen, also dort die Wahl durchzuführen. Es gab aber auch die fliegenden Wahlkommissionen für Behinderte, Kranke, für Personen, die nicht ins Wahllokal kommen können.

Von Anfang an haben maßgebliche Verfassungsrechtler immer darauf hingewiesen, dass bei der Briefwahl alle Grundsätze des Wahlrechtes, die ja für die Demokratie ganz entscheidend sind, nicht eingehalten werden, und zwar:

das unmittelbare und persönliche Wahlrecht – es wird nicht wie in der Wahlkabine die Stimme abgegeben;

das geheime Wahlrecht – es ist nicht klar, ob nicht jemand sieht, welche Stimme hier abgegeben wird;

das unbeeinflusste Wahlrecht – auch da dasselbe Problem: Wer steht beim Ausfüllen der Wahlkarte daneben? Wird das vielleicht überhaupt von jemand anderem ge­macht?, und

das allgemeine Wahlrecht – letztlich entscheidet die Post beziehungsweise die Zu­stellung, ob ich mein Wahlrecht ausüben kann, denn wenn das Wahlkuvert verloren geht, nehme ich an der Wahl nicht teil und bin von der Wahl ausgeschlossen. Es ist doch eine sehr eigenartige Sache, dass mir durch einen Dritten die Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen, genommen werden kann und die Wahlkarte dann auf mein Risiko unterwegs ist und ich nicht die Möglichkeit habe, das einzusehen.

All diese Wahlgrundsätze wurden da nicht eingehalten.


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Es ist eine hohe Kultur in Österreich, wie Wahlen ablaufen. Jeder Bürger weiß, dass er im Wahllokal seinen Ausweis herzuzeigen hat, dass er nur allein in die Wahlzelle ge­hen darf, dass da nicht einmal ein Stau entstehen darf, damit ja nicht irgendwelche Un­regelmäßigkeiten passieren, dass man nicht offen abstimmen darf, das Kuvert zuma­chen muss und einwerfen. Das ist ganz bewusst so gemacht, weil das Wählen ein sehr sensibler Vorgang ist. Früher hat es immer geheißen: Du kannst den Leuten sagen, was du willst, du kannst sie beeinflussen, sie haben vielleicht auch ein anderes Partei­buch, aber in der Wahlzelle, da schaut ihnen keiner zu, da stimmen sie so ab, wie sie wirklich denken! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist aber bei der Briefwahl schlicht und einfach nicht der Fall.

Natürlich kann man fragen: Mein Gott, worüber regt man sich auf? – Es gibt einfach zu viele konkrete Fälle, die zeigen, dass es da Unregelmäßigkeiten gibt und dass da tat­sächlich beeinflusst wird.

Ohne jetzt irgendeine Schuldzuweisung oder einen Vorwurf zu machen ein Beispiel, das doch ganz erstaunlich ist, von der letzten Landtagswahl in Wien, von meinem Hei­matbezirk Simmering: Dort gab es im normalen Wahllokal das Ergebnis: 37 Prozent FPÖ und 47 Prozent SPÖ, also 10 Prozent Unterschied. Bei der Briefwahl allein – nur bei der Briefwahl! – hatte die FPÖ 25 Prozent und die SPÖ 55 Prozent. (Abg. Vi­limsky: Da schau her!) Jetzt kann mir niemand erklären, dass wir hier ein unterschied­liches Wählersegment haben. Wenn die Grünen oder die ÖVP bedeutend höhere An­teile bei den Briefwählern haben, hat man immer gesagt, dass das die gebildeteren Schichten sind, flexiblere Personen oder sonst etwas. Aber die SPÖ und die FPÖ ha­ben in Simmering sicherlich ein sehr ähnliches Publikum bei den Wählern, und daher ist dieses Ergebnis ganz erstaunlich.

Ich behaupte keineswegs, dass hier Wahlbetrug stattgefunden hat, aber es gibt einfach die Möglichkeit der Beeinflussung, es gibt die Möglichkeit, Druck auszuüben. (Beifall bei der FPÖ sowie Beifall des Abg. Windholz.)

Das geht ganz subtil: Man kann einem Menschen nahelegen: Nimm doch an der Brief­wahl teil, das ist gar nicht schwierig, ich helfe dir bei der Beantragung der Wahlkarte! Und dann weiß natürlich die Partei, die einen hohen Organisationsgrad hat, wann die Wahlkarte ankommt, und dann kann jemand wieder darauf hinweisen: Komm, ich helfe dir!, allenfalls vielleicht dann auch noch – bis jetzt war das überhaupt noch leichter möglich –, das abzuholen.

Die Person muss zuerst einmal Widerstand leisten dagegen, die Briefwahl durchzu­führen. Das muss sich erst einmal jemand trauen! Wir wissen, es gibt genügend Men­schen in Wien – in kleinen Gemeinden ist es sicher genauso –, die doch irgendwie Re­spekt haben, wenn jemand kommt, eine Autorität, und so etwas nahelegt. Die Person muss da einmal so kräftig, so charakterstark oder so mutig sein, Widerstand zu leisten.

Oder diese Person gibt dann ihre Briefwahl ab – da steht ihr Name drauf. Woher weiß der einfache Bürger, dass man das, was er gewählt hat, nicht nachvollziehen kann? Der weiß nicht genau, wie der Vorgang läuft. Wir, die wir hier sitzen oder auch in den Wahlkommissionen sind, wissen, wie das vonstattengeht oder wie es vonstattengehen soll. Der einfache Bürger weiß das nicht, der gibt jetzt diese Wahlkarte mit seinem Na­men wieder ab. Und dass da in Wirklichkeit nicht eine Beeinflussung stattfindet, das kann keiner annehmen. Und das ist genau der Punkt.

Wenn man das Wahlrecht so ernst nimmt, wie wir es ernst nehmen sollten, dann muss man die Briefwahl nach wie vor sehr sensibel behandeln. Wir sind der Meinung, inner­halb des österreichischen Staates brauchen wir bei den Nationalratswahlen jedenfalls keine Briefwahl, denn es gibt die Möglichkeit, mit einer Wahlkarte in ein anderes Wahl­lokal zu gehen, es gibt die Möglichkeit der fliegenden Wahlkommission – und außer­


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dem könnte man durchaus auch einen Vorwahltag einführen, eine, zwei Wochen da­vor, für Menschen, die tatsächlich verreisen wollen, sodass diese die Möglichkeit ha­ben, ihre Wahl ordnungsgemäß durchzuführen. Das wäre in Wirklichkeit sinnvoll. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Es wird jetzt das Argument kommen, die Briefwahl gibt es in zig Staaten der Erde. Da­zu kann ich nur sagen: Es gibt auch Atomenergie und Atomkraftwerke in zig Staaten der Erde. Ich hoffe, das ist nicht wirklich das absolute Argument, sondern wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir das im Inland regeln, ob das im Inland ein Problem ist und wie wir das auf Basis unserer Bundesverfassung, unserer Grundrechte bewerten. Also nicht mit dem Argument kommen, dass es das irgendwo anders gibt.

Dann wird das Argument kommen, wir haben damit die Wahlbeteiligung erhöht. – Das ist erstens einmal schlicht und einfach nicht wahr: Die Wahlbeteiligung hat sich zum Beispiel bei der Nationalratswahl um 0,3 Prozent erhöht, also in einem statistisch über­haupt nicht nachweisbaren Ausmaß (Abg. Dr. Bartenstein: ... gesunken!), oder ist so­gar gesunken. Aber jedenfalls ist eine Erhöhung in keiner Weise nachweisbar.

Und das dritte Argument ist, es damit zu vereinfachen. – Jetzt muss man sich schon fragen: Ist es wirklich der Sinn der Sache, zu sagen, man muss das Wahlrecht verein­fachen, wir opfern die Grundwerte und die Grundideen des Wahlrechtes dafür, dass es bequemer wird? (Beifall bei der FPÖ.)

Verliert das Wahlrecht dadurch nicht auch an Wert für den Bürger, wenn ich es ihm einfacher mache? Die Politikverdrossenheit wird dadurch nicht verbessert. Wenn man dem Bürger klarmacht, was es für ein wichtiger Vorgang ist, wie sensibel es ist, zu wählen, und dass damit letztlich die Entscheidung darüber getroffen wird, wer dann in diesem Staat regiert, dann ist das viel wichtiger als zu sagen: Aus Bequemlichkeit ma­chen wir hier etwas und nehmen in Kauf, dass damit die Grundideen des Wahlrechts nicht angenommen werden!

Es war auch bei der Expertenanhörung im Verfassungsausschuss ganz interessant, dass etwa auch der von der SPÖ nominierte Experte Professor Mayer hier ganz klar gesagt hat: Es ist vielleicht nicht verfassungswidrig, aber es ist demokratiepolitisch höchst problematisch, das Wahlrecht in dieser Form aufrechtzuerhalten.

Daher mein Appell: Es ist ganz entscheidend für den Zusammenhalt dieser Gesell­schaft, dass Wahlergebnisse akzeptiert werden, dass die Bevölkerung davon ausgeht, dass Wahlergebnisse ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

Wenn es irgendwann einmal zu bröckeln beginnt und man den Eindruck hat, hier ist nicht wirklich alles rechtens zugegangen, wenn Bevölkerungsteile den Eindruck haben, hier wurde auf mich Druck ausgeübt und ich kann jetzt nicht mehr einfach so in die Wahlzelle gehen, weil von mir ja doch irgendwo erwartet wird, dass ich die Briefwahl durchführe, wenn es also hier echte Schwierigkeiten gibt und die Bevölkerung tatsäch­lich nicht mehr den Eindruck hat, dass die Wahl frei und ordnungsgemäß durchgeführt wurde, dann hat dieser Staat auch ein Problem.

Ich appelliere daher in diesem Sinne an Sie, die Briefwahl im Inland abzuschaffen und entsprechend den von uns vorgegebenen Ideen vorzugehen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann Dr. Cap gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.32.22

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir haben jahre­lang vor Missbrauch bei der Briefwahl gewarnt. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass diese missbrauchssicher gemacht werden muss. Die Praxis hat bewiesen, dass


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man hier nachbessern muss. Das geschieht heute, und das war, glaube ich, sehr kons­truktiv, und es sind hier auch viele der Vorschläge der Oppositionsparteien eingeflos­sen. Ich hoffe, dass das jetzt damit ein Teil einer akzeptierten Demokratie und der Wahlvorgänge sein wird.

Ich möchte mich aber heute eher dem Teil der Novelle, die wir zu beschließen haben, widmen, der vorsieht, dass die Habsburger jetzt für die Bundespräsidentschaft kandi­dieren können. Das ist an sich der Ausdruck dessen, dass es nach 90 Jahren Zeit ist, dass wir hier diesen zeitgemäßen Anforderungen durchaus entsprechen. Und man soll sich auch nicht die Hunderten Familienmitglieder der Habsburger so vorstellen, dass die nur mit Perücken oder mit dem entschlossenen Blick zur Gegenreformation rum­rennen, sondern dass es in dieser Familie durchaus ein sehr differenziertes Bild gibt, mit Mitgliedern, die vielleicht sogar links anzusiedeln sind, und solchen, die durchaus äußerst reaktionäre Vorstellungen haben.

Da wahrscheinlich heute nicht nur im Haus (auf die Galerie weisend) Habsburger an­wesend sind, sondern wahrscheinlich auch darüber hinaus Habsburger bei dieser De­batte zusehen, möchte ich dem Familienrat der Habsburger doch ein paar Gedanken mitgeben, damit sie nicht glauben, wir verwechseln Normalität bei einem Wahlvorgang mit Normalität bei der Geschichtsbetrachtung oder gar Verklärung der Geschichte. Wahrscheinlich wird die Fraktion der Familie Habsburg, die heute hier anwesend ist, dem ohnedies zustimmen, aber nur damit ihre Position in der Familie Habsburg ge­stärkt wird, wenn diese Diskussionen anstehen.

Dazu gehört unter anderem die Vermögensfrage. Nicht zufällig wird im Habsburgerge­setz unter § 7 darauf hingewiesen, dass das Reinerträgnis dieses in das Eigentum der Bevölkerung, der Republik Österreich übergeführten Vermögens unter anderem auch denen überwiesen wird, die durch den Weltkrieg in ihrer Gesundheit geschädigt oder ihres Ernährers beraubte Staatsbürger sind. Das ist deswegen ganz wichtig, weil es nämlich über Jahrzehnte immer diese Debatte gegeben hat: Wie ist das mit dem Ver­mögen, und ist da nicht teilweise sogar Privatvermögen ungerechtfertigterweise den Habsburgern weggenommen worden?

Jetzt geht es einmal darum, historisch festzustellen, dass die Habsburger ja am Aus­bruch des Ersten Weltkrieges nicht ganz unbeteiligt waren und dass es nur recht und billig war, dass man begonnen hat, dieses Vermögen in das Eigentum der Bevölkerung zu überführen als eine Art Entschädigung für das, was sie damals erleiden und erdul­den musste. Deswegen haben wir auch jetzt in der gesetzlichen Regelung einen Hin­weis darauf, dass die Regelungen des Habsburgergesetzes, die insbesondere das Vermögen betreffen, unberührt bleiben. Wir haben weiters einen Hinweis darauf, dass das auch im Staatsvertrag festgesetzt wurde. Das heißt, dass hier mehrfach darauf hingewiesen wird: Das ist nicht berührt! Hier geht es ausschließlich darum, dass die Habsburger bei der Wahl zum Bundespräsidenten kandidieren können. Ob sie jemals gewählt werden, ist eine andere Geschichte, aber dieses demokratische Recht wird ih­nen jedenfalls zugestanden.

Ein Punkt noch, weil ich einmal im „Standard“ eine Auseinandersetzung mit Stuart Ei­zenstat hatte: Ich habe es auch nicht sehr geschmackvoll gefunden, dass ein Teil, ein­zelne Habsburger – andere haben das sogar kritisiert im Familienrat – begonnen ha­ben, sich als Naziopfer darzustellen, und dann gemeint haben, dass sie eigentlich ei­nen Anspruch aus dem Entschädigungsfonds haben als Ersatz für die Vermögens­werte, die ihnen quasi die Nazis weggenommen haben – wobei aber dann die Republik zu Recht wieder den Zustand von 1919 hergestellt hat, weil ja 1935 der Ständestaat den Habsburgern sehr entgegengekommen ist und ihnen, in völlig ungerechtfertigter Weise, Vermögenswerte zuerkannt hat, und das wurde dann korrigiert und ist jetzt Stand in der Zweiten Republik.


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Worum es mir in diesem Zusammenhang aber auch geht, ist: Wir brauchen, so wie je­des andere Land auch, ein sauberes Verhältnis zu unserer gesamten Geschichte. Und zu unserer gesamten Geschichte heißt natürlich auch zu den Habsburgern, die diese Geschichte sehr stark geprägt haben, die, wie ich immer sage, 500 Jahre lang auf der Butterseite der Geschichte waren. Letztlich waren aber die Liechtenstein intelligenter, was die Vermögensanhäufung betrifft, denn die gibt es heute noch in einem Ausmaß, das beachtlich ist, und die haben auch darauf geschaut, durch einen kleinen Flecken Land, dass sie quasi die Steuern sich selbst zu entrichten haben. Also da haben die Habsburger den Kürzeren gezogen. – Aber das ist nicht mein Thema. Wir haben da ei­ne ganz andere Herangehensweise, wenn wir das zu diskutieren haben.

Aber mir geht es darum, dass es da keine Verklärung gibt und dass es Kritik gibt, wo Kritik anzuführen ist. Und da gab es eben vom Familienchef Otto Habsburg zwei Äuße­rungen. Die eine betraf sein Verständnis für die Ausschaltung des Parlaments und für das Verbot von Parteien und Gewerkschaften damals, als es um die Frage der Okku­pation Österreichs durch Hitler-Deutschland gegangen ist. Die andere Äußerung war jene, in der er noch in einer Veranstaltung hier im Haus die Opfertheorie wiederbelebt hat, dass quasi Österreich das erste Opfer des Hitler-Faschismus war. Da hat es eine ziemliche Auseinandersetzung gegeben, und der damalige Klubobmann der ÖVP, Wolfgang Schüssel, hat das korrigiert und hat sich dazu auch zu Wort gemeldet – das sei hier sehr positiv erwähnt und sei hinzugefügt.

Das sind Punkte, die auch in Zukunft dann Gegenstand der Diskussion sein werden, wenn einzelne Mitglieder dieser Familie sich mit politischen Ansprüchen zu Wort mel­den. Damit sind wir in manchen Fragen dann eben auch Gegner und es gibt Auseinan­dersetzungen, in anderen Fragen gibt es vielleicht sogar Übereinstimmungen. Das ist nicht das Thema, sondern da wird man dann eben behandelt wie jemand, der sich in der Politik engagiert und auch einbringt.

Aber worum es mir vor allem geht, ist, dass versucht wird, dann so im Nachhinein mit Nostalgiegefühlen zu spielen, mit der Sehnsucht nach Großmachtemotionen – man flüchtet sich dann in den Heimatfilm, die Aussage, wir sind eine Kulturgroßmacht und Kulturnation, den Sissi-Mythos und all das, was eben eine nicht geringe Rolle gespielt hat. Wobei die Sissi aber angeheiratet war! Das ist also nicht einmal ein Verdienst des Familienstammes, sondern die war angeheiratet – ich glaube, sie war eine Wittels­bacher, jedenfalls aus Bayern –, und so hat sich dieser Mythos entwickelt. – Mir geht es nur darum, dass keine Verklärung der Geschichte erfolgt, sondern dass man immer genau sieht, was los war.

Wissen Sie, ich hätte mich zu diesem Thema in dieser Debatte eigentlich gar nicht zu Wort gemeldet, sondern ich bin dann plötzlich doch draufgekommen, das zu sagen, weil am Wochenende im „Kurier“ ein Streitgespräch war zwischen dem Herrn Roubi­nek – der in der Fernsehserie „Wir sind Kaiser“ diesen Hoflakaien abgibt – und dem, wie er sich selbst nennt, Prinzen Hubertus von Hohenlohe, der dann in einer sehr ver­klärenden Art und Weise sagt: „Die Monarchie war eine Art Diktatur, mit Schöngeist halt.“ Und da beginne ich dann langsam mein Öhrli etwas zu öffnen, denn das soll nicht sozusagen ein Aufarbeitungselement sein, dass man sagt: Na ja, das war halt, mein Gott, eine Diktatur; aber seien wir doch ehrlich, 1848, die Gegenreformation, das war alles nicht so schlimm – die paar Kriege und was sich da so abgespielt hat, mein Gott!

Da bin ich der Meinung, dass man sehr präzise sein muss, denn da gibt es einmal eine Werteordnung, da gibt es Grundsätze. Ich bin überzeugter Republikaner – ich nehme an, alle, die hier herinnen sind, sind überzeugte Republikaner, vielleicht sogar auch Sie (auf die Galerie blickend) als Vertreter der Habsburger; Sie werden doch nicht zurück­schauen in die Vergangenheit, Sie wollen ja in die Zukunft schauen, also vielleicht ha­


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ben Sie da auch bereits eine andere Position eingenommen. Aber jedenfalls, glaube ich, ist das etwas, das man in diesem Zusammenhang schon auch sehen soll.

Und da kommt dann immer wieder auch ein bisschen die Frage: Was ist Vermögen von Herrscherhäusern? – Und da haben es die Bourbonen, die Romanovs und all die auch nicht viel anders gemacht. Nach der heutigen Rechtsordnung waren das Raubzü­ge, Landnahme.

Wie sagt der Hohenlohe: Adelige haben mehr Stil und Eleganz. – Na gut, die habe ich auch (Heiterkeit des Abg. Amon), wenn man aus Grund, Boden, Leuten, die dort be­schäftigt sind, ausbeuterisch den Vorteil herauszieht, ich mir die Perücke zurechtrücke und im Übrigen die anderen arbeiten und schauen, dass ich meinen Wohlstand mehre und ein Kunstschloss nach dem anderen baue und einen Maler und einen Musiker nach dem anderen beauftrage. Also seien Sie mir nicht böse, den können Sie bald als Hofclown engagieren, diesen Hohenlohe, was der da immer von sich gibt. Aber er sagt es, und das wird im „Kurier“ gebracht, und warum soll man das nicht kommentieren? Deswegen habe ich mir erlaubt, das zu sagen.

Der Adelstitel war ja vor allem ein Titel für Ausbeutung von Grund, Boden und Men­schen, und nichts anderes – und nicht der Ausdruck dessen, dass das etwas Besonde­res ist. Na ja, „besonders“ eben deswegen, weil er weniger Steuern oder gar keine be­zahlt hat oder sonstige Vorrechte und Privilegien gehabt hat.

Das sind lauter Dinge, die man dann irgendwie doch nicht ganz vergessen soll; auch nicht das vom seligen Kaiser Karl, der als Oberbefehlshaber natürlich toleriert hat, dass es den Giftgaseinsatz bei der einen Isonzo-Schlacht gegeben hat und der trotzdem se­liggesprochen worden ist; lauter so Dinge. Wissen Sie, das sollen die jungen Men­schen auch wissen, das gehört zum Geschichtsunterricht, das gehört zur Bewältigung, zur präzisen Betrachtung: die Unterdrückung der aufkeimenden Arbeiterbewegung, oder 1848 – ich meine, das sind ja Ihre (in Richtung FPÖ) Wurzeln, 1848, wo Sie zu Recht vorhin gesagt haben: Also mit diesem Geschichtsteil werden wir uns nie versöh­nen!, obwohl Sie heute wahrscheinlich, glaube ich, ohnedies auch dieser Gesetzesvor­lage zustimmen werden.

Ich wollte das hier nur noch irgendwo einbringen, weil ich glaube, dass das von größter Bedeutung ist. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, mich würde es nicht einmal stören, wenn ein Habsburger im Schloss Schönbrunn ist – nein. Er soll sich nur dort im Sinne des Fremdenverkehrs hin und wieder auf den Balkon stellen, ein bisschen für die Tou­risten winken – vielleicht bedeutet das mehr Umsatz, vielleicht bringt das mehr, und vielleicht ist das ein Beitrag, dass wir alle davon auch kommerziell etwas haben. Dann sagen wir: In Ordnung! (Zwischenruf der Abg. Schittenhelm sowie Kopfschütteln des Abg. Mag. Molterer.)

Also wir stimmen heute zu. Diesen Akt der Normalisierung, glaube ich, kann man wirk­lich vorbehaltlos akzeptieren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schittenhelm: Das war zum Genieren! – Das ist ein Wahnsinn!)

10.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Stadler gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.42.41

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die drei Hauptpunkte, die dieser Wahlrechtsnovelle zugrunde liegen, sind, wie schon gesagt, die Missbrauchsbeseitigung bei der Briefwahl, die Ausweitung des Wahlrechts für Strafgefangene aufgrund einer Entscheidung des EGMR und die Beseitigung eines – meiner Ansicht nach – Anachronismus in der Bundespräsidentenwahlordnung.


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Ich möchte jetzt aber ein bisschen bei dieser nicht wirklich gelungenen Rede meines Vorredners anschließen. (Beifall beim BZÖ.)

Sei mir nicht böse (in Richtung des Abg. Dr. Cap), man kann jetzt hier selber den „Kai­ser-Robert“-Clown, Marke Palfrader, spielen, aber das ist kein Umgang mit der Ge­schichte Österreichs und auch kein Umgang mit der Familie Habsburg. Unabhängig davon, ob man jetzt positiv oder negativ zu ihnen steht: Diese Familie hat Jahrhunderte dieses Landes und entscheidend auch diese Stadt geprägt. Und sie so lächerlich zu machen, dass man sagt, sie sollen jetzt so quasi in Schönbrunn den Tourismus-Clown abgeben, so braucht man mit dieser Familie nicht umzugehen, und zwar mit keiner Fa­milie, auch nicht mit der Familie Cap. (Beifall bei BZÖ, FPÖ und ÖVP.)

Im Übrigen: Ich habe mich an diesem „Habsburg-Kannibalismus“ nie beteiligt. Ich weiß nicht, wieso das bei der SPÖ immer noch Teil ihres Selbstverständnisses ist. Übrigens, Bruno Kreisky hat dieses Selbstverständnis nicht geteilt – nie, überhaupt nie. Kreisky hat einen völlig entkrampften Umgang mit der Familie Habsburg und mit der österrei­chischen Geschichte gehabt, im Wissen darum, welche Bedeutung deren Hausge­schichte auch für die österreichische Geschichte hatte. – Gut, dann verstehen wir uns eh schon.

Daher: Dieser Anachronismus gehört weg. Ich plädiere für einen vollkommen norma­len, entkrampften Umgang mit der Familie Habsburg. Ich plädiere dafür, angesichts der Leistungen, die diese Familie erbracht hat – so wie viele andere Familien auch Leistun­gen für die Geschichte und Entwicklung dieses Landes erbracht haben, auf wissen­schaftlichem, auf politischem, auf kulturellem Gebiet –, sollte man schlicht und einfach einen vollkommen entkrampften Umgang haben, wie ihn übrigens alle anderen euro­päischen Länder auch mit ihren ehemaligen Herrscherfamilien haben, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Ich wehre mich nur ein bisschen dagegen, dass man Kaiser Franz Joseph noch im Nachhinein ins Grab nachschmeißt, er sei der Kriegstreiber des Jahres 1914 gewesen. Das stimmt historisch nicht. Historisch war es so – das muss man einfach auch selbst­kritisch anerkennen –, dass es die öffentliche Meinung war, eine deutschnationale deutsche Achse, eine madjarische Achse, die schlicht und einfach gegen die Serben gerichtet war und eine antiserbische und antirussische Politik zur Kriegshetze ge­braucht hat, benutzt hat und am Schluss sogar noch die deutschen Generäle in Öster­reich das Sagen hatten. Vergessen wir das bitte nicht ganz! Den alten Kaiser als Kriegstreiber hinzustellen ist schlicht und einfach unhistorisch und auch ungerecht. Daher, glaube ich, sollte man dieses Kapitel schließen. Es ist nicht der Hauptgegen­stand der Wahlrechtsnovelle.

Die Wahlrechtsnovelle versucht, einem Umstand Rechnung zu tragen, der halt einfach wirklich herausgekommen ist im Zusammenhang mit der Briefwahl.

Nun muss man sich entscheiden: Will man die Briefwahl oder will man sie nicht? Eine sehr große Zahl von Österreicherinnen und Österreichern will diese Briefwahl. Diesen Wunsch respektieren wir. Es war ursprünglich natürlich ein Wahlmodell, das in erster Linie für die Auslandsösterreicher gedacht war, aber es hat sich herausgestellt, dass immer mehr Österreicher, einfach auch aufgrund der Mobilität, die der Österreicher hat, der Wochenendmobilität, sich die Briefwahl wünschen. Dem trägt man Rechnung, in­dem man versucht, das auch im Wahlrecht unterzubringen. Ich halte das für legitim, und ich halte das auch gegenüber dem Bürger für angebracht.

Umgekehrt muss man natürlich versuchen, dann Missbrauchsmöglichkeiten so weit wie möglich zu beseitigen. Das hängt aber zunächst einmal mit dem demokratischen Bewusstsein zusammen, und hier gibt es ein deutliches West-Ost-Gefälle.


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Wenn ich mir anschaue – Kollege Windholz wird heute dazu vielleicht noch ein paar Schmankerln liefern –, welches demokratische Bewusstsein alleine auf der Kommunal­ebene in Niederösterreich oder im Burgenland vorhanden ist, in Niederösterreich, wo man in einzelnen Gemeinden scheel angeschaut wird, wenn man bei der Gemeinde­wahl einen amtlichen Stimmzettel verlangt, weil man damit zu erkennen gibt, dass man den Stimmzettel, den man vorher vom Bürgermeister zugestellt bekommen hat, gar nicht dabei hat; wo dieser Stimmzettel, den der Bürgermeister oder bestimmte Parteien selber verteilen, gar keine Normierung aufweisen muss – etwa im Unterschied zu Vor­arlberg, wo er eine bestimmte Qualität zu haben hat, sodass man nicht schon anhand des Stimmzettels erkennen kann, wie wer abstimmt – oder sogar die Gestaltung des Stimmzettels solche Unterschiede aufweisen kann, dass man genau sagen kann, welche Familie wie abgestimmt hat, ob die sich wohl an die Vorgaben gehalten haben, ob die sich wohl als treue Bürgermeisteranhänger erwiesen haben oder nicht, dann sage ich Ihnen: Da liegt der Hase im Pfeffer! Das ist fehlendes demokratisches Be­wusstsein, das es bis heute gibt. (Beifall beim BZÖ.)

Daher war es auch kein Zufall, dass ausgerechnet ein burgenländischer Bürgermeister dabei erwischt wurde, wie er bei den Wahlen mit den Stimmzetteln der Briefwähler ge­schwindelt hat, meine Damen und Herren. Und daher sage ich Ihnen, hier ist zunächst am demokratischen Bewusstsein anzusetzen.

Nun kann natürlich auch die Verschärfung der Strafbestimmungen im Strafgesetzbuch zur Entwicklung des demokratischen Bewusstseins entscheidend beitragen. Daher ist es vernünftig, die Frau Bundesminister für Inneres und die Frau Bundesminister für Justiz mit einer Evaluierung innerhalb der Frist, wie sie die Entschließungsanträge vor­sehen, zu beauftragen, damit man weiß: Wo muss man nachjustieren? Wo muss man unter Umständen bei den Strafbestimmungen sogar noch Verschärfungen einführen?

Aber letztlich ist diese Novelle der Versuch – meiner Ansicht nach der geglückte Ver­such –, die Missbrauchsmöglichkeiten so weit wie nur irgend möglich hintanzuhalten, um insbesondere taktisches Wählen unmöglich zu machen. Das ist jetzt unmöglich, das geht nicht mehr. Wenn um 17 Uhr, das heißt zum Zeitpunkt des Schlusses des Wahlvorganges, auch die Briefwahlstimmen da sein müssen, dann ist ein taktisches Wählen nicht mehr möglich. Das ist einmal ausgeschlossen.

Und es muss möglich sein, auch die Stimmabgabe für Briefwähler unter Wahrung des Wahlgeheimnisses sicherzustellen. Nun, das war sie aber auch vorher schon nicht, ohne Briefwahl. Was sich da in Altersheimen abgespielt hat – ohne Briefwahl –, wie man dem Muatterl geholfen hat, den Stimmzettel auszufüllen, unglaublich!

Das hängt aber wieder mit der demokratischen Reife zusammen und auch der jener, die Teil der Wahlkommission sind, dass sie dem Wahlkommissionsleiter einmal auf die Finger klopfen und dafür sorgen, dass derartige Dinge nicht vorkommen. Das heißt, letztlich hängt es immer davon ab, wie das Gesetz von denen, die es zu handhaben haben, auch tatsächlich umgesetzt wird.

Hier hat vielleicht die eine oder andere politische Schulungsakademie Nachjustierungs­bedarf, denn das Wahlrecht – das muss man zugestehen – ist jetzt wesentlich kompli­zierter geworden. Das heißt, jetzt muss man die Wahlleiter und jene, die sich am Wahl­vorgang als Wahlbeobachter beziehungsweise als Teil der Wahlbehörden beteiligen, entsprechend schulen, denn einfacher ist die Geschichte nicht geworden. Komplizierte Wahlordnungen sind auch ein bisschen missbrauchsanfällig. Aber letztlich muss das demokratische Bewusstsein einfach greifen, dass man Respekt vor dem Wahlrecht, vor dem Wahlgeheimnis und vor der Autonomie des Bürgers in seiner Entscheidungs­freiheit entwickelt, meine Damen und Herren. Das ist der entscheidende Ansatz, dem man in diesem Wahlrecht Rechnung zu tragen versucht.


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Der letzte Punkt ist die Ausweitung der Wahlbefugnisse für Strafgefangene. Durch ei­ne Entscheidung des Straßburger Gerichtshofes sind wir schlicht und einfach dazu ge­nötigt worden, die gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Ich halte diese Anpassun­gen für legitim. Ich halte es auch für richtig, dass der Richter in Zukunft entscheiden muss, ob er dem betreffenden Verurteilten das aktive und passive Wahlrecht aber­kennt; mit der Aberkennung des aktiven Wahlrechts erfolgt natürlich auch jene des passiven Wahlrechts.

Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dabei sollte vielleicht auf eine gewis­se Einschlägigkeit der Deliktsbegehung Wert gelegt werden. Wenn ein Bürgermeister glaubt, er muss Wahlschwindel betreiben, dann soll er damit rechnen müssen, dass er nicht bei der nächsten Gelegenheit neu antreten und sich wieder wählen lassen kann, meine Damen und Herren, so wie das im Burgenland passiert ist (Beifall bei BZÖ und FPÖ), sondern er muss dann vom Wahlrecht ausgeschlossen bleiben für die nächsten Jahre zumindest. (Abg. Rädler: 100 Jahre!) – Doch nicht 100 Jahre. 100 Jahre, schreit der Bürgermeister. Willst du auf dein Wahlrecht schon gänzlich verzichten, oder was? Ein niederösterreichischer Bürgermeister, meine Damen und Herren, der selbst genau weiß, wie man sich seine Mehrheiten in der Gemeinde bastelt. (Abg. Rädler: Jessas na!) Jaja, genau. Du brauchst nicht „Jessas na“ zu sagen, du kannst auch einfach nur „Meister“ zu mir sagen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Mein lieber Freund, ich weiß ganz genau, wie ihr eure Wahlergebnisse zusammenbas­telt. Ich weiß ganz genau, wie eure Stimmzettel ausschauen. Ich weiß ganz genau, welche Kontrolle ihr über die Bürger ausübt. – Und das hat mit demokratischer Gesin­nung nichts zu tun, mein lieber Freund! Du bist ein Exemplar dieses System. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Möglichkeit der Strafgefangenen, sich am Wahlvorgang zu beteiligen, wird ausgeweitet. Umgekehrt, sind wir der Meinung, muss eine Einschlä­gigkeit des Ausschlusses vom Wahlrecht aufgrund einer Verurteilung auch im Zusam­menhang mit dem Delikt zu sehen sein.

Ich gebe auch gleich eine Anregung für die Zukunft, meine Damen und Herren! Wir ha­ben den Fall in der Steiermark, dass ein Bürgermeister abgesetzt wurde, weil er schlicht und einfach Vergabebestimmungen dermaßen eklatant missachtet hat, dass er als Bürgermeister untragbar wurde. Wenn der Richter ihn nicht verurteilt und nicht vom Wahlrecht ausschließt, dann kandidiert er wieder und lässt sich wieder wählen von seinen Freunderln, meine Damen und Herren! – Das ist nicht akzeptabel! Daher bin ich auch dafür – Gedankenanregung, Frau Bundesminister –, dass man eine gewisse Ein­schlägigkeit des Deliktes im Zusammenhang mit dem Ausschluss vom Wahlrecht in Zukunft ins Gesetz aufnimmt, damit nicht Bürgermeister, die Missbrauch betreiben, Gesetze missachten, sich das bei nächster Gelegenheit auch noch vom Wähler bestä­tigen lassen können, so wie das Herr Rädler gerne hat, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Molterer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.53.00

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist die Frage des Wahlrechts und der Gestaltung des Wahl­rechts eine der Kernaufgaben und der ureigensten Aufgaben, die wir hier im Parlament als die Verantwortungsträger für die demokratischen Spielregeln in unserem Land wahrzunehmen haben. Es ist selbstverständlich logisch, dass die Kriterien des freien, des gleichen, des geheimen Wahlrechts dabei die Maßstäbe sind. Aber es ist auch un­


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sere Aufgabe, meine Damen und Herren, das Wahlrecht so zu gestalten, dass die Wahlbeteiligung möglichst hoch ist. Nicht nur die Politik, sondern auch das Wahlrecht ist so zu gestalten. Daher ist die Österreichische Volkspartei seit vielen Jahren für die Einführung der Briefwahl gewesen und hat darum gekämpft. Es hat lange gedauert, bis wir sie erreicht haben. – Ein echter Erfolg für Demokratie in Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sollten das alle nicht kleinreden. Wenn etwa 10 Prozent der Menschen die Brief­wahl als mögliches Instrument ihrer demokratischen Willensäußerung nutzen, dann ist das doch ein klares Signal: Die Menschen wollen die Briefwahl. Das bedeutet doch ei­gentlich eine große Chance für die Demokratie, wenn wir diese Elemente weiterent­wickeln. Ich sage Ihnen ganz klar, das wird nicht der letzte Schritt einer Wahlrechtsre­form sein. Wir werden uns, Sie werden sich in diesem Haus etwa über die Frage der elektronischen Wahlmöglichkeiten Gedanken machen müssen. Die Zeit schreitet vo­ran. Es hat keinen Sinn, eine ablehnende Haltung einzunehmen und zu sagen: Es war immer so, wir machen nichts Neues! – Nein, so wird es nicht funktionieren.

Insofern ist die Einführung der Briefwahl ein wirklicher Meilenstein gewesen. Nun ma­chen wir sie missbrauchssicherer, weil wir alle dazugelernt haben; alle, auch wir, auch ich, weil ich ursprünglich etwa in der Fristenfrage eine andere Meinung vertreten habe, aber okay. Wir haben einen breiten politischen Konsens erzielt, und ich halte in Wahl­rechtsfragen einen breiten politischen Konsens für essenziell, meine Damen und Her­ren! Wahlrecht ist keine Frage der Mehrheit. Wahlrecht ist eine Frage des breiten Kon­senses. Das ist ein gutes demokratiepolitisches Signal. (Beifall bei ÖVP und SPÖ so­wie der Abgeordneten Mayerhofer und Huber.)

Dass wir in der Frage der Strafgefangenen einen Schritt machen, ist notwendig auch aufgrund europäischer Rechtsprechung, und dass wir in der Habsburg-Frage einen Anachronismus beseitigen, darauf bin ich stolz. Ich bin froh darüber. Wir haben seitens der Österreichischen Volkspartei diese Diskussion sofort aufgegriffen, weil es, ganz of­fen gesagt, schlicht und einfach niemandem mehr erklärbar war, dass ein Habsburger zwar Abgeordneter werden kann, Bundeskanzler werden kann, Bürgermeister werden kann, Landeshauptmann werden kann, alles in dieser Republik werden kann, aber just nicht Bundespräsident. Das ist, ehrlich gesagt, auch eine Frage des Selbstbewusst­seins und des Glaubens an die eigene Stärke der demokratischen Republik Österreich, dass wir mit diesem Anachronismus einfach Schluss gemacht haben. Das ist hoch an der Zeit gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Cap, ich glaube, es ist schon legitim, dass man sozusagen manchmal ein biss­chen eine linke Vergangenheit und die Wurzeln pflegt und streichelt, sei’s drum, aber ich möchte ehrlich sagen, die Republik braucht diese Geschichte nicht unbedingt, wie sie hier dargestellt worden ist, nicht so. Wir sind selbstbewusst. Wir haben uns in den letzten 90 Jahren doch in einer Art und Weise entwickelt, auf die wir stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, das ist heute meine letzte Rede hier im Hohen Haus, und ich bin stolz darauf und froh darüber, dass ich jetzt gerade zum Thema Wahlrecht sprechen kann, weil doch das Wählen-Können das Herzstück der Demokratie ist. So gesehen ist das für mich ein Geschenk, genau zu diesem Punkt meine letzte Rede hier halten zu können.

Meine Damen und Herren! Wir werden hierher ins Hohe Haus durch Wahlen von den Österreicherinnen und Österreichern, von den Wählerinnen und Wählern, entsandt, und wir bekommen von diesen Menschen den Auftrag zur Gestaltung. Sie haben ihr demokratisches Recht der Gestaltung uns übertragen. Das ist parlamentarische Demo­kratie. Das bedeutet einerseits ein hohes Maß an Verantwortung, aber es bedeutet vor allem ein hohes Maß an Vertrauen, das die Menschen in uns setzen, und an Ver­


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trauen, das wir als politische Verantwortungsträger immer wieder rechtfertigen und im­mer wieder erobern müssen. Und wenn wir ehrlich zueinander sind, dann, müssen wir sagen, ist dieses Vertrauen der Menschen in die Politik, in viele Institutionen der Politik brüchiger geworden.

Natürlich beschäftigen wir uns alle – auch ich – mit der Frage: Warum ist das so? – Ich habe für mich aus meiner langjährigen Erfahrung heraus einiges formuliert, das ich Ih­nen jetzt gerne sagen möchte.

Wie wir miteinander umgehen, meine Damen und Herren, so wird mit uns umgegan­gen. Wie wir miteinander umgehen, so gehen früher oder später die Medien mit uns um. Wie wir miteinander umgehen, so gehen früher oder später die Menschen mit uns um. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es liegt daher ausschließlich an uns selbst. Der respektlose Umgang mit den politi­schen Mitbewerbern, meine Damen und Herren, ist letztendlich zum Schaden aller. Wenn wir respektlos – und das ist keine Frage von Regierung oder Opposition, son­dern das betrifft alle –, wenn wir respektlos miteinander umgehen, dann verlieren wir den Respekt, und den Respekt zu verlieren ist das Schlimmste, das politischen Verant­wortungsträgern passieren kann. Wer Respekt verliert, verliert letztendlich das Funda­ment für Demokratie.

Es gehört auch eine Portion Selbstbewusstsein dazu. Wie wir mit unserer Institution, mit unseren Arbeitsbedingungen umgehen, ist auch eine Frage des Respekts vor uns selbst. Offen gesagt: Wenn wir hier viele Jahre darüber diskutieren, ob wir das Geld haben, unsere Arbeitsbedingungen im Sinne des Umbaus des Kernstücks der Demo­kratie, des Parlaments, zu rechtfertigen, dann können wir, wenn wir das nicht mehr können, ehrlich gesagt, früher oder später unsere Arbeit nicht mehr rechtfertigen. Es braucht Selbstbewusstsein im Umgang auch mit unseren Arbeitsbedingungen, mit un­seren Entlohnungen, mit unseren Möglichkeiten, Mitarbeiter einzustellen, meine Da­men und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ein Weiteres: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass jeder, der hier herinnen sitzt, jede Partei, die vom Wähler und von der Wählerin legitimiert ist, in diesem Hohen Haus zu sein, grundsätzlich legitimiert ist, beide Rollen der Demokratie wahrzunehmen, näm­lich sowohl die Rolle als Regierungsverantwortliche als auch die Rolle der Opposition. Jede Partei, die in diesem Haus sitzt, meine Damen und Herren, hat das legitime Recht dazu. Wenn jemand einer Partei in diesem Haus das Recht dazu abspricht, so ist das demokratiepolitisch falsch. Jede Partei hat das Recht auf jede Rolle in der De­mokratie, ob Opposition oder Regierungsverantwortliche. Ausgrenzung ist daher keine Lösung, Selbstausgrenzung allerdings auch nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Vor allem aber möchte ich sagen: Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die Fähigkeit eines Landes, seine Zukunft zu gestalten, untrennbar damit verbunden ist, wie es um die Fähigkeit, die Willigkeit und die Begeisterung der Politik bestellt ist, mit Verände­rung umzugehen. Ich halte die Veränderung, die Veränderungsfähigkeit, die Verände­rungswilligkeit und die Veränderungsbegeisterung deshalb für so entscheidend, meine Damen und Herren, weil in den nächsten Jahren eine Fülle von großen Themen, von wirklich großen Themen auf uns zukommen wird. Meine Erfahrung aus vielen Jahren in diesem Haus ist: Die Politik hat dann Respekt bei der Bevölkerung, wenn sie den Mut hat, die großen Fragen anzusprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sind gefordert, meine Damen und Herren! Die Europäische Integration ist in einer schwierigen Phase, machen wir uns nichts vor. Das europäische Projekt ist nicht per se ein Erfolgsprojekt aus der Vergangenheit heraus, sondern wird nur ein Erfolgs­


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projekt sein, wenn wir in der Zukunft die Gestaltung vornehmen, und das ist eine schwierige Aufgabe. Die Gegner vertreten klare Positionen, das ist in der Demokratie zu respektieren – aber die Befürworter, meine Damen und Herren? Es reicht nicht, in Europa dabei zu sein. Es reicht nicht, daneben zu stehen, meine Damen und Herren! Es erfordert, Position zu beziehen. Nur dann werden wir Europa so gestalten, wie wir das wollen. Wenn Verantwortliche in der Politik meinen, es reicht, einfach dabeizusit­zen und zuzuschauen, dann wird Europa von jenen gestaltet, von denen ich nicht will, dass sie Europa gestalten. Wir müssen Hand anlegen. Wir dürfen dieses Europa nicht den Demagogen überlassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Sanierung der Staatsfinanzen wird eine Herkulesaufgabe sein. Ich habe es bewun­dernswert gefunden, dass wir etwa in der Frage der Bewältigung der Krise einstimmig vorgegangen sind. Ich bin sehr dankbar dafür, auch heute noch. Ein einstimmiger Be­schluss – und eigentlich ist es doch logisch, dass aus diesem einstimmigen Beschluss auch die gemeinsame Kraftanstrengung für die Sanierung der Staatsfinanzen erfolgt; ein Projekt, das Sie, meine Damen und Herren, noch viele Jahre begleiten wird. Es­senziell dabei ist – ich habe den Eindruck, dass wir, und ich sage bewusst „wir“, oft die Augen davor verschließen –: Die Sanierung der Staatsfinanzen wird nur dann gelingen, wenn wir die demographische Falle bewältigen.

Wer glaubt, Fakten durch Wegschauen außer Kraft setzen zu können, handelt unver­antwortlich, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ), unverantwortlich vor allem den jungen Menschen gegenüber. Es wird daher voll­kommen klar sein, dass wir auch in Zukunft eine Reform im Pensionsbereich genauso wie in der Pflege und auf dem Gesundheitssektor brauchen werden. Fakten dürfen wir nicht verschweigen.

Die Frage der Energie, die Frage von Klima, von Rohstoffen, die Frage der Wettbe­werbsfähigkeit des Staates, die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft als Grundlage der Vollbeschäftigung, die Frage der Migration, die Frage der Integration für den Zusammenhalt der Gesellschaft – es ist sehr viel zu tun, meine Damen und Her­ren! Politik hat dann Respekt, wenn Politik auch diese Eisen anfasst und nicht meint, wegschauen zu können. Das wäre nicht Politik. Es gibt schon einen Grund, warum es eine Legislative und eine Exekutive gibt. Man kann das auch übersetzen mit: gestalten und verwalten. Wenn die Legislative glaubt, es genügt, zu verwalten, dann ist das nicht mehr Politik, nein – die Gestaltung ist es, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich bin ganz fest der Meinung, dass die Auf­gabe der Politik, die Verantwortung der Politik im Gestalten liegt.

Ich gehe heute mit großer Dankbarkeit von diesem Rednerpult und letztendlich auch aus diesem Hohen Haus; nicht mit dem heutigen Tag, aber es ist das letzte Plenum für mich. Ich habe das Haus das erste Mal im Jahre 1971 betreten – „Landschulwoche“ hat das damals geheißen –, 1981 das erste Mal als Mitarbeiter einer Teilorganisation der ÖVP, 1991 habe ich meine erste Rede hier im Nationalrat gehalten und 2011, näm­lich heute, meine letzte; immer diese 1er.

Meine große Dankbarkeit begründet sich darin, dass ich ein Riesenprivileg genossen habe. Aus einer Generation stammend, aus einem sozialen Umfeld heraus, in dem es nicht selbstverständlich war, sich das Studieren leisten zu können, habe ich in den letzten 30 Jahren darüber hinaus auch die Möglichkeit gehabt, zu gestalten, Menschen kennenzulernen, tolle Persönlichkeiten in allen politischen Parteien. Insofern danke ich allen politischen Parteien, allen Kolleginnen und Kollegen von SPÖ, von FPÖ, von den Grünen und vom BZÖ, und ich bedanke mich besonders bei meiner Österreichischen Volkspartei.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen einfach alles Gute und viel Erfolg. Wir brauchen dieses starke gestaltende Parlament. Das ist unsere gemeinsame Aufga­


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be. – Danke schön. (Lang anhaltender, von ÖVP und SPÖ stehend dargebrachter all­gemeiner Beifall.)

11.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Sehr geehrter Herr Kollege Molterer, ich darf Ihnen von dieser Stelle aus ebenfalls alles Gute für die Zukunft wünschen. Auch ich bedanke mich für eine gute Zusammenarbeit, auch persönlich. Wir haben ja viele ge­meinsame Stunden in den unterschiedlichsten Funktionen verbracht, so etwa in der Bundesregierung, in der Präsidiale und letztlich natürlich hier in diesem Haus. Ich darf Ihnen noch einmal alles Gute wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer zu Wort. – Bitte.

 


11.08.25

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Im englischen Parlament verfolgt man die sehr schöne Tradition, einen Abgeordneten der Gegenfraktion, von welchem einem sozusagen auch ideologi­sche und parteiliche Welten trennen können, dennoch als hoch geschätzten Freund anzusprechen. In diesem Sinne ist es mir ein Privileg, Noch-Kollegen Mag. Molterer nach seiner Rede als hoch geschätzten Freund ansprechen zu dürfen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dr. Matznetter. – Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Man hat ja schon munkeln gehört, dass irgendwo in Europa ein besserer Posten auf ihn wartet, aber dass es so schnell dazu kommen wird, ist doch überraschend. Es tut uns schon auch leid, dass ein Mann Ihrer Qualität aus dem Parlament ausscheidet, denn es ist schon so, dass selten genug solche Ausführungen, die wir zuvor von Ihnen gehört haben, hier deponiert werden, die den scharfen Diskurs, der gelegentlich durch­aus auch in verletzender Weise unter den Mitgliedern dieses Hohen Hauses ausgetra­gen wird, überlagern.

Es ist wohl anlässlich einer solchen entscheidenden Situation, dass jemand Abschied nimmt, auch die Möglichkeit gegeben, Dinge, die über der parteilichen Diskursfähigkeit und Diskursebene liegen, auszusprechen, die alle angehen und die auch von allen ap­plaudiert werden, wenngleich es auch anlässlich dieser sehr wertvollen Ausführungen so ist oder so sein sollte oder so sein könnte, andere Dinge zu formulieren.

Aber ich möchte schon sagen, dass es für uns immer eine ehrende und auch heraus­fordernde Tätigkeit oder ein herausforderndes Unterfangen war, mit Ihnen in den Dis­kurs zu treten. Für mich war es immer ein Vergnügen, die intellektuelle Klinge mit Ih­nen zu führen oder ein Streitgespräch auszutragen beziehungsweise die Klingen zu kreuzen. Wir vonseiten der Freiheitlichen wünschen Ihnen alles Gute und Gesundheit! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun wäre es interessantermaßen naheliegend, an die historischen Ausführungen an­zuknüpfen, die aber die Kürze der Zeit limitiert. Wenn man die Geschichte der Staats­werdung der Republik Österreich von 1918 näher betrachtet und die heutige Beseiti­gung des, sagen wir, Habsburger Paragraphen, der für diese Familie eine Behinderung in politischer Hinsicht darstellt, so ist eigentlich auch der Anlass gegeben, einen großen Respekt vor den Gesetzgebern des Jahres 1918 bis 1920 zu entwickeln. Denn: In der damals kurzen Zeit, in der Dramatik des historischen Umsturzes, in der Dramatik des Zusammenbruchs der Monarchie und in Anbetracht der ungewissen Form, auf welche Weise die Republik überhaupt entstehen kann, diese Fähigkeit und diese legistische Kraft zu entwickeln, ist wahrlich über die Jahrzehnte und eigentlich über das Jahrhun­dert hinweg respektgebietend.

Im Verhältnis und im Vergleich zu anderen Staaten ist der Umgang mit der von der po­litischen Ebene Abschied nehmenden Familie Habsburg irgendwie fair gewesen, wenn­


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gleich man vielleicht heute gerechtermaßen von einem Anachronismus spricht. Aber wenn wir die Enteignungsfrage betrachten, so sehen wir: Enteignet wurde der Hofärar, der Familienfonds zugunsten der Kriegsversehrten. Das Privatvermögen ist belassen worden für jene Mitglieder der Familie, die den Thronverzicht abgegeben haben. Es hätte damals auch schlimmer für die Familie Habsburg formuliert werden können. In diesem Sinne werbe ich für historischen Respekt.

Nächster Punkt: Die Freiheitlichen haben stets einen wirklich entkrampften Umgang mit der Familie Habsburg gehabt. Als Beleg dafür berichte ich ein bestimmtes historisches Ereignis: Wir sind im Jahr 1968/69, ich war damals Funktionär des Ringes Freiheitli­cher Studenten gemeinsam mit Dr. Steger und Krünes, wie wir alle aus zeitgeschicht­lichen Namenserinnerungen wissen. Der damalige Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft Dantine – übrigens Mitglied bei der ÖVP, allerdings dem links-evan­gelischen Sektor zuzurechnen – hat Dr. Otto Habsburg zu einem Vortrag auf Hoch­schulboden in Österreich eingeladen. Die damals kommunistisch durchsetzte Staats­polizei – man muss hinzufügen: noch kommunistisch durchsetzte Staatspolizei – hat davon Wind gekriegt.

Es ist ein Riesenwirbel entfacht worden. Dantine hat die Einladung zurückgenommen. Wir als Ring Freiheitlicher Studenten haben das als Beleidigung gegenüber Dr. Otto Habsburg empfunden und haben ihn eingeladen, und er hat unsere Einladung ange­nommen.

Jetzt könnte ich noch lange erzählen, wie der Wirbel, den die Kommunisten dann ge­macht haben, gelaufen ist. Öllinger war vielleicht dabei (Heiterkeit), ist als Fahnen­schwinger oder Hammer-und-Sichel-Träger am Ring aufmarschiert. Es waren aber nur wenige. Zur Anscheinmachung einer höheren Zahl haben sie im Marschblock einen Zwischenabstand von 10 bis 15 Metern walten lassen, sodass es ausgeschaut hat, als ob da furchtbar viele Kommunisten wären. Es waren aber nur 50 oder 100. Die Polizei war ungefähr 20-fach überlegen. – Das ist die Geschichte des Zuganges der verschie­denen Parteien zur Frage Habsburg.

Der Ring Freiheitlicher Studenten war die erste politische Gruppierung, die Habsburg nach Wien zum Vortrag eingeladen hat, der gegen Kommunistenprotest und -ansturm durchgezogen wurde. Das waren die Freiheitlichen – jawohl! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Petzner.) Da warst du erst im Kindergarten, du kannst in dieser Sache also nicht mitreden. (Heiterkeit. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Der Krainer will auch noch einaschrein. Sie waren bestenfalls im Kindergarten, lieber Kollege, Sie können auch nicht mitsprechen. Ich weiß jetzt nicht, was Ihr Geburtsjahr­gang ist, aber ich repliziere auf die Ausführungen Ihres Klubobmannes Cap. Vielleicht haben Sie ihn nicht angehört, das ist auch eine Möglichkeit Ihrer Klubdisziplinbefolgung (Beifall bei der FPÖ), aber in punkto Habsburg hat sich die freiheitliche Seite gar nichts vorzuwerfen, sondern verdient historischen Zuspruch und Lob. (Abg. Krainer: Wofür Lob? – Abg. Öllinger: ... Schattenjustizminister!)

Herr Kollege Öllinger, wenn ich „Schattenjustizminister“ sein sollte, dann ist das eine Interpretation, die zuerst Licht gebietet, denn erst Licht, auf einen Körper geworfen, kann Schatten erzeugen. Danke für das Licht! (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Öllinger.)

Wenn wir über die Thematik des heutigen Wahlrechts sprechen, dann will ich nicht du­plizierend wirken, denn mein Freund Harald Stefan hat nämlich die große Problematik, die mit der Briefwahl zusammenhängt, schon ausgeführt.

Wir sind in einem nicht erwünschten Verwandlungsprozess historisch gefangen: Die Briefwahl, ursprünglich für die Auslandsösterreicher eingeführt, ist zu einem Instrument der Möglichkeit des vielfältigen Wahlfälschungsvorganges, Wahlbetruges und derglei­


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chen geworden. Es verletzt das System des Briefwahlrechts, die Grundprinzipien des demokratischen Wahlrechts, geheim, unmittelbar und persönlich ausgeübt zu werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei der Güterabwägung sind wir nun einmal der Ansicht, dass das anscheinende Leichtermachen des Wählens durch die Briefwahl nicht die Nachteile kompensiert, die durch die Preisgabe oder durch die Verletzung der Prinzipien „geheim“, „unmittelbar“ und „persönlich“, die beim Wahlvorgang im Mittelpunkt des demokratischen Wahlrechts stehen müssen, gegeben sind.

Eines sei den Ausführungen des Experten Professor Mayer im Verfassungsausschuss noch hinzugefügt: Es hat der Staat die Einhaltung der Prinzipien, nämlich geheim, un­mittelbar, persönlich, also ungestört von Außeneindrücken wählen zu können, zu ge­währleisten und darf diese Pflicht nicht auf die Schultern des Wahlsubjektes über­wälzen.

Wenn so quasi der Schwiegervater, der mit dem Clan dem Kreuzerl machenden Jung­wähler über die Schulter schaut, sagt: Machst eh an der richtigen Stelle das Kreuzerl?, dann hätte er die Pflicht, die anderen wegzujagen. Nein, so ist es eben nicht! Der Staat hat die Institution „Wahlrecht“ zu schützen und die Prinzipien „geheim“, „unmittelbar“, „persönlich“ durch das Wahlrecht sicherzustellen.

Daher werden wir nicht ablassen, gegen die jetzige Form des Briefwahlrechts anzuge­hen, wenngleich die heutige Verbesserung in Bezug auf die Beseitigung des taktischen Wählens wertvoll ist.

Die Geschichte mit der Strafgefangenen-Wahlberechtigung hat Kollege Stadler richtig ausgeführt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Aber trotzdem: Wir sind nicht glücklich mit dem heutigen Vorgang, ungeachtet dessen, dass zwei Verbesserungspunkte im System enthalten sind. Aber der Fortschritt von heute wird den Fortschritt morgen, den wir anpeilen, nicht aufhalten. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


11.20.01

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte ZuseherInnen, die Sie alle dieses Gesetz oder dieses Reformpaket, das wir jetzt beschließen, auf unterschiedliche Art und Wei­se betrifft! Diese Gesetzesmaterie betrifft Sie alle, die Sie entweder schon wahlbe­rechtigt sind oder vielleicht erst wahlberechtigt werden oder die Sie zumindest durch Wahlen und dann durch die Ausgestaltung „Wer sitzt im Parlament und wer sitzt in der Regierung?“ direkt von den Wahlen betroffen sind, aktiv oder passiv.

Wir Grünen sind sehr erfreut über diese längst überfällige Reform. Und da kann ich, Herr Kollege Molterer, eigentlich nahtlos an Ihren Respektappell anschließen: Erfreut deshalb, weil das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, was aber leider nicht immer bei uns im Parlament selbstverständlich ist, diesmal im Rahmen des Wahl­rechtsreformpaketes passiert ist, nämlich, dass breit diskutiert wurde, dass Expertinnen gehört wurden, dass verschiedene Stellen sehr intensiv die Möglichkeit hatten, Stellung zu nehmen, und dass dann auch wirklich auf Argumente von allen Seiten eingegangen wurde und wir in Gesprächen durchaus etwas entwickeln konnten, was sich sehen las­sen kann.

Das ist leider nicht immer der Fall. Damit möchte ich mich aber jetzt nicht lange aufhal­ten, denn wenn es einmal etwas zu feiern gibt, dann sollte man feiern. Aber es sei hier


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trotzdem gesagt: Leider ist es nicht immer der Fall, selbst wenn man gute Vorschläge hat, wenn man gute Initiativen bringt, egal welcher Couleur, selbst wenn man gute Ar­gumente hat, es auf der Hand liegt, dass es Änderungs- oder Handlungsbedarf gibt, und es daher logisch ist, dass die Mehrheiten in diesem Haus diesen folgen.

In diesem Fall war das glücklicherweise so. Es freut mich besonders, weil dieses Paket auf einige Initiativen der Grünen, auf einige Initiativen von mir als Verfassungsspre­cherin zurückzuführen ist: Initiativen zur Briefwahl und zur Frage: Wie kann man die Briefwahl demokratischer, missbrauchsunanfälliger machen?, Initiativen zur Frage des Wahlrechts von Strafgefangenen und Initiativen zur Frage: Was ist denn jetzt mit dem Wahlrecht der Familie Habsburg?, wozu ich später noch etwas sagen werde.

Ich möchte mich zuerst dem größten Teil widmen, nämlich der Briefwahl. Da gab es, wie schon erwähnt worden ist, viele Problemfelder bei der Umsetzung der Briefwahl, auf die man vorher schon von verschiedener Seite hingewiesen hat und die jetzt auch dargelegt wurden.

In diesem Zusammenhang kann ich sozusagen wieder den Herrn Kollegen Molterer bemühen. So lange er noch hier sitzt, mache ich das einfach jetzt. Ich kann mich an einen Verfassungsausschuss erinnern, der schon fast ein Jahr her ist, da haben wir einen Briefwahlantrag von mir diskutiert. Da haben Sie, Herr Kollege Molterer, gesagt: Wir haben uns damals entschieden, an die Mündigkeit der Wählerinnen zu glauben und diese in den Vordergrund zu stellen, und deswegen stehen wir zur Briefwahl!

Das kann ich unterstreichen! Aber das, was wir dann in den danach folgenden Wahlen gemerkt haben, ist: Es ist nicht die Mündigkeit der Wählerinnen und Wähler das Pro­blem, sondern das Problem ist die Mündigkeit oder sozusagen der Wille des demokra­tischen Vorgehens mancher Institutionen. Denn: Wenn wir uns die Problemfelder an­schauen, dann sehen wir, dass das nicht einzelne Wählerinnen waren, die da unmün­dig gehandelt haben, sondern dass das Bürgermeister, Amtspersonen, Vereine waren, die sowohl bei der Beantragung als auch bei der Übermittlung der Wahlkarten einfach missbräuchlich vorgegangen sind.

Es hat zum Beispiel in Oberösterreich eine Gemeinde gegeben, da hat der Bürger­meister zu einem Grillfest mit Grillhendl und Bier und auch antialkoholischen Geträn­ken, nehme ich an, eingeladen, und dort wurde angeboten, dass man die Wahlkarte vor Ort bestellen kann. Die Wahlkarte wurde vor Ort ausgefüllt – mit oder ohne Fett­flecken, das sei jetzt unserer Phantasie überlassen –, und dann wurde die Wahlkarte von der Gemeindesekretärin wieder mitgenommen. Dass man da nicht mehr von der Ausübung des geheimen Wahlrechtes sprechen kann, liegt auf der Hand. (Abg. Mag. Gaßner: Wo war das?) In Oberösterreich. (Abg. Rädler: Wer war das konkret?) Weiß ich jetzt nicht, kann ich Ihnen aber nachliefern.

Es gibt auch den längst bekannten Fall eines Bürgermeisters in Burgenland, der Wahl­karten im größeren Stil ausgefüllt hat. Es gibt auch in Bezug auf die Wien-Wahl die Vermutung, dass da im großen Stil von einzelnen Personen Wahlkarten für ganze Gruppen bestellt wurden. Man kann auch davon ausgehen oder muss vermuten, dass diese Wahlkarten dann auch in einem ausgefüllt wurden und nie bei den Wählerinnen und Wählern, für die sie bestellt wurden, gelandet sind.

Und es gibt auch die große Personengruppe jener, die in Pflegeheimen wohnen, die von Demenz betroffen sind und die aus diesen Institutionen am Wahltag nicht heraus­können und für die daher Wahlkarten bestellt wurde, ohne dass sie es wussten, ohne dass ihre Angehörigen je gefragt wurden. Da kann man sehr wohl diskutieren, ob diese Personen wirklich noch in der Lage sind, diesen konkreten Willen zu fassen und dann eine konkrete Wahlentscheidung abzugeben.

Vor diesem Hintergrund war es uns besonders wichtig – und das haben wir auch in An­trägen festgeschrieben –, dass all diese Möglichkeiten ausgeschlossen werden müs­


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sen, und zwar nicht deshalb, weil wir nicht an die Mündigkeit der Wählerinnen glauben, sondern deswegen, weil wir bestätigt bekommen haben, was befürchtet worden war, nämlich, dass nicht alle Institutionen und auch nicht alle politisch Tätigen sich den de­mokratischen Prinzipien verpflichtet fühlen und dass durchaus Missbrauch begangen wurde.

Vor diesem Hintergrund freut es uns Grüne natürlich, dass jetzt alles gelungen ist, wie­wohl wir auch sagen müssen, dass in dem ersten Teil des Antrages, den SPÖ, ÖVP und BZÖ vorgelegt haben, noch viel Spielraum für Missbrauch vorhanden war.

Es freut uns auch sehr, dass wir die Möglichkeit hatten, auch unsere Vorschläge einzu­bringen. Nun ist klar festgelegt: Beantragung der Wahlkarte nur mehr entweder münd­lich oder schriftlich. Was uns noch fehlt, ist die klare Festlegung, dass die Beantragung der Wahlkarte vor dem Amt stattfinden muss und eben nicht auf dem Marktplatz erfol­gen darf, wo vielleicht der Bürgermeister vorbeikommt und sagt: He, brauchst du nicht eine Wahlkarte, ich organisiere sie dir?

Wichtig ist, dass Identitätsnachweise erforderlich sind und dass die Gemeinden auch ermächtigt werden, diese zu überprüfen. Das war bis dato nicht möglich. Wichtig ist auch, dass die Übermittlung der Wahlkarten mittels eingeschriebener Briefsendung stattfindet und dass die Übermittlung der Wahlkarten bei den Pflegeheimbewohne­rInnen derart gestaltet ist, das diese bestätigen müssen, dass sie die Karte übernom­men haben, und dass bei den Boten, die jetzt eingeführt wurden und die die Wahlkar­ten überbringen sollen, klargelegt ist, dass nicht die gleichen Boten, die die Karte brin­gen, warten, bis der oder die Wählerin diese Karte ausgefüllt hat, um sie dann wieder mitzunehmen, sondern dass das zwei verschiedene Personen sein müssen.

Es ist auch schon erwähnt worden, dass es einen gemeinsamen Entschließungsantrag gibt, wonach geprüft werden soll: Wie verhält es sich mit den Strafbestimmungen, wie werden diese derzeit angewandt, reichen diese aus oder braucht es da legislative Maßnahmen und gesetzliche Handlungen?

Trotzdem glauben wir, dass da noch einiges fehlt. Deswegen haben wir einen Abände­rungsantrag vorbereitet, der unter anderem die mündliche Beantragung vor dem Amt vorsieht. Wir glauben auch, dass der Vorschlag, der auch im Verfassungsausschuss diskutiert wurde, nämlich einen vorgezogenen Wahltag einzuführen, eine sehr gute Idee ist, die in der Steiermark schon praktiziert wird. Ich werde dahingehend Initiativen setzen und werde damit auf Sie alle zukommen. Vielleicht kommen wir dann zu einer gemeinsamen Entschließung, die wir in eine Gesetzform gießen können.

Abschließend kann man sagen: So wie sich die Briefwahl jetzt darstellt, kann man davon ausgehen, dass jetzt alle bislang bekannten Missbrauchsanfälligkeiten so weit wie möglich hintangehalten werden können. Aber – und das wissen wir alle – es muss weiter beobachtet werden, es muss weiter evaluiert werden. Wir werden dann vielleicht wieder entsprechende Änderungen vornehmen müssen, wenn das neue Briefwahlrecht so nicht passt.

Nun zum Wahlrecht für Strafgefangene. – Auch das haben wir mit initiiert. Nicht nur das EGMR-Urteil hat uns dazu gezwungen, sondern wir Grüne sind schon sehr lange der Meinung, dass es eigentlich sehr antiquiert ist, dass Strafgefangene vom Wahl­recht ausgeschlossen sind, von ihren politischen Mitwirkungsrechten ausgeschlossen sind. An und für sich müsste es reichen, eine Freiheitsstrafe abzusitzen. Es ist eigent­lich nicht einzusehen, dass Strafgefangenen auch politische Mitwirkungsrechte genom­men werden.

Der Europäische Gerichtshof sagt, dass die österreichische Regelung, so wie sie bis­her war, nicht in Ordnung ist. Es muss nämlich von der Art der Tat ableitbar sein, dass es dadurch eine Gefahr für die Demokratie gibt. Und es muss für den Ausschluss einen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 58

Richterspruch geben. Der Richterspruch war in dem ursprünglichen Vorschlag von SPÖ, ÖVP und BZÖ nicht enthalten. Sie hatten nach wie vor eine Automatik festge­schrieben. Nach dem Hearing und auch nach den Gesprächen mit uns haben wir es geschafft, dass diese Automatik umgedreht wurde und dass es jetzt nicht automatisch alle Gefangenen betrifft, sondern eben nur jene, bei denen der Richter es verfügt.

Natürlich kann man über die Frage diskutieren: Will man, dass ein Einzelner über poli­tische Rechte von anderen entscheidet? Uns wäre es auch lieber, wenn es gar keine Ausschließungsgründe gäbe, weil es einfach antiquiert ist und unserem demokratie­politischen Verständnis nicht entspricht. Das war nicht mehrheitsfähig. Aber die Rege­lung, so wie sie jetzt vorgesehen ist, ist jedenfalls eine bessere als die, die wir bisher hatten.

Was uns aber nach wie vor schmerzt, ist, dass da nicht nur auf politische Delikte abge­zielt wird, sondern auch auf sonstige Straftatbestände. Alle, die ein Strafausmaß von mehr als fünf Jahren ausgefasst haben, fallen darunter. Wir bringen deswegen diesbe­züglich einen Abänderungsantrag unsererseits ein, wobei wir hoffen – wenn auch nur mehr schwach hoffen –, dass Sie sich vielleicht noch umstimmen lassen und unserem Abänderungsantrag zustimmen werden.

Nun noch ein Allerletztes zur Familie Habsburg beziehungsweise zum Wahlrecht für Angehörige ehemals regierender Familien, wie es eigentlich im Bundespräsidenten­wahlgesetz steht – leider ist Kollege Cap, auf dessen Ausführungen ich replizieren möchte, jetzt nicht mehr da, ich sehe ihn zumindest nicht –: Was mich schon befrem­det, ist, dass man hiebei auf Familien abstellt. Ich gehe in meinem demokratiepoliti­schen Verständnis von Individuen aus. Der Familienname sagt nichts darüber aus, ob die Person Republikaner ist oder nicht ist, rechts oder links gerichtet ist und welches demokratiepolitische Verständnis sie hat. Das war auch eines der Probleme mit diesem Paragraphen. Auch wenn es dazu eine Geschichte gibt, die im Jahr 1920 nachvollzieh­bar so war, so ist es doch nach 90 Jahren – und das hat Kollege Cap ja auch gesagt – tatsächlich an der Zeit, das zu überdenken.

Wir haben einen entsprechenden Antrag eingebracht, denn für uns gelten zwei Leit­linien in der Demokratie, und zwar, dass in einer Demokratie und im Rechtsstaat alle mitreden können sollen, die von den Entscheidungen dieses Staates betroffen sind, und dass jeder Mensch Grund- und Menschenrechte hat. Es bedarf absolut guter Rechtfertigungen, wenn man sozusagen von diesen Grund- und Menschenrechten ab­sieht. Das war in diesem Fall – nämlich des Ausschlusses von der Wählbarkeit – sicher nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund freut es mich, dass wir hier einen Konsens ge­funden haben.

Kollege Molterer hat gesagt – und viele andere auch –, das ist sicher nicht der letzte Akt, den wir im Zusammenhang mit Wahlrechtsänderungen haben werden. Auf der Ta­gesordnung steht, wie gesagt, die Diskussion darüber, ob ein vorgezogener Wahltag eine Möglichkeit darstellt – die eben in anderen Bundesländern schon erprobt ist –, die sich auch für die Bundeswahlen sinnvoll gestalten ließe.

Eine weitere Frage ist – nämlich vor dem Grundsatz: alle, die von Entscheidungen be­troffen sind, sollen auch mitreden können –, wie sich die Diskussion um das kommu­nale Wahlrecht von MigrantInnen weitergestalten wird. Sie alle wissen, Rot-Grün – nicht Rot-Grün als Regierung, sondern Rot-Grün als inhaltliche Achse – hat das ja vor Jahren schon in Wien beschlossen. Es wurde dann vom Verfassungsgerichtshof so nicht zugelassen. Aber wir werden da dranbleiben, weil das einfach meine demokratie­politische Überzeugung ist, dass es nicht sein kann, dass Menschen, die jahrzehnte­lang hier leben, hier nicht wählen können.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich schon auf weitere Diskussionen und bringe jetzt noch den Abänderungsantrag zum Gesetzentwurf 1527/A in 1257 der Beilagen ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 59

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Musiol, Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ver­fassungsausschusses

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Artikel 2 (Änderung der Nationalrats-Wahlordnung 1992)

1. In Zif 1 entfällt in § 22 Abs 1 folgender Passus:

‚oder wegen einer sonstigen mit Vorsatz begangenen Handlung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren.‘

2. In Zif 3 wird in § 39 Abs 1 nach dem zweiten Satz eingefügt:

‚Mündliche Anträge dürfen nur im Amt entgegengenommen werden.‘

Artikel 3 (Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971)

In Zif 2 wird in § 5a Abs 4 nach dem zweiten Satz eingefügt:

‚Mündliche Anträge dürfen nur im Amt entgegengenommen werden.‘

Artikel 4 (Änderung der Europawahlordnung)

In Zif 3 wird in § 27 Abs 1 nach dem zweiten Satz eingefügt:

‚Mündliche Anträge dürfen nur im Amt entgegengenommen werden.‘“

*****

Vor diesem Hintergrund freue ich mich über ein missbrauchsunanfälligeres demokrati­sches Recht. Die Diskussion diesbezüglich wird weitergehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.34


Präsident Fritz Neugebauer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und wird mit verhandelt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Musiol, Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ver­fassungsausschuss über die Anträge 1527/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und ein Bundes­gesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlge­setz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wäh­lerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsge­setz 1989, das Volksbegehrengesetz 1973, die Strafprozessordnung 1975 und das Til­gungsgesetz 1972 geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2011),

914/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. Nr. 106/2009, geändert wird und Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsi­dentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971 idF BGBl. Nr. 28/2007 geändert wird,

1001/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, geändert wird,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 60

1002/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird,

1098/A der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl. Nr. 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 2010/13, und das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl. Nr. 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 11/2009, geändert werden und

1398/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Briefwahl

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Gesetzesentwurf für ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Eu­ropawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbe­gehrengesetz 1973 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden (Wahlrechts­änderungsgesetz 2011) wird wie folgt geändert:

Artikel 2 (Änderung der Nationalrats-Wahlordnung 1992)

1. In Zif 1 entfällt in § 22 Abs 1 folgender Passus:

„oder wegen einer sonstigen mit Vorsatz begangenen Handlung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren“

2. In Zif 3 wird in § 39 Abs 1 nach dem zweiten Satz eingefügt:

„Mündliche Anträge dürfen nur im Amt entgegengenommen werden.“

Artikel 3 (Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971)

In Zif 2 wird in § 5a Abs 4 nach dem zweiten Satz eingefügt:

„Mündliche Anträge dürfen nur im Amt entgegengenommen werden.“

Artikel 4 (Änderung der Europawahlordnung)

In Zif 3 wird in § 27 Abs 1 nach dem zweiten Satz eingefügt:

„Mündliche Anträge dürfen nur im Amt entgegengenommen werden.“

Begründung

Wahlausschluss Strafgefangener (Art 2 Zif 1):

Der pauschale Auffangtatbestand ‚Verurteilung zu einer „sonstigen“ mit Vorsatz began­genen Handlung‘ sollte entfallen, da im Sinne des EGMR-Urteils „Frodl“ ein Ausschluss vom Wahlrecht aufgrund „sonstiger“ mit Vorsatz begangener Straftaten nicht zu recht­fertigen ist. Ein Zusammenhang zwischen einer „sonstigen“ Straftat und Angelegenhei­ten in Bezug auf Wahlen oder demokratische Institutionen, eine der Voraussetzungen für den Wahlausschluss, besteht ja nicht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 61

Mündliche Antragstellung der Wahlkarte (Art 2 Zif 3, Art 3 Zif 2 und Art 4 Zif 3):

Ein Ausschluss der Entgegennahme von mündlichen Wahlkartenanträgen außerhalb der Amtsräume soll möglichen Verletzungen der Wahlgrundsätze (freie, geheime und persönliche Wahl) vorbauen.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort. – Bitte.

 


11.34.21

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Besucherinnen und Besucher! Hohes Haus! Ich bin sehr dankbar für diese heutige Debatte – dankbar deswegen, weil sie letztendlich die Wichtigkeit von Wahlen unterstreicht und gerade die Wahlen die Basis, ja das Fundament unserer rechtsstaatlichen Demokratie sind. Gerade diese Wahlen sind uns wert und wichtig, wo es letztendlich auch unser aller Verantwortung sein muss, dass vor allem viele Menschen immer wieder vom Wahl­recht Gebrauch machen.

Wir alle wissen, die Mobilität der Menschen ist eine immer größere. Die Menschen wer­den immer mobiler. Und immer häufiger kommt es vor, dass viele Menschen gerade am Wahltag nicht an ihrem Wohnort sind, weil sie auf Urlaub sind, beruflich unterwegs sind oder aus gesundheitlichen Gründen verhindert sind, weil sie sich im Krankenhaus oder im Pflegeheim befinden.

Ich glaube, unser Ziel muss es sein, so viele wie möglich zu motivieren, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, dieses Wahlrecht in Anspruch zu nehmen. Es ist mir vor allem wichtig, dass auch die älteren und kranken Menschen das Wahlrecht ausüben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Schauen wir uns in ganz Europa um! – In fast allen europäischen Ländern gibt es seit Jahren, ja gibt es schon seit Langem die Briefwahl. Schauen wir nur nach Deutschland! Jeder fünfte Wähler und jede fünfte Wählerin nimmt dort vom Briefwahlrecht Gebrauch.

Ich bin stolz darauf, dass es uns hier nach langen Verhandlungen, ja nach jahrelangen Diskussionen gelungen ist, dieses Wahlrecht, dieses Briefwahlrecht umzusetzen, so wie Willi Molterer es angekündigt hat. Damals war das eine Forderung der ÖVP: jahre­lang diskutiert, jahrelang verhandelt und dann Gott sei Dank im Jahr 2007 die gesetz­lichen Maßnahmen dafür eben auch gelegt. Im Jahr 2008 hatten die Menschen erst­mals bei der Nationalratswahl die Chance und die Möglichkeit, vom Briefwahlrecht Ge­brauch zu machen.

Und siehe da, es ist eine wahre Erfolgsgeschichte – eine Erfolgsgeschichte deswegen, weil von den über 500 000 WahlkartenwählerInnen 375 000 vom Briefwahlrecht Ge­brauch gemacht haben. Das heißt, es ist eine wahre Erfolgsgeschichte. Dieses Brief­wahlrecht wurde von Anfang an akzeptiert, respektiert und angenommen. Damit wurde letztendlich auch dokumentiert, dass das ein richtiger Schritt in die richtige Richtung war.

Wir haben zweifelsohne mit dieser Einführung der Briefwahl eine Verbesserung des Wahlrechtes durchgeführt. Wir wissen natürlich, dass es anfängliche Schwierigkeiten gab, dass es hiebei eben gilt, nachzujustieren. Darum beschließen wir heute eben die­se Wahlrechtsänderung. Ich bin, wenn ich mir diesen ganzen Vorgang des Briefwahl­rechtes vor Augen führe, fest davon überzeugt, dass wir sie praxistauglich gemacht ha­ben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 62

Ganz wichtig ist mir natürlich vor allem der Aspekt der Sicherheit, wo wir viele Fort­schritte gemacht haben, wo es uns vor allem wichtig ist, die Verhinderung der miss­bräuchlichen Beantragung in den Griff zu bekommen. In Zukunft muss sich jede Wäh­lerin und jeder Wähler bei der Antragstellung mindestens einmal ausweisen, was eine wichtige und dringende Notwendigkeit ist.

Wichtig ist aber natürlich auch, dass vor allem die Stimmabgabe sicherer wird. Auch da wurde Vorsorge getroffen, dass die Boten die Wahlkarte übergeben dürfen, diese Wahlkarte aber nicht sofort mitnehmen können, um jede Art der Beeinflussung letzt­endlich zu verhindern, um die Wahlberechtigten ja nicht unter Druck zu setzen.

Die Streichung der Nachfrist wurde heute schon einige Male angesprochen. Das ist ganz, ganz wichtig. Das heißt, es zählen nur die Wahlkarten, die bis zur Schließung des Wahllokales einlangen. Alle Wahlkarten, die nachträglich einlangen, werden zum Wahlergebnis nicht mehr dazugezählt.

Das heißt, wenn wir uns viele dieser Bestimmungen anschauen, die in diesem Wahl­rechtsänderungsgesetz enthalten sind, die heute auch schon oft diskutiert worden sind, können wir sagen, dass vor allem die Briefwahl sicherer gemacht worden ist, aber auf keinen Fall komplizierter, sondern wirklich praxisnah und praxistauglich.

Wichtig ist es natürlich, all diese Änderungen direkt zu kommunizieren, vor allem auch zu informieren, was die Landeswahlbehörden, die Bezirkswahlbehörden betrifft. Es wird deswegen eine umfassende Informationsveranstaltung im Bundesministerium für Inneres geben, wo wir diese Wahlrechtsänderung im Detail vorstellen werden.

Ich darf mich an dieser Stelle wirklich bei allen bedanken, die bei diesen Details mitge­arbeitet haben.

Ich möchte aber noch auf das eine oder andere ganz kurz eingehen, was im Fokus der letzten Wochen und der letzten Monate gestanden ist, nämlich die Diskussion, wer vom Wahlrecht ausgeschlossen wird, wozu es intensive Diskussionen gegeben hat. Ich bin froh darüber, dass wir hiebei ganz klare Regelungen, ganz klare Spielregeln festge­legt haben.

Der Ausschluss erfolgt zukünftig als Einzelfallentscheidung, ganz gemäß dem Katalog der Straftaten gegen die Demokratie, gegen den Staat. Und natürlich sind vor allem Straftäter, die eine unbedingte Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren ausgefasst ha­ben, ausgeschlossen.

Ich bin froh über diese Regelung, weil es nicht sein kann, dass jene, die gegen demo­kratiepolitische Regelungen verstoßen, die kriminell oder straffällig geworden sind, auch noch mit dem Recht, wählen gehen zu können, ausgezeichnet werden. Es muss einfach ein ganz klarer Unterschied zwischen jenen sein, die straffällig geworden sind, die kriminell geworden sind, und jenen, die anständig und fleißig sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Da kann ich mich in gar keiner Weise mit der Idee oder der Aussage der Grünen identi­fizieren, die meinen, diese Regelung sei ungerecht und antiquiert. Wir werden alle Be­mühungen fortsetzen, dass diese Regelung auch weiterhin bestehen bleibt.

Zur Causa Habsburg und dazu, dass eine künftige Kandidatur bei der Bundespräsiden­tenwahl möglich ist, wurde heute schon viel gesagt, vor allem sehr umfassend und sehr sarkastisch von Klubobmann Cap. Ich darf mich bei der Familie Habsburg für die­sen Sarkasmus entschuldigen, der gerade hier in diesem Haus nichts verloren hätte. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe hier nur einige wenige Dinge angesprochen, die in diesem Maßnahmenpaket, in diesem Wahlrechtsänderungspaket enthalten sind. Ich meine, hier Bilanz ziehen zu


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 63

können und sagen zu können, dass gerade die Briefwahl sicherer und vor allem auch einfacher geworden ist.

Ich darf mich bei all jenen hier im Haus bedanken, die intensiv mitgearbeitet haben, auch bei den Expertinnen und Experten meines Hauses und auch bei den externen Ex­perten, aber heute im Speziellen bei einem Kollege, bei Vizekanzler außer Dienst Willi Molterer, der federführend für die ÖVP die Verhandlungen geführt hat, der immer ein Kämpfer für das Briefwahlrecht war, der sich für diese Republik irrsinnig eingesetzt hat, sehr viele Meilensteine gesetzt hat und gerade im Rahmen der Familie der ÖVP eine tragende Säule war. Lieber Willi, ich darf dir für all das, was du für die Partei und für die Republik und für dieses Parlament getan hast, ein ganz großes und herzliches Danke sagen und darf dir auf deinem weiteren Weg alles Gute wünschen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pendl.)

Bei Ihnen darf ich mich jetzt schon im Namen aller Wählerinnen und Wähler herzlich für Ihre Zustimmung bedanken (Abg. Grosz: Wird das eine Abschiedsrede? Gehen Sie wieder nach St. Pölten?), weil gerade diese Wahlrechtsänderung ganz im Sinne der Wählerinnen und Wähler ist, weil wir damit auch einen Schritt setzen, die Menschen noch mehr zu motivieren, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.42


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


11.42.54

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Bevor ich ein bisschen auf die FPÖ eingehen darf, noch einige Dinge zum Wahlrechtsänderungs­gesetz. Wir sind mit dabei, weil wir zwei Linien begrüßen: Einerseits begrüßen wir es, dass die Form der Briefwahl erleichtert wird, andererseits sind wir auch dafür, dass vor­handene Fehler, nämlich Möglichkeiten, Wahlergebnissen zu verfälschen, mit dieser Änderung korrigiert werden.

Letztlich ist ja das Ziel dieser Erleichterung bei der Briefwahl gewesen, dass man die Wahlbeteiligung nach oben schraubt. In diesem Zusammenhang darf ich schon auch betonen, dass die beste Gesetzesänderung nichts hilft, sondern noch immer das bes­sere Mittel das ist, dass wir alle gemeinsam durch eine gute, eine sachliche, eine se­riöse Politik für Österreich dafür sorgen, dass die Wahlbeteiligung in Zukunft weiter steigt, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Es wird ja mit dieser Änderung auch das Volksbefragungsgesetzt geändert. Wenn ich dem Herrn Mag. Stefan so zugehört habe und die Ablehnung der FPÖ höre, dass sie sagt: Na ja, uns sind die Einschränkungen bei der Briefwahl in der Form, um Fäl­schungen zu verhindern, nicht ausreichend!, und ich dann nach Kärnten schaue – auch weil Herr Abgeordneter Linder da ist –, so muss ich sagen: Auf der einen Seite sind Sie auf Bundesebene dagegen, weil Sie sagen, Briefwahl ist ein Teufelswerk, auf der an­deren Seite machen genau Ihre Parteifreunde in Kärnten eine illegale, gesetzwidrige Briefwahlbefragung – Volksbefragung ist es ja keine –, eine Ortstafelbefragung über den verhandelten Ortstafelkompromiss. Das ist schon ein großer Widerspruch, meine Damen und Herren, den Sie vielleicht noch aufklären können! (Beifall beim BZÖ.)

Wir sind auch für direkte Demokratie, wir sind für Volksbefragungen, aber, meine Da­men und Herren, wir sind für direkte Demokratie, wir sind für Volksbefragungen auf Basis der geltenden Gesetze – und nicht für eine illegale Volksbefragung, nur weil es ein Brüderpaar vom Sternhof in Oberkärnten dem Herrn Landeshauptmann verordnet. Das lehnen wir ab, und das lehnen auch die Kärntnerinnen und Kärntner ab. Ich freue mich schon heute auf die niedrige Beteiligung, die diese illegale Befragung zu Tage fördern wird. (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 64

Ein weiterer Punkt, zur FPÖ: Darf ich jetzt ... (Abg. Mag. Stadler: Wie hoch ist denn die Rücklaufquote?) – Ja, die Rücklaufquote wäre sehr interessant. Ich freue mich schon auf die Prozentzahl, die wird nämlich nicht sehr hoch sein.

Weil wir schon bei der Geschichte sind, die auch der Herr Abgeordneter Dr. Fichten­bauer nicht in einer Rede, sondern in einem fast universitären Vortrag hier präsentiert hat und erklärt hat, dass die FPÖ die Partei ist, die sich immer mit vollem Herzen und geschwellter Brust für die Rechte der Habsburger eingesetzt hat, meine Damen und Herren, darf ich schon auf Folgendes verweisen: 1914 – das wissen wir alle; jetzt kom­me ich auch zur Geschichte – gab es das Attentat von Sarajevo, Serbien, auf Franz Ferdinand, und das war damals Auslöser des Ersten Weltkrieges. Das heißt, die Ser­ben waren da mit dabei. Damals ist man unter dem komischen Slogan „Serbien muss sterbien“ in den Krieg gezogen.

Jetzt sind aber genau diese Serben, die damals das ausgelöst haben und den Habs­burger Thronfolger ermordet haben, Herr Dr. Fichtenbauer, die neuen Freunde der FPÖ. Die Busenfreunde der FPÖ, meine Damen und Herren, sind die Damen und Her­ren am Balkan! (Abg. Mag. Stefan: Die Mörder vom Ferdinand?)

Sie haben gestern ein tolles Abkommen, einen Freundschafts-, einen Bündnispartner­vertrag mit einem gewissen Herrn Tomislav Nikolić geschlossen, seines Zeichens Chef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei. Was für ein wunderbarer Na­me, passt genau zur FPÖ! Das wurde gestern groß präsentiert, meine Damen und Her­ren.

Und jetzt bitte ich Sie, genau zuzuhören, auch die Zuschauer hier im Saal und auf der Galerie und zu Hause an den Fernsehschirmen, was dieser Tomislav Nikolić, der neue beste Freund der FPÖ und des Herrn Strache, bei dieser Vertragsunterzeichnung er­klärt hat. Ich zitiere wörtlich:

„Wenn die FPÖ Österreich führt, werden die Serben in Wien sich wie in ihrem eigenen Land fühlen.“ – Zitatende. (Abg. Grosz: Oh! Super!)

Ein ganz interessantes Zitat. Damit wissen auch die Österreicherinnen und Österrei­cher, vor allem die Wienerinnen und Wiener, was Ihnen bevorsteht: eine Ausländerflut in Form der Serben! (Abg. Mag. Stadler: Wien wird Belgrad!) Meine Damen und Her­ren, Sie wollen Wien offensichtlich zum zweiten Belgrad machen, zumindest lässt sich diese seitens der FPÖ unwidersprochene Aussage von Herrn Nikolić in diese Richtung interpretieren. (Abg. Grosz: Wien soll Belgrad werden!)

Damit bekommt auch Ihr aktueller Slogan „Unser Geld für unsere Leut’“ eine vollkom­men neue Bedeutung. „Unser Geld für unsere Leut’“ bedeutet nicht nur für einen Herrn Grasser oder Herrn Meischberger oder wen auch immer, sondern „Unser Geld für un­sere Leut’“ bedeutet offensichtlich auch für Herrn Nikolić, für irgendwelche serbischen Freunde, für die ausländischen Serben in Wien, für die ausländischen Serben öster­reichweit. (Abg. Mag. Stadler: Nikolić!) Das bedeutet „Unser Geld für unsere Leut’“. (Beifall beim BZÖ.)

Vielleicht bedeutet „Unser Geld für unsere Leut’“ auch Geld in dem Fall für euren Mla­dić, für euren Karadžić, denn das sind alles die Freunde des Herrn Nikolić. (Abg. Grosz: Alles deutsche Namen!) Das sind alles die Freunde des Herrn Nikolić und da­mit auch des Herrn Strache: der Kriegsverbrecher Mladić, der Kriegsverbrecher Ka­radžić. (Abg. Grosz: „Vilimsky“ klingt auch nicht sehr deutsch!) Das sind „unsere Leut’“, das sind die Leute der FPÖ, meine Damen und Herren! Das sollen die Wählerinnen und Wähler auch wissen.

In einem Satz zusammengefasst: Sie sind keine Österreichpartei mehr, sondern Sie sind, um in Ihrer – nicht in meiner! – Sprache zu sprechen, zu einer Balkan-Partei oder,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 65

noch drastischer formuliert, zu einer „Jugo“-Partei verkommen, meine Damen und Her­ren von der FPÖ! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Schon eher heftig!)

11.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


11.49.08

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Als Vorsitzender des Verfassungsausschusses möchte ich zu dieser Debatte noch eines festhalten: Ich glaube, dass es eine der hochstehendsten Diskussionen über dieses Thema im Verfassungsausschuss gab, von Sachlichkeit ge­prägt. Ich respektiere auch die grundsätzliche Haltung der FPÖ zur Briefwahl. Es ist je­denfalls auf einem sehr hohen sachlichen Niveau diskutiert worden. Auch die im Hea­ring gebrachten Beiträge waren wirklich hervorragend und wurden von uns auch ver­wendet.

Persönlich möchte ich mich bei Willi Molterer bedanken für die wirklich hervorragende, unkomplizierte, sehr sachorientierte Zusammenarbeit im Verfassungsausschuss, die zu einigen guten Gesetzen geführt hat. Danke schön! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte festhalten, dass es sich hier wieder einmal um eine Gesetzesinitiative des Parlaments handelt und diese Gesetzesinitiative des Parlaments nicht auf eine Vorla­ge des Bundesministeriums für Inneres zurückzuführen ist, sondern ausschließlich auf Anträge der hier anwesenden Parlamentsparteien.

Ich halte eine sachliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Habsburger in je­der Form für zweckdienlich und richtig und halte auch die Meinung des Genossen Cap für durchaus angebracht; ich sage dies bewusst. Ich halte es jedoch für völlig unange­bracht, wenn Sie, Frau Bundesminister, hier im Parlament als Oberlehrerin fungieren. Wenn Herr Abgeordneter Cap etwas sagt, dann brauchen Sie sich nicht dafür zu ent­schuldigen und hier die Oberlehrerin zu spielen. Wir sagen hier, was wir wollen, und Sie brauchen sich für niemanden hier im Haus zu entschuldigen. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Hier ist die freie Rede möglich, aber nicht die Bevormundung durch die Regierung. (Abg. Rädler: Bist du ein Niederös­terreicher?) Das mag im Land Niederösterreich möglich sein, hier nicht. Hier gelten an­dere Regeln.

Zurück zur Problemstellung. Die Briefwahl hat im Wesentlichen folgende Problemkrei­se aufgeworfen: die Identifikationsmöglichkeit bei der Abholung beziehungsweise die Identifikation, wer die Karte beantragt. Die zweite Problematik bei der Briefwahl, die wir zu beachten hatten, weil wir Mängel feststellen konnten, war die Wahlmöglichkeit nach dem eigentlichen Wahltag, nämlich das taktische Wählen.

Diese beiden Problemstellungen hatten wir bei der Behandlung der Briefwahl. Es ist hier zu sehr vielen guten Ideen gekommen, die eigentlich in diesen Gesetzesantrag aufgenommen wurden. Dadurch haben wir versucht, diese Probleme zu lösen.

Natürlich kann man einmal grundsätzlich dagegen sein, aber in Europa hat sich he­rauskristallisiert, dass bis auf fünf Länder alle die Briefwahl haben. Also wir stehen hier nicht alleine da. Ich glaube, dass dies auch einen Beitrag dazu leistet, dass mehr Leute wählen gehen. Es waren fast 12 Prozent, die sich eine Wahlkarte gelöst haben. Der tatsächliche Rücklauf mit der Post bei der Briefwahl beträgt ungefähr 6 Prozent. 6 Pro­zent sind eigentlich eine Marke, die es rechtfertigt, die Briefwahl auch weiterhin anzu­bieten, um den Leuten das Wählen einfacher zu machen. Das ist eine grundsätzliche Abwägung von Rechten. Natürlich gibt es Probleme bei der geheimen Wahl, die nicht ganz auszuräumen sind, aber eine Interessen- und eine Güterabwägung, würde ich sa­gen, rechtfertigt das.


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Wir haben es in der Form gelöst, dass wir gesagt haben, entweder die Identifikation bei der Bestellung oder letztendlich bei der Abholung oder bei der Zustellung. Man kann daher mündlich direkt bestellen gegen Ausweisleistung, man kann elektronisch bestel­len mit elektronischer Signatur und man kann elektronisch bestellen gegen Vorlage der Kopie eines Ausweises. Aber dann wird es eigenhändig zugestellt, und damit ist auch wieder die Ausweisleistung gerechtfertigt beziehungsweise die Identifikation am Ende der Kette. Ich glaube, dass damit die Frage der Identifikation genügend berücksichtigt wurde.

Jene Karten, die nach einem Zustellversuch von den Adressaten bei der Post nicht ab­geholt werden konnten, werden am letzten Tag von der Gemeinde eingesammelt und bei der Gemeinde hinterlegt. Über eine Hotline beim Bundesministerium für Inneres kann jemand erfragen, wo seine Karte abzuholen ist, um dann letztendlich am Sonntag wählen gehen zu können. Auch das ist berücksichtigt worden. Ich halte das für eine sehr kluge und praxisbezogene Möglichkeit.

Der Bote, der nunmehr für die Zustellung der Wahlkarte eingeführt wurde, was auch sinnvoll ist, darf die Wahlkarte selbst nicht mehr mitnehmen, er ist somit beim Ausfüllen der Wahlkarte auch nicht mehr dabei, sondern die Wahlkarte muss getrennt von die­sem Boten abgegeben werden. Auch das, glaube ich, führt zu einer größeren Sicher­heit.

Was die strafrechtliche Beurteilung von Wahlpartys, wo das geheime Wahlrecht miss­braucht wird, betrifft, wird in Form eines Entschließungsantrages versucht zu ermitteln, wie viele Anzeigen es gegeben hat, wie viele Verfolgungsmaßnahmen. Ob die beste­henden Straftatbestände wie Wahlbetrug, Wahltäuschung, Urkundenfälschung ausrei­chen werden, werden wir aufgrund des Berichts der Frau Bundesminister für Justiz evaluieren. Vielleicht wird ein neuer Straftatbestand hier Abhilfe schaffen – oder auch nicht. Wir werden das abwarten.

Diesbezüglich gibt es einen Abänderungsantrag, den ich nunmehr zur Verlesung brin­ge, der diesen Entschließungsantrag präzisiert, insbesondere mit Bezug auf den vorlie­genden Antrag, den auch das BZÖ gestellt hat. Wir haben versucht, den einzuarbeiten.

Ich darf nunmehr diesen Abänderungsantrag vorlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Lopatka, Mag. Daniela Musiol, Mag. Stadler, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Bericht des Verfassungsausschusses über die Anträge 1527/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europa­wahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehren­gesetz 1973, die Strafprozessordnung 1975 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2011) in 1257 d.B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die dem Bericht des Verfassungsausschusses (1257 d.B.) angeschlossene Entschlie­ßung betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht lautet wie folgt:

Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht,

1. bis Ende 2011 dem Nationalrat darüber Bericht zu erstatten, welche Strafverfahren seit 1. Jänner 2008 wegen der Verletzung von Vorschriften zur Briefwahl geführt wur­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 67

den, ob eine Einstellung mangels Strafbarkeit oder aus welchen anderen Gründen er­folgt ist, ob und nach welchen Tatbeständen Verurteilungen erfolgt sind und inwiefern die Briefwahlvorschriften im Hinblick auf das Verhältnis von Einstellungen und Verurtei­lungen und das in diesem Fall ausgesprochene Strafmaß durch die Straftatbestände ausreichend bewehrt sind,

2. an Hand eines Katalogs von möglichen Missbrauchsfällen im Zusammenhang mit der Briefwahl (Einhaltung des Wahlgeheimnisses, z.B. Wahlpartys; Ausfüllen der Wahl­karten für eine andere Person; Herstellen falscher Wahlkarten) bis Ende 2012 darzule­gen, welche Straftatbestände anzuwenden wären, sowie

3. im Fall des legistischen Anpassungsbedarfs dem Nationalrat bis Ende 2012 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu unterbreiten.

*****

Die philosophische Frage, ob die Briefwahl eine Ausnahme ist oder die Regel darstellt, ist, glaube ich, im Artikel 26 Abs. 6 der Bundesverfassung eindeutig geregelt, weil der Artikel 26 darauf abstellt, dass nur bei Verhinderung mit Briefwahl gewählt werden soll.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass es sich bei der Briefwahl nicht um einen Regelfall, sondern um einen Ausnahmefall handelt, was auch für die weiteren Diskussionen bei der elektronischen Wahl wahrscheinlich eine Rolle spielen wird.

Ich bin da etwas anderer Ansicht. Ich glaube, dass die elektronische Wahl erstens ein­mal derzeit nicht sicher ist, aber man sollte zweitens in Österreich auch einen Unter­schied machen zwischen der Wahl zum Dancing Star und einem Wahlvorgang. Man sollte das Wahlrecht persönlich im Wahllokal ausüben und die Briefwahl als Ausnahme betrachten. Der Bürger sollte sich dessen bewusst sein, dass er mit der Abgabe seiner Stimme die Geschicke dieses Landes und damit auch seine eigene Lebensumgebung mitgestaltet, was man beibehalten sollte – dies im Unterschied zu Telewahlen.

Deswegen stelle ich diese philosophische Frage: Was ist die Regel und was die Aus­nahme?, hier zur Debatte, weil ich glaube, dass wir die Briefwahl weiterhin als Ausnah­me sehen sollten. Damit kommen wir auch zur Diskussion über das elektronische Wahlrecht.

Taktisches Wählen ist nicht mehr möglich. Wir haben das Endergebnis acht Tage frü­her als jetzt.

An der Diskussion über die Frage der Habsburger will ich mich nicht beteiligen. Ich hal­te gegenteilige Meinungen, wie sie vom Kollegen Cap gebracht wurden, für durchaus gerechtfertigt. Man kann sich mit der Geschichte auch kritisch auseinandersetzen. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Für mich persönlich war wichtig, sonst hätte ich nicht zugestimmt, dass im Artikel 151 klargestellt wurde, dass das Außerkrafttreten des bisherigen Artikels 60 Abs. 3 das Ge­setz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hau­ses Habsburg-Lothringen unberührt lässt. Das bedeutet, dass daraus keine Restitu­tionsansprüche abgeleitet werden können. Das war für mich wichtig.

Zu den Straftaten wurde alles gesagt. Im Wesentlichen haben wir die Voraussetzungen laut Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dadurch erfüllt, dass es nunmehr einen individuellen Spruch eines Richters zur Aberkennung des Wahlrechtes geben muss, der in § 446a StPO geregelt ist. Somit ist das eine indivi­duelle Entscheidung, die von der Schwere der Straftat und von der Höhe der Strafe ab­hängig gemacht wurde.


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Das heißt, wir erfüllen alle Kriterien, die diesbezüglich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgegeben wurden. Ich halte diese Wahlrechtsreform für einen Meilenstein. Das Wahlrecht wird nie endgültig geregelt sein, weil es immer wieder zu Diskussionen gesellschaftspolitischer Art kommen wird, die auf das Wahlrecht durch­schlagen.

Ich bedanke mich abschließend für die Beteiligung an den Diskussionen und für die hervorragende Zusammenarbeit im Ausschuss. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59


Präsident Fritz Neugebauer: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. – Bitte.

 


12.00.01

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Innenministerin! Hohes Haus! Die Wahlrechtsänderung ist etwas ganz, ganz Wesentli­ches. Jeder von uns, der dem Hohen Haus angehört, wurde in einer solchen Wahl ge­wählt, und das sind nun einmal die Spielregeln für eine solche Wahl. Ich bin zusätzlich seit knapp 20 Jahren Mitglied verschiedenster Wahlbehörden auf Bundes-, Landes- oder auch auf kommunaler Ebene.

Das vorliegende Paket hat jedenfalls den ganz großen Vorteil, dass die taktische Wahl damit vorbei ist. Ich glaube, das war sehr wesentlich und ein großes Anliegen eigent­lich aller, dass man diesen Bereich neu regelt.

Für die Wahlbehörden selbst wird es deswegen jetzt nicht einfacher, in einigen Berei­chen wird ihnen noch mehr abverlangt, aber ich glaube, es ist bewältigbar. Und vor dem Hintergrund der geheimen, unmittelbaren und persönlichen Wahl ist dies nicht nur begrüßenswert, sondern es ist jedenfalls bei allen handelnden Akteuren in allen Wahl­behörden Erleichterung feststellbar. (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich noch nicht das Ende der Fah­nenstange erreicht, denn was die Konsequenzen aus einem Fehlverhalten betrifft, wird man, so meine ich, gut beraten sein, zu evaluieren, dann zu entscheiden, dass das auch ganz klar verpönt ist und somit mit härteren Konsequenzen auch neu geregelt wird.

Auch eine Frage ist aus meiner Sicht ein Veröffentlichungsverbot von Meinungsum­fragen beziehungsweise Wahlprognosen, denn auch das ist eine Art der Beeinflus­sung, die meines Erachtens auch immer wieder taktisch angewandt wird.

Bei Einführung ist man davon ausgegangen, dass die Gruppe der Nichtwähler geringer wird. Das ist damit nicht wirklich gelungen, man hat diesen Trend aber zumindest ge­stoppt. Die Nichtwähler sind eine große Gruppe. Da sollte man immer wieder Vorsicht walten lassen, was den Versuch – ich verwende dies jetzt einmal als Überbegriff – übereifriger Funktionäre betrifft, an Stimmen zu kommen, und zwar mit Mitteln, die eigentlich für eine demokratiepolitische Entscheidung in der Wahlzelle nicht geeignet sind.

Ein derartiger Missbrauch ist jedenfalls hintanzuhalten, und bei zukünftigen Novellen sollte man sich unbedingt dieser Thematik des Veröffentlichungsverbots und auch här­terer Konsequenzen annehmen.

Die Fälle sind bekannt. Neu ist mir der Fall, den die Grünen aus Oberösterreich er­wähnt haben. Das liegt gleich neben Niederösterreich. Es wundert mich nicht, dass man gleich zu Partys eingeladen wird. (Abg. Rädler: Bist du auch ein Niederösterrei­cher?) – Jawohl, ich bin sogar Bürgermeister in Niederösterreich, und du lieferst mir jetzt ein gutes Stichwort. (Beifall beim BZÖ.)


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Herr Bürgermeisterkollege, erkläre mir jetzt, wie das mit der demokratiepolitischen Ge­sinnung ist! In Niederösterreich war es ein riesiger Kampf, dass es auf kommunaler Ebene überhaupt einen amtlichen Stimmzettel gibt. Meine Damen und Herren, das war dort verpönt. Heute noch schaut einen ein Bürgermeister oft komisch an und sagt: Hast du gar nicht den Stimmzettel mit, den ich dir persönlich ausgehändigt habe? (Abg. Rädler: Das Persönlichkeitswahlrecht war vorbildlich!)

Persönlichkeitswahlrecht. – Ich stelle die konkrete Frage: Hältst du es wirklich noch für angebracht, dass es einen nichtamtlichen Stimmzettel gibt? Hältst du es wirklich für angebracht? (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.) Er sagt: ja. Da soll jeder seinen Schluss daraus ziehen! (Abg. Rädler: Du hast Angst vor der Wahl!)

Ich habe noch nie Angst gehabt, und deshalb schneide ich bei uns auch immer besser ab als die ÖVP. (Beifall beim BZÖ.) Da weiß man schon, wo jene sind, die mit Angst agieren.

Dieser nichtamtliche Stimmzettel, in Niederösterreich gang und gäbe, führt natürlich zu kuriosen Resultaten. Wir kennen den Fall im Burgenland: Da hat einer eifrig gleich selbst ausgefüllt. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist etwas anderes.

Gut, dann kommen wir zu den Fällen in Niederösterreich. Ich nenne dir jetzt einen Pa­radefall. Bei der Auszählung gibt es dann sogar Ergebnisse, wo die Zahl der abgege­benen Stimmzettel mehr als 100 Prozent erreichen kann. In Niederösterreich gibt es eine Gemeinde, wo der Wahlleiter das mit seinen Kumpanen gleich richtig gelöst hat. Der hat gesagt: Jetzt haben wir mehr Stimmzettel, denn es gibt amtliche und nicht­amtliche, was tun wir jetzt? Da hat man die richtigen aussortiert und die Stimmzettel, die überzählig waren, verbrannt. Ich kann dir nur sagen, denkt gerade in Niederöster­reich darüber nach – die Innenministerin ist ja Bestandteil dieser ÖVP Niederöster­reich –, ob ihr nicht endlich einmal von diesen nichtamtlichen Stimmzetteln abrücken und euch zum amtlichen Stimmzettel bekennen solltet! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Sehr gut, da mache ich dir gleich einen Vorschlag: Dann führt doch in Niederösterreich die Direktwahl für Bürgermeister ein! Warum habt ihr sie noch nicht? (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Linder.) Er will die Persönlichkeitswahl, aber nicht die Bürgermeisterdi­rektwahl. Das ist eine Konsequenz!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt noch sehr, sehr viel zu tun, nicht nur auf Bundesebene, gerade auch in Niederösterreich. Das ist auch die Botschaft an die amtierende Innenministerin. Vielleicht wird sie dann bei ihren Parteifreunden in Nieder­österreich auch bewirken können, dass man sich auch dort demokratiepolitisch moder­nisiert.

Ich glaube, Kollege Rädler wird jetzt nicht gerade der richtige Partner sein, denn er verweigert jede Modernisierung. Aber er ist hoffentlich nicht das, was in der ÖVP vielleicht doch noch mehrheitsfähig wird. Unsere Zustimmung dazu hättet ihr jedenfalls. (Beifall beim BZÖ.)

12.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


12.06.06

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Nach den Ausführungen des niederösterreichischen Bürgermeisters Windholz möchte ich jetzt wieder zur Tagesordnung zurückkommen. Das letzte Mal habe ich Sie gehört bei einem Frühschoppen, da haben Sie ähnlich gesprochen wie heute hier. Sie sind ein


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guter Bürgermeister, muss ich Ihnen sagen, wenn es darum geht, die Vorzüge Ihrer Gemeinde zu präsentieren.

Aber jetzt zur Sache. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Briefwahl kann man, wie wir seitens der Volkspartei, als etwas sehr Positives sehen, als einen Beitrag dazu, den Menschen das Wählen tatsächlich zu erleichtern. Oder man kann es so dar­stellen wie Abgeordneter Fichtenbauer, der – und ich glaube, bei ihm ist die Wortwahl schon immer wohlüberlegt – von einem Instrument der Wahlfälschung gesprochen hat. Das halte ich schon für eine extreme Ausdrucksweise, denn da schwingt ein massiver Vorwurf mit. Sie dürfen nicht vergessen, das letzte Mal haben 586 451 Österreiche­rinnen und Österreicher so gewählt, wobei die Mehrheit dieser Wähler das sicherlich sehr ernst genommen hat und selbstverständlich meint, dass bei ihrer Stimmabgabe alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Also, bitte, vorsichtig sein bei solchen Verall­gemeinerungen, in denen die Briefwahl als Instrument der Wahlfälschung dargestellt wird!

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Hier treten Sie dagegen auf, während Sie in Kärnten gerade in diesen Tagen massiv für die Briefwahl sind. (Abg. Mag. Stefan: Wo ist eine Briefwahl?) Ihr Abspalter FPK, jetzt momentan im Gange, die Kärntner entscheiden per Brief über Ortstafeln. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das ist keine Wahl!) Das ist keine Wahl, aber es ist eine Abstimmung per Brief. (Abg. Mag. Stefan: Eine Befra­gung!) Sie sagen in Kärnten, wie wichtig diese Entscheidung ist. Nein, es ist keine Wahl, aber es ist eine Wählerentscheidung per Brief. Also hier ist es Fälschung, dort ist diese Befragung per Brief genau das, was Sie hochloben. Sie sollten wissen, was Sie wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

In beiden Fällen geht es doch um die Möglichkeit, an einem demokratischen Prozess mitzuwirken. Ich glaube, da sind wir uns einig. Wenn Sie konsequent wären, dann dürf­ten Sie auch in Kärnten nicht dafür sein, denn da geht es ja um etwas. Ich könnte Scheuch und Landeshauptmann Dörfler zitieren, die sagen, wie wichtig ihnen diese Abstimmung ist und dass, wie Scheuch ausführt, die Stimmzettel verschickt werden. – Offizielle Aussendung Ihrer Abspaltung in Kärnten, offizielle Aussendung des FPK. Dort wird diese Form als Beteiligungsoptimierung gelobt. Da treffen wir uns dann wie­der.

Daher sage ich Ihnen, wenn Sie konsequent wären, dann hätten Sie auch in Kärnten diesen Weg, den ich ohnehin für falsch halte, weil eine Mehrheit über eine Minderheit abstimmen kann, nicht beschreiten dürfen.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben dieses Instrument sehr gerne ange­nommen, und es hat breite Zustimmung gefunden. Wenn jeder zehnte Wähler, jede zehnte Wählerin so wählen möchte und der Verfassungsgesetzgeber zur Sicherung des geheimen und des persönlichen Wahlrechtes die eidesstattliche Erklärung vor­sieht, dann sehe ich hier auch kein Problem aus verfassungsrechtlicher Sicht. Es wird nämlich genau das Bundesland Kärnten, das gerade per Brief über die Ortstafeln ab­stimmen lässt, laut FPÖ-Aussendung jenes Bundesland sein, das verfassungsrechtli­che Bedenken gegen die Briefwahl im Allgemeinen anmelden wird. Diese Bedenken haben wir überhaupt nicht.

Für uns muss neben dem persönlichen und geheimen Wahlrecht schon auch die Wahl­beteiligung von großer Bedeutung sein. Wir hatten bei den letzten Wahlgängen in Ös­terreich im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten keine sinkende Wahlbeteili­gung: knapp 80 Prozent bei den beiden letzten Nationalratswahlen, 78,81 Prozent wa­ren es. Das ist schon auch ein ganz, ganz wichtiger Beitrag für die Legitimität der­jenigen, die gewählt sind. Da ist ein Unterschied zwischen der Wahlbeteiligung auf Eu­ropaebene, wo ich mit 30, 40 Prozent gewählter Mandatar bin, nämlich vom gesamten Wählervotum, wo mit Abstand die größte Partei die der Nichtwähler ist, und der Wahl­


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beteiligung, wie wir sie bei den Nationalratswahlen, bei Landtagswahlen und bei Ge­meinderatswahlen haben.

Die Briefwahl ist aber bis zum heutigen Tag bei uns noch als ein Ausnahmeinstrument konstruiert; Abgeordneter Wittmann hat das angesprochen. Ich muss begründen, wa­rum ich mit Briefwahl meine Stimme abgeben möchte. Es müssen berücksichtigungs­würdige Gründe sein: Ortsabwesenheit, gesundheitliche Gründe, Auslandsaufenthalt. Das halte ich – und darüber sollten wir auch diskutieren – schon für einen Punkt, wo ich mich frage, warum ich mich als Wähler, wenn ich für mich entscheide, dass für mich die Briefwahl die bessere Form ist zu wählen, hier erklären muss. Darüber sollten wir schon diskutieren, ob wir das tatsächlich beibehalten wollen.

Wenn der Staat den Wählerinnen und Wählern die Stimmabgabe einräumt, dann sollte er das auch faktisch ermöglichen. Die Lebensumstände sind heute bei uns natürlich völlig andere als vor 100 Jahren. Die Mobilität vor 100 Jahren war eine völlig andere, als die Mobilität heute ist, und auch unsere Altersstruktur ist eine völlig andere, und da bietet die Briefwahl den Menschen die Möglichkeit, an den Wahlen teilzunehmen. Die Rechtsordnung sollte den Lebensverhältnissen folgen, und nicht umgekehrt, dass man die Menschen zwingt – ich halte das für anachronistisch –, dass sie am Wahltag am Heimatort sein müssen. (Abg. Mag. Stefan: Das ist Populismus!) Nein, das ist kein Populismus, sondern das ist ein offenes Zugehen auf die Wähler, Herr Abgeordneter! Vielleicht hat die FPÖ einen anderen Zugang zu den Wählern. (Beifall bei der ÖVP.)

Uns geht es jedenfalls darum, den Menschen nicht die Wahlmöglichkeit zu erschwe­ren, sondern sehr wohl für geordnete Verhältnisse zu sorgen – da treffen wir uns –, und da haben wir jetzt auch die notwendigen Verbesserungen: ein Ende des taktischen Wählens, Wahlmanipulationen massiv eingeschränkt. Die mehrfach von Ihnen zitierten Experten im Hearing haben das sehr, sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Ein Satz noch von meiner Seite. Ich habe es auch nicht verstanden, in welcher Art und Weise Klubobmann Cap sich hier geäußert hat zu einem Vorgang, der in Österreich schon längst Normalität sein sollte, nämlich dass niemand auf Grund seiner Herkunft ausgeschlossen ist, bei der Bundespräsidentenwahl zu kandidieren. Also für mich ist das, was wir heute beschließen, ein Schritt zur Normalität. Dass die SPÖ anscheinend noch immer solche Probleme damit hat, hat mich wirklich gewundert.

Aber der entscheidende Punkt für mich ist gar nicht dieser Punkt – da ist einfach ein Anachronismus beseitigt worden –, der entscheidende Punkt ist – und damit darf ich schließen –, dass das wichtige Instrument der Briefwahl durch die Novelle, die wir heute hier beschließen, gestärkt wird und für mich aus unserer Rechtsordnung nicht mehr wegzudenken ist. (Beifall bei der ÖVP.)

12.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


12.13.45

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! – Die Frau Bun­desminister wird auf Mittagspause sein. – Dass das Wahlrecht eine Konsensmaterie ist, ist mir äußerst wichtig, und da bin ich auch dankbar, dass die Regierungsparteien versuchen, mit allen Oppositionsparteien ernsthaft einen Konsens zu finden. Das Wahlrecht muss einen Anreiz bieten, dass wieder mehr Menschen wählen, dass die Menschen überzeugt sind, dass Wählen eine wichtige Sache ist, und wenn der Wähler die Wahlkarte nutzen will, dann haben wir das auch zu respektieren und zu unterstüt­zen. Der Wähler will die Briefwahl, aber die praktische Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Damit Sie sehen, wie das teilweise in Tirol gehandhabt wird, bringe ich Ihnen kurz ein Beispiel.


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Bei der Gemeinderatswahl in Lienz in Osttirol 2009 wurden über 600 Briefwahlkarten ausgestellt. Zum Teil sind ÖVP-Mandatare mit den Briefwahlkarten zu den Menschen nach Hause gegangen, haben gleich das „beste“ Service gemacht, indem sie sie gleich wieder mitgenommen haben. Und was jetzt kommt, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, und das hat der ehemalige – denn er ist über diese Gemeinderats­wahl spät, aber doch gestolpert – Bürgermeister zugegeben: Die Wahlkommission hat gewartet, bis der Dr. Lentner, Vertreter der SPÖ, in die Kirche gegangen ist, und in die­ser Zeit wurden alle Wahlkarten extra ausgezählt – das hat er dann auch zugegeben –, obwohl in der Gemeinderatswahlordnung eindeutig drinnen steht, dass die Wahlkarten zu allen anderen Wahlkarten in die Urne hinzukommen müssen, damit die Anonymität gegeben ist.

In Tirol geht es anders: Da geht der absolute ÖVP-Bürgermeister mit dem Gemeinde­sekretär her, zählt sie alleine aus und hat dann noch den Mut, eine Presseaussendung zu machen und das Ergebnis der Briefwahl bekannt zu geben. (Abg. Mag. Stadler: Wahnsinn!) Jetzt wäre das nicht weiter schlimm, wenn der Bürgermeister nebenbei nicht auch noch Rechtsanwalt in seinem zivilen Beruf wäre. Das haben viele Menschen nicht mehr verstanden.

Aber es geht noch weiter: Die Großmutter des Spitzenkandidaten der Liste DEIN Lienz BZÖ, Dipl.-Ing. Andreas Franz, wohnt im Altenheim in Lienz, und dort hat man uns be­stätigt, dass uns mindestens fünf Leute gewählt haben. Schaut man sich dann das Er­gebnis vom Alten- und Pflegeheim Lienz an, sieht man, da gibt es eine Partei, die muss ich jetzt hier nicht nennen, die 100 Prozent der Stimmen hat – und DEIN Lienz BZÖ hat keine einzige Stimme bekommen, obwohl es eidesstattliche Erklärungen ge­geben hat, wo Leute bekanntgegeben haben, dass sie eindeutig die Liste DEIN Lienz BZÖ gewählt haben.

Aber nichtsdestotrotz, jetzt war die Wahl vorbei und das Ergebnis wurde bekanntgege­ben: Die ÖVP hatte die absolute Mehrheit, der Bürgermeister wurde mit 14 Stimmen voran in seinem Amt bestätigt. (Abg. Linder: Das ist eine Schweinerei! Und die sind für die Briefwahl!)

Wir sind auch für die Briefwahl, aber wir müssen Mechanismen finden, die sicherstel­len, dass die Briefwahl richtig und nicht manipulativ eingesetzt wird, und wir müssen solche ÖVP-Zustände abstellen, und zwar ein für alle Mal! (Beifall beim BZÖ.) Wenn der Bürger per Briefwahl wählen will, dann soll er auch das Recht dazu haben.

Aber jetzt geht es weiter: Nachdem das Ergebnis feststeht, wird der Bürgermeister mit 14 Stimmen Vorsprung wieder zum Bürgermeister gewählt. Am nächsten Tag kommt Dr. Gerwald Lentner zu mir – das ist nicht irgendjemand, das ist der Landesgerichts­präsident –, gibt mir eine eidesstattliche Erklärung als Landesgerichtspräsident und sagt: Herr Huber, da müssen Sie jetzt was tun, es wurde massivst geschummelt!

Dann haben wir lang hin und her überlegt und haben dann eine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Das Ergebnis war, dass der Bürgermeister eine Pressekonferenz gemacht hat, wo er gesagt hat: Der Huber wird sofort geklagt. Das ist eine Sauerei! Ich war Staatsfeind Nummer eins. Es ist bei dieser Wahl alles zu 100 Prozent korrekt abgelaufen, hat er behauptet. Wer Lienz so schädigt, wie ich es getan habe, schädigt ganz Tirol und was weiß ich noch alles. (Abg. Rädler: Das wird ja stimmen!)

Jetzt hat es elf Monate gedauert. Nach elf Monaten ist der Verfassungsgerichtshof zum Entschluss gekommen, dass unsere Wahlanfechtung korrekt ist. Es wurde die Wahl des Bürgermeisters aufgehoben. Wir haben heuer, 2011, eine Bürgermeisterwahl ge­habt, und ich kann Ihnen sagen: Die ÖVP-Mandatare sind gelaufen wie noch nie, so etwas können Sie sich nicht vorstellen! Und wissen Sie, was das Resultat war?


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700 Stimmen hat die neue Frau Bürgermeisterin, die nicht mehr der ÖVP angehört, Vorsprung gehabt – 700 Stimmen Vorsprung! (Abg. Pendl: Wem gehört denn die Dame?)

Das sind alles Vorkommnisse, die uns dazu motivieren müssen, Kollege Linder, dass wir das Instrument der Briefwahl immer weiterentwickeln, aber es kann jedenfalls nicht sein, dass es in gewissen Gemeinden gewisse Bürgermeister so anwenden, wie sie es haben wollen, und einfach missbrauchen. (Abg. Mag. Stadler: Ist der Exbürgermeister nicht auch der Erfinder einer Kurzzeit-Staatssekretärin?) Genau, Herr Kollege, vielen Dank! Dieser Bürgermeister war auch der Erfinder der kurzzeitig dienenden, „sehr sprechfreudigen“ Staatssekretärin Verena Remler.

Aber der langen Rede kurzer Sinn: Solche Ereignisse müssen Konsequenzen haben! Es muss für Verstöße auch entsprechende Strafbestimmungen geben, denn es kann nicht sein, dass es, wenn der Verfassungsgerichtshof solche Missstände aufzeigt, ab­solut keine Konsequenzen hat. Der Wähler wird nämlich, wenn das alles keine Konse­quenzen hat, weiterhin nicht mehr zur Wahl gehen. Wir können ihn so nicht motivieren, und es ist vor allem unsere Aufgabe, dass wir den Wähler zur Wahl motivieren. (Beifall beim BZÖ.)

12.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser. – Bitte.

 


12.20.34

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist natürlich kein Zufall, dass die Briefwahl zu einer grundlegenden Debatte einlädt. Das ist ein Spannungsverhältnis zwischen örtlicher und zeitlicher Flexibilität auf der ei­nen Seite und der wichtigen Einhaltung der Grundprinzipien der geheimen und per­sönlichen Wahl auf der anderen Seite. Wenn wir all diese Geschichten, die heute hier erzählt werden, hören, dann bekommt man schon den Eindruck, dass es vor allem im Zusammenhang mit dem Lokalkolorit einen schlampigen Umgang mit dem Wahlrecht gibt.

Eines ist auch klar: Die Briefwahl darf nicht dazu führen, dass am Ende nach jeder Wahl ein Misstrauen über die „Wahrhaftigkeit“ – unter Anführungszeichen – des Wahl­ergebnisses entsteht, denn das wäre Gift für die Demokratie, wenn nach jeder Wahl ei­ne Endlosdebatte beginnt, wie das Wahlergebnis zustande gekommen ist.

Der Hintergrund ist auch relativ klar: Wahlfälschungen, Wahlmanipulationen werden of­fensichtlich, vor allem auf kommunaler Ebene, teilweise immer noch als Kavaliersdelikt gesehen. Das ist das Problem. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist sozusagen eine österreichische Interpretation von Demokratie, so nach dem Motto: Es macht eh ein jeder, also darf ich auch, denn am Ende kommt dann ohnedies wieder das faire und richtige Wahlergebnis raus, weil alle schwindeln. – Und das geht sicher nicht, das wird das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler nachhaltig beschä­digen.

Ich glaube, dieser Bürgermeister im Burgenland, der selbst Wahlkarten ausgefüllt hat, hat nicht einmal ein Unrechtsbewusstsein, der weiß gar nicht, was er tut, der glaubt, das ist legitim, dass er das macht. Es ist halt so, wie wenn man einmal zu schnell auf der Autobahn fährt. Aber das ist es nicht! Daher glaube ich, dass ein Entschließungs­antrag, der heute auch vom Plenum beschlossen werden wird, entscheidend ist, näm­lich die Frage: Werden Wahlmanipulationen und Wahlfälschungen vom österreichi­schen Strafrecht ausreichend sanktioniert?

Sie wissen, ich als Justizsprecher glaube nicht an die heilende Wirkung des Straf­rechts, aber eines ist klar: Jene Kommunalpolitiker, die sich manchmal Wahlmanipula­


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tionen und Wahlfälschung erlauben, werden sich nur dann, wenn sie wissen, dass so eine Vorgangsweise strafrechtlich hart sanktioniert ist, überlegen, ob sie so ein Ver­halten an den Tag legen. Und die politische Laufbahn ist schnell beendet, wenn ein Gericht entscheidet, dass so etwas strafrechtlich nicht akzeptabel ist. (Beifall bei den Grünen.)

Daher ist es in diesem Fall wirklich wichtig, sich anzuschauen: Reicht das bestehende Strafrecht im Zusammenhang mit Wahlmanipulationen aus? Ich weiß nicht, was mit diesem Lienzer Kommunalpolitiker passiert ist, das hat der Kollege Huber nicht er­wähnt, ob er ein Strafverfahren bekommen hat. Wenn alle diese Vorwürfe stimmen, dann frage ich mich schon: Warum nicht? Und da gibt es möglicherweise Nachbesse­rungsbedarf beim Strafrecht.

Ein zweiter Punkt zur Briefwahl, der noch erwähnt sein soll, auch wenn es einen klei­nen Aspekt betrifft: Die Auslandsösterreicher haben Angst gehabt, dass durch die Ver­kürzung der Nachfrist der Zeitraum für das Wählen insgesamt verkürzt ist, weil man die Streichung der Nachfrist im Fristenlauf nicht ganz kompensiert hat. Auch da gibt es ei­nen Entschließungsantrag, der klar dokumentiert, dass diese verlorene Zeit durch ein besseres Wahlmanagement eingebracht werden muss.

Frau Innenministerin, ich möchte aber als Justizsprecher der Grünen mit Ihnen noch über einen anderen wesentlichen Teil reden, und das ist die Frage des Wahlrechts für Strafgefangene. Sie betreiben – verzeihen Sie mir das! – ein bisschen einen Etiketten­schwindel, wenn Sie hier recht scharf auftreten und sagen: Wer eine Straftat begangen hat, der hat sein Bürgerrecht, das Wahlrecht, verwirkt.

Schauen wir uns einmal die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte an. Ich nehme an, als Ministerin dieser Republik fühlen Sie sich diesen Men­schenrechten, der EMRK auch verpflichtet. Die Vorgaben sind relativ klar: Das Wahl­recht darf nicht durch Gesetz generell gestrichen werden. Zweitens: Es muss durch Richterbeschluss erfolgen, und drittens: Es darf nur dann erfolgen, wenn die Straftat, die begangen wurde, in einem Zusammenhang mit Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaat steht.

Jetzt machen Sie ein Gesetz, wo Sie offensichtlich den Eindruck erwecken wollen, auch dann, wenn jemand eine schwere Straftat begeht, kann ihm das Wahlrecht entzo­gen werden, indem Sie unklar formulieren. Sie sagen: Das Wahlrecht darf entzogen werden, wenn das unter Zugrundelegung der Umstände des Einzelfalles geboten ist. Ich gehe davon aus, dass die europäischen Gerichte diese Leerformel – ich muss das schon so formulieren –, die verschweigt, dass das nur in einem eingeschränkten Seg­ment möglich ist, nämlich bei Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaat, im Lichte der EGMR-Judikatur interpretieren werden und dass selbstverständlich immer nur dann das Wahlrecht zukünftig entzogen werden wird, wenn bestimmte politische Delik­te vorliegen.

Es stimmt also nicht, wenn Sie sich da herstellen und relativ scharf behaupten, wenn jemand eine schwere Straftat begangen hat, dann wird er in Zukunft nicht wählen dürfen. Sie versuchen das im Gesetz nur zu verbergen, weil Sie offensichtlich zu wenig Mut haben, die Rahmenbedingungen der Europäischen Menschenrechtskonvention hier zu vertreten. Wir haben den Mut. Man muss sich überhaupt die Frage der Sinnhaf­tigkeit von Nebenstrafen stellen, denn seien wir ehrlich: Kein Straftäter wird sich eine Straftat überlegen, weil Sie ihm das Wahlrecht streichen! Das ist ein Nebenschauplatz, der eigentlich nicht mehr zeitgemäß ist, der nachwirkt aus der historischen Überlegung, dass man sagt, Bürgerrechte können auch verwirkt werden.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, und da nehme ich jetzt ein Beispiel, wo die Grünen unver­dächtig sind, das Verbotsgesetz: Mir ist es, wenn jemand nach dem Verbotsgesetz im


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Gefängnis sitzt, lieber, er geht wählen und setzt sich möglicherweise mit dem demo­kratischen System in Österreich auseinander. Eine nationalsozialistische Partei kann er nicht wählen, denn die kann nicht kandidieren. Das ist eigentlich der erste Integrations­schritt, wenn sich Leute, die politische Delikte begehen, überlegen, ob sie nicht wählen gehen.

Ich glaube, dass Nebenstrafen grundsätzlich debattiert gehören und dass der Entzug des Wahlrechts eine sehr ungeeignete Nebenstrafe ist und keine einzige Straftat ver­hindern wird. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt: passives Wahlrecht von Angehörigen der Familie Habsburg bei der Wahl des Bundespräsidenten. Die historische Bedeutung der Gesetze ist unbestritten. Es hat ja in Ungarn Restaurationsversuche der Monarchie gegeben. Es hat der führen­de Teil der Familie Habsburg nie auf den Herrschaftsanspruch verzichtet. Es war auch so, dass Kaiser Karl in Vorarlberg seinen Verzicht auf die Regierungsgeschäfte wider­rufen hat. Tatsache ist aber auch, heute, 90 Jahre später, ist die Republik gefestigt, niemand fürchtet sich vor einem Restaurationsversuch der Habsburger. Ich gehe sogar so weit zu sagen, niemand fürchtet sich vor einer Kandidatur der Habsburger zum Bun­despräsidenten oder zur Bundespräsidentin.

Klar ist aber auch, diese Gesetzesänderung ist keine politische Rehabilitierung. Und, Kollege Stadler, wenn Sie sagen, der Kaiser war mehr oder weniger ein Opfer der Kriegstreiber, dann muss man schon sagen, die Kriegserklärung hat er höchstpersön­lich unterschrieben, er war zurechnungsfähig, und damit hat er auch die Verantwortung für den Krieg zu tragen. Das ist unbestritten. (Abg. Mag. Stadler: Ein Kriegstreiber war er aber nicht!)

In diesem Sinne ist auch klar, dass es keine politische Rehabilitierung gibt und dass es auch keine Infragestellung der vermögensrechtlichen Bestimmungen der Habsburger­gesetze gibt. Das ist unbestritten, das will hier niemand, und das sollte man auch in dieser Deutlichkeit sagen, damit man nicht falsche Hoffnungen weckt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber der Schritt, die Mitglieder des Hauses Habsburg wählen zu lassen, ist richtig, zu­mal es ja – und das ist uns auch ganz wichtig – keine Verantwortlichkeit der Nachkom­men dafür gibt, was ein Kaiser vor 90 oder 100 Jahren gemacht hat.

In diesem Sinne werden wir in dritter Lesung der Novelle zustimmen, weil sie jedenfalls im Bereich des Briefwahlrechts mehr Sicherheit bringt und auch bei den Strafgefan­genen einen richtigen Schritt setzt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


12.28.58

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Innenministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Werte Gäste auf der Galerie! Zum heutigen Wahlrechtsänderungsgesetz, dazu, wie sich diese parla­mentarische Initiative entwickelt hat, kann man nur sagen, dass es ein Prozess war, den man politisch positiv hervorheben kann: Es gab die Möglichkeit, zum Entwurf schriftliche Stellungnahmen abzugeben. Es gab ein Expertenhearing mit höchstran­gigen Experten. Und es gab einen zweiten Ausschuss, wo wir auch noch Abänderun­gen eingebracht haben. Es wurden alle Anregungen, egal, ob seitens der Experten oder seitens der Fraktionen, in der jetzigen Fassung berücksichtigt.

Ich möchte jetzt noch einmal ganz kurz auf das Thema Wahlkarte eingehen und dann noch einige Punkte herausgreifen.


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Ja, die Wahlbeteiligung mittels Wahlkarten ist in Österreich nicht so hoch, aber nichts­destotrotz ist dies eine zusätzliche Maßnahme, um allen Menschen die Möglichkeit bie­ten zu können, an der Wahl teilzunehmen. Wichtig ist, dass es zu einer erhöhten Si­cherheit kommt bei Wahlkartenanträgen und dann letztendlich auch bei der Wahl selbst. Darum ist es ein wichtiger Aspekt, dass der Artikel 26 Abs. 6 der Bundesverfas­sung vorsieht, dass man jetzt seine Identität einmal nachweisen muss – egal, ob ich die Wahlkarte beantrage oder wenn die Wahlkarte letztendlich ausgefolgt wird.

Bei Personen – und das war immer ein großer Kritikpunkt –, die sich in Anstaltspflege befinden, soll eine Ersatzzustellung nicht mehr möglich sein – das halte ich auch für ei­nen durchwegs guten, positiven Zugang –, aber für andere Personen, die sich nicht in Anstaltspflege befinden, soll es dieses Mittel natürlich geben.

Es wurde konkretisiert und in diesem Gesetz beim Begriff „persönlich“ noch einmal in schriftlich und mündlich unterteilt, sodass diese Anträge auch so gestellt werden kön­nen. Und es ist dann noch zusätzlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes eingeflossen, in der ganz eindeutig klargestellt wird, dass eine telefonische Beantra­gung nicht möglich ist.

Dass wir auch da mit der Zeit gehen müssen, zeigt auch, dass die Antragstellung auch schon bisher elektronisch möglich war, allerdings nur mit einer qualifizierten Unter­schrift. Und wir wissen, da wir die Präsentation der Bürgerkarte auch hier im Hohen Haus hatten, dass es mit dieser möglich ist, eine Wahlkarte zu beantragen. In Zukunft soll es bei einer Wahlkartenbeantragung auch möglich sein, dass die Wahlbehörde die Möglichkeit hat, Reisepassnummern und Lichtbildausweisnummern zu kontrollieren. Das, denke ich, ist ein weiterer guter Aspekt zur Erhöhung der Sicherheit.

Personen, die Wahlkarten sozusagen abonniert haben, kommen aus zwei verschiede­nen Personenkreisen: das sind einerseits oft Personen mit besonderen Bedürfnissen, andererseits aber auch die AuslandsösterreicherInnen. – Da gab es eine Diskussion dahin gehend, ob man die Wahlkarte jetzt nur eingeschrieben schicken soll oder nicht. Ich bin sehr froh, dass sie nicht eingeschrieben übermittelt wird, weil es dadurch auch zu erhöhten Kosten gekommen wäre und weil es dann auch durchaus komplizierter in der Abwicklung wäre.

Durch diese präzise Regelung betreffend die Botengänge wurde jetzt auch eines vollkommen klargestellt: dass zwar eine Überbringung durch einen Boten möglich sein soll, aber dieser soll die Karte nicht gleich – um die Wählerin oder den Wähler nicht unter Druck setzen zu können oder zu beeinflussen, damit dieser seine Stimme abgibt, um dem Boten, sage ich jetzt einmal, zu gefallen – zurücknehmen können. Und somit wird es schlichtweg unmöglich gemacht, dass es da zu einer Beeinflussung kommt.

Dazugekommen ist Folgendes: Wenn ich eine Wahlkarte beantrage, diese beim Post Partner oder bei der Post hinterlegt wird und ich nicht die Möglichkeit habe, sie vor dem Wahltag dort abzuholen, dann soll es noch eine sogenannte zweite Chance ge­ben, mit der die Wahlbehörden am Tag vor der Wahl vor dem Schließen dieser Post Partner-Stelle die Wahlkarten noch zur Wahlbehörde bringen können, damit der Wäh­ler oder die Wählerin noch die Möglichkeit hat, am Wahltag im Wahllokal von seinem beziehungsweise ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen.

Der Kollege vor mir ist auch noch einmal darauf eingegangen, dass es betreffend die Auslandsösterreicher ein positiver Aspekt ist, dass da die Frist nicht verkürzt wurde, sondern dass es durch das zeitigere Rollout der Wahlkarten beim Versenden zu einer absoluten Gleichstellung gekommen ist, denn da hätte die Möglichkeit bestanden, dass es zu einer Ungleichbehandlung zwischen Auslandsösterreichern und Österreichern, die hier in Österreich wählen, gekommen wäre.

Dass die Wahlkarten, die bis 17 Uhr im Wahllokal einlangen, natürlich beim Wahler­gebnis dann auch mitgezählt werden, das Wahlergebnis somit eine Woche vorher be­


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kanntgegeben werden kann und somit auch dieses taktische Wählen schlichtweg von vornherein ausgeschlossen ist, das sind, wie ich denke, eine Reihe von Maßnahmen – und das war nur ein kleiner Aspekt des gesamten Gesetzes, den ich versucht habe, hier noch einmal darzulegen –, um das Wählen sicherer zu machen und den Men­schen ihr demokratisches Recht zu ermöglichen.

Und ich möchte schließen mit den Worten, die auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer gesagt hat: „Ein gelungener Kompromiss zwischen Sicherheit und Praktikabili­tät“. – Daher werden wir diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


12.34.43

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir behandeln heute eine Materie, die unterschied­liche Reaktionen und Redebeiträge gebracht hat, die interessant zu hören waren – ich war von Anbeginn hier.

Natürlich hat Herr Kollege Huber mit seiner regionalen Verbundenheit wieder einen Heimatroman erzählt, aber er hat sonst zur Sache nichts gesagt, also – wohlgemerkt! – wahrscheinlich hat er sich mit der Materie nicht auseinandergesetzt.

Ob sich Herr Klubobmann Cap noch einmal zum Thema Habsburg äußern würde, weiß ich nicht, denn dazu eine kleine, bemerkenswerte Begebenheit. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Ich verstehe nicht, warum Herr Dr. Wittmann hier hergeht und Herrn Dr. Cap heute plötzlich – im Protokoll nachzulesen – mit „Genossen Cap“ anredet. Ich habe mir gedacht, das ist schon lange nicht mehr ... (Abg. Dr. Wittmann: Bewusst!) – Bewusst? Okay, na gut. (Abg. Dr. Wittmann: Bewusst! Ich habe es ganz bewusst gesagt!)

Zum Zweiten: Herr Dr. Wittmann! Bei aller Wertschätzung – ich kenne deine Qualitäten als Vorsitzender des Verfassungsausschusses, das machst du sehr korrekt –, aber dass du heute hier hergehst und der Frau Minister quasi das Wort verbietest, das ist nicht korrekt. (Abg. Dr. Wittmann: Na, Oberlehrer brauchen wir hier keine! – Beifall bei der ÖVP.) Nein, Herr Kollege Wittmann, das freie Wort gilt für jeden Parlamentarier und gilt auch für die Frau Minister. (Abg. Dr. Wittmann: Keine Oberlehrer!) – Pass auf!

Ich lese heute Früh in der „Kleinen Zeitung“, dass Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen natürlich sofort per Handy Herrn Ulrich Habsburg darüber Bericht er­stattet hat, dass das jetzt gelöst ist. – So weit so gut. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Ich lese in weiterer Folge, dass Herr Ulrich Habsburg heute hier anreist, weil er diese Debatte mitverfolgt – auch gut. Ich lese weiters:

„Im Juli darf er dann sogar in die Hofburg. Bundespräsident Heinz Fischer habe ihm zugesichert, dass er bei der Unterzeichnung der Wahlrechtsänderung zugegen sein dürfe.“

Wer noch in dieser Republik? (Abg. Rädler: Cap nicht!) – Herr Dr. Cap, werden Sie da­bei sein? (Abg. Rädler: Nein!) Werden Sie dem Herrn Bundespräsidenten empfehlen, es nicht zu tun?

Das ist schon eine sonderbare Begebenheit, auf die ich hinweisen möchte. Ich habe mir gedacht, irgendwo ist da doch eine gewisse Überbegeisterung vorhanden. – Gut, soll sein. Bemerkenswert!

Das Gesetz als solches, denke ich, ist eine klare Weiterentwicklung. Wir haben im Jahr 2007 die ersten Grundsatzentscheidungen hier getroffen. Es war natürlich ur­sprünglich für Auslandsösterreicher gedacht, aber dann hat man gemerkt, dass die Mo­


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bilität der Bevölkerung und auch gewisse Lebensumstände der Menschen eine weitere Anwendungsmaßnahme notwendig machen. Das ist klar gefolgt.

Herr Kollege Molterer hat heute hier ein paar bemerkenswerte Ausführungen gemacht. Er sagte unter anderem, mit der Briefwahl sollen wir den Zugang zur Wahl so vielen Bürgern wie nur möglich ermöglichen. Aber er sagte auch, wir werden nicht unbedingt die Wahlbeteiligung atemberaubend steigern, denn wenn die Wahlbeteiligung als sol­ches unterkühlt ist, dann gibt es dafür mehrere Ursachen. – Eine Ursache kann das mangelnde politische Interesse sein. Ich glaube, die politische Bildung in den Schulen könnte etwas nachgebessert werden. Das würde der Gesellschaft, dem Staat, uns al­len nicht schaden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, wir sind hier nicht zusammengekommen, um uns gegenseitig Komplimente zu machen, aber manche Hetzkampagnen schaden dem Ansehen der Politik wirklich. (Ruf: Wer macht die?) Das sind keine nutzbringenden Beiträge. Und ich denke auch, dass wir im Umgang miteinander schon oft dem Erscheinungsbild des Parlaments schaden. Und wir dürfen uns nicht erwarten, dass der Bürger dann kommt und sagt: Bitte, ich habe Ehrfurcht, meinen Respekt!, und vieles mehr. Da sind auch wir aufge­fordert und eingeladen, unsere Beiträge dafür zu leisten, dass das Ansehen der Politik insgesamt wieder gehoben wird. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Ich möchte zu all dem, was gesagt wurde, nicht mehr viel anmerken, sondern sage nur mehr so viel zu den Strafbestimmungen – wie immer Sie die Dinge lesen, es steht da drinnen –: Das Bundesministerium für Justiz wird untersuchen, ob die Strafbestimmun­gen im Wahlrecht ausreichen, und dem Nationalrat darüber Bericht geben.

Dann werden wir natürlich darüber beraten. Grundsätzlich entspricht diese Intention der Europäischen Menschenrechtskonvention, und künftig entscheidet im Einzelfall ein Gericht.

Abschließend eine Frage an die FPÖ: Die FPÖ will die Briefwahl mit einem Antrag der Kärntner Landesregierung – sonderbar! – vor den Verfassungsgerichtshof bringen – soll so sein! –, denn die Briefwahl verstoße gegen das persönliche und geheime Wahl­recht, betonte der Autor des Parteiprogramms Norbert Hofer.

Frage: Machen Sie diese Eingabe nur für den Territorialraum Kärnten oder ist das eine Gesamtanfechtung? (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Haben Sie das noch immer nicht begriffen? Ich sage es Ihnen auch noch einmal, sehr gerne!) Haben Sie diese Briefwahlmöglichkeit in der Landtagswahlordnung und Gemeinderatswahlordnung drin­nen oder nicht drinnen? Wie gehen Sie bei anderen Maßnahmen damit um? – Kollege Lopatka hat es schon gesagt: Jetzt haben Sie eine Ortstafelabstimmung. Ich weiß schon, das ist nicht vergleichbar – das weiß ich schon! –, aber da lassen Sie sich auch per Brief mitteilen, wie die Bürger denken. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Aber warum bringen Sie das dann, wenn Sie eh wissen, dass das nicht vergleichbar ist? Warum bringen Sie das dann?)

Also bitte, Sie müssen sich einmal selbst kritisch hinterfragen, was Sie wollen. Dann werden Sie ernst genommen, und dann kann man vielleicht über Ihre Vorschläge wie­der diskutieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


12.40.33

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Danke, Herr Präsident! – Ich halte die Debatte um Wahlrechtsveränderungen für eine, die man grundsätzlich führen muss, vor allem deshalb, weil sich einfach die Lebensgegebenheiten der Menschen geändert


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haben. Alle neuen Dinge, die kommen, verlangen aber auch eine entsprechende Sen­sibilität, mit der man damit umgehen sollte.

Ich erinnere nur an das Problem E-Voting bei den ÖH-Wahlen, wo dann aufgetaucht ist, dass es diverse Formen von Wahlverletzung gegeben hat, weswegen dort auch die Wahlrechtsreform aufgehoben worden ist. Das ist die gleiche Situation, wie sie bei der Briefwahl vor uns steht. Logischerweise ist es so, dass sich Menschen nicht mehr in der Form binden lassen wie früher, dass man weiß: An dem Sonntag hat man wählen zu gehen. – Wir haben sinkende Wahlbeteiligungen, und wer das ernst nimmt, wird sich auch mit Formen der Wahl auseinandersetzen müssen, die die Möglichkeit zu wählen bieten, ohne am Wahlsonntag selbst hinzugehen.

Das ist aber mit etwas verbunden, womit sich vor allem die ÖVP angesprochen fühlen sollte, nämlich mit dem Vertrauen, dass diese Bestimmungen auch so eingehalten wer­den, dass die Verhinderung von Missbrauch sichergestellt ist, und genau das war die Problemlage, als das jetzt eingeführt worden ist: das Nachwählen, die Wahlkartenaus­gabe, das heißt, wie die Wahlkarten verteilt worden sind. Mich hat es immer vollkom­men irritiert, dass eine Wahlkarte per Post zugestellt wird, ohne dass das irgendwer quittieren muss. Man muss sich vorstellen, wie das Ding ankommt: Das kann man aus dem Postkasten herausnehmen, hat die Wahlkarte und kann sie irgendwo hingeben – wie die Unterschriften kontrolliert werden, ist ein eigenes Thema. Da sind wir einen Schritt weiter.

Ich würde behaupten, der Druck war dann so groß, dass das nicht mehr ganz von der Hand gewiesen werden konnte, und das ist der Grund, warum es diese Reformen gibt, denn diesen Widerspruch gibt es ja auch in anderen Bereichen. – Also: Briefwahl, Wahlbeteiligung, Mobilität, Möglichkeit eröffnen, dabei zu sein.

Im Übrigen kann sich daraus eine Schwierigkeit entwickeln: In Amerika gibt es das System des sogenannten Early Voting schon lange; da gibt es mittlerweile Bundes­staaten, die wählen zu 40 Prozent über Early Voting. Das wird dort als großes Problem gesehen, weil einfach Teile der Bevölkerung zu einem Zeitpunkt wählen, wo wesent­liche Teile der Wahlauseinandersetzung noch nicht stattgefunden haben. Also wenn man drei Wochen vor dem Wahltermin wählt und den Rest nicht mitbekommt, ist die Frage, ob da noch die gleichen Gegebenheiten vorhanden sind, durchaus berechtigt zu stellen. Da muss man sich anschauen, wann man den Wahltermin macht. Aber es gilt sozusagen immer abzuwägen, wo auch die Voraussetzungen gegeben sind.

Ein ähnliches Thema stellt sich auch bei der Frage der Menschen mit Zweitwohnsitz. Jetzt ist Herr Kollege Rädler auch wieder da – er hat vorhin hineingerufen, ich glaube, beim Kollegen Windholz, dass der nichtamtliche Stimmzettel das Persönlichkeitswahl­recht unterstütze. – Einen solchen Holler habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört! Da liegen diese komischen Zettel, wahrscheinlich bei Ihnen in der Gemeinde auch, und wissen Sie, was da passiert? Übrigens, ich bin aus Trumau. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Ich muss Otto Pendl verteidigen – weil es solche Zwischenrufe auch gegeben hat –: In Trumau ist mir das noch nie aufgefallen. Aus anderen Gemeinden wissen wir, dass man in die Wahlzelle hineingeht, und dort liegen Stimmzettel, nicht­amtliche Stimmzettel in den Wahlzellen. Die werden dann alle paar Stunden von ir­gendjemandem ausgeräumt. (Abg. Rädler: Was für Gemeinden?) – Na, welche Ge­meinden? Dann lesen Sie einmal im „profil“ nach, wo sie drinnen waren. (Abg. Rädler: Namen! Namen!) Es waren ÖVP-Gemeinden.

Gemeinden wollen Sie wissen? – Gut. Reden wir von Aspang Markt, kennen Sie die Gemeinde? (Abg. Rädler: Ja, die kenne ich!) – Aspang Markt kennen Sie. Den ÖVP-Bürgermeister kennen Sie auch. (Zwischenruf des Abg. Mayerhofer.) Wissen Sie, wie viele Leute der Herr ÖVP-Bürgermeister aus Aspang Markt Auerböck bei der letzten Wahl in Niederösterreich in seinem Haus gemeldet hatte? – Sie wohnen zu dritt, aber


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gemeldet waren elf. Von den elf haben acht mit Wahlkarte gewählt, also mittels Brief­wahl gewählt, und nachher hat er zugegeben, dass sie nicht bei ihm wohnen, dass er sie angemeldet hat, damit er – logischerweise – Stimmzettel neu verteilen kann, damit dort die Geschichte weitergeht.

Sie kennen wahrscheinlich auch Wullersdorf in Niederösterreich. Wissen Sie, wie viele Wahlkarten in Wullersdorf beim letzten Mal ausgeteilt worden sind? – 346 Wahlkarten. (Zwischenruf des Abg. Mayerhofer.) Nachher hat man versucht festzustellen, wie das mit der Unterschrift bei diesen Wahlkarten gewesen ist. Und was war? – Als man hin­gekommen ist, hat der Herr Bürgermeister – ÖVP, Ihre Partei – die Unterlagen wegge­sperrt, nicht hergezeigt, damit man nicht kontrollieren konnte, ob die Unterschriften von unterschiedlichen Personen ausgefüllt worden sind oder ob die Bestimmungen einge­halten worden sind. (Abg. Podgorschek: Ja, so sind sie!)

Sie brauchen mir nicht so zu kommen, Kollege Rädler! Wissen Sie, was bei der nieder­österreichischen Landtagswahl möglich war? (Zwischenruf des Abg. Ing. Höbart.) Re­den wir einmal über das Thema Wählerverzeichnis und reden wir einmal über das nicht zentrale Wählerverzeichnis in Niederösterreich! Wissen Sie, wie viele Leute in Nieder­österreich bei der Landtagswahl doppelt wahlberechtigt waren? (Abg. Rädler: Ja?) Doppelt, das heißt, sie durften bei einer Landtagswahl zweimal wählen: Das waren über 20 000! (Abg. Rädler: Das erklären Sie mir!) Über 20 000, das ist erwiesen! Das war nachgewiesen, im Vergleich der Wählerevidenz. (Abg. Kößl: Das ist ein Schwach­sinn sondergleichen!) – Was heißt Schwachsinn sondergleichen? Mehr als 20 000 Men­schen waren in Niederösterreich doppelt wahlberechtigt! Es gibt kein zentrales Wähler­verzeichnis. (Abg. Kößl: 20 000 zweimal wählen? Das ist ja ein Wahnsinn! Vielleicht bei den Gemeinderatswahlen! Das ist ja ein Blödsinn!)

Ich sage Ihnen noch etwas: Kennen Sie Thomas Huber? – Den kennen Sie. Der, unser niederösterreichischer Landesgeschäftsführer, wäre doppelt wahlberechtigt gewesen, weil er in Baden einen Wohnsitz hat, nachweislich, weil er dort nämlich verheiratet ist, und in Amstetten auch einen Wohnsitz hat. Hat man zwei Wohnsitze, dann gibt es die Möglichkeit, in Niederösterreich bei der Landtagswahl auch doppelt wahlberechtigt zu sein. (Abg. Rädler: So ein Blödsinn!)

Wissen Sie, wie viele Leute dreifach wahlberechtigt waren, weil sie drei Wohnsitze ha­ben? – Mehr als 100 Personen waren bei der Landtagswahl in Niederösterreich drei­mal wahlberechtigt! Die haben drei verschiedene Wahlzettel bei einer Wahl abgege­ben. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Und da können Sie herumfuchteln, was Sie wol­len, Sie missbrauchen seit Jahren und Jahrzehnten das Wahlrecht in Niederösterreich, um eine Form von Wählerbetrug aufzumachen. (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Abg. Kößl: Nicht klatschen! Das ist ja ein Wahnsinn!)

Und wenn Sie dann noch hereinwacheln: Was hat denn Kollegin Marek nach der Land­tagswahl in Wien in Zeitungen inseriert? – Aufgerufen zum Wahlbetrug, indem Inserate nach der Wahl erschienen sind, dass man gefälligst die Briefwahl nachher noch ver­wenden soll. Das ist die Situation der ÖVP in Niederösterreich. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Rädler.)

Also, wir haben genug zu tun! Und Ihren nichtamtlichen Stimmzettel, den würden Sie sich bitte einmal in die Haare schmieren, um hier Wahlmissbrauch und Wahlbetrug zu verhindern. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

12.46


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

 


12.46.40

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ho­hes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung des Briefwahlgeset­


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zes war notwendig und ist sicher ein richtiger Schritt, allerdings sollte für uns das Wahl­geheimnis oberste Priorität haben, und alles, was dazu führt, sollte unterstützt werden. Es ist mir aber selbstverständlich klar, dass wir immer nur aus Erlebtem in der Lage sind, etwas vorwärts zu bewegen, und das ist auch heute der Fall.

Wir sollten aber auch darüber hinaus nachdenken, und, Herr Kollege Donabauer, Wahlmanipulation schadet der Politik generell. Wahlmanipulation gibt es nicht nur bei Briefwahlwählern, sondern auch bei ganz normalen Abstimmungen in Gemeinden, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, vom Bleistift im Hemd, bei der Auszäh­lung der Stimmen bis letztendlich zum Aufschnüren von geschlossenen Wahlpaketen nach der Wahl, weil eine Stimme zum Bürgermeister gefehlt hat. So etwas gibt es auch! Hier gibt es Gott sei Dank dann auch rechtliche Konsequenzen.

Letztendlich aber ist es unsere Aufgabe, überhaupt die Idee daran, sich in Versuchung führen zu lassen, im Keim zu ersticken. Wir sollten diesbezüglich gemeinsam darüber nachdenken, wie wir das zuwege bringen, weil quer durch alle Parteien jeder von uns – davon gehe ich einmal aus – schon einmal in einem Wahllokal gesessen ist, schon ein­mal in einer Wahlbehörde gewesen ist und schon einmal die Stimmen hat zählen dür­fen, als sie dann aus den Kuverts kamen. Wenn der Stapel der eigenen Partei dabei ganz klein geblieben ist, war das unangenehm, sodass ganz schwache Charaktere dann vielleicht denken, da könnte man etwas korrigieren – das ist auch menschlich. Aber weil wir das wissen, auch wenn das der verschwindendste, der kleinste Teil ist, die dann solchen Versuchungen erliegen, sollten wir dafür sorgen, dass auch dem klei­nen Teil der Gedanke daran gar nicht mehr kommt. Dann brauchen wir uns nicht mehr gegenseitig Manipulation vorzuwerfen, dann tragen wir gemeinsam dazu bei, dass das abgestellt wird.

Dieser Weg heute ist der richtige Schritt, um die Wahl per Brief zu erleichtern. Ich halte es für besonders gut, dass der Wahlschluss auch der Wahlschluss für Briefwahlwähler ist, sodass wir wesentlich früher ein Ergebnis bekommen. Und ich glaube, nach den ersten Wahlen, die damit stattgefunden haben, kann man weiterdenken und eine Wei­terentwicklung ins Auge fassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.

 


12.49.05

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon sehr ausführlich über die Inhalte der vorliegenden Wahl­rechtsänderungsgesetze gesprochen. Ich darf noch einen Punkt herausgreifen, der mir besonders wichtig ist, ich persönlich halte nämlich die Briefwahl für eine Errungen­schaft.

Für mich ist das eine Erfolgsgeschichte nicht nur für Österreich, sondern (Abg. May­erhofer: Eine Erfolgsgeschichte für die schwarzen Bürgermeister!) für ganz Europa, und für mich ist es ein Zeichen einer modernen und bürgerfreundlichen Demokratie. Ein Beweis dafür ist die hohe Inanspruchnahme durch die Wählerinnen und Wähler hier in Österreich. Aber ich sage auch ganz klar, dass wir Maßnahmen brauchen, die ein taktisches Wählen verhindern, dass wir Maßnahmen brauchen, die die Briefwahl missbrauchssicher machen. Darüber – und das wurde heute schon zum Ausdruck ge­bracht – sind sich alle Parteien einig.

Ich verstehe es daher überhaupt nicht, dass sich die Freiheitliche Partei generell gegen die Briefwahl stellt, denn es ist doch unsere Aufgabe, es allen Bürgerinnen und Bür­gern zu ermöglichen, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Für mich ist das eine Hal­


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tung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, die einen Rückschritt bedeutet, ei­nen Rückschritt zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Bürgermeister möchte ich aus der Sicht der Ge­meinden einige Bestimmungen herausgreifen. Bevor ich das tue, möchte ich auf die aktuelle Diskussion der Opposition über die Rolle der Bürgermeister als Wahlleiter ein­gehen. (Abg. Mayerhofer: Das ist hinterfragenswert, Herr Kollege! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Das Bild, das hier gezeichnet wird, weise ich deshalb zurück, weil es einfach nicht den Realitäten entspricht (Heiterkeit bei der FPÖ – Beifall bei der ÖVP), hier ein Bild zu zeichnen, das alle Bürgermeister zu Gesetzesbrechern stempelt. Ich weise das auf das Entschiedenste zurück! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Nun zu einigen sachlichen Punkten: Ich begrüße es sehr, dass mit der Verpflichtung zur Auflegung der Wählerverzeichnisse neben dem Sonntag jetzt auch der Feiertag ge­strichen wurde. (Abg. Ing. Höbart: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht!) Das ist ein Punkt, der von vielen Gemeinden seit Langem gefordert wurde, und zwar deshalb, weil an diesen Tagen kaum eine Bürgerin oder ein Bürger von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Eintragung im Wählerverzeichnis zu überprüfen. Gleiches gilt für mich auch für die Samstage; aber leider war es einfach nicht möglich, hier auch die Samstage he­rauszunehmen.

Ein Zweites: Mit diesem Wahlrechtsänderungsgesetz wird auch das Volksbegehrens­gesetz geändert. Viele, wirklich viele Gemeinden beklagen, dass die Eintragungsmög­lichkeit an Wochenenden kaum genutzt wird. Leider – und da wende ich mich beson­ders an die Grünen – war es hier nicht möglich, sinnvollere Öffnungszeiten festzule­gen. Auch hier könnte man aus meiner Sicht Kosten sparen, ohne – und das sage ich als Bürgermeister –, wie die Praxis zeigt, die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bür­ger einzuschränken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die künftige konkrete Abwicklung der Briefwahl be­deutet einen nicht unwesentlichen Mehraufwand, sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Hinsicht. Ich denke da besonders an die Druckkosten, ich denke auch an die Zustellung. Ich denke weiters an die Rückholung der nicht abgeholten Wahlkarten bei den Postämtern beziehungsweise Postpartnern. Und ich denke auch an die Identi­tätsüberprüfung (Ruf bei der FPÖ: Das Licht leuchtet!) – um nur einige Punkte zu nen­nen.

Ich begrüße es daher sehr, dass der Wahlkostenersatz des Bundes an die Gemeinden um 10 Prozent erhöht wird. Ich hoffe, dass damit die zusätzlichen Kosten auch abge­deckt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Ankündigung der Bundes­ministerin, dass zusätzliche Schulungen des Innenministeriums abgehalten werden, weil diese Änderungen doch sehr wesentlich sind und hier aus meiner Sicht wirklich – das wurde schon mehrmals angesprochen – weitere Schulungen notwendig sind.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die Wahlrechtsänderungen einen wichti­gen Schritt in die Richtung bedeuten, die Briefwahl missbrauchssicher zu machen. Da­her begrüße ich diese Änderungen. Ich freue mich ganz besonders darüber, dass die­se Änderungen einen so breiten politischen Konsens gefunden haben. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP.)

12.54


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege Höbart, auch Zwischenrufe, die den Lügen-Vorwurf beinhalten, haben nichts mit einem respektvollen Umgang miteinander zu tun. Ich bitte, darüber nachzudenken. (Beifall bei der ÖVP.)


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Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Ein Blick in den Spiegel wäre manchmal nicht schlecht!)

 


12.55.03

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Innenministerin! Meine Damen und Herren! Vorerst einmal zur Briefwahl; es gibt einige Fakten: Die Briefwahl ist international etabliert, die Wahlbeteiligung steigt durch die Briefwahl, und selbstverständlich ist diese Einrichtung verfassungskonform. Daher verstehe ich nicht ganz, warum sich die FPÖ hier so sehr weigert.

Dass man dieses Institut verbessern kann und muss, ist klar. Die Anlassfälle sind be­kannt, sie sind vorhin von Kollegen Brosz von den Grünen sehr treffend beschrieben worden. Es geht nicht ums Abschaffen, sondern ums Verbessern! Es muss Missbrauch unmöglich gemacht werden – nach menschlichem Ermessen – und taktisches Wählen unmöglich sein. Das heißt, der Umgang mit der Wahlkarte, was das Einlangen, den Wahltag und so weiter betrifft, ist das Kriterium.

Kriminelle Energie wird es da und dort immer wieder geben, das kann man nicht ganz ausschließen. Es geht nicht um ein Kavaliersdelikt – das festzustellen ist mir auch wichtig –, sondern um organisierte Kriminalität, denn beim Wahlrecht reden wir vom sensibelsten Bereich der Demokratie.

Mir gefällt besonders gut die vorgezogene Stimmabgabe, der sogenannte Vorwahltag; dies wurde in der Steiermark sehr erfolgreich praktiziert. Hier hat man neun Tage vor dem Wahltag ganz normale Wahlbehörden eingerichtet, Wahllokale geöffnet, und dies ist natürlich verfassungsrechtlich lupenrein. Ich glaube, diese Methode ist einfach die noch bessere Alternative.

Mir tut es ein bisschen leid, dass Kollege Molterer in seiner ein bisschen weit herge­holten Schlussrede das E-Voting angesprochen hat. Das bleibt in der Mottenkiste, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Denn dieses organisatorische und demokra­tiepolitische Desaster von der ÖH-Wahl ist natürlich noch in sehr, sehr guter Erinne­rung. Ich versichere Ihnen: Mit der SPÖ gibt es hier auf keinen Fall irgendeine Fortset­zung! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Habsburger-Wahlrecht ist Folgendes zu sagen: Zuerst einmal war es wichtig, vor der Bundespräsidentenwahl einen Schnellschuss zu verhindern; das ist gelungen. Hier wurde von verschiedenen Seiten aus parteipolitischen Gründen versucht, schnell et­was zusammenzubauen. Das ist glücklicherweise gescheitert, denn so einfach kann man mit internationalen, letztlich auch völkerrechtlichen, vermögensrechtlichen Fragen nicht umspringen. Ich bin daher sehr froh darüber, dass wir das sorgfältig beraten ha­ben, bis hin zu einem Hearing, und jetzt hier auf guter, gesicherter Basis die entspre­chenden Beschlüsse fassen können.

Ja, in der Tat, die Republik ist selbstbewusst genug! Es ist kein Problem, wenn jetzt hier eine Wahlberechtigung vorhanden ist. Aber wir passen schon höllisch auf, meine Damen und Herren, was hier passiert und was gesprochen wird! Ich erinnere mich gut daran: Es war im Jahr 2001, da hat eine Vizekanzlerin der Republik Österreich den Herrn Otto Habsburg und seine Gattin in Mariazell mit „Eure Hoheit“ begrüßt – in Wirk­lichkeit ja ein unglaublicher Vorgang! Da hat es schon auch entsprechende Kritik und parlamentarische Anfragen gegeben.

Frau Innenministerin! Einen Hofknicks wird es aus der SPÖ in Richtung irgendwelcher seinerzeitiger adeliger Häuser nicht geben, das kommt überhaupt nicht in Frage. Es ist auch nicht notwendig, sich von der Regierungsbank aus für das freie Wort eines Abge­ordneten zu entschuldigen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich weise das mit allergrößter Entschiedenheit zurück! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Es ist ja an sich ganz leidenschaftslos: Es ist eine vermö­gensrechtliche Frage, um die es letztendlich geht. Wenn man die damalige republika­nische Staatsform, die im Jahr 1918 gesichert wurde, als Gesamtaussage begreift, wenn man die Enteignung, dann auch die Adelsrechte-Aberkennung und letztlich den Wahlausschluss als Einheit betrachtet, so gibt es hier natürlich wichtige rechtliche Fra­gen, die zu beachten sind. Das Ganze setzt sich ja fort in internationalen Verpflich­tungen, im Staatsvertrag. Daher bin ich sehr froh darüber, dass diese Frage so sorgfäl­tig geprüft worden ist.

Ich möchte mich auch bei den Herren Universitätsprofessoren bedanken, die in dem Hearing wirklich sehr aufklärend gewirkt haben. Denn beispielsweise ein gewisser Pe­ter Draxler, ein Wiener Rechtsvertreter der Habsburg-Brüder, sieht das in den „Salz­burger Nachrichten“ vom Vorjahr ein bisschen anders; er sagt: „Unrecht bleibt Un­recht“. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Der Herr Rechts­vertreter „würde es daher begrüßen, ‚wenn die ganze Sache samt Vermögensansprü­chen vors Parlament kommt‘“.

Meine Damen und Herren! So kann es nicht sein, das ist ja völlig undenkbar! Darum bin ich eben froh, dass auch Herr Professor Bernd-Christian Funk das eindeutig klarge­stellt hat und sagt: Die Streichung des Habsburg-Passus wird keine vermögensrechtli­chen Folgen nach sich ziehen. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt – das ist sehr, sehr wichtig –, es gibt dazu politische Erklärungen von allen Parteien, die rechtliche Klarstellung und auch die Äußerungen der Wissenschaft. Da­her dürfen wir darauf hoffen, dass uns da nicht ein Bündel von irgendwelchen Klagen und vermögensrechtlichen Ansprüchen der Familie Habsburg ins Haus steht.

Meine Damen und Herren, das ist also demokratiepolitisch in Ordnung; das wird die Sozialdemokratie entsprechend beschließen. Aber Hofknicks wird es keinen geben vor ehemaligen Diktaturen, oder wie auch immer man sich das vorstellt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Den machts beim Fischer!)

13.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Bartenstein. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.00.38

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Kräuter, Sie haben soeben auch auf die Abschiedsrede von Molterer Bezug genommen und Kritik daran geübt, dass Molterer einige Bemerkungen zum Thema E-Voting gemacht hat. – Das ist heute nicht das Thema, aber eines sage ich Ihnen schon: In Zeiten von Facebook und von Electronic Banking, in Zeiten, in de­nen erhebliche Geldbeträge über Plastikgeld, über Kreditkarten abgewickelt werden, sollte man sich, glaube ich, diesem Thema nicht völlig entziehen, indem man sagt: Für immer ab in die Mottenkiste! Die Dinge gehen voran, und man sollte das, glaube ich, nicht ein für alle Mal apodiktisch wegtun. – Aber noch einmal: Das ist heute nicht das Thema. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, es gibt die Briefwahl, und das ist gut so. Wenn man schon von Respekt spricht, dann soll man auch respektieren, dass die FPÖ hier anderer Mei­nung ist. Aber ich möchte zuerst einmal sagen: Gut, wie dieser ganze Prozess abge­laufen ist! Eine parlamentarische Initiative, ein Hearing, das von hoher Qualität, von ho­hem Niveau geprägt war, in dessen Verlauf auch Gegner der Briefwahl wie Herr Pro­fessor Mayer bestätigt haben, dass der Missbrauch, das taktische Wählen verunmög­licht ist mit dem, was wir heute beschließen werden.

Sosehr ich persönlich zum Beispiel auch einer bin, der sagt, mehr Persönlichkeitswahl­recht, mehr Mehrheitswahlrecht in diesem Land wäre gut – das ist ja ein durchaus strit­


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tiges Thema –, meine ich insgesamt doch, dass Wahlrechtsänderungen auf einer mög­lichst breiten Basis stehen sollten, und das ist eine Vier-Parteien-Basis allemal. Fünf Parteien wären noch besser, aber die Freiheitlichen können oder wollen hier nicht mit.

Wie gesagt, meine Kollegen von der FPÖ, wir alle haben mehr oder weniger Ver­ständnis und Respekt – um diesen Begriff bewusst noch einmal zu strapazieren – für Ihre Position. Wenig Respekt habe ich für etwas, was ich fast schon in den Bereich der Chuzpe einordne: dass Sie nämlich gleichzeitig mit der heutigen Beschlussfassung in Kärnten eine Volksbefragung laufen haben zu einem ebenfalls sehr sensiblen Thema, nämlich den Ortstafeln. Und die Chuzpe zum Quadrat ist es dann, wenn Sie sagen: Wir gehen über den Weg des Landes Kärnten zum Verfassungsgerichtshof. – Also doppel­te Unglaubwürdigkeit! Aber damit müssen Sie zurechtkommen, meine Damen und Her­ren. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend noch zwei oder drei Bemerkungen zur Briefwahl: Natürlich, Missbrauch und Missbrauchsanfälligkeit gibt es überall, die perfekten Lösungen wird man nicht fin­den. Tatsache ist aber, dass die Briefwahl ein Instrument zu sein scheint, das die Wahlbeteiligung, die Partizipation jedenfalls tendenziell verbessert und erhöht. Gut 500 000 Stimmen sind es in Österreich schon, 10 Prozent der Wahlberechtigten; in Deutschland – mit mehr Tradition in Sachen Briefwahlrecht – ist man bei zirka 20 Pro­zent.

Jetzt komme ich zur deutschen verfassungsrechtlichen Prüfung – den Damen und Her­ren von der FPÖ ein Stück weit ins Stammbuch geschrieben! –: Das deutsche Bundes­verfassungsgericht anerkennt, dass die Briefwahl in Sachen geheimes Abstimmen und persönliches Wahlrecht natürlich die eine oder andere Bandbreite enthält. Es sagt aber ausdrücklich: In der Abwägung zwischen diesem Risiko und dem Benefit für die Demo­kratie, für mehr Partizipation und höhere Wahlbeteiligung – sagt das deutsche Bundes­verfassungsgericht – ist es wichtiger, dass mehr Leute zur Wahl gehen respektive wäh­len, sodass es dementsprechend unterm Strich demokratiepolitisch und damit auch verfassungsrechtlich zu begrüßen ist. – So gesehen sehen wir diesem von Ihnen an­gekündigten Weg einmal mit aller Gelassenheit entgegen.

Jetzt sage ich noch einmal im Sinne von Willi Molterer, der in seiner Abschiedsrede zu Recht vom gegenseitigen Respekt gesprochen hat und von einem Parlamentarismus, der auch dazu geeignet ist, den Respekt der Bevölkerung, der Wähler für uns wieder ein Stück weit zu erhöhen – gering genug ist er ja –: Ich glaube, dass das ganze Pro­cedere in Sachen Wahlrechtsreform ein gutes Beispiel dafür ist, wie man es machen kann und machen soll.

Also: Seien wir heute auch ein Stück weit stolz auf uns selber! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Grosz. Volle Redezeit ist eingestellt: 20 Minuten. – Bitte.

 


13.05.09

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Keine Sorge, es werden nicht 20 oder 10 Minuten Redezeit werden!

Zur Wahlrechtsreform Folgendes, und zwar vor allem zu dem Kapitel, in dem es darum geht, das Haus Habsburg-Lothringen, das Haus Österreich zu beleuchten. Vor allem das, was der Abgeordnete Kräuter gesagt hat, ist wirklich einmal mehr, fast hundert Jahre danach, ein Ausdruck eines gestörten, fast pathologisch allergischen Verhältnis­ses zur österreichischen Geschichte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht wegzudenken – egal, ob Antipathie/Sym­pathie für Monarchisten oder nicht. Ich bin stolzer Demokrat und stolzer Republikaner,


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ich bin froh darüber, als frei gewählter Mandatar von 24 000 Österreicherinnen und Ös­terreichern hierher in dieses Haus entsandt worden zu sein. Ich rüttle auch nicht daran, sondern bin stolz darauf, dass sich diese Demokratie trotz Rot und Schwarz einigerma­ßen weiterentwickelt, die Sie beide ja dieses Land seit Jahrzehnten mehr in Geiselhaft halten, als selbst der Kaiser es jemals hätte tun können. (Beifall beim BZÖ.)

Aber, Kollege Kräuter, ... (Abg. Silhavy: Für wen sind Sie Pressesprecher?) Kollegin Silhavy, für das Haus Habsburg oder Vertreter des Hauses Habsburg besteht auch kein Platz, solange Ihr Bundespräsident Fischer in der Hofburg unter dem Bild Ihrer kaiserlichen Majestät, der Kaiserin Maria Theresia, Regierungsmitglieder angelobt, nämlich im Schlafzimmer der Kaiserin, solange er wie ein roter Ersatzmonarch das Schloss Mürzsteg jedes Jahr nutzt um Abertausende, Hunderttausende Euro von Steu­ergeld, das Jagdschloss der Habsburger, das Jagdschloss/Sommerschloss Öster­reichs nutzt, mehr Mercedes-Dienstwägen hat, als der alte Kaiser überhaupt Kutschen hatte! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, solange also Sie in einem sozialistischen Erb-Adel unter Zuhilfenahme der Steuerzahler – wie im alten Raubritter­system – die Menschen in dem Land aussackeln, damit Sie es sich und Ihrem eigenen Lebensstandard in der Sozialpartnerschaft, in den Ämtern, an die Sie sich seit Jahr­zehnten fesseln, besser richten, so lange besteht auch keine Hoffnung, da brauchen Sie keine Sorgen zu haben, dass ein Habsburger in diesem Land noch einmal Kaiser wird, denn Sie klammern sich seit Jahrzehnten an die Funktionen des Staates mit so einer Vehemenz und Präpotenz, dass dort sowieso kein Platz für etwas anderes be­steht, sehr geehrte Damen und Herren mit Ihrem gestörten Verhältnis zur österrei­chischen Geschichte! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist ein historisches Faktum – kein Zeichen der Sympathie, sondern Faktum –, dass die österreichische Geschichte zeitlich zu 85 Prozent von den Entscheidungen einer Familie, von den Entscheidungen des Hauses Österreich, des Hauses Habsburg be­stimmt worden ist. Das sollten wir auch einmal annehmen. Sie sitzen zumindest bei Gedenkveranstaltungen im Reichsratssitzungssaal, der durch das Monogramm „FJI“ (der Redner sagt: F, Jot, eins), Franz Joseph I., markiert ist, sehr geehrte Damen und Herren! Sie befinden sich in einem Land, das jahrhundertelang von dieser Familie und der Monarchie geprägt worden ist, mit allem Für und Wider. (Abg. Mag. Gaßner: Das „I“ steht für „Imperator“, nicht für den „Ersten“! Das steht für „Imperator“ und ist ein I, nicht ein Einser!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten uns dafür nicht schämen, wir sollten das als historische Gegebenheit annehmen. Wir sollten auf unsere Geschichte, auf die mehr als tausendjährige Geschichte seit Ostarrichi, mit all ihren Wendungen stolz sein. Wir sollten betrüblich Zeiten zur Kenntnis nehmen und auch betrüblichst und entsetzt über Zeiten diskutieren in diesem Land, über Jahre und Jahrzehnte, die durch Diktatur, Faschismus, Mord und Tod geprägt worden sind. Wir sollten aber mit der gleichen Energie auch zu dem stehen, was Österreich als christliches Land in einem christlich geprägten Europa in den letzten tausend Jahren gemacht hat, und da gehört das Haus Habsburg untrennbar zu unserer Geschichte dazu.

Daher halte ich es für so kleinlich, ob man jetzt zu einem Mitglied des Hauses Habs­burg „Königliche Hoheit“ sagt oder ich zum Prinzen Liechtenstein in Deutschlandsberg „Durchlaucht“ sage, wenn ich ihn sehe. Das ist für mich kein Problem, und das ist für mich auch kein Ausdruck einer politischen Gesinnung, sondern das ist Ausdruck des Respekts, auch des Respekts gegenüber Menschen in dem Land und ihren Familien, die dieses Land lange genug geprägt haben. (Beifall beim BZÖ.)

13.09

13.09.50

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 87

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Sehr geehrter Herr Kollege Grosz, Sie wissen, es gibt eine ständige Übung, und es ist auch oftmals (Abg. Ing. Westenthaler: Ständige Übung?) schon entsprechend geahndet worden, dass die Verwendung des Begriffes „Präpotenz“ für eine Gesinnung in diesem Hause mit einem Ordnungsruf bedacht wird. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Herr Abgeordneter Grosz, ich erteile Ihnen in diesem Sinne einen Ordnungsruf für die Verwendung dieses Begriffes in Richtung SPÖ.

*****

Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher. 5 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.10.33

Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Innenminis­terin! Herr Kollege Grosz, Sie sind wirklich unglaublich! (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Ich glaube, beim nächsten Jahresplan für die Sitzungen sollten wir uns wirklich überlegen, von den Vollmondphasen abzuweichen. Ich habe das schon bei der letzten Sitzung gesagt, und ich sage das heute wieder. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Vollmond? Kollegin, es ist Mondfinsternis! – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Ich begrüße das Wahlrechtsänderungsgesetz. (Abg. Grosz: Es ist kein Vollmond! Es war Mondfinsternis! Lernen Sie einmal Astronomie!) Herr Grosz, wenn Sie noch weiter schreien ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Es geht darum, dass man nicht ein verklärtes Bild zur Geschichte hat, sondern auch einen kritischen Standpunkt beweist. Den hat meine Fraktion heute bewiesen, und dazu stehen wir auch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Mondfinsternis!)

Die Änderung der Frist für das Rücklangen der Wahlkarten verhindert das taktische Wählen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz), und es ist auch wichtig, dass man bei der Beantragung einer Wahlkarte den Missbrauch verhindert. Ich beziehe mich nun auf den Antrag der Kollegen Scheibner, Kolleginnen und Kollegen (Abg. Grosz: Ma­chen wir eine tatsächliche Berichtigung, dass nicht Vollmond ist!), in dem es um das Verbot der Veröffentlichung von Wahlprognosen oder Umfrageergebnissen im Zeit­raum von zirka zwei Wochen vor der Wahl geht.

Dieses Thema wurde europaweit diskutiert, und es gab auch eine diesbezügliche En­quetekommission in Österreich. Man muss bei diesem Themenbereich zwei Themen­kreise unterscheiden. Der erste betrifft die Meinungsforschung vor den Wahlen, der zweite die Veröffentlichung von Teilergebnissen vor Wahlschluss. Gesetzliche Maß­nahmen und Verbote bezüglich Veröffentlichung von Wahlprognosen halten wir, halte ich nicht für sinnvoll. Ich glaube, dass man vielmehr auf die Einhaltung gewisser Spiel­regeln achten muss wie etwa die Richtlinie, die von der ESOMAR veröffentlicht wurde.

Gewisse Mindestanforderungen müssen eingehalten werden – gerade bei der Mei­nungsforschung, gerade bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen –, etwa da­hin gehend, welche Basisinformation zur Befragung da war, wie die Schwankungsbrei­ten waren, wie der genaue Wortlaut der Fragestellung war oder der Prozentsatz der Befragten. Es muss auch eine deutliche Trennung zwischen den Umfrageergebnissen und der Kommentierung und Interpretation derselben vorgenommen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesetzliche Verbote stellen uns nicht nur vor rechtliche Probleme, wenn wir zum Beispiel an Artikel 10 EMRK betreffend die freie Meinungsäußerung denken, sondern auch vor die Frage, wie wir derartige Verbote durchsetzen wollen. Gerade in Zeiten des Internets ist eine Umgehung leicht möglich.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 88

Der österreichische Rechtsstaat hat keinen Zugriff auf Internetseiten, auf denen Umfra­geergebnisse veröffentlicht werden, die auf einer nicht österreichischen Domain laufen.

Zum zweiten Themenkreis, Veröffentlichung von Teilergebnissen vor Wahlschluss: Das gesetzliche Veröffentlichungsverbot ist auch bei diesem Themenkreis nicht zielführend, glaube ich. Wie gerade gesagt spielen natürlich auch hier das Internet und die Umge­hungsmöglichkeiten eine große Rolle. Ich glaube, in diesem Fall ist es doch diskus­sionswert, dass man sich überlegt, ob man diese Teilergebnisse in eine spezielle Da­tenbank einspeist und diese nur einem beschränkten Teilnehmerkreis zur Verfügung stellt oder ob man bundesweit einen einheitlichen Schluss der Wahllokale regelt. Daher ist dieser Antrag vom BZÖ abzulehnen.

Worüber ich aber in diesem Zusammenhang auch diskutieren möchte, ist § 7 des Volksbegehrengesetzes, den Herr Kollege Singer auch schon angesprochen hat. In § 7 geht es um die Eintragungszeiten für Volksbegehren. Die Eintragung ist an Werktagen von 8 bis 16 Uhr, an zwei Werktagen zusätzlich bis 20 Uhr, an Samstagen und Sonnta­gen zumindest von 8 bis 12 Uhr offenzuhalten. In Gemeinden mit weniger als 2 500 Ein­wohnern kann an Samstagen und Sonntagen die Eintragungszeit auf zwei aufeinan­derfolgende Stunden verkürzt werden.

Es ist nun die Frage, wie viele Personen diese Eintragungszeit wirklich an einem Sonn­tag nützen. Die Gemeinden – vor allem die kleineren – beschweren sich, und die Be­schwerden werden mehr. Ich denke, das ist auch wirklich diskussionswürdig, und hoffe, dass diese Debatte heute ein Anstoß dazu war. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Höfinger. 4 Minuten Redezeit. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westentha­ler. – Abg. Grosz: Frohe Ostern! Vollmond und Mondfinsternis, das zu unterscheiden, ist ...!)

 


13.15.49

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Blick in den Kalender klärt alles auf, ihr braucht nicht hin- und herzuschreien. Ich glaube, das ist die einfachste Übung, Herr Kollege Grosz!

Widmen wir uns einem wichtigen Thema! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie, es geht nämlich um ein zentrales, ja in Wirklichkeit fast das zentralste Thema dieser Demokratie, um das Wahlrecht. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der FPÖ! Wir könnten jetzt lange diskutieren. Wir könnten an der Frage hängen blei­ben, ob die Briefwahl verfassungskonform ist oder nicht. Also der Großteil der Verfas­sungsrechtler sagt uns, das sei überhaupt kein Problem. Es gibt Einzelne, die eine an­dere Meinung haben und sagen: Ja, hier könnte man ein Detail für bedenklich befinden oder nicht (Zwischenruf bei der FPÖ) – wie auch immer.

Ich denke, diese Fragen werden wir hier nicht lösen, aber eine zentrale Frage können und müssen wir hier herinnen sehr wohl anstoßen und auch lösen, nämlich die politi­sche Frage. (Neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ.) Da stellt sich für uns die Aufgabe, herauszufinden, was denn die Menschen in Wirklichkeit von diesem Wahlrecht wollen. Ich sage Ihnen: Wir müssen es Ihnen möglich machen, so optimal wie möglich das Wahlrecht in Anspruch zu nehmen.

Die zweite Frage ist, wie wir den Zugang zur Wahl in jeglicher Hinsicht erleichtern oder verbessern können, damit die Menschen unkompliziert, aber natürlich auch sicher ihre Stimme abgeben und von diesem Wahlrecht Gebrauch machen können.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass die Briefwahl dazu ein sehr taugliches Instrument ist. Wichtig dabei ist – und das haben wir auch eingebaut –, dass bei der Wahlhandlung selbst – das beginnt beim Aushändigen der Wahlkarte, geht über das Abgeben der Stimme bis hin zum Einlangen und Auszählen der Wahl­karten – jeglicher Missbrauch in alle Richtungen hintangehalten oder eben ausge­schlossen wird. Daher gibt es auch diese Gesetzesänderung, die meiner Meinung nach sehr sinnvoll und notwendig war, dass beim Ausstellen der Wahlkarte der Nach­weis erfolgen muss.

Es gibt auch Veränderungen bei den Fristen, damit nicht ganz gezielt nach dem Ende der Wahl noch gewählt werden kann, und drittens die Bestätigung, dass das Wahlrecht persönlich, unbeeinflusst und unbeobachtet durchgeführt wurde.

Noch eine kleine Beobachtung, die ich selbst bei vergangenen Wahlen als Bürgermeis­ter machen konnte, nämlich dass wir aufgrund dieses Briefwahlrechts die sogenannte besondere Wahlbehörde – umgangssprachlich die fliegende Wahlbehörde – bei man­chen Wahlen sehr reduzieren konnten oder sogar überhaupt nicht in Anspruch zu neh­men brauchten. Das ist auch eine Erleichterung für uns und verringert die Anzahl der Wahlbehörden in einer Gemeinde.

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammengefasst: Ich denke, dass dieses Wahl­rechtsänderungsgesetz mehr Klarheit und mehr Sicherheit für die einzelnen Menschen bringt und für den Bürger auch wirklich praktikabler sein wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Pendl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.19.05

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass Wahlrechtsfra­gen Fragen dieses Hauses sind; das ist überhaupt keine Frage. Wir werden immer über Wahlrechtsreformen debattieren. Ich bin auch froh darüber, dass die Diskussion im Vorfeld aber auch beim Hearing und im Ausschuss sehr sachlich abgelaufen ist. Es gibt hier eine breite Basis.

Ich möchte jetzt nicht alle Vorredner aufzählen, die sich hier in diesem Sinne bereits positiv ausgesprochen haben. Ich habe nur zwei oder drei Anmerkungen, weil ich glau­be, dass man mit der Zeit auch einen etwas anderen Zugang zu Themen bekommt.

Es sind ja einige hier im Saale, die im Vorfeld der Wahlrechtsreform – als die Briefwahl eingeführt wurde – dabei waren. Weil heute mit solcher Vehemenz von der Verkür­zung, von der Qualität und von der Verbesserung – nämlich dass mit Schluss der Wahl auch die Briefwahlstimmen da sein müssen – gesprochen wird, sage ich euch: Ich weiß noch genau, wie die Redebeiträge waren und dass manche noch längere Zei­ten haben wollten.

Als wir damals darauf hingewiesen haben, hat man alles Mögliche als Grund genannt, warum das so lange sein muss. Also man darf aus der Erfahrung heraus gescheiter werden, das ist auch gut so. Ich glaube, diese Fragen sind wichtig und richtig, und wir setzen sie jetzt auch um.

Gestatten Sie mir aber eine Anmerkung: Viele dieser Punkte – aus den unterschied­lichsten Gemeinden Österreichs –, die hier aufgezählt wurden, haben nicht einmal am Rande mit der Briefwahl zu tun, sondern sind ganz einfach Fragen des demokratiepoli­tischen oder – wenn Sie wollen – des rechtsstaatlichen Zuganges – gehört sich nicht, tut man nicht. Aber das hat eben wirklich nur am Rande oder schon gar nichts mit der Briefwahl zu tun.


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Ich möchte einen Punkt ansprechen, weil ihn noch niemand angesprochen hat. Wir sollten uns in Zeiten, in denen einfache Abläufe notwendig sind, bewusst sein, das es überhaupt keine Frage ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Frage die Gefangenen betreffend geklärt hat.

Ich mache nur auf eines aufmerksam – hier sind ja in Wirklichkeit alles langjährige Funktionäre in den unterschiedlichsten Bereichen; da schauen mich einige Bürger­meister an –: Es ist schon super, wenn die Städte und Gemeinden, in denen es Justiz­anstalten gibt, die Ertragsanteile bekommen, aber wenn wir die letzte Wohnsitzgemein­de als Wahlbehörde nehmen, dann soll jeder darüber nachdenken, was für ein admi­nistrativer Aufwand das ist, dass jeder, der wählen will, an seine Wahlbehörde schreibt, damit die Wahlkarte in die jeweilige Justizanstalt geschickt wird. Das ist für die Justiz eine große Herausforderung! – Dass mir jetzt niemand das Wort im Mund umdreht, weil ich ja für diese Regelung bin, aber diese soll einfach sein!

Der Richter muss ex lege vom Wahlrecht ausschließen. Das heißt, es wird sehr viele geben, die an der Wahl teilnehmen. Wenn es aber sehr viele gibt, muss man nachden­ken, was für ein Prozedere das sein wird – mit einer Wahlkarte von ganz woanders, mit einer Wahlbehörde von ganz woanders, und alles bewegt sich in Gefängnissen.

Ich lade nur einmal ein, über dieses Prozedere nachzudenken. Die Wahlbehörden in den Gefängnissen führen die Insassen das geheime Wahlrecht wahrend vor. Also ob das alles einfach wird? – Ich glaube, dass die Frau Justizministerin mit ihrem Stab auf­gerufen sein wird, zu klären, ob man nicht als intelligente einfache Lösung die Brief­wahl durchführen könnte, denn angefordert werden muss die Wahlkarte bei der letzten Wohnsitzgemeinde ja sowieso. Ich will das nur gesagt haben, weil man sonst darüber hinweggeht, und ich schon die Diskussionen nach der nächsten Wahl höre, welche Probleme das wieder geschaffen habe.

Zusammenfassend: Wir können froh sein, dass wir hier eine sehr gute Lösung zusam­menbringen – schade, dass wir sie nicht einstimmig beschließen –, aber es muss uns auch klar sein, dass Wahlrecht immer bedeutet, dass wir es von Zeit zu Zeit der Zeit anpassen werden. In diesem Sinne danke ich noch einmal für die gute Zusammenar­beit. Ich darf trotzdem noch einmal alle ersuchen, hier ihre Zustimmung zu geben. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.25.29

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Nachdem jetzt hinter mir fast alles demoliert worden ist, darf ich doch meine Rede halten. Als Franz-Joseph begrüße ich natürlich die neue Habsburg-Rege­lung (Heiterkeit des Abg. Neugebauer), aber im Ernst: Im Ausschuss hat es ein Hea­ring gegeben, bei dem der Verfassungsrechtler Mayer gesprochen und seine Ausfüh­rungen dargelegt hat. Er hat gesagt, dass er am Wahlsonntag seinen Anzug anzieht und zum Wahllokal schreitet, und er hat damit auch der Briefwahl in Abrede gestellt, dass das ein demokratisches Mittel ist.

Ich respektiere, wie er wählt, und ich finde es wichtig, dass man wählt und auch Re­spekt davor hat und wählen geht, aber genau das ist der Punkt: Nicht jeder kann am Wahlsonntag seinen Anzug anziehen und ins Wahllokal schreiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt eben auch behinderte Menschen, die das Haus nicht verlassen können, die bettlägerig sind, und da ist die Briefwahl eine gute Wahlmöglichkeit. Natürlich ist es


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aber auch so, dass die Briefwahl nicht den barrierefreien Ausbau von Wahllokalen er­setzt. Es ist beides notwendig, und die Wahllokale werden auch sukzessive barriere­freier gestaltet.

Ich möchte noch auf eine Aussage von Verfassungsrechtler Mayer eingehen. Er meinte nämlich, dass es schlecht sei, wenn sogenannte geistig behinderte Menschen wählen gehen. – Das verstehe ich nicht, denn die UN-Konvention über die Rechte be­hinderter Menschen sieht das Wahlrecht für alle behinderten Menschen vor, und sie trifft keine Unterscheidung nach dem Grad der Behinderung, ob man körperlich be­hindert oder lernbehindert ist. Die Sachwalterschaft ist keine Entmündigung sondern ein Unterstützungssystem, und so finde ich es wichtig, dass lernbehinderte Menschen auch wählen dürfen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Dr. Moser.)

Abschließend möchte ich mich von meinem Kollegen Wilhelm Molterer verabschieden und ihm auch für seine Offenheit, seine Menschlichkeit und seine Tatkraft, die er in die­ses Parlament eingebracht hat, danken. Mit seiner Hilfe ist vieles gelungen, zum Bei­spiel das Behindertengleichstellungsgesetz oder auch die Anerkennung der Gebärden­sprache, die er als Klubobmann sehr tatkräftig unterstützt hat. Vielen Dank und alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abge­ordneten Mag. Stadler und Ing. Westenthaler.)

13.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.30.01

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Zunächst begrüße ich die Abordnung aus Oberösterreich vom Bezirk Linz-Land, ange­führt von ihrem Landtagsabgeordneten Mahr. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie kommen aus Oberösterreich; ich darf Ihnen aus Niederösterreich etwas berichten, weil die Bürgermeister in der ÖVP-Fraktion so ungläubig staunen über das, was Kolle­ge Brosz gesagt hat.

Beispiel: Der Bürgermeister ruft den entlegenen Hof an und sagt: Heuer haben wir die Wahlkarten. Wollt ihr die haben? Das ist viel einfacher. Und weil ich zufällig in der Ge­gend bin, bringe ich sie euch gleich vorbei. – Ja, wenn du es sagst. – Und er kommt auch vorbei. – Und übrigens, am Sonntag ist die Wahl, das Wetter ist noch nicht so günstig. Wer weiß, ob es nicht wieder zugeschneit ist. – Im März war die Gemeinde­ratswahl. – Ihr könnt jetzt schon wählen, und ich nehme euch als besonderes Service dann sogar noch die Wahlkarten und die abgegebenen Stimmen mit. Und damit es euch noch leichter fällt, habe ich meine persönlichen Stimmzettel auch gleich mitge­nommen, denn ihr werdet doch sicher mich wählen, weil ich so ein guter Bürgermeister bin.

Na, glauben Sie wirklich, dass in dieser Situation in der Gemeinde Ybbsitz – damit Sie das auch konkret wissen – der psychische Druck nicht so hoch ist, dass sich dort kei­ner, der vielleicht noch einmal eine Baubewilligung oder Ähnliches brauchen wird, dem beugen wird?

Das als ein Beispiel zum Thema Briefwahl. Und was sonst in Seniorenheimen passiert, da könnte ich Ihnen aus eigener Erfahrung aus der Wahlkommission noch einiges er­zählen, was da geschieht.

Vom Kollegen Huainigg wurde zuvor der Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Mayer zitiert. Dieser hat nicht gesagt, dass er sich den Anzug anzieht, um zur Wahl zu gehen, er hat gesagt, er ist noch in einer Stimmung und in einem Milieu aufgewachsen, wo die


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Eltern das Wahlrecht, das mit Blut erstritten wurde, als ein so besonders herausra­gendes Recht empfunden haben, dass sich der Vater am Wahlsonntag den Anzug an­gezogen hat und zur Wahl gegangen ist. – Bitte, Kollege Huainigg, beim Zitieren genau sein und nicht etwas anderes sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Das ändert ja nichts an der Wichtigkeit des Wahlrechtes!)

Professor Mayer hat auch nicht davon gesprochen, dass Behinderte nicht wählen dürfen. Sehr wohl dürfen alle Behinderten wählen, es gibt keine Begrenzung, auch nicht durch Sachwalterschaft oder Ähnliches. Das ist auch der Grund, warum geistig abnorme Rechtsbrecher ebenfalls wählen dürfen, weil sie ja zu keiner Strafe verurteilt worden sind. – Damit möchte ich diesen Bereich der Notwendigkeit der Entsprechung der Richtlinien der EMRK abgehandelt wissen.

Was das Habsburgergesetz betrifft: Da jeder, also auch ein Habsburger, vom Gemein­derat bis zum Bundeskanzler in dieser Republik alles werden kann, warum sollen sie jetzt für das Amt des Bundespräsidenten ausgeschlossen bleiben? Es ist wirklich un­passend und unnötig gewesen vom Herrn Klubobmann Cap, ein Habsburg-Bashing durch die Geschichte zu betreiben. Das ist wirklich mit nichts zu rechtfertigen. Wir le­ben in Österreich in einer starken, fundamentierten Demokratie, wir brauchen uns vor keinem Kandidaten, egal aus welcher Familie, zu fürchten.

Etwas anderes noch: Wenn Kollege Huainigg Professor Mayer gut zugehört hätte, dann hätte er überdies erfahren, dass dieser eindeutig gesagt hat, das Briefwahlrecht widerspricht dem unmittelbaren, persönlichen und geheimen Wahlrecht. Er hat sogar ein eigenes Beispiel gebracht, das er an einem Nebentisch gehört hat. Da hat ein Vater gesagt: Mein Bub wollte falsch wählen, das habe ich ihm gleich ausgetrieben; da habe ich ihm gleich gezeigt, wie zu wählen ist. – Da hätte Kollege Huainigg aufpassen und entsprechend gegen die Briefwahl sein müssen.

Die Briefwahl dient nicht der Bequemlichkeit. Das Wahlrecht ist mehr, als nur vielleicht zwischen der Morgentoilette und einem Frühstück im Bett schnell einmal einen Brief aufzugeben. Es ist etwas Wichtigeres, die Briefwahl muss die Ausnahme bleiben.

Weil Kollege Molterer jetzt gerade hier im Saal ist: Geschätzter Kollege Molterer – das sage ich nicht nur als Floskel ganz persönlich zum Abschied –: Wenn Sie nicht im Jahr 2008 gesagt hätten, „Es reicht!“, würde ich nicht an dieser Stelle sprechen. Das ist zwar das weniger Wichtige, aber durch diese Gelegenheit konnte ich hier im Haus meine nunmehrige Frau kennenlernen. Und dieses „Es reicht!“, das Sie gesagt haben, hat mittlerweile nicht nur Hand und Fuß, sondern auch Kopf und Herz und wird nächste Woche getauft. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Neugebauer: Da kann man nur gratulie­ren!)

13.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.35.00

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Ich glaube, es ist immer wieder schön, wenn man das Berufliche mit dem Familiären verbinden kann, und wenn das dann auch noch so nett dargestellt wer­den kann vor den nächsten Lieben, die einen hier besuchen kommen, dann ist das et­was, was wirklich ans Herz geht.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon vieles gesagt worden, es ist viel Ernst­haftes gesagt worden, es ist Wesentliches gesagt worden, es gibt also hier doch eine sehr essenzielle Weiterentwicklung unseres demokratischen Systems. Es ist das eine


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oder andere vielleicht auch weniger Wesentliche gesagt worden, und ob Herr Grosz jetzt durch die Lande zieht und zu diversen Persönlichkeiten „Durchlaucht“ sagt, mag vielleicht den einen oder anderen interessieren, vielleicht auch die eigenen Wähler, uns hat es eher belustigt. Aber ich glaube, es hat hier wirklich jeder seine eigenen Möglich­keiten.

Was die Briefwahl anlangt, Herr Kollege Rosenkranz, so ist sie ein Thema, das wir nicht umsonst so lange diskutiert haben, und sie ist natürlich auch einem gewissen Missbrauch nicht ganz entzogen. Das will ich hier auch gar nicht verheimlichen. Kolle­ge Pendl hat die bedauerlichen Vorgänge bei der letzten Wahl in Niederösterreich un­terstrichen, und diese Verhältnisse wünschen wir uns in Zukunft sicherlich nicht, daher gibt es ja heute auch diese Änderung. Aber im Grunde genommen ist sie etwas, was ausdrücklich – und das steht auch im Gesetz drinnen – für den Verhinderungsfall ge­dacht ist, weshalb sie auch jenen, die das Wahlrecht sonst nicht ausüben können, zu­stehen soll.

Dass das auch wirklich so gehandhabt wird und dass nicht Wahlzettel eingesammelt werden mit dem einen oder anderen mehr oder weniger primitiven Hinweis, das wird sicher auch ein Zeichen für den Reifegrad der Gesellschaft sein, für den wir verant­wortlich sind und wofür wir eintreten werden. Ich glaube auch, dass das gelingen wird.

Beim E-Voting, das hier angesprochen worden ist, wäre ich ein bisschen vorsichtiger, denn wir alle kennen diverse erfolgreiche Hacker-Aktionen, die bis hinauf zu den ge­heimsten Staatsstellen reichen. Da würde ich mich im derzeitigen Stadium nicht wirk­lich trauen, sondern davon ausgehen, dass es schon relativ starke und rasche Manipu­lationen gibt.

Was die Habsburger anlangt, muss man froh sein, wie Kollege Cap das hier gesagt hat, dass festzustellen ist, dass es nicht so sein soll, dass man aus dieser Gesetzesän­derung einfach ein Anspruchsdenken entwickelt. Und wenn schon angekündigt worden ist, dass man nunmehr auch über Restitutionen – unter Anführungszeichen – „reden möchte“, dann muss man das ganz klar zurückweisen. Dieses Gesetz betrifft das Wahlrecht, aber es hat keinesfalls in irgendeiner Weise Relevanz für die Eigentums­verhältnisse. Das sollte daher auch an dieser Stelle, wo es heute beschlossen wird, ausdrücklich gesagt werden.

Die Änderungen im Strafvollzug sind positiv zu unterstreichen. Es kann möglicherwei­se, lieber Otto, Probleme geben, auf der anderen Seite ist es so, dass jene vom Wahl­recht ausgeschlossen werden, die gegen die Demokratie, die gegen den Staat, die ge­gen irgendetwas Staatliches vorgegangen sind. Und das ist auch richtig so. Ansonsten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch klar und nachvollziehbar – ich glaube, jeder von uns kann dem zustimmen – zur Kenntnis gebracht, dass es nicht einfach geht, ohne entsprechende Abwägung den Entzug des Wahlrechtes, eines der Kardinalrechte der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, durchzuführen.

Daher ist es in Summe ein sehr guter Entwurf geworden. Es ist eine Weiterentwick­lung, die uns sicherlich sehr viel bringt. Es wird auch notwendig sein, in dem einen oder anderen Fall mit besonderer Obsorge darauf zu achten, dass das, was wir uns vorstellen, auch wirklich umgesetzt wird und dass es nicht missbraucht wird. Das kann möglich sein, keine Frage, es liegt wirklich an uns, das sicherzustellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig Letzter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Klubobmann Kopf zu Wort gemeldet. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschrän­kung. – Bitte.

 



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13.38.50

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Willi Molterer, du verabschiedest dich heute aus diesem Hohen Haus, aus der österreichischen Politik, erstens mit einem Gesetzes­werk, das, wie es so bezeichnend ist für dich, die Zustimmung aller Parteien dieses Hauses bekommen wird, weil du einer jener Politiker bist – fast muss man schon sa­gen, warst –, die in besonderem Maße Verhandlungsgeschick und menschliche Quali­tät in politische Verhandlungen eingebracht haben, die es eben möglich gemacht ha­ben, solche Ergebnisse gemeinsam zu erzielen.

Lieber Willi Molterer, du verabschiedest dich heute mit einer Rede, einer sehr beein­druckenden Rede, die wir uns alle hier zu Herzen nehmen sollten und die wir am bes­ten noch ein paar Mal durchlesen sollten in den nächsten Tagen und Wochen, denn du hast so viel Wahres zur Politik, zur Verfasstheit der Politik und auch dazu gesagt, was Politik tun sollte, um weiterhin den Vertretungsanspruch für die Menschen in diesem Lande wahrnehmen und haben zu können.

Mit dir, Kollege Molterer, geht ein Politiker mit großer Erfahrung – vom Gemeinderat über den Generalsekretär der Partei, viele Jahre Minister, Klubobmann, Vizekanzler, Finanzminister –, ein Politiker mit einer Themenbreite, die es ganz, ganz selten gibt, mit einem Verhandlungsgeschick – ich habe es schon gesagt –, über das Wenige ver­fügen so wie du, mit einer Handschlagqualität, auf dein Wort und auf deinen Hand­schlag kann man sich verlassen, und vor allem auch mit einer menschlichen Qualität. Es ist ja nicht so leicht in diesem nicht ganz so leichten Geschäft, das wir hier betrei­ben, und in dieser Aufgabe, die wir hier bewältigen, immer Mensch zu bleiben und den Menschen im Vordergrund zu sehen.

Wir verlieren dich als Politiker, und glaube mir, das tut mir, das tut dem ÖVP-Klub und das tut, wie ich weiß, auch vielen anderen hier herinnen sehr, sehr weh. Wir regis­trieren und akzeptieren das mit mindestens einem weinenden Auge. Das vielleicht lachende Auge dabei ist, dass du eine schöne, wichtige, interessante neue Aufgabe gefunden hast, für die wir dir alles, alles Gute wünschen. Aber auch wenn wir dich als Politiker verlieren, als Freund werden wir dich behalten. Ich danke dir. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Linder. 4 Minu­ten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.41.52

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei der Briefwahl sind zweifelsohne, so wie wir das heute gehört haben, sehr viele Fehler passiert und sehr viele Unehr­lichkeiten passiert. Eine grundsätzlich gute Idee, dem Bürger das Wählen leichter zu machen, ist leider von vielen Institutionen, von Menschen missbraucht worden, und ich glaube, das hat grundsätzlich sehr zur Erschütterung des Gedankens der Briefwahl beigetragen. Ich bin der Meinung, solange es hier kein klares System gibt, sollten wir sie aussetzen.

Kollege Kräuter hat das Thema vorgezogener Wahltag angeschnitten, und leider hat es auch hier in Kärnten von einem SPÖ-Kandidaten eine grobe Verfehlung gegeben. Er hat die Zeit zwischen vorgezogenem Wahltag und dem eigentlichen Wahltag ge­nützt, um die Wahlurne zu öffnen und das Ergebnis zu verfälschen. Das ist leider so, und auch hier, glaube ich, müssen wir aufpassen, dass keine Fehler passieren.

Wenn heute von vielen Kollegen die Meinungserhebung zum Thema Ortstafeln, zum Volksgruppengesetz in Kärnten angeschnitten wurde, so, glaube ich, wissen wir alle,


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dass es hier einzig und allein um eine Meinungserhebung geht, um den Kärntnern und Kärntnerinnen die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung dazu zu äußern und dem zuzu­stimmen oder dagegen zu sein, um wirklich bei dieser Lösung mit dabei zu sein. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viele waren es bis jetzt?) Der Rücklauf ist sehr, sehr gut, und ich glaube, es wird noch vielen Leuten leidtun, dass sie nicht dabei waren und nicht mitgestimmt haben, und es wird vielen Parteien noch leidtun, dass sie es nicht mittra­gen. (Beifall bei der FPÖ.)

Grundsätzlich glaube ich aber, dass wir dieses empfindliche Thema nicht für parteipo­litische Polemik missbrauchen sollten, sondern uns hier herinnen wirklich auf die Ab­stimmung in drei Wochen konzentrieren und hoffen sollten, dass das gut über die Büh­ne geht, damit dieses Thema ein für alle Mal geregelt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Kollege Petzner hat hier vom Rednerpult aus zum wiederholten Male zum einen auf uns Freiheitliche eingedroschen, zum anderen immer wieder auf die Gebrüder Scheuch hingehaut. Er ist leider nicht da, der liebe Petzner. Am 22. Dezember 2009 – das sollen alle wissen – hat er mich um 22.30 Uhr angerufen und hat eine Dreiviertel­stunde lang tränenreich ins Telefon geplärrt: Bitt’ schön, tu was! Ich möchte mittun im FPÖ-Klub. Bitte unternimm ’was, dass ich mit hinüberkomme! Überreden wir die Scheuchs, dass ich dabei sein darf. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe Kollegen, ich glaube, wir sollten hier herinnen nicht parteipolitische Themen be­arbeiten, aber wenn einer das, so wie der Petzner, hier herinnen permanent miss­braucht, sollt ihr das einmal wissen, damit man auch für die Zukunft weiß, wie seine Aussagen zu bewerten sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines hat mir heute ein bisschen weh- und leidgetan: dass bei allen Wortmeldungen immer wieder auf die Bürgermeister hingeschlagen worden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube eines: Es gibt schwarze Schafe unter den Bürgermeistern, aber bestimmt nicht so viele, dass wir alle abgestempelt werden sollten. Leider sind es im­mer wieder die Parteistrategen, die solche Strategien ausarbeiten, die solche Strate­gien ermöglichen und solche Strategien einfädeln. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube deshalb, es wäre sehr schön, wenn man den Bürgermeistern den Stellenwert geben würde, den sie verdienen, nämlich wirklich als die wahren Demokraten, die sich darum kümmern, dass es der kleinsten Zelle, der Gemeinde, gut geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines noch: Lieber Willi Molterer, auch von meiner Seite alles Gute. Ich habe vor zirka drei Monaten einen ehemaligen ÖVP-Gemeinderatskollegen mit seiner Familie mit hier heraußen gehabt. In der Kantine unten haben wir uns getroffen. Du bist zum Tisch ge­kommen und hast ihm die Hand gegeben. Er hat sich sehr gefreut darüber, und beim Heimfahren hat er mir gesagt: Weißt du, es gibt uns ja doch noch! Mich hat es gefreut. Als Kärntner hat er es so gesehen. Alles Gute!

Noch einmal: Die Meinung über die Bürgermeister darf nicht so negativ sein. (Beifall bei der FPÖ.)

13.46

13.46.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Wahlrechtsände­rungsgesetz 2011 in 1257 der Beilagen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 96

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Weiters hat Abgeordneter Mag. Stefan getrennte Abstimmung über zwei Bestimmun­gen des Gesetzentwurfes verlangt.

Ich werde daher zunächst über die von dem erwähnten Abänderungsantrag bezie­hungsweise dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Reihe nach – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf auch eine Änderung des Bundes-Verfassungsgeset­zes enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir kommen zunächst zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 3 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag eingebracht, der sich auf Art. 2 und Art. 3 Z 2 bezieht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Aus­schussberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (Abg. Kopf: Der Strache fehlt noch immer!)

Wir kommen damit zur getrennten Abstimmung über Art. 3 Z 4 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen haben ferner einen Abände­rungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 4 Z 3 bezieht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit ist der Antrag abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Aus­schussberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür Ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderlich Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 97

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1257 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend frühestmögliche Ausgabe von Wahlkarten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 175.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1257 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Lopatka, Mag. Musiol, Mag. Stadler, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über die dem Aus­schussbericht 1257 der Beilagen angeschlossene Entschließung in der Fassung des erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 176.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz 1968 geändert wird, samt Titel und Eingang in 1258 der Bei­lagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 1259 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu Ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

13.52.374. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes, Reihe BUND 2010/6 (III-134/1229 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Abgeordnete Schönpass. 2 Minuten freiwillige Re­dezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.53.07

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Präsi­dent des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 98

Zuhörer! Der uns heute vorliegende Rechnungshofbericht wurde an drei verschiedenen Terminen im Rechnungshofausschuss debattiert. Meine Wortmeldung bezieht sich auf den Teilbereich der Kasernen- und Liegenschaftsverkäufe durch die SIVBEG. Dieser Prüfbericht wurde im Beisein von Bundesminister Darabos am 1. Juli 2010 debattiert.

Der Hauptkritikpunkt des Rechnungshofes war, dass die Errichtung der SIVBEG für die Abwicklung des Kasernenverkaufsprogramms weder erforderlich noch zweckmäßig war, zumal der Bund mit der BIG bereits über eine Verwertungsgesellschaft für seine Immobilien verfügt. Die SIVBEG wurde 2005 unter der schwarz-orangen Regierung gegründet. Der Auftrag lautete, innerhalb von acht Jahren 146 Liegenschaften zu ver­kaufen. Der Erlös sollte 414 Millionen € betragen und als Finanzierungsbeitrag zur Bundesheeresreform 2010 verwendet werden.

Mit Bezug auf die Kritik, zwei Geschäftsführer für acht Mitarbeiter bestellt zu haben, in­formierte Bundesminister Darabos, dass die Verträge von seinem Amtsvorgänger Plat­ter verlängert worden sind. Er versicherte jedoch, dass es nach Auslaufen der Verträge Ende 2011 nur mehr einen Geschäftsführer geben werde.

Zu erwähnen ist noch, dass die Konstruktion SIVBEG dem Bundesheer ermöglichte, die erlösten Mittel direkt dem Verteidigungsbudget zukommen zu lassen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.55.16

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Der Rechnungshof hat die Umsetzung des Polizeinotrufs in Österreich durchleuchtet. Dazu ist festzustellen, dass es eigentlich bereits seit zehn Jahren die Diskussion und den Plan gibt, österreichweit ein einheitliches Polizeinotrufsystem einzuführen. Es gibt derzeit 105 Notrufstellen, 13 städtische, 83 in den Bezirken und 9 Landesleitstellen. Das Ziel ist ganz klar, näm­lich 9 Landesleitstellen einheitlich zu besetzen und umzusetzen.

Dieser Bericht zeigt relativ deutlich – und es ist auch wirklich ein sehr produktiver Be­richt, Herr Präsident –, dass es überall im Polizeinotrufsystem die Möglichkeit zu Opti­mierungen und Verbesserungen gibt. Dieser Bericht gibt insgesamt einen tollen Ein­blick in das System und den digitalen Funknetzausbau und zeigt auch ganz klar Schwachstellen auf. Er zeigt auch den Missbrauch bei Verwendung der Notrufnummer auf, der einen großen Anteil ausmacht, denn nur 20 bis 25 Prozent sind tatsächlich Notrufe.

Faktum ist auch, dass es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Wien und Vorarlberg haben das System ordentlich und optimal umgesetzt. In Salzburg und Tirol ist es derzeit in Umsetzung. Das hat uns damals noch Frau Bundesministerin Fekter im Ausschuss berichtet. In Oberösterreich ist am wenigsten geschehen. Dort gibt es der­zeit Verhandlungen mit dem Land, damit auch der Bund, der die Hardware zur Verfü­gung stellt, dabei ist.

Die Kritikpunkte waren, dass die Personalressourcen in keinem Verhältnis zu den Be­lastungen durch den Notruf gestanden sind, dass es keine Kenntnis von Kennzahlen zu Polizeieinsätzen gibt – das sollte eigentlich in der heutigen Zeit nicht mehr pas­sieren – und eine Erfassung der Wartezeiten fehlt. Es dauert bis zu 20 Sekunden, bis der Anrufer mit dem Notrufsystem Kontakt herstellen kann. Die Arbeitsplatzgestaltung ist auch teilweise mangelhaft oder dem Anforderungsprofil nur wenig entsprechend.

Ich habe schon vom starken Missbrauch gesprochen. Er erfolgt gerade über die Mobil­telefone, von denen aus man auch ohne SIM-Karte den Notruf auslösen kann.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 99

Deutschland hat derzeit das System, dass man das nur mit SIM-Karte machen kann, und der Rechnungshof hat empfohlen, dieses System aus Deutschland einzuführen. Die damalige Frau Bundesministerin hat jedoch gesagt, sie will auch weiterhin, dass dieses Notrufsystem allen zugänglich ist. Man wird noch sehen, was die derzeitige In­nenministerin dann in der Praxis umsetzen wird.

Weiters gibt es unterschiedliche Zahlenangaben von Polizei und Telekom.

Die Empfehlungen wurden vom Rechnungshof ganz klar ausgesprochen, und an deren Umsetzung wird aktiv gearbeitet: eine zentrale Leitstelle pro Bundesland, die alle Not­rufe aufnimmt; Klärung der Abweichung der Kennzahlen, aber natürlich auch die Er­stellung eines Konzepts, um aussagekräftige Kennzahlen zu erhalten.

Wichtig ist künftig auch, dass man die Wartezeiten bei den Notrufen reduziert, vermin­dert und die Personalressourcen optimal einsetzt. Wichtig ist weiters die Forderung des Rechnungshofs nach Einbindung von Sicherheitskräften, damit das System auch si­cher bleibt.

Insgesamt ist dieser Rechnungshofbericht ein umfassender und produktiver Beitrag – ich habe das eingangs schon gesagt –, um den flächendeckenden Ausbau eines Ein­satzleitsystems in Österreich voranzubringen. Es wurde auch zugesichert, dass die Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt werden. Ich hoffe, dass das in nächster Zeit beschleunigt geschehen wird, dass es eine Anlaufstelle pro Bundesland gibt, eine Notrufnummer.

Die Frau Innenministerin hat auch berichtet, dass die neue Notrufnummer 112, die ja europäischen Charakter hat, verstärkt beworben werden soll, denn das bietet allen Menschen mehr Sicherheit und dient der Bevölkerung.

Wichtig ist auch die zentrale Steuerung der Einsatzkräfte, denn oft wissen Anrufer nicht, ob es die Polizei braucht, die Rettung oder die Feuerwehr, und das soll aus die­sem Leitsystem heraus gesteuert werden.

Insgesamt: Danke an den Rechnungshof und auch an die Länder, die die Vorschläge bereits umgesetzt haben!

Die Säumigen sollen sich an den Pünktlichen ein Beispiel nehmen, dann bekommen wir in nächster Zeit in Österreich ein Notrufsystem, das funktioniert, die Ressourcen richtig einsetzt und den Menschen in Not hilft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Zanger. 4 Mi­nuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.00.29

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Meine Herren Präsidenten! Hohes Haus! Es ist dies ein Bericht, der einiges an Kapiteln umfasst. Auf eines möchte ich näher einge­hen, das zeigt, wie dilettantisch mit Volksvermögen umgegangen wird. Es bezieht sich auf das Thema SIVBEG, eine strategische Gesellschaft, die sich damit beschäftigt, mi­litärisches Liegenschaftsvermögen zu veräußern. Hiezu hat der Rechnungshof so eini­ges an Kritischem festgestellt.

Dass zwei Geschäftsführer acht Mitarbeiter führen, hat Frau Kollegin Schönpass schon angesprochen. Das zeugt wirklich von „kompetenter“ Führungsqualität. Das war vor ei­nigen Monaten noch so. Wenn man heute auf die Internetseite schaut, erkennt man, dass sich die Humanressourcen in der SIVBEG dramatisch reduziert haben, nämlich von acht auf fünf Personen. Es sind aber immer noch zwei Geschäftsführer und nur mehr drei Mitarbeiter. Das Verhältnis Führungskraft/Mitarbeiter wird also immer „bes­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 100

ser“ und wird irgendwann sicherlich einmal den Nullstand erreichen, denn dort müssen wir hin und dort sollen wir auch hin. Darauf komme ich dann noch zu sprechen.

Gehen wir ein bisschen tiefer in die Materie. Wir haben ja eine kompetente Stelle in Österreich, die sich mit Liegenschaftsverwertung beschäftigt. Das ist die BIG, die Bun­desimmobiliengesellschaft. Die wäre eigentlich ausreichend, um auch das militärische Liegenschaftsvermögen zu veräußern, zumal sich die SIVBEG des Wissens, des Know-hows und zum Teil auch der Mitarbeiter der Bundesimmobiliengesellschaft be­dient. Warum man da noch eine eigene Gesellschaft braucht, ist mir schleierhaft.

Interessantes Detail am Rande: Immer dann, wenn es Geschäftsführer gibt, gibt es natürlich auch Bonuszahlungen. Eine Zahl nur so am Rande: In einem Rumpfrech­nungsjahr, 2005, hat der Umsatz die Hälfte von dem betragen, was an Bonuszahlun­gen an die beiden Geschäftsführer ausgezahlt wurde. Das ist also wirklich ein Schild­bürgerstreich hoch drei.

Frau Kollegin Schönpass, Sie sagen, das wäre noch alles unter Schwarz-Orange, Schwarz-Blau gelaufen. Der Beginn ja, vollkommen richtig; aber geändert hat sich da­ran bis heute auch unter ihrem Minister Darabos nichts. Gar nichts! So wie sich auch in anderen Bereichen der Landesverteidigung nichts geändert hat, zumindest nicht zum Besseren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die SIVBEG hat zwei Liegenschaften im Ausland verkauft, was ich jetzt konkret ein bisschen herausgreifen will. Das eine war die Residenz in Prag, und das ist wirklich einen Bericht wert. Die Botschaft in Prag hat einen Verkehrswertgutachten erstellen lassen, so wie das kaufmännisch richtig ist. Das erste Gutachten bezifferte ihn mit 575 000 €. Das kam der Botschaft wenig vor, und aus kaufmännischer Vorsicht wurden dann noch zwei weitere Gutachten eingeholt, die dann rund 1 Million € Bewertungswert ergaben. Die SIVBEG selbst hat darauf keinen Bezug genommen. Sie hat einen Mak­ler herangezogen. Der hat eine Daumen-mal-Pi-Schätzung gemacht und, ohne dass er das Gebäude jemals betreten hätte, gesagt: 650 000 €, das wird reichen! – Interes­sante Sache: Die Botschaft sagt: 1 Million €, drei Gutachten!, der Makler sagt: 650 000 € und ich nehme den Makler! Verstehen tue ich das Ganze nicht! (Abg. Schönpass: Ich auch nicht!)

Tatsächlich erlöst wurden dann 1,04 Millionen €. Das ist ein Zeichen, dass die beiden Gutachten, die von der Botschaft eingeholt worden waren, wohl etwas wert gewesen sein werden. Dazu kommt dann aber auch noch, dass der Makler ein Erfolgshonorar erhalten hat, weil der Mindestverkaufspreis von 650 000 € überschritten wurde. Und so geht das dann weiter.

Berlin – auch noch eine interessante Sache. Wieder geht es um die Makler. Das Grundstück wurde um 780 000 € angeschafft. Dann wurde ein bisschen etwas inves­tiert, und dann sagt man in einer Schätzung Daumen mal Pi 800 000 €. Das ist nicht das, was ich mir als kompetente Gesellschaft zur Veräußerung österreichischen Volks­vermögens vorstelle.

Daraus resultiert logisch folgender Antrag der Abgeordneten Zanger und Kunasek:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport wird aufgefordert, die Strategi­sche Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und EntwicklungsgesmbH, die SIVBEG, mit Auslaufen der derzeitigen Geschäftsführerperiode aufzulösen und die Agenden der BIG zu übertragen.“

*****

Ich bin überzeugt, Sie werden alle zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.05



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 101

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend un­terstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Zanger, Kunasek, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Auflösung der SIVBEG eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungs­punkt 4, Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rech­nungshofes, Reihe BUND 2010/6 (III-134/1229 d.B.) in der 110. Sitzung des National­rates, XXIV. GP, am 16. Juni 2011.

Der Rechnungshofbericht Bund 2010/06 beinhaltet Kasernen- und Liegenschaftsver­käufe durch die SIVBEG:

„(...) Die Errichtung der SIVBEG für die Abwicklung des Kasernenverkaufsprogramms erschien weder erforderlich noch zweckmäßig, weil der Bund mit der BIG bereits über eine Verwertungsgesellschaft für seine Immobilien verfügte. Die SIVBEG bediente sich auch des Know-hows und der Infrastruktur der BIG.

Die SIVBEG wurde 2005 gegründet und erzielte bis Ende Oktober 2008 aus dem Ver­kauf von 63 ehemaligen militärischen Liegenschaften einen Erlös von 88 Mill. EUR. Geplant war, bis 2013 insgesamt 146 Liegenschaften zu verwerten und 414 Mill. EUR zu erlösen. Nach Ansicht des RH ist die Erreichung dieses Ziels gefährdet.

(...)

Bestellung von zwei Geschäftsführern

16.1 (1) Das BMLVS schrieb im Jahr 2006 vor Ablauf des ersten Geschäftsjahres die Stellen der Geschäftsführung der SIVBEG öffentlich aus.

Neben den beiden interimistischen Geschäftsführern der SIVBEG bewarben sich neun Personen um die ausgeschriebenen Positionen. Eine dreiköpfige Expertengruppe des BMLVS nahm eine Reihung der Bewerber anhand von 14 Kriterien vor.

Mit gleicher Punkteanzahl beurteilte sie einen der beiden interimistischen Geschäfts­führer und einen anderen Bewerber als am besten geeignet. Der andere interimistische Geschäftsführer der SIVBEG war unmittelbar dahinter gereiht. Von diesen drei Bewer­bern hatten nur die auf dem ersten Platz gereihten zwei Bewerber die laut Ausschrei­bung erwünschte Konzessionsprüfung, die auch eines der 14 Bewertungskriterien war.

Abweichend von der Reihung der Expertengruppe bestellte der damalige Bundesminis­ter für Landesverteidigung die beiden interimistischen Geschäftsführer zu Geschäfts­führern der SIVBEG.

(...)

Der Geschäftsführer der SIVBEG begann am 15. Jänner 2008 sein zusätzliches Dienstverhältnis bei der BIG E&V. Es umfasste eine regelmäßige wöchentliche Arbeits­zeit von 20 Stunden.

16.2 (1) Der RH bemängelte, dass

die Bestellung von zwei Geschäftsführern nicht dem Unternehmensbedarf (z.B. Ge­schäftsumfang des Unternehmens, Personalausstattung, Auslagerung von Leistungen an die BIG) entsprach und

in der Ausschreibung die Konzession als Immobilienmakler lediglich erwünscht, aber nicht ausdrücklich gefordert war, obwohl diese für die gewerbliche Tätigkeit der SIVBEG erforderlich war.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 102

Der RH empfahl dem BMLVS, die Anzahl der Geschäftsführer entsprechend dem Un­ternehmensbedarf festzulegen. Das Vier-Augen-Prinzip wäre in geeigneter Weise si­cherzustellen. Eventuell erforderliche Änderungen des Syndikatsvertrags wären anzu­streben.

Weiters empfahl der RH dem BMLVS, bei der Ausschreibung von Geschäftsführer­positionen die für die gewerbliche Tätigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erforderliche Konzession als unabdingbar vorauszusetzen.

(2) Der RH wies darauf hin, dass die Nebenbeschäftigung eines Geschäftsführers bei der BIG E&V zu Interessenskonflikten führen könnte, insbesondere bei der Entwicklung von Liegenschaften. Die tatsächliche zeitliche Mehrbelastung durch die Nebenbeschäf­tigung war für den RH nicht feststellbar, weil der Geschäftsführer keine Zeitaufzeich­nungen führte.

Prämienzahlungen an die Geschäftsführer

19.1 Für das dreimonatige Rumpfgeschäftsjahr 2005 erhielten die beiden Geschäfts­führer trotz Fehlens einer unterschriebenen schriftlichen Zielvereinbarung bzw. Ziel­vorgabe des Aufsichtsrats die vertraglich höchstmögliche Prämie, nachdem der Auf­sichtsrat im April 2006 festgestellt hatte, dass die Voraussetzungen zur Gewährung der Prämien für das Jahr 2005 formal erfüllt waren. Die Prämien der beiden Geschäfts­führer waren mit insgesamt 9.870 EUR mehr als doppelt so hoch wie die Umsatzerlöse der SIVBEG im Rumpfgeschäftsjahr 2005.

Vergabe der Gutachten

21.1 Die SIVBEG beauftragte Verkehrswertgutachten1) ohne Einholung von Ver­gleichsangeboten. Sie begründete dies damit, dass nur einige Sachverständige über die einschlägige Erfahrung und das notwendige Detailwissen verfügten, um Sonderim­mobilien wie Kasernen und Truppenübungsplätze bewerten zu können. Die Beauftra­gung der Gutachten erfolgte großteils mündlich und in den restlichen Fällen per E-Mail. Nach dem Syndikatsvertrag zwischen der Republik Österreich (BML VS) und der BIG vom 5. Oktober 2005 waren Rechtsgeschäfte, aus denen die Gesellschaft im Einzelfall mit mehr als 3.500 EUR verpflichtet wurde, von der Geschäftsführung zu unterzeich­nen.

21.2 Der RH kritisierte, dass die SIVBEG keine Vergleichsangebote bei den Vergaben von Gutachterleistungen einholte; dadurch war deren Preisangemessenheit nicht si­chergestellt. Auch die mündliche Beauftragung von Gutachtern widersprach der Rege­lung im Syndikatsvertrag.

22.1 (1) Für zwischen Oktober 2005 und Mai 2007 beauftragte Verkehrswertgutachten vereinbarte die SIVBEG mit den Gutachtern die Honorarhöhe individuell.

Ab Juni 2007 wurde ein Honorarmodell angewendet, welches die SIVBEG gemeinsam mit jenem Gutachter erarbeitet hatte, der rd. 26 % aller zwischen Oktober 2005 und September 2008 beauftragten Verkehrswertgutachten erstellt hatte. Dieses Honorar­modell sah von der Höhe des Auftrags abhängige Abschläge vom Gebührenan­spruchsgesetz (BGBI. I Nr. 136/1975 i.d.g.F.) vor. Laut Auskunft erhielt die BIG seit dem Jahr 2001 bei der Vergabe von Verkehrswertgutachten meist einen höheren Ab­schlag vom Gebührenanspruchsgesetz als im Honorarmodell der SIVBEG geregelt.

(2) Die SIVBEG legte eine Struktur und einen Mindestinhalt für die Gutachten fest und gab diese den Sachverständigen vor. Einheitliche Vorgaben für die Haftung der Sach­verständigen gab es nicht. Mit einem Gutachter vereinbarte die SIVBEG eine Haftung bei grober Fahrlässigkeit bis zur fünffachen Höhe des Honorars für den betreffenden Auftrag. Mit den anderen Sachverständigen schloss die SIVBEG keine schriftlichen Vereinbarungen bezüglich der Haftung ab.

(...)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 103

22.2 (1) Der RH bemängelte, dass das Honorarmodell für die Verkehrswertgutachten gemeinsam mit jenem Gutachter erarbeitet wurde, den die SIVBEG am häufigsten mit der Erstellung von Verkehrswertgutachten beauftragte.

(...)

23.1 Für zwischen Oktober 2005 und September 2008 eingeholte Gutachten wendete die SIVBEG insgesamt 322.629 EUR auf. Sie vergab die Aufträge an insgesamt zehn Sachverständige, wobei zwei von diesen Sachverständigen wertmäßig rd. 50 % der Aufträge erhielten. Laut eigener Darstellung beabsichtigte die SIVBEG, die Aufträge gleichmäßig auf alle geeigneten Sachverständigen zu verteilen.

(...)

24.1 Das BMLVS beauftragte die SIVBEG im Jahr 2007 mit dem Verkauf von sechs Auslandsliegenschaften. In der Aufsichtsratssitzung der SIVBEG vom September 2007 berichtete die Geschäftsführung, dass die Mitarbeiter der SIVBEG ihrer Ansicht nach nicht über die erforderlichen Markt- und Sprachkenntnisse verfügten, um diese Ver­käufe selbst durchzuführen. Sie hatte daher mit einigen Maklern Gespräche geführt und danach einen Maklervertrag mit einer international tätigen Gesellschaft, die laut Protokoll des Aufsichtsrats über Sitze in den betroffenen Ländern verfügte, ausver­handelt.

Das beauftragte Maklerbüro hatte jedoch nur an drei der sechs Standorte, an denen Immobilien verkauft werden sollten, ein eigenes Büro und nahm an den anderen drei Standorten die Mitarbeit eines ortsansässigen Maklers in Anspruch.

Über die laut Geschäftsführung der SIVBEG erfolgte Abfrage verschiedener Makler existierte lediglich eine E-Mail, in der die SIVBEG Kontakt mit dem später beauftragten Maklerbüro aufnahm. Nach Auskunft der SIVBEG hatte die Kontaktaufnahme mit ver­schiedenen anderen Maklern mündlich auf diversen Veranstaltungen stattgefunden; ei­ne Dokumentation hierüber fehlte.

(...)

25.2 Der RH bemängelte die nicht dem Bundesvergabegesetz 2006 (BGBI. I Nr. 17/2006 i.d.g.F.) entsprechende Vorgangsweise der SIVBEG bei der Vergabe von ent­geltlichen Leistungen.

(...)

26.1 Die SIVBEG beauftragte im Oktober 2007 eine Rechtsanwaltskanzlei mit der rechtlichen Beratung bei der Verwertung der sechs Auslandsliegenschaften. Sie be­gründete dies mit der gebotenen "zügigen und bestmöglichen" Abwicklung der Auf­träge.

Obwohl mit der Finanzprokuratur ein Rahmenvertrag über rechtliche Beratung bestand, zog sie diese nicht in Erwägung. Der Beratungsvertrag zwischen SIVBEG und Finanz­prokuratur enthielt wesentlich günstigere Stundensätze als jener Vertrag, weicher mit dem Rechtsanwaltsbüro abgeschlossen wurde.

Im zwischen der SIVBEG und der Rechtsanwaltskanzlei abgeschlossenen Vertrag wurde das für die Beratung beim Verkauf der sechs Auslandsliegenschaften anfallende Honorar auf 35. 000 EUR geschätzt. Die Kanzlei stellte der SIVBEG ein Gesamthono­rar in Höhe von rd. 97.000 EUR in Rechnung. Die SIVBEG begründete diese Kos­tensteigerung mit von der Rechtsanwaltskanzlei erbrachten Zusatzleistungen – wie z.B. der Übersetzung der Kaufverträge –, zu welchen sie diese beauftragt hatte.

(...)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 104

Residenz, Prag

30.1 (1) Der Verkauf der Liegenschaft in Prag erfolgte aufgrund der Beauftragung

vom Mai 2007. Im selben Monat ließ die Österreichische Botschaft in Prag (Botschaft) ein Verkehrswertgutachten erstellen. Da die Botschaft den Verkehrswert von 575.000 EUR im Gutachten als gering einschätzte, gab sie zwei weitere Gutachten in Auftrag. Diese wiesen Verkehrswerte von 1,08 Mill. EUR bzw. 1,18 Mill. EUR auf.

Ohne die Residenz, die sich auf dem in Prager Bestlage gelegenen Grundstück be­fand, von innen gesehen zu haben, schätzte der von der SIVBEG beauftragte Makler das Objekt auf 650.000 EUR. Der Makler hielt die Verkehrswerte der beiden zusätzlich in Auftrag gegebenen Gutachten für zu hoch, ohne dies im Detail zu begründen.

Das Bewertungsteam legte im September 2007 den Mindestverkaufspreis mit 650.000 EUR fest und folgte damit der Empfehlung des Maklers. Danach wurde die Liegen­schaft vom Makler ausgeschrieben. Bis zum Ende der Anbotsfrist Mitte Jänner 2008 langten drei Kaufangebote ein. Anfang Februar 2008 fand in Prag eine Verkaufsver­handlung statt, zu welcher die drei Bieter eingeladen wurden. Das beste Angebot und damit der Verkaufspreis der Liegenschaft betrug 1,04 Mill. EUR.

(2) Obwohl die Maklerleistungen vom Käufer abgegolten wurden, erhielt der Makler von der SIVBEG ein Erfolgshonorar von 3.900 EUR, weil der vom Bewertungsteam festgelegte Mindestverkaufspreis überschritten wurde. Eine schriftliche Vereinbarung fehlte.

Die BIG bekam aufgrund vertraglicher Regelungen zusätzlich ein über ihre schriftlich vereinbarte Provision hinausgehendes Erfolgshonorar von 25.480 EUR.

30.2 (1) Der RH kritisierte, dass die SIVBEG die Einschätzung des Maklers nicht hin­terfragt hatte. Nach Ansicht des RH wäre dies bei Vorliegen von drei Gutachten und dem von der Botschaft angefertigten Vermerk angebracht gewesen. Insbesondere er­achtete der RH das dem Makler ausbezahlte Erfolgshonorar als nicht gerechtfertigt, weil die Überschreitung des Mindestverkaufspreises nur aufgrund der nachvollziehbar sehr geringen Einschätzung des Maklers zustande gekommen war und eine schriftliche vertragliche Grundlage fehlte.

(2) Für den RH war sachlich nicht nachvollziehbar, dass der BIG vertraglich ein Er­folgshonorar zugestanden wurde, obwohl sie im Verkaufsprozess operativ nicht mit­wirkte.

Liegenschaft, Berlin

31.1 Im September 2007 erhielt die SIVBEG den Auftrag zum Verkauf der Liegenschaft in Berlin. Die Republik Österreich hatte das Grundstück in Berlin Grunewald im Jahr 2004 um rd. 780.000 EUR angekauft, um eine Residenz für den Verteidigungsattache zu errichten; sie wendete bis Herbst 2006 für die Planung des Neubaus durch das BMLVS rd. 159.000 EUR auf.

Da der Ankauf des Grundstücks im Jahr 2004 um 780.000 EUR erfolgt war, empfahl der Makler – ohne Einholung eines Verkehrswertgutachtens – einen Verkaufspreis von 800.000 EUR, den das Bewertungsteam bestätigte. Erst nach Beginn der Ausschrei­bung der Liegenschaft übermittelte das BMLVS Gutachten zu einer möglichen Konta­mination der Liegenschaft an die SIVBEG. Dies führte zu einer Verunsicherung von Kaufinteressenten, welchen die SIVBEG diese Gutachten nachträglich zugesandt hat­te. Bis zum Ende der Anbotsfrist Mitte Jänner 2008 langte nur ein gültiges Kaufangebot ein. Das Grundstück wurde an diesen Bieter, der Eigentümer des Nachbargrundstücks war, um 810.000 EUR verkauft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 105

31.2 Der RH kritisierte, dass das BMLVS die Informationen zu einer bestehenden Kon­tamination der SIVBEG erst nach Beginn der Ausschreibung bekannt gegeben hatte, obwohl entsprechende Unterlagen im BMLVS vorlagen. (...)"

Auf Grund dieses vernichtenden Rechnungshofberichtes ist die SIVBEG mit sofortiger Wirkung aufzulösen und die Agenden sind von der BIG wahrzunehmen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport wird aufgefordert, die Strategi­sche Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und EntwicklungsgesmbH, die SIVBEG, mit Auslaufen der derzeitigen Geschäftsführerperiode aufzulösen und die Agenden der BIG zu übertragen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.05.50

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsi­dent! Meine Damen und Herren! Der Wunsch der Politik setzt sich oft über wirt­schaftliche Berechnungen, wirtschaftliche Erwägungen mehr oder weniger verantwor­tungslos, oft auch kaltschnäuzig einfach hinweg. Das ist der Fall gewesen bei der Gründung dieser Immobiliensondergesellschaft für die Heeresimmobilien. Wir als Grü­ne waren von vornherein – und das ist dokumentiert – in den verschiedensten Aus­schüssen massiv dagegen, dass man eine eigene Gesellschaft gründet. Wir haben von Anfang an gesagt, dass das ureigenes Terrain der BIG ist. Das kann die BIG. Die BIG hat die entsprechenden Ressourcen, das entsprechende Know-how, die entspre­chenden Verbindungen. Und wir sparen uns zusätzliche Geschäftsführer, zusätzliche Abwickler. Der Rechnungshof gibt uns recht. Es sind allerdings leider inzwischen min­destens fünf oder sechs Jahre vergangen und leider viele, viele Millionen Euro den Bach hinuntergeflossen.

Ganz ähnlich entwickelt sich die Situation am Hauptbahnhof. Am Beginn stand ein politischer Wunsch: Ja, ich will einen Stadtteil entwickeln! – Das ist legitim. Es bestand ein zweiter politischer Wunsch: Ja, ich will einen Bahnhof verbessern! – Das ist legitim. Das Zusammenwirken dieser politischen Wünsche mündet dann in ein Milliardenpro­jekt, das von der ursprünglichen Kostenschätzung meilenweit entfernt ist. Die ur­sprüngliche Kostenschätzung ist laut Rechnungshofbericht im Rahmenplan 2005 mit 423 Millionen € beziffert gewesen. Laut Einschätzung aus dem Jahr 2009 – jetzt haben wir ohnedies schon 2011 –, sind es 1,199 Milliarden €.

Na gut. Wir sind das ja schon fast gewöhnt. Das ist ja die Wiederkehr des Ewigglei­chen bei Infrastrukturprojekten, dass die Kostenüberschreitungen ständig mindestens das Doppelte ausmachen. Mindestens das Doppelte! Wir wissen, dass die Kosten an­fangs immer niedrig gehalten werden, damit das politische Projekt überhaupt be­schlossen wird. Das ist sozusagen die Einstiegslüge oder die Einstiegsdroge. Was dann herauskommt, na gut, das sehen wir dann in den verschiedenen Bereichen. Wir wissen es jetzt im Hinblick auf die Zahlen auch durch den Rechnungshof.

Diese Kostenentwicklung und diese Planungsentwicklung haben mehrere Achillesfer­sen. Das ist noch ein harmloser Ausdruck, und das kann man in verschiedenen Facet­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 106

ten aufrollen. Es gibt nicht nur diese Kaskade der Kostenexplosion, es gibt ja auch Pla­nungsmurks.

Nun, gehen wir es der Reihe nach an. Es geht also um eine technische Infrastruktur für eine Stadtteilentwicklung. Das Gesamtprojekt Südbahnhof ist also eingebettet in ein Stadtentwicklungskonzept der Stadt Wien. Dass es jetzt in erster Linie um die Stadt­entwicklung und seitens der ÖBB in erster Linie um die Immobilienverwertung, in aller­erster Linie um einen Geschäftsbereich mit Anschluss an ein Bahngleis geht, das ist dann eben das Ergebnis einer solchen Herangehensweise.

Unseres Erachtens nach wäre bei dieser Planung von vornherein von Seiten des Bun­des die Sicht der Kundinnen und Kunden der ÖBB prinzipiell vorrangig zu berücksich­tigen gewesen. Es geht darum, dass die Menschen, die aus Österreichs südlichem oder östlichen Bereich kommen, endlich einen akzeptablen Bahnhof vorfinden. Der Südbahnhof war ein Schandfleck. Keine Frage! Es hätte dort schon längst saniert werden müssen. Diese Sanierung ist jetzt allerdings mit anderen Überlegungen zusam­mengefallen, zum Beispiel auch mit der Zusammenlegung verschiedener ÖBB-Be­triebssysteme oder -Betriebserfordernisse.

Da hakte der Rechnungshof ein mit seiner Kritik. Er sagt, die Tatsache, dass die Wirt­schaftlichkeitsberechnung vonseiten der ÖBB für dieses neue Hauptbahnhof-als-Durchgangsbahnhof-Projekt überhaupt positiv ausgegangen ist, beruht in erster Linie darauf, dass man die Finanzierungskosten gar nicht mit einbezogen hat. Es war von Anfang an ein grober Fehler, nicht die ganze Wahrheit auf den Tisch zu legen und mühsam eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zusammenzustoppeln, damit das Projekt überhaupt beschlussreif wird, unter Missachtung der Finanzierungskostenfrage. Da fängt die Krux schon an.

Das Nächste ist: Wenn man einen neuen Hauptbahnhof plant – wenn nur 10 Prozent dieser Gäste, die vom Westen nach Wien kommen, die jetzt zwangsweise dort hinge­führt werden, außer sie steigen schon in St. Pölten oder in Meidling aus, wenn sie überhaupt dorthin wollen (Abg. Dr. Pirklhuber: Unglaublich!), das ist ja schon einmal eine Grundsatzüberlegung, die dem ganzen Projekt als Mühlstein um den Hals hängt –, dann hätte man zumindest die Anbindung an die örtlichen Wiener Verkehrsmittel bes­ser gestalten müssen.

Derzeit droht ein Szenario, das es auf einem internationalen Durchgangsbahnhof einer Millionenstadt überhaupt nicht gibt, nämlich eine einzige U-Bahn-Anbindung, und zwar in beträchtlicher Entfernung von den Bahngleisen. Planungsfehler lagen schon früher vor – das hat der Rechnungshof in diesem Zusammenhang wieder kritisiert –, nämlich bei der Wiener U-Bahn-Planung der U1-Haltestelle Südtiroler Platz jenseits des Süd­bahnhofes.

Weiters ist das deshalb zu kritisieren, weil der Bund den Wiener U-Bahnbauten immer 50 Prozent der Kosten zuschießt. Die Kritik des Rechnungshofes, anhand von Details, im neuen Projekt noch einmal dokumentiert, lautet: Der Bund zahlt, stellt aber keine Junktims und Bedingungen auf. Der Bund gibt Geld – und die U-Bahn fährt vorbei! Der Bund zahlt die Hälfte der U-Bahn-Kosten, aber die Fahrgäste der Österreichischen Bundesbahnen werden doch nicht ordentlich bedient.

Diese Kritik des Rechnungshofs ist höchst berechtigt. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, dass bei der Planung dieses neuen Bahnhofs, wenn es schon ein neuer sein soll, in erster Linie den Interessen der Fahrgäste – und nicht jenen der Immobilien­wirtschaft, der Grundstückswirtschaft und der Geschäftswelt in Form von Schnellim­biss-Ständen und so weiter – nachgekommen werden soll! (Beifall der Abgeordneten Dr. Pirklhuber und Dr. Walser.)

Jetzt kommt der nächste Murks: öffentliche Verkehrsanbindung, der Peoplemover. Weil die U1 so weit weg ist, dachte man sich so eine Art „horizontales Ringelspiel“ aus, wie


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das Riesenrad, eben den Peoplemover, der zwischen dem Hauptbahnhof und den größten erschlossenen neu zu errichtenden Gebäuden zur U-Bahnstation kreist.

Dieser Peoplemover hat in sich schon eine relativ dubiose Vorgeschichte, weil da wie­der mit Grundstücksgeschäften und Errichtungsgesellschaften etwas im Busch war. Ich will Ihnen die ganze Geschichte von Huber, Schillerplatz und Seeste und so weiter in diesem Zusammenhang ersparen.

Jedenfalls kam man dann schlussendlich doch zu der Erkenntnis, dass dieses People­mover-Werkl extrem hohe Kosten verursacht, und verzichtete darauf. Immerhin kommt jetzt ein Anschein oder ein erster Schritt der Vernunft, dass es wenigstens eine S-Bahn-Station gibt. Aber auch dazu musste einerseits grüne Kritik, andererseits jene des Rech­nungshofs am Werk sein.

Nächster Humbug – Sie werden es nicht glauben, wir haben kaum genügend Steuer­geld, um die ÖBB-Ausbauten zu finanzieren; Stichwort: Rahmenplan –: Was wird jetzt aus den Mitteln des Rahmenplans, die sowieso für die oft sinnvollen pendlerInnen­orientierten Projekte viel zu wenig sind und für diese Großbauprojekte viel zu viel sind? Was wird aus diesen Rahmenplanmitteln dann noch finanziert? – 7 Millionen € für die Werbung für den Hauptbahnhof.

Völlig unnütz! Die Stadt Wien soll von mir aus für ihre neuen Wohngebiete dort werben, aber wozu müssen die ÖBB für einen neuen Hauptbahnhof werben?! Ist doch ganz wurscht, da war kein Bevölkerungswiderstand – nicht wie bei Stuttgart 21, wie es im Ausschuss formuliert worden ist; überhaupt kein Anschein davon, nicht das leichteste Lüfterl!

Da gibt es wieder Verschwendung auf Kosten der Menschen, die Steuern zahlen und dann am Hauptbahnhof Verkehrsbedingungen vorfinden, die eigentlich in Summe für relativ viele sogar eine Verschlechterung darstellen.

Aufgrund der Zeit kann ich Ihnen nur persönlich ans Herz legen: Lesen Sie den Bericht selbst, lesen Sie auch die Empfehlungen, ich kann jetzt leider nicht darauf eingehen, und denken Sie daran: Allein der Bau des neuen Südbahnhofes hat Fahrgäste im Um­fang von 45 000 vertrieben! Durch die Baumaßnahmen sind 45 000 weniger Fahrgäste eingetroffen! Es wird ein hartes Stück Arbeit sein, diese wiederzugewinnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schenk zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.15.22

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich heute zur Fehlplanung des Wiener Hauptbahnhofs äußern. Der Rechnungshof hat dazu eine ganze Reihe von Kritikpunk­ten festgestellt: die unklare Kostenteilung zwischen Stadt Wien und ÖBB, die unrealisti­sche Kostenschätzung, die unzureichende Verkehrsanbindung – das hat schon die Kollegin Moser ausgeführt – und die geplante Standseilbahn, der sogenannte People­mover, der wäre viel zu teuer.

Weitere Kritik: Seit 40 Jahren fehlt immer noch eine systematische Zusammenstellung von Planungsgrundsätzen; auch das wäre dringend nachzuholen. Die kritisierten Per­sonen seitens der Stadt Wien haben darauf reagiert. Und wie haben sie darauf re­agiert? – Der Verkehrsstadtrat Schicker hat mit Kritik darauf reagiert. Er sagte, der Rechnungshof bleibe Quellenangaben schuldig, berücksichtige wichtige Elemente nicht und verliere sich in gedanklichen Spielereien. – Ich frage mich: In welchen Spiele­reien hat sich der Herr Verkehrsstadtrat bei der Planung dieses Projektes verloren? (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 108

Weiters spricht er sich explizit gegen den Peoplemover aus, er sagt, dieser werde am Hauptbahnhof nicht gebraucht. Dem möchte ich aber die Aussage des Wiener Bürger­meisters Häupl entgegenstellen, der vor rund zwei Jahren, im Jahr 2009, sagte, dass die Standseilbahn, der sogenannte Peoplemover, auf jeden Fall kommt und dass die Stadt dafür Geld lockermachen wird.

Geld kann man leicht lockermachen, wenn es nicht das eigene, sondern jenes der Steuerzahler ist. – Das ist ein Beispiel Ihrer Politik! Das ist symptomatisch für die SPÖ: Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut! (Demonstrativer Beifall beim BZÖ.) Es wird Geld ausgegeben beziehungsweise verplant, das nicht einmal da ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Auf den Peoplemover möchte ich noch speziell eingehen: Ursprünglich war dieser mit 35 Millionen € budgetiert, auf einmal waren es dann 50 Millionen €. Das muss man sich einmal vorstellen! Das schaut fast so aus, als ob man da, ich weiß nicht, irgendetwas hin und her tauscht, das ist in keiner Weise rechtfertigbar und nicht finanzierbar. Der Rechnungshof ist in seinem Bericht noch von 25 Millionen € ausgegangen. Mittlerweile ist das Projekt Peoplemover gestorben, man bleibt bei der alten Verbindung, dass eben die S-Bahn dort weiterhin ausbaut wird.

Das gesamte Projekt ist ein sehr langwieriges und langjährig geplantes. 2015 wird das Gleisprojekt abgeschlossen sein und der Vollbetrieb aufgenommen werden können, 2019 ist die Fertigstellung des gesamten Stadtviertels geplant. Ich bin mir leider sicher, dass wir bis dahin diesbezüglich noch einige Berichte behandeln werden und dass die Kosten abermals nach oben korrigiert werden – und das kann und darf es nicht sein! – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

14.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.18.48

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Meine Damen und Herren! Ein paar wenige Bemerkungen zur SIVBEG. Es haben bereits die Frau Kollegin Schönpass und Kollege Zanger auf die Hauptkri­tikpunkte in diesem Zusammenhang hingewiesen, nämlich die Befürchtung, dass die Ziele nicht erreicht werden, sowie die Kritik zu den Geschäftsführerverträgen. Auch die Aussagen unseres Verteidigungsministers Darabos dazu wurden bereits angespro­chen.

Da Zanger in diesem Zusammenhang gemeint hat, dass unter Darabos nichts weiter­gegangen ist, meine ich, es wäre gut gewesen, im Ausschuss aufzupassen. (Abg. Zan­ger: ... Bundesheer!) Er hat auch dazu Stellung genommen, dass aktuell 87 Liegen­schaften mit dem Ergebnis von 126 Millionen € verwertet sind und er damit sowohl in der Zahl als auch im Ergebnis über dem Plan liegt.

Ein Problem gibt es tatsächlich mit den großen Liegenschaften. Hier wird mehr Phanta­sie eingefordert, nämlich die Möglichkeit der Liegenschaftsteilungen, Widmungsmög­lichkeiten oder auch in der Vermarktungsstrategie.

Von der großen Euphorie des früheren Verteidigungsministers Platter, als die Grün­dung dieser Gesellschaft als der große Reformschritt verkauft wurde, ist auch im Be­richt des Rechnungshofes nichts zu erkennen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es Verteidigungsminister Darabos gelingen wird, die Versäumnisse seines Vorgängers zu kompensieren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hornek. 4 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 109

14.20.46

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Rechnungshofpräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf ganz kurz auf den Wiener Hauptbahnhof Bezug nehmen. Es ist dies ein infrastrukturelles Groß­projekt – als solches kann man es zweifellos bezeichnen –, das drei internationale Dehnachsen verbindet, jene von Paris bis Bratislava, jene von Athen bis Dresden und jene von Danzig bis Venedig. Das Investitionsvolumen ist beachtlich. Es ist dies ein Großprojekt, das es in hohem Maße rechtfertigt, sich in Bezug auf die Kosten zeitge­recht Gedanken zu machen.

Die Erstschätzungen im Zuge des Rahmenplans 2005 haben 2010 420 Millionen € be­tragen. Bereits im Jahr 2007 hatte sich diese Situation geändert, der Beschluss in die­sem Zusammenhang lautete bereits auf 784 Millionen €, wobei dazu grundsätzlich fest­zuhalten ist: Wenn man zeitgerecht erkennt, dass eine umfassendere Maßnahme not­wendig ist, dann kann und soll man das durchaus in dieser Form durchführen, muss al­lerdings die Kosten in diesem Zusammenhang im Auge behalten. Die folglichen Schätzkosten, eine leicht zu merkende Zahl von einer Milliarde €, spiegeln das ent­sprechend wider. Daher ist es auch in hohem Maße wertvoll, wenn der Rechnungshof eine Bewertung in diesem Zusammenhang vornimmt.

Nicht so positiv sehe ich die Situation in Bezug auf die Tatsache, dass ein wertvoller Durchgangsbahnhof, der mehrere Kopfbahnhöfe ersetzt, nicht optimal an das Wiener U-Bahnnetz angebunden wurde und entsprechende Adaptierungsversuche notwendig wurden.

Zum legendären Peoplemover – das kann man sich in etwa als Personenförderband der anderen Art vorstellen –: Darauf möchte ich nicht näher eingehen, das wurde dis­kutiert und de facto aus Kostengründen ad acta gelegt.

Ich muss allerdings mit Bedauern feststellen, dass man beachtliche Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt hat – und zwar in einer Dimension von 6,8 Millionen € auf der einen Seite. Auf der anderen Seite waren das, wie wir erfahren mussten, nicht 100 Prozent, sondern nur 50 Prozent. Die Stadt Wien hat einen ebensolchen Be­trag zur Verfügung gestellt.

Das ist eine finanzielle Dimension, die ich als extrem übertrieben betrachte. Speziell im Hinblick auf die finanzielle Situation der Österreichischen Bundesbahnen würde ich mir einen wesentlich effizienteren Umgang in diesem Bereich vorstellen. Es gibt in diesem Zusammenhang internationale Vergleiche, wo man mit wesentlich weniger Geld den­selben Effekt erreichen konnte.

Ich wünsche mir, dass dieses Projekt schlussendlich jenes Ziel erreicht, das im Zuge der Stadtplanung, aber auch im Zuge der Anbindung Österreichs und unserer Bundes­hauptstadt an die Dehnprojekte gestellt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

14.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mayerhofer zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.24.19

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Dieser Bericht behandelt einen der wichtigsten Bereiche in einem zivilisierten Staat wie Ös­terreich, nämlich jene Einrichtung, an die sich der Bürger in der Not wendet, weshalb dieser Einrichtung ein besonderes Augenmerk geschenkt werden soll.

Aus eigener Erfahrung stelle ich fest, dass das Gelingen eines Polizeieinsatzes ganz eng zusammenhängt mit den Beamten an der Leitstelle sowie damit, wie schnell Ein­satzkräfte vorhanden sind. Es geht immerhin um die Sicherung der Spuren am Tatort.


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Je länger es dauert, bis die Polizei dort eintrifft, desto mehr verwischen sich die Spu­ren, desto mehr beginnt die Vergesslichkeit zu greifen, desto weniger gute Aussagen bekommt man von den beteiligten Zeugen. Ganz wichtig ist auch, dass die Beamten dort mit brauchbaren und in der Praxis bewährten technischen Hilfsmitteln ausgestattet sind.

Ersteres, nämlich motivierte Beamte, haben wir Gott sei Dank noch immer. Vom Rech­nungshof wurde festgestellt – das freut mich ganz besonders, denn die Aussagen von Personalvertretern werden ja gerne als irgendetwas Parteipolitisches abgetan –, dass die Beamten zu wenig Geld bekommen – Beamte, die dort jahrzehntelang Dienst ver­sehen und ein Gemüt wie ein Bernhardiner haben müssen, und das über Jahrzehnte, und das auch noch heil überstehen. Diese Beamten bekommen zu wenig Geld, und die Frau Innenminister hat jetzt nicht mehr viel Zeit – sie ist erst seit Kurzem im Amt –, diesen Missstand abzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die gestern erwähnten 1 000 Polizisten, das war wieder ein Beispiel für Verwischungs­taktik vom Herrn Bundeskanzler Faymann und dafür, dass die Bevölkerung ohnehin nicht unterscheidet, wie viele Polizisten wirklich von der Schule kommen, sie hört ein­fach irgendwas von tausend. Und man verlässt sich auf die Oberflächlichkeit der Men­schen und meint, weil diese sich nicht so intensiv damit befassen, glauben sie, es sind tausend neue Polizisten pro Jahr. – Mitnichten! Ich bin einmal in der Woche im Dienst und sehe, wie viele Beamte monatlich abkommandiert werden und wie viele neu dazu­kommen. Da gibt es ein ordentliches Minus.

Da beißt sich auch die Katze in den Schweif. Zu wenige Einsatzkräfte bedeuten mehr Notrufe; denn die Beteiligten, die Hilfe Suchenden, die ja den Notruf nicht aus Jux und Tollerei betätigt haben, urgieren den Notruf, rufen ein paarmal an, weil die Polizei zu lange braucht. Auch das ist kritisiert worden und hängt nicht mit dem Einsatzwillen der Beamten zusammen, sondern mit einer schlechten Innenministerin, insbesondere der jetzigen Finanzministerin, die nicht den Bedürfnissen gerecht wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist wirklich nicht angenehm. Ein Beispiel aus der Lugner City: Wenn eine Verkäu­ferin vom Media Markt mit drei halbwüchsigen Ladendieben eine halbe Stunde auf ei­nen Funkwagen warten muss, dann ist das wahrlich nicht angenehm. Dabei besteht übrigens hohes Sicherheitsrisiko. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Es gibt noch andere Fälle, wo der Bürger aufgrund dieser schlechten Sicherheitspolitik der ÖVP wieder zum Handkuss kommt, nämlich wenn sich ein Juwelier auf der Hernal­ser Hauptstraße eine Alarmanlage zulegt und dort gemäß der Richtlinie bei einem Fehlalarm sofort anruft, um den Alarm zu stornieren; nur so kann er nämlich die Kosten von 109,10 € verhindern. – Geht nicht! Warum geht das nicht? Weil der Notrufbeamte nicht abheben kann, weil er überlastet ist. So ist wieder einmal der Bürger der Ge­schnapste. Auch das gehört einmal aufgezeigt! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Daran wird sichtbar, dass die kritische Opposition mehr als berechtigt bessere Ausstat­tung für die Polizei und insbesondere Leitstellen fordert.

Zur Einsatzstatistik nur zwei Zahlen: Von 2000 bis 2008 hat sich die Zahl der Einsätze verdoppelt, und das bei sinkendem Personalstand in der Funkstelle! Daher hat dieser Beamte vom Rechnungshof mehr als recht. Da geht es nämlich um die zentralsten Auf­gaben im Interesse der Sicherheit des Bürgers, das sind Kernaufgaben, denen diese Regierung nicht nachkommt. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Wenn dann der Bürger am Abend hundemüde, etwa nach einem Vierundzwanziger, wie man bei uns sagt, die Zeitung aufschlägt und dann liest, dass Hunderte Millionen € für Haftungen da sind ... (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) – Lieber Kollege Scheib­ner, auch der Polizist ist Bürger, auch er liest die Zeitung, wenn er hundemüde ist, und sieht, was die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ mit seinem Steuergeld machen. Das


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Geld wird nämlich nach Griechenland geschickt, womit vielleicht dort der Ankauf von Funkautos und tollen Leitstellen gesichert wird, nur hier fehlen sie! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Bei der Genauigkeit dieses Berichtes will ich nicht außer Acht lassen, dass möglicher­weise ein ganz besonders tüchtiger Beamter des Rechnungshofs, den ich persönlich kenne, daran mitgearbeitet hat. Er war Polizist am Polizeiposten in Admont, glaube ich. Er war dann Wachkommandant in Wien 2 und ist vor einigen Monaten in Pension ge­gangen. Da sieht man, dass im Rechnungshof sachorientierte Fachbeamte am Werk sind. Die Frau Ministerin sollte sich endlich die Ergebnisse zu Herzen nehmen! – Dan­ke vielmals. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

14.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grüne­wald zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.30.27

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich bedanke mich auch, und zwar für Ihren Blaulichteinsatz bezüglich Gesundheitswesen und Sozialversicherungen.

Es ist recht spannend. Der Rechnungshof hat drei Versicherungsträger herausgegrif­fen: die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, die BVA, also öffent­licher Dienst, und die Steiermärkische Gebietskrankenkasse. Hätten Sie noch andere Kassen dazu genommen, hätte sich ein Befund an den anderen gereiht und man hätte eine hervorragende Diagnose stellen können, aber diese zeichnet sich auch jetzt schon ab.

Innerhalb eines Bundeslandes von neun ergeben sich zwischen diesen Trägern Kos­tenunterschiede bei Laborleistungen, die das Vierfache erreichen, teilweise sogar über­steigen. Man hat ein großes Blutbild herausgegriffen, man hat den TSH-Wert heraus­gegriffen. Das ist der einzige kleine Fehler des Rechnungshofes. TSH ist kein Schild­drüsenhormon, sondern ein Hormon der Hypophyse, das die Schilddrüse stimuliert. Aber egal, das soll jetzt keine Rolle spielen.

Vierfache Preisunterschiede sind ein Wahnsinn! Wenn man dazurechnet, dass sich der Rechnungshof nur Laborparameter angeschaut hat, muss ich hinzufügen, es gibt Un­terschiede überall: in den ärztlichen Honoraren, in den einzelnen LKF-Punkten, die es im niedergelassenen Bereich nicht einmal gibt, wo es wirklich vom Verhandlungsge­schick lokaler Kassenchefs, sage ich einmal, oder lokaler Ärzte- und Kammervertreter abhängt, welche Güte, welche Versorgungsdichte und welche Qualität ein Gesund­heitswesen in einem Bundesland erlangt.

Qualität hat natürlich auch mit Effizienz und Kosten etwas zu tun, denn das Geld für unnötige Kosten könnte man dort einsetzen, wo große Versorgungslücken herrschen, die bis heute nicht geschossen wurden. Wir Grüne waren immer dafür, dass Qualität im Gesundheitswesen gegeben ist, wir waren immer dafür, dass es eine Harmonisie­rung der Beiträge geben soll. Diese sind in etwa schon sehr ähnlich, aber dann müsste dieser Harmonisierung auch eine Harmonisierung der Leistungen folgen.

Es geht nicht an, dass es vom Meldezettel oder vom Horoskop oder von der Typologie eines Landeshauptmannes beziehungsweise seines/seiner Gesundheitslandesrates oder -rätin abhängt, wie die Versorgung im Bundesland ist. Es gibt Unterschiede in der Prävention. Es gibt Unterschiede bei Vorsorgeuntersuchungen wie Darmspiegelungen, wo völlig unterschiedliche Hygienebedingungen vorherrschen, wo teilweise in einer freien Praxis Dinge erlaubt sind, die im Krankenhaus undenkbar wären. Da kommen auch viele Doppelbefundungen her, weil vielen Befunden nicht mehr geglaubt wird. Das sollte man auch sehen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 112

Diesbezüglich zu Vereinheitlichungen zu kommen wäre wirklich notwendig. Auch Ope­rationsklassen werden unterschiedlich bezahlt und bewertet, und auch die Einkommen der Ärzte sorgen aufgrund von dubiosen Privathonorar-Regelungen, die bei Weitem nicht harmonisiert sind, laufend für Unmut.

Also ich würde sehr dafür plädieren, da die PatientInnen oder die Versicherten ja kein Recht haben, ihre Vertreter in den Kassen, geschweige denn ihre Vertreter in der Ärz­tekammer zu wählen, dass hier mehr Transparenz und mehr Einheitlichkeit zustande kommt.

Wenn ich höre, was teilweise – aber ich sage jetzt nichts gegen Lehrer – die Lehrer für gute Kassen haben und wie die rufen und schreien, wenn man sagt, in einer Republik von acht Millionen Einwohnern müsste es eigentlich nicht über 20 Kassen geben, müsste es nicht mehr als zehn Krankenanstaltengesetze geben, so wundere ich mich schon einigermaßen. Hier summiert sich der Unterschied bei den Kassen noch zu den föderalen Bedingungen Österreichs, wo in 15a-Vereinbarungen – oder ich nenne das jetzt Korruption auf höchster Ebene – den Ländern eine Unterschrift zu Gesetzen ab­gekauft wird. Die Grundsatzgesetze des Bundes und des Gesundheitswesens sind meistens nicht so schlecht. Aber wenn man sich die Ausführungsgesetze anschaut: Entweder sie kommen nicht oder sie sind verfassungswidrig oder sie nivellieren nach unten.

Da hätte der Rechnungshof unheimlich viel zu tun. Wir wünschen uns, dass auch über­legt wird, ob diese Berufsständigkeit von Kassen noch zeitgemäß ist, die unter Bis­marck vielleicht noch Sinn gemacht hat. Da waren Bergleute und Arbeiter wirklich sehr viel anders gefährdet als Angestellte und Beamte. Das hat sich ja dermaßen verscho­ben, dass im Prinzip eine Reduktion der Kassen ein Gebot der Stunde wäre.

Wir verlangen auf jeden Fall eine Harmonisierung der Leistungen, eine Harmonisierung der Qualität und einen Rückbau des Föderalismus, auch wenn das in Tirol, im Land des Andreas-Hofer-Jahres, nicht gerne gehört wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schick­hofer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.35.46

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): Ich glaube, der Bericht zu den Po­lizei-Notrufen ist ein weiterer Appell des Rechnungshofes, auch in der Politik nach be­triebswirtschaftlichen Kriterien vorzugehen. Was uns da fehlt, ist eine klare politische Zielsetzung auch des Innenministeriums, wonach es flächendeckend eine umgehende Notrufannahme und flächendeckend klare Einsatzzeiten geben soll. Das macht es not­wendig, dass man auch operationalisiert. Wir haben ja im Bericht thematisiert: In Wien werden 74 Prozent der Notrufe in weniger als 10 Sekunden beantwortet. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Ziel auch schon österreichweit erreicht wird. Daran sollten wir arbeiten und dafür sollten wir uns einsetzen.

Die durchschnittlichen Interventionszeiten in Wien sind 4 Minuten. Ich glaube, da braucht es in den ländlichen Gebieten einige Anstrengungen, diese Interventionszeiten zu erreichen. Ich hoffe, dass sich auch das Innenministerium die politische Zielsetzung gibt, umgehend die Notrufe flächendeckend anzunehmen.

Ich glaube auch, dass die Operationalisierung ein ganz wichtiges Thema ist. Man muss sagen, in welcher Zeit Notrufe angenommen werden sollen. Das ist auch für die Be­amten wichtig. Welche durchschnittliche Interventionszeit will man erreichen und wie kann man Prioritäten setzen? Im nächsten Schritt kommt man zur effizienten Umset­zung. Da muss man sich anschauen, ob es dezentrale Leitstellen oder zentrale Leit­stellen braucht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 113

Und wenn da der Rechnungshof schon analysiert, dass 180 Beamte mehr auf der Stra­ße sein könnten, wenn man zentrale Leitstellen hätte, dann sollten wir von der Politik das auch zum Anlass nehmen – denn uns geht es ja um die politische Gesamtzielset­zung und nicht um die Umsetzungsdetails –, sofort Maßnahmen zu setzen und diese Leitstellen einzuführen. Das soll möglichst nicht zehn Jahre dauern und auch nicht ho­he Projektkosten verursachen.

Das Vierte, was es natürlich braucht, sind ein permanentes Controlling und die ent­sprechenden Informationssysteme. Auch da fehlt es leider im Bereich des Polizei-Not­rufes.

Ich hoffe, dass wir in allen Politikbereichen und Ressortbereichen das betriebswirt­schaftliche beziehungsweise politische Ziel haben, unsere politischen Vorstellungen zu operationalisieren, effizient umzusetzen und auch entsprechend zu kontrollieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.38.27

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich möchte meinen Debat­tenbeitrag zum Hauptbahnhof-Projekt Wien abgeben. Ich möchte eingangs grundsätz­lich festhalten, dass ich es als überaus positiv bewerte, dass solche Großinfrastruktur­projekte wie der Hauptbahnhof Wien vom Rechnungshof begleitend geprüft werden, weil es da um sehr viel Steuergeld geht.

Natürlich kann man viele Dinge erst im Nachhinein feststellen – leider –, und es wäre eine noch zeitnähere Begleitung und Prüfung natürlich sinnvoll. Zum gegenständlichen Projekt Hauptbahnhof Wien mit diesem neuen Stadtviertel und zusätzlichen Infrastruk­turteilen möchte ich schon etwas sagen, und ich gehöre nicht zu denen, die bei Kos­tenüberschreitung gleich rufen, dass ein Skandal vorliegt oder irgendeine Misswirt­schaft vorhanden ist, weil es möglicherweise für Kostensteigungen immer auch nach­vollziehbare Gründe gibt.

Bei diesem Projekt ist es schon so, dass es zu deutlichen Kostensteigerungen gekom­men ist, die aber im Wesentlichen auf Projekterweiterungen, auf zusätzliche Maßnah­men, die im Zuge der Bauphase umgesetzt worden sind, zurückzuführen sind.

Es ist aber trotzdem so – und ich glaube, das sollte man sich schon als Ziel nehmen –, dass man bei einem Projekt die wahren Kosten schon im Vorfeld kennt, weil ja die Fi­nanzierung und die Planung entsprechend gegeben sind. In dem Fall war es so, dass es ein ursprüngliches Projekt „Hauptbahnhof neu“ gegeben hat und dann erst einige Maßnahmen dazugekommen sind wie die U-Bahnanbindung, Immobilien, Geschäfts­räumlichkeiten et cetera.

Von einer gesamthaften Planung und einem Gesamtkonzept, so glaube ich, kann man in diesem Zusammenhang nicht sprechen, und darum sind auch die Kosten deutlich höher, was natürlich dazu führt, dass die Entscheidungsträger im Nachhinein mit deutlich höheren Kosten konfrontiert sind. Also eine qualitativ hochwertige und gesamt­hafte Planung wäre hier ratsam.

So eine Planung braucht mehr Zeit und mehr Vorbereitung, weil, so glaube ich, doch noch – und das ist im Rechnungshofbericht nachzulesen – planerische Mängel enthal­ten sind, wie die U-Bahnanbindung oder auch die langen Gehzeiten. Da sollte man ei­niges tun.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 114

Wenn ein Projekt im Laufe der Projektierungsphase immer größer wird, dann verliert man natürlich irgendwann einmal den Überblick über die Kosten und auch die Proble­me bei der Kostenkontrolle.

Und da möchte ich noch einen zweiten Kritikpunkt ansprechen. Es ist aufgrund der mangelnden Kostenabschätzung so, dass die Kosten- und Finanzierungsteilung zwi­schen Bund, ÖBB und der Stadt Wien aufgrund des ursprünglichen Projekts ausge­richtet worden sind, die Stadt Wien auch nur das beigetragen hat und nicht entspre­chend den tatsächlichen Kosten.

Als Vertreter Oberösterreichs, eines Bundeslandes, sage ich schon, wir werden uns das in Zukunft sehr genau anschauen, weil ich hier schon eine Quersubventionierung der Stadt sehe, da sie nicht die wahren Kosten mitgetragen hat. Ich glaube, das gehört aufgezeigt, denn das sollte in Zukunft vermieden werden. Da sollte man wirklich auch von den tatsächlichen Kosten reden. Wir werden jedenfalls in Zukunft genau darauf achten, dass auch die Stadt Wien ihren Beitrag leistet. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Gradauer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.41.30

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Ich möchte zuerst einen Dank an den Rechnungshof und an die Mitarbeiter des Rechnungshofes aussprechen und zum Ausdruck bringen, dass es sehr gut ist, dass es in Österreich einen Rechnungshof gibt. Ich bin überzeugt davon, dass auch die Be­völkerung genauso denkt. Der Rechnungshof und seine Spezialisten untersuchen, analysieren sehr professionell, überparteilich und konsequent. Sie machen Verbesse­rungsvorschläge, sind sachlich unterwegs und haben ein gewaltiges Durchhaltevermö­gen.

Dazu meinen Respekt, Herr Präsident, denn das ist nicht immer leicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Rechnungshof hilft demnach dem Staat, Kosten zu sparen; so geschehen auch beim Projekt Stadtentwicklung Hauptbahnhof Wien. Ich gehe nicht mehr auf die einzel­nen Gustostückerln ein, die es hier gegeben hat, was hier alles danebengegangen ist. Ich erinnere mich an den Bericht des Rechnungshofpräsidenten im Rechnungshofaus­schuss, der bis zu dem Zeitpunkt, als geprüft wurde, einfach vernichtend war. Da ist vieles schiefgelaufen. Die Gustostückerln haben wir schon gehört. Die Pläne sind wäh­rend der Bauphase geändert worden.

Wenn ich mich an meine Tätigkeit in der Privatwirtschaft erinnere, muss ich sagen, das ist eigentlich bei uns nie passiert. Wir haben große Lagerhallen gebaut. Da haben wir uns zuerst zusammengesetzt und überlegt: Was wollen wir denn in Wirklichkeit? Was soll denn das fertige Produkt sein? – Man hat erst geplant, dann vernünftig finanziert und kontrolliert und hat das Projekt durchgezogen. Das ist leider im staatsnahen Be­reich nicht der Fall.

Das Ergebnis, wir haben es schon gehört, ist: Die Kosten sind gewaltig überschritten worden. Ursprünglich waren es 423 Millionen €, im Endeffekt liegen wir jetzt bei 1 Mil­liarde € Kosten, und ich glaube, das wird nicht reichen. Es ist immer wieder dasselbe bei Aufträgen der öffentlichen Hand, dass man niedrige Kostenschätzungen vorlegt, um das Projekt politisch durchzuziehen, und bei der Endabrechnung gibt es dann ver­doppelte Kosten. (Beifall bei der FPÖ. )

Beispiele sind Skylink, Flughafen, Unterinntalbahn, und es gäbe jede Möglichkeit, noch weitere aufzuzählen, was jeweils schiefgegangen ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 115

Herr Abgeordneter Hammer, nicht die Auftraggeber sind es, die hier die Zeche bezah­len müssen, sondern es ist immer der Steuerzahler, der der „Teschek“ ist und die Kos­ten übernehmen muss. Und es sind immer unfähige Manager, die diese Mehrkosten durch unprofessionelles Arbeiten verursachen, die dann, wenn es danebengegangen ist, großzügigst abgefertigt werden. In Wirklichkeit müsste es einen Rausschmiss ge­ben, meine Damen und Herren! Bei uns in der Privatwirtschaft gibt es für solche Leute, die so danebenhauen, einen absoluten Rausschmiss, keine Abfindungen und keinen Golden Handshake. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erinnere an den Herrn Huber von den ÖBB, an den Herrn Ötsch von der AUA und an den Herrn Kaufmann und seine Kollegen bei Skylink. Ich denke, dafür haben die Österreicher überhaupt kein Verständnis, dass man diesen Umtrieben weiterhin zu­schaut.

Herr Hornek, Sie sind in der Regierung. (Abg. Amon: Er ist nicht in der Regierung! – Abg. Hornek: Das ist mir neu!) Was lernen Sie denn aus diesen Dingen? – Wir reden immer wieder über dasselbe. Wir reden immer wieder über dasselbe! Die Dinge pas­sieren einfach, aber abgestellt wird nichts. Sie hätten die Möglichkeit, diese Miss­wirtschaften, diese Verirrungen abzustellen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Zanger: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Was mich besonders ärgert, ist, dass von der hohen Politik bei derartigen Vorkommnissen niemand verantwortlich ist. Ich habe auch wieder beim Problem Hauptbahnhof die Frau Minister Bures gefragt, ob sie bereit ist, wenn es zu weiteren Kostenüberschreitungen kommt, die Verantwortung zu übernehmen. Da hat sie sich herausgewunden, es ist kein klares Ja gekommen, aber auch kein Nein.

So, meine Damen und Herren, werden wir das Ziel nicht erreichen, und es ist zu be­fürchten, dass es wieder zu Kostenüberschreitungen ähnlich wie bei Skylink kommen wird. Wir werden es sehen. Warten wir es ab! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.46.21

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes, ich darf mich nunmehr auch im Namen meiner Fraktion sehr herzlich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern bedanken, denn sonst fällt es auf, dass das immer nur die Freiheitlichen machen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Neubauer.) Herzlichen Dank für Ihre sehr guten Leistungen bezüglich dieser Berichte!

Ein paar Worte zu diesem Polizei-Notruf und zum Bericht, den Sie uns geliefert haben. Es ist schon erstaunlich, dass man damals sehr schnell war mit dem Schließen der Gendarmerieposten. Innenminister Strasser hat das mehr oder weniger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gemacht – und durchaus auch politisch motiviert. Aber bis heute ha­ben wir kein ordentliches Einsatzleitsystem und haben wir keine ordentlichen Daten über diese Einsätze.

Ich habe die Frau Innenministerin Fekter in einer Anfrage gefragt, was denn diese Schließungen gebracht hätten, und sie hat sehr, sehr, sehr mickrig geantwortet. Und jetzt weiß ich auch, warum. Sie hat ja keinerlei Unterlagen darüber, was denn besser geworden ist. Sie hat keinerlei Unterlagen darüber, was denn eingespart worden ist. Ganz im Gegenteil: Gespart wurde eigentlich überhaupt nicht.

Bis heute haben wir kein gemeinsames Funksystem. In ganz Österreich haben die Blaulichtorganisationen und das Bundesheer im Katastrophenfall nicht die Möglichkeit, sich auf einer Welle zu verständigen. Wir haben das im Jahr 2002 in der Hochwasser­


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situation miterlebt. Damals war es nicht möglich, miteinander zu konferieren, miteinan­der den Einsatz zu koordinieren.

Das geht bis heute nicht, obwohl der Innenminister, damals Strasser, „Adonis“, das große Projekt mit der Firma „master-talk“ ins Leben gerufen hat Was ist herausge­kommen? – Eine 100-Millionen-Klage gegen die Republik ist seitens dieser Firma he­rausgekommen. Und wie ich noch erfahren konnte, ist aus der Millionenklage ein Rest übrig geblieben, nämlich das Innenministerium und damit die Republik müssen 18 Mil­lionen € an diese Firma bezahlen. Wir haben kein Funkgerät, wir haben kein gemein­sames Netz, wir haben eigentlich nichts. Da geht es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.

Wenn ich mir anschaue, was in der Parlamentskorrespondenz über die Aussagen der Frau Innenministerin Fekter steht, so bin ich überzeugt davon, dass sie sich auch darü­ber Gedanken gemacht hat und das auch so sieht. Sie hat nämlich gesagt, dass eine Streifendienstoffensive und eine Optimierung der Dienststellenstruktur im ländlichen Raum notwendig sind.

In Wien funktioniert es ja laut dem Bericht des Rechnungshofes relativ gut. Vorarlberg ist relativ gut, aber der sonstige ländliche Raum ist sehr, sehr vernachlässigt. Wenn die Frau Innenministerin erkennt, dass das eine Optimierung der Dienststellenstruktur not­wendig macht, dann habe ich fast die Hoffnung, es wird wieder mehr Dienststellen ge­ben, auch bei uns am Land. Und wenn sie davon redet, dass es eine Offensive im Streifendienst gibt, dann habe ich die Hoffnung, dass es tatsächlich einmal mehr Be­amte geben wird. Wenn man intensivere Streifendienste fährt, dann braucht man mehr Beamte dazu.

Ich bin also gespannt, wie das in Zukunft weitergeht. Faktum ist allerdings, es geht nicht nur um den vorliegenden Bericht, um diesen relativ negativen Bericht, sondern es geht sehr wohl auch darum, dass es in Österreich bezüglich der Sicherheit der Men­schen eine Ungleichheit gibt. Ich meine, dass die Menschen am Land genauso das Recht haben, dort sicher zu wohnen und zu leben, wie jene in der Stadt. (Beifall bei der SPÖ.)

14.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Herbert. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.50.30

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schickhofer hat die be­triebswirtschaftliche Ausrichtung erwähnt, die auch in dem vom Rechnungshofbericht umfassten Bereich vonnöten wäre – ich möchte da speziell auf die Notrufsituation ein­gehen.

Die betriebswirtschaftliche Ausrichtung hat ihre Berechtigung, aber die vom Innenmi­nisterium bisher gelebte Vorgangsweise zeichnet sich eher durch zwei in die entgegen­gesetzte Richtung gehende Dinge aus: einerseits die Ineffizienz der Behörde an und für sich, des Innenministeriums als übergeordneter Sicherheitsbehörde, und anderer­seits die gelebte Unbelehrbarkeit der politischen Vertreter, die an ihren bisher gelebten und wenig tauglichen Konzepten festhalten, und das trotz klarer Beweise dafür, dass sie mit ihren Anliegen oder ihrer Vorgehensweise nicht recht haben oder dass es Ver­besserungsoptionen gäbe.

Es gibt zwei konkrete Punkte im Bereich des BMI, die immer wieder zum Vorschein treten und auch immer wieder seitens der FPÖ kritisiert werden.

Der erste Punkt ist ein falscher Einsatz der Finanzmittel – es geht also darum, in wel­chem Ausmaß ich Finanzmittel wo und wie einsetze. Der in Verhandlung stehende Be­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 117

richt des Rechnungshofes spricht davon im Zusammenhang mit den Leitzentralen und dem flächendeckenden Funksystem.

Der zweite Punkt sind der ineffiziente Ressourceneinsatz im Bereich der Logistik, aber auch ein fehlendes Personaleinsatzkonzept, das die Aufgabenstellung der Exekutive bundesweit abdecken soll.

Hinsichtlich des falschen Einsatzes der Finanzmittel bietet dieser Rechnungshofbericht meiner Ansicht nach eine gute Grundlage. Ich darf Sie an das unter Innenminister Strasser eingeführte bundesweite Funkeinsatzsystem digitaler Art, genannt BOS, er­innern. Es sollte als Grundlage für ein bundesweites Leitsystem der Exekutive dienen, ist aber in den Kinderschuhen stecken geblieben. In diesem Projekt sind jedoch Hun­derte Millionen Euro versickert.

Es gibt in Wien und in Vorarlberg landesweite Einsatzsysteme. Aber zwischen dem Westen und dem Osten ist digitaler Nirwana. (Abg. Petzner: Das Nirwana!) Das heißt, dem Bericht des Rechnungshofes, der dieses Problem konkret und richtigerweise auf­zeigt, ist hier absolut zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das BMI hat gerade unter der ehemaligen Innenministerin Fekter in den vergangenen Monaten viel Geld ausgegeben, das anderweitig besser und effizienter eingesetzt ge­wesen wäre, zum Beispiel für eine verbesserte Einsatzgestaltung, eine noch bessere Sicherheitsleistung durch die Exekutive für die Bevölkerung.

Ich darf an die Veranstaltung „Innen.Sicher“ erinnern. Diese vierstündige Veranstaltung im Linzer Design Center hat das BMI 617 000 € gekostet. 617 000 € für eine vierstün­dige Selbstbeweihräucherungsvorstellung der ehemaligen Innenministerin Fekter!

Oder ein anderes Beispiel, das ich Ihnen auch noch anbieten kann: eine nutzlose Wer­bekampagne der Exekutive unter dem Motto: Schützen Sie sich selbst – und holen Sie jemand anderen! Kosten: 12 Millionen €. Auch kein schlechter Ansatz! Es werden schon die richtigen Leute daran verdient haben, denke ich, wahrscheinlich im Nahbe­reich eines ehemaligen Kabinettmitarbeiters unter Strasser, der auch bei den Werbe­kampagnen der ÖVP in den vergangenen Jahren federführend tätig war und der er­staunlicherweise immer wieder den Zuschlag bekommt.

Ich denke, wenn man all dieses Geld einerseits für den Ausbau dieses digitalen Funk­systems verwendet hätte, andererseits aber auch – und auch das ist ein wichtiger An­satz aus dem Rechnungshofbericht – für eine verbesserte Logistik bei den Leitstellen – der Bericht stellt fest, dass es dort veraltete Logistik gibt, ineffiziente Arbeitsplätze, die zusätzlichen zeitlichen und operativen Aufwand erfordern, aber auch mangelhafte Schnittstellen zwischen den einzelnen Polizeiorganisationen –, wäre es sinnvoller ein­gesetzt gewesen und hätte der Bevölkerung auch einen sicherheitspolitischen Mehr­wert gebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch ein Wort zur Ressourcenverteilung, zur Personalgestaltung: Es ist eine langjäh­rige Forderung der AUF und auch der FPÖ, seitens des BMI endlich ein bundesweites Personaleinsatzkonzept auf die Beine zu stellen. Nur dann, wenn ich die Übersicht über meine Beamten, Polizisten, über die Exekutive habe, kann ich diese auch ziel­orientiert und dem jeweiligen Anlassfall entsprechend zum Einsatz bringen.

In der Vergangenheit wurde eher eine – ich würde es so sagen – SOKO-Philosophie verfolgt. Man hat von den einzelnen Dienststellen Personal abgezogen, natürlich ohne dafür einen Ausgleich zu schaffen. Die Dienststellen mussten selbst schauen, wie sie alles schaffen, mit weniger Personal und erhöhter Aufgabenstellung!

Die Innenministerin hat sich einfach die in die SOKO zusammengezogenen Beamten genommen, hat damit medienträchtige Teilerfolge gefeiert und diese nach außen als


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 118

großen sicherheitspolitischen Erfolg verkauft – unter dem Aspekt, vermeintlich mehr Si­cherheit zu produzieren.

Gleichzeitig ist jedoch hinter den Kulissen eine sicherheitspolizeiliche Wüste übrig ge­blieben, weil eben die Dienststellen kein Personal mehr zur Verfügung haben, um ihre ureigensten Aufgaben, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor Ort zu gewährleisten, zu erfüllen.

Aus meiner Sicht wurde da ein völlig falscher sicherheitspolizeilicher Ansatz gewählt, aber nicht nur ein sicherheitspolizeilich, sondern auch ein sicherheitspolitisch falscher Ansatz. Daher ist es umso wichtiger, der Forderung, die der Rechnungshof in diesem Bericht erhoben hat, nämlich Schaffung eines bundesweiten Einsatzleitsystems mit Landesleitzentralen, um eben die Übersicht über das Personal, über die Einsatzlage, über die Verteilung der Ressourcen zu haben, nachzukommen. Das ist wichtig, sinnvoll und auch dringend notwendig, und zwar auch unter dem Aspekt, dass wir auf eine Überalterung der Exekutive zusteuern.

In den kommenden Jahren wird die Exekutive eine extrem hohe Zahl an Pensionsab­gängen haben, wir können aber schon den derzeitigen Pensionsabgang nicht bewälti­gen. Es gehen derzeit mehr Polizisten, Exekutivbeamte in Pension, als durch Neuauf­nahmen gedeckt sind.

In diesem Zusammenhang darf ich an die Ausführungen des Kollegen Mayerhofer an­schließen, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass die vermeintlichen zusätzlichen 1 000 Beamten, die in den Medien und auch vonseiten des Innenministeriums immer kolportiert werden, eine Schimäre sind. Mit diesen 1 000 Beamten decken wir nicht einmal den durch Pensionierung entstehenden Abgang ab, sondern schaffen es gera­de einmal, den Status quo aufrechtzuerhalten.

Das heißt, wir werden in Zukunft ein großes sicherheitspolizeiliches Problem zu be­wältigen haben. Die Lösung dieses Problems ist nur durch das Requirieren von zusätz­lichem Personal für die Exekutive möglich, eventuell auch im Rahmen einer neuen Be­schäftigungsform. Wir von der FPÖ fordern, das Modell des Polizeipraktikanten einzu­führen – zusätzlich zu den normalen Aufnahmen. Es handelt sich dabei um eine Lehre bei der Polizei mit einer dreijährigen Ausbildungsphase und anschließendem Ab­schluss. Damit könnte man genügend Ressourcen schaffen, das erforderliche Personal für die Zukunft finden und die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten.

Es geht ja nicht nur darum, der Exekutive einen Handlungsspielraum zu geben, damit sie ihren sicherheitspolizeilichen Auftrag erfüllen kann, sondern auch darum, der öster­reichischen Bevölkerung eine Sicherheitsoption für die Zukunft zu bieten.

Unter diesem Aspekt darf ich dem Rechnungshof für diesen, wenn auch teilweise kri­tischen Bericht danken, wobei diese Kritik durchaus berechtigt ist, und darf Sie ersu­chen, sich ebenfalls darüber Gedanken zu machen, wie wir es schaffen können, auch in den nächsten Jahren im Bereich der Sicherheitspolizei über die Runden zu kommen. Es ist eine große Herausforderung, und ich glaube, dieser sollten wir uns geschlossen stellen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 4 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen An­frage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.50Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Finanzen betreffend: Genug gezahlt – Steuern senken jetzt! (8801/J)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 119

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 8801/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Österreicherinnen und Österreicher arbeiteten 2010 bis zum 28. Juli für den Staat. Im Jahr 2011 verschiebt sich dieser Termin sogar noch auf den 30. Juli. Österreich ist der Nationalpark „Hohe Steuern“!

Das BZÖ sagt: „Genug gezahlt für überbordende Bürokratie, genug gezahlt an hohen Steuern und genug gehört an salbungsvollen Worten!“

Finanzministerin Fekter gibt sich gerne als „Eiserne Lady“ und eisern ist sie auch, wenn es darum geht die vermeintlichen Besitzstände der ÖVP, Banken, Beamte und Bundesländer zu wahren. Weniger eisern ist sie allerdings, wenn es darum geht, die Mittelschicht und die mittelständische Wirtschaft aus der Umklammerung von Steuern, Abgaben und Inflation zu befreien. Da bleibt es bei leeren Worten, wobei es nicht an der Erkenntnis seitens der ÖVP fehlt, dass schnelles Handeln notwendig ist. Dies er­gibt sich bspw. aus folgenden Zitaten:

Finanzministerin Maria FEKTER: im Ständigen Unterausschuss des Hauptausschus­ses in Angelegenheiten der EU am 7. Juni 2011:

„Es ist bekannt, dass es in Österreich eine exorbitant hohe Steuerquote gibt.“

Finanzministerin Maria FEKTER auf krone.at:

„Wir müssen den Mittelstand entlasten. Diese Leute fallen in die steigende Progres­sion, die bekommen keine öffentlichen Unterstützungen und die zahlen auch noch die Wertpapier- und Sparbuch-KESt.“

Finanzministerin Maria FEKTER auf krone.at:

„Mit 41,3 Prozent Steuersatz liegen wir deutlich über dem EU-Satz, der 34,2 Prozent beträgt. Zehn Prozent der Lohnsteuerpflichtigen zahlen 50 Prozent des Steueraufkom­mens.“

Schützenhilfe erhält sie dabei vom Neo-ÖVP-Chef und Vizekanzler, Michael SPINDEL­EGGER, in einem APA-Artikel, 12. Mai 2011:

„,Weniger, einfacher, leistungsgerechter‘ ist das Motto für ein neues Steuersystem.“

Statt aber die Ärmel aufzukrempeln und eine Steuerreform durchzuführen, bleibt es bei der unverbindlichen Ankündigung, Vorstellungen dazu im Wahlkampf 2013 zu präsen­tieren, bzw. heißt es im Ausflugsbericht „7 Arbeitspakete  Fahrplan 2011-2013“ wenig ergebnisorientiert und ohne Ausschluss von Steuererhöhungen:

„Steuerstrukturreform (2013):

Die Bundesregierung wird an einer Strukturreform im Bereich der Steuern arbeiten. Die strukturellen Fragestellungen des österreichischen Steuersystems sollen – unter Wah­rung der Leistungsfähigkeit des Staates – in der Steuerreformkommission weiterentwi­ckelt werden.“

Ein gerechtes Steuersystem darf kein Wahlkampfbluff für die kommende Nationalrats­wahl werden, sondern die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht auf Re­form und Entlastung.

Während aber die Bundesregierung am Semmering lediglich angekündigt hat, wieder einmal einen „Arbeitskreis“ zu gründen, hat das BZÖ mit seinem Modell der „Fairen


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Steuern“ eine maßgeschneiderte Lösung für Österreich vorgelegt, die sehr schnell um­gesetzt werden kann. Die Entlastung der Bürger ist das Gebot der Stunde.

Die Gründe für eine Steuerreform mit einer Flat-Tax im Mittelpunkt liegen auf der Hand: Eine Flat-Tax nach dem BZÖ-Modell ist fair, einfach in der Einhebung und Berechnung und sie entlastet die Mittelschicht, während echte Vielverdiener mehr bezahlen müssen als nach dem geltenden Steuerrecht.

Wer die Mittelschicht und die mittelständische Wirtschaft erhalten will, muss rasch han­deln! Die Bundesministerin kündigt aber bloß an, Pläne in zwei Jahren vorzulegen. So verkommt Mittelschichtspolitik zum Wahlkampfgag, während die Betroffenen unter ho­hen Steuern, hohen Preisen und der überbordenden Bürokratie leiden.

Die Frage der Finanzierung, die häufig als Totschlagargument ins Treffen geführt wird, stellt sich in Anbetracht der längst überfälligen Verwaltungsreform und der damit mögli­chen Einsparungen nicht. Weiters stellt bspw. die Reduktion auf nur mehr eine einhe­bende Stelle für Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge bereits einen zen­tralen Schritt der Verwaltungsreform dar.

Vor allem auch vor dem Hintergrund der Kritik des IWF und der Europäischen Kommis­sion sollte die Bundesregierung endlich mit ihrer Arbeit beginnen. Erst am 9. Juni 2011 kritisierten die Vertreter des IWF die österreichische Regierung und ihre Pläne zur Ver­waltungsreform und zur Schuldenreduktion als wenig ambitioniert.

Ins gleiche Horn stößt die EU-Kommission, in der Empfehlung des Rates zum natio­nalen Reformprogramm Österreichs 2011 und Stellungnahme des Rates zum aktuali­sierten Stabilitätsprogramm Österreichs für 2011-2014, die wie folgt lautet:

„Hauptziel der in der jüngsten Aktualisierung des Stabilitätsprogramms vorgelegten mit­telfristigen Budgetstrategie ist es, das gesamtstaatliche Defizit, vorwiegend durch eine Eindämmung der öffentlichen Ausgaben, allmählich von 4,6 % des BIP im Jahr 2010 auf 2,4 % des BIP im Jahr 2014 zu senken. Diese Ziele sind hauptsächlich mit Ab­wärtsrisiken behaftet, die dadurch bedingt sind, dass der Konsolidierungspfad auf sub­nationaler Ebene durch keine konkreten Maßnahmen abgesichert ist und Einspa­rungen durch einige der auf Bundesebene angenommen Maßnahmen ausbleiben könnten, z. B. Einnahmen durch das Steuerbetrugsbekämpfungspaket, dessen erwar­tete Auswirkungen äußerst spekulativ erscheinen. Andererseits birgt der 2009 auf Ebe­ne der Bundesregierung eingeführte mehrjährige Ausgabenrahmen ein Aufwärtsrisiko, da dieser zu einer besseren Vorhersehbarkeit der mittelfristigen Budgetentwicklung beigetragen haben dürfte, wenn auch nur auf Bundesebene. Dem Programm zufolge wird die Schuldenquote von 72,3 % im Jahr 2010 auf 75,5 % im Jahr 2013 ansteigen, bevor sie 2014 wieder auf 75,1 % sinken wird. Diese Prognose ist allerdings aufgrund der zunehmenden Verschuldung staatseigener Unternehmen, die nicht zum Staats­sektor gehören, und potenzieller weiterer Belastungen durch Maßnahmen zur Stützung des Bankensektors mit einigen Risiken verbunden.

Obwohl Österreich einen nationalen Stabilitätspakt eingeführt hat, könnte durch eine weitere Reform der Finanzbeziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen der Re­gierung erhebliche Einsparungen erzielt, die Budgetkonsolidierung unterstützt und Mit­tel für wachstumsfördernde Investitionen in Bereichen wie FuE sowie Bildung freige­setzt werden. Es ist weithin bekannt, dass die derzeitigen Beziehungen komplex sind: Nicht nur fließen die Einnahmen aus den meisten Einzelsteuern nach festen Quoten an Bund, Länder und Gemeinden, sondern in vielen Bereichen verteilen sich auch die Ent­scheidungsbefugnisse auf die verschiedenen Ebenen des Staates. Bei vielen Tätig­keiten liegt die Zuständigkeit für die Einnahmenerhebung auf einer anderen Regie­rungsebene als die entsprechende Ausgabenbefugnis. Besonders deutlich wird die In­effizienz der gegenwärtigen Form dieser Finanzbeziehungen beispielsweise im Ge­sundheitssektor und im Bildungswesen.


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Die durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung in Österreich zählt zu den höchs­ten in der EU. Gegenüber anderen EU-Ländern sind die Sozialversicherungsbeiträge von Angestellten sehr hoch. Die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Niedriglohnempfänger im Jahr 2008 und die Einkommenssteuerreform 2009 haben zwar dazu beigetragen, die Steuerlast auf Arbeit zu verringern, konnten allerdings einen geringen Anstieg der Steuer- und Abgabenbelastung für Niedrig- und Durch­schnittslohnempfänger im Vergleich zum Beginn des letzten Jahrzehnts nicht verhin­dern. Diese Belastung wirkt sich negativ auf die Beschäftigung aus, insbesondere im Fall von gering bezahlten und gering qualifizierten Arbeitskräften.“

Der Rechnungshof hat insgesamt 315 Vorschläge zur Reform von Verwaltung, Ge­sundheitswesen, Wohnbauförderung und Pensionen präsentiert. Insgesamt ortet der Rechnungshof ein Einsparungspotential von 7,1 Mrd. Euro, das durch Effizienzsteige­rung, Qualitätsverbesserung, Verwaltungsmodernisierung und mehr Bürgerorientierung zu erreichen ist.

Bislang sind von der Bundesregierung nur Ankündigungen im Hinblick auf die Umset­zung der Vorschläge des Rechnungshofs zu hören, obwohl die Gefahren eines weite­ren Aufschubs zumindest von den Finanzsprechern Stummvoll und Krainer sehr klar erkannt worden sind. Beide sprachen gegenüber den Vertretern des IWF am 9. Juni 2011 von tickenden Zeitbomben, die rasch entschärft werden müssen und kündigten eine „step by step“-Strategie bei der Umsetzung an.

Selbst die in Aussicht gestellte „step by step“-Strategie wäre schon ein großer Fort­schritt gegenüber der bisherigen Untätigkeit.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Bun­desminister für Finanzen folgende

Dringliche Anfrage:

1. Welche konkreten Schritte werden Sie entsprechend Ihrer Ankündigung, das Steuer­system im Hinblick auf die drei Säulen Spindeleggers „weniger, einfacher, leistungsge­rechter“ zu gestalten, folgen lassen?

2. Welchen Zeitrahmen haben Sie sich bis zur Umsetzung gesetzt?

3. Mit welchem Koalitionspartner werden Sie diese Schritte auf eine gesetzliche Grund­lage stellen?

4. Welches Ausmaß in Euro wird die Säule „weniger“ in etwa umfassen?

5. Wie wird die Säule „einfacher“ in etwa aussehen?

6. Welchen Inhalt wird die Säule „leistungsgerechter“ haben?

7. Warum brauchen Sie bis 2013, um ein fertiges Steuerkonzept vorzulegen?

8. Warum setzen Sie dann die Steuerstrukturreform nicht vor den nächsten Wahlen um, sondern kündigen nur ein Modell für den Wahlkampf an?

9. Werden Sie ein Flat-Tax-Modell in Österreich umsetzen?

a. Wenn ja, wann?

b. Wenn nein, wieso kündigen Sie dies dann an?

10. Schließen Sie sich der Feststellung des BZÖ „Genug gezahlt!“ in Bezug auf das Steuerniveau Österreichs inhaltlich an?

a. Wenn nein, wieso nicht, wenn die Steuern für die ÖVP doch zu hoch sind?


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11. Können Sie ausschließen, dass mit Jahresbeginn 2012 die Gebühren des Bundes erhöht werden?

a. Wenn nein, welche Erhöhungen sind konkret geplant?

12. Können Sie ausschließen, dass die von Ihnen angekündigte Steuerstrukturreform auch Steuererhöhungen beinhaltet?

13. Ist eine Steuerentlastung mittels Flat Tax Ihrer Ansicht nach mit der SPÖ umsetz­bar? Wenn nein, warum befindet sich die ÖVP noch mit der SPÖ in einer Koalition?

14. Schließen Sie eine weitere Vermögensbesteuerung, wie von ihrem Koalitionspart­ner SPÖ gefordert, aus?

a. Wenn ja, wann werden Sie klare Worte der Ablehnung dafür in der Öffentlichkeit fin­den?

b. Wenn nein, wann treten Sie zurück?

15. Hat die Steuerreformkommission seit dem Regierungsausflug der Bundesregierung auf den Semmering bereits getagt und wenn ja, was sind die Ergebnisse?

16. Wie begründen Sie es, dass jeder Österreicher laut Hayek-Insitut 2010 bis zum 28. Juli für den Staat gearbeitet hat und 2011 schon bis zum 30. Juli nur für den Staat arbeiten muss?

17. Wie sehen Sie als alleinige Eigentümervertreterin die Auskunftsverweigerung der OeNB betreffend die Zusammensetzung des Wertpapierbestandes, insbesondere da­rüber, welche und wie viele griechischen Anleihen bzw. andere Staatsanleihen von Eu­romitgliedsstaaten sich im Besitz der Nationalbank befinden?

18. Welche Staatsanleihen welcher Staaten und zu welcher Bewertung hielt die Natio­nalbank zum Stichtag 1. Juni 2011?

19. Welche weiteren Wertpapiere hielt die Nationalbank zum Stichtag 1. Juni 2011, ins­besondere sog. „Asset Backed Securities“ zu welchen Bewertungen?

a. Falls sie „Asset Backed Securities“ gehalten hat, wie werden Sie als alleinige Eigen­tümervertreterin der Nationalbank Ihre Verantwortung gegenüber dem österreichischen Steuerzahler in diesem Zusammenhang konkret wahrnehmen?

20. Wie sehen Sie diese Risikovermehrung für den Steuerzahler auf dem Weg der Na­tionalbank?

21. Wie begründen Sie Rückstellungen der OeNB in der Höhe von 6,4 Mrd. Euro ange­sichts Ihrer Behauptung einer garantierten Rückzahlung der Griechenland zur Verfü­gung gestellten Mittel?

22. Sind Sie als alleinige Eigentümervertreterin der Nationalbank zur Offenlegung be­reit, wo und in welchen Mengen jeweils die Goldreserven der Nationalbank lagern?

a. Falls ja, bitte um Auflistung der genauen Mengen und jeweilige Orte und gegebe­nenfalls, ob und zu welchen Konditionen dieses Gold für Zwischenveranlagungen ge­nutzt wird?

b. Falls nein, warum wird aus dieser essentiellen Frage ein derartiges Geheimnis ge­macht?

23. Wie viele der 315 Empfehlungen des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform be­treffen Ihr Ressort und wie viele Empfehlungen werden Sie bis zum Jahresende um­setzen?

24. Sind Sie bereit, die 315 Vorschläge des Rechnungshofs, die ihr Ressort betreffen, zumindest zum Großteil umzusetzen?


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25. Wie sieht Ihr Plan einer ohnehin nur schrittweisen Umsetzung umfassender Re­formen in der Verwaltung, im Gesundheitswesen, bei der Wohnbauförderung und im Bereich der Pensionen aus, zumal Sie mit dem Finanzausgleich eines der wenigen Druckmittel besitzen, um die Länder zu echten Reformen zu zwingen?

26. Sind Sie bereit, dafür gegenüber der Bevölkerung eine persönliche Verpflichtungs­erklärung abzugeben, dass die überfälligen Verwaltungsreformschritte bis 2013 endlich umgesetzt werden?

a. Falls ja, welche konkreten Schritte der Verwaltungsreform werden Sie noch im Jahr 2011 setzen?

b. Welche konkreten Schritte werden Sie 2012 setzen?

c. Welche konkreten Schritte werden Sie 2013 vor der Neuwahl setzen?

d. Falls nein, was spricht aus Ihrer Sicht gegen die Umsetzung?

27. Um wie viel Prozent könnte Österreich die Steuer- und Abgabenquote senken, wenn die 315 Vorschläge des Rechungshofs zur Verwaltungsreform umgesetzt werden würden?

28. Um wie viel Prozent könnte Österreich die Steuer- und Abgabenquote mit den bis­her nach Griechenland überwiesenen 1,2 Milliarden Euro senken?

29. Wären die den Österreichern im letzten Budgetbegeleitgesetz auferlegten Spar­maßnahmen ohne die Griechenland überwiesenen 1,2 Mrd. Euro verzichtbar gewe­sen?

30. Zu welchen Konditionen (Laufzeiten und Zinsen) hat sich die Republik Österreich die 1,2 Mrd. Euro für die Zahlungen an Griechenland auf den internationalen Märkten ausgeborgt?

31. Was kosten die Republik Österreich Mehrschulden von 1,2 Mrd. Euro, die auf den internationalen Märkten ausgeborgt wurden, pro Jahr und welche Laufzeit haben die entsprechenden Anleihen?

32. Wieso sprechen Sie im Zusammenhang mit der Griechenlandhilfe angesichts die­ser Zahlen von einem guten Geschäft?

33. Sie haben in der „Aktuellen Stunde“ am 15. Juni 2011 davon gesprochen, dass Sie nur Geld nach Griechenland bezahlen, wenn sichergestellt ist, dass dieses auch zu­rück bezahlt wird.

a. Wie haben Sie für die bisherigen Zahlungen sichergestellt, dass das Geld zurück be­zahlt wird?

b. Wie werden Sie für die zukünftigen Zahlungen sicherstellen, dass das Geld zurück bezahlt wird?

c. Welche Sicherheiten werden seitens Griechenlands gegenüber der Republik Öster­reich abgegeben?

d. Wieso kommen Sie zur Ansicht, dass Sie – so wie in der Debatte in der „Aktuellen Stunde“ vom 15. Juni 2011 – garantieren können, dass das Geld von Griechenland zu­rückgezahlt wird?

e. Welche politischen und persönlichen Konsequenzen werden Sie setzen, wenn es trotz Ihrer Garantien zu Zahlungsausfällen bei der Rückzahlung Griechenlands kommt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 124

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Klubobmann Bucher als erstem Fra­gesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.

 


15.01.27

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin, wir wol­len Ihnen heute mit dieser Dringlichen Anfrage des BZÖ die Möglichkeit bieten – ei­gentlich auf eine konziliante Art und Weise von uns –, Stellung zu beziehen zu Ihren Vorhaben hinsichtlich einer Steuerreform, auch hinsichtlich Budgetsanierungsmaß­nahmen, die Sie zweifelsohne vorhaben, und mit Ihnen rechtzeitig darüber diskutieren, was Sie alles im Sinn haben und welche Zielsetzungen Sie verfolgen. Denn ich gehe davon aus, dass es auch jedem anderen gegenüber hier im Hohen Haus unseriös ist, einfach Plattitüden zu verbreiten und in Interviews zu sagen, dass wir eine Steuerre­form brauchen, ohne konkret zu werden. Ich denke, dass man von einer Finanzminis­terin erwarten darf, dass sie ganz klar sagt, welche Schwerpunkte hinsichtlich einer Steuerreform sie setzen möchte, und auch eine klare Aussage macht betreffend den Zeitpunkt einer Steuerreform. (Beifall beim BZÖ.)

Frau Bundesministerin, spätestens seit dem Jahr 2008, seit der Finanzmarkt- und Ban­kenkrise, ist jedem hier herinnen und auch jedem Ökonomen klar, dass etwas getan werden muss, um den Budgethaushalt zu sanieren. – Ich weiß, Sie, Frau Dr. Fekter, waren damals Innenministerin und mit diesem Ressort und mit dieser Aufgabenstellung nicht betraut, aber jetzt sind Sie verantwortlich für die Sanierung des Budgethaushalts, und daher ist es notwendig, mit Ihnen hier darüber zu diskutieren. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Spätestens seit der Finanzmarkt- und Bankenkrise wissen wir alle, dass wir so nicht weitermachen können, dass wir in der Budgetpolitik unseres Landes einen Wechsel brauchen.

Es sind danach noch weitere große Aufgabenstellungen auf Österreich zugekommen, die mit enormen Ausgaben verbunden sind; Stichwort: Griechenland-Hilfe.

Ich sage das jetzt nicht, weil das ein wirklich aktuelles Thema ist, sondern weil die Griechenland-Hilfe ein finanzpolitisches Loch in unseren Budgethaushalt gerissen hat. Das ist nicht wegzuleugnen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Griechen­land-Hilfe wirkt sich auf jeden einzelnen Steuerzahler aus!

Auch wenn Sie, Frau Bundesministerin Dr. Fekter, immer wieder sagen, dass die Grie­chenland-Hilfe in der Budgetgestaltung keinen Niederschlag findet, weil ja die Schul­denaufnahme sozusagen außerbudgetär registriert wird, muss ich sagen: Nein, die Griechenland-Hilfe, diese 2,3 Milliarden €, die Sie zugesagt haben, spürt auch jeder einzelne Steuerzahler in Österreich und bezahlt auch jeder einzelne Steuerzahler in Österreich! (Beifall beim BZÖ.)

Nach der Griechenland-Hilfe kam der großzügige Rettungsschirm, 750 Milliarden €, al­lein die Belastung Österreichs beträgt 20 Milliarden €. Und diese 20 Milliarden €, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen eine enorme Überforderung unserer Zah­lungsmöglichkeiten dar. Sie wissen, dass wir uns selbst in einer äußerst angespannten budgetären Situation befinden – und das schon seit sehr, sehr vielen Jahren, weil im­mer wieder die wichtigsten Reformen hinausgeschoben, auf die lange Bank geschoben wurden und mangels Einigung von Rot und Schwarz keine wirklichen Reformen durch­zubringen waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was die „Frankfurter Allgemeine“ über diese Schuldenkrise und über die Bewältigung der Euro-Krise schreibt, zeigt Ihnen, dass das, was wir hier seit eineinhalb Jahren predigen, Substrat hat und dass leider Gottes all das eingetroffen ist, was wir schon vor vielen, vielen Monaten prophezeit


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haben, nämlich dass es ein schwerwiegender Fehler war, Griechenland auf diese Art und Weise zu helfen, dass die Griechenland-Hilfe nicht wirksam ist und ein Fass ohne Boden darstellt, für das letztendlich der Steuerzahler haftet und die Rechnung bezahlt! (Beifall beim BZÖ.)

Das steht in dieser Meldung der „Frankfurter Allgemeinen“, das ist ja nicht von uns. Wir werden immer sozusagen als die Bösen hingestellt, die Dinge verbreiten, die nicht wahr wären, die Angst schüren – offensichtlich werden Sie immer gegen uns aufge­hetzt, ich weiß nicht von wem, oder vielleicht geschieht das auch aus eigenem Antrieb, aber das ist jedenfalls nicht gerechtfertigt. Wir halten uns auch daran, was die interna­tionalen oder zumindest die europäischen Medien über diese Maßnahmen, die auf eu­ropäischer Ebene getroffen werden, schreiben.

In der „Frankfurter Allgemeinen“ heißt es: „Europa auf dem Weg in die Transferuni­on“. – Das ist eine Schlagzeile der „Frankfurter Allgemeinen“.

Und dann sagen Sie, dass es ein paar Abgeordnete hier im Hohen Haus sind, die das verbreiten und die nicht wissen, wovon sie sprechen.

Frau Finanzministerin Fekter, 327 Volksökonomen, Professoren, Universitätsprofesso­ren in Deutschland haben eine Petition unterschrieben! Das ist das Who is Who der Volksökonomen Deutschlands. Die wollen das verhindern! Die wollen genau das, was wir schon seit vielen Monaten fordern: einen Zahlungsstopp gegenüber Griechenland, einen Zahlungsstopp betreffend den Euro-Rettungsschirm. Sie wollen verhindern, dass da weitere Milliarden verpulvert und nur den Banken hinterhergeworfen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Da gehört unsere Finanzministerin nicht dazu!)

Das ist die Realität! Es gibt keine andere Erklärung dafür. Sie können das auch nachle­sen. Es gibt mittlerweile auf europäischer Ebene eine Menge an Petitionen, mit denen man versucht, das zu erreichen, was wir hier vorhaben.

All diese Stabilisierungsmaßnahmen, die Sie durchführen, meine sehr geehrten Damen und Herren, erfolgen auf Pump. Wir haben das Geld nicht! Wir müssen uns das Geld auch auf dem internationalen Kapitalmarkt ausleihen – verzinst natürlich –, um es den Griechen zur Verfügung zu stellen. Und der Schuldenberg wächst und wächst. Öster­reichs Schuldenberg wächst sogar schneller als die Wirtschaftsleistung unseres Lan­des; das muss man sich vor Augen halten! Jeder Private, auch jeder Kleinunterneh­mer, der eine solche Entwicklung zulässt, wird früher oder später vor dem Insolvenz­richter landen und muss den Konkurs antreten! (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann man nicht dulden, das kann man nicht zulassen, gerade angesichts dessen, dass wir in den nächsten Jahren schon eine Schuldenquote von 80 Prozent haben werden – jetzt sind wir bei 74 oder 75 Prozent. Wir gehen in Richtung 80 Prozent und in Richtung einer enormen Überspannung unse­res Budgets und einer enormen Überschuldung unseres Landes.

Es gibt Beispiele, die zeigen, wie man die Probleme in den Griff bekommen kann – das von der Sozialdemokratie immer gelobte Schweden; man zeigt immer gerne auf Schweden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Schweden hat eine viel, viel niedrigere Verschuldungsquote als Österreich (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) und hat seine Staatsaufgaben in den Griff be­kommen.

Es gibt also positive Beispiele innerhalb Europas, an die man sich halten kann. (Abg. Krainer: Was hat Schweden für eine Steuer- und Abgabenquote?) – Ja, auf die Steuer- und Abgabenquote komme ich noch zurück, die ist aus der sozialdemokrati­schen Führung heraus entstanden (Abg. Krainer: Wie hoch ist die in Schweden?) und


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hat dazu geführt, dass wir heute in Österreich einen „Nationalpark Hohe Steuern“ ha­ben und gleichzeitig eine Rekordverschuldung. Und das ist schon eine Mammutleis­tung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Wichtige Reformmaßnahmen bleiben aus – auch bei der letzten Regierungsklausur am Semmering war keine Rede davon. Ich denke nur an die Schulverwaltung, da wurde viel diskutiert, auch hier im Haus diskutiert, aber da haben Sie die Unterrichtsministerin zurückgepfiffen. Wir waren schon sehr weit, was eine Einigung betrifft. Jetzt muss ein Androsch einspringen und dafür sorgen, dass sich in Zukunft im Bildungssystem über­haupt etwas ändern wird. Ich denke aber auch an die Spitalsreform, an die Reform der Sozialversicherungsanstalten.

Da gäbe es genug Vorschläge, da gäbe es genug Maßnahmen, die man in Angriff neh­men könnte. Ich denke an die Verwaltung: Wir haben in Österreich eine viel zu über­bordende Bürokratie, Administration und Verwaltung. Man muss sich vorstellen: 550 000 Beamte arbeiten auf Gemeinde-, Bezirkshauptmannschaftsebene, Landes­ebene und auf Bundesebene für die gesamte Administration. 550 000 Beamte, das sind 20 Prozent aller unselbständig Beschäftigten in Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein Beamtenstaat, überbürokratisiert. Das sind reine Kostenstellen, die da herumlaufen, und da muss man endlich einmal den Hebel anset­zen und mit dem Sparstift hineinfahren, sonst werden wir das in Zukunft nicht bewälti­gen und nicht finanzieren können. (Beifall beim BZÖ.)

Ich denke etwa an die Pflegekosten. Das Pflegeproblem ist ja nicht gelöst, Frau Fi­nanzministerin, auch wenn Sie sich jetzt Zeit kaufen für drei, vier Jahre. Die Pflegelast ist eine Zeitbombe, die in Zukunft hochgehen wird, und wir haben keine finanziellen Vorsorgen getroffen, damit das für die nächsten Jahrzehnte auch finanzierbar bleibt.

Genauso wie die Frage der Pensionen ungelöst ist. Fragen Sie heute einen Jugendli­chen – der glaubt ja nicht mehr daran, eine Pension zu bekommen! Nur 7 Prozent der Jugendlichen glauben daran, jemals eine Pension zu erhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und Sie pflegen in Österreich ein ungerechtes Pensionssystem – lauter Privilegien: von der Nationalbank angefangen bis in den Beamtenstand hinein –, das nicht mehr finanzierbar ist und wo uns die Pensionskosten davongaloppieren und in den nächsten Jahrzehnten davon auszugehen ist, dass sie sich verdoppeln.

Das sind die großen budgetären „Bomben“, die in nächster Zeit hochgehen werden. Und die Mahnungen sind ja schon eingetroffen: von der EU-Kommission, vom Interna­tionalen Währungsfonds, und der Mahner Nummer eins in unserem Land ist der Herr Rechnungshofpräsident.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir hier die Aufgabe, diese Empfehlungen des Rechnungshofes auch wirklich ernst zu nehmen. Das ist doch nicht redlich, wenn Sie alle hier immer bei den Einzelmaßnahmen und Berichten den Rech­nungshof loben – und gleichzeitig immer darüber hinwegsehen, wenn sich der Rech­nungshof um den Budgethaushalt sorgt. (Beifall beim BZÖ.)

Immerhin hat der Rechnungshof 315 Empfehlungen abgegeben – und gibt das jährlich ab im Finanzministerium –, um das Budget zu sanieren. Er rechnet uns vor, dass 7 Mil­liarden € einzusparen wären in dieser teuren Verwaltungsrepublik, in der wir leben. 7 Milliarden € wären einzusparen! – Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten endlich einmal damit beginnen, denn je später wir beginnen, desto teurer wird es für den Steuerzahler. Das ist ungerecht, das ist auch den nächsten Generationen, der Jugend gegenüber nicht gerecht, weil wir ihre Handlungsspielräume immer weiter einengen. Was haben wir denn da für eine Verantwortung, meine sehr geehrten Da­men und Herren, wenn wir den Jugendlichen so ein Land überlassen, mit einem so ho­hen Schuldenstand, wo sie sich in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr retten kön­nen! (Beifall beim BZÖ.)


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Wir sagen daher, es ist notwendig, all diese Maßnahmen endlich einmal in Angriff zu nehmen, weil wir auch sehen, dass der Wettbewerbsstandort Österreich gefährdet ist. Frau Finanzministerin, Sie kennen ja das Ranking: Wo liegt Österreich heute im Ver­gleich zu den letzten fünf Jahren? Österreich fällt immer weiter zurück in der Wettbe­werbsfähigkeit! Und das ist schon ein wichtiger Indikator, auf den man achten sollte, wenn man es mit seinem Land und mit seinem Job ernst meint. Das vermisse ich aber bei einzelnen Ihrer Aussagen.

Wenn Sie immer davon sprechen: Wir brauchen eine Steuerreform und eine Steuerre­form und eine Steuerreform!, weil sie notwendig ist, weil wir das aus den ÖVP-Reihen schon seit Jahr und Tag hören und kennen, aber leider Gottes bewegt sich nichts, dann muss man einfach sehen, dass da die Ernsthaftigkeit fehlt, auch bei Ihnen, dass Sie den Menschen etwas vormachen, was Sie nicht bereit sind, tatsächlich einzuhal­ten. Das ist die Realität.

Wir leiden in Österreich an einer Steuer- und Abgabenquote von zirka 43 Prozent. 43 Prozent beträgt die Steuer- und Abgabenbelastung jedes Einzelnen im Durch­schnitt, und damit sind wir leider an der Spitze der Europäischen Union angelangt. Der durchschnittliche Steuer- und Abgabenprozentsatz innerhalb der Europäischen Union liegt bei 34 Prozent. Das heißt, dort sind die wettbewerbsfähigen Länder angesiedelt. (Abg. Mag. Kogler: Ja, Griechenland!)

Wir haben eine Rekordverschuldung, und wir haben einen Rekordsteuersatz, und das wollen wir nicht. Das wollen wir nicht dulden, daher sagen wir: genug gezahlt! (Beifall beim BZÖ.) Genug gezahlt für eine Verwaltungsrepublik, die uns so viel Geld kostet, dass wir uns das nicht mehr leisten können!

Wir haben ein Steuersystem, das Sie als Finanzministerin ja selbst kritisieren. Sie sa­gen selbst, das Steuersystem ist viel zu kompliziert, es ist viel zu teuer, der Steuersatz ist auch viel zu hoch. Sie sagen das ja richtigerweise in Ihrer Beurteilung, und daher gehe ich davon aus, dass Sie ehebaldigst etwas an diesem Zustand ändern sollen und ändern werden und auch diese überbordende Bürokratie, die wir in Österreich haben, minimieren, denn es kann sich niemand mehr frei bewegen. Vor allem der Mittelstand, die mittelständischen Unternehmen, die sind ja zugeschnürt von bürokratischen Hür­den, dass sie sich gar nicht mehr bewegen können. Die werden ja von Ihnen, Frau Fi­nanzministerin, dabei behindert, Gewinne zu machen, Umsätze zu generieren, damit sie später die Steuern abliefern können. Lassen Sie die Unternehmer unternehmerisch tätig werden, damit sie Arbeitsplätze schaffen und für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land sorgen! (Beifall beim BZÖ.)

Da ist es ja überhaupt kein Wunder, dass wir es gegenwärtig in Österreich mit einer neuen Armut zu tun haben: Die Mittelschicht verarmt! Das hat es in der Zweiten Repu­blik noch nie gegeben. Die Mittelschicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind die Leistungsträger – ich sage dazu: das sind die Systemerhalter unseres Landes, das sind all jene, die die Steuern zahlen, damit Sie überhaupt alle Ihre Regie­rungsgeschäfte tätigen können. (Beifall beim BZÖ).

Auf jene Gruppe muss man schauen, die dieses Land erhält und auf die wir so stolz sind. Diese Mittelschicht aber, die verarmt zunehmend, weil wir ein leistungsfeindli­ches Steuersystem haben, wo es für viele Menschen gar nicht mehr erstrebenswert ist, mehr zu arbeiten, weil sie in die Progressionsfalle hineintappen, weil sie, wenn sie mehr Überstunden machen, wenn sie einen höheren Lohn bekommen, dann wieder mehr Steuern zahlen – und weil für viele, obwohl sie dann mehr arbeiten, unter dem Strich netto weniger herauskommt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wo ist denn der Leistungsanreiz für diese Menschen, für dieses Land zu arbeiten und für sich auch eine Lebensperspektive zu schaffen?! Der ist nicht mehr da für viele Menschen im Mittelstandsbereich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)


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Da wollen wir den Hebel ansetzen, auch bei den Familien, denn die Mittelschicht sind jene, die bei Ihrem System die Verlierer sind. Jetzt kürzen Sie ihnen auch noch die Fa­milienförderung. Viele bekommen – zugegeben – keine Förderung, weil sie von ihrem Lohn her nicht in diese Förderklasse hineinfallen; aber sie haben eine enorme Steuer­belastung.

Der Reallohn-Zuwachs macht die Teuerung nicht mehr wett. Wir haben in Österreich derzeit eine Teuerung, die weit über den 3 Prozent liegt, die das WIFO und das IHS für ihre Berechnungen immer festlegen – weit, weit darüber! Die wirklich gefühlte Teue­rung ist ja fast zweistellig, meine sehr geehrten Damen und Herren, die liegt ja derzeit bei 9 bis 10 Prozent. Jeder, der einkaufen geht, der hin und wieder bei der Tankstelle vorbeischaut, weiß, dass 10 Prozent Teuerung in diesem Jahr hinzugekommen sind. Wer von Ihnen kann denn sagen, dass er jemanden kennt, der 10 Prozent mehr im Lohnsackerl zu verzeichnen hat? – Ich kenne niemanden.

Das heißt, wir haben es in Österreich mit einem Reallohnverlust zu tun, die Menschen verarmen – und vor allem der Mittelstand verarmt. Das ist unsere Zielgruppe, das sind die Leistungsträger in unserem Land, auf die wir achten und für die wir auch Politik machen sollten, weil sie unsere Zukunft sind, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Wir vom BZÖ haben seit geraumer Zeit ein Steuerreform-Konzept erstellt. Das kann jeder haben – ich werde es Ihnen heute auch zukommen lassen, Frau Finanzministe­rin, als Anregung, weil Sie gesagt haben, Sie werden jetzt eine Arbeitsgruppe bezie­hungsweise einen Arbeitskreis installieren. Das kennen wir (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn man nicht mehr weiterweiß, dann gründet man einen Arbeitskreis!), es gibt ja 70 Arbeitskreise, das geht aus dem Regierungsprogramm hervor. Als Grundlage für Ih­ren Arbeitskreis gibt es von uns die Studie „Faire Steuern braucht das Land“. (Der Redner hält ein Exemplar davon in die Höhe.) Damit haben Sie schon einmal eine gute Grundlage, auf der Sie Ihre Beratungen aufsetzen können. (Beifall beim BZÖ.)

Diese Grundlage, meine sehr geehrten Damen und Herren, basiert auf einer Idee, auf einer wirklich vernünftigen Idee, nämlich ein leistungsgerechtes, ein einfaches und vor allem ein faires Steuersystem zu entwickeln, und zwar mit der Flat-Tax: eine Einheits­abgabe von 44 Prozent bei einem Freibetrag von 11 000 €. Das ist deshalb fair und ge­recht, weil so die kleinen und mittleren Einkommensschichten entlastet werden und weil es bei den höheren „zuschlägt“. Das sollten wir alle auch fair und gerecht so se­hen.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir das auch als Stütze für Ihre zukünftigen Beratungen sehen und darauf bauen, dass Sie damit jetzt auch tat­sächlich Wirkung erzielen – und dass Sie früher ansetzen mit einer Steuerreform und nicht auf den Wahltermin 2013 warten, denn das ist nicht ehrlich und es ist auch nicht fair. Dann würde ich Ihnen nämlich vorschlagen, das Wort „fair“ gar nicht in den Mund zu nehmen, denn es kann nicht fair sein, wenn Sie sagen, Sie werden jetzt eine Ar­beitsgruppe installieren, die soll zwei Jahre tagen – und nach der Nationalratswahl soll eine Steuerreform kommen. Da sitzen Sie ja nicht mehr auf der Regierungsbank! Da ist ja die ÖVP nicht mehr in der Regierung! Also zwei Jahre völlig unnötige Vorausarbeit und Arbeit! – Steuern senken jetzt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Wir wollen die Steuern senken. Dann geht es wieder rauf mit Beschäftigung und Wohl­stand in unserem Land! – Danke schön. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Bucher überreicht Bundesministerin Dr. Fekter die erwähnte Studie. – Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt hat sie das erste Mal ein vernünftiges Papier, seit sie Ministerin ist!)

15.20



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 129

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Finanzen Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesmi­nisterin.

 


15.21.08

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrte Frau Präsident! Werte Abgeordnete! Sehr verehrte Zuseher und Zuhörer! Lassen Sie mich einleitend, bevor ich zur Beantwortung der Fragen komme, Folgendes festhalten:

Bereits bei meinem Amtsantritt als Finanzministerin habe ich klargestellt, wo meine Ziele sind, auch hier im Hohen Haus. Gemeinsam mit den Österreicherinnen und Ös­terreichern, die ja einerseits die Steuern bezahlen, die wir dann wieder ausgeben, möchte ich diese Zielsetzungen ... (Heiterkeit und Zwischenrufe beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie geben sie wieder aus! – Ein richtiger Satz!) – So, wie Sie das hier im Hohen Haus mit dem Budget beschließen, werden die Steuern ausgegeben. Das ist Gesetzgebung in diesem Haus, Herr Westenthaler! Sollten Sie das nicht wissen? (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westen­thaler: ... blechen, und ihr haut sie zum Fenster hinaus!)

Es geht mir besonders darum, den Wohlstand in unserem Land zu sichern und zu ver­mehren: mit einem Weg der Konsolidierung des Haushaltes, einer Schuldenbremse, ei­nem Defizitabbau, denn das brauchen wir zur Erhaltung unserer Bonität, aber vor allem zur Chancensicherung auch für zukünftige Generationen.

In der Steuerpolitik – auch das habe ich schon mehrmals erwähnt – geht es mir darum: Weniger, einfacher, leistungsgerechter, mit einer spürbaren Entlastung der Familien. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Petzner: Machen auch! Sie reden nur! Machen!)

Was den Wohlstand betrifft, haben wir allen Grund, positiv in die Zukunft zu blicken. Mit einem prognostizierten Wachstum von wahrscheinlich mehr als 2,5 Prozent, der nied­rigsten Arbeitslosenrate innerhalb der Europäischen Union und einem Beschäftigungs­höchststand – es waren in Österreich noch nie so viele Menschen in Beschäftigung wie derzeit, nämlich 3,3 Millionen (Abg. Bucher: Wie schnell wachsen die Schulden?) – steht unser Land international ausgesprochen gut da. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich lasse unser Land, Herr Bucher, nicht ständig schlechtreden! Man muss auch ein­mal sagen, dass die Leistungen der Menschen in unserem Land hervorragend sind (Beifall bei ÖVP und SPÖ – Abg. Bucher: Wir reden über die Regierung schlecht! – weitere Zwischenrufe beim BZÖ) und dass wir besser durch die Krise gekommen sind als unsere Nachbarländer (Ruf beim BZÖ: Auch nicht Ihr Verdienst! – Gegenruf bei der ÖVP: Eures aber auch nicht!) und vor allem, dass wir in unserem Land auch versu­chen, den Wohlstand gerecht und fair zu verteilen.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind gute Voraussetzungen, damit wir den Wohlstand sichern können, aber wir müssen selbstverständlich auch behutsam und verantwortungsvoll in die Budgetplanung gehen, um den derzeitigen Aufschwung solid und dauerhaft zu gestalten, und wir müssen in der Gratwanderung zwischen Spa­ren und Erhaltung des Wachstums, Forcierung jener Bereiche, die die Zukunft bedeu­ten, austarieren.

Unser Land ist weiters, Herr Bucher, nicht so schlecht verwaltet, wie Sie tun. (Abg. Bu­cher: Teuer! Teuer!) Wir sind nicht in apokalyptischen Zuständen. (Abg. Petzner: Überverwaltet! Teuer!) Ganz im Gegenteil: Wir stehen mitten in Europa gut da, und das lasse ich mir nicht schlechtreden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Da ich aber von Anfang meiner Ministertätigkeit an immer klargemacht habe, dass ich Gestaltungswillen habe, dass ich Verbesserungswillen habe (Abg. Grosz: Bei der Kie­


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berei oder bei der Finance?), haben Sie in mir einen Partner. Wenn man etwas verbes­sern möchte, dann bin ich gerne bereit, hier auch mit Vorschläge einzubringen.

Ich bin auch gerne bereit, mir Dinge anzusehen, die von anderen kommen. Gerade nach den Ansagen, dass ich eine Steuerreform plane, habe ich eine Fülle von Vor­schlägen schon auf den Tisch bekommen. Die gehen von der Flat Rate über einen in­tegrierten Tarif – denn das ist ein integrierter Tarif – bis hin zu Pauschalierungen. Ge­rade mein Landeshauptmann in Oberösterreich hat vorige Woche gesagt, wir brauchen mehr pauschale Sätze für KMU und Kleinbetriebe. Auch das werden wir uns im Detail anschauen und schauen, was wir im Gesamtreformbereich für die Bevölkerung tun können.

Nun zu Ihren Fragen.

Zu den Fragen 1 bis 3, 7 und 8, 12 und 15 (Abg. Ing. Westenthaler: Warum sagen Sie nicht gleich: Ich will nicht antworten!? – Das wäre doch viel ehrlicher, viel ge­schei­ter!):

Im Hinblick auf die Strukturen in unserem Steuerrecht ist es richtig, dass unser System, traditionell gewachsen, inzwischen im Hinblick auf die Leistungsgerechtigkeit etwas aus dem Lot ist. Es gibt einen erheblichen „Mittelstandbuckel“. Das heißt, im unteren Einkommensbereich haben wir ja schon große Steuerausnahmen – mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung zahlt ja keine Leistungssteuern mehr (Ruf: Weil sie so wenig verdienen!) –, aber den Hauptanteil trägt der Mittelstand, und in den höheren Einkommen, insbesondere auch im Hinblick auf die Abgaben und Sozialversicherungs­beiträge, gibt es dann wieder Entlastungen. Das heißt, es ist bei Experten unbestritten, dass die Bürde der Steuerlast auf einem kleinen, mittleren Segment, dem sogenannten Mittelstand lastet, und das kann man etwas leistungsgerechter gestalten.

Ich bin zuerst einmal die Anwältin der Steuerzahler und, wie eben gesagt, insbesonde­re des Mittelstandes, der die Hauptlast trägt, aber ich bin auch die Anwältin der Leis­tungsträger. Und Leistungsträger sind für mich jene, die Leistungen für die Gesell­schaft erbringen, und da stelle ich schon klar: Nicht nur Steuerleistungen meine ich, sondern alle, auch ehrenamtlich Tätige oder jene, die leisten wollen, aber aus irgend­welchen Gründen eben nicht in ausreichendem Maße Leistungsmöglichkeiten haben. Leistungsträger hat nichts mit Besserverdiener zu tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe bereits erwähnt: Wenn wir an diese Steuerreform herangehen, dann will ich nicht ein bisschen an den bestehenden Schrauben drehen, denn die letzte Steuerre­form, die große, wo es eine Tarifreform gab, wo Sepp Pröll Milliarden in die Hand ge­nommen hat, die ist eigentlich gar nicht so sehr wahrgenommen worden (Ruf beim BZÖ: Die ist verpufft!), obwohl es eine große Entlastung für die Bevölkerung gewesen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zanger: Das war keine Reform, das war ein Reförm­chen!) Sie hat auch geholfen, in der Krise den Konsum stabil zu halten und gut durch die Krise zu kommen.

Daher glaube ich nicht, dass wir nur am Tarif herumbasteln sollen, sondern ich glaube sehr wohl, dass wir das Gesamtsystem im Auge haben müssen, weil auch in seiner Kompliziertheit, in der sehr kasuistischen Ausgestaltung in dem gewachsenen System, einiges nicht mehr verständlich ist, warum sich solche Bestimmungen noch drinnen fin­den, dass wir das durchforsten müssen und ganz auf neue Beine stellen sollen.

Mit mir wird es daher keine neuen Steuern geben – da habe ich keine Kreativität in der Erfindung –, weil wir schon eine hohe Steuerquote haben. Da sehe ich keinerlei Spiel­raum mehr nach oben (Abg. Petzner: Das hat schon Ihr Vorgänger gesagt, und dann hat er sie erhöht! Er hat gesagt: Keine neuen Steuern!), sondern meine Prinzipien lau­ten: weniger, einfacher, leistungsgerechter und eine Entlastung für Familien mit Kin­dern. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir werden ein Konzept entwickeln und sind bereits in der Anfangsphase des Sam­melns guter Ideen, die es in diesem Bereich gibt; mehrere dieser Ideen haben ähnliche Zielrichtungen. Vizekanzler, ÖVP-Parteiobmann Dr. Spindelegger hat mich beauftragt, das rasch zu machen. (Abg. Zanger: In den nächsten zwei Jahren, oder was?) „Rasch“ heißt, intensiv daran zu arbeiten, aber spätestens noch in dieser Legislaturperiode. (Abg. Zanger: Wahnsinn! Das ist „Tempo“!)

Eine Steuersenkung, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann dann stattfinden, wenn es hier in diesem Hohen Haus dafür eine Mehrheit gibt.

Die Bundesregierung hat sich bei ihrer Regierungsklausur am Semmering in diesem Monat ja dazu bekannt, eine Strukturreform im Bereich der Steuern bis zum Jahr 2013 zu erarbeiten. Die Steuerreformkommission soll demnächst zusammentreten.

Zu den Fragen 4, 5, 6, 10 und 16:

Das Lohn- und Einkommensteuersystem ist in seiner Kompliziertheit insgesamt un­überschaubar geworden und damit auch ungerecht. Für jemanden, der im Rahmen sei­ner Arbeitnehmerveranlagung Geld vom Finanzamt zurückbekommen möchte, ist es ausgesprochen schwierig, alles so korrekt wie erforderlich zu beantragen. Vorausge­setzt, er hat keinen Steuerberater, der ihm dabei hilft, wird es ihm unter Umständen gar nicht gelingen. – Das ist aber nicht meine Zielsetzung, Steuervorteile so zu gestalten, dass sie nicht lukriert werden können. Daher müssen wir das System wesentlich ver­einfachen, und es muss auch treffsicherer werden.

Der Mittelstand beispielsweise, der heute schon erwähnt worden ist, wird derzeit drei­fach belastet, und zwar zunächst durch einen hohen Einstiegssteuersatz. Es ist unge­recht, dass wir für zusätzliche Arbeitsleistung, für zwei Stunden Mehrarbeit plötzlich schlagartig über 34 Prozent Steuer verlangen, sodass die Progression das wegfrisst, was die zusätzliche Leistung bringt.

Auch wenn der Mittelstand jetzt schon mit der Progression, mit dem hohen Einstiegs­steuersatz stark belastet wird, trifft es ihn ein zweites Mal: Bei einem mittleren Ein­kommen fällt man meist aus den Transferleistungen heraus. Das heißt, bei einem mitt­leren Einkommen erhält man keine Befreiungen oder Transferleistungen, die bei niedri­geren Einkommen sehr wohl gewährt werden.

Dann trifft es den Mittelstand ein drittes Mal ganz hart, und zwar dort, wo wir ziemlich intensiv belasten, nämlich bei gewissen vermögensbezogenen Steuern wie beispiels­weise 25 Prozent Wertpapier-KESt, 25 Prozent Sparbuchsteuer. (Abg. Mag. Kogler: Einkommensteuer!) Es trifft ihn auch, wenn es beispielsweise um Grundsteuern et ce­tera geht.

Das heißt, bei der Progression, bei dem Ausfall an Transferleistungen und bei den ver­mögensbezogenen Steuern, die wir in Österreich in erheblichem Ausmaß haben, trifft es den Mittelstand dreimal. – Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht leistungsgerecht! Das habe ich im Auge, und ich ersuche Sie, mich dabei zu un­terstützen (Abg. Petzner: Was sagt da Klubobmann Cap dazu?), dass wir das ändern können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Ist das akkordiert mit der SPÖ?)

Weiters möchte ich natürlich einen Schwerpunkt in die Zukunft setzen, und die Zukunft sind insbesondere unsere Kinder. Wir haben im internationalen Vergleich bei den Kin­dertransferleistungen ein relativ gutes System. Das heißt, mit den direkten Zahlungen, wenn es die Kinder betrifft, ist unser System im internationalen Vergleich gut ausge­bildet. Wir haben aber in Bezug auf die steuerliche Berücksichtigung im internationalen Vergleich eigentlich ein unterentwickeltes System für die Familien, die Kinder haben. Diese entlasten wir im Hinblick auf die Kinder bei ihrer Steuerlast zu wenig. Das wollen wir in einem neuen System berücksichtigen.


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Es gibt bereits einige Staaten, die derartige Modelle vorleben, was die Tarifgestaltung, die Kombination zwischen Tarif und Abgaben betrifft. Klarstellen möchte ich aber, dass ich das Versicherungssystem nicht über Bord werfen möchte. Eine Tarifsenkung be­deutet nicht zwangsläufig weniger Einnahmen. Wir haben damals bei der Senkung der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent wirklich miterlebt, dass trotz Senkung auf 25 Pro­zent ein Drittel mehr an diesen Unternehmenssteuern eingegangen ist. Das heißt, auch diesen Effekt, der wissenschaftlich dokumentiert ist, könnten wir bei einer Reform nutzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Abgabenquotensenkung bedeutet nicht zwangsläufig weniger Steuereinnahmen. Hier gut und bedachtsam vorzugehen, das ist meine Vorstellung. (Abg. Krainer: Das ist absurd!) – Nein, Herr Kollege Krainer das ist nicht „absurd“, sondern wissenschaft­lich erwiesen. Sie sind noch sehr jung, Sie können sich vielleicht nicht mehr an die Zeit erinnern, als wir die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent gesenkt haben. Lassen Sie sich aber von Ihrem erfahrenen Kollegen Matznetter erklären, dass das damals gut funktio­niert hat. (Beifall bei der ÖVP. – Oh-Rufe bei der FPÖ.)

Aus meinen bisherigen Ausführungen leiten sich auch die Antworten zu den Fragen 9, 12 und 13 wie folgt ab:

Wir wollen alle Bereiche andenken, uns eine Kombination aus allen möglichen Vor­schlägen ansehen. (Abg. Bucher: Das habe ich schon gehört! Wann?) Wir wollen selbstverständlich auch die integrierten Modelle, selbstverständlich auch das, was wir traditionellerweise als Abgaben und Gebühren bezeichnen, Sozialversicherungsbei­träge und Pensionsbeiträge und jene Lohnnebenkosten, die im Hinblick auf die Steu­ern- und Abgabenverrechnung anfallen, diskutieren.

Dabei wollen wir auch immer im Auge behalten, dass es einfacher werden soll, denn wenn es einfacher ist, bedeutet das automatisch auch eine Verwaltungsvereinfachung im Hinblick auf die Lohnverrechnung. Es gibt diesbezüglich im Hinblick auf Expertisen keinerlei Denkverbote. Ich glaube, dass wir so frei sein sollen, dieses derzeit doch eher ungerechte System auf bessere Beine zu stellen. Das Einzige, das ich wirklich vorge­be, ist – wie schon erwähnt –: weniger, einfacher, leistungsgerechter und eine Entlas­tung für die Familien. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 11: Im Jahr 2012 ist keine Gebührenerhöhung geplant. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 14: Eine Vermögensteuer nach dem Modell, das wir bereits einmal hatten, schließe ich kategorisch aus. Wir haben bereits sehr hohe vermögenbezogene Steu­ern, die im Hinblick auf die Leistungsgerechtigkeit ihren Beitrag einbringen. Die jüngs­te, die wir eingeführt haben, ist die Wertpapier-KESt. Das heißt, wir schöpfen ohnehin 25 Prozent der Wertpapiererträge, nämlich der Kursgewinne mit ab. Im Hinblick auf die Dividenden und Zinsen haben wir schon eine 25-prozentige Steuer. Daher schließe ich weitere zusätzliche Vermögensteuern aus. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westen­thaler: Da schauen Sie aber nicht glücklich drein!)

Besonders schließe ich jene Modelle oder Ideen aus, die auf die Substanz gehen, die sich also nicht an Wertzuwachs oder Ertrag orientieren, denn es gibt ein Sprichwort, das da lautet: Von der Substanz kann man sich nichts runterbeißen!

Ich schließe auch eine Vermögensteuer für das Vermögen in den privaten Haushalten aus. Ich will nämlich nicht herumschnüffeln in privaten Haushalten, ob eine Perlenkette vorhanden oder ob unter Umständen Silberbesteck da ist oder ob der Schrank, den man vom Großvater hat, vielleicht eine Antiquität ist. Derartige Schnüffeleien in priva­ten Haushalten unter dem Deckmäntelchen einer Vermögensteuer schließe ich aus. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich schließe auch aus, dass wir uns neue Vermögensteuern für den Mittelstand aus­denken. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, wird der Mittelstand bereits ausgepresst wie eine Zitrone. Würde man da auch noch eine Vermögensteuer draufsetzen, dann schabt man doch an der Schale dieser Zitrone. – Nicht mit mir als Finanzministerin! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Sie reden am Thema vorbei! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Zu den Fragen 17 bis 22 die Oesterreichische Nationalbank betreffend:

Sehr geehrte Herren Bucher und Westenthaler, die Sie diese Frage an mich gerichtet haben, ich kann Ihnen sagen, die Oesterreichische Nationalbank ist weisungsfrei und vom Bund unabhängig. Vom Bundesministerium für Finanzen werden ausschließlich die Rechte der Republik als Alleineigentümerin der Oesterreichischen Nationalbank in der Generalversammlung wahrgenommen. (Abg. Bucher: Am Papier!) Dabei hat das Bundesministerium für Finanzen nach der bestehenden Gesetzeslage keine Möglich­keit, in die Geschäftspolitik der OeNB einzugreifen. Weder die Europäische Zentral­bank noch eine nationale Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane dürfen Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft, der Re­gierungen, von Ministern, Politikern der EU-Mitgliedstaaten oder anderer Stellen einho­len oder entgegennehmen.

Ich halte es für richtig, dass sowohl die Konstruktion der Europäischen Zentralbank als auch das Gesetz der Oesterreichischen Nationalbank so unabhängig ausgestaltet sind. Ich halte es für gut, dass die Politik dort nicht hineinregiert. Die Organe und Einrichtun­gen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschluss­organe, der Europäischen Zentralbank, zu beeinflussen.

Die Verwaltung der Währungsreserven, einschließlich des Goldes, ist eine in den Be­reich des europäischen Systems der Zentralbanken fallende und unter anderem auch eine den Bestimmungen des Artikels 130 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegende Aufgabe der Oesterreichischen Nationalbank, die von der OeNB autonom, das heißt frei von allfälligen Weisungen, wahrzunehmen ist und somit auch frei von meinen Weisungen ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Die Zusammensetzung der Währungs- und Goldreserven, Herr Kollege Kogler, und der entsprechenden Wertpapierbestände wird vom Eurosystem und somit auch von der Oesterreichischen Nationalbank nicht bekannt gegeben. (Abg. Dr. Königshofer: Warum denn nicht?) – Deshalb nicht, um die Begehrlichkeiten von Politikern in Gren­zen zu halten. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Bewertung der Wertpapiere in der Oesterreichischen Nationalbank erfolgt nach den harmonisierten Bilanzierungsregeln für Eurosystem-Zentralbanken, welche im Jah­resabschluss der Oesterreichischen Nationalbank detailliert offengelegt sind.

Die Risikovorsorgen der Nationalbank dienen gemäß ihrer gesetzlich übertragenen Aufgaben der Deckung sämtlicher Risiken. Das sind insbesondere Risiken aus der Hal­tung der Währungsreserven und der gemeinsamen Geldpolitik des Eurosystems.

Nun zu den Fragen 23 und 24:

Die Verwaltungsreform ist mir ein sehr wichtiges Anliegen. Daher übt das Finanzminis­terium eine aktive, eine treibende Funktion aus, und zwar sowohl im Rahmen seiner Querschnittsfunktion als auch im Rahmen seiner konkreten Verwaltungsaufgaben. Aus diesem Grund wurde auch die Arbeitsgruppe „Konsolidierung auf höchster politischer Ebene“ eingerichtet, um auf Basis der Vorschläge des Rechnungshofes und des Staatsschuldenausschusses Konsolidierungsmaßnahmen zu erarbeiten. Bevor ich Mi­nisterin wurde, hat diese Aufgabe Kollege Lopatka wahrgenommen, jetzt bin ich Minis­terin und nehme diese Aufgabe selbst wahr.


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Daneben findet sich eine Fülle von Verwaltungsreformschritten in zahlreichen Berei­chen. Das Gesetz über eine Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle zum Beispiel ist schon längere Zeit in Begutachtung; wir sind diesbezüglich in intensiven Verhandlungen mit den Ländern.

Bei der Reform des Pflegegeldes ist es gelungen, ganz große Verwaltungsreform­schritte zu bewerkstelligen. Ich werde mich bedanken, wenn dieses Gesetz hier mit Mehrheit verabschiedet wird. Es ist nämlich gelungen, dass die sehr zersplitterte Struk­tur bei den Ländern in der Geldfrage in einen Bundesfonds gebündelt wurde und man in der Verteilungsfrage von 303 bisher auszahlenden Stellen in der Pflege auf acht auszahlende Stellen reduziert hat. Das war die größte Reform, die in den letzten Jah­ren im Hinblick auf die Gemeinsamkeit Bund/Länder zustande gekommen ist.

Das, was Sepp Pröll gemeinsam mit Minister Hundstorfer und den Ländern damit er­reicht hat, dient jetzt als Role Model, als Best-Practice-Beispiel (Abg. Ing. Westen­thaler: Als was? Was war das?), als Vorbildfunktion (demonstrativer Beifall und Bra­vorufe beim BZÖ), sollten im BZÖ der englischen Sprache nicht sehr mächtige Kol­legen vertreten sein. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat es bei dem Projekt, bei den 90 Schritten, den 90 Projektaufgaben, die die Bundesregierung auf dem Semmering beschlossen hat, auch einen Schwerpunkt im Hinblick auf diese Verwaltungsreformen gegeben.

Von den 315 Empfehlungen des Rechnungshofes betrifft mich als Finanzministerin ins­besondere der Wunsch des Rechnungshofes nach einer Straffung und Vereinfachung des Abgabensystems, das ich Ihnen bereits als Projekt erläutert habe und das wir zü­gig angehen werden.

Zur Frage 25:

Sehr geehrter Herr Bucher, sehr geehrter Herr Westenthaler! Den Finanzausgleich als Druckmittel zu verwenden, ist nicht mein Verständnis von partnerschaftlichem Föde­ralismus. (Abg. Bucher: Dann werden Sie aber nichts weiterbringen!) Mit dem Finanz­ausgleich sorgen Bund, Länder, Städte und Gemeinden dafür, ihre Aufgaben zum Wohl der Bevölkerung bestmöglich durchführen zu können, und zwar sowohl in Qua­lität als auch in Quantität ausreichend bereitzustellen.

Der Finanzausgleich ist zu wichtig, um als Druckmittel gegen Länder und Gemeinden eingesetzt zu werden. Eine solche Vorgangsweise würde nicht dem partnerschaftli­chen Verhältnis entsprechen, das der Bund mit Ländern und Gemeinden unterhält. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Grundlegende Reformen im Finanzausgleich werden gemeinsam, von allen Partnern, angestrebt. Und beim Stabilitätspakt, Herr Kogler, beim Pakt bezüglich der Pflege ist vereinbart worden, sofort eine Reformgruppe im Hinblick auf die dauerhafte Implemen­tierung nach dem Jahr 2014 einzurichten.

Außerdem gibt es eine Finanzausgleichsreformgruppe, und die Bürgermeister hier im Hohen Haus wissen genau, wovon ich spreche, wenn es um den umstrittenen abge­stuften Bevölkerungsschlüssel geht. Ich weiß, dass es immer wieder ganz intensive Reformbemühungen gegeben hat, und es ist auch mir ein Anliegen, mit allen Partnern gemeinsam zu dem Ziel zu kommen, dass alle Teile, die den Wohlstand in unserem Land sichern, einen fairen Ausgleich erhalten. Ich erteile daher allen Überlegungen eine Absage, die im Finanzausgleich ein Machtmittel zum Druck-Ausüben sehen – da­rauf zielt Ihre Frage ab –, so geht man nämlich nicht mit Partnern um.

Druck erzeugt immer Gegendruck. Sinnvolle Reformen können nicht durch Zwang, sondern nur auf Grund gemeinsamer Überzeugung und mit gemeinsamem Engage­ment durchgesetzt werden.


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Diesen Ansatz halte ich für effizienter, halte ich für politisch leichter durchsetzbar, und auch für klüger. Daher werden wir – ähnlich wie wir den Stabilitätspakt zustande ge­bracht haben – mit den Ländern zeigen, wie Bundesstaatlichkeit, Gemeindeautonomie sowie Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern bestmöglich gestaltet werden kön­nen.

Wie schon gesagt: Vorbild kann allemal sein, was wir beim Pflegegeld und beim Stabi­litätspakt zustande gebracht haben. (Abg. Bucher: Probleme verschieben, das ist Ihre „Strategie“!)

Zur Frage 26:

Wie ich schon mehrmals erwähnt habe, haben für mich Schuldenbremse und Defi­zitabbau oberste Priorität, denn nur so kann gewährleistet werden, dass wir unsere gute Bonität erhalten und dass auch zukünftige Generationen in Sicherheit und Wohl­stand leben können und dass wir einen Gestaltungsspielraum bekommen für jene Be­reiche, die uns gut in die Zukunft bringen können, wie beispielsweise Bildung und For­schung. Da ist ja schon erwähnt worden, als wir den Pfad beschlossen haben.

Die Bundesregierung hat daher im Rahmen der Klausur Ende Mai ein umfangreiches 90-Punkte-Maßnahmenpaket verabschiedet. Wir arbeiten zügig an diesen einzelnen Projekten. Einige davon sind ja bereits hier ins Hohe Haus gekommen, weil sie im Mi­nisterrat schon beschlossen worden sind.

Sorge bereitet mir sehr wohl – und das hier zu sagen, stehe ich nicht an – der Schul­denberg, weil uns das wegen der hohen Zinszahlungen den Gestaltungsspielraum nimmt. Daher wollen wir auch in unseren Reformbemühungen nicht nachlassen, bei­spielsweise, was die Gesundheitsreform betrifft. Da gibt es Arbeitsgruppen, die intensiv an einem Kostendämpfungspfad arbeiten, und zwar auch gemeinsam mit den Ländern, gemeinsam mit den Kassen, gemeinsam mit dem Hauptverband. Da hat Minister Stö­ger in mehreren Arbeitsgruppen bereits sehr gute Vorarbeit geleistet. Wir dürfen die Kosten im Gesundheitssystem nicht übersehen, sondern müssen, bevor das explo­diert, zu einem Kostendämpfungspfad kommen.

Ähnliches gilt bei den anderen Verwaltungsbereichen, wo auch große Einsparungs­potenziale drinnen sind. Die Bezirkshauptmannschaften sind schon erwähnt worden. So habe ich noch als Innenministerin das Projekt des einheitlichen Amtes für Migra­tion und Asyl vorgeschlagen und im Hinblick auf die Konzeption bereits sehr weit verhandelt. Das wird dann eine einzige Bundesbehörde werden anstatt der Ämter von derzeit 84 Bezirkshauptmannschaften, 13 BPDs und 5 Magistraten. Das bringt à la longue auch eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung für die mittelbare Bundesver­waltung in den Ländern. Und ich hoffe, dass das Hohe Haus, wenn wir diese Regie­rungsvorlage einbringen, dem dann eine Mehrheit gibt.

Zur Frage 27:

Abhängig vom Einsparungspotential wird die Abgabenquote um etwa 0,35 Prozent ge­senkt werden können.

Zu den Fragen 28 und 29:

Die Darlehen an Griechenland haben keine Auswirkung auf die Abgabenquote, und auch die im Budgetbegleitgesetz 2011 beschlossenen Maßnahmen stehen in keinem Zusammenhang mit den Darlehen an Griechenland.

Zu den Fragen 30 bis 32:

Die Mittel wurden in Form von drei Monatsgeldern aufgenommen. Der durchschnittli­che Zinssatz beträgt 0,94 Prozent. Der Drei-Monats-Euribor lag im selben Zeitraum im Durchschnitt bei 1,21 Prozent. In absoluten Zahlen wurden im Zeitraum zwischen


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Mai 2010 und Mai 2011 insgesamt rund 3,3 Millionen € aufgewendet. Demgegenüber betrugen die Einnahmen des Bundes von Griechenland mit heutigem Datum 31,7 Mil­lionen €. Gestern waren es noch 19 Millionen €. Und ich irre mich nicht, ich erwähne, wir hatten heute ... (Abg. Zanger: Unglaubliche Summen zahlen wir! – Abg. Mag. Stadler: Wir zahlen hunderte Millionen!) Wir hatten heute die Zinszahlungen der Griechen bereits als Eingang verbuchen können.

Daher: Hören Sie auf, den Steuerzahlern zu erklären, es hätte sie etwas gekostet! 31,7 Millionen € sind ins Budget geflossen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Zanger: Sind Sie ein Milchmädchen, weil Sie so rechnen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zur Frage 33:

Die Garantie, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlt, ergibt sich aus einer fun­dierten Schuldennachhaltigkeitsanalyse seitens des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission. Diese Schulden­nachhaltigkeitsanalyse ist die Grundlage und die vertragliche Vereinbarung mit Grie­chenland, dass die Gelder ausbezahlt werden.

Ich kann Ihnen somit versichern, dass an Griechenland nur so lange Geld gezahlt wird, solange die vereinbarten Rückzahlungen gemäß dieser Schuldennachhaltigkeitsana­lyse gewährleistet sind. (Abg. Bucher: Streckung der Laufzeit!)

Darüber hinaus unterliegen die Auszahlungen an Griechenland weiterer strikter Kondi­tionalität. Nur so lange sich die griechische Regierung an die im Anpassungsprogramm definierten Maßnahmen hält, wird Geld ausbezahlt. Hierzu besagt der Bericht der Troi­ka – das sind, wie vorhin erwähnt, der Internationale Währungsfonds, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank –, der vom 8. Juni 2011 datiert, dass alle Budgetvorgaben im ersten Quartal eingehalten wurden, der griechische Staat ein großes Portfolio im Hinblick auf Privatisierungspotential hat und dass bisher keinerlei Vertragsbruch festgestellt worden ist. (Abg. Bucher: Eine Streckung der Laufzeit – ist das richtig? – Abg. Mag. Stadler: Laufzeiterstreckung!)

Zum jetzigen Zeitpunkt ist somit die Rückzahlung der an Griechenland bereits ausbe­zahlten Gelder nicht gefährdet. Auch für künftige Auszahlungen gilt die bereits erwähn­te strikte Konditionalität bezüglich der im Rahmen des Anpassungsprogramms verlang­ten Maßnahmen. Griechenland bekommt also nur so lange Geld, solange es auch Re­formen durchführt. (Abg. Bucher: Strecken Sie die Laufzeit oder nicht? Das war ja nicht vorgesehen!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bucher, auch wenn die Griechen etwas mehr Zeit brauchen, halte ich das für gerechtfertigt, um die Stabilität in der Eurozone zu gewähr­leisten. (Abg. Bucher: Strecken Sie jetzt die Laufzeit oder nicht? Das würde mich schon interessieren!) Und wir werden ihnen diese Zeit auch lassen, sofern sicherge­stellt ist, dass sie ihre Schulden zurückzahlen können. Die Rückzahlungsgarantie ist keine rechtliche, sondern ergibt sich aus der bereits beschriebenen fundierten Analyse der Troika. (Abg. Zanger: Die können jetzt schon nicht mehr zahlen!)

Ich möchte Sie nochmals darauf hinweisen, dass Griechenland aktuell ein massives Li­quiditätsproblem hat, aber nicht pleite ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Zanger: Nein! – Abg. Mag. Stadler: Schlechter kann es auch nicht mehr werden!)

15.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/ keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub kommt eine Gesamtrede­zeit von 25 Minuten zu.


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Zu Wort gelangt als Erster Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 8 Minuten. – Bitte.

 


15.59.14

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, es ist schon beachtlich, was Sie uns da heute zugemutet ha­ben, indem Sie sich hier herstellten und sagten: Es wird keine neuen Steuern mit mir geben! (Bundesministerin Dr. Fekter: Ich habe es gestern auch schon gesagt!)

Diesen Satz haben wir alle schon einmal gehört. Diesen Satz, von dieser Regierungs­bank aus gesprochen, haben wir alle schon von ihrem Vorgänger, der von derselben Partei ist wie Sie, vor zwei Jahren gehört, der hier gesagt hat: Es wird mit mir keine neuen Steuern geben!

Was dabei herausgekommen ist, haben wir gesehen: Belastungen, Steuererhöhungen. Eine ganze Latte von Maßnahmen wurde angekündigt. Das hat alles nicht gestimmt. Wer soll Ihnen denn da noch glauben, Frau Ministerin?

Wo ist da die Glaubwürdigkeit, wenn Sie hier wahrscheinlich nichts anderes getan ha­ben, als die Rede Ihres Vorgängers zu seinem Amtsantritt hier noch einmal zu halten? Das ist die Wahrheit! (Beifall beim BZÖ.)

Sehr „spannend“ war auch die Vorgangsweise – und das war so typisch dafür, wie Sie die Leute darstellen und wie Sie über die Menschen in unserem Land denken –, wie Sie hier mit Nonchalance in völliger Überheblichkeit von der Regierungsbank aus den Satz dahersagten: Das System ist ganz einfach! Nach dem Motto: Die Österreicher dürfen zahlen, und wir von der Regierung geben es aus!

Dazu sage ich Ihnen nur eines, Frau Ministerin: Das ist ein Trugschluss, denn für das, wofür Sie das Geld ausgeben, haben es Ihnen die österreichischen Steuerzahler nicht gegeben. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben, Frau Ministerin! (Bei­fall beim BZÖ.)

Sie schicken das Geld nach Griechenland und wollen uns hier auch noch weismachen, dass Griechenland nicht pleite ist, dass wir alles wieder kriegen werden. So nach der Devise: Es ist ein Geschäft auch noch, was wir da machen!

Demgemäß kann man nur sagen: Na wunderbar, packt Euch z’samm, auf nach Grie­chenland! Machen wir ein Packerl und schicken wir das gesamte Budget, alle unsere Sparguthaben, alles nach Griechenland, weil das ja ein Geschäft ist! Das ist im Mo­ment das größte Geschäft auf dem Finanzmarkt, will uns die Frau Finanzministerin weismachen.

Frau Ministerin, da liegen Sie völlig daneben! Alle Experten – Klubobmann Bucher hat über 300 Experten aus Deutschland, Ökonomen, bereits zitiert – sagen nämlich das Gegenteil. Aber Sie glauben es heute noch immer nicht. Ich sage Ihnen etwas: Ihre heutige Prognose wird Ihnen schon in Kürze leidtun und Sie werden Sie zurücknehmen müssen, Frau Ministerin, weil sie falsch ist! (Beifall beim BZÖ.)

Und dann stellen Sie sich her und sagen: Über Steuersenkungen sage ich nichts, denn über die reden wir nur dann, wenn es in Parlament eine Mehrheit dafür gibt! Das sagen Sie hier auf einmal. Aber in Zeitungsinterviews mit schönen Worten darüber philoso­phieren und dann nicht durchsetzen müssen, ist ein anderes Kapitel. Hier aber heißt es: Nur dann Steuersenkungen, wenn es im Parlament eine Mehrheit dafür gibt!

Frau Ministerin, Sie sind Finanzministerin der Republik Österreich und nicht Griechen­lands und Sie haben daher hier die Gestaltung des Budgets durchzuführen und Sie haben auch Vorschläge dazu zu machen. Sie sollen dem Parlament heute und jetzt sa­gen: Sind Sie für Steuersenkungen, und, wenn ja, wo (Abg. Mag. Stadler: Wann end­


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lich?), denn die Bevölkerung hat ein Recht darauf, das endlich zu erfahren? Und vor al­lem: Wann, Frau Ministerin? – Nicht in zwei Jahren, wenn es darum geht, mit Wahl­kampfgags billige Wahlkampfzuckerln zu verteilen, wenn sich die Parteizentralen wie­der herausputzen und den Menschen alles versprechen. Heute wollen wir es wissen – ohne Wahlkampf!

Daher bringen wir in diesem Zusammenhang einen Antrag ein, denn Ihr Parteiobmann hat gesagt, es soll ein neues Steuersystem kommen. Ich zitiere: weniger, einfacher, leistungsgerechter! Das hat er gesagt.

Sie selbst haben gesagt, die Steuerquote in Österreich sei exorbitant hoch und müsse gesenkt werden. Das haben sie selbst erst vor Kurzem gesagt.

In diesem Zusammenhang bringen wir daher jetzt folgenden Antrag ein – das ist eine Art Nagelprobe, wie das denn so ist bei der Fraktion der Ministerin Fekter –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Genug gezahlt – Steuerreform jetzt!

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Frau Bundesministerin für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum Jahresende 2011 einen Gesetzentwurf für eine Steuerreform unter dem Gesichtspunk­ten ‚weniger, einfacher, leistungsgerechter‘ vorzulegen.“

*****

Eine sehr einfache Übung! Wir wollen das wissen bis zum Jahresende – und nicht erst im Wahljahr. Deswegen haben wir diesen Antrag heute eingebracht. (Beifall beim BZÖ.)

Frau Ministerin, das ist ein Gebot der Stunde! Die Menschen haben das verdient! Wir wissen mittlerweile und sagen es auch: Österreich ist ein Hochsteuerland! Das wissen wir. Wir haben um gut 10 Prozentpunkte mehr an Steuerquote als im europäischen Durchschnitt. Das wissen Sie, das haben Sie heute selber zugegeben.

Wir sind aber nicht nur ein Hochsteuerland, sondern wir sind mittlerweile auch ein Schuldnerland. Ihre Fraktion war es, die dieses Land in noch höhere Schulden, in Re­kordschulden geführt habt.

Österreich ist vor allem auch ein Hochpreisland. Und das alles zur gleichen Zeit bei real sinkenden Einkommen und bei einer galoppierenden Inflation, die jetzt – heute erst wieder bekanntgegeben – wieder einmal bei offiziellen 3,2 Prozent liegt, beim offiziel­len Warenkorb. Wir wissen, was das inoffiziell bedeutet.

Das heißt, wir brauchen jetzt hier eine Entlastung, weil wir sonst einen latenten Kauf­kraftabzug herbeiführen. Wir führen eine latente Kaufkraftminderung herbei, anstatt dass wir den Menschen jetzt, in einer Phase, wo es noch schwieriger ist, Kaufkraft ge­ben, damit investiert wird, damit gefördert wird und damit Geld in Umlauf kommt und damit die Wirtschaft wieder entsprechend wachsen kann. Letzteres wäre jetzt Ihre Auf­gabe, in Form einer Steuerreform durchzusetzen. (Beifall beim BZÖ.)

Die Zahlen liegen auf der Hand: Seit den letzten zehn Jahren ... (Abg. Krainer: Ist Ih­nen nicht aufgefallen, dass wir ein Wirtschaftswachstum haben?) Geh, schmerz- und humorbefreiter Herr Abgeordneter Krainer, setz dich in deine Reihe und gib a Ruah, das ist das Gescheiteste! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Krainer: Ist Ihnen das Wirt­schaftswachstum nicht aufgefallen?)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 139

Wir haben, Frau Ministerin – und die Zahlen liegen auf dem Tisch –, in den letzten zehn Jahren eine Steigerung des Bruttoinlandsproduktes von 38 Prozent und eine Stei­gerung der monatlichen Pro-Kopf-Einkommen von 26 Prozent bei gleichzeitiger Steige­rung der durchschnittlichen Inflation von 30 Prozent – offiziell, wie gesagt, und nicht, wie es heißt, 10 Prozent –, und daran können Sie sehen, dass sich das vorne und hin­ten nicht mehr ausgeht. Das bedeutet ein reales Sinken der Einkommen.

Nun zu den Schulden. – Wir haben es heute schon gesagt: Sie werden sich in den nächsten vier Jahren weitere 100 Milliarden € allein für den Schuldendienst auf den in­ternationalen Märkten ausleihen müssen, um die Zinsen zahlen zu können.

Frau Ministerin, das geht sich hinten und vorne nicht aus. Wenn Sie weiterhin hier eine falsche Politik betreiben und nach Griechenland Milliarden schicken, dann werden die Österreicher noch mehr verarmen. Es ist eine Tatsache: Die Armut steigt! Ich habe es Ihnen schon öfter gesagt: Schon 1 Million Menschen leben in Österreich an der Ar­mutsgrenze.

Übrigens, Frau Ministerin, diese Menschen wissen nichts davon – wie haben Sie das heute gesagt?, ich habe es mir notiert –, dass wir gut dastehen.

Wir stehen gut da!, das sagte uns heute die Ministerin. – Fragen Sie einmal die Men­schen, die an der Armutsgrenze leben, fragen Sie einmal die Steuerzahler, die bis zur Jahresmitte ausschließlich an das Finanzamt ihr Geld abliefern, um das sie arbeiten, was sie davon halten! Fragen Sie das auch die Unternehmer, die in einem Dschungel von Bürokratie untergehen und für Steuern arbeiten müssen, wo keiner mehr einen Durchblick hat! Fragen Sie das den Mittelstand, der blutet! Dazu haben Sie ja Gott sei Dank den einen oder anderen richtigen Satz gesagt.

Frau Ministerin, wir stehen nicht gut da, sondern die Menschen haben ein Problem. Doch das haben Sie nicht erkannt! Wir haben höchste Steuern, höchste Abgabenquote und sinkende Einkommen. Das ist das eigentliche Problem! Dazu kommen noch die Probleme bei den Energiekosten.

Haben Sie sich das einmal angeschaut, Frau Ministerin? – In den letzten sieben Jah­ren musste ein durchschnittlicher Haushalt allein für Energiekosten – für Strom, Gas, Sprit, Heizöl – 3 500 € im Jahr mehr zahlen. In den letzten sieben Jahren! Das ist ge­nau durchgerechnet worden. Das beweist eine Rechnung von Experten, nicht von uns!

Ist es gerecht, dass gleichzeitig die OMV Milliarden an Gewinnen scheffelt und nichts zur Reduktion der Energiepreise beiträgt, keine Spritpreissenkungen weitergibt und weiterhin jede Woche und jedes verlängerte Wochenende die Spritpreise in die Höhe geschnalzt werden und die Familien das zahlen müssen? Da sind Sie gefordert, Frau Finanzministerin, denn der Wirtschaftsminister schläft in der Pendeluhr bei diesem Thema! Sie sollten da etwas tun! (Beifall beim BZÖ.)

Frau Ministerin, wir haben Ihnen unser neues Steuersystem – 61 Seiten lang, es liegt für Sie auf dem Tisch –, das unser Klubobmann Bucher mit Experten erarbeitet hat, vorgelegt, das im Prinzip auf eines hinausläuft: auf das Flat-Tax-Modell. Ich war sehr überrascht, dass Sie es recht positiv kommentiert haben, Frau Ministerin. Aber dann setzen Sie es auch um!

Wir brauchen ein neues, einfaches Steuersystem! Wir brauchen ein neues Steuersys­tem, das einfach ist, das für Investitionen sorgt und das tansparent ist. Und das ist die­ses Flat-Tax-Modell, das wir seit zehn Jahren, seit zwölf Jahren – Alvin Rabushka heißt der Professor, der das ganze Werkl erfunden hat, Sie kennen ihn – hier in Öster­reich vorstellen und diskutieren.

Am Ende ist es ganz wichtig, dass für jeden Einzelnen eines übrigbleibt: mehr Netto von Brutto im Lohnsackerl, damit sich die Menschen endlich das Leben wieder leisten können! (Beifall beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 140

Genau dieses Steuersystem wollen wir! Außerdem wollen wir eine Steuerbehörde, die das alles vollzieht, und wir wollen eine einheitliche Business-Tax. Weiters wollen wir auch kreative Varianten, wir wollen zum Beispiel den Investivlohn einmal fördern. Es sollen jene Menschen, die ihren Lohn wieder investieren, steuerlich entlastet werden. Auch das sollten Sie sich einmal überlegen, Frau Ministerin!

Oder: Wir wollen Einzelpersonenunternehmungen steuerlich entlasten, ihnen helfen, wenn sie Mitarbeiter anstellen. Das soll auch eine entsprechende Entlastung finden.

Das alles sind kreative Ideen! – weil Sie immer sagen, wir haben keine Ideen. Wir ha­ben genug Ideen. Nur: Sie sollten sie auch ernst nehmen und umsetzen. Dann wären Sie wahrscheinlich schon wesentlich weiter.

Wir sagen Ihnen daher: Wir wollen das Steuersystem der Flat-Tax – das System, das wir vom BZÖ seit vielen Jahren proklamieren und auch umgesetzt haben wollen – mit Ihnen diskutieren. Denn: Wir brauchen – und das wird dieses Konzept sicherstellen – eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes, mehr Steuergerechtigkeit, eine Entlastung der KMUs und vor allem auch eine Verminderung der Verwaltung und der Bürokratie.

Es hat einmal einen Spruch von der Sozialdemokratie gegeben – Sie werden sich nicht mehr daran erinnern können, weil es nicht stattgefunden hat; das war vor vielen Jah­ren –, der gelautet hat: Zeit der Gerechtigkeit!

Jawohl, Frau Ministerin: Es kommt die neue Zeit der Gerechtigkeit! Und das fordert ein neues Steuersystem mit flachen, niedrigen und einfachen Steuern.

Dafür steht das Bündnis Zukunft Österreich! (Beifall beim BZÖ.)

16.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Ing. Peter Westenthaler Kolleginnen und Kollegen be­treffend Genug gezahlt – Steuerreform jetzt!

eingebracht in der Debatte zur Dringlichen Anfrage „Genug gezahlt – Steuern senken jetzt!“ des BZÖ in der 110. Sitzung des Nationalrats

Einige Zitate der Frau Bundesminister für Finanzen zeigen deutlich ihre Unzufrieden­heit mit dem derzeitigen Steuersystem in Österreich.

Finanzministerin Maria FEKTER: im Ständigen Unterausschuss des Hauptausschus­ses in Angelegenheiten der EU am 7. Juni 2010:

„Es ist bekannt, dass es in Österreich eine exorbitant hohe Steuerquote gibt.“

Finanzministerin Maria FEKTER auf krone.at:

„Wir müssen den Mittelstand entlasten. Diese Leute fallen in die steigende Progres­sion, die bekommen keine öffentlichen Unterstützungen und die zahlen auch noch die Wertpapier- und Sparbuch-KESt.“

Finanzministerin Maria FEKTER auf krone.at:

„Mit 41,3 Prozent Steuersatz liegen wir deutlich über dem EU-Satz, der 34,2 Prozent beträgt. Zehn Prozent der Lohnsteuerpflichtigen zahlen 50 Prozent des Steueraufkom­mens.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 141

Der Vizekanzler und Außenminister, Michael Spindelegger, meint:

„„Weniger, einfacher, leistungsgerechter“ ist das Motto für ein neues Steuersystem.“

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Frau Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat bis zum Jah­resende 2011 einen Gesetzesentwurf für eine Steuerreform unter den Gesichtspunkten „weniger, einfacher, leistungsgerechter“ vorzulegen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte. (Abg. Bucher: Oje, Klassenkampf!)

 


16.09.02

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohin die Finanzpolitik des BZÖ führt, hat man ja anschaulich in Kärnten bei der Hypo Alpe-Adria erlebt. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Wenn der Bund da nicht eingesprungen wäre, dann hätte jetzt Kärnten 20 Milliarden € Schulden. Es war einer der Vertreter des BZÖ, der für diese „hervorragende“, „weit­sichtige“ Politik stand, nämlich die Finanzpolitik des BZÖ. Und Gott oder sonstwer, vor allem der Wähler, bewahre Österreich vor einer Wiederholung dessen, was in Kärnten passiert ist, davor, dass das sonstwo in Österreich auch passiert. (Abg. Bucher: BAWAG! – Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie die BAWAG schon vergessen?)

Was das österreichische Steuersystem betrifft, so finde ich es sehr spannend, dass wir hier alle im Prinzip einer Meinung sind: dass es relativ ungerecht ist!

Wenn man sich die Einkommensverteilung anschaut, sieht man, dass etwas mehr als die Hälfte, zirka 60 Prozent aller Einkommen, die in Österreich verdient werden – das sind zirka 180 Milliarden € – die Arbeitnehmer bekommen. Zirka 120 Milliarden € ist das, was an Kapital und an Unternehmensgewinnen und Einkommen da ist.

Jetzt schauen wir uns an: Was zahlen diese zwei Gruppen an Steuern? – Die Arbeit­nehmer zahlen von den 180 Milliarden €, die sie verdienen, zirka die Hälfte – 95 Milliar­den € – an Steuern und Abgaben und finanzieren damit den Staat. Und von den zirka 120 Milliarden €, die Unternehmensgewinne, Vermögensgewinne und so weiter, also Kapitalerträge im weitesten Sinne sind (Ruf bei der ÖVP – in Richtung des leise spre­chenden Redners –: Ich höre nichts! – Abg. Ing. Westenthaler: Sprechen Sie schon?), werden wie viel bezahlt? – Zirka 15 Milliarden €, etwas mehr als 10 Prozent. (Abg. Ing. Westenthaler: Also sind Sie auch für die Flat-Tax?)

Das ist das Verhältnis: Fast zu 90 Prozent finanziert sich der Staat von Arbeitnehmern, und nur zu zirka 10 Prozent von Unternehmern und von Kapitalerträgen. (Abg. Riepl: Das ist aber nicht gerecht!)

Das, was bei uns das Problem ist, ist, dass die Steuern und Abgaben auf Arbeit viel zu hoch und die Steuern und Abgaben auf Kapital und Vermögen viel zu niedrig sind. Das sagen auch alle internationale Organisationen. Der IWF war jetzt gerade in Wien. Genau das haben die Vertreter auch gesagt: viel zu hohe Steuern auf Arbeit und im internationalen Vergleich viel zu niedrige Steuern auf Vermögen und auf Kapital.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 142

Das ist in Wirklichkeit der Weg, den wir gehen müssen, nämlich die Steuern und Ab­gaben auf Arbeit zu senken und im Gegenzug Steuern und Abgaben für Kapital und Vermögen zu erhöhen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns anschauen, was diese Bundesregierung in den letzten Jahren gemacht hat, dann sehen wir, dass das genau der Weg ist, der gegangen wurde. In einem ers­ten Schritt sind Steuern und Abgaben auf Arbeit gesenkt worden, nämlich durch die Ar­beitslosenversicherungsbeiträge für geringe Einkommen und die Tarifreform bei der Einkommenssteuer und Lohnsteuer.

Das heißt, wir haben die Steuern und Abgaben auf Arbeit um über 3 Milliarden € ge­senkt und haben gleichzeitig natürlich den Steuerbeitrag für kapital- und vermögensbe­zogene Steuern erhöhen müssen: durch die Bankenabgabe zum Beispiel. Wir haben die Wertpapier-KESt neu eingeführt, also auch für Spekulationsgewinne. Wir haben die Besteuerung für Stiftungen erhöht. Wir haben Besteuerungen für Konzerne erhöht. Wir haben also natürlich auch eine Reihe von unternehmensbesteuernden Maßnahmen setzen müssen.

Das war gut und das war richtig so. Das ist der Weg, den die Bundesregierung bisher gegangen ist. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum die Bundesregierung diesen Weg verlassen sollte. Dieser Weg war richtig. Wir sind jedenfalls bereit, diesen Weg weiterzugehen, Steuern auf Arbeit zu senken und Steuern und Abgaben auf Vermögen und Kapital im Gegenzug zu erhöhen. Wieso? – Nur die Steuern zu senken, führt zu weniger Steuereinnahmen und dadurch zu mehr Schulden und zu einer höheren Ver­schuldung. (Abg. Bucher: Das ist ein Blödsinn! Das ist ein absoluter Unsinn!) Das ist ein Weg, den wir Sozialdemokraten nicht gehen wollen.

Frau Ministerin Fekter, es ist total nett, dass Sie mich so jung schätzen, aber Kollege Matznetter und ich sind im Jahr 2002 am selben Tag hier angelobt worden. Insofern weiß ich, wie das mit der KöSt-Senkung war.

Das Phänomen ist relativ einfach erklärt. Die KöSt ist eine konjunkturabhängige Steu­er. Das heißt, wenn die Konjunktur hoch ist, sind die Gewinne hoch und der Steuerer­trag ist hoch, und wenn die Konjunktur schlecht ist, sind die Gewinne niedrig und die Steuer bringt fast überhaupt kein Geld.

Wenn wir uns anschauen, was die KöSt in den Jahren 2008/2009 gebracht hat, so war das noch keine Bagatellsteuer, aber sehr, sehr wenig. Wenn man in einer konjunkturell schlechten Zeit den Steuersatz senkt und das mit den Einnahmen in der Hochkon­junktur vergleicht, sind sie da höher – nonanet!. Selbstverständlich bedeutet eine Sen­kung von Steuern weniger Steuern und nicht mehr am Schluss, wenn man den Kon­junkturfaktor ordentlich einberechnet. Das Phänomen heißt Konjunktur, und insofern ist das leicht erklärt.

Wenn wir sagen, ja – und ich hoffe, da sind wir alle einer Meinung –, wir müssen und wollen die Steuerbelastung für Leistungseinkommen/Arbeitseinkommen senken, dann gibt es auf der anderen Seite nur zwei Varianten. Das eine ist, mehr Schulden zu ma­chen. Das andere ist, dass auch jene, die heute nicht einen gerechten Beitrag leisten oder die heute einen wesentlich kleineren Beitrag als Leistungseinkommen leisten (Abg. Kopf: Und auch weniger ausgeben!), auch einen gerechten Beitrag leisten.

Ich glaube, wenn wir uns anschauen, wie die Einkommensverteilung ist und wie die Steuerlast verteilt ist, so müssen wir alle der Meinung sein, dass Arbeit sicherlich einen zu hohen Beitrag leistet und dass bei Kapital und Vermögen wirklich noch rasend viel Spielraum ist, vor allem im internationalen Vergleich.

Wenn wir nur das an Vermögenssteuern umsetzen, was international im Schnitt einge­nommen wird, hätten wir um 5 Milliarden € mehr Steuereinnahmen. (Abg. Kopf: Das


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 143

ist aber nicht unser Ziel! 5 Milliarden € mehr Einnahmen kann nicht das Ziel sein!) Wenn wir nur den Schnitt machen, hätten wir 5 Milliarden € mehr. (Abg. Bucher: Dann ist das Kapital weg!)

Wenn wir nur den Schnitt hätten, dann könnten wir die Steuern und Abgaben auf Arbeit nämlich auch um 5 Milliarden € senken. Wir hätten unterm Strich dasselbe, aber wir hätten eine wesentlich gerechtere Verteilung, als wir das heute haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Das halte ich für eine wesentliche Frage diesbezüglich.

Ich wollte noch eine kleine Korrektur zum Entschließungsantrag anbringen. Kollege Stummvoll und ich werden da zitiert. Wir hätten gesagt, die tickenden Zeitbomben, die der Rechnungshof gesehen hat, müssen entschärft werden. Das stimmt. Ich habe von einer tickenden Zeitbombe gesprochen, nämlich von der Arbeitslosigkeit in Europa. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was der Rechnungshof gesagt hat.

Also: Wenn Sie mich zitieren, dann bitte korrekt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stumm­voll. – Bitte.

 


16.16.04

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Finanz­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zum Erstunterzeichner dieser Anfrage, zu Klubobmann Sepp Bucher sagen. Lie­ber Klubobmann Bucher, du weißt, ich schätze dich durchaus. Ich kann auch eine Rei­he von Passagen deiner Rede durchaus unterstreichen. Ich teile genauso wie du die Meinung des Internationalen Währungsfonds, der vorige Woche bei uns war: Wir müs­sen an sich viel ehrgeiziger in der Ausgabenpolitik und bei den großen Strukturrefor­men sein. Das teile ich völlig, gar keine Frage.

Vor allem – und damit schließe ich an die Rede von Krainer an – habe ich den Aus­druck tickende Zeitbombe nicht bezüglich der Arbeitslosigkeit verwendet, sondern be­züglich der Pensionsreform, weil ich gesagt habe: Es kann doch nicht ehrgeizig sein, zu sagen, wenn wir das faktische Pensionsalter um ein Jahr anheben, nehmen wir uns vor, das in zehn Jahren zu machen!

Unsere Nachbarn, die Deutschen haben ein um drei Jahre höheres Pensionsantritts­alter. Und ich behaupte hier, dass die Österreicherinnen und Österreicher nicht fauler und nicht kränker sind als die Deutschen. Wenn die Deutschen drei Jahre länger arbei­ten, müsste es, wie ich meine, unser Ehrgeiz sein, dieses Ziel auch zu erreichen, mei­ne Damen und Herren! Damit hätten wir 3 Milliarden € jedes Jahr mehr zur Verfügung. Da decken sich unsere Auffassungen.

Du hast auch aus der Antwort der Frau Finanzminister gesehen: Auch sie ist in vielen Bereichen mit dem Steuersystem nicht zufrieden, mit der Dreifachbelastung des Mittel­standes. (Abg. Bucher: Mir geht es ums Tempo! Nicht immer so viel reden, sondern umsetzen!)

Aber, lieber Kollege Bucher, es ist ein riesengroßer Unterschied zwischen schönen Op­positionsreden und der rauen politischen Wirklichkeit. Ich habe es gestern schon bei der Aktuellen Stunde gesagt: Als Opposition kannst du alles kritisieren, alles fordern, alles besser wissen und überall das „Obergscheiterl“ spielen. In der rauen Wirklichkeit aber schaut es anders aus.

Ohne Polemik: Wie die raue Wirklichkeit aussieht, hat der gestrige Untersuchungsaus­schuss in Klagenfurt gezeigt. Da hat der frühere Finanzminister unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass das, was deine Freunde oder deine Bekannten in Kärnten mit der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 144

Hypo aufgeführt haben (Abg. Bucher: Wer?), beinahe zur Pleite dieses Bundeslandes geführt hätte, beinahe zu einer riesigen Finanzkrise Österreichs geführt hätte und bei­nahe die größte Bankenpleite in Europa geworden wäre.

Warum „beinahe“? – Weil man mit einer Über-Nacht-Verstaatlichung verhindern muss­te, dass das eintritt, sonst wäre das Defizit unseres Budgets schlagartig um 20 Milliar­den € höher geworden. (Ruf beim BZÖ: Unsinn! – Abg. Bucher: Das weißt du, dass das nicht stimmt!)

Das heißt, da ist schon ein Unterschied zwischen schönen Reden als Opposition hier im Haus, lieber Sepp Bucher, und der rauen politischen Wirklichkeit dort, wo man wirk­lich Verantwortung trägt. Ohne Verantwortung kann man leicht sehr schön reden. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Bucher: Maximal fünf, der Androsch hat es bestätigt!)

Lieber Klubobmann, ich muss jetzt natürlich auch bei aller Wertschätzung sagen: In deiner Anfrage sind auch Dinge drinnen, die weit jenseits der Seriosität sind. (Abg. Bu­cher: Das auch, was du sagst!)

Wenn deine Frage 28 so sinngemäß lautet: Statt den Griechen zu helfen, sollen wir das Geld für eine Steuersenkung verwenden, so meine ich: Schauen wir uns die Fak­ten an! Griechenland hat bis jetzt einen Kredit von 1,2 Milliarden € bekommen. Das heißt, dein Vorschlag wäre, wir machen eine Steuersenkung, indem wir den Steu­erzahlern 1,2 Milliarden € Kredit geben. Dafür müssen die Steuerzahler Zinsen zahlen. (Abg. Mag. Stadler: Geh bitte!)

Ich bitte dich: Mache solche Vorschläge beim Villacher Fasching, aber nicht hier im Parlament, denn das ist „Lei-Lei“-Finanzpolitik. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Kein Mensch hat den Vorschlag ge­macht!)

Meine Damen und Herren, was wir brauchen, weil so viel von der Steuersenkung die Rede ist: Ich bin auch ein großer Anhänger davon, dass wir die Steuerquote senken sollten. Aber vergessen wir nicht, wir haben eine Dreifach-Strategie als Aufgabe. Ers­tens: Stabilität der Staatsfinanzen. Das hat für mich absoluten Vorrang. Wir sehen ja jetzt an den Beispielen Griechenland, Irland, Portugal – Frankreich wird schon ge­nannt, USA wird genannt –, wohin eine Staatschuldenkrise führt. Das heißt, vor einer Steuersenkung – so sage ich – hat die Sanierung des Staatshaushaltes Vorrang. (Abg. Bucher: Warum macht ihr nichts?)

Wir brauchen zweitens Initiativen für Wachstum und Beschäftigung. Und wir brauchen drittens natürlich Strukturreformen. Das heißt, wir haben nicht nur die Aufgabe, die Steuern zu senken, sondern wir haben eine dreifache Herausforderung: Stabilität des Staatshaushaltes, Initiativen für Wachstum und Beschäftigung und drittens strukturelle Reformen. Einen Bereich habe ich jetzt angeführt. Das Gleiche gilt für das Gesund­heitssystem, für das Bildungssystem und so weiter. (Abg. Bucher: Warum macht ihr nichts? Alles nach der Nationalratswahl!)

Was das Steuersystem alleine betrifft, muss ich ehrlich sagen: Die Frau Finanzminister ist noch nicht lange im Amt. Jetzt zu erwarten, dass sie ein vollkommen detailliertes Konzept mit allen Einzelheiten hat, ist ja absurd, lieber Sepp Bucher! Aber ihr politi­scher Wille, ihre Grundsätze – einfacher, weniger, leistungsgerechter, familienfreundli­cher – kann ich voll unterstreichen. (Abg. Mag. Stadler: Ja, eh! Stimmst du heute zu?)

Ich möchte auch in Richtung meiner Kollegen von der Sozialdemokratie sagen: Wir be­kennen uns genauso wie ihr zur Verteilungsgerechtigkeit. Aber vorher muss Leis­tungsgerechtigkeit da sein, denn ohne Leistung kann man nichts verteilen. Das ist die simple Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, da hat es noch vor Jahrzehnten einen Präsidenten hier am Präsidium gege­ben, nämlich Anton Benya. Benya hat immer gesagt: Man kann nur verteilen, was vor­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 145

her erarbeitet wurde! – Das ist eine Wahrheit, die immer noch gilt. Also: Verteilungs­gerechtigkeit ja, aber vorher Leistungsgerechtigkeit. (Abg. Dr. Matznetter: Aber die, die nichts haben ...!)

Was mich stört, Herr Kollege Matznetter, ist, dass die Leistungsgerechtigkeit nicht ge­geben ist, wenn jeder zweite Lohn- und Einkommensteuerpflichtige überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuer mehr zahlt (Abg. Krainer: Arbeitnehmer zahlen alle das­selbe!), dass die Leistungsgerechtigkeit nicht gegeben ist, wenn wir ein System haben, wo das ganze Aufkommen an Lohn- und Einkommensteuer so aussieht, dass (Abg. Krainer: Aber das ist eine Steuer!) 3 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerzahler 25 Prozent des Aufkommens erbringen, 10 Prozent erbringen 50 Prozent, lieber Kolle­ge, und 25 Prozent erbringen 80 Prozent. Das ist für mich nicht leistungsgerecht, mei­ne Damen und Herren! (Abg. Riepl: Was ist für Sie leistungsgerecht?)

Herr Kollege Krainer, schauen wir uns jene Länder an, wo es eine hohe Vermögens­steuer gibt! Erstens ist dort die Steuerquote viel niedriger, und die Vermögenssteuer ist dort zu 80 bis 90 Prozent alles Grundsteuer. (Zwischenruf des Abg. Katzian.– Das schaue ich mir an, lieber Wolfgang Katzian, ob ihr dazu bereit seid! Komm heraus und sag, du bist für die Erhöhung der Grundsteuer! Komm heraus! (Beifall bei Abgeordne­ten der ÖVP.) Komm heraus und erkläre das dann dem Bürgermeister Häupl, welche Auswirkungen das auf die Mietensituation in Wien hat! (Abg. Mag. Gaßner: Wer sagt denn das?)

Also, hier schön zu reden, es aber dann auch umzusetzen, das ist eine ganz andere Sache. (Abg. Krainer: Die Lohnsteuer macht 20 Prozent aus! 80 Prozent sind andere Steuern!)

Ich stehe auch zur Frau Finanzminister und dazu, was sie gesagt hat. Das alles wird es nur geben, wenn es hier im Parlament eine Mehrheit gibt. In der Politik ist das der Grundsatz in der Demokratie: Du kannst hundertmal überzeugt sein, dass deine Mei­nung die richtige ist, aber wenn du keine Mehrheit hast, hilft dir das nichts!

Herr Kollege Krainer, ich habe einmal schon gesagt: Wenn Ihre Idee der Vermögens­substanzbesteuerung mehr sein soll als die Befriedigung von Neidkomplexen, dann musst du massiv auf Eigentum und Mittelstand zugreifen. (Abg. Krainer: 37 000 Mil­lionäre!) Das heißt für mich Mittelstandsteuer, und das heißt für mich Eigentumssteuer. Das heißt nicht Vermögenssteuer. Vermögen sind immer die anderen, Eigentum sind wir.

In diesem Sinne, liebe Frau Finanzministerin: Volle Deckung für dein Konzept! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: „Volle Deckung“, Frau Ministerin! – Abg. Bu­cher: Ab in den Schützengraben!)

16.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter The­messl. – Bitte.

 


16.22.55

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Finanzministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krainer, hat das eigentlich einen be­stimmten Grund, dass Ihnen bei österreichischen Bankenpleiten immer nur die Hypo Alpe-Adria einfällt? Die Kommunalkredit ist ja auch mit 15 Milliarden € pleite gegangen. (Beifall bei der FPÖ.) Ist das vielleicht damit begründet, dass die damals verantwort­liche Vorstandsvorsitzende heute als Ihre ... (Abg. Krainer: Die Volksbank!) – Die Kommunalkredit! Ja, okay. Es fällt Ihnen ja immer nur eine ein. Das hat ja einen Grund – und Sie wissen warum –: Weil die damals Verantwortliche jetzt als Ihre Minis­terin in der Regierung sitzt. Aus diesem Grund fällt Ihnen das nicht ein. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: BAWAG, Gewerkschaft, „Konsum“!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 146

Aber kommen wir jetzt zum eigentlichen Thema. Frau Finanzministerin, es ist sehr po­sitiv anzumerken, dass Sie in relativ kurzer Zeit in Ihrer Position als Finanzministerin gemerkt haben, dass der Mittelstand zu entlasten ist, weil er einfach mit Abstand am stärksten geschröpft wird, und dass das Steuersystem aus dem Lot geraten ist. Das ist einmal schon sehr positiv anzumerken, dass Sie vorhaben, diesbezüglich etwas zu tun.

Sie können es heute beweisen, dass Sie es gleich machen, indem Sie den Antrag des BZÖ dann mittragen werden. Dann haben wir nächstes Jahr bereits die ersten Resul­tate. Und dass das Steuersystem grundsätzlich zu reparieren ist, da haben Sie auch recht.

Die Worte „keine neuen Steuern“ sind schon sehr gefährlich. Das hat der Herr Kollege Westenthaler auch schon gesagt. Ihr Vorgänger, Frau Dr. Fekter, ist sogar so weit gegangen, dass er gesagt hat: Nur über meine Leiche gibt es neue Steuern! Und Gott sei Dank – das muss ich auch sagen – hat er sich von seiner schweren Krankheit in der Zwischenzeit wieder gut erholt. Ich würde in dieser Bundesregierung sehr vor­sichtig mit solchen Äußerungen sein, weil Sie es nicht halten können werden. Dann hoffe ich nicht, dass es Ihnen ähnlich geht. Das hoffe ich wirklich nicht.

Kommen wir noch einmal zurück zu Griechenland. Ich verstehe schon, dass man durchwegs unterschiedlicher Meinung sein kann. Ich habe gestern im „Club 2“ sechs Damen darüber diskutieren gehört, wie man mit Griechenland umgehen soll. Und auch dort hat es durchaus unterschiedliche Meinungen gegeben. Das ist keine Frage. Das ist auch keine Frage dahin gehend, wer dann recht behält; das werden wir ja dann se­hen. Ich hoffe ja, Sie behalten recht, weil das wahrscheinlich mit weniger Schwierig­keiten verbunden ist als umgekehrt.

Eines verstehe ich aber nicht. Egal, wie diese Sache mit Griechenland ausgeht, ob Sie jetzt recht behalten oder wir recht behalten, um eines kommen Sie nicht herum – und das versprechen Sie seit dem Jahr 2008, also seit über zweieinhalb Jahren –, dass es aufgrund dieser damals ausgebrochenen Finanzkrise eine Neuordnung des Finanz­sektors braucht und dass es zumindest europaweit eine Finanztransaktionssteuer braucht. Für dieses Vorhaben, für die Finanztransaktionssteuer hätten Sie hier im Ho­hen Haus sogar eine Einstimmigkeit.

Jetzt habe ich Ihren Parteivorsitzenden heute hier in der Fragestunde gehört, und er hat dann auf die Frage geantwortet, wie das mit der Transaktionssteuer und so weiter ausschaut: Ja, wir werden das zügig vorantreiben. – Jetzt geht das seit zweieinhalb Jahren so.

Ich verstehe aber eines nicht: Unsere Finanzminister – und jetzt Sie als Finanzminis­terin, Frau Dr. Fekter – sind immer wieder oder fast wöchentlich in Brüssel, weil es um neue Verhandlungen und neue Zusagen gehen soll. Warum gehen Sie dann nicht her und sagen: Okay, damit endlich etwas weitergeht, erwarte ich, wenn Sie von mir eine Zusage für zusätzliche Geldleistungen erhalten wollen, dass Sie einmal die Rahmen­bedingungen festlegen und jetzt beschließen! – Dann hätten Sie auch die anderen Länder einmal unter Druck gesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass es auch anders geht, haben Ihnen die Slowaken bewiesen. Die Slowaken haben vor einem Jahr schon gesagt: Wir beteiligen uns an der Griechenlandhilfe nicht! Und es hat nur einen kurzen Aufschrei in der EU gegeben, und dann war Ruhe, weil die Slowaken damals ganz klar gesagt haben: Wir haben das Geld nicht! Wir können es uns nicht leisten, und wir sehen auch keinen Sinn darin, weil es wahrscheinlich nie mehr zurückkommen wird! – Und das wird auch bei uns so sein.

Das verstehe ich nicht, dass Sie das nicht endlich einmal hernehmen und in Brüssel sagen: Jawohl, wenn Sie weitere Zusagen von uns haben wollen, dann erwarten wir von Ihnen, dass die Finanztransaktionssteuer umgesetzt wird, dass es eine Neurege­


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lung des Finanzmarktes gibt! – Sonst werden Sie in zweieinhalb Jahren – gut, da sit­zen Sie wahrscheinlich nicht mehr hier, weil eine Wahl dazwischen kommt – immer noch sagen: Wir werden das Thema vorantreiben!

Ich weiß nicht, ich hoffe, Sie haben keine Landwirtschaft zu Hause, denn wenn Sie Almauftrieb im Frühsommer machen, erreichen Sie die Hochalm nie vor dem Winter­einbruch! Das ist Ihr „Tempo“ beim Vorantreiben.

Sie gehen ja nach Brüssel und sagen schon, bevor Sie in die Sitzung gehen, bevor Sie überhaupt zur Abstimmung gefragt waren, jedem Journalisten: no problem! – Sie kön­nen ja gleich ein Fax oder ein E-Mail nach Brüssel schicken und sagen: Wir sind oh­nehin einverstanden – egal, was Sie machen; sagen Sie uns einfach, wie viel Geld Sie wollen! – Das ist der grundsätzlich falsche Weg.

Gestern hat im deutschen Fernsehen – in n-tv – eine Diskussion stattgefunden. Da hat man im Zuge dieser Diskussion eine TED-Umfrage gemacht, wie die deutsche Bevöl­kerung dazu steht, dass man unter diesen Voraussetzungen, die in der Zwischenzeit bekannt geworden sind, neues Geld nach Griechenland schicken soll. Und wissen Sie, wie diese TED-Umfrage ausgegangen ist? – 87 Prozent der deutschen Bevölkerung sind dagegen, dass man unter diesen Voraussetzungen weiter Geld nach Griechen­land buttert.

Ich sage Ihnen eines: In Österreich würde diese Umfrage genau gleich ausgehen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Eines zum Abschluss noch: Herr Kollege Matznetter hat es richtig erwähnt, ich glaube vor zwei oder drei Tagen. Er hat gesagt: Sparen allein wird in Griechenland nicht hel­fen! – Und da hat er vollkommen recht.

Dort gibt es eine Wirtschaft, die am Boden liegt, die ohne zusätzliche Investitionen überhaupt nicht in der Lage ist, zu produzieren, zumindest so zu produzieren, dass sie die Produkte auch verkaufen kann. Wir wissen, dass der Tourismusbereich, der eine wichtige Einnahmequelle ist, in den letzten Jahren auch nichts investiert hat, und damit natürlich enorm viele Gäste an andere Tourismusdestinationen abgewandert sind.

Das heißt, wenn Sie jetzt das Geld runterschicken, um die Banken zu retten, dann fehlen immer noch zusätzliche zig Milliarden Euro, um Investitionen in die Wirtschaft und in den Fremdenverkehr dort unten zu tätigen, damit die Griechen überhaupt in der Lage sind, irgendwann aus eigener Kraft aus diesem Schlamassel herauszukommen. Das haben Sie alles vergessen.

Ich hoffe nur, Sie behalten recht, da ansonsten Ihr Job gefährdet ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


16.29.37

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Aufgrund der Fragestellung und der Beiträge hier ist es zumindest zur halben Zeit auch wieder eine sogenannte Griechenland-Debatte geworden – ich will nicht „Euro-Krisen-Debatte“ sagen, das würde auch nicht zutreffen. Das hat heute Gott sei Dank auch in der Form noch niemand behauptet; sonst hören wir ja hier auch anderes.

Was wir jetzt seit ein paar Tagen versuchen – ob es im zugehörigen Unterausschuss ist, dem Ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses in EU-Angelegenheiten, oder bei der Fragestunde hier oder bei anderen Anlässen, die durchaus offiziellen Cha­rakter haben –, ist, herauszufinden, welche Linie die österreichische Regierung eigent­


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lich hier vertritt – aus den öffentlichen Aussagen ist das nicht immer ganz klar hervor­gegangen – beziehungsweise was wirklich in den Gremien vertreten wird. Das hätten wir gerne gewusst, und auf das wollte ich jetzt in diesem Zusammenhang kurz einge­hen.

Wir dürfen ja unterschiedlicher Meinung sein, Frau Bundesministerin, na selbstver­ständlich, was sozusagen den Zahlungsfähigkeitsstatus von Griechenland betrifft. Of­fensichtlich haben wir da eine unterschiedliche Auffassung. Die Grünen haben schon vor einem Jahr festgestellt, soweit es möglich war, oder jedenfalls die Einschätzung getroffen, Griechenland hat ganz generell ein Problem der Zahlungsfähigkeit und be­findet sich nicht nur bloß definitorisch sozusagen vorübergehend in einer illiquiden Si­tuation.

Frau Ministerin, Sie haben heute wieder das Gegenteil gesagt; das ist Ihr gutes Recht. Vielleicht gibt es auch Befunde, die diese Einschätzung stärker stützen als jene Befun­de, die uns vorliegen, oder die Rechnungen, die wir anstellen.

Aber es ist natürlich schon so, dass es in diesem Zusammenhang auch andere Fragen gibt, die mindestens so wichtig sind. Eines oder mehrere Dinge, aber ich gehe sie nacheinander durch und fange beim Ersten, diesem einen an, stimmt immer und mit Sicherheit: dass das eine Sache ist, die nicht umsonst ist, so oder so, einmal mehr oder weniger, ist ja auch klar.

Sie reden mittlerweile von sanfter Umschuldung, also vom Hereinziehen privater Gläubiger, immer unter dem Hinweis der Freiwilligkeit. Es wird jetzt nicht Zeit sein, auf das einzugehen, wo dort die Ursachen wieder liegen, nämlich bei den Rating-Agen­turen, die mittlerweile eigentlich auf den Mond geschossen gehörten; aber das ist wie­der eine andere Frage. Ich komme auf das zurück, dass das alles aus unserer Sicht nicht mehr umsonst zu haben ist. Deshalb wird Ihnen der Hinweis nicht sehr viel helfen und nur Gelächter von dieser Seite einbringen – das ist vielleicht nicht ganz gerecht­fertigt –, aber es wird Ihnen auch sonst kaum jemand mehr glauben, wenn Sie sagen, 19 Millionen, dann 33 oder 31 Millionen € an Zinsen zurück. Es ist ja gut, wenn darge­stellt wird, dass das eigentlich der Idee nach ein Kredit ist und nicht eine Hilfszahlung, wo nie mehr etwas kommen soll. Aber die Frage ist, ob was kommt, was überhaupt kommen kann und was vernünftig ist, wie viel kommt.

Wenn aber das die Frage ist, ist eigentlich die andere, die ich jetzt als primäre, als erste bezeichnet habe, in Wahrheit: Wer trägt denn auch da die Lasten? Die Sache ist an sich sehr kompliziert, aber es werden immer mehr Bürgerinnen und Bürger in Euro­pa durchschauen, wer die Last trägt. Und dann schaue ich mir an, wie unsere Regie­rungen – ich sage „unsere“, ich meine unsere hier, aber ich meine auch die europäisch Regierungen – dastehen, wenn wir neben dem, was wirtschaftlich vernünftig ist ... Und da darf man wirklich darüber streiten, das ist ja nicht so einfach, aber es gibt hier auch einen Gerechtigkeitsaspekt, und wenn am Schluss nur überbleibt, dass so lange he­rumgedoktert, herumgetrickst und auf die lange Bank geschoben wird, sage nicht nur ich, sondern auch alle möglichen Ökonomen, dass Griechenland zumindest teilinsol­vent ist, dass da Konkursverschleppung betrieben wird. Das ist zwar ein irrsinnig brutales Wort, denn in Wahrheit wäre der bessere Begriff „Ausgleich“. Aber den an­deren Namen gibt es halt auch. Griechenland müsste nämlich in Ausgleich gehen. Das ist halt unsere Meinung.

Wenn das dauernd weiter verschoben wird, wird am Schluss überhaupt kein Privater mehr drinnen sein. (Abg. Mag. Stadler: Genau so wird es sein!) Wenn Sie und die eu­ropäischen Regierungen weiter diese Politik machen, ist es am Schluss wurscht, ob von Gläubigerbeteiligung die Rede ist oder nicht, und zwar im Gegensatz zu dem, dass nur der Steuerzahler zahlt, weil zu dem Zeitpunkt nur mehr öffentliches Geld drinnen sein wird: sei es in der EZB über mehrere verschiedene Titel, sei es, dass die Staaten


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Direktkredite gegeben haben, oder sei es, dass die Banken, die noch drinnen sind, nur mehr jene sind (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler), Kollege Stadler, die in öffentli­cher Hand sind. Es ist ohnehin nicht mehr so viel Privates da.

Wenn Sie sich dann noch anschauen, wie sich das seit März/Mai 2010 bis März/Mai 2011 entwickelt hat, dann werden Sie feststellen, dass entgegen der Ankün­digung – entgegen der Ankündigung! – zuerst einmal die französischen Banken – no­nanet – herausgegangen sind, fast schon um die Hälfte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Da geht es um über 10 Milliarden €, Kollegen Matznetter, Sie kennen ja die Zahlen genau. (Abg. Bucher: Der Steuerzahler bleibt übrig!)

Ja, das wissen wir eh alles. Ich bleibe bei den Franzosen und den Deutschen. Die Deutschen waren ja bis Anfang des Jahres noch drinnen, und seit Jahresbeginn bis März/April haben die deutschen Banken über ein Drittel abgezogen, was umgerechnet von Dollar in Euro mindestens 5 Milliarden € sind. Ja wohin soll denn das führen?!

Und da reden Sie von freiwilliger privater Gläubigerbeteiligung, „Vienna Initiative“, war eine gute Sache, okay, aber, entschuldigen Sie den Ausdruck, die klauen Ihnen die Millionen unter dem Hintern weg – und Sie schauen zu! (Beifall bei Grünen und BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Und dann erklären Sie uns da die Welt!

Das ist ein Diebstahl, der da passiert, der völlig gegen den Sinn der Marktwirtschaft organisiert wird, und das unter ihrer Patronanz – ich meine jetzt natürlich immer die europäischen Regierungen –, weil sie die EZB da mit hineintreibt, weil die Rating­agenturen irgendetwas erzählen und alle in Geiselhaft halten. Das ist eine gigantische Organisation der Umverteilung von unten nach oben, die da in Europa stattfindet, was mit Griechenland-Hilfe schön langsam überhaupt nichts mehr zu tun hat. Da wird nur mehr Geld im Kreis herumgeschickt, wo diejenigen, die ohnehin zuerst schon 15 oder 20 Prozent Zinsen verdient haben – das muss man sich einmal vorstellen! –, jetzt noch die Hand aufhalten dafür, dass sie so gefährdeterweise Geld hergeben. Jetzt, da das Ding schlagend werden könnte, fragen sie wieder die anderen, nämlich uns Steuer­zahler, ob wir zahlen. Sie haben 20 Prozent kassiert aufgrund der Behauptung, wenn es schiefgeht, müssen sie zahlen.

Jetzt geht es vielleicht schief, aber zahlen tun wieder die anderen. Das sind die Staa­ten, das sind wir Steuerzahler, die ihrerseits wieder Kredite aufnehmen müssen, um das zu zahlen. Ja kapieren Sie nicht das Finanzkarussell, das da dahintersteckt? Das ist eine Umverteilungsschwungmasse der Sonderklasse! Es ist unglaublich, was da vor sich geht!

Und Sie erklären uns jetzt was? Die deutsche Bundesregierung, eigentlich eine konser­vative, die Frau Merkel hat irgendwann nach dem Nordrhein-Westfalen-Debakel aus dem Ganzen gelernt, und der Herr Schäuble hat etwas versucht, ist aber wieder von den Ratingagenturen zurückgepfiffen worden. Die private Gläubigerbeteiligung ist nur mehr ganz freiwillig, ganz am Ende möglich. Nur dann, wenn nämlich kein anderer Gläubiger mehr da ist, darf sich der private Gläubiger beteiligen. Okay, die haben es wenigstens versucht.

Was ist mit Österreich? Wir wissen nicht, was Sie tun. Aber heute kommt aus Ihrem Haus – deswegen ärgere ich mich so, 14.17 Uhr, APA-Meldung – folgende Nachricht:

„Zeitgewinn bei Athen-Hilfen“. Da geht jetzt die Debatte darum, was wir in der ver­zwickten Situation noch tun können. Antwort: „Wien schweigt“. Der Herr Pressespre­cher Ihres Ministeriums muss Stellung nehmen. „Wien schweigt“.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Wir werden um diese Fragen nicht herumkommen. Von wirtschaftlicher Vernunft habe ich gesprochen. Aber dieses Gerechtigkeitselement, wo Sie in anderen Zusammenhängen ohnehin immer so gern von Gerechtigkeit reden,


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werden wir nicht ausblenden können. Sie sind auf die Grünen hier im Haus ange­wiesen. Wir haben es Ihnen im Ausschuss schon ein paar Mal gesagt, wir haben es Ihnen heute hier gesagt. Der Auftritt des Vizekanzlers und Außenministers zu diesen Fragen war aus meiner Sicht verheerend, auch wenn die Fragen von anderen ge­kommen sind. Er hat die Antworten verweigert, das Ganze können wir wieder weg­schieben. (Zwischenruf des Abg. Kopf.) Nein, es war auch dort die Frage, wie diese private Gläubigerbeteiligung organisiert wird. Er hat die Antwort de facto verweigert – und da kommt die Bestätigung: „Wien schweigt“. So. (Beifall bei Grünen und BZÖ so­wie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die nächste Sache, wo das ein Thema ist, ist der europäische Stabilitätsmechanismus; der wird jetzt verhandelt. Wir wissen nicht, was Sie vertreten. Sie haben sich im Aus­schuss dazu verschwiegen, obwohl wir das klar gefragt haben, Professor Van der Bel­len und ich, und einen entsprechenden Antrag eingebracht haben. Da wäre Gelegen­heit gewesen, inhaltlich dazu Stellung zu nehmen. Nichts dergleichen!

Sie werden, damit wir diesen ESM-Mechanismus in Österreich überhaupt verfassungs­konform etablieren können, hier im Haus eine Verfassungsmehrheit brauchen. Wer­den Sie die beim BZÖ holen, so wie das heute geklungen hat, oder bei der FPÖ? Es ist ja ihr gutes Recht, sich so zu verhalten.

Aber wenn Sie uns von den Grünen, die wir regelmäßig konstruktiv in Verhandlungen eintreten wollen und Beispiele bringen, hier kein Angebot machen, hier keine Antwor­ten geben und immer nur irgendwelche Allgemeinplätze von sich geben, dass es ei­nem die Haare aufstellt, mit irgendwelchen Hausmeisterinnen-Weisheiten, dann muss ich sagen, das geht sich nicht mehr aus.

Am Schluss wird dann die Europäische Union dastehen und fragen: Was tut jetzt Ös­terreich? Und Sie werden hier eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Ich sage Ihnen, küm­mern Sie sich nächste Woche darum, dass bei diesem ESM-Mechanismus endlich ein­mal die private Gläubigerbeteiligung für Banken und Spekulanten – und der Begriff ist richtig – tatsächlich und verpflichtend, Frau Ministerin, etabliert wird, sonst werden Sie möglicherweise Schwierigkeiten bekommen mit den Mehrheiten! Dann schauen Sie sich an, wie Sie dastehen. Dann ist Schluss mit Hausmeister-Weisheiten, aber wirklich! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheib­ner. – Bitte.

 


16.40.12

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Bundesministerin, ich fange einmal mit etwas Positivem an. Ihr Befund, den Sie abgegeben haben, war ja durchaus richtig und positiv. Sie haben ja genau das noch einmal gesagt, was unser Klubobmann Bucher hier eingebracht hat, etwa wie es dem Mittelstand geht und dass gerade den Mittel­stand ungerecht hohe Steuern und Abgaben treffen.

Nur: Etwas zu befunden wäre ausreichend, wenn Sie vielleicht Chefredakteurin des „Neuen Volksblatts“, Ihrer Parteizeitung, wären, aber von Ihnen als Finanzministerin er­warten wir uns auch die Umsetzung der Maßnahmen, um den Mittelstand zu entlasten. Es reicht nicht, zu sagen, na ja, das machen wir schon irgendwann mit den drei Grund­sätzen, im Wahljahr 2013 wird das dann vielleicht kommen. Dann hören wir aber gleich vom Koalitionspartner, Copyright Krainer, als Zwischenruf: „Das ist absurd!“ – Das kam nicht von uns, sondern von Ihrem Koalitionspartner: „Das ist absurd!“

Das kennen wir leider schon zur Genüge, Frau Finanzministerin: Die eine Partei sagt, das wollen wir, die anderen sagen, das wollen wir nicht, sondern ganz etwas anderes;


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das will wieder die eine Partei nicht, und am Ende kommt überhaupt nichts heraus. Stillstand! Das ist das Problem bei dieser Bundesregierung. (Beifall beim BZÖ.)

Die SPÖ kommt dann wieder mit dem Klassenkampf, mit den Vermögenssteuern. Da sucht man in Österreich noch irgendwelche Reichen, die man schröpfen möchte, und damit soll das Budget saniert werden. Da sagen Sie dann gleich richtigerweise, Vermö­genssteuern kommen für Sie nicht in Frage. Also wieder eine Uneinigkeit in der Koa­lition. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Das ist wie bei der Frage der Wehrpflicht: Der eine löst die Diskussion aus, der andere sagt: Kommt nicht in Frage! – Dann wird es wieder bis zu den Wahlen vertagt.

Herr Kollege Matznetter, das ist auch Ihre Verantwortung in dieser Koalition! Sie sollen nicht Klassenkampf führen, Sie sollen nicht irgendwelche ideologischen Dinge einbrin­gen, sondern Sie sollen gemeinsam mit uns die Steuern senken, es wirklich einfacher machen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben das Konzept vorgelegt. Das wäre eine echte Entlastung, auch für die Bevöl­kerung.

Herr Kollege Matznetter, wenn man schon Ideologie betreibt, dann, muss ich sagen, verstehe ich ja das nicht: In Österreich wollen Sie die Reichen schröpfen, aber wenn in der Griechenlandkrise die reichen Banken, die internationalen Großbanken mit unse­rem Steuergeld ihre Verluste sozialisieren, dann sind Sie an vorderster Front mit dabei. (Beifall beim BZÖ.) Wo bleibt da Ihre Solidarität mit dem Steuerzahler? Wo bleibt da Ihr Kampf gegen die wirklichen Multis und gegen die Reichen? Das ist völlig unverständ­lich!

Das Interessante ist, in die Enge getrieben gibt es bei den Regierungsparteien immer nur ein Argument: Ja die Hypo, die Hypo, die Hypo!

Da kommt sogar der Herr Kollege Stummvoll heraus, der sich hier immer als Experte und so sachlich darstellen möchte, und redet etwas von 20 Milliarden € Schaden, wenn man das nicht aufgefangen hätte. – Ja, Haftungen, aber das wäre ja nicht schlagend geworden, das wissen Sie ganz genau, bei einem Gesamtvolumen von 40 Milliarden € Kredit! Und das ist aber nicht in der Verantwortung Österreichs und Kärntens gewesen, sondern der Bayern, die das Kreditvolumen von 20 auf 40 Milliarden € angehoben haben. (Beifall beim BZÖ.) Aber trotzdem können Sie doch nicht ernsthaft argumen­tieren, dass bei einer Bank, die 40 Milliarden Kredite vergeben hat, 50 Prozent Aus­fallsrisiko besteht.

Ihre eigenen Experten, selbst jene der Regierung, Staatssekretär Schieder und Herr Androsch, SPÖ, haben gesagt, höchstens 5 Milliarden wären im allerschlimmsten Fall zu befürchten. Bleiben Sie doch wirklich sachlich und argumentieren Sie nicht alles, was Sie nicht mehr argumentieren können, mit der Hypo! Das ist ein bisschen durch­sichtig, das ist ein bisschen wenig.

Die Bevölkerung verlangt von Ihnen Antworten auf die Fragen, wie man die Steuer- und Abgabenlast senken kann, wie man die Wirtschaft, vor allem die klein- und mittel­ständische Wirtschaft unterstützen kann. Das sind die Dinge, wo die Bevölkerung eine Antwort will. Sie will allerdings nicht, dass Sie eine Bank für Ihre parteipolitischen Kal­kulationen missbrauchen. (Beifall beim BZÖ.)

Frau Finanzministerin, Sie sagen, die Griechen bekommen nur dann weiter Geld, wenn sie die Reformen einhalten. Sie sagen aber dann gleichzeitig, wenn sie kein Geld be­kommen, dann gehen sie pleite. – Ja was ist jetzt? Können Sie das garantieren? Schauen Sie sich die Nachrichten an! Es ist nicht gesichert, dass die Griechen politisch all diese Reformen durchbringen! Das ist wahrscheinlich auch sehr schwierig.


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Was ist, wenn dort die Regierung kracht, wenn diese Reformen nicht durchsetzbar sind? – Dann geben Sie kein Geld mehr? Gut, und was ist dann? – Dann geht Grie­chenland pleite. Dann passiert all das, was Sie angeblich jetzt verhindern wollen. Wo ist dann der Plan B?

Da wäre es doch viel gescheiter gewesen, einen wirklichen Schuldenausgleich – das, was wir gesagt haben –, wo eben dann auch die verantwortlichen Banken mit zur Kas­se gebeten werden, und nicht der europäische und damit auch der österreichische Steuerzahler, von vornherein ins Auge zu fassen. (Beifall beim BZÖ.) Das, was Sie selbst auch mit bedenken sollten, das wird dann eintreten.

Frau Bundesministerin, der Rechnungshof hat 315 Vorschläge zur Verwaltungsreform hier in Österreich gemacht. Sie haben die Verwaltungsreform schon wieder abgesagt, weil Sie sich gegen die Länder und gegen die Lobbys in den verschiedenen Institu­tionen nicht durchsetzen können.

Ja wer ist denn hier in der Regierung? – Die beiden noch großen Parteien, zumindest nach den letzten Wahlergebnissen. Sie können sich gegen Ihre eigenen Landeshaupt­leute nicht durchsetzen. Wir geben Ihnen ein bisschen Unterstützung. Der Rechnungs­hof ist ein Organ des Parlaments. Setzen wir doch diese 315 Vorschläge in dieser Le­gislaturperiode um! Dann ist ein guter Schritt gemacht, und man signalisiert, wir sparen bei uns selber, wir sparen bei der Verwaltung, wir machen sie effizienter, anstatt in die Taschen des Steuerzahlers zu greifen. (Beifall beim BZÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend: Genug gezahlt – sofortige Umsetzung der Vorschläge des Rechnungshofs zur Verwaltungsreform

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die 315 Einzelvorschläge des Rechnungshofs, die dieser in seiner Schrift ,Verwaltungsreform II‘ aus der Reihe Positionen, 2009/1, dargelegt hat, noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen.“

*****

Wir haben genug Programme, Frau Finanzministerin. Wenn Sie wirklich den Dialog haben wollen, auch wenn Sie jetzt ein bisschen gelangweilt da hinaufschauen, dann wären das sinnvolle Maßnahmen zur Entlastung der Österreicherinnen und Österrei­cher, die auch wieder Vertrauen in die Politik zurückgewinnen würden. Aber so, wie Sie das machen, etwas ankündigen, das dann wieder am Stillstand dieser Koalition schei­tert, das wird für die Zukunft dieses Landes zu wenig sein. (Beifall beim BZÖ.)

16.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Genug gezahlt – sofortige Umsetzung der Vorschläge des Rechungshofs zur Ver­waltungsreform


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 153

eingebracht in der Debatte zur Dringlichen Anfrage „Genug gezahlt – Steuern senken jetzt!“ des BZÖ in der 110. Sitzung des Nationalrats

Die Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2011 und die Stellungnahme des Rates zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Österreichs für
2011-2014 weist sehr deutlich darauf hin, dass die Bundesregierung in Sachen Verwal­tungsreformen säumig ist.

Erst am 9. Juni 2011 kritisierten die Vertreter des IWF die österreichische Regierung und ihre Pläne zur Verwaltungsreform und zur Schuldenreduktion als wenig ambitio­niert.

Bislang sind von der Bundesregierung nur Ankündigungen im Hinblick auf die Umset­zung der Vorschläge des Rechnungshofs zu hören, obwohl die Gefahren eines weite­ren Aufschubs zumindest von den Finanzsprechern Stummvoll und Krainer sehr klar erkannt worden sind. Beide sprachen gegenüber den Vertretern des IWF am 9. Juni 2011 von tickenden Zeitbomben, die rasch entschärft werden müssen und kündigten eine „step by step“-Strategie bei der Umsetzung an.

Selbst die in Aussicht gestellte „step by step“-Strategie wäre schon ein großer Fort­schritt gegenüber der bisherigen Untätigkeit.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die 315 Einzelvorschläge des Rechnungshofs, die dieser in seiner Schrift „Verwaltungsreform II“ aus der Reihe Positionen, 2009/1, dargelegt hat, noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Da geht es dem Krainer nicht gut!)

 


16.46.56

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Ich möchte bei der sachlichen Diskussion einmal anfangen. Auf das Plattitüden-Niveau des Kollegen Scheibner komme ich später zurück. (Rufe der Missbilligung beim BZÖ.)

Werner Kogler, ich glaube, dass der Zustand in Griechenland noch viel weiter fortge­schritten ist, als du es heute beschrieben hast, denn wenn wir nüchtern zusammen­zählen: die 110 Milliarden an Griechenlandhilfe vom vorigen Jahr, jene Teile, die die EZB im Zuge des Aufkaufs von Staatsanleihen direkt ins Portfolio übernommen hat – dazu zählen jene Papiere, die großteils griechische Banken, aber auch andere als so­genannte Collaterals zur Finanzierung übergeben haben, die aber im Fall der griechi­schen Banken sofort notleidend würden im Falle des Staatsbankrotts –, dann, muss ich sagen, ist der Zustand schon früher eingetreten. Und wir stehen vor dem Problem, dass sich völlig entbettete Finanzmärkte regellos ihre Instrumente erfunden haben, um letztlich die internationale Politik, die Nationalstaaten, aber auch die Europäische Union auszuhebeln.

Alleine die Wirkungsweise der CDS macht ja Dinge wie in den achtziger Jahren gar nicht mehr möglich. Der Gläubiger, der Hedgefonds, dem Sie durch einen „Haircut“ Geld wegnehmen wollen, jubiliert, denn: Dann sind die CDS fällig! Die vervielfältigen sich in


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dem Fall, wo Default eintritt. Der profitiert davon! Für diese Hedgefonds sind Sie die Agenten, die das hier fordern. Die warten drauf, die setzen drauf, dass Sie kommen, dann haben sie nämlich ihre Milliardenwette gewonnen! (Abg. Mag. Kogler: Das sind ja wieder andere! Das ist ja die nächste Sauerei!) Das ist das Problem!

Das Problem dabei ist, dass wir es seit 2008 bis heute nicht geschafft haben, den Wi­derstand zu brechen, ob dieser jetzt von den Briten oder anderen kommt, um eine Re­gulierung genau dieser Finanzmärkte zu machen. Was die Finanztransaktionssteuer betrifft, sind wir hier zum Glück, weil wir früher angefangen haben zu diskutieren, einer Meinung. Koni Steindl hat schon unterschrieben, ich habe die Petition hier liegen, fünf Abgeordnete haben sie bisher unterschrieben. Die Unterschriften werden jetzt gesam­melt, damit 1 000 nationale Abgeordnete der Union vom Rat verlangen, dass er sich in dieser Frage bewegt. Aber das hilft uns nichts bei Griechenland! (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Wenn morgen der „Haircut“ erfolgt, dann sind wir uns klar darüber, was passiert: Die sacken die Milliarden ein und wetten morgen gegen Irland, Portugal oder eines der anderen Länder, denn das Spiel geht auf. Wir haben es 1998 in der Asienkrise erlebt. Die haben ein Land nach dem anderen aufgerollt, Soros und Co waren es damals. Da­mals wurde auf Währung spekuliert, nicht auf CDS, sondern auf Interests. (Abg. Mag. Kogler: Wie hoch ist das CDS-Volumen?) Und das lief in einem Land nach dem anderen. Die Malaien haben einen Budgetüberschuss gehabt, einen Leistungsbilanz­überschuss, und der Ringgit war in 48 Stunden tot. Wie sollen sich die gegen anströ­mende Milliarden wehren?

Die ehrliche Antwort ist: Da muss man sich aktiv wehren. Nur, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union streiten untereinander, statt dass sie mit Maßnahmen klar sagen, das ist Krieg und den führen wir auch auf den Finanzmärkten. Dann müsste man aber wie die Japaner im Jahr 1998 bereit sein, den Krieg aufzugreifen. Die sind nämlich her­gegangen und haben zurückgeschossen. Die haben ihre Banken verpflichtet zu ver­kaufen: Anteile von Mitsubishi, den Rockefeller Tower und wie das alles geheißen hat. Die japanischen Banken mussten japanische Staatspapiere kaufen, und der Yen ist ge­stiegen, statt zu fallen. Soros und Co waren gleich unter Wasser. Dann war es aus.

Seither gibt es Japan auf der Landkarte der internationalen Spekulanten nicht mehr, obwohl die 230 Prozent des BIP Schulden haben. Ich erinnere: Sie haben ein Erdbe­ben gehabt, eine schrumpfende Wirtschaft, einen Tsunami, eine Kernschmelze – alles Schlechte, was man haben kann auf dieser Welt. Aber für die Finanzmärkte gibt es Ja­pan nicht mehr, nein, denn da hat man als Kind einmal draufgegriffen und hat sich die Finger verbrannt.

Und dieses Europa ist nicht bereit, sich dagegen zu wehren. (Abg. Mag. Kogler: Das ist das Hauptproblem! – Zwischenrufe beim BZÖ.) Diesen Aspekt sollten wir ernsthaft diskutieren, und da sind wir alle, glaube ich, einer Meinung, dass wir entschiedene Maßnahmen brauchen, aber das geht nicht mit einem „Haircut“. Griechenland müssen wir jetzt verteidigen, weil wir uns voriges Jahr für die Sandsack-Methode entschieden haben, auch die Frau Merkel, es bleibt uns nichts anderes über. (Beifall des Abg. Steindl.) Aber es ist notwendig als Konsequenz, dass wir künftig in Sachen Verteidi­gung besser aufgestellt sind. Darüber sollten wir gemeinsam diskutieren, und ich glau­be, dass wir mit der Frau Bundesministerin eine Streiterin haben, die auch auf europäi­scher Ebene bereit ist, sich dafür einzusetzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Grosz: Nein, weil sie es nicht versteht! Warum junktimieren Sie es nicht?)

Aber kommen wir zurück zu unserem Thema: hiesiger Haushalt. Ich will in diesem Land nicht erleben, dass wir so wie die Griechen von außen diktiert bekommen, wem wir was kürzen. In der Schlagzeile der „Bildzeitung“ heißt es: Die faulen Griechen –
15 Gehälter für Beamte! – Dass dort der Durchschnittsbeamte 560 € verdient, steht ja


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nicht dabei. Und das Diktat lautet: Kürzen der Bezüge um 40 Prozent! Klar stehen da Zehntausende auf der Straße. Als Pension haben sie, glaube ich, 400 € im Schnitt. Und keiner überlegt sich, was es heißt, dort zu kürzen. Da funktionieren teilweise die Programme nicht. Das Land gehört vollkommen neu aufgestellt und restrukturiert.

Ich habe heute den zypriotischen Handelsminister getroffen, der mir erzählt hat, wie es bei ihnen beim Krieg mit den Türken war; das ist 35 Jahre her. Er hat gesagt: Natürlich haben uns alle geholfen und wir haben das Land restrukturiert. Und genau dasselbe muss man in Griechenland machen. Dann können sie auch wieder zahlen. (Abg. Mag. Stadler: Die Ministerin sagt, es ist alles paletti dort!) – Die zypriotischen Griechen haben trotz des geteilten Landes alle Schulden zurückgezahlt, sind heute in der Euro­päischen Union, sind Nettozahler, unterstützen mit uns die Vorgangsweise. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja ein „Geschäft“, was wir machen!)

Diese Bereitschaft, vernünftige Politik zu machen, muss in Europa gegeben sein. Aber wenn wir in Österreich nicht wollen, dass uns diktiert wird, Herr Kollege Westenthaler, dann können wir nicht Steuern senken, wenn wir das Budget sanieren müssen, dann müssen wir runterkommen, deutlich unter 3 Prozent, dann müssen wir Richtung 60 Prozent kommen, damit wir als Land nicht unters Diktat kommen.

Daher wird eine Steuerreform genau so erfolgen müssen, wie wir es – und jetzt komme ich zu Willi Molterer, der leider nicht da ist – als hartnäckige Verhandler beide ausge­handelt haben. Es geht jetzt um eine strukturelle Reform. Die Entlastung haben wir 2009 vollkommen richtig vorgezogen, damit wir zum Zeitpunkt der Krise Kaufkraft schaffen – und es hat gewirkt. Und jetzt müssen wir den strukturellen Teil im Wesent­lichen aufwandsneutral durchführen. Wir werden nämlich von dem Pfad nicht abgehen, dass wir das Budget sanieren.

Daher ist das alles Makulatur, was Sie an Maßnahmen in Milliardenhöhe von uns for­dern. Sie müssen gleichzeitig sagen, wir entlasten in der Struktur den Mittelstand, wir entlasten die Einkommen, und da reden wir von Einkommen von 2 000 bis 4 000 €, denn das sind genau jene, die heute am meisten betroffen sind, wenn wir alles zusam­menrechnen an Abgaben. Da zählt ja nicht nur die Lohnsteuer dazu, sondern auch die Sozialversicherungsbeiträge, Lohnnebenkosten, alles zusammen. Und dann muss man sagen, wo das Geld herkommt.

Und da glaube ich, dass unsere Antwort, dass ein Nettovermögen von mehr als 1 Mil­lion € geeignet ist, einen Beitrag zu leisten, die richtige ist. Es gibt allein 37 000 Finanz­millionäre, und da rede ich noch gar nicht vom Immobilienvermögen. Also da ist genug Geld vorhanden. Und da soll der Veit Sorger und wie sie alle heißen ruhig einmal jam­mern, ist doch egal, die können ruhig einmal etwas zahlen. Das ist kein Problem!

Ich verstehe nicht, wieso das BZÖ und andere sich da querlegen. Wer will mit den 37 000 Millionären hier Abgeordnete gewählt bekommen? Das gilt auch für unseren Koalitionspartner. Freunde, bitte, die können einmal was zahlen! (Abg. Ing. Westen­thaler: Keinen Klassenkampf!) Die sollen sich ein Beispiel an Bill Gates und Co neh­men und fragen: Was können wir freiwillig leisten? Das wäre einmal ein gescheiter Bei­trag. Alle, die immer herumgranteln: Steuerbelastung, das trifft den Mittelstand!, ich kenne sie ja alle miteinander, wir verkehren ja mit denen. Von den 37 000 kennen wir ja die Hälfte. Und die können einmal was zahlen.

Mein Aufruf ist: Machen wir das gemeinsam, von mir aus befristet mit zehn Jahren, dann haben wir was erreicht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

16.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Gril­litsch. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 156

16.55.00

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Die Kri­senbewältigung in den letzten beiden Jahren hat viel Geld gekostet. Über 6 Milliarden € haben die zwei Konjunkturpakete und die Steuerreform gekostet, um letztlich den Selb­ständigen und den Arbeitnehmern in Österreich Sicherheit am Arbeitsplatz zu geben und ihnen ihr Einkommen zu sichern. Und ich glaube, wir sind jetzt aufgrund dessen auch wieder auf Wachstumskurs. Und natürlich müssen wir jetzt Schritt für Schritt diese gemachten Schulden wieder abbauen. Daher, glaube ich, hat es oberste Prio­rität, diese Defizite zu reduzieren und die Schulden abzubauen.

Mit dem Bundesfinanzrahmengesetz wurden Ausgabenobergrenzen festgelegt und so die Richtung klar vorgegeben: Defizitabbau, Schuldenabbau. Und es war, ist und wird immer Ziel der Österreichischen Volkspartei sein, die Schulden abzubauen und Zukunft aufzubauen. Wir sind immer für eine Senkung der Abgabenquote eingetreten, damit jeder Österreicher entlastet wird. Gerade mit Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler hatten wir die niedrigste Abgabenquote der letzten zehn Jahre erreicht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Und es war der richtige Schritt. (Abg. Mag. Kogler: Die höchste auch seit 1945!) Und jetzt ist es notwendig, eine Budgetkonsolidierung durch­zuführen, damit wir unser Steuersystem in Zukunft eben so gestalten können, wie es unsere Frau Bundesfinanzminister vorgeschlagen hat: einfacher, weniger und gerech­ter, damit Österreich zukunftsfit wird, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP), damit jeder Steuerzahler wieder mehr von seinem Einkommen hat, damit, wenn er 200 € mehr verdient, nicht automatisch sofort 100 € ans Finanzministerium gehen, da­mit die Kaufkraft steigt und damit wir letztlich auch in Österreich Investitionen tätigen können, damit Arbeitsplätze geschaffen werden, damit die Menschen ein entspre­chendes Einkommen haben, damit die Wertschöpfung in der Region bleibt.

Daher ist es ganz wichtig, dass es zu keinen neuerlichen steuerlichen Belastungen kommt! (Beifall bei der ÖVP.) Wir brauchen keine Vermögensteuer. Wir brauchen kei­ne neuen Eigentumssteuern. Wir brauchen keine Erhöhung der Grundsteuer, meine Damen und Herren. Das wird es mit uns ganz einfach nicht geben! (Abg. Mag. Kogler: Matznetter, zuhören!)

Ich zitiere an dieser Stelle einen Sozialdemokraten, der auch einmal Finanzminister war. Hannes Androsch hat am 7. Juni dieses Jahres im „WirtschaftsBlatt“ eindeutig klargemacht, was er als Sozialdemokrat von Vermögensteuern hält. Er sagt: Eine Ver­mögensteuer ist eine „fiskalpolitische Lachnummer“. – Wie recht er doch hat, Hannes Androsch, ein Sozialdemokrat. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch Androsch weiß, dass damit Häuselbesitzer, Besitzer von Eigentumswohnungen, ja letztlich Mieter und Bauern, jene, die jeden Tag von ihrem hart verdienten Lohn Ei­gentum aufgebaut haben, zum Handkuss kommen. Das trifft dann wirklich den leis­tungsfähigen Mittelstand, und den wollen wir nicht belasten.

Daher noch einmal: Mehr sparen bedeutet weniger Steuern, denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Weninger: Dann fan­gen wir gleich bei der Bauernförderung an! – Ruf bei der ÖVP: Oje! – Abg. Grillitsch: Klassenkampf! Uh! „Gratuliere“!)

16.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgor­schek. – Bitte.

 


16.58.39

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ihr Vorgänger Josef Pröll hat einmal in unbedachter Weise gesagt:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 157

Wenn wir so weitermachen, dann sind wir in zwei bis drei Jahren dort, wo heute Grie­chenland steht.

Dieses Zitat habe ich nur einmal gehört, dann hat er das natürlich nicht mehr gesagt, weil er genau gewusst hat, wie es mit Griechenland weitergeht. Aber ich möchte jetzt gar nicht auf Griechenland zu sprechen kommen, sondern wenn wir jetzt darüber dis­kutieren, ob wir Steuern in Zukunft senken sollen oder nicht, dann müssen wir, glaube ich, ganz etwas anderes vorher tun. Wir müssen nämlich einmal unsere Hausaufgaben erledigen.

Kollege Molterer hat heute in seiner Abschiedsrede ganz offen und ehrlich gesagt: Man muss große Fragen ansprechen, und Fakten dürfen wir nicht verschweigen. – Da gebe ich ihm zu 100 Prozent recht. Und ein Faktum ist – und das wissen wir alle seit 1995 –, dass wir fünf Verwaltungsebenen haben, von denen mindestens eine zu viel ist. Und das ist offen anzusprechen.

Frau Bundesminister, Sie sagen immer, es geht nicht mit dem Big Bang, indem wir von einem Tag auf den anderen eine große Verwaltungs- oder Strukturreform machen. Ich sage: Das Gegenteil ist der Fall! Es geht nur mit einem großen Wurf. Andernfalls wer­den Sie nämlich – und das prophezeie ich Ihnen – scheitern. Sie werden scheitern am Widerstand des ÖAAB, der Landeshauptleute und letzten Endes Ihrer eigenen Bürger­meister, weil die nicht reformieren wollen!

Andere Länder in Europa aber – das können wir durchaus feststellen – sind schon längst diesen Weg gegangen. Ich komme nicht umhin, immer wieder dieses Beispiel mit Skandinavien zu bringen. In Skandinavien haben sie ganz klare Vorgaben gehabt, und diese Vorgaben sollten wir letzten Endes auch übernehmen: Entflechtung un­übersichtlicher Zuständigkeiten, effektive und effiziente öffentliche Verwaltung, Dezen­tralisierung der öffentlichen Dienstleistungen und Stärkung der Subsidiarität (Beifall bei der FPÖ) – das heißt nicht, dass wir etwas nach oben hin zentralisieren wollen, das wollten auch die Skandinavier nicht – und größere Bürgernähe und demokratische Le­gitimation.

Dänemark hat zum Beispiel 2002 beschlossen, eine Strukturreform zu machen, und diese ist bereits 2007 abgeschlossen worden. Die Dänen haben nur ganze fünf Jahre dafür gebraucht. Es hat im Rahmen dieser Reform 72 Gesetzesänderungen gegeben, 14 Ministerien waren davon betroffen, und immerhin 295 000 Mitarbeiter wechselten in andere Behörden. Es geht also, wenn man will. (Abg. Mag. Hakl: 60 Prozent Staats­quote in Dänemark!) Ja, weil sie auch die Pensionen mitfinanzieren, das dürfen Sie nicht vergessen.

Anfang der neunziger Jahre hatte Dänemark Schulden in Höhe von 78 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und 2007 haben sie nur mehr Schulden von 27 Prozent gehabt. Das nenne ich vernünftige Politik.

Wie Molterer schon gesagt hat, wir müssen auch die Fakten ansprechen und dürfen sie nicht verschweigen. Dänemark hat die Zahl der Kommunen von 273 auf 98 redu­ziert. Sie haben die regionale Ebene von 14 Amtskreisen aufgelöst und nur fünf Regio­nen gebildet. Und sie haben auf der staatlichen Ebene 14 Staatsämter aufgelöst und fünf Staatsverwaltungen eingeführt. Das heißt, sie haben einen mutigen Schritt ge­macht in diese Richtung. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man uns Freiheitlichen vorwirft, wir wollen nicht mitgestalten, sondern wir wollen nur kritisieren, dann möchte ich auf ein Beispiel meines Bundeslandes zurückkommen. Wir haben jetzt in Oberösterreich eine ganz intensive Diskussion über die Spitalsreform gehabt, und es ist zustande gekommen, dass alle fünf Parteien hinter dieser Reform stehen. Es war nicht einfach. (Ruf bei der ÖVP: Vier!) Alle vier. In Oberösterreich ha­ben wir Gott sei Dank nur vier, stimmt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 158

Wir haben uns durchgerungen, da mitzutun, auch wenn es im Vorfeld einige Ungerech­tigkeiten gegeben hat. Aber dank unserer Mithilfe sind wirklich die Giftzähne gezogen worden, denn es bestand wirklich die Gefahr, dass der ländliche Raum ausgedünnt wird, und vor allem im Zentralraum, wo Rot und Schwarz ihre Machtpositionen haben, dort wollte man nämlich nicht sparen. (Abg. Haubner: Was ist mit dem Innviertel, Schärding?) Aber letzten Endes haben wir diesen Kompromiss zustande gebracht, und das nur, weil wir uns ganz aktiv dazu eingebracht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bezirkshauptleute, die im 19. Jahrhundert installiert wurden, das darf man nicht vergessen, sind seinerzeit installiert worden als Stellvertreter des Kaisers, um als poli­tische Beamte zu fungieren. Wer braucht die heute noch? 93 Jahre gibt es keinen Kai­ser mehr! Was wir brauchen, ist eine moderne Verwaltung, und es genügt, wenn man dort einen ganz normalen Amtsleiter sitzen hat und keinen politischen Beamten mehr. Darüber sollte man auch nachdenken. (Abg. Donabauer: So wie in Kärnten, gell?) – Machen Sie es vorher einmal in Niederösterreich!

Frau Bundesminister Fekter, zeigen Sie, dass Sie aus der Privatwirtschaft kommen, werden Sie Ihrem Ruf als sogenannte Eiserne Lady gerecht und setzen Sie sich gegen die Reformverweigerer, vor allem in Ihrer eigenen Partei, durch! Sorgen Sie dafür, dass Österreich im 21. Jahrhundert überleben kann, dass wir einmal positiv budgetieren können, und vor allem, dass wir unsere Schulden abbauen können! Dann können wir auch Steuern senken. Das muss letztlich das Ziel sein. (Beifall bei der FPÖ.)

17.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


17.04.59

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Damen und Herren auf der Galerie! Ein herzliches Willkommen den Vertretern der Pfadfinderinnen und Pfadfinder Österreichs! Herzlich willkommen hier bei uns im Plenum! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben ja heute schon das Vergnügen gehabt, mit unserer Jugendsprecherin Wind­büchler-Souschill und mit dem Herrn Präsidenten am Podium Gespräche zu führen. Und Sie sind zu einem guten Thema gekommen: Es geht um die Zukunft, es geht um Europa – und damit gleich zum zentralen Thema dieser Debatte.

Klubobmann Bucher hat heute ganz zentral die Frage der Steuerquote thematisiert und wie wichtig es ist, eine niedrige Steuerquote zu haben, und er hat den Europaschnitt herangezogen. Eines muss man aber schon ganz klar sagen: Aktuelle Studien zeigen, dass es gar nicht so sehr auf die Höhe der Steuerquote ankommt, sondern auf die Ab­gabenstruktur, und auf das sollte man Rücksicht nehmen. Denn, meine Damen und Herren, Länder, die eine sehr niedrige Steuerquote haben, wie Rumänien, Lettland, Ir­land, Bulgarien, Griechenland, werden Sie wohl nicht zu den wettbewerbsfähigsten Ländern in Europa zählen. Also bitte sich auch von dieser Argumentation zu verab­schieden.

Wenn Kollege Podgorschek vor mir über Dänemark gesprochen hat und über die fö­derale Struktur, die dort vereinfacht wurde, ein kleiner Tipp: Dänemark hat eine Steuer- und Abgabenquote von 45,3 Prozent und liegt damit an der Spitze Europas. Die FPÖ fordert ja immer: Runter mit der Steuerquote!, und bringt hier immer als Beispiel die Schweiz. Alois Gradauer macht das immer sehr gerne. Aber auch dieser Vergleich hinkt, denn die Studien zeigen: Würde man die Quoten vergleichbar berechenbar ma­chen und genau das mit einbeziehen, was man bei den anderen Ländern mit einbe­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 159

zieht, so hätte auch die Schweiz eine wesentlich höhere Steuerquote, die gerade ein­mal ein bisschen niedriger als jene Österreichs wäre.

Also konzentrieren wir uns nicht auf diese vereinfachten Darstellungen, sondern auf das, was dahintersteckt, wie es in der Zukunft weitergehen kann, und da sind wir na­türlich beim Thema Wettbewerbsfähigkeit. Und ich möchte als Vorsitzende des For­schungsausschusses jetzt schon die Gelegenheit dazu wahrnehmen, auf dieses große Thema der Zukunft einzugehen: Bildung und Forschung.

Die Ausgaben für Bildung und Forschung wurden jetzt im Bundesfinanzrahmengesetz fixiert, und es ist vollkommen klar – das war diese Woche auch die Forderung von der Sparte Industrie/Wirtschaftskammer Oberösterreich –, dass es jährlich Steigerungen im Bereich der Forschung von rund 250 Millionen € geben muss. Die Frau Ministerin hat sowohl im Ausschuss als auch bei anderen Veranstaltungen gesagt, es gibt nicht mehr Geld, aber sie hat sehr wohl Ziele, die im Ministerrat beschlossen worden sind, mitge­tragen, ohne dass die Finanzierung steht. Und damit steht natürlich auch die Wettbe­werbsfähigkeit auf wackligen Beinen.

Wenn Sie im Bundesfinanzrahmen die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung von 5,9 Prozent auf 5,6 Prozent senken, dann wird das sicherlich nicht förderlich für die Wettbewerbsfähigkeit sein.

Oder auch im Bereich der Bildung, im tertiären Sektor, auch hier sind die vorhandenen Mittel viel zu gering, und die Rektoren sagen auch, ab 2013 sind Mittel im Ausmaß von 300 Millionen € pro Jahr notwendig.

Also es gibt viele Herausforderungen, die für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind – es geht nicht nur um dieses Thema der Steuerquoten und in welche Richtung geht es damit.

Aber kommen wir zur Einnahmenstruktur im Besonderen. Die OECD und viele andere Expertinnen und Experten belegen und sagen uns immer, das österreichische Steuer­system ist veraltet – zu hohe Lohnkosten, zu niedrige Umweltsteuern und zu niedrige Vermögensteuern. Wenn auch heute wieder vom Kollegen Grillitsch das große Jam­mern über das Thema Vermögensteuer gekommen ist und er gesagt hat, das wird es mit der ÖVP in dieser Form nicht geben, dann schon noch ein paar Zahlen zu den Ab­gabenkategorien.

Zu den Einnahmen aus Löhnen und Einkommen hat Kollege Krainer schon Stellung genommen. Ich komme jetzt zu dem Thema Vermögensteuer.

Österreich lukriert gerade einmal 1,8 Prozent der Gesamtabgaben aus Vermögen – 1,8 Prozent! Im EU-15-Schnitt sind es 5 Prozent und im OECD-Schnitt 5,4. Sie sehen, das ist nur ein Bruchteil von dem, was auf internationaler Ebene üblich ist. Insofern hat Österreich selbstverständlich einen Spielraum, und die Experten und Expertinnen fordern auch ein, da sehr wohl daran zu denken, die Vermögen- beziehungsweise Erb­schaftssteuer, Schenkungssteuer auch tatsächlich in dieser Form handzuhaben. Das ist klar ein Bereich, wo wir hinterherhinken, wo wir Handlungsbedarf haben, und da kann auch die ÖVP nicht in Permanenz die Augen verschließen, denn auch das ist ein guter Beitrag, um ein System gerechter, stabiler und nachhaltiger zu machen. (Beifall bei den Grünen.)

Oder betrachten wir den Anteil der Umweltsteuern an den Gesamtabgaben: Da liegt Österreich mit 5,6 Prozent am hinteren Ende unter allen europäischen Ländern. Dahin­ter sind gerade einmal Litauen, Spanien, Frankreich und Belgien. Alle anderen Länder sind vor Österreich, der EU-15-Schnitt beträgt 6,7 Prozent, und Dänemark hat über­haupt 11,9 Prozent. Wir sehen, es kommt auch auf die Abgabenstruktur an, und auch diesbezüglich ist in Österreich eine Reform schon längst überfällig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 160

Wir sind Schlusslicht beim Klimaschutz, und wir haben dringenden Reformbedarf beim Ökostromgesetz. Wir werden schauen, was der letzte Entwurf, der nächste Woche in den Ausschuss kommt, tatsächlich bringen wird, ob er einen Fortschritt bringt. Wir ha­ben Baustellen auch im Bereich Feinstaub. Das heißt, wir haben Handlungsbedarf auf vielerlei Ebenen im Umweltbereich, und genau da sollten wir ansetzen.

Aber wir sollten ansetzen im Sinne einer Änderung der Struktur, das heißt für uns in diesem Bereich, eine aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform, nämlich die Ein­nahmen, die wir aus Umweltsteuern haben, zu nutzen, um die Lohnkosten zu senken – und damit auch mehrere Dividenden gleichzeitig zu lukrieren, denn: Genau das wird heißen, dass wir einen Anreiz setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, wir werden einen Anreiz setzen, um weniger Ressourcen, weniger Energie zu verbrauchen, das heißt, auch Kosten zu senken, das heißt, auch Klimaschutzziele zu erreichen und auch einen entsprechenden internationalen Beitrag zu leisten.

Dass das möglich ist, darüber gibt es ein sehr spannendes Modell, das auch von den Steuerexperten des Wirtschaftsforschungsinstituts durchgerechnet wurde und so auch denkbar und machbar ist. Es ist notwendig, mittelfristig zu planen und die Stufen klar­zumachen, damit es auch planbar wird und Sicherheit bietet für die Unternehmen und für die Konsumentinnen und Konsumenten. – Ja, es gibt eine Menge Baustellen, die hier noch vorhanden sind.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wo die Frau Ministerin hingekommen ist, wo­hin sie verschwunden ist ... (Abg. Dr. Moser – auf Bundesministerin Dr. Fekter wei­send, die am Ende der Regierungsbank steht –: Dort ist sie!) – Auf der linken Seite ist sie. Sie verabschiedet Herrn Molterer; das wollen wir verstehen. Die Frau Ministerin wird die Diskussion um eine moderne Steuerreform weiterhin begleiten, aber in diesem Sinne:

Wir brauchen eine aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform, und wir brauchen endlich auch eine gerechte, faire Besteuerung in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

17.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


17.14.05

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Vor wenigen Minuten ist auf orf.at folgende Meldung gekommen. Überschrift: „Heftiger Widerstand in Brüssel“. (Zwischenruf des Abg. Eßl.)

„Im Streit über das zweite Hilfspaket für Griechenland will Deutschland mehr Zeit ge­winnen. Kanzlerin Merkel will angesichts der ungelösten Fragen zur Beteiligung priva­ter Gläubiger eine Entscheidung erst im September treffen.“ (Abg. Ing. Westenthaler: Da schau her!) Sarkozy will „mit Blick auf ,seine‘ Banken eine rasche Lösung“. – Zitat­ende. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung Bundesministerin Dr. Fekter –: Sie hätten schon längst eingezahlt!)

So, meine Damen und Herren und Frau Bundesminister, und wo ist jetzt der gescheite Herr Universitätsprofessor Doktor Doktor Krainer? – Der rennt wieder mit seinem Kabel im Ohr draußen herum. Keiner von den ganz Gescheiten, die uns weismachen wollten, ein wie großartiges Geschäft – auf Kosten des österreichischen Steuerzahlers – diese Griechenland-Hilfe ist, keiner hat gesagt, wie wir das verhindern, was Kollege Kogler hier vorgetragen hat, nämlich dass am Schluss nur mehr der Steuerzahler überbleibt, nur mehr öffentliche Haftungen da sind, weil die Privaten, die Spekulanten, „seine Ban­ken“ – insbesondere die französischen Banken – sich herausgezogen haben, und wie dann die Beteiligung der Privaten aussehen soll.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 161

Frau Bundesminister, wie soll das geschehen? Sie haben ja gar nicht das Regime da­zu! Die Europäische Union macht ja nichts in diese Richtung! Keiner von Ihnen geht hinaus und sagt: Wir zahlen nur mehr, wenn: erstens, zweitens, drittens. – Man putzt sich an den Griechen ab; jetzt muss ich einmal die Griechen in Schutz nehmen. Der Druck erfolgt auf die Griechen, aber nicht auf die Spekulanten. Das ist ja das Problem, meine Damen und Herren! (Beifall bei BZÖ und Grünen sowie des Abg. Gradauer.)

Solange Sie diese Politik nicht ändern, müssen Sie uns und dem österreichischen Steuerzahler einmal erklären, was außer dieser vollmundigen Ankündigung, Sie wollen die Privaten mit in die Pflicht nehmen, passiert. – Übrigens ist Kollege Matznetter da auch nicht anders: Kollege Matznetter ist herausgekommen und war in der Analyse richtig, wenn man einmal die ganzen ideologischen Versatzstücke über die Vermögen­steuer weglässt. In der Analyse war er richtig, aber wie soll das stattfinden, dass man die Privaten an Bord holt, die sich derzeit, bitte, seit Monaten bereits aus der Malaise herausziehen?

Wie machen Sie das? Haben Sie eine Idee? – Sie haben keine einzige Idee, niemand! Nicht einmal Frau Merkel weiß, wie sie es machen soll. (Abg. Ing. Westenthaler: Per­fektes Chaos!) Sie arbeitet nur mehr auf Zeitgewinn. Das ist alles, was Sie anzubieten haben? Wobei, noch einmal, aus dem Finanzministerium: kein Kommentar. Ministerin vor dem Parlament: keine Aussage. In der Öffentlichkeit wird behauptet, man beteiligt jetzt die Privaten. Gestern hat der Bundeskanzler gesagt, jetzt werden die Privaten an der Griechenland-Hilfe beteiligt. Niemand ... (Abg. Ing. Westenthaler: Der Vizekanzler weiß auch nichts!) Der Vizekanzler heute in der Früh: keine Idee, Antwortverweige­rung. Sie wissen es nicht!

Ihnen fällt nur ein, und Kollege Matznetter hat das gesagt, man muss sich wehren. Er hat die Japaner zitiert mit ihrer Wehrhaftigkeit. – Jaja, die hatten eine, aber wie wollen Sie sich wehren? Sie wehren sich ja gar nicht, Sie zahlen ja nur! Statt sich zu wehren, zahlen Sie hinein. Statt sich zu wehren, übernehmen Sie Haftungen. Wo ist denn Ihre Wehr? – Zeigen Sie einmal eine Abwehrstrategie! Wo ist jetzt der gescheite Herr Pro­fessor Krainer? Doktor Krainer – pardon. Doktor Doktor Krainer, wenn man ihn hört – oder nur Krainer, ich weiß es nicht: Doktor-Nur-Krainer.

Meine Damen und Herren! Sagen Sie doch, wie Sie sich wehren wollen! Nicht heraus­gehen und sagen: Wir müssen uns wehren! – Ja, da ist er gescheit, der Herr Matz­netter, dafür ist er nicht mehr Staatssekretär. Aber sein Nachfolger, der Herr Schieder, fährt hinaus und schweigt. Die Frau Ministerin kommt vor das Parlament und schweigt. (Abg. Ing. Westenthaler: Und zahlt!) Der Vizekanzler kommt vor das Parlament und schweigt. Und der Pressesprecher wird gefragt, und er schweigt. (Abg. Jakob Auer: Und der Stadler schreit!) Das ist die Abwehr, meine Damen und Herren? (Beifall beim BZÖ.)

Du (in Richtung des Abg. Jakob Auer) solltest schweigen. Du solltest wirklich schwei­gen! Du bist einer von den Bank-Lobbyisten hier herinnen! Irgendwann einmal wird he­rauskommen, dass du sozusagen als unser Nationalrats... – wie heißt er, Ihr ehemali­ger EU-Abgeordneter, wie hieß er noch einmal? (Rufe: Strasser!) Herr Strasser, ja – als Nationalrats-Strasser herinnen sitzt. Da sitzen sie alle, die Bankenvertreter, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Prinz.)

Es ist ja kein Wunder, dass die ÖVP kein Interesse daran hat, dass dem Bankenap­parat einmal zu Leibe gerückt wird. Schweigen Sie! Sie sind Bankenlobbyisten und Sie sind keine Vertreter der Steuerzahler – und übrigens Sie auch nicht. Von mir haben Sie kein Mandat als Steuerzahlervertreterin. Sie nehmen die Steuern, aber Sie vertreten nicht die Steuerzahler, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 162

Ihre einzige Antwort auf die Strategie der Spekulanten, die eigenen Haftungen he­rauszuziehen, nachdem man vorher mit den Griechen einen Riesenreibach gemacht hat, ist: Geld des Steuerzahlers in die Hand zu nehmen, Haftungen zulasten des Steu­erzahlers in die Hand zu nehmen und nach Griechenland zu buttern. Das ist Ihre einzi­ge Idee, meine Damen und Herren. Dazu brauchen wir keinen Finanzminister, das kann auch Ihr Portier. Dazu brauchen wir Sie nicht!

Sie sollten, wenn Sie nach Brüssel fahren, wissen, was Sie dort fordern, bevor Sie ös­terreichisches Steuergeld hergeben, meine Damen und Herren! Und Ihr Vorgänger als Finanzminister hätte wissen müssen, was es bedeutet, österreichisches Steuergeld hi­neinzubuttern und dann mitzuhaften. Und Ihr jetziger Vizekanzler sollte wissen, wenn er vor das Parlament kommt, welche Abwehrstrategie – um wieder Matznetter zu zi­tieren – er hat, um österreichische Interessen zu schützen und damit letztlich auch eu­ropäische Steuerzahlerinteressen zu schützen. – Sie haben keine, und heute haben Sie nur eines bewiesen: Ahnungslosigkeit und völlige Hilfslosigkeit. Und deswegen schweigen Sie, meine Damen und Herren! Das ist das Problem, das wir sehen! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Deswegen habe ich Ihnen vorausgesagt, Frau Bundesminister: Sie werden über die Griechenland-Milliarden stürzen (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaube ich auch!) – da braucht man kein Prophet zu sein –, weil Sie x-fach darauf aufmerksam gemacht wor­den sind, was auf Österreich zukommt. Sie sind x-fach darauf aufmerksam gemacht worden, was das für Österreich am Schluss bedeuten wird! Sie verspielen jetzt die gro­ßen Steuereinnahmen, die Sie derzeit haben – unverdientermaßen. Diese gehen zu­rück auf andere Maßnahmen, die der Grund sind, warum die Steuereinnahmen derzeit höher sind als erwartet. Das ist nicht Ihr Verdienst.

Sie hätten jetzt die Spielräume, und diese Spielräume werden schändlichst verspielt. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Sie nehmen damit allen zukünftigen Budgetmaßnahmen die Spielräume und verbuttern sie zugunsten der Spekulanten – nicht einmal zuguns­ten der Griechen! Wenn wenigstens die Griechen etwas davon hätten, aber die haben auch nichts davon. Der Druck, der auf die Griechen ausgeübt wird, dient wiederum nur den Spekulanten. Am Schluss bleibt der Steuerzahler übrig, und am Schluss bleibt ein Chaos in Griechenland übrig.

Und bitte hören Sie doch auf, irgendjemandem klarmachen oder einreden zu wollen, wie großartig das Griechenlandgeschäft für Österreich sei! Niemand glaubt Ihnen das! Oder sagen Sie es weiter, aber sagen Sie immer dazu, dass Sie von der ÖVP sind, denn niemand glaubt Ihnen das, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Niemand in diesem Lande glaubt noch, dass Griechenland irgendein Geschäft ist. Nie­mand glaubt, dass wir das Griechenland-Geld überhaupt jemals zurückbekommen, weil es bereits bei den Spekulanten gelandet ist. Niemand glaubt das mehr! Griechen­land wird derzeit zum Prellbock gemacht zwischen den Interessen jener, die sich bei der Griechenlandhilfe verspekuliert haben, und jenen, die vorher schon bei der Speku­lation den großen Reibach gemacht haben. Dazwischen bleiben die Griechen übrig, und auf der Strecke bleiben auch die österreichischen Steuerzahler.

Und, Herr Kollege Matznetter, wir brauchen keine Ratschläge vom IWF oder von einer EZB, wie wir Streichungen durchführen sollen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Bei den Streichungen, die diese Bundesregierung durchgeführt hat, hat sie keine Ratschläge gebraucht. Diese Streichungen sind hart genug gewesen für den österreichischen Steuerzahler. (Beifall beim BZÖ.)

17.21


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt liegt die Latte hoch!)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 163

17.21.53

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Indem wir hier polemisch über ein europäisches Problem reden, werden wir weder den GriechInnen helfen noch etwas Gutes für die Österrei­cherInnen machen, Herr Kollege Stadler. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Und mit persönlichen Untergriffen hier gegen andere Abgeordnete tun Sie auch niemandem etwas Gutes, das möchte ich schon auch einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Die Fakten, sehr geehrte Damen und Herren, sprechen für die bisherige Politik der ös­terreichischen Bundesregierung, die positiv über die Wirtschaftskrise hinweggeholfen hat. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Wir haben die niedrigste Ar­beitslosenrate und den höchsten Beschäftigungsstand, wir haben ein positives Wirt­schaftswachstum. (Zwischenrufe beim BZÖ. – Präsident Neugebauer gibt das Glo­ckenzeichen.) Und es helfen Ihnen die ganzen Handbewegungen gar nichts, Sie kön­nen die Fakten nicht wegleugnen, meine Damen und Herren, auch wenn Sie es als Opposition sicher gerne tun würden. Wo ist denn Ihr Für-Österreich-Sein, wenn Sie Österreich dauernd madig machen und wenn Sie objektive Zahlen und Daten verleug­nen?

Ein wichtiges Element zur Bewältigung der Krise war auch, dass wir bei der Steuer be­reits die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht haben, nämlich den Faktor Ar­beit entlastet und im Gegenzug dazu Stiftungen und Spekulationen teurer gemacht ha­ben.

Wir wissen aber, das war erst ein erster Schritt und wir müssen hier noch ein gutes Stück weiterkommen. Es ist daher wichtig, dass wir über Strukturreformen in der Steu­erpolitik und im Steuersystem reden. Leistungsbezogene Einkommen – sprich: auch Einkommen aus Arbeit – müssen entlastet werden, dafür müssen leistungslose Ein­kommen endlich einen fairen und gerechten Beitrag für unser Staatsgefüge leisten.

Frau Bundesministerin, Sie haben ja selbst bestätigt, dass wir im Vergleich zum Mittel­stand höhere Einkommen wesentlich mehr entlastet haben als besagten Mittelstand. Das heißt, es ist nur fair und gerecht, wenn wir bei den hohen Einkommen etwas tun. Wenn 10 Prozent der Gesellschaft 60 Prozent des Gesamtvermögens haben, ist es nur fair und gerecht zu fordern, dass ein Vermögen von über einer Million € über die Steu­erleistung einen entsprechenden Beitrag für unseren Gesamtstaat leistet.

Ich verstehe nicht, warum Sie sich dagegen wehren. Ich finde das Beispiel mit Ketten und alten Kästen wirklich mehr als lächerlich, und ich finde es nicht gut, wenn Kollege Stummvoll oder Kollege Grillitsch dann wieder mit den Einfamilienhäusern und mit den Eigentumswohnungen kommen. Sie wissen ganz genau, dass Sie eine andere Gruppe vorschieben und damit die Reichsten der Reichen schützen, und das ist nicht okay. Das ist nicht fair und das ist nicht gerecht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Steuergerechtigkeit gehört ... (Abg. Mag. Donnerbauer: Das hat aber der Matz­netter ...!) – Nein, Sie müssen einmal zuhören, was Sie selber sagen. Sie stellen sich immer vor die Superreichen, nehmen aber den Mittelstand sozusagen als Schutzschild her. Das ist eine falsche Politik und das werden die Leute auch durchschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Steuergerechtigkeit gehört auch, und das haben wir heute schon gesagt und Kolle­ge Matznetter hat ja auf die Unterschriftenliste hingewiesen, dass wir die Finanztrans­aktionssteuer versuchen durchzusetzen. Ich nehme an, dass wir wenigstens da einen gemeinsamen Weg in diesem Haus gehen.

Aber abschließend möchte ich schon noch auf Folgendes hinweisen: Es gibt heute eine Glosse von RAU im „Standard“ mit dem Titel „FPÖ-Bankencrash“. Darin wird auf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 164

die Aussagen von Josef Pröll vor dem Kärntner Hypo-Untersuchungsausschuss hinge­wiesen. Er schreibt:

„Die Folge eines Zusammenbruchs der Hypo (ohne Notverstaatlichung) wäre, so Pröll, ,die größte Bankenpleite in der Geschichte Europas gewesen‘.

Zunächst wäre das Land Kärnten in den Ruin getrieben worden. Das Budgetdefizit des Bundes wäre um sieben Prozent gestiegen. Eine Kettenreaktion unter (südost)euro­päischen Banken wäre gefolgt. Pröll: ,Das Ganze hatte eine europäische Dimension, nicht umsonst haben sich die Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und auch die Euro­päische Zentralbank massiv eingeschaltet.‘

Wer eine Ahnung von Finanzwirtschaft hat und die Geschichte der großen Banken­crashs von 1931 kennt, weiß, dass Pröll nicht übertreibt. Das passiert, wenn man Frei­heitliche an echte Verantwortung lässt.“

Ich erinnere daran, dass der größte Teil der Kolleginnen und Kollegen im BZÖ früher ja auch einmal bei der FPÖ war. Für Sie gilt natürlich dasselbe. Ich glaube, das relativiert Ihre Dringliche Anfrage. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Die war ein­mal Staatssekretärin!)

17.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


17.26.14

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Silhavy, weil Sie jetzt wieder diese Debatte ge­startet haben, was die Vermögenssteuern betrifft: Wir sind kein Schutzschild für die Reichen, aber wir sind ein Schutzschild für den Mittelstand, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und ich sage Ihnen jetzt, nicht nur ich sehe das so: Führen Sie einmal die Debatte mit Ihrem langjährigen Vizekanzler und Finanzminister Androsch – er ist schon erwähnt worden. Lesen Sie nach, was er zu diesem Thema sagt! Er meint nämlich, so wie Sie das immer darstellen, sei diese Vermögenssteuer fiskalpolitisch eine Lachnummer. – So viel Androsch, langjähriger Finanzminister, Ihr Vizekanzler, zu Ihrem Thema.

Zweiter Punkt: Ich hätte mir heute betreffend das BZÖ erwartet, wenn diese Dringliche Anfrage kommt, dass sich wenigstens das BZÖ mit dem Thema auseinandersetzt (Abg. Ing. Westenthaler: Na komm, reiß dich zusammen!), nämlich: „Genug gezahlt – Steuern senken jetzt!“

Was haben Sie wieder gemacht? Sie haben wieder eine Griechenlanddebatte geführt! (Abg. Scheibner: Das stimmt ja nicht! – Abg. Ing. Westenthaler: Hast du mir zuge­hört?) – Schon!

Kollege Stadler, Ihr letzter Redner, ist von Griechenland überhaupt nicht weggekom­men! (Abg. Scheibner: Das ist ja nicht der einzige Redner gewesen!) Der ist nicht zum Steuernsenken gekommen, meine Damen und Herren, und daher sage ich Ihnen noch einmal, denn ich möchte mich schon mit dem Thema beschäftigen: Wie kommen wir dazu, dass wir Steuern senken können?

Aber zuerst auch noch ein klarer Satz zu Griechenland: Griechenland ist zurzeit eine enorme Herausforderung für die Europäische Union. Ich möchte schon etwas dazu sagen, aber wir haben noch ... (Abg. Scheibner: Jetzt redest du auch von Griechen­land!) – Ja, ich rede zu Griechenland, weil ich dem nicht aus dem Weg gehen möchte, weil ich mir nicht den Vorwurf gefallen lassen möchte, den Stadler hier angebracht hat, dass wir seitens der Regierungsfraktionen uns zu diesem Thema verschweigen. (Abg. Scheibner: Na also, also uns nicht kritisieren!)


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Erster Punkt: Wie konnte es überhaupt zu dem kommen, dass wir jetzt dieses große Problem mit Griechenland haben? – Hätte die Europäische Union ihre Spielregeln ein­gehalten, wären wir dort nie hingekommen. Es war nicht Griechenland, wo man zuerst zugesehen hat, als die Spielregeln verletzt worden sind. Es war Deutschland und es war Frankreich, daran darf ich schon erinnern. – Das war der erste Fehler. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Der zweite Fehler war, dass die Europäische Union, und ich komme schon zur Lösung, viel zu schwach ausgestattet war, als man schon – wie in Griechenland – gesehen hat, dass die Entwicklung in eine völlig falsche Richtung geht. Eurostat konnte da nicht ent­sprechend in die einzelnen Bücher hineinsehen und die Europäische Kommission konnte während des Fiskaljahres nicht eingreifen. Die Europäische Union hat wenigs­tens das gelernt: Die Spielregeln sind verschärft worden. Ich traue mich heute zu sa­gen, dass in den nächsten Jahren so etwas, was hier mit Griechenland und viel, viel abgeschwächter mit Irland und Portugal passiert ist, aufgrund dieser geänderten Spiel­regeln in Hinkunft nicht mehr passieren kann. – Zweiter Punkt.

Dritter Punkt: Niemand von uns sagt, dass Griechenland das große Geschäft ist. Das, was die Frau Bundesministerin dargestellt hat, ist der jetzige Stand der Dinge, und das ist richtig. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Am Ende des Tages, und das ist absehbar, wird das kein Positivgeschäft sein, aber der Euro ist für Österreich ein Posi­tivgeschäft, das müssen wir auch dazusagen. (Beifall bei der ÖVP.) Und das, was Ös­terreich seit 1995 vom Euro profitiert hat, geht weit, weit über das hinaus, was bei Grie­chenland – jawohl! – auf uns zukommen kann.

Nur ist das jetzt die Nagelprobe für die Europäische Union: Schaffen wir es in einem solidarischen Akt für Griechenland – die Griechen bluten furchtbar, und es ist schon gesagt worden, selbst von Rednern des BZÖ, was den Griechen abverlangt wird –, schaffen wir es hier, Griechenland in dieser schwierigen Situation wieder dort hinzu­bringen, dass eine Perspektive für die Menschen da ist, oder schaffen wir das nicht? – Wenn wir es schaffen wollen, dann müssen die anderen dazu Beiträge leisten. Ich be­kenne mich dazu, so verstehe ich die Europäische Union.

Jetzt zu Österreich und zu dem Bereich, der für die Menschen zumindest genauso wichtig ist: Wie kommen wir zu Steuersenkungen? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist heute nicht angesprochen worden. Sie müssten nur den Strategiebericht der Bundesregierung lesen: Das, was wir in diesem Strategiebericht festgelegt haben, mit neuen Rahmenbedingungen – das neue Bundesfinanzrahmengesetz – führt uns dort hin.

Der erste Punkt kann nur eine Rückführung des Budgetdefizits sein; was wir in Loi­persdorf festgelegt haben führt genau dort hin. Denn wenn wir diese Budgetdisziplin aufbringen – und ich gehe davon aus, wir schaffen es –, dann werden wir von 4,6 Pro­zent noch in dieser Legislaturperiode unter die ominösen 3 Prozent kommen. Ich halte dies durchaus für möglich. (Abg. Mag. Gaßner: Mit der Steuersenkung?)

Ich komme schon zur Steuersenkung, aber zuerst einmal muss man das Defizit sen­ken, denn wenn ich 10 Milliarden und mehr für den Zinsendienst zu leisten habe, Abge­ordneten-Kollege, dann möchte ich nicht gleichzeitig eine Steuersenkung machen, die ich mir mit teuren Zinsen und Zinseszinsen erkaufe. Ich hoffe, dass das einleuchtend ist. (Abg. Mag. Gaßner: Nein, so schwierig ist das nicht!)

Der zweite Punkt: Der Schlüssel ist Wirtschaftswachstum. Schaffen wir in Österreich ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, ja oder nein? – Ja, zurzeit schaffen wir es: Wir liegen über dem europäischen Schnitt, und dadurch haben wir jetzt auch entsprechende Einnahmen.

Der dritte Punkt – und um den kommen wir auch nicht herum – sind natürlich die Struk­turreformen. Das sind die Strukturreformen, die wir angehen müssen.


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Ein Punkt, den ich in der Struktur für ganz wesentlich halte, ist unser Binnenverhältnis zu den Ländern und zu den Gemeinden. Ja, wenn auch die Länder ihren Beitrag leis­ten, der im Stabilitätspakt festgelegt worden ist, wenn die Länder nicht Widerstand leis­ten – und sollte ein Bundesland den Weg gehen, den Kärnten gegangen ist, dann gibt es wirklich Strafzahlungen und Konsequenzen für dieses Bundesland –, dann werden wir uns leichter tun, dieses Ziel zu erreichen.

Wenn wir diese drei Hausaufgaben erfüllen, wenn daneben die Strukturreform bei der Steuer kommt, dann wird uns die Finanzministerin mit gutem Gewissen noch in dieser Legislaturperiode eine Steuersenkung präsentieren können. Wenn die Hausaufgaben nicht erfüllt werden, dann können wir schon die Steuern senken, ja – aber dann hat man die Zinsen und Zinseszinsen zu bezahlen, weil wir eben auf der anderen Seite ei­nen solchen Schuldenstand haben!

Es liegt daher an uns, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, diese drei Hausauf­gaben zu erfüllen. Dann werden wir zu der Steuersenkung kommen, auf die die Öster­reicherinnen und Österreicher zu Recht warten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.

 


17.33.06

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben heute so viel übers Steuersenken ge­hört: wie wichtig es wäre, um den Mittelstand zu erhalten, um den Mittelstand zu stüt­zen, um die Kaufkraft zu erhalten.

Am 5. November 2009 habe ich als Vorsitzender des Tourismusausschusses einen Antrag eingebracht, die Mehrwertsteuer zu senken (Abg. Hörl: ... beim BZÖ!), die Mehrwertsteuer auf Nächtigungen und Beherbergungsumsätze von 10 auf 5 Prozent zu senken. Denselben Antrag hat Kollege Roman Haider im März 2010 noch einmal eingebracht.

Zeitgleich beziehungsweise Anfang 2009 hat Deutschland die Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Eine Studie von Professor Schneider, in Auftrag gegeben von der ÖHV, hat ganz klar dieses Ergebnis erbracht: 1,3 Milliarden € mehr an Umsatz wä­re möglich, würde es uns gelingen, die Mehrwertsteuer zu senken. (Abg. Hörl: Das ist die halbe Wahrheit!) Auch EU-konform wäre diese Mehrwertsteuersenkung, da wir zwei ermäßigte Sätze haben dürfen; auch dieses Argument konnten wir entkräften.

Geschehen ist leider nichts, die Mehrwertsteuer wurde nicht gesenkt – und die Gäste sind ausgeblieben! Zwei Jahre später haben wir klar die Zahlen: Von 2008 auf 2009 hat es 1,3 Millionen weniger Nächtigungen durch deutsche Gäste in Österreich gege­ben, von 2009 auf 2010 waren es 700 000 weniger; in Summe zwei Millionen weniger Nächtigungen und rund 500 Millionen € weniger Umsatz. 500 Millionen € weniger Um­satz, aber in Summe ist die Zahl der Nächtigungen in Österreich sehr wohl gleichge­blieben, nur die deutschen Gäste sind uns weggebrochen.

Wenn man das damit vergleicht, dass es im gleichen Zeitraum in Deutschland 10,2 Prozent mehr Auslandsnächtigungen gegeben hat, 10,2 Prozent mehr Gäste aus dem Ausland in Deutschland übernachtet haben, wir aber nach wie vor auf demselben Niveau stehen bleiben, so wäre es, glaube ich, wichtig, diesem Antrag endlich nachzu­gehen.

Der Tourismusbericht besagt ganz klar, dass es unserer Tourismuswirtschaft nicht mehr gelingt, die Kostensteigerung mit der Preissteigerung abzudecken. Herr Bundes­minister Mitterlehner hat uns letztens noch gesagt: Na ja, man wird wieder mit der För­derung arbeiten müssen.


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Ich habe hier eine klare Forderung, Frau Minister: Dieselbe Kraft, dasselbe Engage­ment, das Sie in die Griechenland-Hilfe stecken, würde unserem Tourismus wirklich sehr guttun. Senken Sie die Mehrwertsteuer, halten Sie so unseren Tourismus leis­tungsfähig und konkurrenzfähig, damit wir uns über unsere Umsätze selbst erhalten können und nicht von Förderungen abhängig sind! (Beifall bei der FPÖ.)

17.35


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte. (Bundesministerin Dr. Fekter – in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Mag. Gaßner –: Was kann ich für die Gemeinden tun, Herr Bürgermeister?)

 


17.36.02

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Sehr viel, sehr geehrte Frau Finanzminis­terin! – Herr Präsident! (Abg. Dr. Jarolim: Du wirst dich umdrehen müssen, wenn du mit der Frau Ministerin redest!) Zunächst allerdings eine kurze Replik auf Herrn Bu­cher, da er in seiner Erklärung zu dieser Anfrage gemeint hat: 550 000 Beamte – „Kos­tenstellen, die da herumlaufen“, hat er wortwörtlich gesagt.

Ich denke, Herr Bucher – er ist leider nicht mehr bei uns –, Sie sollten sich bei denen entschuldigen, bei diesen Leuten entschuldigen, bei den Beamten entschuldigen, die in Österreich sehr wertvolle Dienste leisten. (Abg. Ing. Westenthaler: Er ist mit eurem Klubobmann Cap zusammen! Ich sage es nur: Er ist gerade bei Cap!) Die Parla­mentsbeamten, das Bundesheer, die Polizei, die Lehrerinnen und Lehrer, das sind keine „Kostenstellen, die da herumlaufen“! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westen­thaler: Das war ein echter Sager!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diese hochintelligente Diskussion wirklich sehr aufmerksam verfolgt, mir fehlt allerdings eine einzige Erklärung. Vielleicht werde ich das noch erfahren, oder wo kann ich es nachlesen? – Es wird hier immer von „Steuersenkung jetzt“ gesprochen. (Abg. Ing. Westenthaler: Du kriegst auch un­ser Konzept!) Ich habe es genau studiert. Es steht aber nirgends drin, wie ich, wenn ich auf der einen Seite Steuern senke, diese Steuersenkung finanziere! (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Steht auch drin! Steht alles drin!) Nein, das steht nicht drin! Das steht eben nicht drin. (Abg. Ing. Westenthaler: Dann hast du es nicht gelesen!) Es kann nicht sein, dass ich auf der einen Seite Steuern senke; auf der anderen Seite: Woher?

Was mir als Zweites ganz wesentlich fehlt in dieser Diskussion, die hochtrabend über alle möglichen Themen geführt wird, ist Folgendes. Es hat sich kein einziger Redner, keine einzige Rednerin hier herinnen mit diesem Thema auseinandergesetzt: Was ist mit den österreichischen Gemeinden?

Vorige Woche war der Österreichische Gemeindetag. (Abg. Ing. Westenthaler: Wollen wir aufwerten!) Dort wurde festgestellt, dass sieben von zehn Gemeinden ihre Haus­halte nicht mehr ausgleichen können. Das lässt uns völlig kalt! Wir unterhalten uns über alles Mögliche, nur nicht über die Gemeindefinanzen. (Zwischenruf des Abg. Ha­gen.) Die Frau Ministerin hat gemeint, dass ihr Landeshauptmann gesagt hat – er ist auch meiner –, es sollten mehr Pauschalierungen bei den kleinen und mittleren Unter­nehmen kommen. (Abg. Hagen: Die Gemeinden werden ausgehungert!) Na ja, viel­leicht so wie bei der Landwirtschaft? – Das werden wir uns nicht leisten können! (Bun­desministerin Dr. Fekter: Warum nicht?)

Aber, Frau Bundesministerin, man sollte den Gemeinden mehr Geld in die Hand ge­ben, sollte dem größten Investor in Österreich mehr Geld in die Hand geben. Dann wä­ren die kleinen und mittleren Unternehmen, das Baugewerbe, das Baunebengewerbe wieder in der Lage zu arbeiten, zu investieren und die Arbeitsplätze zu erhalten. (Zwi­schenruf des Abg. Hagen.) Aber das fehlt uns völlig! (Beifall bei der SPÖ.)


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Was ich immer wieder höre, ist: Wir müssen die Gemeinden zusammenlegen. Die Strukturreform heißt Gemeindezusammenlegung. Ja, reden wir einmal darüber! Wir brauchen sie nicht zusammenzulegen, wir brauchen sie nur zusammenarbeiten zu las­sen. Der Bundesrat hat uns ein Gesetz vorgeschlagen, das da ein erster Schritt ist. Das ist, glaube ich, eine ganz, ganz wesentliche Sache, dass wir hier wieder weiter­kommen.

Frau Bundesministerin! Leider hätte ich zu dem Thema noch viel zu sagen. Sie haben einmal von sich selber behauptet – als Sie noch Innenministerin waren –, Sie wären eine Gemeindeministerin. Nehmen Sie diesen Titel als Finanzministerin mit: Werden Sie auch als Finanzministerin eine Gemeindeministerin!

Wenn es den Gemeinden wieder gut geht, dann geht es den Menschen gut, und dann geht es uns allen gut. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steindl. – Bitte. (Bundesministerin Dr. Fekter: Hat er recht!)

 


17.40.02

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundes­minister! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Heute ist schon sehr viel Polemik über die Situation in Österreich, über die Situation in Griechenland und vor allem, was unsere Steuersituation in Österreich anlangt, zum Ausdruck gebracht worden, vor al­lem vom BZÖ. Ich versuche es einfach einmal mit klaren Fakten, um die Situation in Österreich so darzustellen, wie sie sich aus meiner Sicht darbietet.

Wir haben in der vergangenen Zeit auch für den Wirtschaftsraum Österreich vieles ge­schafft – mit Steuerreformen, mit Entlastungen für Arbeitnehmer, mit der Attraktivierung des Körperschaftsteuersatzes, mit der Gruppenbesteuerung – und haben somit At­traktivität für die Wirtschaft und deren Rahmenbedingungen geschaffen. Dazu möchte ich ausführen, dass sich mehr als tausend Unternehmungen, vor allem größere Unter­nehmungen, in Österreich angesiedelt haben. Gerade in der wirtschaftlich so schwie­rigen Zeit war das ein ganz wesentlicher Beitrag dazu, dass wir diese Krise bestens überstanden haben.

Wenn heute einmal mehr – vor allem vom Kollegen Krainer – ausgeführt wurde, dass die Arbeitnehmer den großen Anteil der Steuerlast in Österreich tragen, dann sollte man auch hier die Fakten berücksichtigen und sie klar darstellen. Es ist so, dass, wie gesagt, die Gesamt-Bruttolöhne in Österreich 180 Milliarden € betragen. Die Netto­löhne liegen in etwa bei 110 Milliarden €. Daher ergeben sich 70 Milliarden, 75 Milliar­den € an Lohnnebenkosten; davon werden in etwa 50 Milliarden € von den Unterneh­mungen getragen. Wenn wir in Österreich 200 000 Arbeitgeberbetriebe haben, dann kann natürlich das Steueraufkommen keinesfalls so groß sein wie beispielsweise bei vier Millionen unselbstständig Erwerbstätigen und dazu in etwa zwei Millionen Pen­sionisten! Das sei auch einmal gesagt.

Auch dass wir über die hohen Lohnnebenkosten eine entsprechende Sozialquote mitfi­nanzieren können, sei von dieser Stelle aus einmal gesagt. Wir tragen mit diesen ho­hen Lohnnebenkosten, auch die Wirtschaft und der Staat, doch eine Sozialquote von in etwa 83 Milliarden €, die dazu dient, dass wir in Österreich eine besonders hohe Kaufkraft, eine der höchsten Kaufkraftsituationen in Europa haben, was gerade auch in der Krise den Konsum entsprechend gestützt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Verwaltungskosten – weil immer wieder gesagt wird, wir müssten an den Ver­waltungskosten dringend etwas ändern –: Natürlich gibt es hier Änderungsbedarf, aber wir wissen alle, die wir hier sitzen und diese Debatte schon lange verfolgen, dass es in


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einem föderalistischen Staat wie Österreich nicht ganz einfach ist, die Verwaltung von heute auf morgen zu ändern. Deswegen bin ich bei der Frau Bundesminister, dass man das Schritt für Schritt umzusetzen hat.

Wir sind aber nicht die Schlechtesten. Wir sind, was die Verwaltungskosten betrifft, im europäischen Vergleich etwa in der Mitte. Wir stehen derzeit bei 18,6 Prozent und ha­ben uns erheblich verbessert; wir waren 1995 noch bei 21,7 Prozent an Verwaltungs­kosten. Wir sind also auch dort entsprechend unterwegs.

Meine Damen und Herren, abschließend noch ein Wort zu Griechenland: Wir alle wis­sen, welch große Herausforderung das gerade für die Europäische Union ist. Wir wis­sen, wie wichtig die Europäische Union letztlich für Österreich ist. Wir wissen, dass un­sere Exportentwicklung seit der Euroeinführung eine besonders aktive ist: Wir hatten vor der Euroeinführung einen Anteil von 20 Prozent, jetzt liegt der Exportumsatz bei 60 Prozent des BIP. Deswegen ist das besonders wichtig.

Wir wissen, dass Wirtschaft Vertrauen und Verlässlichkeit braucht. Gegen alles ande­re, was Vertrauen und Verlässlichkeit hemmt – wenn man hier Angstmache betreibt, wenn Spekulationen stattfinden, wie das Kollege Matznetter, aber auch Kollege Kogler vorhin ausgeführt haben –, hat die Europäische Union entsprechend aufzutreten. Erste Regelwerke sind jetzt Gott sei Dank beschlossen, damit diese Spekulationen unterblei­ben.

Wir müssen jetzt alle zusammenstehen, denn letztlich ist Europa auch eines der größ­ten Friedensprojekte – was die meisten von uns leider schon vergessen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Königshofer. – Bitte. (Abg. Dr. Königshofer stellt ein Schild mit der Aufschrift „Unser Geld für unsere Leut’!“ aufs Rednerpult.)

 


17.44.42

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Ich habe mir heute diese Dringliche Anfrage ganz genau durchgele­sen, und es stehen schon einige sehr gewichtige Argumente darin. Wenn man da liest, dass die EU-Kommission eine Empfehlung des Rates geäußert hat, dass in Österreich Einsparungen in großer Höhe zu machen wären, dann kann man nur den Kopf schüt­teln.

Das wissen wir ja selber, meine Damen und Herren! Der Rechnungshof hat es uns auf­gezeigt: 315 Punkte, mit denen wir, wenn sie umgesetzt würden, rund 7 Milliarden € jährlich in der Verwaltung einsparen könnten. Und da kommt die EU-Kommission und gibt uns gute Ratschläge, obwohl wir wissen, dass in der EU selber Milliarden € pro Jahr in korrupten Kanälen verschwinden und versickern, davon allein zirka 30 Prozent in Brüssel!

Meine Damen und Herren! Ich habe mir einmal angeschaut, wie viel Österreich seit dem Beitritt jährlich an Bruttobeiträgen über das Budget an die EU bezahlt hat. Es waren seit dem Beitritt rund 35 Milliarden €! Umgerechnet in alte Währung sind das 500 Milliarden Schilling. 500 000 Millionen österreichische Steuerschillinge sind bisher aus unserem Land an die EU nach Brüssel geflossen! (Abg. Mag. Lapp: Wie viel ist zurückgekommen?)

Meine Damen und Herren! Ich erinnere nur an einen – heute gesehen kleinen – Skan­dal im Jahre 1985. Da hat die Intertrading in Linz, eine Tochterfirma der Voest, Ölspe­kulationen gemacht; da mussten die offenen Positionen über Nacht glattgestellt wer­den, und das hat einen Verlust von 5 Milliarden Schilling verursacht. 5 Milliarden Schil­


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ling – ein Riesenskandal! Der Voest-Generaldirektor Apfalter – die Genossen werden das wahrscheinlich noch wissen – musste ein paar Wochen später zurücktreten. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) 5 Milliarden Schilling; unser Beitrag an die EU in den letzten Jahren war hundertmal größer: 500 Milliarden Schilling – nur, um einmal die Größen­ordnung zu demonstrieren! (Abg. Riepl: Sie können doch nicht Spekulationen mit Bei­trägen gleichsetzen!)

Was haben wir dafür bekommen, Frau Minister? – Wir wissen schon, was Sie sagen werden: Dafür waren wir dabei, dafür haben wir auch den Euro, dafür haben wir all die Vorteile genossen (Abg. Hörl: Die Inflation!) – ja, die geringe Inflation, Kollege Hörl assistiert mir noch bei den Vorteilen –, die Exportvorteile und so weiter. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Meine Damen und Herren, jetzt werde ich Ihnen einmal ein anderes Land vorstellen. Ich rede nicht von der Schweiz oder von Norwegen, sondern ich nehme ein Land, das in der EU ist, aber nicht den Euro, sondern noch die eigene Währung hat (Abg. Bu­cher: Schweden!), die Kronen-Währung, die Schweden-Krone. Meine Damen und Her­ren, ich zitiere Ihnen jetzt aus der EU-Wirtschaftsprognose für 2011 und 2012; das ist gestern in der Zeitung „Die Presse“ gestanden.

Das BIP-Wachstum wird in Österreich 2,4 Prozent im Jahr 2011 und 2,0 Prozent 2012 betragen. In Schweden wird es heuer ein Wachstum von 4,2 Prozent geben, und das fällt dann auch zurück, nämlich auf 2,5 Prozent; immerhin um 0,5 Prozent mehr als in Österreich. Jetzt der Budgetsaldo – Frau Minister, Sie wissen, Österreich hält Budget­disziplin –: Das Defizit wird von heuer 3,7 Prozent auf 3,3 Prozent im nächsten Jahr zu­rückgehen. In Schweden wird heuer ein Budget-Plus von 0,9 Prozent und im nächsten Jahr eines von 2 Prozent erzielt! (Abg. Hörl: Und die Schulden?) Die Verschuldung wird sich dementsprechend entwickeln, lieber Freund Hörl: in Österreich von 73,8 Pro­zent auf 75,4 Prozent. Hingegen in Schweden, weil Überschüsse erzielt werden, von 36,5 auf 33,4 Prozent – so schaut das aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Schweden ist ein Land mit einer „kleinen“ Sprache in einer europäischen Randlage. Wir haben es da ja viel leichter: Wir liegen in Mitteleuropa, wir sind im deutschen Sprach- und Kulturraum eingebunden. Wir tun uns viel leichter mit Exporten nach Mit­tel- und Osteuropa als die Schweden, aber trotzdem hat Schweden mit seiner eigenen Währung wesentlich bessere Zahlen. Erzählen Sie uns also keine Märchen, dass es nur der Euro wäre, der uns vorwärts bringt! Im Gegenteil, man kann auch ohne Euro sehr weit kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Was ist die Schlussfolgerung daraus in Be­zug auf unsere Steuerpolitik? – Wir müssen jetzt sagen, dass uns das Hemd näher ist als der Rock. Das heißt, künftige Zahlungen an die EU müssen wohl abgewogen wer­den. Ich will jetzt gar nicht mehr über Griechenland sprechen. Was sich Herr Jean-Claude Juncker vorstellt – weitere zig oder Hunderte Milliarden in diesem Fass ohne Boden zu versenken –, wird nicht mehr funktionieren.

Die Länder wehren sich, die Völker wehren sich. Es geht so nicht. Man kann nicht die Spekulanten aus Banken und Investmentfonds noch einmal absichern. Aber ich sage Ihnen auch, dass wir mit den jährlichen Netto- und Bruttobeiträgen an die EU herunter­fahren müssen. Wir zahlen ja Luxusbeiträge, die eine soziale Hängematte für andere Staaten sind. Wo haben denn die anderen Staaten aufgeholt? Wir sind nach wie vor Nettozahler.

Wir reden jetzt davon, dass die EU zu einer Transferunion würde. – Das ist sie ja schon lange! Jahr für Jahr wurden Milliardenbeträge – Schilling, Mark und Euro – von den Nettozahlern zu den Nettoempfängern transferiert. Hier müssen wir eingreifen, meine Damen und Herren! Im Sozialbereich müssen wir eingreifen, hier müssen wir durchforsten. Hier müssen wir alle unnötigen Ausgaben streichen.


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Letztendlich muss es heißen, das österreichische Geld muss in erster Linie im Lande bleiben. „Unser Geld für unsere Leut’!“ – das ist unser Motto. (Beifall bei der FPÖ.)

17.51


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


17.51.32

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Da­men und Herren! Es ist schon eine besondere Chuzpe, wenn das BZÖ zu einer Dringlichen ruft, bei der es um Steuer- und Finanzfragen geht. Ausgerechnet das BZÖ hat ja gemeinsam mit der FPÖ – in einem Konglomerat – den Hypo-Skandal zu ver­antworten (Zwischenruf bei der FPÖ), einen Skandal, der die Republik Österreich an den Rand des Ruins gebracht hat.

Herr Bucher! Sie waren ja auch selber mitverantwortlich. Ich erinnere an den dubiosen Kredit der Hypo Alpe-Adria im Zusammenhang mit der Fluglinie Styrian Spirit. (Neuer­licher Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie waren mitverantwortlich, dass die Pleite ver­schleppt worden ist, Sie waren Aufsichtsrat – und Sie stellen sich jetzt her und wollen Wegweiser und Ratgeber sein. Sie sollten sich für die Hypo entschuldigen und einen Grundkurs in Wirtschaftsverständnis buchen, Herr Bucher! Das wäre das Richtige. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hörl: Schämen! Schämen!)

Herr Bucher, die Flat-Tax ist ein gefährlicher Unsinn, der Österreich in den Stand eines Entwicklungslandes, einer Bananenrepublik zurückkatapultieren würde. (Zwischenruf beim BZÖ.) Wenn Sie einmal Ihre Forderungen mit einer Flat-Tax gegenrechnen, wer­den Sie blitzartig bei zweistelligen Milliardendefiziten landen.

Meine Damen und Herren, wir wollen aber auch keine Steuerreform wie unter Finanz­minister Grasser – ich erinnere an die Homepage/Industriellenvereinigung –, das war nämlich eine reine Lobbyisten-Steuerreform. Was war das Ergebnis? – Geldver­schwendung, es floss sinnlos Geld Richtung Industrie, eine hohe Arbeitslosigkeit trotz allerbester Konjunktur. Das war das Einzige, was Grasser erreicht hat: eine Homepage um 270 000 €, wo sich alle in der Branche vor Lachen gebogen haben. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Herr Westenthaler, eines sage ich Ihnen jetzt (Abg. Ing. Westenthaler: Das kann man behandeln lassen! Da gibt es Therapeuten dafür!): Eine sorgfältig vorbereitete und kompetente Steuerreform haben wir im Jahr 2009 erlebt. Die ÖVP – das sei jetzt nicht verschwiegen – war anfangs ja dagegen, hat sie später dann in Inseraten abgefeiert. Auch die Frau Finanzministerin hat diese Steuerreform heute zu Recht gelobt, denn wir zehren heute noch von den Ergebnissen – von der damaligen Konsumbelebung, von den Impulsen für die Beschäftigung –, und nicht zuletzt deshalb sind wir auch die Num­mer eins in Europa, was Beschäftigung und Sozialpolitik betrifft.

Zur Verteilungsgerechtigkeit, wie wir in der SPÖ sie uns vorstellen: Eine erste Etappe haben wir beim Budget 2011 mit der Bankensteuer absolviert. Auch die Unkenrufe des BZÖ und der FPÖ sind verstummt, die ja gesagt haben, dass das an die Kunden über­wälzt wird. Es muss aber eine zweite Etappe geben – na selbstverständlich –, eine klassische Vermögensteuer für Vermögen über 1 Million.

Meine Damen und Herren, wir haben 37 000 Dollar-Millionäre hier in Österreich und 300 Personen, die mehr als 100 Millionen Dollar ihr Eigentum nennen. Frau Finanzmi­nisterin! Bitte nicht böse sein, aber das ist nicht der Mittelstand. Das sind die Millionäre, und es ist nur gerecht, billig, fair und in Ordnung, wenn diese Gruppe stärker belastet wird.

Mir gefällt ja auch besonders, wenn man den Höchststeuersatz erhöht. Dazu muss man wissen, dass die 1 500 Verdiener in Österreich, die mehr als 500 000 € Einkom­


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men haben – also eine sehr, sehr exklusive Gruppe –, in Wirklichkeit nur 38,01 Prozent Steuern zahlen. So schaut das in Wirklichkeit aus.

Ich weiß nicht, wie weit wir da mit der Volkspartei und mit den Oppositionsparteien kommen werden, die SPÖ steht jedenfalls für soziale Gerechtigkeit und für Verteilungs­gerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 


17.55.23

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Es ist zum Teil erschütternd. Die Situation ist unglaublich ernst. Wir brauchen uns nichts vor­zumachen: Die Sache mit Griechenland läuft einigermaßen aus dem Ruder. Ich hoffe, dass die Griechen fair sind und – auf gut Deutsch – „zuwihalten“ und Reformen einlei­ten, und ich bete zu Gott, dass es so ist.

Wir helfen den Griechen nicht aus purer Menschenfreundlichkeit und Solidarität, son­dern ich hoffe auch aus Egoismus, dass Griechenland mit diesen Paketen rettbar ist. Aus meiner Sicht ist das die allerallerbilligste Variante, mit der der österreichische Steuerzahler aus diesem Dilemma herauskommt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jeder, der dazu nicht beitragen möchte, trägt dazu bei, dass es am Ende für den öster­reichischen Steuerzahler noch viel teurer wird.

Frau Bundesminister, der Ball liegt jetzt natürlich in erster Linie bei den Griechen. Wir können noch so sehr über Spekulanten und Ratingagenturen schimpfen, es waren nun einmal in erster Linie – das muss auch gesagt werden – griechische Politiker, die so weit über die Verhältnisse gelebt und so viele Schulden aufgetürmt haben, dass dieses Dilemma entstanden und so groß geworden ist.

Ich bin dankbar dafür, dass Rating-Agenturen aufgedeckt haben, wie es wirklich um Griechenland steht, denn ohne diese Ratingagenturen hätte man noch fünf Jahre wei­tergemacht, und das wäre ganz, ganz sicher die noch schlimmere Variante gewesen. Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir schauen müssen, dass dieser Weg Grie­chenlands nicht der unsere sein darf. Wenn ich sage, wir leben auch seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse, so muss es aus meiner Sicht in diesem Hohen Haus einmal bewusst werden, dass wir so nicht weitermachen können.

Ja, wir müssen Pensionsprivilegien abschaffen – und da gibt es viele. (Beifall des Abg. Hörl.) Ich möchte jetzt nicht Extrembeispiele wie jene ÖBBler nennen, die mit 53 Jah­ren in die Pension geschickt wurden, und als man für das Umweltverträglichkeitsprü­fungsverfahren bei der Brennerstrecke Experten brauchte, musste man diese pensio­nierten ÖBBler wieder holen und einen Stundensatz von – damals – 2 300 S dafür be­zahlen, dass sie gutachterlich weiterarbeiten, weil es sonst keine Experten gab.

Das sind Zustände, die wir uns alle zusammen schon lange nicht mehr leisten können (Beifall der Abgeordneten Hörl und Schittenhelm), und ich flehe den Koalitionspartner SPÖ an, auf diesen Privilegien nicht weiter zu bestehen, sondern ernsthafte Reformen im Pensionsbereich anzugehen.

Umgekehrt Vermögensteuern einzuführen, ist absolut ungerecht. Ich versuche jetzt einmal aus der Sicht einer Tirolerin zu erklären, warum. In Tirol – bei 11 Prozent be­baubarer Fläche – ist jeder Quadratmeter Grund und Boden so teuer, dass jemand aus Innsbruck und Umgebung nur lachen kann, wenn ein Wiener sagt: Stellt euch vor, in Perchtoldsdorf kosten die Gründe ab 300 € aufwärts. Ich rede schon gar nicht von Kitz­bühel.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 173

Wenn man sich die gleichen 80 oder 100 Quadratmeter Fläche, die mit Superdefizit in Wien auf Steuerzahlerkosten den Mietern von Wiener Wohnen zu zum Teil lächer­lichen Mietpreisen zur Verfügung gestellt werden, irgendwo in Westösterreich anschaf­fen will, dann ist man schnell an der Grenze zur halben Million Euro. Wenn man sich von seinem versteuerten Einkommen dann einmal unter Entbehrungen eine Wohnung angeschafft hat und diese vielleicht seinen Kindern weitergeben möchte, dann fällt man aus allen zusätzlichen Förderungen sowieso heraus, weil man Vermögen hat.

Ein anderer, der sein ganzes Geld und sein ganzes Einkommen verjuxt und ausgege­ben hat (Zwischenruf des Abg. Brosz), bekommt dann später unentgeltlich bezie­hungsweise auf Kosten der Allgemeinheit den Pflegeplatz, die Mindestsicherung und, und, und. – Und das ist nicht gerecht! Das wollen wir nicht, und das können wir nicht akzeptieren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Königshofer.)

Bauern – und ich komme aus der Stadt, ich habe keinen Grund, die Bauern zu vertei­digen – haben bei uns allein mit den landwirtschaftlichen Flächen schnell ein großes Vermögen zusammen. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Wenn sie so reich wären, würden sie nicht in der Früh als Postboten und als Nebenerwerbsbauern arbeiten gehen. Sie machen das noch mit Leidenschaft (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen), und ich bin froh darüber, dass ich diese Gurken und diese Sprossen auch gerne esse, deswegen will ich sie erhalten. Und noch mehr Steu­ern können sie sich auch nicht leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Den Schlusssatz, bitte! Die gesamte Redezeit ist gleich zu Ende!

 


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (fortsetzend): Kleine Betriebe könnten sich bei der Weitergabe die Erbschafts- und Vermögensteuern sicher nicht leisten (Abg. Dr. Pirkl­huber: Zugabe! Zugabe!) und müssten zusperren. Wir werden dafür kämpfen, dass diese Steuern nicht kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.00

17.59.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen. (Ruf bei der ÖVP: Das war die Wahrheit! – Abg. Silhavy: Die Superreichen! – Abg. Mag. Gaßner: Die sind ja so arm!)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Genug gezahlt – Steuerreform jetzt!“

Wer diesen Entschließungsantrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Genug gezahlt – sofortige Umsetzung der Vorschläge des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform“.

Wer diesen Entschließungsantrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

18.01.12Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir nehmen die Verhandlungen über den 4. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 174

18.01.21

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zum Thema Verkehrsanbin­dung und Stadtentwicklung Hauptbahnhof machen, das ja vor der Dringlichen dis­kutiert wurde. Im Rechnungshofbericht wird der Projektstand 2005 mit dem letztendlich bewilligten Stand von 2007 verglichen. Bei diesem Vergleich ist eine Verteuerung des Riesenprojektes feststellbar.

Es ist bei einem Projekt an sich logisch, dass es billiger wird, wenn es redimensioniert wird, und dass es teurer wird, wenn sich während des Entstehungsprozesses Entwick­lungen ergeben, die es notwendig erscheinen lassen, das ursprünglich vorgesehene Projekt stärker zu dimensionieren. Das ist zwischen 2005 und 2007 geschehen. Man ist zu der Erkenntnis gekommen, dass das Projekt aus den ursprünglich vorgesehenen Gründen vergrößert werden sollte. Ich denke, die Kritik wäre ganz sicher auch berech­tigt gewesen, wenn man erst nach der Fertigstellung hätte feststellen müssen, dass be­stimmte Maßnahmen nicht verwirklicht worden waren und nachträglich um viel teureres Geld gebaut werden müssten. Die Kostensteigerung ist aber nicht nur mit der Ver­größerung des Projektes erklärbar. Ursprünglich – im Gegensatz zum Stand 2007 – waren die Gesamterschließung des Südbahnhofes und die Renovierung der S-Bahn-Stationen und anderes nicht vorgesehen.

Zu den 48 Schlussempfehlungen im Bericht, was die Bemerkungen der Stadt Wien be­trifft, so ist hier festzuhalten – und das ist im Bericht auch ganz eindeutig nachzule­sen –, dass der Wiener Stadtsenat den Empfehlungen des Rechnungshofes Rechnung getragen hat beziehungsweise dass ihnen in wesentlichen, relevanten Fällen auch entsprochen wurde. Das Gleiche gilt im Wesentlichen auch für das BMVIT, wobei hier grundsätzlich zu sagen ist, dass die Zuständigkeit in weitaus überwiegenden Teilen beim Finanzministerium liegt.

Entscheidend hinsichtlich des Großprojektes Hauptbahnhof ist, dass angesichts der Neudimensionierung und der Vergrößerung die Kostenüberschreitung erklärbar ist, be­sonders wenn man die stadtentwicklungspolitische Dimension mitbedenkt, weil hier ein hypermoderner neuer Stadtteil entsteht. In verkehrspolitischer und wirtschaftspoli­tischer Hinsicht ist es ungemein wichtig, dass die Stadt Wien in Zukunft auch endlich einen modernen Durchzugsbahnhof hat, der als Knotenpunkt alle wichtigen Bahnlinien verbindet. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 


18.04.31

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Werte Präsidenten! Hohes Haus! Recht herzlich begrüßen möchte ich eine Delegation der MA 48 aus Simmering. Schön, dass Sie da sind und bei einer sehr wichtigen Diskussion zuschauen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ. – Ruf: Aus der Heimat Westenthalers! Wo ist denn der Herr Westenthaler?) – Nein, das ist Favoriten, Herr Kollege, aber als Nie­derösterreicher müssen Sie da nicht so bewandert sein. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Wir kommen zum Rechnungshofbericht. Wir haben uns sehr intensiv und auch schon über längere Zeit mit den Kapiteln beschäftigt. Ich möchte das Kapitel zum Hauptbahn­hof Wien herausnehmen, weil ich als Simmeringerin eben den Bereich um den ehema­ligen Südbahnhof bis zum Schluss als eine Gegend erlebt habe, die nicht sehr einla­dend war, die kein gutes Entree für Touristen war und die auch kein gut entwickelter Teil unserer Stadt war. Deswegen ist es wichtig, dass dieses große Projekt in Wien umgesetzt wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 175

Die Prüfung des Rechnungshofes hat sich sehr intensiv mit verschiedenen fachlichen Bereichen auseinandergesetzt. Es wurde leider – Kollegin Becher hat das vorhin schon angesprochen – vom Projektstand 2005 ausgegangen und nicht vom Stand 2007. Vor­hin haben Kolleginnen und Kollegen darüber gesprochen, dass es so exorbitante Stei­gerungen gibt. Werte Kolleginnen und Kollegen! Das kann man nicht vergleichen, son­dern es geht darum, dass durch dieses attraktive Projekt zusätzliche Investitionen und zusätzliche planerische Leistungen dazugekommen sind.

Die Österreichischen Bundesbahnen investieren dort 987 Millionen €, die Stadt Wien 500 Millionen €, und der Anteil der privaten Investoren liegt im Bereich von 2,5 Mil­liarden €. Also Sie sehen, hier entsteht ein neuer Stadtteil, der sehr wichtig ist.

Ein Kollege hat angesprochen, da werde sozusagen durch die Hintertür eine Quersub­ventionierung zur Stadt Wien betrieben. Das muss ich in Abrede stellen. Genau das Gegenteil ist der Fall, ich habe Ihnen vorhin die Zahlen genannt.

In diesen Stadtteil werden 15 000 Bewohnerinnen und Bewohner ziehen, 25 000 neue Arbeitsplätze werden geschaffen. Das heißt, das ist ein sehr wesentliches und wich­tiges Projekt. Es ist so, dass dort die Schnellbahn-Relationen ausgebaut werden, so­dass die Erreichbarkeit und die Verknüpfung mit dem öffentlichen Verkehrsnetz in Wien eine sehr wesentliche Verbreiterung und Verbesserung ergeben werden. Auch der Zugang zur U-Bahn wird überdacht, das heißt, man muss nicht mehr in den Außen­bereich gehen, und die Wegzeiten sind ähnlich wie beim Westbahnhof.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Projekt Hauptbahnhof hat bereits 100 000 Besu­cherinnen und Besucher, denn – weil vorhin auch die Werbekosten angeschnitten wor­den sind – bei so einem Projekt ist es auch wichtig zu informieren, und die Besuche­rinnen und Besucher können sich ein genaueres Bild davon machen, wie es auf dieser Baustelle weitergeht. Gerade in den letzten Tagen wurde ein Dach aufgesetzt.

Das ergibt eine Aufwertung eines Stadtteils, eine Aufwertung in der Stadt Wien, wobei sehr viele Investitionen von verschiedenen Seiten kommen. Ich denke mir, das ist ein wichtiges Projekt für Wien. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

 


18.08.28

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Geschätzte Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren! Die SIVBEG sollte also Grundstücke und Immobilien verwerten, sollte beraten, entwickeln. Der Rechnungshof kritisiert das ja mit sehr drastischen Worten. Ich möchte noch einmal auf den Prüfzeitraum hinweisen – bis 2008. Also in Wirklichkeit sind alle relevanten Entscheidungen ab dem Jahr 2005 gefallen. Die Mängel sind typisch: Probleme bei der Auftragsvergabe, bei der Dokumentation, bei Personalbestellungen, Prämiensystem.

Den Empfehlungen des Rechnungshofes kann man eigentlich nähertreten. Die Frage ist ja, was hier sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Soll man es der BIG über­tragen? – Ich bin auch ein bisschen irritiert in letzter Zeit. Diese Berggipfel-Nummer ist etwas, was derzeit das Vertrauen in die BIG nicht besonders stärkt.

Jedenfalls muss man die Effizienz erhöhen, und jedenfalls wird mit Jahresende nur ein Geschäftsführer dort tätig sein – der Vorgänger von Minister Darabos hat ja den zweiten verlängert –, und so kommt man zurande, glaube ich. Man kann sich beim Rech­nungshof nur bedanken, dass er eben diese Empfehlungen erarbeitet hat.

Wenn man aber in den Zeitraum 2000 bis 2006 zurückschaut, dann reden wir größen­ordnungsmäßig von einer Maus im Vergleich dazu, was bei Liegenschaften und im Mi­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 176

litärbereich geschehen ist – wenn ich an BUWOG, Eurofighter und so weiter denke. Natürlich muss man auch den kleineren Dingen und Fehlentwicklungen nachgehen, aber wenn vereinzelt FPÖ- und BZÖ-Abgeordnete so besonders kritisch sind, dann sollten sie lieber an den Elefanten denken und nicht an die Maus. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

 


18.10.20

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Hohes Haus! Auch ich habe mir die SIVBEG herausgenommen, und ich danke Ihnen, Herr Präsident, für die akribische Aufarbeitung. Man hat dadurch vor Au­gen geführt bekommen, wo es mangelt, es gab aber auch Vorschläge, wo man etwas verbessern kann.

Ich hätte mir allerdings auch gewünscht, nachdem gerade bei der SIVBEG die Väter so klar auf der Hand liegen, dass man auch anführt, wer denn die geistigen Urheber die­ser Organisation, dieser Gesellschaft sind, nämlich der wohl „beste Finanzminister aller Zeiten“  nach Eigendefinition  und der damalige Verteidigungsminister. Die sind na­türlich heute nicht mehr im Verantwortungsbereich des Parlaments, und man sollte bei der Gelegenheit auch daran denken, wenn man dies so genau aufarbeitet und be­krittelt, dass die Personalausstattung zu üppig ist und es zwei Geschäftsführer gibt, dass dieser „hervorragende“ Finanzminister damals, als die Idee geboren wurde, eine Milliarde Erlös für die SIVBEG  durch den Verkauf der Bundesheerliegenschaften  in Aussicht gestellt hat. Mit der Aussicht wären die Kosten für das Personal zu rechtfer­tigen gewesen.

Wir wissen aber heute, dass wir schon mit 440 Millionen €, oder noch etwas weniger, mit 413 Millionen € zufrieden sein müssen, und daher ist es natürlich an der Zeit, da die Schraube zurückzudrehen. Das Ministerium hat jetzt den ersten Schritt getan Kollege Kräuter hat es ja gesagt –, die Geschäftsführung wird halbiert, wenngleich auch das Vieraugenprinzip zu gewährleisten ist, in welcher Form auch immer. Aber da ist man auf dem richtigen Weg. Ich würde aber bitten, wenn wir Unterlagen bearbeiten, Missstände aufdecken, auch nicht zu vergessen, die Urheber zu erwähnen. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Präsident Dr. Moser.  Bitte.

 


18.12.13

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich mich einleitend bei Ihnen bedanke, dass so­wohl im Rechnungshofausschuss als auch heute im Rahmen der Debatte alle Prü­fungsergebnisse eingehend angesprochen worden sind. Es wurde unter anderem auch darauf hingewiesen, dass all diese Prüfungsberichte zeigen, dass Handlungsbedarf ge­geben ist und es in vielen Bereichen Einsparungsmöglichkeiten gibt.

Ich möchte zuerst den Hauptbahnhof erwähnen. Dieses Projekt bringt zum Ausdruck, wie wichtig es wäre, dass tatsächlich ausgereifte Planungen vorliegen, bevor Entschei­dungen getroffen werden. Dadurch könnten diese Kostensteigerungen vermieden wer­den, die heute im Rahmen der Debatte mehrmals angesprochen worden sind.

Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit dem Hauptbahnhof Wien ist auch die Mit­einbeziehung des U-Bahn-Ausbaus als Prüfgegenstand. Dieser U-Bahn-Bau zeigt auf, dass der Bund 50 Prozent der Kosten für den U-Bahn-Bau in Wien übernimmt, ohne aber gleichzeitig seine Bundesinteressen einzubringen, seine Bundesinteressen im Rahmen der Verhandlungen sicherzustellen. Tatsächlich trägt der Bund 50 Prozent der


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Kosten, ohne damit in irgendeiner Art und Weise Kontrollrechte zu verbinden bezie­hungsweise Bundesinteressen sicherzustellen.

Ein weiterer Punkt der heute auf der Tagesordnung stehenden Berichte ist die Quer­schnittsprüfung Labortarife. Auch hiebei kommt hervor, dass zwischen den einzelnen geprüften Sozialversicherungsanstalten Tarifpreisunterschiede von mehr als 400 Pro­zent bestehen. Es wäre also zweckmäßig, dass aufgezeigte Preisunterschiede auch genutzt werden, um Preisreduktionen, Tarifsenkungen zu erreichen, und gleichzeitig wäre es auch notwendig, dass sich die Tarifhöhe tatsächlich nach den kalkulierten Kos­ten berechnet.

Ein Punkt, der auch zeigt, wie wichtig es wäre, Maßnahmen zu setzen, ist der Polizei­notruf. Auch hiebei wurde ausgeführt, dass wir 105 Polizeileitstellen bei 100 Sicher­heitsbehörden haben, dass pro Leitstelle gleichzeitig zwei Sicherheitsbeamte im Ein­satz sind. Das heißt, dass 180 Beamte damit beschäftigt sind, die Notrufe entgegenzu­nehmen, obwohl pro Tag und pro Beamten teilweise nur fünf Notrufe einlangen. Das heißt, es wäre auch hiebei zweckmäßig, die Bediensteten für die Sicherheit einzuset­zen, im exekutiven Außendienst zu verwenden und nicht systematisiert für Leitstellen­aufgaben zu verwenden, wo die Auslastung bei Weitem nicht gegeben ist.

Der letzte Punkt, der heute noch angesprochen worden ist, ist der Bereich der SIVBEG. Auch hiebei zeigte sich, dass diese Gesellschaft zu Doppelgleisigkeiten ge­führt hat, und es zeigt sich auch, dass es zu wenig ist, eine Gesellschaft mit dem Argu­ment zu gründen, dass damit ausreichende Möglichkeiten gegeben sein sollten, um strategische Interessen wahrzunehmen. Das ist zu wenig für die Effizienz, das führt zu Doppelgleisigkeiten und sicherlich auch nicht zu einem effizienten Mitteleinsatz.

Es zeigen also die heutigen Prüfungsergebnisse – das wurde von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch angesprochen –, dass Handlungsmöglichkeiten ge­geben sind, dass Effizienzsteigerung möglich ist und dabei auch Kosten gespart wer­den können. In dem Zusammenhang möchte ich mich noch einmal für die Debatte be­danken.

Nachdem heute die letzte Rede von Herrn Vizekanzler und Finanzminister außer Dienst Molterer stattgefunden hat, möchte ich mich gleichzeitig bei ihm im Namen des Rechnungshofes sehr herzlich bedanken, da der Rechnungshof gerade auch für den Finanzminister nicht immer ein bequemer Weggefährte gewesen ist. Aber ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie unsere Kritik immer als sehr konstruktive Kritik erachtet haben, dass Sie jemand waren, der auch immer wieder geschaut hat, wie man Geld­mittel effizienter einsetzen kann, dass Sie dazu geneigt waren, dass Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt werden. Dafür danke ich Ihnen. Es war ein angeneh­mes Arbeiten, auch wenn die Fronten nicht immer leicht waren, aber Sie werden dem Rechnungshof abgehen. Alles Gute in der Zukunft! – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

18.16

18.15.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Be­richt III-134 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Auflösung der SIVBEG.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 178

Wer diesen Entschließungsantrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

18.16.345. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch BGBI. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBI. I Nr. 111/2010, geändert wird (1478/A)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


18.17.03

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als im März dieses Jahres der ÖVP-Europa-Abgeordnete Strasser quasi per Videofalle – unter Anführungszeichen – überführt wurde, das Verfahren ist ja noch offen, war die Überraschung groß. Wahrscheinlich war seine Überraschung groß, dass das, was er macht, strafbar ist, aber noch größer war die Überraschung der Ös­terreicherinnen und Österreicher, dass das, was der EU-Abgeordnete Strasser getan hat, im österreichischen Parlament nicht strafbar wäre  und das hat einen Grund.

Dieses Haus, der Gesetzgeber, hat die österreichischen Abgeordneten, so muss man es sagen, mit einem Korruptionsprivileg ausgestattet. Als dieses Haus im Jahr 2008 die UN-Konvention gegen Korruption umgesetzt hat, hätte man auch einen umfassenden Straftatbestand zur Abgeordnetenkorruption verabschieden müssen. Ich kann mich noch gut an die Besprechung erinnern. Es hat ein Ziel gegeben, nämlich diesen Abge­ordnetenstraftatbestand möglichst schmal zu halten.

Man hat damals sogar erklärt, es sei egal, wenn man die UN-Konvention nicht umsetzt, denn das ginge alles nicht. Das Pech vom Strasser war, dass man bei den ganzen Ausnahmetatbeständen, die man für die österreichischen Abgeordneten formuliert hat, auf die EU-Abgeordneten vergessen hat. Deswegen hat sich der EU-Abgeordnete Strasser möglicherweise strafbar gemacht.

An die österreichischen Abgeordneten hat der österreichische Nationalrat gedacht und damals mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ ein Korruptionsprivileg be­schlossen, nämlich dass ein Abgeordneter nur dann strafbar ist, wenn er gegen Geld seine Stimme verkauft. Der gelernte Österreicher weiß, dass das nicht der praktische Fall der Korruption ist, denn es geht nicht darum, die Stimme eines einzelnen Abgeord­neten zu kaufen, sondern es geht darum, parlamentarische Geschehnisse gegen Geld schon im Vorhinein zu beeinflussen, genauso wie es im Fall Strasser war.

Das ist beschlossen worden. Nur wenig später hat der Legislativdienst des Parlaments ein Gutachten geschrieben, in dem er darauf hinweist, dass dieser Abgeordnetenkor­ruptionstatbestand  wider das Völkerrecht  die UN-Konvention gegen Korruption nicht umsetzt. Ich kann mich erinnern, das ist an alle Klubs gegangen, an die Klubob­leute. Es hat nur, außer den Grünen, niemanden interessiert. Das Legislativgutachten ist in den Schubladen verschwunden.

Wenig später hat GRECO – das ist die Staatengruppe gegen Korruption im Europa­rat – intensive Kritik an diesem Korruptionstatbestand formuliert. Sie sagten nämlich wiederum, dass das internationalen Standards nicht entspricht. Es ist nichts passiert. Dann kam das Jahr 2009 und dieses unselige Aufschnüren der strengen Antikorrup­tionsstrafbestimmungen durch die Justizministerin. Da sind dann die Medien auch wie­


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der auf den Abgeordnetenkorruptionstatbestand gekommen, und da hat sich dann der Druck auf den österreichischen Nationalrat erhöht, da diese Korruptionsprivilegien wie­der Thema waren.

Und da gab es einen Moment, wo ich den Eindruck hatte, SPÖ und ÖVP sind wirklich unter Druck, und sie waren auch unter Druck. Dann kam plötzlich über die APA die Meldung: Ja, wir werden jetzt einen umfassenden Abgeordnetenstraftatbestand be­schließen. Ich habe das im ersten Moment für einen großen Erfolg der Opposition ge­halten, und dann wurde mir dieser Abgeordnetenstraftatbestand übermittelt; und der sagte: Ja, nicht nur der Stimmenkauf soll strafbar sein – nein, auch wenn jemand ge­gen Geld die Pflichten nach der Geschäftsordnung des Nationalrats verletzt.

Ich war im ersten Moment beeindruckt, dann bin ich zu meinem Klubdirektor gegangen und habe gesagt: Schau einmal in die Geschäftsordnung hinein, was sind denn die genauen Pflichten der Nationalratsabgeordneten?

Mein Klubdirektor hat gesucht und war relativ schnell fündig, denn es gibt nur einen einzigen Paragraphen, der sich damit beschäftigt, das ist der § 11, und die Pflicht eines Nationalratsabgeordneten ist die Anwesenheitspflicht.

Halten wir also fest: Die geltende Regelung stellt Korruption unter Strafe, wenn ein Abgeordneter gegen Geld seine Stimme verkauft oder Sitzungen fernbleibt. Das ist ein Scheintatbestand, der eines garantiert, nämlich dass in Österreich kein Abgeordneter, so wie möglicherweise ein Ernst Strasser im europäischen Parlament, wegen Korrup­tion verurteilt wird.

So, jetzt kam der Fall Strasser, und wieder waren die reuigen Großparteien unterwegs, die uns erklärt haben: Ja, das ist unglaublich, dass da die österreichischen Abgeord­neten quasi nicht mit umfasst sind, und jetzt gehen wir es an! Und dann gab es noch – Sie können sich sicher noch erinnern  die „Speerspitze gegen Korruption“, die mitt­lerweile aus der Politik ausgeschieden ist, die zu einem Gipfel ins Justizministerium ge­laden hat. Der war prominent besetzt, es war der Klubobmann Kopf, es war der Klub­obmann Cap dort, es waren Vertreter der Oppositionsparteien  teilweise doppelt  mit den Justizsprechern dort.

Man hat gesagt: Jetzt muss man etwas tun, denn das Ansehen der Politik darf nicht beschädigt werden, indem der Eindruck entsteht, dass sich das Parlament mit Kor­ruptionsprivilegien im Strafrecht schützt. So, wir haben etwas vereinbart. Wir haben vereinbart, es solle zügig vorangehen, es solle unter den Klubobleuten unter Beizie­hung der Justizsprecher verhandelt werden  das war am 5. April –, und das Justizmi­nisterium werde Vorarbeiten leisten.

Es ist dann Ostern gekommen, alle sind vollkommen zu Recht  in die Osterferien gegangen, und dann hat unser stellvertretender Klubobmann Werner Kogler das ge­macht, was jemand macht, der Verhandlungen ernst nimmt: Er hat den Klubobleuten von SPÖ und ÖVP ein Mail geschrieben. Er hat geschrieben: Wie schaut es aus? Wann treffen wir uns? Wir wollen ja über den Abgeordnetenkorruptionstatbestand ver­handeln! – Bis heute keine Antwort.

Das ist kein Einzelfall, das ist ein gezielter Wortbruch, um das auszusitzen. Es gibt an­dere Beispiele. Es gibt den Wortbruch bei den Untersuchungsausschüssen. Es gibt den Wortbruch bei der Parteienfinanzierung, da war es ganz ähnlich. Am 17. März gab es ein Treffen. SPÖ und ÖVP sagen zur transparenten Parteienfinanzierung, noch Mit­te Mai werde den Oppositionsparteien eine Gesetzesvorlage übermittelt werden. Am 6. Mai 2011 sagt Klubobmann Kopf, die Oppositionsparteien würden voraussichtlich kommende Woche einen Vorschlag bekommen.

Mittlerweile haben wir Mitte Juni, wir haben bis jetzt keinen Vorschlag von SPÖ und ÖVP erhalten, weitere Treffen hat es nicht gegeben. Das Gleiche passierte beim Lob­


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byistengesetz. Bis Ende Mai, sagte Klubobmann Kopf, werde das Lobbyistengesetz fertig und vorgelegt sein. Wir wissen, auch heute gibt es kein Lobbyistengesetz. Ich sa­ge Ihnen jetzt Folgendes: Kommen wir wieder darauf zurück, worum es eigentlich geht. Was medial angekündigt wird – okay, es wird etwas angekündigt und nicht eingehal­ten, aber was schon noch gelten sollte, wenn es Gespräche gibt, ist so etwas wie Handschlagqualität in der Politik. Wenn hier fünf Parteien vereinbaren, intensive Ver­handlungen zu führen, wenn es Vorlagen des Justizministeriums gibt, dann gehen wir als Oppositionspartei davon aus, dass das ernst gemeint ist.

Ich kann mich noch erinnern, nach dem Treffen habe ich in meinem Klub berichtet: Ich glaube, dieses Mal ist es der ÖVP ernst. Ich war davon überzeugt. Auch, weil ich grundlegend gerade beim Kollegen Kopf, vielleicht auch als Alemanne, sehr viel auf seine Handschlagqualität gebe. Und ich frage mich, was diese Handschlagqualität wert ist, wenn wir bis heute, Mitte Juni, seitdem kein einziges Treffen gehabt haben und alle Aufforderungen vom Stellvertretenden Klubobmann Kogler unbeantwortet geblieben sind.

Meine Frage, insbesondere an die ÖVP, ist: Ist diese scheinbare Läuterung nach dem Fall Strasser ernst gemeint gewesen, oder geht es darum, für die Medien etwas zu in­szenieren, das auszusitzen und so weiterzumachen wie bisher? Das möchte ich heute von Ihnen wissen. Es geht nicht nur um die Frage, ob wir es schaffen, einen Abgeord­netenkorruptionstatbestand zustande zu bringen, sondern ob es eine Handschlagqua­lität in der Österreichischen Volkspartei und in der Sozialdemokratie gibt.

Wenn Sie Handschlagqualität haben, dann müssen wir diese Verhandlungen endlich fertig bringen. Wir haben hier einen Schritt gesetzt, indem wir genau diesen Antrag for­muliert haben, wo es darum geht, die Abgeordnetenprivilegien beim Korruptionsstraf­recht für die inländischen Abgeordneten aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Im Prinzip liegt der Vorschlag vor, den könnten wir schnell im Justizausschuss diskutieren, Vorschläge aufnehmen und verbessern, wenn es wo Verbesserungsvorschläge gibt  aber es muss etwas passieren.

Ein Korruptionsprivileg für inländische Abgeordnete, das versteht kein Wähler, keine Wählerin. Eine ÖVP, die keine Handschlagqualität hat, das versteht auch kein Wähler und keine Wählerin. Ich sage Ihnen eines: Wir werden Sie in dieser Frage nicht aus­lassen, wir werden nicht aufhören, bis es da eine Regelung gibt, oder wir werden diese Geschichte noch zigmal erzählen. Aber eines wird sicher nicht gehen, nämlich dass diesmal ÖVP und SPÖ damit durchkommen und glauben, sie können diese Sache noch einmal aussitzen.  Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. May­erhofer. Zwischenruf des Abg. Rädler.)

18.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


18.26.15

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle­gen! Kollege Steinhauser, es ist, glaube ich, nicht ganz unbemerkt geblieben, dass es gewisse Änderungen im Justizministerium gegeben hat, die natürlich auch nicht gerade zu einer Beschleunigung der Vorgänge führen. Ich möchte mich ganz klar dagegen verwehren, dass hier der Versuch unternommen wird, uns zu unterstellen, Dinge nicht durchzuführen.

Du weißt ganz genau, dass es da Verhandlungen gibt, wir haben derzeit das Lobbyis­tengesetz, das ja von allen als die zentrale Norm gesehen wird, in erster Linie behan­delt. (Abg. Mag. Kogler: Das stimmt überhaupt nicht!) Das stimmt! (Abg. Mag. Kogler: Das Lobbyistengesetz ist das viertwichtigste!) Ja, gut, aber es ist jedenfalls so, dass


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wir für das Lobbyistengesetz jetzt einen relativ weit entwickelten Entwurf haben, der morgen in die Begutachtung geht. (Abg. Mag. Kogler: Vielfache Wortbrüche!)

Nein, Herr Kollege, es ist ja gerade gesagt worden, das Lobbyistengesetz werde nicht behandelt. Also was erzählst du mir da für eine Geschichte?! Entschuldigung bitte! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also das ist jedenfalls einmal unterwegs, und in der Angelegenheit Strasser wissen wir alle, dass dies ein Kriminalfall ist, den keiner will. (Zwischenrufe der Abgeordneten Grosz und Brosz.) Es gibt also über die österreichische Rechtslage unterschiedliche Rechtsmeinungen, und es besteht überhaupt kein Grund daran zu zweifeln, dass die­ses Verhalten natürlich, wenn es in Österreich gesetzt wird, strafbar sein muss, und es wird auch strafbar werden. Insofern hat sich an diesem Vorhaben überhaupt nichts ge­ändert. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brosz und Mayerhofer.)

Der nächste Punkt ist, dass man sich natürlich auch mit einer gewissen Aufmerksam­keit und Sorgfalt der Frage nähern muss, was bei Abgeordneten strafbar und was nicht strafbar sein soll. Ich bin dagegen, dass man jetzt aus einer allgemeinen Holladrio-Stimmung heraus hergeht und Bestimmungen erlässt, wo dann die mehr oder weniger in der Realität gelebte Tätigkeit von Abgeordneten  und das ist nun einmal ein gewis­ser kommunikativer Inhalt, der sich da abbildet  jedes Mal, wenn irgendjemand ir­gendwo ist oder irgendetwas stattfindet, beim Staatsanwalt endet.

Das hat ja auch stattgefunden, nachdem das Gesetz in seiner alten Ausprägung so an­gewendet worden ist. Daher hatte es natürlich auch einen Sinn, das Gesetz zu ändern. Dass es jetzt offensichtlich etwas zu weit geändert worden ist, steht zur Diskussion, das will ich überhaupt nicht verhehlen. Aber es besteht überhaupt kein Anlass, hier zu erklären, es solle irgendetwas verheimlicht, verschleiert oder nicht durchgeführt wer­den.

Ganz im Gegenteil: Es werden die Verhandlungen geführt, und die werden auch abge­schlossen werden. Es wird am Ende des Tages auch Lösungen geben, die herzeigbar sind. Da würde ich mir denken, es soll abgewartet werden, und dann werden da alle mitmachen. (Abg. Dr. Moser: Bis Ende des Tages ...!) Das ist, glaube ich, der geeig­nete Weg.  Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. – Bitte.

 


18.29.00

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Steinhauser! Sie können beruhigt sein, die ÖVP und auch die SPÖ haben Handschlagqualität. (Zwi­schenruf der Abg. Dr. Moser.) Wir stehen auch zu dem Wort, dass wir gemeinsam Lö­sungen für die Probleme suchen, die in dem Zusammenhang, den Sie erwähnt haben, aufgetreten sind.

Aber wir lassen uns da jetzt auch nicht hetzen oder unter Druck setzen. Wenn Sie es uns nicht glauben, lesen Sie die Zeitungen: Lobbyistengesetz: Letzte Hürde gefallen, rot-schwarze Einigung in Sicht. Also schneller kann man nicht reagieren. Sie haben einen Antrag, der heute zur ersten Lesung steht, wir haben schon eine Einigung auf Koalitionsebene, und wir werden das auch gerne mit Ihnen weiterverhandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

Klar ist, dass hier mehrere Bereiche gefragt sind, Herr Kollege Steinhauser, da geht es nicht alleine um das Strafrecht, denn, wie mein Vorredner das schon ausgeführt hat, jetzt alle unter eine besondere Strafsanktion zu stellen, das wird das Problem nicht


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lösen. Ich glaube, es geht darum, dass Sauberkeit auch in der Politik gefragt ist und gefordert werden kann und dass nicht nur alles das, was strafrechtlich relevant ist, dann wirklich erst zu Anstand führen kann.

Wenn Ihr Kollege Öllinger einer Zeitung gegenüber sagt, er hält sich nicht an Verkehrs­vorschriften, dann ist das zwar nicht in derselben Relevanz – ich will das nicht ver­gleichen –, aber es zeigt schon auch, ob man bereit ist, sich an Gesetze zu halten oder nicht. Und das beste Gesetz nützt nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn sich diejenigen, die davon betroffen sind, nicht an dieses Gesetz halten. Da ist der Anlassfall ja das beste Beispiel dafür. Sie haben ja selbst gesagt, das, was man Ernst Strasser vorwirft, ist, wenn er es gemacht hat, auf EU-Ebene strafbar, und trotz­dem wäre es dann passiert. Das heißt, auch das beste Strafgesetz kann nicht auf­halten, dass es trotzdem Leute gibt, die dagegen verstoßen, die kriminell sind. Das muss man dann aufzeigen, dagegen muss man ankämpfen, aber da nützt es nichts, wenn man hier Hysterie und Panikstimmung verursacht.

Wir sind bereit und arbeiten daran, die verschiedenen Teile jetzt auch umzusetzen, ein Lobbyisten-Gesetz in Begutachtung zu bringen. Da sind ja immerhin auch viele ver­schiedene Gruppierungen und auch Branchen betroffen. Das soll ordnungsgemäß be­gutachtet werden. Es sollen alle die Möglichkeit haben, Stellung zu nehmen.

Es wurden auch schon mehrmals sehr intensive Gespräche zum Beispiel über die Fra­ge Unvereinbarkeitsregeln, Immunitätsregeln geführt. Auch diese Dinge sind ja wichtig in diesem Zusammenhang.

Es wird natürlich auch die Frage Strafgesetzbuch verhandelt und diskutiert werden, und da werden wir gerne auch Ihren Antrag zum Anlass nehmen, ihn mit in unsere Überlegungen einzubeziehen.

Aber abschließend möchte ich eines auch noch klarstellen: Es geht auch darum, die Arbeitsmöglichkeiten und das freie Mandat abzusichern. Es kann nicht so sein, dass wir in unserer Arbeit so behindert werden, dass sozusagen jede politische Tätigkeit, je­der politische Akt, sei es eine Anfrage, sei es ein Antrag, den man einbringt, zu einer Rechtfertigung vor dem Strafrichter führen kann, nur weil jemand eine Anzeige erstat­tet. Ich glaube, auch das wäre falsch. Das würde dem freien Mandat sehr, sehr wider­sprechen, wenn Abgeordnete sich vorm Richter rechtfertigen müssten, warum sie eine Meinung vertreten haben, warum sie einen Antrag eingebracht haben. Das wollen wir auch verhindern.

Daher müssen wir mit der entsprechenden Sorgfalt und Umsicht diese Materie verhan­deln. Das werden wir in den nächsten Wochen auch tun. Wenn Sie wollen, sind Sie sehr herzlich eingeladen, sich daran auch zu beteiligen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler – in Richtung des zu seinem Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Mag. Don­nerbauer –: In der Disziplin Scheinheiligkeit sind Sie wirklich gut!)

18.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


18.32.29

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich sehe den vorliegenden Gesetzentwurf als Initiative, dass wir in den Bereichen Kor­ruption, Parteienfinanzierung, Lobbying-Register und so weiter etwas weiterbringen. In­sofern verstehe ich das vollkommen, es ist vollkommen richtig und legitim, denn es ist sehr unerfreulich, dass das alles wieder zum Stillstand gekommen ist.

Für uns wäre es besonders interessant, wie ich schon mehrmals angedeutet habe, die Parteienfinanzierung zu durchleuchten, wie tatsächlich Geldflüsse ablaufen, wie das


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Geld direkt oder indirekt zu den Parteien kommt, wie es etwa mit den Inseraten ist, die einerseits von Ministerien, andererseits von dem Staat nahestehenden oder im staat­lichen Einfluss stehenden Unternehmen geschaltet werden. Wir wissen, dass seiten­weise Inserate geschaltet werden, dass hier in Wirklichkeit Hunderttausende, ja Millio­nen Euro fließen und damit indirekt Parteien finanziert werden. Oder wie ist es mit den parteieigenen Gesellschaften, die dann wieder Aufträge von den entsprechenden Län­dern bekommen?

Das sind für uns ganz maßgebliche Punkte, aber natürlich auch die Frage der Korrup­tion.

Zu dem vorliegenden Antrag muss ich allerdings sagen, man muss aufpassen, dass man nicht aus einem Reflex über das Ziel hinausschießt und das dann dazu führt, dass hier niemand mehr sitzen kann, der einen Beruf ausübt, vielleicht sogar vorher keinen ausgeübt haben darf und danach keinen mehr ausüben darf und schon gar nicht, während er hier ist. Man muss sehr aufpassen, dass man hier nicht Formulierungen trifft, die dazu führen, dass jeder potentiell kriminell ist.

Wenn man sich das anschaut, jetzt allein diesen konkreten Vorschlag, geht es ja da­rum, wie schon ausgeführt wurde, dass jemand, der eine Tätigkeit als Abgeordneter ausübt, nicht nur dann, wenn er seine Pflicht nicht erfüllt, sondern auch dann, wenn er ein Recht ausübt, strafbar sein soll. (Abg. Mag. Kogler: Fall Strasser!) Ja, Fall Stras­ser, das ist schon richtig, nur: Wenn ich es so formuliere, wie es hier geschehen ist, dann schieße ich eben über das Ziel hinaus.

Denn was ist jetzt ein vermögensrechtlicher Vorteil? Wenn ich zu jemandem zum Es­sen eingeladen werde, der sagt: Du, da könntest du eine interessante Anfrage stellen!? Ich muss ich mich nicht zum Essen einladen lassen, das ist vollkommen richtig, aber ich stelle eine Anfrage und bin jetzt schon einmal im Verdacht, ich hätte vielleicht einen vermögensrechtlichen Vorteil gehabt und habe dann pflichtgemäß mein Recht in An­spruch genommen. Das ist vielleicht ein ganz extremer Fall.

Oder ein Freiberufler, ein Steuerberater, der Klienten hat, und diese Klienten haben ein ähnliches Interesse wie vielleicht auch er politisch. Wenn der jetzt hier einen Antrag oder eine Anfrage einbringt, hat er einen vermögensrechtlichen Vorteil, weil er ein Ho­norar bekommt. Ist der also jetzt aufgrund dieser Bestimmung, wenn er pflichtgemäß sein Recht geltend macht, möglicherweise strafbar? Müssen wir dann noch darüber diskutieren, ob dieses Honorar vielleicht überhöht war, weil ein Teil davon in irgendei­ner Form bereits Korruption war?

Also eine Katastrophe! Ich könnte da niemandem mehr raten, ein Mandat anzuneh­men, und auch ich als Freiberufler könnte mich hier nicht mehr aufhalten, weil man dann ständig im Verdacht stünde, dass man vielleicht irgendwo in diese Art und unter diese Definition von Korruption fällt.

Also ich bitte sehr, dass man das sensibel betrachtet. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass hier Verbesserungsbedarf ist, keine Frage, ich gebe Ihnen recht, dass wir alle gemeinsam hier etwas weiterbringen müssen bei allen Punkten, die aufgezählt sind, aber ich weise sehr intensiv darauf hin und werde das auch so behandeln, dass die Berufsausübung für einen Abgeordneten trotzdem immer noch möglich sein muss. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

18.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


18.36.11

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Es ist gut, wenn wir es der Sache nach diskutieren können aufgrund eines Vorschlages des Kollegen Stein­


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hauser in dem Fall, aber ich möchte trotzdem noch auf ein paar prozedurale Dinge ein­gehen, die das Zusammenwirken hier im Haus betreffen, denn ich halte das schon für bemerkenswert und will es einfach zu Protokoll bringen, was wir hier beobachten müssen oder wie hier eigentlich agiert wird. Das ist nämlich durchaus feststellenswert.

Legen wir einmal einen Befund, wie Österreich dasteht in diesen vielen Bereichen der Frage der Korruptionsbekämpfung. Das ist ja ein viel breiterer Bereich als nur das Lob­byisten-Gesetz. Das beginnt in Wahrheit bei der Offenlegung der Parteispenden, es geht um Transparenzbestimmungen bei den Abgeordneten, es geht um Antikorrup­tionsbestimmungen strafrechtlicher Art bei den Abgeordneten, es geht meinetwegen auch um das Lobbyisten-Gesetz, und es geht um etliche andere und verwandte Berei­che mehr.

Jetzt ist aber der Vorgang jahrelang hier im Haus gewesen, dass die Opposition bei verschiedenen Bereichen es immer wieder versucht hat und letztlich auf irgendwelche Abspeisungen Ihrerseits gestoßen ist. Gerade so viel ist immer zugesagt worden, wie in den Medien Druck gemacht wurde. Geschehen ist ohnehin nie irgendwas.

Heuer war es dann anders. Heuer war es dann anders aufgrund des Zusammentref­fens mehrerer Ereignisse. Voriges Jahr haben sich die Bundesgeschäftsführer der Par­teien zusammengetan und haben eine politische Punktation, die es aber durchaus in sich hatte, an Fortschritten nämlich, zum Parteiengesetz und damit zur Parteispenden­offenlegung vorgelegt. Sie haben es dem Haus, wenn Sie so wollen, nämlich den Klub­obleuten, zur Verhandlung übergeben.

Es hat den leidigen Fall Strasser gegeben, es hat Grasser gegeben und so weiter, und deshalb ist ein Druck entstanden, wo Sie selber nicht mehr anders konnten, als Zusa­gen zu machen, diesmal aber auch unter dem Druck, dass die Staatengruppe GRECO zu Jahresbeginn hier auch sozusagen ante portas gestanden ist. Jetzt hat ja die erste Besuchsrunde hier in Österreich schon stattgefunden. Das haben wir ja vorige Woche absolviert, einige von Ihnen waren ja auch involviert. Und alles das hat dazu geführt, dass der Druck so groß war, dass Sie wirklich bestimmte Dinge zusagen mussten.

Und jetzt stellt sich für mich eine ganz andere Frage, und nur um die geht es jetzt für mich. In all diesen Bereichen, mit einer Ausnahme, sind Sie wortbrüchig geworden, und das ist es, was wir nicht durchgehen lassen. Das hat sich – nichts davon, Kollege Donnerbauer, dass Sie Wort halten, gar nichts! – sowohl auf inhaltliche Punkte bezo­gen als auch auf die Fristen.

Nehmen wir die Geschichte des Parteiengesetzes her. Politische Einigung, im Herbst noch übernommen hier im Parlament, dann war ein Terminfahrplan ausgemacht, der regelmäßig boykottiert wurde – von beiden Fraktionen, durchaus auch von der So­zialdemokratie –, und als es dann endlich zu Fünfparteiengesprächen gekommen ist, war das Beste überhaupt, dass die Regierungsparteien gesagt haben: Na ja, es ist alles sehr kompliziert, worauf wir uns da schon verständigt haben, denn die Bünde, das sind ja eigene Vereine, und die Länder sind auch alle so autonom in Österreich. Aber in Deutschland gibt es sehr wohl ein Parteiengesetz, das die Parteien dazu verpflichtet und das für alle Vorfeld- und quasi, wenn man so will, In-House-Organisationen – denn so ein System wie die Bünde gibt es dort in der Form ja gar nicht –, bis hinunter zu Be­zirks- und Ortsgruppen, die Verpflichtung erzeugt, offenzulegen, und zwar mit Offen­legungspflichten, die viel strenger sind als die, die wir uns hier überhaupt vorstellen können. Aber nicht einmal dazu sollte es reichen. Das heißt, das war ja eine Kombi­nation von Verzögerung und auch schon von Ankündigung, dass Sie ja gar nicht wirk­lich wollen.

Jetzt sind wir einmal gespannt, was bei diesem Parteiengesetz und bei der Parteispen­denoffenlegung überhaupt herauskommt. Momentan ist es in Ihrer Ankündigungspo­


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litik – was anderes ist das ja bis jetzt alles nicht – nicht einmal mehr drinnen. Die Par­teispenden haben es nicht einmal mehr geschafft, dass sie bei Ihren Ankündigungs­aufzählungen dabei sind. Regelmäßig haben Sie Woche für Woche jeweils für die nächste Woche etwas angekündigt und sich nicht daran gehalten. Das war so bei den Korruptionsbestimmungen für Abgeordnete, das war auch so bei den Transparenzbe­stimmungen. Wir haben das mittlerweile dokumentiert, wie Sie das wochenweise ver­schoben haben. Sie sind sogar in die Medien gegangen, Herr Klubobmann Cap, Herr Klubobmann Kopf, und haben erklärt: Jetzt haben wir es. Nächste Woche legen wir es vor.

Nichts von all dem! Was glauben Sie, wie ernst wir Sie noch nehmen?! Und das ist mehr als eine atmosphärische Störung. Sie werden ja nicht erwarten, dass wir dann, wenn sich die Regierungsfraktionen auf irgendetwas geeinigt haben, was in einer Art und Weise downgegraded sein wird, dass man die Begriffe Antikorruption und Of­fenlegung vermutlich da oder dort guten Gewissens gar nicht mehr anwenden wird können, womöglich am Schluss schnell, schnell noch zustimmen, nachdem Sie den Medien erklärt haben, jetzt liegt etwas vor, und das ist es! Genau diese Taktik haben Sie ja verfolgt.

Damit komme ich zum Kollegen Jarolim. Das finde ich nämlich wirklich ein starkes Stück, jetzt im Nachhinein so zu tun, als ob das Lobbyisten-Gesetz das Herzstück der Antikorruptionsbekämpfung wäre, nur weil halt der Strasser passiert ist oder sonst etwas. Schlimm genug! Aber alle Kommentatoren, die sich vom Jahresanfang bis jetzt damit beschäftigt haben, und vor allem die Aufdeckjournalisten haben Ihnen ganz ge­nau gesagt, das Herzstück der Korruptionsbekämpfung sind die Offenlegungsbestim­mungen und in erster Linie jene für Parteispenden. Wenn Sie da nichts tun, bleibt alles Stückwerk, ist alles nur die Hälfte wert, wenn es überhaupt noch etwas wert ist. Das sagt Ihnen der ehemalige Rechnungshofpräsident Fiedler, das sagt Ihnen Kurt Kuch, der das auch schreibt, das sagt Ihnen aber auch der Herr Rabl im „Kurier“-Kommentar und viele andere mehr.

Wenn wir bei den Offenlegungsbestimmungen nicht einen glaubwürdigen Schritt vor­wärts tun, ist das fast alles nichts wert. Das müssen Sie einfach einmal einkalkulieren. Wir werden da dann nicht mehr mitspielen auf die Art und Weise, wie Sie glauben. Mit Sicherheit nicht! Wenn da die Stimmung erzeugt wird, wie es in den morgen erschei­nenden Printmedien vermittelt wird – jetzt ist ein Korruptionspaket verabschiedet wor­den, wie man in der „Krone“ lesen kann oder dort oder da –, werden Sie sich schnei­den. Sie werden dafür jedenfalls nicht die grünen Stimmen bekommen, es sei denn, das ganze Ding hat Hand und Fuß und verdient diesen Namen, also Parteispendenof­fenlegung, strafrechtliche Korruptionsbestimmung und so weiter und so fort.

Das wissen Sie ganz genau, wie so ein Gesetz zu beurteilen ist, wenn keine der Op­positionsparteien mitstimmt, insbesondere aber die Grünen nicht mitstimmen. Bei man­chen in der FPÖ wird die Geschichte ja auch schnell wieder ein wenig langsam, wenn endlich etwas weitergehen soll bei der echten Korruptionsbekämpfung. Das ist eine an­dere Baustelle, da muss man nicht immer nur in diese Richtung schauen, wichtig sind die Regierungsparteien in dieser Frage.

Wenn Sie hier nichts Brauchbares vorlegen – da können Sie den Medien vermitteln, was Sie wollen –, werden Sie unsere Stimmen nicht bekommen, und wir werden über die Vorgangsweise hinaus das so darstellen, wie es wirklich gewesen ist: dass nämlich auch deshalb so lange verzögert wird, damit am Schluss Zeit gewonnen wurde, damit Gras über die Sachen gewachsen ist, die eigentlich der Anlassfall waren, und dann ir­gendwelche schwachen Gesetze vorgelegt werden.

Mit uns wird das nicht möglich sein! Österreich muss in den internationalen Antikorrup­tionsrankings wieder eine bessere Stellung einnehmen. Da wird es viel, viel mehr brau­


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chen als das, was Sie hier offensichtlich planen. Und mit der Verzögerung werden Sie gar nichts gewinnen, sondern nur Argwohn auf sich ziehen.

Ein Allerletztes: Die Unterschrift eines Klubobmannes muss noch etwas wert sein, denn sonst werden Sie unsere Stimmen für die Belange, wo Sie uns brauchen, auch nicht mehr haben. (Beifall bei den Grünen.)

18.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


18.44.31

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Vielleicht funktioniert das mit den Antikorruptionsregeln ja doch nicht, weil die ÖVP heute – das kann man jetzt live betrachten – wieder einmal mit sich selbst beschäftigt ist. Die Steirer-Fraktion streitet mit den Niederösterreichern, weil offenbar gestern ein Verschwörerabend der steirischen ÖVP in Wien stattgefunden hat mit dem Ziel, die ÖVP zu spalten und auf eine kritische, konstruktive Distanz – ich dachte schon, des­truktive Distanz, denn so ist es schlussendlich – zu gehen. Jetzt gibt es hitzige Diskus­sionen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Vielleicht liegen diese innerparteilichen Streitigkeiten innerhalb der ÖVP, die zusehends zerbricht, auch daran, dass wir auch in diesem Bereich der Antikorruptionsregelungen in diesem Land nicht weiterkommen. (Beifall beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich lese Ihnen etwas vor:

„Denn unser Erfolg bedeutet auch, dass wir die Eiterbeule der Korruption aufstechen werden, die dieses Land auch international in Verruf gebracht hat. Zudecken und vertu­schen ist die Parole. Doch für viele kritische Bürger tragen SPÖ und ÖVP unverkenn­bar das Kainsmal der Korruption auf der Stirn. Ansonsten hätten sie keine Angst vor der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu Fragen der Parteienfinanzie­rung“ –

hört, hört! –

„durch die Bundesländer-Versicherung haben müssen.

Offenbar gilt in Österreich das Gleichgewicht des Schreckens: ,Lasst du meine Bun­desländer-Versicherung in Ruhe, schweige ich zu deiner Lucona und zu Proksch!‘“

Gesagt am 1. Oktober 1988, vor 23 Jahren, von Dr. Jörg Haider.

Sehr geehrte Damen und Herren, seit diesem Zeitpunkt hat sich nichts geändert! Lass du unseren Jarolim und unseren Gusenbauer in Ruhe und weiterhin ihre Geschäfte machen, lassen wir eure Bankenvertreter weiterhin ihre Geschäfte machen, dulden es, wenn die Chef-Lobbyistin Gräfin Mizzi Mensdorff-Pouilly in Zukunft hier Platz nimmt als Gattin eines Waffenlobbyisten, der immerhin für seine Tätigkeiten auch in Haft war. (Abg. Amon: Nein, nein, so war das nicht!) Lasst du uns unsere Geschäfte mit dem Herrn Specht machen und schweigst du über unsere Skandale, dann werden auch wir in Zukunft darüber schweigen, dass sechs Bankenvertreter hier auf ihrem Abgeordne­tenmandat pures Lobbying für die österreichischen Banken zum Nachteil der Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler machen! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Da geht es um den Raiffeisenkonzern und die Banken, die immerhin mit eigenem Klub­status hier in diesem Nationalrat vertreten sind, um Abgeordnete, die ganz ungeniert ihre Befehle aus ihren Bankenzentralen und ihren Lobbying-Zentralen bekommen und schon längst nicht mehr auf die Klubführung oder die Parteiführung ihrer schwä­chelnden ÖVP hören, sondern nur mehr die Politik vertreten, die auf Gewinnmaximie­rung ihrer eigenen Säckel und der ihrer Banken und ihrer Lobby-Vereinigungen abzie­len.


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Sehr geehrte Damen und Herren! 23 Jahre lang hat es gebraucht, dass wir heute ein­mal mehr über Antikorruptionsbestimmungen diskutieren, diesmal rund um Abgeord­nete. Dazwischen sind vergangen: AKH, „Konsum“, Noricum, Lucona, und, und, und, bis hin zum Kollegen „Eurolim“/Euroteam, ein Skandal, der auch zu keinen Konsequen­zen geführt hat.

Vor vier Monaten bricht die Blase der ÖVP auf – Strasser, Ranner & Co, beginnend mit Mensdorff-Pouilly, wie schon gesagt –, und plötzlich kommt man darauf, Österreich könnte doch ein korruptes Land sein, und man beeilt sich, schnell diese Antikorrup­tionsbestimmungen zumindest einmal anzukündigen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich war die letzten 30 Jahre ein korruptes Land, von der Staatsspitze beginnend, denn dort sind die pragmatisierten Systemwah­rer eines korrupten Systems von Rot und Schwarz in diesem Land. (Zahlreiche Zwi­schenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Und solange man sie nicht auf demokratische Art und Weise in diesem Land reduziert, solange wird auch in Zukunft eine Antikorruptionsregel in diesem Haus nicht einmal das Blatt Papier wert sein, auf dem sie gedruckt ist, denn auch dann werden Sie sich über diese Gesetze zu Ihrem eigenen Nutzen hinwegsetzen. (Beifall beim BZÖ. – An­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat vor einigen Monaten ein Antikorruptionsgipfel im Justizministerium stattgefunden – Kollege Stefan hat es bereits gesagt, Kollege Kogler hat es bereits gesagt –, doch bis heute, sehr geehrte Damen und Herren, ist aus dem Justizministerium kein Entwurf hier auf dem Tisch, der die Antikorruptionsre­geln auch für Abgeordnete in Zukunft umfasst.

Ich darf Sie daran erinnern: Im Antikorruptionsgesetz 2008 waren die Abgeordneten und die Manager staatsnaher Betriebe umfasst. Im ersten Entwurf waren sie umfasst. Dann wurde Frau Bandion-Ortner, arm, wie sie war, bekniet, das doch ja herauszu­nehmen. Die Abgeordneten dürfen nicht hinein. Man soll den Bundeskanzler mit einem Anfütterungsverbot belegen, was ja selbstverständlich ist, auch den Vizekanzler, was ohnehin schwer möglich ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, das alles hat man in dieses Gesetz hineinverhandelt, aber die Abgeordneten hat man ganz gezielt herausgelassen, damit sie auch in Zu­kunft die Möglichkeit haben, illegale Parteienfinanzierungen zu lukrieren. Da war es ja pervers, dass gerade Abgeordneter Jarolim hier gesprochen hat. Jener Abgeordnete also, der gegen die Staatsdruckerei lobbyiert, mit seiner Kanzlei gute Geschäfte macht, sein Mandat ausnutzt und noch immer nicht zurückgetreten ist, hat die Schneid, hier von diesem Pult aus zu Antikorruptionsregeln dieses Landes zu sprechen, jener Abge­ordnete, dem die Nationalratspräsidentin selbst einen Persilschein ausstellen musste, weil ihn die eigene Partei de facto schon loswerden wollte.

Sehr geehrter Damen und Herren! Ich denke, dass der Antrag des Abgeordneten Steinhauser durchaus gerechtfertigt ist. Er liegt genau auf der Linie, die auch wir ver­treten, dass Anti-Korruptionsbestimmungen für alle öffentlichen Mandatsträger und alle obersten Organe dieses Land gelten müssen, und zwar nicht als Konsequenz aus den Skandalen der letzten drei Monate, sondern als Konsequenz aus der rot-schwarzen Skandalrepublik der letzten 30 Jahre. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim BZÖ.)

18.50

18.50.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Grosz, für den Vorwurf an zwei Par­teien, dass sie im Grunde alle korrupt sind, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Riepl: Zwei Ordnungsrufe, bitte!)

*****


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Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.51.12

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Auch wenn Herr Kollege Grosz nicht wirklich satisfaktionsfähig ist (Abg. Mag. Rudas: Er geht ohnehin bald aus der Politik!): Herr Kollege Grosz hat behauptet, ich würde bei der Staatsdruckerei lobbyieren (Abg. Grosz: Gegen!) beziehungsweise – es war nicht ganz klar – mit der Staatsdruckerei (Abg. Grosz: Gegen!) – oder auch gegen – und dafür einen Ertrag in meiner Kanzlei erzielen. Er hat also irgendeinen vermögensrechtlichen Zusammenhang behauptet.

Ich stelle richtig: Das stimmt nicht!

Es ist richtig, dass ich die Staatsdruckerei seit Längerem in meiner parlamentarischen Tätigkeit in Frage stelle, weil ich es für unerträglich halte, dass ein privatisiertes Unter­nehmen eine Rendite aus einem Quasi-Monopol erhält. Ich habe meine Kanzlei-Res­sourcen unentgeltlich zur Verfügung gestellt, um bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf Überprüfung zu unterstützen. Ich denke, das ist eher vorbildhaft, denn jeder Einzelne 

18.52


Präsident Fritz Neugebauer: Danke für die Richtigstellung. Das andere ist schon wie­der Kommentar.

(Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Jarolim.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1478/A dem Justizausschuss zu.

18.52.236. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich geändert wird (1509/A)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Antragsteller, Herr Abgeordneter Widmann, erhält das Wort. – Bitte.

 


18.52.43

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Herr Präsident! Ich hoffe, die Aufgeregt­heit bei Rot und Schwarz legt sich wieder etwas. Sie zeigt aber sehr deutlich, welch großer Rechtfertigungsbedarf diesbezüglich bei ÖVP und SPÖ gegeben ist und dass Kollege Grosz da ganz richtig wo hineingestochen hat, was noch zu diskutieren sein wird. (Abg. Grosz: In eine Eiterbeule!)

Das Anti-Korruptionsgesetz ist spannend, aktuell und wichtig, jetzt aber geht es um ein Thema, das vielleicht nicht so aktuell ist, aber demokratiepolitisch, demokratiehygie­nisch genauso wichtig. Es geht um das Bundesgesetz über die Schaffung von Ehren­zeichen für Verdienste um die Republik Österreich aus dem Jahr 1952, das wir drin­gend reformieren müssen. Wenn seit damals Ehrenzeichen verliehen wurden, so ist es später unmöglich, selbst wenn bekannt wird, dass der Ehrenträger oder Ausgezeich­nete sie aufgrund falscher Tatsachen erlangt oder ein Verhalten gesetzt hat, das das Ehrenzeichen nicht rechtfertigen würde, sie wieder abzuerkennen. Und das ist in der Rechtsordnung eigentlich unüblich.


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Denken Sie zum Beispiel an ganz normale Betriebsanlagengenehmigungen. Stellen Sie sich vor: Sie bauen eine Anlage und spiegeln falsche Tatsachen vor, und es kommt dann bei der Anlage Ruß heraus, Öl rinnt heraus und sonst etwas. Dann kann diese Anlage per Bescheid eingestellt werden. Das heißt, Sie dürfen die Anlage nicht mehr betreiben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Denken Sie beispielsweise an die Plagiatsdiskussion – weil die ÖVP so aufgeregt Zwi­schenrufe macht; ich nenne jetzt keine Namen, bewusst nicht –: Da gilt genau dassel­be. (Ruf bei der ÖVP: Pilz!) Der Name des Kollegen Pilz ist auch gefallen. Vollkommen richtig! Wenn man sich Sachen erschwindelt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, dann sind zum Beispiel auch Doktortitel abzuerkennen. Selbiges müsste eigentlich auch für Ehrenzeichen gelten.

Das BZÖ hat das ja vorjudiziert und vorgemacht. Es gibt ein weiteres Gesetz, das Bun­des-Ehrenzeichengesetz für Bundes-Ehrenzeichen. Das haben wir damals in der Regierungsbeteiligung mit der ÖVP gemeinsam beschlossen. Dort ist im § 5 sehr wohl vorgesehen, dass Ehrenzeichen nachträglich auch aberkannt werden können, was ja richtig ist.

Ich bringe jetzt ein Beispiel: Jeder kennt den ehemaligen Staatspräsidenten von Jugo­slawien Tito. Er wurde im Jahr 1967 von Bundespräsident Franz Jonas mit dem Ehren­zeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet, mit dem sogenann­ten Großstern des Ehrenzeichens. Dem Herrn Bundespräsidenten war damals nicht bekannt, dass Tito – das ist historisch inzwischen außer Streit – für große Menschen­rechtsverbrechen zumindest moralisch haftbar gemacht werden kann. Das sage ich im Nachhinein. Es geht um die Ermordung Zigtausender Volksdeutscher und es geht letzt­lich auch um den Tod, die Ermordung und die Vertreibung Zehntausender Südsteirer. Das ist alles nach dem Zweiten Weltkrieg passiert. Ich erinnere an die Massaker von Bleiburg und von Gottschee im Mai, Juni 1945, wo über 30 000 Tote zu beklagen sind.

Und ich frage Sie jetzt: Kann jemand, der Blut an den Händen hat, der über 30 000 To­te zu verantworten hat, Ehrenzeichenträger der Republik Österreich sein? – Ich sage das ganz klar: Er kann es nicht sein!

Daher ist das aus heutiger Sicht so zu beurteilen, dass ein Kriegsverbrecher ausge­zeichnet worden ist, der Tausende Österreicher und Österreicherinnen auf dem Gewis­sen hat. Es ist nicht so wie etwa bei der Ehrenbürgerschaft, die man unlängst auch dis­kutiert hat, dass das Ehrenzeichen automatisch mit dem Tod erlischt. Ganz im Gegen­teil! Es bleibt erhalten.

Daher haben wir in dem Bereich großen Handlungsbedarf und ist auch eine Gesetzes­änderung notwendig, wie wir sie bereits in einem anderen Bundesgesetz, das ich vor­hin genannt habe, normiert haben. Es wäre legistischer Nonsens, in zwei ähnlichen Gesetzen unterschiedliche Bestimmungen zu haben. Nach dem einem Gesetz kann man das Ehrenzeichen aberkennen, nach dem anderen Gesetz kann man das nicht.

Es wäre überhaupt generell zu überlegen, ob man nicht alle „Ehrenzeichengesetze“ – ich sage das einmal so unter Anführungszeichen, denn derer gibt es ja noch mehrere, etwa auch im militärischen Bereich – reformieren und zusammenlegen sollte. Warum brauchen wir vier, fünf „Ehrenzeichengesetze“ in der Republik? Ich denke, ein einziges könnte es auch tun. So könnte man auch etwas zur Deregulierung beitragen.

Ich bin der Überzeugung, dass man – das habe ich bereits gesagt – Mördern, Verbre­chern, Vertreibern, Menschenrechtsverbrechern – ich sage es einmal so – nachträglich keine Ehrenzeichen mehr verleihen darf, man muss sie ihnen aberkennen.

Die Diskussion wurde ja in ähnlicher Art und Weise bereits auf Gemeindeebene ge­führt, in vielen Gemeinden; ich denke da ganz aktuell an Amstetten. Ich denke zurück


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an Diskussionen in den Ländern, wo man in eine ähnliche Richtung argumentiert hat. Da gibt es immer auch Unsicherheiten hinsichtlich der demokratiepolitischen Hygiene. Ich sage das auch ganz deutlich: Einmal historisch nachgewiesener Verbrecher, immer Verbrecher – abzuerkennen. Da darf es in diesem Land kein Rütteln und kein Deuteln geben.

Daher bitte ich Sie, dieses Gesetz, diese Änderung rasch durchzuführen, mit uns ge­meinsam einen sauberen demokratiepolitischen Weg zu gehen, der die Hygiene auf­weist, die wir uns erwarten, und zwar auch im Sinne der vielen Opfer und ihrer Nach­fahren. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

18.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


18.57.48

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Bevor ich ganz kurz auf die Sache eingehe, noch ein Wort an den Abgeordneten Grosz: Herr Ab­geordneter Grosz, glauben Sie, dass Sie wirklich viele Sympathien bei Wählern er­reichen, indem Sie dieses Haus permanent herabwürdigen? Es wirft Ihnen auch nie­mand Korruption vor unter dem Schutz, unter dem Deckmantel der Immunität. Ich mei­ne, Sie sollten im Umgang mit diesem Haus ein bisschen vorsichtiger sein in Ihrer Wortwahl und nicht so niveaulos um sich schlagen, wie Sie es tun. Das ist wirklich nicht angebracht. Es ist absolut nicht angebracht. Ich werfe Ihnen vom Rednerpult aus auch kein strafrechtlich zu ahndendes Verhalten vor, das Sie nicht gesetzt haben. Sie haben jetzt sicherlich 90 oder 100 Prozent aller Angehörigen der beiden Parteien be­leidigt, und das ist nicht notwendig in diesem Haus. (Abg. Mag. Gaßner: Er kann nicht anders!) So gehen wir nicht miteinander um! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dieses kurze Gelächter auf Ihrer Seite (in Richtung BZÖ) für eine solche Vorgangswei­se halte ich eher für unangebracht. Es gäbe genügend Vorwürfe, die man den Einzel­nen wechselseitig machen könnte. Ein solch niveauloses Verhalten hingegen sollten Sie sich überlegen in diesem Haus. Das ist unnötig.

Die zweite Geschichte ist der Antrag des Abgeordneten Widmann. Herr Abgeordneter Widmann, Sie haben Tito als Beispiel gebracht. Das ist leider falsch, weil man norma­lerweise oder bei der herrschenden Auslegung dieses Gesetzes davon ausgeht, dass gerade die Zuerkennung von Ehrenzeichen mit dem Tod endet. Das geht sogar so weit, dass Sie, wenn Sie ein derartiges Ehrenzeichen erhalten, einen grotesken Brief dazu bekommen, nämlich dass Sie es mit ihrem Tod abzugeben, das heißt, zurückzu­erstatten haben. Dieses Schreiben ist eher als grotesk zu werten, denn wie mache ich das, wenn ich tot bin? Es ist die herrschende Rechtsauffassung, dass die Ehrung mit dem Tod endet und daher keine Aberkennung nach dem Tod stattzufinden hat, son­dern das Ehrenzeichen, diese Ehrung auch mit dem Tod beendet wurde im Gegensatz zu Ehrenbürgerschaften. Das spielt offensichtlich auch hier mit in dieser ganzen Sa­che.

Das heißt, die rechtliche Auslegung, die Sie bezüglich Tito bringen, ist meiner Meinung nach völlig falsch, weil das Ehrenzeichen eben mit dem Tod zurückzugeben ist und die Ehrung damit auch endet.

Nichtsdestotrotz kann das auch bei Lebenden passieren, und wir werden uns mit die­sem Problem auseinanderzusetzen haben, weil es natürlich eine Möglichkeit geben sollte, zu korrigieren. Da teile ich schon Ihre Meinung, und wir werden uns im Verfas­sungsausschuss damit auseinandersetzen. Die herrschende Rechtsmeinung ist jeden­falls die, dass der Tod die Ehrung beendet. (Abg. Grosz: Ist das Ihre Amstetten-Argu­mentation?)


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Herr Grosz! Sie werden Ihre Niveaulosigkeit nicht mehr los, ich weiß schon, aber rei­ßen Sie sich wenigstens ein bisschen zusammen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.00


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. – Bitte.

 


19.00.38

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es kurz machen: Der Vorschlag des Kollegen Widmann und des BZÖ ist durchaus diskussionswürdig. Wir haben Ihnen ja die Arbeit etwas er­leichtert, denn das, was hier als Absatz 5 vorgeschlagen wird, das gibt es ja schon ein­mal im Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen, das 2002 be­schlossen worden ist. Da ist genau dieser Tatbestand vorgesehen. Das heißt, das war nicht so schwierig.

Ich werde auf Ihre Begründung nicht eingehen; das sind Einzelfälle, die dann eben ge­prüft werden müssen. Die Diskussion darüber jedoch, dass man auch für die sonstigen Ehrenzeichen des Bundes eine solche Bestimmung einführt, ist durchaus in Ordnung, die soll geführt werden und kann aus meiner Sicht auch durchaus zu einem positiven Ergebnis führen. Es gibt ja zum Teil auch in verschiedenen Bestimmungen einzelner Bundesländer ähnliche Regelungen. Darüber kann man durchaus diskutieren, und wir stehen für eine solche Diskussion gerne zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


19.01.38

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe ge­rade festgestellt, dass sich bei diesem Tagesordnungspunkt keine Rednerin/kein Red­ner der Freiheitlichen Partei zu Wort meldet. Vielleicht könnte das mit den Ehrenbür­gerschaften zusammenhängen, die aberkannt worden sind, wobei sich die Freiheitliche Partei ja international medial eine ziemlich blutige Nase geholt hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zur Sache: Herr Kollege Widmann, da ist sehr viel Überlegenswertes mit dabei, was da vorgetragen worden ist. Wir haben insgesamt überhaupt kein gesteigertes Interesse daran, dass man ausländischen Staatsgästen irgendwelche Klunker an die Brust hef­tet. Das sind Rituale von gestern, und das ist an sich eher überholt. Also von da her habe ich sehr wohl Sympathie für diesen Antrag. Ich schätze auch die Diskussion sehr, die Sie vielleicht dadurch in Gang bringen können, nämlich eine Diskussion über den Umgang, über einen differenzierten Umgang mit der Vergangenheit. Das sollte durch­aus möglich sein. Wir sollten durchaus wegkommen, wir alle, von Justamentstand­punkten.

Die Begründung sollte man allerdings ein bisschen kritischer hinterfragen. Vielleicht zu­erst einmal das, was außer Streit steht. Ich möchte die Verbrechen nicht leugnen. Da sind Verbrechen passiert, und gerade in meiner Zunft der Historiker, zu der ich mich zähle, hat es sehr wohl auch, und das gerade bei kritischen Historikern, eine gewisse Mystifizierung dieses Marschalls gegeben. Das bleibt unbenommen, und das ist ganz klar.

Ganz klar ist für mich aber auch, dass wir, wenn wir darüber diskutieren, auch andere Persönlichkeiten einbeziehen sollten. Mich stört ein bisschen, dass Sie das an einer Person festmachen. Ferdinand Marcos würde mir einfallen – ich habe mir das heraus­gesucht –, der dasselbe Ehrenzeichen erhalten hat, Nursultan Nasarbajew, dessen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 192

Verdienste um die Republik Österreich mir nicht so ganz klar sind, außer dass einige Herrschaften in Österreich wohldotierte Verträge von ihm bekommen haben, Schah Reza Pahlavi habe ich da in der Liste gesehen und so weiter. Da gibt es also eine gan­ze Reihe von Persönlichkeiten, die man durchaus hinterfragen könnte.

Was bei Marschall Tito aber – und das möchte ich ausdrücklich festhalten – klar auf der positiven Seite zu vermerken ist, ist sein Beitrag zur Republik Österreich in einer Zeit, als es diese Republik nicht gegeben hat. In der Zeit von 1938 bis 1945 gab es kei­ne kämpfenden Einheiten auf der Welt, die im Dienste der Republik Österreich unter­wegs waren, es gab keine kämpfenden Einheiten, die das Rot-Weiß-Rot auf ihrer Brust trugen, außer fünf Bataillone in der jugoslawischen Partisanenarmee. (Abg. Petzner: Die haben Tausende in Kärnten ermordet!) Diese fünf Bataillone haben ganz bewusst für ein unabhängiges, freies Österreich gekämpft. (Abg. Mayerhofer: Kommunisten!)

Das waren zum großen Teil Kommunisten. Ich schätze den Beitrag, den Kommunisten zur Befreiung Österreichs geleistet haben, sehr hoch ein. Ich weiß überhaupt nicht und kenne überhaupt keinen Grund, warum man diesen Beitrag herabwürdigen sollte. Und gerade Marschall Tito hat in diesem Punkt also sehr, sehr große Verdienste, aber, wie gesagt, auch die Verbrechen sind klar. (Abg. Grosz: Das darf ja wohl nicht wahr sein!) Und auch über diese Dinge muss geredet werden. Dass das überhaupt möglich ist, geht auf eine Initiative der Grünen zurück, denn dieses Gesetz aus dem Jahr 2001 ist aufgrund einer grünen Initiative zustande gekommen. (Abg. Scheibner: Das ist ja un­glaublich! Gräueltaten der Kommunisten werden in diesem Parlament verherrlicht!)

Dieses Land hat großen Nachholbedarf, was den Umgang mit Geschichte anlangt. Es wäre schön, wenn wir hier zum Beispiel fünf Parteien hätten, für die klar ist, dass ein Adolf Hitler nicht weiterhin Ehrenbürger einer Stadt sein darf. Diesen demokratischen Konsens haben wir noch nicht. (Ruf beim BZÖ: Kommunistische Massaker verherrli­chen!) Wir arbeiten daran, wir sind guten Mutes. Wir werden mit Ihnen in eine konstruk­tive Diskussion eintreten und hoffen, dass wir im Zusammenhang mit den Ehrenzei­chen zu sinnvollen Ergebnissen kommen.

Die Aufregung beim BZÖ zeigt mir allerdings, dass wir von dieser konstruktiven Dis­kussion, so fürchte ich, noch meilenweit entfernt sind. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

19.07


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


19.07.13

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Kollege Walser, wenn Sie sich hierher stellen und, wie man so schön sagt, jemandem mit dem Stellwagen ins Gesicht fahren, dann wundern Sie sich nicht, wenn es hier kein konstruktives Klima gibt. An ein konstruktives Klima müssen sich alle halten. Halten Sie sich selbst einmal daran.

Ihre Historiker-Zunft möchte ich überhaupt nicht in irgendeiner Form in Misskredit brin­gen oder in Abrede stellen, nur eines: Selbst die Befreiung Österreichs, wobei man sich Verdienste erworben hat, rechtfertigt nicht Massenmord, Vertreibung und andere Gräueltaten an unschuldigen, zivilen Opfern, Herr Oberhistoriker und Oberlehrer die­ses Hauses! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

19.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


19.08.06

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Kärntner Abgeordneter muss ich hier schon auch Stellung nehmen, wenn jemand, wie


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 193

Sie sagen, die Tito-Partisanen als österreichische Freiheitskämpfer bezeichnet, sie für ihren großen Einsatz lobt und sie hier am Rednerpult des österreichischen Nationalra­tes richtiggehend abfeiert.

Ich lade Herrn Abgeordneten Walser gerne einmal in unser Bundesland ein. Dann fah­ren wir gemeinsam nach Südkärnten und besuchen jene Familien – und es sind Tau­sende Familien in Südkärnten –, die Opfer der Tito-Partisanen zu beklagen haben. (Beifall bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Dr. Strutz: Genau!)

Da gibt es Gräuelgeschichten, die können Sie sich gar nicht vorstellen. Männer, Frau­en, kleine Kinder wurden verschleppt und ermordet!

Dass Sie das hier mit Ihrer Rede im Nationalrat gutheißen, verteidigen und sogar lo­bend anpreisen, indem Sie die Tito-Partisanen für ihre Ruhmestaten loben, ist wirklich eine Ungeheuerlichkeit. Es ist wirklich schockierend, dass das hier in diesem Hohen Haus gesagt wird.

Es ist auch eine unnötige Provokation in einer sehr heiklen Phase, die wir gerade in Kärnten durchleben, wo die Lösung der Ortstafelfrage ansteht. Dieser Ortstafelkonflikt hat gerade deswegen über 50 Jahre lang gedauert, weil die Menschen in Südkärnten diese Gräueltaten nicht vergessen haben. Wir alle sind froh darüber und arbeiten da­rauf hin, dass wir diesen Konflikt nun lösen. Sie mit Ihren Ausführungen tragen dazu bei, diesen Konflikt zu prolongieren, und das hat hier im Hohen Haus wirklich über­haupt nichts verloren und ist ein schändliches Verhalten.

Ihre ideologische Geisteshaltung kennen wir jetzt. Es ist Gott sei Dank nicht jene der Österreicherinnen und Österreicher und schon gar nicht jene der Kärntnerinnen und Kärntner, die für ihre Freiheit gekämpft und sich diese erkämpft haben – und dafür dan­ken wir ihnen noch heute! (Beifall bei BZÖ und FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.10


Präsident Fritz Neugebauer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber zu Wort. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Die Glawischnig brauchen wir! – Abg. Mag. Wurm: ... Männerthema!)

 


19.10.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Her­ren! Herr Präsident! Es ist ein wirklich jämmerliches Zeichen, werte Kolleginnen und Kollegen, dass Sie dem Kollegen Walser nicht zuhören konnten und nicht zuhören wollten. (Zwischenrufe beim BZÖ.)

Kollege Walser hat nämlich ganz klar gesagt, dass es darum ginge, der Realität in aller Ruhe und Gelassenheit aus einer historischen Distanz in die Augen zu sehen. Er hat ganz klar davon gesprochen, dass jene Völkervernichtung, die passiert ist, und jene Massaker, die nach 1945 auf jugoslawischem Staatsgebiet passiert sind, durch nichts zu rechtfertigen sind, selbstverständlich! (Abg. Dr. Strutz: Es war in Kärnten! – Anhal­tende Zwischenrufe bei ÖVP, FPÖ und BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie, Herr Kollege Petzner, können hier nicht herunter kom­men und eine Geschichtsdarstellung konstruieren (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), die darauf nicht hinweist und nicht klarmacht, dass gerade durch den Widerstand der Kärntner Slowenen, durch den Widerstand vieler Bürgerinnen und Bür­ger, auch aus den volksdeutschen Gruppen in den Regionen von Ex-Jugoslawien (Abg. Gartelgruber: Volksdeutsche ...!), die auch im Widerstand gegen das national­sozialistische Terrorregime und ihre militärischen Eroberungsfeldzüge gestanden sind ... (Ruf bei der ÖVP: Red keinen Blödsinn!) Daher müssen diese Menschen ge­würdigt werden. Aus heutiger Sicht ist es sinnvoll, sich diese Geschehnisse in aller Ru­he anzusehen, Herr Kollege Petzner – und nicht hier revanchistisch zu argumentieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 194

Genau darauf hat Kollege Walser hingewiesen. (Abg. Mag. Wurm: Ein Männerthema!) Er hat gesagt, es geht auch darum, zu zeigen, anzuerkennen, dass die Partisanen Ju­goslawiens selbstverständlich ein ganz wichtiger Teil der Bekämpfung des nationalso­zialistischen Terrorregimes und in diesem Engagement erfolgreich waren, dass aber auch sie nach 1945, und das ist die Tragödie, einen wesentlichen Beitrag zur Völker­vernichtung geleistet haben. Das hat er gemeint, und das gehört auch diskutiert. (Abg. Petzner: Lesen Sie im Stenographischen Protokoll, was er gemeint hat!)

Er hat Sie zu diesem Gespräch und zu dieser Diskussion eingeladen – Sie nehmen das nicht an, das ist schade. Und eigentlich ist es eine Schande für dieses Haus, dass Sie nicht zuhören können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei ÖVP, FPÖ und BZÖ.)

19.13


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


19.13.14

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Meine Damen und Herren von den Grünen! Ich finde es immer unerträglich – egal, wer es macht und wo es gemacht wird –, wenn jemand heute noch versucht, nationalsozialistische Gräuel irgendwie zu rechtfertigen, schönzureden oder auch nur irgendetwas Positives an diesem Schreckensregime zu finden.

Wir haben einen Konsens über – davon gehe ich aus – alle Parteigrenzen hinweg, dass nichts zu beschönigen ist an diesem Schreckensregime, an diesen Gräueltaten, vor allem jenen an Zivilisten, an Unschuldigen, an Frauen, an Kindern – überhaupt kei­ne Diskussion. Aber ich verstehe wirklich nicht, warum man nach diesem Konsens auf der einen Seite zumindest bei euch Grünen noch immer nicht so weit ist, dass man auf der anderen Seite auch nichts Positives an totalitären Regimen des Kommunismus findet (Abg. Mag. Kogler: Hat er nicht gemacht!), die ebenfalls verantwortlich waren für furchtbaren Tod, für Gräueltaten an der Zivilbevölkerung, 1945 und danach! (Beifall bei BZÖ, FPÖ und ÖVP.) Das ist mir unverständlich!

Gewalt gegen unschuldige Menschen ist nicht zu rechtfertigen! (Abg. Mag. Kogler: Hat er nicht gemacht!) – Er hat es sehr wohl gemacht, und wenn ihr jetzt herauskommt und beschönigt, ist das genau auf derselben Ebene, wie wenn irgendein Ausrutscher nach rechts kommt und man herausgeht und das irgendwie noch zu erklären versucht.

Ich kann nur sagen: Bitte bewahrt unsere Kinder, unsere Schüler vor solchen Histori­kern! (Beifall bei BZÖ, FPÖ und ÖVP.)

Sie haben nichts gesagt von jenen, die für ein unabhängiges Österreich Widerstand geleistet haben! Die größte Hochachtung vor diesen Menschen, die ihr Leben einge­setzt haben im Widerstand gegen den Nationalsozialismus! (Beifall beim BZÖ.) Sie aber haben Tito beziehungsweise Titos System als positiv dargestellt für diese Gräuel­taten, das ist das Verwerfliche! Das sollte hier im österreichischen Nationalrat im 21. Jahrhundert nicht mehr möglich sein, nämlich dass jemand, und gerade ein Lehrer, hier herausgeht und kommunistische Gräueltäter positiv findet. (Beifall bei BZÖ, FPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Schönegger: Skandal!)

19.15


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


19.15.38

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Liebe Kollegen! Kollege Scheibner hat wirklich gut gesprochen, aber einiges ist noch hinzuzufügen, denn das reicht nicht aus. Eines muss man wirklich einmal sagen: Es gibt hier eine Gruppe von Abgeordneten,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 195

eine Partei, für die Opfer nicht Opfer und Tote nicht Tote sind, die nur eine Gruppe von Opfern sehen will! (Abg. Mag. Kogler: Was?!)

Alle Opfer, die nicht in ihr Schema passen, haben sozusagen nicht existiert. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Darüber kann man allenfalls, wie der Kollege vorhin so schön ge­sagt hat, „diskutieren“, das kann man sich „unemotional“ anschauen, vielleicht neu be­leuchten, aber man kann nicht sagen, was es ist, man kann nicht sagen, es ist ein furchtbares Verbrechen, und man kann nicht sagen, wir haben auch geirrt! Wir haben furchtbare Verbrecher, Völkermörder, Massenmörder geehrt, und wir sind heute so weit, dass wir uns meinetwegen „unemotional“ hinsetzen und sagen, dass diese Eh­rung ein Fehler war und wir sie rückgängig machen wollen.

Was gibt es darüber zu diskutieren? Was gibt es daran schlechtzumachen? (Zwischen­ruf des Abg. Öllinger.) – Herr Kollege Öllinger, Ihre Leute stimmen im Wiener Gemein­derat natürlich dagegen, dass man die Stalin-Gedächtnisplakette in der Schönbrunner Straße entfernt. (Uh-Rufe bei FPÖ, BZÖ und ÖVP.) Ja, Stalin ist ein „super Mann“! – Es wurde jedes Mal von den Grünen dagegen gestimmt, wenn es einen Antrag gege­ben hat, diese wirkliche Schandplakette zu entfernen! (Ruf bei der SPÖ: Staatsver­trag!)

Da wurden solche Argumente gebracht wie zum Beispiel, na ja, das ist ja im Staatsver­trag abgesichert. – Wissen Sie, wer schon in den frühen 1990er Jahren gefordert hat, diese Plakette zu entfernen? – Der Botschafter der Russischen Föderation! Die Rus­sische Föderation, die, wenn es einen solchen überhaupt gibt, Nachfolger der Sowjet­union ist, hat gebeten, diese Plakette zu entfernen! Im Wiener Gemeinderat wird das regelmäßig abgelehnt, und zwar mit Verweis auf den Staatsvertrag, natürlich mit den Stimmen der Grünen. Das muss in diesem Hause einmal klargestellt werden!

Es gibt eine einzige Gruppe, die nicht bereit ist, sich von Gräueltaten, von Gewalt, von Massenmorden zu distanzieren und diese klar zu verurteilen – und das ist die Fraktion der Grünen! – Danke. (Beifall bei FPÖ und BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Walser: Und dazu brauchen wir die Freiheitlichen!)

19.17


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Dr. Walser hat sich zu einer tatsäch­lichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Scheibner – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Walser –: Entschuldige dich!)

 


19.17.55

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne) : Herr Präsident! Abgeordneter Scheibner hat behauptet, ich hätte die Verbrechen der Tito-Partisanen relativiert und geleugnet. – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass ich darauf hingewiesen habe, dass diese Verbrechen unbe­stritten sind, dass sie in der Historiker-Zunft überhaupt nicht in Zweifel gezogen werden (Abg. Dr. Strutz: Steht aber nicht im Protokoll!), dass man darüber hinaus den Beitrag der Tito-Armee für die Befreiung Österreichs aber nicht unter den Tisch fallen lassen darf, weil dieser Beitrag essentiell dafür war, dass Tausende Kärntner Slowenen die­sen Krieg überlebt haben. Für den weiteren Zusammenhang ist wichtig ...

19.18


Präsident Fritz Neugebauer: Danke für die Berichtigung und Gegenüberstellung. (Bei­fall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Walser.)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor.

Damit ist die erste Lesung über den Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Ös­terreich geändert wird, beendet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll110. Sitzung / Seite 196

Ich weise den Antrag 1509/A dem Verfassungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.19.19Einlauf

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1598/A(E) bis 1614/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 8801/J bis 8838/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 19.19 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.19.52Schluss der Sitzung: 19.19 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien