Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

72. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 25. April 2019

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

72. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode             Donnerstag, 25. April 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 25. April 2019: 9.05 – 22.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die So­zialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Ge­samtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 669/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Grundsatzgesetz für eine bedarfsorientierte Mindestsi­cherung

3. Punkt: Bericht über den Antrag 680/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberales Bürgergeld

4. Punkt: Bericht über den Antrag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeitslosenversicherung bei langen Bezugsdauern

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird, sowie Bericht über den

Gesetzesantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird

6. Punkt: Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz)

7. Punkt: Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014

8. Punkt: Bericht über den Antrag 715/A(E) der Abgeordneten Johannes Schmucken­schlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares und entschiede­nes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen, über den

Antrag 451/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern sowie über den


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Antrag 660/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Schrottreaktor – Stopp Mochovce

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend BMB – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe Bund 2016/23

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend ART for ART Theaterservice GmbH – Reihe BUND 2018/51

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Landesstudios des österreichi­schen Rundfunks; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/44

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle)

15. Punkt: Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luft­verkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäi­schen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungs­gesetz 1975) geändert werden (675/A)

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Inhalt

Nationalrat

Angelobung des Abgeordneten Karl Schmidhofer .................................................... 13

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsruf ................................................................................................................... 68

Ruf zur Sache .....................................................................................................  180, 180

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 2898/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG .................................................................................................................... 37

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG .................................. 163

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 163

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 165

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 168

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 169


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Walter Rauch .............................................................................................................. 170

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 171

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 173

Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kollegin­nen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­desverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (110 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 14. Mai 2019 zu setzen – Annahme ...............................................................................................................  37, 243

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                     38

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, die Re­gierungsvorlage (514 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesge­setz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (So­zialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmä­ßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (588 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ablehnung                                                                                                                                              57, 88

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 89

Unterbrechung der Sitzung .................................................................................  89, 115

Wortmeldungen betreffend Abwesenheit des Bundeskanzlers Sebastian Kurz:

August Wöginger ....................................................................................................... 124

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 124

Fragestunde (9.)

Nachhaltigkeit und Tourismus ................................................................................... 14

Dipl.-Ing. Georg Strasser (111/M); Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Ing. Maurice An­drosch

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (108/M); Martina Diesner-Wais, Dipl.-Ing. (FH) Mar­tha Bißmann

Maximilian Linder (105/M); Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl

Michael Bernhard (114/M); MMMag. Gertraud Salzmann

Mag. Bruno Rossmann (116/M)

Mag. Josef Lettenbichler (112/M); Mag. Philipp Schrangl

Erwin Preiner (109/M); Walter Rauch, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA

MMMag. Dr. Axel Kassegger (106/M); Mag. Muna Duzdar

Josef Schellhorn (115/M); Gabriel Obernosterer

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (117/M)


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Mag. Johanna Jachs (113/M); Mag. Gerald Hauser, Renate Gruber

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (110/M)

Josef A. Riemer (107/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  36, 242

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen For­men – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur libe­ralen Demokratie und zum Rechtsstaat“ (3402/J) ............. 115

Begründung: Mag. Jörg Leichtfried ........................................................................... 121

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ........................................................................ 125

Debatte:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................................................... 130

Karl Nehammer, MSc ................................................................................................ 132

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 135

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 137

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 139

Sabine Schatz ............................................................................................................. 142

Karl Mahrer, BA .......................................................................................................... 145

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ............................................................................... 146

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 148

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................ 149

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 152

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 153

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ... 155

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 157

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 159

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 160

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 161

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens ge­genüber dem Vizekanzler“ Heinz-Christian Strache gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung ........................................................................  144, 162

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungs­theorie des ,Großen Austausches‘“ – Ablehnung           151, 162

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Nehammer, MSc, Christian Ha­fenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung von Lehrmate­rialien“ – Annahme (E 71) .  154, 162

Verhandlungen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 5

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (514 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grund­sätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Sta­tistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Ös­terreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integra­tionsgesetz-IntG) geändert werden (588 d.B.) ........................................................................................................... 38

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 669/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Grundsatzgesetz für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung (589 d.B.) ........................................................................................................................ 38

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 680/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberales Bürgergeld (590 d.B.)                        38

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeits­losenversicherung bei langen Bezugsdauern (591 d.B.) ........... 38

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 39

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ........................................................ 40

Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 43

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 46

August Wöginger ......................................................................................................... 47

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .......................................................................... 50

Werner Neubauer, BA .................................................................................................. 54

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 56

Kira Grünberg ............................................................................................................... 58

Dr. Irmgard Griss ......................................................................................................... 59

Peter Wurm ................................................................................................................... 60

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 64

Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 65

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 66

Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 67

Birgit Silvia Sandler ..................................................................................................... 69

Tanja Graf ...................................................................................................................... 71

Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 72

Peter Wurm (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 73

Norbert Sieber .............................................................................................................. 74

August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 75

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 75

Nurten Yılmaz ............................................................................................................... 75

Mag. Ernst Gödl ........................................................................................................... 77

Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 78

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 79

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 80

Alois Stöger, diplômé (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) .................... 81

Mario Lindner ............................................................................................................... 81

Dr. Alma Zadić, LL.M. .................................................................................................. 81

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann .................................................................................. 85

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 86


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 6

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 87

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Kon­ventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“ – Ablehnung ...................................  53, 91

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate“ – Ablehnung ....................  83, 91

Annahme des Gesetzentwurfes in 588 d.B. (namentliche Abstimmung) ...................... 88

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 89

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 589, 590 und 591 d.B. ............................ 91

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (557 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird, sowie über den

Gesetzesantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen (496 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (565 d.B.)                         91

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (558 d.B.): Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromer­zeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (566 d.B.) .......................................................................................... 92

RednerInnen:

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 92

Mag. Josef Lettenbichler ............................................................................................. 93

Mag. Muna Duzdar (tatsächliche Berichtigungen) ..............................................  95, 105

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 95

MMMag. Dr. Axel Kassegger ...................................................................................... 97

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 98

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 100

Melanie Erasim, MSc ................................................................................................. 102

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ..........................................................  103, 105

Ing. Wolfgang Klinger ................................................................................................ 106

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (tatsächliche Berichtigung) .................................. 108

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 108

Erwin Angerer ............................................................................................................ 110

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 111

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vor­gangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“ – An­nahme (E 70) ..................................................................................................  107, 115

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 565 und 566 d.B. ......................................... 114


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 7

7. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.): Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Na­goya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 (575 d.B.) ...................................................................................................................... 115

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 175

Doris Margreiter ......................................................................................................... 176

Walter Rauch .............................................................................................................. 177

Michael Bernhard ....................................................................................................... 177

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 179

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 179

Johann Rädler ............................................................................................................ 181

Annahme des Gesetzentwurfes in 575 d.B. ................................................................ 181

8. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 715/A(E) der Abge­ordneten Johannes Schmuckenschlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atom­müll-Endlager an Österreichs Grenzen, über den

Antrag 451/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern sowie über den

Antrag 660/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Schrottreaktor – Stopp Mochovce (576 d.B.)                                                                      182

RednerInnen:

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 182

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 183

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 184

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 186

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 189

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 190

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 191

Werner Neubauer, BA ................................................................................................ 192

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 194

Erwin Preiner .............................................................................................................. 195

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 196

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonder-Bilaterale mit der Slowakei zum AKW Mochovce und erneute Umweltverträglichkeitsprüfung“ – Ab­lehnung ......................................................  186, 197

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 576 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen“ (E 72)             ............................................................................................................................. 197

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60 (III-214/578 d.B.) ...................................................... 197

RednerInnen:

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 197

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 198

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 199

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 200

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 201


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 8

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 202

Kenntnisnahme des Berichtes III-214 d.B. ................................................................... 203

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend BMB – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe Bund 2016/23 (III-11/579 d.B.)               203

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend ART for ART Theaterservice GmbH – Reihe BUND 2018/51 (III-195/580 d.B.) .................. 203

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Landesstudios des österreichischen Rundfunks; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/44 (III-44/581 d.B.) .................................................................................................................. 203

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 204

Andreas Kollross ....................................................................................................... 204

Wolfgang Zanger ...............................................................................................  205, 215

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 207

Maria Großbauer ........................................................................................................ 208

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 208

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 209

Johann Singer ............................................................................................................ 210

Wolfgang Knes ........................................................................................................... 211

Hannes Amesbauer, BA ............................................................................................ 212

Klaudia Friedl .............................................................................................................. 213

Philip Kucher .............................................................................................................. 214

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 215

Kenntnisnahme der drei Berichte III-11, III-195 und III-44 d.B. ...................................... 217

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (562 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (567 d.B.) ................................. 217

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (559 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (568 d.B.) ........ 217

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 217

Walter Bacher ............................................................................................................. 219

Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 220

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 221

Melanie Erasim, MSc ................................................................................................. 222

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 223

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ............................................................................ 224

Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 225

Robert Laimer ............................................................................................................. 226

Werner Herbert (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 227

Johann Singer ............................................................................................................ 227


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 9

Hans-Jörg Jenewein, MA (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 228

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 228

Franz Hörl .................................................................................................................... 229

Maximilian Linder ....................................................................................................... 231

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 231

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abbiegeverbote für LKWs ohne Abbiegeassistenten“ – Ablehnung ..................  217, 232

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 567 und 568 d.B. ......................................... 232

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (511 d.B.): Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftver­kehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (569 d.B.)                232

Genehmigung des Staatsvertrages in 569 d.B. ........................................................... 233

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisie­rung über die Regierungsvorlage (502 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patent­anwaltsgesetz geändert wird (577 d.B.)      ............................................................................................................................. 233

RednerInnen:

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 233

Dr. Maria Theresia Niss, MBA .................................................................................. 234

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................... 235

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 236

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 237

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................. 238

Walter Bacher ............................................................................................................. 239

Christoph Stark .......................................................................................................... 239

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 240

Annahme des Gesetzentwurfes in 577 d.B. ................................................................ 241

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (675/A) ......... 241

RednerInnen:

Angela Lueger ............................................................................................................ 241

Ing. Klaus Lindinger, BSc .......................................................................................... 242

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 242

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................... 243

Zuweisung des Antrages 675/A an den Geschäftsordnungsausschuss ..................... 243

Eingebracht wurden

Bericht ........................................................................................................................... 36

Vorlage 44 BA: Bericht gemäß § 54 Abs. 12 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen und gemäß § 60 Abs. 3 BHG 2013 über zugestimmte Vorbelastungen im 1. Quartal 2019; BM f. Finanzen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 10

Anträge der Abgeordneten

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanitäre Hilfe für Mo­sambik (770/A)(E)

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend überfällige Re­duktion der Ammoniak-Emissionen (771/A)(E)

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Symbole-Gesetz geändert wird (772/A)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (773/A)

Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwick­lung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (774/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehal­tung der Aufteilungsvariante 90/10 beim Familienbonus (775/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Auf­wertung der Elementarpädagogik durch einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen (776/A)(E)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehramtsstudium für Quer­einsteigerInnen (777/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuaufstellung der Bal­lettakademie in der Staatsoper (778/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine rasche Erarbeitung eines österreichischen UrheberInnenvertragsrechts (779/A)(E)

Norbert Sieber, Werner Neubauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (780/A)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend vollständige Infor­mation der Konsumentinnen und Konsumenten über die Herkunft und die Einhaltung von Tierschutzstandards bei Lebensmitteln, insbesondere bei tierischen Produkten in der Gastronomie und in allen öffentlichen Einrichtungen (781/A)(E)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einheitlicher Baulandbesteuerung“ (782/A)(E)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend den UNO-Bericht über die Überprüfung der österreichischen Flüchtlings- und Migrationspolitik (783/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Reform der Grundsteuer (3371/J)

Walter Bacher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesregierung betreffend Vorrats­datenspeicherungsinitiative des österreichischen EU Vorsitzes (3372/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Truppenreduktion am Westbalkan (3373/J)


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Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Kosten für Umstrukturierungen im BKA (3374/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Zielgrup­pen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3375/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3376/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3377/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3378/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3379/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netz­werken und Online-Medien (3380/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3381/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwer­ken und Online-Medien (3382/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3383/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3384/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3385/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozia­len Netzwerken und Online-Medien (3386/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netz­werken und Online-Medien (3387/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3388/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 12

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Polizeieinsätze bei Burschenschafter-Veranstaltungen (3389/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Meldegesetz und die App „Digitales Amt“ (3390/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Meldegesetz und die App „Digitales Amt“ (3391/J)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von Ener­giearmut (3392/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Gegengeschäfte der DaimlerChrysler AG (3393/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Geheimhaltung der Eurocopter-Nachbeschaffung (3394/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Geheimhaltung der Eurocopter-Nachbeschaffung (3395/J)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Schutz der kritischen Infrastruktur Österreichs (3396/J)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schutz der kritischen Infrastruktur Österreichs (3397/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Gedenkjahr anlässlich des 60-jährigen Bestehens von UN-Frie­densmissionen (3398/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Zukunft der Auslandseinsätze und des Internationalen Krisen­managements (3399/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds 2018 und 2019 (3400/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Kosten seines Ministerbüros im Kalenderjahr 2018 / Folgeanfrage aufgrund Nicht­beantwortung (3401/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechts­staat“ (3402/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen (2901/AB zu 2965/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (2902/AB zu 2919/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (2903/AB zu 2921/J)


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 13

09.05.07Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

09.05.14*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordneten, ich eröffne die 72. Sitzung des Nationalrates. Ich darf Sie am zweiten Sit­zungstag wieder herzlich begrüßen, so wie auch ganz herzlich die Gäste auf der Ga­lerie, insbesondere die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in 1070 Wien. – Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.) Unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten, auch Sie seien herzlich begrüßt!

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Dietmar Keck, Mag. Verena Nussbaum, Rainer Wimmer, Mag. Roman Haider, Mag. Gerhard Kaniak, Christian Ries und Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES.

09.05.58Angelobung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Von der Bundeswahlbehörde wurde uns mitge­teilt, dass anstelle der verstorbenen Abgeordneten Barbara Krenn, der wir ja gestern und jetzt in der Seelenmesse gedacht haben, Herr Karl Schmidhofer in den National­rat berufen wurde.

Da der Wahlschein vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich so­gleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer leisten Sie bitte mit den Worten „Ich gelobe“ Ihren Eid.

Ich darf nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Gahr, um die Verlesung der Ge­löbnisformel bitten.


9.06.31

Schriftführer Hermann Gahr: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Repu­blik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller ande­ren Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“


9.06.51

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Ich gelobe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Abgeordneten in unserer Mitte herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Der Herr Abgeordnete hat eine doch reiche politische Erfahrung, und ich wünsche ihm im Kreise der Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg alles erdenklich Gute.

09.07.23Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Für Bundeskanzler Sebastian Kurz wird Vizekanzler Heinz-Christian Strache die Ver­tretung übernehmen,

für Finanzminister Hartwig Löger Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs

und für Justizminister Dr. Josef Moser Wissenschaftsminister Dr. Heinz Faßmann.

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 14

Ich darf bekannt geben, dass der ORF wie üblich diese Sitzung in ORF 2 bis 13 Uhr überträgt, anschließend in ORF III, und ab 19.15 Uhr wird die Sitzung wie gestern schon probeweise in der TVthek online weiter übertragen.

Auch heute wird ein Parlamentsfotograf zu Dokumentationszwecken wieder im Haus und im Plenarsaal unterwegs sein.

09.08.06Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Anfragen werden durch die Damen und Herren Abgeordneten von den Rednerpul­ten im Halbrund aus – das ist üblich und bekannt – an die Bundesministerin für Nach­haltigkeit und Tourismus gestellt. Ich darf die Frau Minister recht herzlich begrüßen.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen, für die Antwort auf die Hauptfrage sind 2 Minuten vorgesehen, sonst 1 Minute. Ich werde dementsprechend immer wieder auch vorher schon ein Zeichen geben.

Nachhaltigkeit und Tourismus


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir dürfen beginnen. Die 1. Anfrage wird Herr Abgeordneter Strasser stellen. Frau Minister, ich darf dich an das Rednerpult bitten. Die anderen Kolleginnen und Kollegen bitte ich, immer schon in Vorbereitung zu den Mikrofonen zu kommen.

Herr Abgeordneter Strasser, ich bitte um Ihre Frage.

09.09.04


Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Für uns Bäuerinnen und Bauern sind Mittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik ein wichtiger Einkommensbestandteil und über Klimaschutzmaßnahmen und unsere öko­logischen Leistungen erhöhen wir auch die Wertschöpfung in unseren Betrieben.

Meine Frage lautet:

111/M

„Welche Eckpunkte sind für Österreich in der kommenden GAP wichtig?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Abgeordneter, für die Frage. – Tatsächlich ist es so, dass die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik eine ganz wichtige tragende Säule unseres funktionierenden Lebensmittelsystems in Österreich und in Europa darstellt. Wir stehen wieder vor der Herausforderung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik auf euro­päischer Ebene. Es ist ja der einzige vergemeinschaftete Politikbereich, den wir in die­ser Art und Weise vorfinden.

Für uns steht die Versorgungssicherheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger und damit einhergehend natürlich auch der Österreicherinnen und Österreicher an oberster Stelle, eben verbunden mit einer hochwertigen Qualitätsproduktion und mit Umwelt- und Klimaschutz. Auch da leisten unsere Bäuerinnen und Bauern einen wichtigen An­teil.

Für uns als Bundesregierung ist natürlich auch in diesem Bereich die finanzielle Ausge­staltung der Gemeinsamen Agrarpolitik ganz entscheidend. Da liegen ja laut dem Kom­missionsvorschlag auch massive Kürzungen betreffend die ländliche Entwicklung vor.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 15

Das ist für uns so und in diesem Ausmaß wirklich inakzeptabel, weil vor allem die länd­liche Entwicklung Sorge dafür trägt, dass die Umwelt- und Agrarleistungen vonseiten der Bäuerinnen und Bauern erbracht werden. Darin sind beispielsweise auch unsere Ausgleichszahlungen für das Berggebiet, Förderungen für die biologische Landwirt­schaft und Investitionsförderungen enthalten. Das ist wirklich ein ganz zentraler Punkt für uns.

Wir wollen die bäuerlichen Familienbetriebe in den Fokus der Gemeinsamen Agrar­politik rücken. Wir wollen weg von dem System, dass die Quantität, also die Menge, gefördert wird, hin zu einem echten Qualitätssystem, das eben nur unsere bäuerlichen Familienbetriebe sicherstellen. Da wollen wir wirklich einen Paradigmenwechsel zu­stande bringen, dass die Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Hinkunft auch wirklich unseren bäuerlichen Familienbetrieben zur Verfügung stehen.

Der dritte Punkt, der uns sehr am Herzen liegt, sind die Agrarumweltprogramme. Diese sind auch mit eine Lebensader unserer bäuerlichen Struktur in Österreich, sie leistet Vielfältiges. Da wird vor allem auch in Zukunft stärker auf das Thema Klimaschutz zu fokussieren sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Strasser, bitte.


Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Ich bin dankbar dafür, dass Sie die ländliche Entwicklung, die traditionell in unserer Agrarpolitik in Österreich eine wichtige Rolle spielt, und auch die Kürzungen ansprechen, die wir so nicht akzeptieren können.

Meine Frage: Die Bauernhöfe und der ländliche Raum bilden eine Einheit. Welche Maß­nahmen sind im Bereich der Regionalität, hier in der zweiten Säule, im Fokus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Regio­nale Wirtschaftskreisläufe haben für uns oberste Priorität. Neben dem einzelnen bäuer­lichen Familienbetrieb sichert die Landwirtschaft massiv Wertschöpfung im ländlichen Raum über die vor- und nachgelagerten Bereiche. Da wollen wir verstärkt auf Unter­stützung kurzer Versorgungsketten Wert legen, damit lokale Märkte unterstützen, damit verbunden auch Absetz- und Fördermöglichkeiten sowie Fördermaßnahmen unterstüt­zen. Wir wollen vor allem den Bereich der Cluster weiterentwickeln, Stichwort Direkt­vermarktung. Auch das ist wirklich ein Erfolgskonzept der österreichischen Landwirt­schaft. Das Thema, stärker in Erzeugergemeinschaften zu gehen, liegt uns in diesem Zusammenhang weiters sehr am Herzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Doppelbauer, bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sie haben es jetzt schon mit der GAP angesprochen. Die große Kritik ist ja im Augenblick – beziehungsweise auch das, was man aus Brüssel hört –: Es geht halt im Moment nicht mehr. Wenn wir den Status irgendwie erhalten, dann haben wir eigentlich schon viel erreicht, hört man durchaus auch immer wieder aus Brüssel, weil es einfach im Augenblick ein schwieriges Umfeld ist.

Meine Frage bezieht sich jetzt darauf: Wie wollen Sie denn jetzt als österreichische Bundesregierung bei der GAP eine stärkere Ökologisierung der Förderkriterien erwir­ken? Diesen Paradigmenwechsel betreffend, den Sie gerade angesprochen haben: Wie wollen Sie sich denn aus österreichischer Sicht dafür einsetzen beziehungsweise wie realistisch ist das im Augenblick aus Ihrer Sicht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 16

Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum einen ist, glaube ich, speziell die Ausrichtung der österreichischen Landwirtschaft ein Erfolgsmodell, das auch auf europäischer Ebene immer wieder gelobt wird. Also wir haben im Vergleich zu anderen EU-Staaten einen viel geringeren Strukturwandel. Bei uns sind es wirklich die bäuerlichen Familienbetriebe, die das Agrarsystem tragen, im Gegensatz zu anderen Ländern, die eigentlich in den letzten Jahrzehnten schon so stark auf Intensivierung gesetzt haben. Ich bin der Meinung, dass hier die Argumente absolut auf unserer Seite sind.

Wir zeigen, dass über diesen Fonds der ländlichen Entwicklung die Gelder wirklich ziel­gerichtet auch in Agrarumweltleistungen gehen und damit einfach einen Mehrwert für die gesamte europäische Bevölkerung und auch für die österreichische Bevölkerung liefern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Androsch, bitte.


Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesminister! Frau Bundesminister, der EU-Rechnungshof hat in einem Sonderbe­richt festgestellt, dass es gerade für den Tierschutz und die Erhöhung der Tier­schutzstandards in Europa wichtig ist, mehr GAP-Fördermittel einzusetzen. Wir von der SPÖ haben in der letzten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses einen entsprechen­den Antrag eingebracht, der allerdings vertagt und nicht dem Plenum zugeführt wurde.

Meine Frage an Sie: Welche konkreten Forderungen werden Sie in diese Verhandlun­gen zur neuen GAP-Periode einbringen, um den europäischen Tierschutz und die Tier­schutzstandards allgemein in Europa in Bezug auf die GAP-Förderungen zu heben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Grund­sätzlich gibt es die Möglichkeit, speziell über den Bereich der ländlichen Entwicklung und da eben speziell über den Bereich der Investitionsförderungen höhere Tierwohl­standards zu fördern und zu unterstützen. Das halte ich für einen absolut wichtigen Punkt. Wir haben da aber auch national durchaus Spielraum. Also die Standards im österreichischen Bundestierschutzgesetz aus dem Jahr 2006 sind um einiges höher, als es beispielsweise die europäischen Tierschutzstandards als solche sind.

Das ist natürlich auch im Wettbewerb ein maßgeblicher Unterschied. Ich spreche da als Beispiel die Besatzdichten in der Geflügelhaltung an. Da sehen wir schon, dass das auch massiven Druck auf unsere bäuerliche Erzeugung ausübt. Wir werden uns auf jeden Fall maßgeblich dafür einsetzen, dass Förderungen im Investitionsbereich stark diesen Fokus der Tierwohlbestimmungen und der Verbesserung des Tierwohles bein­halten werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Feich­tinger. – Bitte.

09.16.05


Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Herr Präsident! Guten Mor­gen, Frau Bundesministerin! Am 29. Jänner 2019 hat die Geschäftsführerin des Um­weltbundesamtes anlässlich der Präsentation der Treibhausgasinventur bekannt gege­ben, dass die Jahreshöchstmengen gemäß Klimaschutzgesetz im Jahr 2017 erstmals überschritten wurden. Statt 49,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente laut Zielwert wur­den in diesem Jahr 51,7 Millionen Tonnen emittiert. Laut § 3 Abs. 2 Klimaschutzgesetz und § 28 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz muss die Ministerin in diesem Fall innerhalb von sechs Monaten beziehungsweise umgehend Sofortmaßnahmen ergreifen, um eine Zielerreichung bis 2020 dennoch sicherzustellen.

Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 17

108/M

„Wieso lassen Sie bei der Bekämpfung des Klimawandels wertvolle Zeit verstreichen und schieben die gesetzlich notwendigen Sofortmaßnahmen auf die lange Bank?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Tatsächlich ist es so, dass der Klimawandel für die Bundesregierung und speziell für mein Ressort die höchste Priorität hat. Wir haben bereits im Jänner 2018, gleich zu Beginn, als ich mein Amt übernommen habe, damit begonnen, eine integrierte Klima- und Energiestrategie für Österreich auszuar­beiten, unsere #mission 2030. Wir haben sie in Rekordzeit, auch über eine parlamenta­rische Enquete und einen Bürgerbeteiligungsprozess, fertiggestellt. Wir sind sofort nach Beschluss auch in die Umsetzung der Maßnahmen gegangen.

Das Jahr 2018 war wirklich ganz klar dem Klimaschutz gewidmet. Wir haben viele der Maßnahmen wie beispielsweise den Raus-aus-dem-Öl-Bonus bereits vorgezogen, mit dem wir den Umstieg von fossilen Heizsystemen auf erneuerbare fördern. Wir haben das E-Mobilitäts-Paket ins Leben gerufen. Wir haben eine Bioökonomiestrategie auf den Weg gebracht. Wir entwickeln eine Green Finance Agenda. Wir haben zurzeit auch eine Wasserstoffstrategie in Ausarbeitung und wir arbeiten unter Hochdruck am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Wir haben auch gemäß dem Gesetz nach der Treibhausgasbilanz 2017 und dem ver­lassenen Zielpfad das Klimaschutzkomitee einberufen. Auch da nehmen wir die Exper­tise, die daraus folgte, sehr ernst und werden gemäß unserem Auftrag in den nächsten Monaten sukzessive die Klima- und Energiestrategie in Österreich umsetzen und die Maßnahmen daraus eben auch beschließen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Feichtinger? – Nein.

Die nächste Zusatzfrage stellt dann Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Die Errei­chung der Klimaziele, wie Sie schon angeführt haben, ist uns sehr wichtig und natürlich auch die erneuerbare Energie sowie die Verwendung der erneuerbaren Energie. Wir haben aber in Österreich noch circa 700 000 Ölheizungen.

Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um diese Zahl abzubauen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Tatsächlich ist dieser Umstieg von den fossilen Heizsystemen hin zu erneuerbaren eine der wichtigsten Prioritäten, die wir neben unserem sehr ambi­tionierten Ziel haben, bis 2030 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren zu produzieren. Da sind wir weltweit eines der Länder, das eines der ambitioniertesten Ziele hat.

Ich freue mich sehr, berichten zu können – viele der Kompetenzen, speziell im Gebäu­debereich, liegen ja auf Landesebene –, dass da massive Fortschritte erzielt werden. Wir konnten im April dieses Jahres, also vor rund zwei Wochen, im Rahmen der Lan­desklimaschutzreferentenkonferenz den Ausstieg aus Öl gemeinsam mit den Bundes­ländern beschließen. Das zeigt auch, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Der Bund fördert den Umstieg von fossilen Ölkesseln auf erneuerbare Heizsysteme mit 5 000 Euro. Das Programm erfreut sich wirklich sehr großer Beliebtheit. Wir konnten im letzten Jahr bereits rund 25 Millionen Euro auszahlen und werden genau dieses Er­folgsmodell auch in die Zukunft weiterschreiben. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Bißmann (Abg. Bißmann steht mit Gipsbein und Krücken am Rednerpult im Halbrund),


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 18

der wir alles Gute zur Genesung wünschen. Das nenne ich Arbeitseinsatz: Gestern verunfallt, heute schon hier. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Danke, Herr Präsident! – Guten Morgen, Frau Ministerin! Der Chef des IHS, des Instituts für Höhere Studien in Wien, Kocher, sagt: „[...] je länger man mit der Ökologisierung des Steuer­systems wartet, desto teurer wird es später.“ – Bald stehen wegen der verpassten Kli­maziele auch massive Strafzahlungen an die EU an. Alle ExpertInnen sind sich einig, dass eine Steuerreform ein erster Schritt sein muss. Zuletzt hat auch das Ökosoziale Forum einen eigenen Vorschlag eingebracht.

Meine Frage an Sie, Frau Ministerin: Wird sich Ihr Ministerium, das Nachhaltigkeitsmi­nisterium, in der neuen Reform dafür einsetzen, eine nachhaltige Zukunft möglich zu machen und eine klimaschutzwirksame Steuer auf CO2 in Österreich einzuführen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Ich wünsche Ihnen auch von meiner Seite gute Besserung! – Tatsächlich ist es so, dass wir klar am Zielpfad festhalten, dass wir mit unserer #mis­sion 2030 auch die Grundlage dafür geschaffen haben, dass wir sektorübergreifend und auch ministerienübergreifend ein klares Commitment zur Treibhausgassenkung abliefern. Wir wollen den Reduktionspfad 2020 erreichen, und wir wollen vor allem auch die ambitionierten Ziele bis 2030 erreichen. Dafür ist ein Maßnahmenbündel aus­schlaggebend, damit uns das auch gelingen kann.

Wir stehen jetzt kurz davor, dass der Finanzminister die Steuerreform präsentiert. Die Eckpunkte und auch den Zeitrahmen hat er ja bereits vorgestellt. Das soll in drei Etappen erfolgen. Der Finanzminister hat bereits angekündigt, dass die erste Etappe maßgeblich auch der Entlastung der geringeren Einkommen in Österreich dienen soll und dass da eben auch ökologische Komponenten einfließen werden. Daran wird na­türlich auch von unserer Seite sehr stark gearbeitet, dass wir im Steuersystem ökolo­gische Maßnahmen miteinfließen lassen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 3. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Lindner. – Bitte. (Abg. Lin­der – erheitert –: Linder, bitte!) – Entschuldigung! – Bitte. (Heiterkeit des Abg. Lindner.)

09.22.28


Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Traditionelle Le­bensmittel aus der Region haben bei uns in Österreich eine sehr, sehr große Tradition. Die Konsumenten kaufen immer mehr regional ein, legen großen Wert auf Regionalität. Auch im Tourismus ist das ganz, ganz wichtig, zum Teil ist die Regionalität der Lebens- und Genussmittel sogar urlaubsentscheidend für die Touristen. Es ist ganz wichtig, dass wir dieses Vertrauen der Konsumenten nicht verlieren, sondern weiter ausbauen. Aus diesem Grund plant die dafür zuständige Ministerin für Gesundheit und Konsu­mentenschutz, Frau Minister Beate Hartinger-Klein, eine Herkunftskennzeichnung ein­zuführen.

Was aber können wir, Frau Minister, gemeinsam tun, dass diese regionale Produktion weiterhin ausgeweitet wird und auch der entsprechende Absatz dafür entsteht?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 105/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie können wir die regionale Produktion im Ländlichen Raum stärken?“

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Ich glaube, die Antwort ist relativ einfach: nämlich regionale Produkte auch zu kaufen. Das ist mit auch eines der ganz großen Themen, die uns beschäftigen. Der Konsument, die Gesellschaft fordert immer stärker Regionalität, hohe Tierwohlstandards, biologische Produktion, Gentechnikfreiheit, aber am Regal gestaltet sich die Situation manchmal etwas anders. Also die erste Maßnah­me, die jeder Einzelne ergreifen kann, ist, zu regionalen Produkten zu greifen.

Wir haben in Österreich über die Agrarmarkt Austria tatsächlich ein sehr gutes freiwilli­ges Kennzeichnungssystem aufgebaut, das jetzt – Sie haben es angesprochen – durch ein Herkunftskennzeichnungssystem für Primärzutaten von verarbeiteten Produkten er­gänzt werden soll. Das ist auch ein weiterer Schritt, damit die Konsumentinnen und Konsumenten noch bewusster zu regionalen, zu heimischen, zu österreichischen Pro­dukten greifen können. Wir verfolgen da eine klare Qualitätsstrategie, vor allem auch die Unterstützung der bäuerlichen Familienunternehmen, damit sie die Rohstoffproduk­tion sicherstellen können.

Wir haben mit dem Netzwerk Kulinarik eine Möglichkeit, da wirklich die bäuerlichen, die regionalen, die landesspezifischen Initiativen zu fördern und zu unterstützen und damit eben auch alternative Vertriebswege direkt hin zu den Konsumentinnen und Konsu­menten sicherzustellen und herzustellen, und diesen Weg werden wir weiterhin konse­quent gehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Linder? – Bitte.


Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Welche Rolle spielen die geschützten Kenn­zeichnungen g.U. für geschützte Ursprungsbezeichnung, g.g.A. für geschützte geogra­fische Angabe oder g.t.S. für garantiert traditionelle Spezialität für die Stärkung der landwirtschaftlichen Produktion in den Regionen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Der EU-Herkunftsschutz ist tatsächlich eine der höchsten Qualitätsauszeichnungen, die es in der Europäischen Union gibt. Die unterschiedlichen Möglichkeiten haben Sie bereits dar­gestellt. Auch in Österreich erfreut sich das sehr hoher Beliebtheit. Was wir mittlerweile auch mit Studien belegt sehen, ist, dass die Wertschöpfung dieser Produkte wirklich sehr stark zunimmt. Beispiele dafür sind etwa das Steirische Kürbiskernöl g.g.A. oder beispielsweise auch die Wachauer Marille g.U.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, diesen Herkunftsschutz zu erlangen, und das ist wirklich für gesamte Regionen ein perfektes Vehikel, um die traditionellen Speziali­täten, die traditionellen Produktionsweisen stärker zu vermarkten. Die Kontrollen sind da wirklich extrem streng und zeigen auch, dass sie wirken. – Also wir wollen das auf jeden Fall in den nächsten Jahren auch über unser Netzwerk Kulinarik weiterentwi­ckeln und so noch mehr Produkten, noch mehr Regionen diese Möglichkeit des EU-Herkunftsschutzes geben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Mir geht es um den Flächen­rückgang in Österreich. Wir haben es zwar geschafft, von, ich glaube, 17, 18 Hektar pro Tag auf ungefähr 12 Hektar zu kommen, wir haben also zumindest eine leichte Re­duktion, sind aber noch immer Europameister im Zubetonieren. Wir wissen, dass das einen massiven Einfluss auf die Landwirtschaft hat, ich denke dabei an die Grund­stückspreise, an die verfügbaren Flächen für die Landwirtschaft.


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Daher meine Frage: Welche Maßnahmen planen Sie, um dieses klima- und umwelt­schädliche Verhalten in den nächsten Jahren deutlich zu verbessern? – Klar, ich weiß, es ist Ländersache, aber Sie haben da als Bundesministerin natürlich auch Hebel.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sie ha­ben es bereits angesprochen: Es ist zumindest ein Trend absehbar, dass dieser mas­sive Flächenverbrauch, den wir in Österreich in den letzten Jahren gesehen haben, rückläufig ist. Wir hatten einmal die unglaubliche Zahl von 24 Hektar pro Tag, die ver­baut wurden, sind jetzt bei 12 Hektar, es ist aber nach wie vor eine viel zu hohe Zahl.

Was wir konkret machen, ist, vor allem im Bereich der thermischen Sanierung anzuset­zen. In Österreich ist es derzeit so, dass der Bau, der Neubau auf der grünen Wiese einfacher und billiger ist als beispielsweise eine Revitalisierung eines Bestandsgebäu­des. Wir wollen da gemeinsam mit den Bundesländern mit unserer Wärmestrategie, die wir zurzeit ausarbeiten, mit den Förderungen und den Möglichkeiten der thermi­schen Sanierung den Trend weiterhin umkehren und speziell eben auch die Bestands­anlagen sanieren, um auf der einen Seite Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben und auf der anderen Seite den Flächenverbrauch einzudämmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Zinggl, bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Ministerin, der Rechnungs­hof hat festgestellt, dass Ihr Ministerium bereits vor drei Jahren bis zu 2 Millionen Euro an Fördergeldern eingesetzt hat, um über die von Ihnen genannte Netzwerkstelle Kulinarik heimische Produkte zu fördern, ohne dass dafür bislang ein Ergebnis, nicht einmal eine Strategie vorliegt. – Wo ist das Geld hingekommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Das stimmt so nicht. Das Netzwerk Kulinarik wurde unter meinem Amtsvorgänger einge­richtet. Es wurden zwei Cluster gebildet. Es hat auch eine europaweite Ausschreibung gegeben. Ein Unternehmen hat diesen Zuschlag bekommen und die Fördergelder auch abgewickelt. Diese sind auch laut Rechnungshofbericht den bäuerlichen Initiati­ven, auch den Gastronomieinitiativen in den letzten Jahren zugutegekommen. Alles, was da in der Vergangenheit abgewickelt worden ist, hat auch entsprechend Nieder­schlag gefunden.

Wir sind jetzt gerade dabei, das Netzwerk Kulinarik neu aufzustellen, eben auch im Rahmen der Agrarmarkt Austria eine Abteilung einzurichten, das zu institutionalisieren und wirklich jeden Fördereuro, den wir über die Programme der ländlichen Entwicklung zur Verfügung haben, zu den bäuerlichen Initiativen zu bringen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 4. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.

09.29.16


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minis­terin! Meine Frage lautet:

114/M

„Das Emissionsziel für das Jahr 2020 (für Non-ETS) liegt bei 47,8 Millionen Tonnen (CO2-Äquivalent), 2017 lagen wir mit 51,7 Millionen Tonnen noch weit darüber. Auf einzelne Maßnahmen verteilt gerechnet, wie planen Sie konkret die überschüssigen 3,9 Millionen Tonnen CO2 einzusparen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 21

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Wir haben gemäß unserer Klima- und Ener­giestrategie zwei Hauptsektoren identifiziert, die maßgeblich zu diesem Anstieg auch der Treibhausgase in den letzten drei Jahren geführt haben. Die Hauptsektoren sind es, die wir reduzieren müssen, damit wir unsere Zielpfade 2020 und vor allem eben auch 2030 erreichen können.

Das ist zum einen der Verkehrsbereich, wo wir uns ein Sektorziel von 7,2 Millionen Tonnen CO2-Reduktion gesetzt haben und zum anderen der Gebäudebereich, wo wir uns verpflichtet haben, rund 3 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren. Das sind die zwei Hauptsektoren, die diese CO2-Einsparungen leisten müssen, aber natürlich auch alle anderen Bereiche außerhalb des ETS-Systems, beispielsweise der Landwirtschaftsbe­reich oder die Abfallwirtschaft. Nur in diesem Gesamtkonstrukt wird es auch gelingen.

Energieeffizienzmaßnahmen sind ein maßgeblicher Bereich, der auch zum Gelingen beitragen wird. Wir haben diese Klima- und Energiestrategie ja gemeinsam mit dem Verkehrsministerium erstellt, und natürlich liegt auch die gemeinsame Abarbeitung in der Hand unserer beiden Ministerien. (Abg. Leichtfried: Deshalb gibt es Tempo 140!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bernhard, bitte.


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Bei allem gebotenen Respekt – ich komme auch gleich zur Zusatzfrage – waren das jetzt Ziele und keine konkreten Maßnahmen. Darauf zielt auch meine Zusatzfrage ab.

Die Emissionen im Verkehrssektor haben sich seit 1990 um 74 Prozent erhöht. Laut Umweltbundesamt sind drastische Maßnahmen notwendig, um die Klimaziele noch zu erreichen, welche allerdings Ihr Koalitionspartner, die FPÖ, großteils ausgeschlossen hat.

Wie wollen Sie als zuständige Ministerin für Klimaschutz die Klimaziele im Verkehrs­sektor tatsächlich durchsetzen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum einen liegt die Zuständigkeit für den Verkehr im Verkehrsministerium und bei Bundes­minister Hofer, mit dem wir wirklich sehr intensiv und auch gut zusammenarbeiten.

Eine Maßnahme, die zum Gelingen beitragen wird, ist zum einen der Ausbau des öf­fentlichen Verkehrs. Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene spielt hier eine zentrale Rolle. Der Verkehrsminister investiert gerade 2,3 Milliarden Euro jährlich in den Ausbau des österreichischen Schienennetzes. Wir wollen da massive Verbesse­rungen erzielen. Diese Investitionssumme hat es in dieser Form noch nie gegeben.

Der zweite Bereich ist die Transformation unseres Individualverkehrs. Wir haben da die Möglichkeit, beispielsweise über unser E-Mobilitäts-Paket Förderungen für emissions­arme beziehungsweise emissionslose Fahrzeuge auszuzahlen. Da setzen wir an. Wir haben ein Förderpaket von 100 Millionen Euro gerade neu aufgelegt, um das eben auch zu fördern und zu unterstützen, und wir haben auch die Hersteller in die Pflicht genommen. Speziell unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist es uns gelungen, maßgebliche CO2-Reduktionen auf europäischer Ebene zu verankern. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Salzmann. – Bitte.



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Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminis­ter! Laut der #mission 2030 will die Bundesregierung einen weitgehend CO2-neutralen Verkehrssektor erreichen.

Welches Maßnahmenbündel soll dabei im Hinblick auf die E-Mobilität erfolgen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – In der vorangegangenen Frage war das schon ein Be­standteil. Wir haben gemeinsam mit Bundesminister Hofer ein sehr großes, umfassen­des E-Mobilitäts-Paket aufgelegt. Das umfasst fast 100 Millionen Euro und fördert vor allem den Umstieg im Individualverkehr, aber auch die öffentliche Hand und auch Un­ternehmen, wenn sie beispielsweise CO2-neutrale Fahrzeuge anschaffen.

Wir fördern erstmals den Ankauf von Wasserstoffautos und eben auch den Bau der da­zu notwendigen Infrastruktur, sprich Ladekapazitäten. Wir haben da also ein sehr um­fassendes Förderpaket aufgelegt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich Herrn Abgeordneten Rossmann das Wort erteile, darf ich die Schüler vom Sacré Coeur Riedenburg bei uns recht herzlich willkommen heißen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Die 5. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.

09.34.18


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Ministerin! Wenn die eigenen klima- und energiestrategischen Ziele bis 2030 erreicht werden sollen, dann muss die Ökostromerzeugung verdreifacht werden. Diese Dekarbonisierung wird natürlich hohe Kosten verursachen und diese müssen möglichst fair auf alle NutzerInnen aufgeteilt werden, damit die Akzeptanz des Transformationsprozesses gewährleistet ist. Derzeit ist es ja so, dass die Finanzierung über eine Umlage erfolgt, dass die privaten Stromverbraucher nur ein Viertel des Stroms verbrauchen, aber die Hälfte der Kosten tragen. Im Dezember haben Sie ja bereits eine Punktation für ein Erneuerbaren-Aus­bau-Gesetz vorgelegt.

Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet:

116/M

„Welche wesentlichen Änderungen wird es im Entwurf des EAG (Erneuerbaren Ausbau Gesetz) im Vergleich zu der im Dezember veröffentlichten Vorschau geben?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Wir haben am 5. Dezember die Eckpunkte vorgelegt, wie unser Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ausschauen soll. Wir arbeiten der­zeit intensiv daran, es präzise und genau auszugestalten und diese Inhalte auch in die entsprechenden Gesetzestexte zu gießen, um den Weg hin zu unserem Ziel be­schreiten zu können, nämlich 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren.

Sie haben es bereits angesprochen: Wichtig ist, da wirklich auch auf eine soziale Ver­träglichkeit zu achten, vor allem auf den Bereich der Versorgungssicherheit zu achten. Das tun wir. Wir werden das Gesetz vor dem Sommer vorlegen, wir werden es auch in die Begutachtung schicken. Ein Teil davon ist auch der ganz starke Bereich der De­zentralisierung, also den Ausbau der Produktion der Energie viel stärker zu dezentra­lisieren; ein Beispiel ist das 100 000-Dächer-Programm, das wir mit der Vision geplant haben, dass irgendwann einmal wirklich jedes Haus ein Kraftwerk sein kann.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Rossmann, bitte.


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Sie haben zwar gesagt, dass die Kosten der Dekarbonisierung fair verteilt werden sollen, aber nicht angedeutet, ob die­se Fairness auch tatsächlich Teil des Gesetzes sein wird.

Daher meine Zusatzfrage: Wird es bei der Verteilung der Kosten der Ökostromförde­rungen begünstigende Sonderregelungen für die Industrie geben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zu Ihrer Frage ist zu sagen, dass der Industriestandort Österreich maßgeblich im Zusammen­hang mit der Energieproduktion steht. Wir sehen, dass gerade durch die Strompreiszo­nentrennung zwischen Österreich und Deutschland 2018 die Großhandelspreise um einiges höher geworden sind. Das ist natürlich ein Wettbewerbsnachteil für unsere In­dustrie.

Dazu möchte ich auch eines entschieden sagen: Wir werden diese Absicherung der In­dustrie als wirklich zentralen Punkt auch verankern. Es ist entscheidend, dass nach wie vor in Österreich produziert wird und die Industrien nicht abwandern und wir dann die Güter wieder importieren, denn das ist ein besonders absurdes System, das wir weltweit zum Teil auch mitverfolgen können. Das heißt, wir werden den Fokus darauf legen, dass für unseren Wirtschaftsstandort Österreich dieser Ausbau der erneuerba­ren Ziele eben auch entsprechend verträglich vonstattengehen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Rossmann: Das heißt, die privaten Haus­halte werden zahlen! Klatschen Sie nur!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 6. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Letten­bichler. – Bitte, Sie sind am Wort.

09.37.55


Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesminis­terin! Sie und Kollege Bundesminister Hofer haben im vergangenen Jahr ja eine Ini­tiative gestartet, eine Klima- und Energiestrategie zu erarbeiten. Es wurde dazu ein breiter Beteiligungsprozess gestartet. Es wurden Experten eingebunden, NGOs, die breite Bevölkerung, auch wir Abgeordnete waren im Zuge einer Enquete eingeladen, hier mitzuarbeiten. Ich begrüße diesen Ansatz sehr, denn es hat ein Abweichen von vielen, vielen Einzelmaßnahmen hin zu einem integrierten Gesamtplan gegeben.

Wir haben uns Energieziele gesetzt, Klimaschutzziele gesetzt, die durchaus ambitio­niert, aber machbar sind. Wir setzen auch darauf, Anreize zu schaffen statt Verbote. Wir wollen die Bevölkerung einbinden, anstatt sie zu bevormunden. Der Ausfluss die­ser #mission 2030 sind konkrete Maßnahmen, Leuchtturmprojekte, insgesamt zwölf, allesamt versehen mit Zeitplänen, Zuständigkeiten, Kosten.

Nun zu meiner Frage:

112/M

„Wie läuft die Umsetzung der österreichischen Klima- und Energiestrategie #mis­sion2030?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Tatsächlich ist es so, dass wir ab dem Tag des Beschlusses bereits in die Umsetzung gegangen sind. Der Raus-aus-dem-Öl-Bonus ist eine der Maßnahmen, die wir auch schon vorgezogen haben, die wir mit den


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Bundesländern bereits entsprechend umsetzen und die sich auch sehr großer Be­liebtheit erfreut.

Saubere Mobilität, ein zweiter wichtiger Punkt, bei dem wir mittlerweile wirklich Erfolgs­zahlen vermelden können. Österreich ist, was die Neuzulassung von emissionsfreien Pkws betrifft, mittlerweile unter den Top-Ländern der europäischen Union angekom­men.

Wir sehen, dass diese #mission 2030 wirklich wirkt, und dass sie vor allem auch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.

Klimaschutz ist nicht nur eine Angelegenheit der Bundesregierung und schon gar nicht nur eine Angelegenheit meines Ministeriums, sondern ist wirklich im Interesse aller, weil es um unsere Zukunft geht. Dazu brauchen wir jeden Einzelnen, um die Ziele auch wirklich zu erreichen, und jeder in Österreich muss wissen, dass sein Verhalten auch zum Klimawandel oder zum Klimaschutz beiträgt. Diesbezüglich wollen wir in den nächsten Wochen und Monaten noch weitere entsprechende Schritte setzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lettenbichler, bitte.


Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Zur Erreichung dieser ambitionierten Energieziele und zur Setzung effizienter Maßnahmen gegen den Klimawandel braucht es natürlich viel Geld. Da ist die öffentliche Hand gefordert, es sind aber auch private Investoren gefordert, seien es Einzelpersonen, seien es Gesellschaften, seien es Unternehmen. Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht ja auch vor, dass man unter dem Titel Green Finance vermehrt Möglichkeiten, die in diese Richtung gegeben sind, ausschöpfen soll. Die Bundesregierung, Sie und Bundesminister Hofer haben da – ich habe es schon erwähnt – zwölf Leuchttürme gesetzt, und einer dieser Leuchttürme, der Leuchtturm Nummer 8, setzt sich mit dem Bereich Green Finance auseinander.

Da interessiert mich: Welche Rolle kann privates Kapital, welche Rolle kann die Fi­nanzwirtschaft bei der Erreichung der Klimaziele spielen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Es wird eine entscheidende Rolle spielen. Wir haben gemäß unserem Regierungsprogramm und der #mission 2030 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen und Fi­nanzminister Löger zurzeit eine Green Finance Agenda in Ausarbeitung. Wir haben den Startschuss bereits gegeben. Wir haben eine gemeinsame Focal Group Green Finance eingerichtet. Wir wollen, dass privates Kapital und Investitionen in grünes In­vestment umgelenkt werden, und wollen damit mit dafür Sorge tragen, dass wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Dies ist Bestandteil vor allem auch unseres Ziels, unser Wirtschaftssystem langfristig umzubauen.

Damit uns das alles gelingen kann, brauchen wir eine ökosoziale Marktwirtschaft, brau­chen wir eine echte Kreislaufwirtschaft, und dazu wird diese Green Finance Agenda einen maßgeblichen Beitrag leisten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordne­ter Schrangl. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Mei­ne Frage passt gut zu dem, was Herr Abgeordneter Lettenbichler gefragt hat. Es gibt ja auch Menschen, die eher weniger Geld haben, und deswegen ist für mich interessant: Wie besteht die Möglichkeit, diesen Zielkonflikt zwischen Ökologie und Leistbarkeit zu minimieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesminister.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ich glau­be, dass wir vor allem an den Protesten in Frankreich gesehen haben, dass die Frage des Klimaschutzes und auch der immer stärkeren Besteuerung ganz klar auch eine soziale Frage ist. Wir wollen Fehler, wie sie in Frankreich gemacht worden sind, nicht machen. Das ist mit ein Grund dafür, warum wir sehr stark auf ein Anreizsystem set­zen. Wir wollen diesen langfristigen Umbau unseres Wirtschaftssystems begleiten – im Bereich der Energiepolitik, im Bereich der Mobilitätspolitik – und hier Anreize setzen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger diesen Umstieg auch leisten können. Das wird in letzter Konsequenz auch im Sinne von uns allen sein.

Energiearmut ist ein zentrales Thema, dem wir uns als Bundesregierung verschrieben haben. Wir haben das Thema ganz klar auch in der #mission 2030 verankert, und ich darf mich auch beim Parlament sehr herzlich dafür bedanken, dass uns da bereits maßgebliche Schritte gelungen sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Prei­ner. – Bitte.

09.43.10


Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin, ein herzliches Willkommen meinerseits! Wir Sozialdemokraten treten für ein Sofortverbot, auch eu­ropaweit, von Glyphosat ein, wie Sie wissen. Glyphosat ist höchstwahrscheinlich krebs­erregend, birgt auch die Gefahr, sich bei seiner Anwendung sehr negativ auf Bienen und auf die Insektenpopulation im Allgemeinen auszuwirken, beziehungsweise sind mit der Verwendung von Glyphosat auch große Gefahren verbunden, was den Natur- und Umweltschutz ganz allgemein betrifft, was aber natürlich auch sauberes Trinkwasser betrifft, und durch die Überdüngung besteht auch die Gefahr, dass es zu einer Klimaer­wärmung kommt.

Frau Ministerin, ich möchte Sie fragen: Sie haben in den letzten fast eineinhalb Jahren nicht viel – eigentlich nichts – unternommen, um ein Sofortverbot des Pflanzengiftes Glyphosat durchzusetzen, sondern Sie haben durch Ihr Nichtstun diesbezüglich eine Verzögerung eingeleitet, obwohl wir wissen, dass sich Glyphosat negativ auf die Ge­sundheit der Menschen auswirkt (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll) und da­durch auch eine entsprechende Schädigung der Natur in Kauf genommen wird. Sie sind natürlich auch für das Inverkehrbringen des Pflanzengiftes Glyphosat zuständig.

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 109/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum verzögern Sie seit mehr als eineinhalb Jahren das Sofortverbot von Glyphosat und gefährden damit die Gesundheit der Menschen und nehmen die Schädigung der Natur in Kauf?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zu Ihrer Frage, Herr Abgeordneter: Der Wirkstoff wurde Ende 2017 auf EU-Ebene hinsichtlich seiner Risiken neu bewertet und auf europäischer Ebene für weitere fünf Jahre zuge­lassen. Wir haben im Regierungsprogramm verankert, dass wir eine Studie in Auftrag geben, die eine Machbarkeit und einen Aktionsplan für den Ausstieg sicherstellen soll. Diese ist derzeit gerade am Laufen. Wir machen das gemeinsam mit den Bundeslän­dern, weil – Sie wissen das mit Sicherheit – die Bundesländer auch gesetzgebende


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Kompetenz im Bereich der Ausbringung haben. Die Kosten der Studie werden vom Bund und den Ländern gemeinsam getragen – das ist auch der Grund dafür, warum die Länder da sehr intensiv mitreden. Wir werden diese Studie hoffentlich im ersten Halbjahr 2019 vorliegen haben.

Es ist ja ein sehr umfangreiches Werk, das da erstellt werden soll, mit dem Ziel, eben diesen Ausstieg herbeizuführen und dessen Machbarkeit herzustellen. Wichtig ist der Bereich der Alternativen zu Glyphosat, denn was uns nicht passieren darf, ist, dass dann beispielsweise Produkte verwendet werden, bei denen wir draufkommen, dass sie noch schädlicher sind. Ausstiegsszenarien sind da auch sehr zentral, und gemein­sam mit den Bundesländern werden wir diesen Weg erarbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Preiner, bitte.


Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Ministerin, Sie haben bereits im Mai des vergangenen Jahres den Start für diese Maßnahme, für diese Untersuchung betreffend Glyphosatverbot, eingeleitet. Weshalb liegen noch keine Untersuchungsergebnisse vor?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Nun, die Materie ist vor allem auch rechtlich sehr komplex. Sie wissen, es haben einzelne Bundesländer ja bereits auch Versuche gestartet, das rechtlich umzusetzen – sie sind mehr oder weniger daran gescheitert. Alles, was wir vonseiten der EU-Kommission hie­zu an Informationen bekommen, lassen wir auch einfließen. Diese rechtlichen Rah­menbedingungen sind natürlich auch zentral und bedeutend, und die Bundesländer haben jetzt noch einiges an Fragen zusätzlich eingemeldet. Das muss auch mitauf­genommen werden, und sobald alle Fragen beantwortet sind, wenn die Studie fertig ist, wird sie auch präsentiert.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rauch stellt die nächste Zu­satzfrage. – Bitte.


Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Frau Bundesminister! Wir haben ja in unserem Regierungsprogramm einige Punkte dazu verankert, welche Strategien wir verfolgen wollen.

Jetzt meine konkrete Frage: Welche Strategien werden Sie zur Reduktion der Pestizide in Zukunft verfolgen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Tatsächlich ist es so, dass wir in Österreich naturnahen Bekämpfungsmaßnahmen den Vorzug geben. Das schlägt sich in den letzten Jahren auch sehr klar in den Zahlen betreffend die Verwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln nieder. Diese sind in Österreich stark reduziert worden, eine Reduktion von rund 11,6 Prozent ist zu verzeichnen. Ich glaube, das ist ein sehr positiver Weg, den wir auch weiter beschreiten werden.

Wir haben ein System des Warndienstes eingerichtet, um einen zielgerichteten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu ermöglichen und die Menge maßgeblich zu reduzieren. Das ist ein System, das wir in Zukunft noch weiter ausbauen wollen und auch fortset­zen wollen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber, bitte.


Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Ministerin! Laut einem aktuellen Bericht der staatlichen französischen Umweltbehörde wurde bekannt,


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dass sich Glyphosatrückstände sogar in Babywindeln wiederfinden, und die Sorge ist, dass diese Stoffe durch den kindlichen Urin aus den Windeln herausgelöst und vom kindlichen Körper aufgenommen werden. Jetzt wissen wir, dass es mitunter auch Studien gibt, die besagen, dass dieses Pflanzenschutzmittel krebserregend ist. Auf französischem Boden werden nun strengere Regeln gefordert, es wird im Sinne der Kinder argumentiert.

Im Hinblick auf Österreich möchte ich die Frage stellen, ob Sie überhaupt über diese Situation Bescheid wissen. Ist Ihnen bekannt, dass diese Stoffe auch in Babywindeln enthalten sind, und was werden Sie dagegen unternehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für Ihre Frage. – Grundsätzlich muss man, glaube ich, einmal betrachten, was der Rohstoff ist, der sich in den Babywindeln wiederfindet. Das ist in hohem Ausmaß Baumwolle, die nicht in Europa produziert wird. Ich glaube also, das fängt ganz stark im Bereich der Rohstoffprodukte an. Hier bin ich auch dafür – und die zuständige Bundesministerin Hartinger-Klein hat ja auch schon entsprechende Untersuchungen angekündigt –, dass wir das im Konsumentenschutzbereich wirklich zu 100 Prozent nachverfolgbar machen beziehungsweise auch dafür Sorge tragen, dass es zu keinen Rückständen in den Babyartikeln in Europa kommt.

Das ist ja nicht nur ein Problem, das wir in Österreich sehen, sondern das besteht ge­nauso in ganz Europa und auch weltweit, aber die zuständige Bundesministerin Har­tinger-Klein ist hier bereits tätig geworden, und im Rahmen ihrer Agenden im Bereich Konsumentenschutz werden hier mit Sicherheit auch weitere Schritte folgen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 8. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Kasseg­ger. – Bitte.

09.49.46


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesmi­nister! Meine Frage beschäftigt sich mit dem Thema erneuerbare Energie.

Wir sind ja als Republik Österreich sehr gut unterwegs, sind ein Vorreiter, wenn es da­rum geht, den Anteil der erneuerbaren Energie am Gesamtaufkommen zu beurteilen; da sind wir sehr weit vorne. Zum Beispiel gewinnen wir im Strombereich schon jetzt bereits über 70 Prozent Energie aus erneuerbaren Energiequellen. Wir werden diesen Weg als Bundesregierung selbstverständlich intensiv fortsetzen. Das Ziel muss sein, den Anteil der fossilen Energieträger stark zurückzudrängen und irgendwann einmal am Ende des Tages gänzlich zu ersetzen. Das ist sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als selbstverständlich auch aus Klimaschutzgründen sinnvoll.

Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm, in der #mission 2030 bereits klare strategische Ziele definiert. Jetzt geht es darum, das im Gesetz konkret herunterzubre­chen.

Meine Frage lautet:

106/M

„Welche Schwerpunkte hat das zukünftige Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Tatsächlich liegt es uns wirklich sehr am Herzen, dass wir in Österreich für den Ausbau der erneuerbaren Energien ein markt­konformes, ein wettbewerbsfähiges und vor allem auch ein innovationsfreundliches Fördersystem sicherstellen.


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Versorgungssicherheit ist da für uns natürlich immer ein ganz großes Schlüsselthema. Tatsächlich wird uns das nur gelingen, wenn wir auf alle Bereiche der erneuerbaren Energie setzen, sehr stark auch dezentral ausbauen und uns vor allem auch das The­ma der Sektorkopplung ganz zentral ansehen. Die Stromwärme, das Mobilitätssystem und die Sektorkopplung – diese drei Bereiche sowie auch der Bereich Greening the Gas spielen da eine ganz wesentliche Rolle. Wir setzen also sehr stark darauf, er­neuerbare Energien ins Gassystem einzuspeichern.

Ein zentraler Punkt wird für uns auch sein, Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften dort zu ermöglichen, wo beispielsweise Gemeinschaftsanlagen errichtet werden sollen. Das Ziel ist es, das den Gemeinden und Regionen in Zukunft zu ermöglichen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kassegger, bitte.


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Meine Zusatzfrage hat auch mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu tun, ganz konkret ist meine Frage nämlich: Wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung für die Umsetzung im Rahmen dieses Ge­setzes aus?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wir wol­len, dass das Gesetz am 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, das heißt, wir werden das EAG noch vor dem Sommer in Begutachtung schicken.

Ein Beschluss im Nationalrat ist auf jeden Fall vor Jahresende möglich, wenn wir ge­meinsam an diesem Ziel festhalten, Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Wir haben in der Vergangenheit, in den letzten Monaten, gesehen, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit manchmal nicht so einfach zu erreichen ist, weil auch aus Parteikalkül dagegengestimmt wird. Ich würde in diesem Zusammen­hang wirklich bitten, Parteipolitik hintanzustellen, dem Klimaschutz den Vorrang zu ge­ben und entsprechend am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mitzuwirken.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Frau Ministerin! Zur Biomasse werden wir heute ja noch kommen. Meine Zusatzfrage betrifft das Thema Bekämpfung der Energiearmut. Da haben Sie ja angesprochen, dass das in der #mission 2030 vorkommt und dass Ihnen das ein wichtiges Anliegen ist.

Daher ist meine Frage ganz konkret: Welche Maßnahmen möchten Sie im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes setzen, um in Hinkunft weitere Schritte zu setzen, um Energiearmut zu bekämpfen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Die Leistbarkeit der Energie und damit einhergehend na­türlich auch eine effiziente Energieproduktion stehen für uns an oberster Stelle. Tat­sächlich ist es aber auch so, dass wir heute mit unserer Abstimmung dazu einen Bei­trag leisten werden.

Wir haben ja im Zuge der Novelle des Ökostromgesetzes gemeinsam mit dem Koali­tionspartner erstmals eine Regelung betreffend Befreiung von sozial schwachen bezie­hungsweise einkommensschwachen Haushalten von der Ökostromabgabe zum Be­schluss vorgelegt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammen­arbeit.


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Wir setzen in diesem Bereich sukzessive Akzente. Wir wollen Energie vor allem auch leistbar machen und all jenen, die es sich aufgrund der einkommensschwachen Situa­tion nicht leisten können, entsprechende Hilfestellungen zur Verfügung stellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 9. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.

09.54.35


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Grundsätz­lich muss man zum Tourismus-Masterplan, der durchaus positiv ist und in die richtige Richtung geht, einmal gratulieren. Er ist für den Tourismus ganz wichtig, weil er sozu­sagen auch eine Wertschätzung des Tourismus darstellt.

Ein Masterplan muss für mich als Unternehmer – und vor allem auch als Touristiker – vor allem darauf ausgerichtet sein, dass messbare Ziele und Zeiträume festgesetzt werden, um diese Ziele auch zu erreichen beziehungsweise einen so wichtigen Plan umsetzen zu können. Im Masterplan selbst finden wir allerdings weder Zeit- noch Maß­nahmenzielsetzungen, die einem sogenannten Masterplan entsprechen würden.

Wie wollen Sie als Ministerin diesen Masterplan in Ihrer Legislaturperiode entspre­chend auf Nachvollziehbarkeit, darauf, ob die Dinge umgesetzt werden, kontrollie­ren? – Die Umsetzung – etwas nicht nur aufs Papier zu bringen – ist ja ein entschei­dender Punkt, und dazu müssen messbare Ziele und Zeiträume festgesetzt werden.

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 115/M, hat folgenden Wortlaut:

„Ein Masterplan, der diesem Namen auch gerecht werden soll, setzt Probleme und Maßnahmen zeitlich und verbindlich miteinander in Beziehung. Im von Ihnen veröffent­lichten ,Plan T - Masterplan für Tourismus’ findet man jedoch nichts dergleichen: keine Zeitpläne oder Meilensteine, die den Weg in die Zukunft sinnvoll gliedern. Auch nach Verantwortlichkeiten sowie Verbindlichkeiten sucht man vergeblich. Wie soll ein Mas­terplan Tourismus aus Ihrer Sicht funktionieren, wenn es im entsprechenden Papier keine messbaren Ziele gibt?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum einen haben wir uns mit den zuständigen Bundesländern, die ja in der Gesetzgebung maßgeblich die Kompetenz für Tourismuspolitik haben, dazu verpflichtet und auch committet, dass dieser Masterplan ein lebendiges Produkt wird, also dass wir ständig daran arbeiten, ihn weiterzuentwickeln.

Wir wollen eine Transformation erstmals dahin gehend schaffen, dass Tourismuspolitik nicht mehr nur als reine Wirtschaftspolitik, sondern als Strukturpolitik gesehen wird. Das wird uns in der Umsetzung nur gemeinsam mit den Bundesländern gelingen. Wir haben begonnen, die Maßnahmen bereits ab Tag eins umzusetzen – ich darf nur die Registrierungspflicht für die Plattformökonomie ansprechen, Stichwort Airbnb, wo wir bei der Plattform selbst, aber auch beim Vermieter ansetzen, um wirklich eine Wettbe­werbsgleichheit herzustellen.

Wir haben bei der ÖW bereits ein Zusatzbudget aufgestellt, um speziell im Digitalisie­rungsbereich tätig zu werden. Wir haben der ÖHT bereits 1,5 Millionen Euro mehr für zielgerichtete Förderungen zur Verfügung gestellt, und wir haben mit der Positionie­rung Österreichs als der Kulinarikdestination Nummer eins in Europa auch einen Anker


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im Netzwerk Kulinarik geschaffen. Die Weichen sind also gestellt und wir werden suk­zessive an der Umsetzung arbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schellhorn, bitte.


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Minister! Tourismus ist ein Gesamt­kunstwerk, ist eine Mischkalkulation, wie wir im Tourismus sagen. Sie haben im Mas­terplan ja verschiedene Punkte wie Digitalisierung, Fachkräftemangel et cetera festge­legt. Dazu bräuchten Sie Ihre Kollegen auf der Regierungsbank.

Haben Sie dafür eine Taskforce, eine bessere Koordinierungsstelle, zum Beispiel mit dem Sozialministerium, was den Fachkräftemangel anbelangt, mit dem Finanzministe­rium, aber auch mit dem Infrastrukturminister, der im Bereich der Digitalisierung vor al­lem die digitale Infrastruktur gewährleisten muss, eingesetzt? Der Infrastrukturminister muss ja, was die CO2-Ziele betrifft, eine Erreichbarkeit mit öffentlichen Mitteln um­setzen.

Sie müssten faktisch eine Untergruppe gründen, die eine Taskforce hat, um Ihre Ziele auch umsetzen zu können. Natürlich können Sie es alleine fordern, aber die Umsetz­barkeit ist doch auch Ihr Ziel.

Haben Sie eine solche Gruppe im Sinn? Wollen Sie so etwas initiieren? Das müssen Sie ja faktisch, wenn ich Sie ernst nehmen will und muss und werde – Sie werden da­ran gemessen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wenn Sie so wollen, ist der Ministerrat die entsprechende Taskforce.

Sie haben den Fachkräftemangel beziehungsweise das Problem der fehlenden Ar­beitskräfte im Tourismus angesprochen. Wir haben in der Woche vor Ostern bereits wieder gemeinsam mit dem zuständigen Sozialministerium Kontingente festlegen kön­nen, eine Erhöhung festlegen können, wir arbeiten also wirklich sukzessive jede Wo­che gemeinsam an der Umsetzung der Maßnahmen. Wie ich bereits angesprochen habe, geht es uns darum, dass Tourismuspolitik nicht mehr nur reine Wirtschaftspolitik ist, sondern Strukturpolitik. Die Maßnahmen sind ministerien- und sektorübergreifend und werden von uns gemeinsam getragen und umgesetzt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Obernosterer, bitte.


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen auch eine Frage zum Tourismus stellen.

Den Masterplan für Tourismus haben Sie ja sofort in Angriff genommen, als Sie das Bundesministerium für Tourismus übernommen haben. Sie sind durch die Länder ge­zogen und haben mit 500 Experten aus allen Interessen- und Berufsgruppen diesen Tourismusplan aufgestellt. Ich muss sagen, das hat dem Tourismus sehr gutgetan. Das hat es in dieser Form von einer Regierung noch nie gegeben.

Überhaupt merkt man, dass vonseiten dieser Regierung für den Tourismus sehr viel Verständnis da ist. Das haben auch schon die ersten Aktionen gezeigt: Mehrwert­steuer, Airbnb oder jetzt zum Beispiel das Thema Eigenverantwortung der Wanderer. Wir kennen ja dieses Ersturteil in Bezug auf den Kuhvorfall, wir wissen aber auch, dass Tourismus gerade für viele Landregionen neben der Landwirtschaft der einzige wirt­schaftliche Nebenerwerb ist.


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Was haben Sie vor, um die regionalen Strukturen und die Wertschöpfungsketten dort zu stärken, damit man die Abwanderung halbwegs in den Griff bekommt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Der Tourismus im ländlichen Raum ist für uns tatsächlich eine Lebensader, wenn man so will, weil eben speziell im vor- und nachgelagerten Bereich extrem viele Arbeitsplätze am Tourismus, an der Branche hän­gen, auch anschließend an die Freizeitwirtschaft. Das muss man immer auch als Ge­samtkonstrukt sehen. Ich glaube, der erste Schritt ist einmal die Vereinigung zwischen Landwirtschaft und Tourismus in einem Ministerium und das Nutzen der Synergien, die sich oft auch automatisch daraus ergeben.

Ich habe es bereits angesprochen: Unser strategisches Ziel ist es, Österreich als die Kulinarikdestination Europas zu positionieren und zu etablieren, die Qualitätsprodukte, die wir in Österreich haben, mit der hohen Qualität des Tourismus zusammenzuschlie­ßen und damit einhergehend einfach noch stärkere regionale Wertschöpfung zu schaf­fen und beiden Branchen damit auch ein zukunftsfähiges Gerüst zu geben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 10. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte sehr.

10.01.33


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ernährungsbewusste Menschen wollen auch in Restaurants und Gaststätten gerne wissen, woher die Produkte kommen, die ihnen serviert werden, die sie essen, woher Eier, Fleisch und Gemüse tatsächlich kommen, wie die Tiere, die verarbeitet sind, vorher behandelt und gehalten wurden, und nur wenige Küchen geben das bekannt.

117/M

„Was werden Sie tun, um Konsumentinnen und Konsumenten über die tatsächliche Herkunft von Lebensmitteln zu informieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wie Sie wissen, ist für die Lebensmittelkennzeichnung grundsätzlich meine Kollegin Beate Hartinger-Klein zuständig. Wir arbeiten sehr intensiv und sehr gut auch gemeinsam daran, dieses transparente und nachvollziehbare Herkunftssystem in Österreich zu verbessern. Wir haben ja mit dem AMA-Gastrosiegel bereits ein System geschaffen, das sehr gut funktioniert, das sich auch großer Beliebtheit erfreut. Da ist die Herkunft aus Österreich zu 100 Prozent sichergestellt. Wir arbeiten gerade auch daran, kon­tinuierliche Verbesserungen im Bereich der Qualität und der Sicherheit für den ge­samten Herstellungsprozess zu erzielen. – Das zum einen.

Zum anderen haben wir bereits eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für eine Reihe von Lebensmitteln, speziell im Fleischbereich. Da gibt es ja auch bereits eine europäische Herkunftskennzeichnung, und gemäß dem Regierungsprogramm arbeiten wir daran, für verarbeitete Produkte im Bereich Fleisch, Milch und Eier verpflichtend auch entsprechende Herkunftskennzeichnungen zur Verfügung zu stellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Zinggl.


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Also insbesondere das Letzte, was Sie gesagt haben, habe ich auch den „Salzburger Nachrichten“ entnommen. Sie planen die Herkunftsbekanntgabe in Produkten des Verkaufs, wenn ein Anteil von mehr als 50 Prozent von beispielsweise Eiern im Produkt enthalten ist, und als Beispiel


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dafür nennen Sie Eiaufstrich und Eiernudeln. Nun sind in den meisten Eiaufstrichen weniger als 50 Prozent Eianteil und bei Eiernudeln sind es überhaupt weniger als 20 Prozent.

Warum wird dieser hohe Anteil von 50 Prozent gewählt, und können Sie ein Beispiel für ein Produkt nennen, in dem mehr als 50 Prozent enthalten sind?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Es gibt entsprechend der Produktgruppe natürlich verschiedene Klassifizierungen. Wir neh­men Anleihe an einem Modell, das es bereits in Frankreich und in Italien gibt, bei dem gemäß diesen Produktgruppen eine Herkunftskennzeichnung hergestellt wurde. Ich glaube, das sinnbildlichste Beispiel sind Milch und verarbeitete Milchprodukte wie bei­spielsweise Joghurt.

Wir nehmen da eben Anleihe bei Ländern, die das bereits in Umsetzung haben, und versuchen, das auch entsprechend zur Verfügung zu stellen. Es soll aber vor allem auch für unsere Lebensmittelhersteller, für unsere Lebensmittelindustrie ein Vorteil sein, die Herkunft Österreich wirklich klar auszuweisen und draufzuschreiben. Daran arbeiten wir, wie gesagt, gemeinsam mit dem zuständigen Gesundheitsministerium.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur 11. Anfrage darf ich Frau Abgeordnete Jachs ans Rednerpult bitten.

10.04.50


Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Der Plan T wurde ja schon angesprochen. Mich würde interessieren:

113/M

„Was beinhaltet der ,Plan T – Masterplan für Tourismus‘ und was sind die nächsten Schritte?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Wir haben einen sehr umfangreichen Beteiligungsprozess ge­startet. Wir haben das quasi nicht vom Ministerium aus in Wien geschrieben, sondern sind in die Bundesländer gegangen und haben dort mit 500 Beteiligten diesen Plan T ausgearbeitet. Uns war es ganz wichtig, ein neues Indikatorensystem für den Tou­rismus und für die Messbarkeit des Erfolgs des Tourismus einzusetzen. Zukünftig wer­den es nicht nur die Nächtigungszahlen alleine sein, sondern es wird gemäß dem Sa­tellitenkonto eine wirklich breite Betrachtung geben, wie es der Branche wirklich geht.

Wir haben speziell auch das Thema der stärkeren Vernetzung zwischen der Landwirt­schaft und dem Tourismus als eines der ganz großen Themen und Schwerpunkte he­rausgearbeitet. Das Thema Digitalisierung ist für uns etwas ganz Zentrales, ebenso das Thema Beschäftigung und die Frage, wie wir vor allem auch junge Menschen stär­ker für die Tourismusbranche begeistern können.

Es ist also ein sehr umfangreiches Projekt. Die Österreich Werbung spielt eine wirklich wichtige und zentrale Rolle im Bereich des Außenauftritts und des Marketings für den Tourismus. Da planen wir in Zukunft, noch viel stärker auf gemeinsame Aktionen und Kampagnen zu setzen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Jachs.


Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Wollen Sie Österreich als Kulinarikdesti­nation erlebbar machen?



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Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ja, da spielt vor allem unser Netzwerk Kulinarik eine maßgebliche Rolle. Ausgangspunkt sind unsere bäuerlichen Familienbetriebe und die unglaubliche Vielfalt an Lebensmittelpro­duktion, die wir in Österreich haben. Wir haben Gott sei Dank die Ausgangssituation, dass in Österreich alles unterschiedlich schmeckt und zum Teil auch ausschaut. Von Vorarlberg bis zum Burgenland gibt es da extrem viel Vielfalt, und das wollen wir im Kulinariknetzwerk auch entsprechend stärker verankern, mit einem Herkunfts- und ei­nem Qualitätssystem unterlegen und so den bäuerlichen Initiativen auch die Möglich­keit geben, sich besser zu vermarkten und eben auch die Vernetzung zum Tourismus hin zu verstärken. Das wollen wir speziell über das Netzwerk Kulinarik sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Hau­ser. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Der Masterplan Tourismus zeigt die Wertschätzung für den Tourismus und ist not­wendig, weil der Tourismus immerhin nicht nur für den ländlichen Raum wichtig ist, sondern 16 Prozent des Bruttonationalproduktes erwirtschaftet. Mit dem Masterplan Tourismus wird eine Strategie für den Tourismus für die Zukunft erarbeitet – es ist der Beginn und eben nicht das Ende –, aber ich möchte nur festhalten, dass das Nachden­ken über den Tourismus, festgehalten im Masterplan Tourismus, nicht das Regierungs­programm ersetzt.

Wir haben ja auf dreieinviertel Seiten ein umfassendes Regierungsprogramm erarbei­tet, mit vielen Verbesserungen für die österreichische Tourismuswirtschaft, wie zum Beispiel die Reduktion der Mehrwertsteuer auf Beherbergung, womit wir den Betrie­ben – mehr als 40 000 Betrieben, von Privatzimmervermietern bis hin zum Hotelier – immerhin 140 Millionen Euro zurückgeben konnten. Jetzt gibt es eben daneben den Masterplan Tourismus, und ein Punkt des Masterplans ist, die Koordination zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Kulinarik zu vertiefen. Wir sind ja nicht umsonst das Bioland Nummer eins.

Sehr geehrte Frau Minister, was kann das Netzwerk Kulinarik zusätzlich für die land­wirtschaftliche Produktion tun?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Uns liegt daran, dass wir ein durchgängiges Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem zur Verfügung stellen. Das soll die Basis bieten, damit wir in der bäuerlichen Produktion auf der einen Seite die Qualitätssicherheit gewährleisten, auf der anderen Seite auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung geben.

Uns liegt auch daran, alternative Vertriebswege zu schaffen. Wir sehen, dass speziell im Tourismus immer wieder auf den Großeinkauf zurückgegriffen wird. Da wollen wir eben auch zusätzliche Schienen zur Verfügung stellen, damit die Tourismusbetriebe leichter und einfacher auf bäuerliche Erzeugnisse mit klarer Herkunft, aus kleinbäuerli­cher Produktion zurückgreifen können, und das soll auch über das Netzwerk Kulinarik zur Verfügung gestellt werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Gru­ber. – Bitte.


Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Air­bnb wurde heute ja schon ein paar Mal erwähnt. Wie wir alle wissen, erschwert Airbnb zum Beispiel das Leben und Wirken unserer Beherbergungsbetriebe enorm.


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Meine Frage dazu: Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie die Vermietung im Rahmen von Airbnb eindämmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Airbnb ist in Österreich mittlerweile ein relevanter Faktor geworden.

Wir haben rund 1,7 Millionen Nächtigungen, die über Buchungsplattformen verzeichnet werden. Uns geht es darum, eine Registrierungspflicht zur Verfügung zu stellen. Wir setzen da an zwei Schrauben an, zum einen bei der Buchungsplattform selber; Grund­lage dafür bietet ja auch eine europäische Regelung, die zurzeit von unserem Finanz­minister ausgearbeitet wird, die die Möglichkeit beinhaltet, dass die Buchungsplattform selbst in die Pflicht genommen wird. Als zusätzliches Instrument wollen wir auch über österreich.gv.at die Möglichkeit schaffen, dass sich der Vermieter mittels weniger Klicks registriert, damit wir mehr oder weniger einen Abgleich und eine doppelte Si­cherheit zur Verfügung stellen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 12. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Un­terrainer. – Bitte.

10.10.45


Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minis­terin! Vor einigen Tagen wurde der Hühnerfleischskandal rund um einen ukrainischen Oligarchen, der massenhaft Billigfleisch in die EU importiert hat, bekannt. Der Großteil dieser Ware, nennen wir es einmal so, ist ohne Wissen über den Ursprung und den Hintergrund des Fleisches – funktioniert hat das über eigene Firmen in der Europäi­schen Union, in denen diese minderwertigen Produkte geringfügig verändert wurden, sodass ein neues, relativ hochwertiges Produkt entstanden ist – dann von unseren Gastronomiebetrieben gekauft worden.

Die heimische Gastronomie setzt ja, wie wir heute schon mehrmals gehört haben, in Österreich seit Jahren auf regionale Produkte und Fleisch aus nachhaltiger Tierhal­tung, und diese Anstrengung unsererseits darf nicht zunichte gemacht werden. Da sind wir alle, glaube ich, einer Meinung. Sowohl die Besitzerinnen und Besitzer der Res­taurants, der Gastwirtschaften, der Hotels und so weiter als auch die Konsumenten und Konsumentinnen müssen ja sichergehen können, dass das Fleisch, das in den Gastronomiebetrieben angeboten wird, auch unseren Standards entspricht.

Anlässlich dieses Falles lautet daher meine Frage:

110/M

„Was werden Sie in welchem Zeitrahmen unternehmen, dass Billigfleischimporte in die EU künftig nicht mehr möglich sein werden und unsere Gastronomiebetriebe nicht aus­getrickst und missbraucht werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Sie haben den ukrainischen Hühnerfleischskandal angespro­chen: Das ist ein Betrug erster Güte und ist als solcher auch klar zu verurteilen. Ich würde mir da wirklich auch wünschen, dass die zuständige EU-Kommission – da ist die DG Sante für die Kontrollen verantwortlich – bei den Importen genauso darauf schaut wie auf das, was beispielsweise bei uns in Österreich produziert wird.

Dieser Missbrauch muss in Zukunft ausgeschlossen werden. Wir treten klar dafür ein – und haben auch schon Gespräche mit der EU-Kommission geführt –, dass in Zukunft genauer kontrolliert wird, dass genauer hingeschaut wird, damit eben entsprechende Missbrauchsskandale einfach nicht mehr passieren.


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Ich halte es nach wie vor wirklich auch für vernünftig, über ein europaweites Herkunfts­system nachzudenken. Wir haben das bereits im Frischfleischbereich, das soll auch auf verarbeitete Produkte ausgeweitet werden, weil viele der Rohstoffe ja verarbeitet werden und der Ursprung dann nicht mehr nachvollziehbar ist. Das kann und wird eine Möglichkeit sein, um hinkünftig eben auch Missbrauch und derartigen Skandalen einen Riegel vorzuschieben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Keine.

Die 13. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Riemer. – Bitte.

10.13.15


Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Über 40 Jahre ist die Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf her. Zwei Katastro­phen – Tschernobyl zum einen, Fukushima zum anderen – haben sich natürlich in Ös­terreich im kollektiven Bewusstsein verankert. Österreich ist seitdem mit alternativen und erneuerbaren Energien einen eigenen Weg gegangen.

Meine Frage an Sie lautet:

107/M

„Welche Maßnahmen werden zur konsequenten Verfolgung des österreichischen Anti-Atomkraft Weges gesetzt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Wir haben das zentral und klar in unserem Regierungsprogramm verankert. Ich glaube, die erste und wichtigste Maßnahme, um Atomenergie und Atom­kraft zurückzudrängen, ist der kontinuierliche Ausbau von erneuerbarer Energie. Da setzen wir in Österreich wirklich neue Maßstäbe, und das werden wir in Zukunft auch weiter fortsetzen.

Im Bereich der nuklearen Sicherheit haben wir sehr viel zu tun, da geht es auch um kerntechnische Anlagen, die wir zum Teil nicht verhindern können, wenn sie beispiels­weise in Nachbarländern gebaut werden, aber wir haben die Pflicht und werden alles dafür tun, dass wir die maximalen Sicherheitsanforderungen sicherstellen. Das gilt für Neubauprojekte genauso wie für bestehende Kernkraftwerke, vor allem auch in unse­ren Nachbarländern. Ich spreche hier Mochovce, die Reaktorblöcke 3 und 4 an, die uns wirklich ganz große Sorgen bereiten. Wir verlangen, dass UVP-Verfahren auch bei Langzeitverlängerungen sichergestellt werden, und wir werden auch versuchen, die allgemeinen Verpflichtungen im Rahmen der Espoo-Konvention entsprechend durch­zusetzen.

Da sind wir wirklich als gesamte Bundesregierung gefordert und setzen uns auch ent­sprechend dafür ein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zanger.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Riemer.


Abgeordneter Josef A. Riemer: Ja, sie wurde aber im Prinzip schon fast beantwortet, und zwar, Frau Bundesminister, wollte ich wissen, was die Bundesregierung und Sie aufgrund der Sicherheitsbedenken gegen die Inbetriebnahme von Mochovce machen – das war ja auch medienwirksam. Was können wir konkret wirklich tun?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Mo­chovce bereitet uns wirklich sehr viel Kopfzerbrechen. Ich habe bereits im März auch ein Gespräch mit meinem Amtskollegen, dem Energieminister in der Slowakei, geführt.


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Mir wurde zugesichert, dass wir auch entsprechend allen Transparenzbestimmungen Zugang zu Berichten bekommen. Wir sind da auf höchster Ebene, auch vonseiten des Bundeskanzlers, bereits aktiv. Wir gehen den besorgniserregenden Berichten über Bau- und Sicherheitsmängel konsequent nach, wir haben auch bereits die internatio­nale Atomaufsichtsbehörde angerufen und um Hilfe gebeten, um da wirklich maximale Transparenz und Sicherheit herzustellen.

Ich würde aber wirklich auch bitten, dass die Sozialdemokratische Partei da tätig wird. Es handelt sich ja um eine sozialdemokratische Regierung in der Slowakei, die maß­geblich dafür Sorge trägt beziehungsweise vorantreibt, dass die nachweislich unsiche­ren Reaktorblöcke 3 und 4 von Mochovce in Betrieb genommen werden. (Zwischenruf der Abg. Bayr. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, da ist wirklich auch parteiübergreifendes Engagement gefragt, damit wir verhindern, dass diese Reaktor­blöcke ans Netz gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist Ihre Verantwortung!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt und beantwortet. Ich bedanke mich für die Beantwortung bei der Frau Bundesminister.

10.17.11Einlauf und Zuweisungen

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3371/J bis 3402/J

2. Anfragebeantwortungen: 2901/AB bis 2903/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 54 Abs. 12 BHG 2013 über die Ge­nehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen und gemäß § 60 Abs. 3 BHG 2013 über zugestimmte Vorbelastungen im 1. Quartal 2019 (Vorlage 44 BA)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung er­lassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylge­setz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B.)

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (593 d.B.)

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (595 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und die Eingliederung


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des Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österrei­chischen Schulwesens erlassen und das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichi­schen Schulwesens geändert wird (596 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (592 d.B.)

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 3402/J der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundeskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur li­beralen Demokratie und zum Rechtsstaat“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2898/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich ferner mitteilen, dass gemäß § 92 der Geschäftsordnung ein Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2898/AB der Anfrage 3000/J der Abgeordneten Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „erneut steigende Treibhausgase im Ver­kehrsbereich“ durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ab­zuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss daran stattfinden.

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf vor Eingang in die Tagesordnung drit­tens auch noch mitteilen, dass die Abgeordneten Gerstl, Stefan, Kolleginnen und Kol­legen beantragt haben, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über die Re­gierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfas­sungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geän­dert wird, 110 der Beilagen, eine Frist bis zum 14. Mai 2019 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen ohne Debatte zur Abstimmung gebracht.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 5 und 6, 10 bis 12 sowie 13 und 14 der Tagesordnung zusammenzu­fassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.


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Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde eine Einigung über die Redezeit erzielt. Dementsprechend haben wir eine Ta­gesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart. Damit ergeben sich folgende Rede­zeiten: 148 Minuten für die ÖVP, für die SPÖ und die FPÖ jeweils 132 Minuten sowie für NEOS und JETZT je 44 Minuten. Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für jene, die keinem Klub angehören, je 22 Minuten, wobei die Redezeit pro Debatte auf 5 Minuten beschränkt ist.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die Redezeit.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig an­genommen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.19.571. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorla­ge (514 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statis­tikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Öster­reich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integra­tionsgesetz-IntG) geändert werden (588 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 669/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsatz­gesetz für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung (589 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 680/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Libera­les Bürgergeld (590 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zu­sammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeitslosenversi­cherung bei langen Bezugsdauern (591 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 4 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf die Frau Bundesminister herzlich bei uns begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Rendi-Wagner. Ich darf ihr das Wort erteilen.



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10.21.20

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade in den letzten Tagen und Wochen konnten wir leider den Verlust des politisch-moralischen Anstands in Österreich sehr deutlich beobachten. (Abg. Belakowitsch: Ja, das konnte man be­obachten!) Es ist aber nicht nur der politisch-moralische Anstand, der verloren gegan­gen ist, sondern es scheint auch so zu sein, dass es der menschliche Anstand ist, der dieser Bundesregierung fehlt. Gerade am Beispiel der Mindestsicherung kann man das sehr gut festmachen.

Ich stelle am Anfang sehr einfache Fragen: Will diese Bundesregierung für die Men­schen in Österreich mehr Möglichkeiten schaffen? Will sie Menschen mehr Chancen, mehr Perspektiven eröffnen? Will sie die soziale Sicherheit der Menschen erhöhen? Will diese Regierung den Menschen aus Notsituationen, die persönlich bedingt sein können – welcher Natur auch immer –, heraushelfen? Sind für diese Bundesregierung alle Kinder in diesem Land wirklich gleich viel wert? (Ruf bei der SPÖ: Nein!) – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Blau, wenn ich mir Ihren Vorschlag zum neuen Sozialhilfegesetz anschaue, so stelle ich fest: Die Antwort auf diese Fragen ist dreimal Nein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Was wir erleben, ist eigentlich noch etwas schlimmer, denn es ist eine Bundesregie­rung, die Bundesländer gegeneinander ausspielt, die Menschen gegeneinander aus­spielt und mit dem Finger auf diese zeigt – auf die Schwächsten der Schwachen in die­sem Land. Nur eines sei gesagt: Politik hat nicht die Aufgabe, mit dem Finger auf Men­schen oder auf Menschengruppen zu zeigen, auch nicht auf NGOs oder Bundesländer, sondern die Aufgabe der Politik ist und bleibt es, Menschen die Hand zu reichen, wenn diese sie brauchen, Menschen zu unterstützen, wenn sie in Notlagen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Wir erwarten uns von dieser Bundesregierung beziehungsweise von einer Bundesre­gierung, wie wir sie verstehen, dass sie verbindet, dass sie zusammenführt, dass sie nicht spaltet, dass sie nicht hetzt. Dazu bräuchte es aber eines, sehr geehrte Damen und Herren, dazu bräuchte es mehr Anstand und Mitmenschlichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade am Beispiel der neuen Mindestsicherung zeigt sich auch, dass wir in der So­zialdemokratie ein gänzlich anderes Menschenbild als Sie haben, denn Ihr Entwurf lässt nur einen Schluss zu, nämlich dass Sie davon ausgehen, dass Menschen, die Sozialhilfe beziehen, eigentlich nicht arbeiten wollen – Tachinierer, sagt man in Wien (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –; ja, das ist Ihr Menschenbild! Wir haben ein ganz anderes: Wir sind der festen Überzeugung, dass Menschen arbeiten wollen, dass sie ihren Beitrag leisten wollen – für sich, für andere und für die Gemeinschaft, für die Gesellschaft. Das ist etwas, das in uns allen drinnen ist. Wir glauben daran, dass Men­schen genau diese Leistung, diesen Beitrag erbringen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, es gibt Ausnahmen, es gibt Menschen, die vielleicht nicht wollen, aber es gibt vor allem auch jene, die nicht können, die nicht arbeiten können oder ihren Beitrag noch nicht leisten können. Es sind die Kinder, es sind Menschen mit körperlichen und geis­tigen Beeinträchtigungen, die ihren Beitrag vielleicht gerade nicht in dem Ausmaß, wie sie es wollen, leisten können. Klar ist aber: Die allergrößte Mehrheit will. Daher ist das auch eine Grundlage, wie wir die Mindestsicherung zu verstehen haben.

Wir verstehen Mindestsicherung erstens als ein Instrument der Existenzsicherung für jene, die noch nicht arbeiten können – die Kinder und jene Menschen, die es eben aus verschiedensten Gründen nicht können –, und zweitens verstehen wir Mindestsiche­rung als Sprungbrett auf den Arbeitsmarkt. Wenn ich mir Ihren Entwurf anschaue, dann


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muss ich sagen, Ihre Mindestsicherung, Ihre Sozialhilfe ist kein Sprungbrett auf den Ar­beitsmarkt, sondern ein Sprungbrett direkt in die Armut. Genau das ist es, was ich da­rin lese. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Sehr geehrte Damen und Herren, Aufgabe einer Regierung, der Regierenden und der Politik eines Landes muss es sein, die Armut und nicht die Armen zu bekämpfen. Das wäre unsere ureigenste Aufgabe (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT), das wäre die Basis des sozialen Friedens in unserem Land.

Was besonders betroffen macht, ist, wie kaltherzig Sie mit den Kindern dieses Landes umgehen. Sie kürzen Familien mit Kindern die Mindestsicherung um 40 Millionen Euro. Das ist übrigens dieselbe Summe, die Sie für PR und Werbung in den Kabinetten aus­geben. (Abg. Leichtfried: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie ver­langen, dass jedes dritte Kind mit 1,50 Euro am Tag auskommt. Ich frage Sie daher: Kommt Ihr Kind, kommen Ihre Kinder mit 1,50 Euro pro Tag aus? Reicht das zum Le­ben? Reicht das zum Essen? Reicht das für ein geglücktes Aufwachsen und Leben? – Nein, es reicht nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie verfrachten 70 000 Kinder – 70 000 Kinder! – in ein chancenloses Leben. Sie ze­mentieren 70 000 Kinder in der Armut, in einer Perspektivenlosigkeit ein. Sie sorgen dafür, dass Armut vererbt wird. Das ist das Produkt schwarz-blauer Sozialpolitik (Zwi­schenruf des Abg. Gudenus), das ist das Produkt des neuen Stils, das ist die soziale Kälte dieser Bundesregierung. Davon war auch die Gesetzwerdung geprägt: Sie sind drübergefahren und haben ignoriert. Sie haben eiskalt die Proteste der NGOs, der Experten und der Bundesländer ignoriert.

Sie wissen es ganz genau: Dieses Sozialabbaugesetz schafft Kinderarmut, spaltet un­sere Gesellschaft und setzt den Grundstein für Lohndumping in Österreich. Die Sozial­demokratie wird niemals – niemals! – einem solchen Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Har­tinger-Klein. – Bitte.


10.29.22

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dem heutigen Tag gehen wir im Plenum den nächsten Schritt für ein Reformvorhaben. (Ruf bei der SPÖ: Zur Armut!) Gleich zur ersten Frage, Frau Klubobfrau: Wir schaffen damit mehr Sicherheit, mehr Chancen, mehr Fairness, mehr Gerechtigkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt ja nicht! – Abg. Leichtfried: Für die Spon­soren des Herrn Kurz!)

Ich freue mich, sagen zu können, dass es in der Geschichte unserer Republik zum ers­ten Mal gelungen ist, ein Grundsatzgesetz des Bundes im Bereich des Armenwesens vorzulegen. Diese Bundesregierung bekennt sich zum Sozialstaat Österreich, der sei­nen Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet ist (Abg. Leichtfried: Scherzerl! Ruf bei der SPÖ: Das stimmt ja gar nicht! – weiterer Ruf bei der SPÖ: Glauben Sie, was Sie sagen?), nämlich dort Hilfe zu leisten, wo Hilfe wirklich nötig ist: bei Menschen, die jah­relang gearbeitet haben und plötzlich vor dem Aus stehen (Zwischenruf des Abg. Rossmann); bei Menschen, denen eine Krankheit übel mitgespielt hat und die nun hart um ihre Zukunft kämpfen; bei Menschen, die wirtschaftlich hingefallen sind und wieder aufstehen möchten.

Am 15. April, also letzte Woche, wurde diese Regierungsvorlage im Sozialausschuss behandelt, und dieser Ausschusssitzung ist auch, wie Sie wissen, ein Expertenhearing


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vorausgegangen. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit für einen Faktencheck nutzen. (Abg. Heinisch-Hosek: Den verlieren Sie!) Aufgrund der Diskussionsbeiträge im Sozialausschuss habe ich den Eindruck, dass zu ein paar Punkten noch immer Falschmeldungen verbreitet sind. (Abg. Leichtfried: Wie viele von den 140 Stellung­nahmen waren positiv? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der erste Faktencheck: Das dritte Kind ist nur mehr 44 Euro wert.  Meine Damen und Herren, richtig ist, dass die Beiträge für die Kinder zusammenzuzählen und rechnerisch auf alle Kinder aufzuteilen sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber nicht jedes Kind ist gleich viel wert!) Bei einer Familie mit drei Kindern bedeutet das pro Kind 132 Euro pro Monat Sozialhilfe plus Familienbeihilfe. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weiterer Faktencheck: Obdachlose erhalten keine Sozialhilfe. – Richtig ist, dass auch Obdachlose eine sogenannte Hauptwohnsitzbestätigung relativ niederschwellig erhal­ten können. (Abg. Leichtfried: Ja, mit dem neuen Meldesystem!) Obdachlose, die re­gelmäßig eine Kontaktstelle aufsuchen (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja zynisch!), zum Beispiel eine Obdachloseneinrichtung, bekommen natürlich auch Sozialhilfe. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Dritter Punkt: Falsch ist, dass freiwillige Spenden privater Natur auf die Sozialhilfe an­gerechnet werden. (Abg. Leichtfried: Was war in dem Vorschlag? Sagen Sie, was in dem Vorschlag war!) – Richtig ist vielmehr, dass weder Spenden von Licht ins Dunkel zur Finanzierung von elektrischen Rollstühlen (Abg. Heinisch-Hosek: Da haben Sie lange gebraucht!) noch Essensgutscheine der Caritas oder einmalige Geldaushilfen von Verwandten oder Bekannten auf die Sozialhilfe angerechnet werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Warum haben Sie das geändert? Sagen Sie das!) Das heißt, dass Spenden jeglicher Art, freiwillige Geldleis­tungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, natürlich nicht angerechnet werden.

Weiters ist falsch, dass Mindestsicherungsbezieher in Österreich weniger als bei Hartz IV bekommen. – Meine Damen und Herren, ich habe immer gesagt: Mit mir gibt es kein Hartz IV! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Leicht­fried: Das ist jetzt Kurz IV! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Auch da werden Äpfel mit Birnen vermischt; das sind zwei völlig verschiedene Systeme. (Abg. Leicht­fried: Das war jetzt ein interessantes Geständnis!) Eine Notstandshilfe, wie wir sie in Österreich haben und weiterhin haben werden, gibt es in Deutschland nicht. Men­schen, bei denen der Arbeitslosengeldbezug bereits ausgelaufen ist, fallen in Deutsch­land sofort in Hartz IV mit Vermögenszugriff. In Österreich erhalten sie Notstandshilfe ohne Vermögenszugriff. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wie lange?) – Sie haben gerade nicht zugehört: Die Notstandshilfe gilt noch weiter. (Rufe bei der SPÖ: Wie lange?)

Weiters ist falsch, dass es für Menschen mit Behinderung massive Verschlechterungen geben wird. – Ganz im Gegenteil: Wir haben in unserem Grundsatzgesetz extra eine Schutzklausel zugunsten der Menschen mit Behinderung. Diese besagt, dass die Län­der an ihren bisherigen spezifischen Regelungen für Menschen mit Behinderung fest­halten und weiter entsprechend auszahlen können.

Menschen mit Behinderung abzusichern ist ein Muss des Grundsatzgesetzes. Das heißt erstens, das Grundsatzgesetz sieht einen verpflichtenden Zuschlag für Menschen mit Behinderung von rund 160 Euro im Monat vor. Zweitens: Auf den Nachweis der Sprachkenntnisse ist zu verzichten, wenn der Spracherwerb behinderungsbedingt nicht möglich ist. Drittens: Gleiches gilt auch für den Einsatz der Arbeitskraft von Menschen mit Behinderung, wenn sie diesen nicht erbringen können. Angehörige, die Familien­mitglieder pflegen, sind besser abgesichert; bei demenzkranken und minderjährigen Per-


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sonen ist Pflegestufe 1 ausreichend. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch ein Faktencheck: Mindestpensionisten fallen aus der Sozialhilfe heraus. – Nein, das ist falsch. Richtig ist, dass Mindestpensionisten nicht um ihre Wohnleistung fürch­ten müssen. Sie sind grundsätzlich keine Zielgruppe der neuen Sozialhilfe, das heißt, die Ausgleichszulage ist keine Leistung der Sozialhilfe. Es bleibt den Ländern überlas­sen und auch unbenommen, Mindestpensionisten auch Wohnbeihilfe oder sonstige Extraleistungen zu gewähren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weiterer Faktencheck: Subsidiär Schutzberechtigte müssen gleichbehandelt werden. Anderes widerspräche Unionsrecht, behaupten Sie.  Nein, auch das ist falsch. Richtig ist, dass selbst die unionsrechtlichen Vorschriften die Möglichkeit vorsehen, subsidiär Schutzberechtigte anders zu behandeln und die Leistungen auf Kernleistungen zu re­duzieren.

Ich komme jetzt zu einem Thema, das uns als Bundesregierung und mir persönlich sehr, sehr wichtig ist: Es wird immer diskutiert, dass wir die Armut damit vorantreiben. (Abg. Heinisch-Hosek: Ganz genau!) – Das weise ich aufs Schärfste zurück. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum einen hat diese Regierung bereits zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut umgesetzt. Wir haben ja so viele Baustellen von Ihnen geerbt (Abg. Leicht­fried: ... was denn?), wir müssen daher auch diese Maßnahmen umsetzen (Beifall bei FPÖ und ÖVP – Widerspruch bei der SPÖ): Erstens, Arbeitnehmer mit geringem Ein­kommen profitieren seit Mitte 2018 von der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbei­träge (Zwischenruf des Abg. Vogl); zweitens, die Einführung des Familienbonus Plus mit Beginn des Jahres erhöht das Einkommen von Familien um bis zu 1 500 Euro pro Kind (Zwischenruf des Abg. Loacker); drittens, Aktion Schulstartpaket; viertens, die Ausbildung bis 18; fünftens, die Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für Menschen mit geringem Einkommen, die mit der Steuerreform kommt; sechstens, die frühen Hilfen; siebentens, der Bildungsbereich. Viele Maßnahmen, die Sie zuvor nicht gesetzt haben, setzen also wir und setzen wir jetzt um, um Armut zu verhindern. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Was war siebentens?)

Aus meiner Sicht wurde im Grundsatzgesetz sehr viel Augenmerk darauf gelegt, dass es nicht bei den Höchstsätzen bleibt. Die Länder haben vielmehr eine Reihe von Überschreitungsmöglichkeiten, nämlich die Wohnkostenpauschale, die Härtefallklausel und nicht zuletzt bei den Alleinerziehenden. Es war für uns als Regierung ein Muss, den Alleinerziehenden mehr Hilfe zu geben. Diese liegt im Rahmen von maximal 106 Euro für das erste Kind bis maximal 27 Euro für jedes ab dem vierten Kind. Das bedeutet zusätzliche Leistungen für alleinerziehende Personen, damit ja keine Armuts­gefährdung vorhanden ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zudem haben die Länder die Möglichkeit der Überschreitung bei Menschen mit Behin­derung und betreffend Schutz im Alter. Den Spielraum haben wir auch bei den Zu­schüssen für Heizkosten erhöht. Das wurde ja auch immer kritisiert, aber es ist genau im Gesetz gestanden. Durch den Abänderungsantrag werden wir das noch einmal klar­legen, damit es wirklich alle verstehen. Das heißt, es besteht auch bei Zuschüssen für Heizkosten die Möglichkeit, sie per Geldleistung und als Sachleistung auszuzahlen.

Wichtig sind der Bundesregierung folgende Kernanliegen, die wir im Rahmen der So­zialhilfe Neu umsetzen: Die Sozialhilfe soll künftig stärker mit Anreizen zur Arbeitsauf­nahme verknüpft werden. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Da setzen wir mit einem höhe­ren Wiedereinstiegsfreibeitrag neue Impulse. Weiters soll die Unterstützung im Rah­men der Sozialhilfe künftig verstärkt über Sachleistungen erbracht werden. Ziel ist da vor allem mehr Treffsicherheit. Die Sozialhilfe soll nur mehr in voller Höhe zustehen,


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wenn Menschen auch bereit sind, sich möglichst rasch zu integrieren. Da werden mit dem Arbeitsqualifizierungsbonus höhere Anreize für Spracherwerb geschaffen. (Ruf bei der SPÖ: Bla, bla! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Einkommen von Arbeitnehmerhaushalten sollen sich künftig wieder deutlicher von jenen Einkünften un­terscheiden, die Haushalte mit Sozialhilfebezug erreichen können.

Das heißt, es sind so viele Anreize, die die Regierung diesbezüglich schafft. Weiters war insbesondere der Schutz des Eigentums ein ganz großer Wunsch meiner Fraktion; wir wollen das Eigentum schützen. Das bedeutet erstens eine Schonfrist für Woh­nungseigentum (Abg. Leichtfried: Wie lange?) von drei Jahren (Abg. Leichtfried: Was ist nachher?) und zweitens ein Schonvermögen für eigene Ersparnisse von bis zu 5 300 Euro, das sind um 1 000 Euro mehr als vorher. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mit dem vorliegenden Reformvorhaben wird, wie bereits erwähnt, ein weiterer wichtiger Punkt des Regierungsprogramms verwirklicht. Ich möchte mich beim Koalitionspartner bedanken, dass wir das in die Realität umsetzen können. Wir schaffen Fairness, Ge­rechtigkeit und Treffsicherheit! (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße den Pensionistenverband von Alt­münster recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


10.41.27

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen, Kollegen! Liebe Gäste hier auf der Galerie, daheim vor den Fernsehge­räten! Heute beschließen wir nun das neue Sozialhilfegesetz, das sehr lange verhan­delt worden ist und das, entgegen den Aussagen von Frau Rendi-Wagner, nicht husch-pfusch hier hereingekommen ist und ganz schnell beschlossen wird.

Frau Rendi-Wagner, Sie stellen sich hierher und stellen drei Fragen. Diese Fragen hät­ten Sie, hätten Sie sich wirklich interessiert, auch im Expertenhearing stellen können, das wir in der Osterwoche gehabt haben. Einen ganzen Tag lang sind wir hier geses­sen und haben Fragen gestellt, einerseits an die Experten - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie natürlich nicht! Sie von der SPÖ haben keine Fragen gestellt, Ihnen hat es gereicht, einen Experten zu diskreditieren und niederzumachen. Das war Ihr Beitrag dazu. Ihnen war der Inhalt vollkommen egal. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das merkt man ja auch an all diesen Dingen, die Sie hier vom Rednerpult aus erzählen und die überhaupt nicht stimmen. Die stimmen schlicht und einfach nicht! Es wird nicht weniger Geld für die AlleinerzieherInnen geben. (Abg. Rendi-Wagner: Habe ich gar nicht erwähnt!) Hätten Sie sich das Gesetz durchgelesen, wüssten Sie, dass es einen Alleinerzieherzuschlag für die Kinder gibt. Allein diese Aussage zeigt schon: Sie haben es sich nicht durchgelesen oder es interessiert Sie auch gar nicht. (Abg. Rendi-Wag­ner: Ich habe es gar nicht erwähnt!) – Sie haben es nicht erwähnt, nein, Sie haben ge­sagt, es kommt zu Kinderarmut.

Wissen Sie eigentlich, was Sie hier gesagt haben? – Sie haben Fragen gestellt, und dann haben Sie behauptet, es kommt zu Kinderarmut. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Ich weiß schon, Ihre Rede war insgesamt ein bisschen schwach (Beifall bei FPÖ und ÖVP), aber ich möchte das jetzt einmal alles wieder zurechtrü­cken, damit die Zuseherinnen und Zuseher daheim vor den Fernsehgeräten auch wis­sen, worum es wirklich geht.

Es geht nämlich schon auch darum: Wir haben in den letzten Jahren eines erlebt, wir haben einen sprunghaften Anstieg bei der Anzahl der Mindestsicherungsbezieher er­lebt. Dieser geht zwar jetzt langsam zurück, aber was weiter ansteigt, ist die Anzahl der


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Asylberechtigten in der Mindestsicherung; die ist nämlich im letzten Jahr um weitere 6 Prozent angestiegen. Genau deshalb ist es so notwendig, dem auch endlich einmal einen Riegel vorzuschieben und zu sagen: Nein, wir wollen keine anhaltende Zuwan­derung in das Sozialsystem! Diese Fehlentwicklung gilt es aufzuhalten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das ist genau das, was Sie wollen, dafür sind Sie gestanden. Wenn man sich die Zah­len anschaut, die wir aus Wien bekommen haben, wo Familien teilweise mehrere Tau­send Euro an Mindestsicherung bekommen haben – jeden Monat, ohne Kontrolle ‑, wo Gelder an Menschen aus irgendwelchen Ländern, die längst in ihren Heimatländern zurück waren, ausbezahlt worden sind, und die Skandale beim Fonds Soziales Wien, die sich in den letzten Jahren exponentiell gesteigert haben, dann muss man sagen, es war dringend notwendig, endlich einmal die Notbremse zu ziehen und zu sagen: Diese Missstände darf es nicht mehr geben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es war der ehemalige Sozialminister Stöger, der es nicht geschafft hat, eine einheitli­che Lösung für alle Länder zu finden. Sie (in Richtung Abg. Stöger) waren derjenige, der es zu verantworten hatte, dass wir neun unterschiedliche Gesetze hatten, dass wir einen - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Warum werdet ihr denn so laut? Ihr wisst eh genau, dass es stimmt, was ich sage. Es war Stöger! Stöger hat dieses Problem in Wahrheit begründet. Das könnt ihr nicht verleugnen, denn das ist bekannt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir haben dann neun unterschiedliche Systeme gehabt. (Abg. Krist: Wenn hier jemand herumschreit, dann sind Sie das, Frau Kollegin!) – Na, dann seien Sie ein bisschen leiser, dann muss ich auch nicht so laut schreien. Sie brüllen immer dazwischen. Sie glauben immer, Sie müssen etwas sagen, obwohl Sie keiner fragt. Das ist Ihr Hauptproblem (in Richtung SPÖ) da drüben. Und wenn Sie die Möglichkeit haben, hier etwas zu sagen, dann kommt wieder nichts. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Genau diese Probleme haben wir aber gehabt. Wir haben dann auch das Problem der Sozialwanderung gehabt: dass Menschen aus anderen Bundesländern nach Wien ge­zogen sind, weil sie dort in der Mindestsicherung weit mehr Geld bekommen haben als mit Erwerbsarbeit in anderen Bundesländern. All diese Probleme sind jahrelang be­kannt gewesen, und was haben Sie gemacht? – Herr Stöger, Sie sind genauso dage­sessen und haben nichts gemacht, so wie Sie jetzt nichts tun. Sie sind halt dagesessen und haben es laufen lassen.

Wir haben aber den Anspruch gehabt: Wir wollen dieses Problem in die Hand nehmen und ändern. Wir wollen die Schieflage wieder in eine Ebene bringen, wir wollen wieder Gerechtigkeit schaffen. Die Mindestsicherung ist ein Ersatzeinkommen geworden, und das darf es nicht sein und das soll es nicht sein! Die Sozialhilfe Neu ist für Menschen in Notlagen. Sie ist eine Überbrückungshilfe, sie ist kein Ersatz für Erwerbsarbeit. Das kann es auch nicht sein und das soll es auch nicht sein, und genau in diese Richtung wollen wir gehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Für jene Menschen, die in einer Notlage sind, die sehr wenig verdienen und aufstocken wollen, gibt es massive Verbesserungen. Wir wissen und Sie von der SPÖ wissen es auch: Aufgrund Ihrer Regelung, die Sie damals, 2010, beschlossen haben, war es für viele Familien und für viele AlleinerzieherInnen nicht möglich, zu sagen: Ich stocke auf!, denn dann wäre möglicherweise die Eigentumswohnung weg gewesen. Genau davor haben die Leute Angst gehabt. Wir haben jetzt die Sperrfrist, die Schonfrist, bis auf das Eigentum zugegriffen wird, auf drei Jahre verlängert. Bei einer durchschnittli­chen Verweildauer in der Mindestsicherung von neun Monaten hilft das genau diesen Menschen sehr viel weiter, weil sie jetzt vielleicht 100, 150, 200 Euro aufstocken kön­nen; das ist etwas, was sie vorher eben nicht tun konnten.

Das heißt, es ist nicht so, dass die Regierung da einspart. Ganz im Gegenteil, sie geht davon aus, dass in Zukunft vielleicht sogar viel mehr Menschen die Mindestsicherung


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beziehen werden, sich das holen, was sie wirklich brauchen, um ein besseres Leben führen zu können. Das ist das, was Sie zu verleugnen versuchen. Das ist das, was Sie einfach totschweigen. Ihnen geht es nur um eines, Sie schießen sich nur auf die ver­pflichtenden Deutschkurse ein, die wollen Sie nicht. Es tut mir wahnsinnig leid, aber das ist etwas, was ganz wichtig ist, denn Deutsch ist ein Basic für Menschen, die zu uns kommen. Ohne die Sprache wird es niemals eine Integration am Arbeitsplatz ge­ben. Das ist vollkommen denkunmöglich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir sehen die Probleme heute schon. Es sind ja die Asylberechtigten, die die langen Verweildauern in der Mindestsicherung haben. Wir wissen nicht, ob wir es überhaupt jemals schaffen, dass wir diese Leute in unseren Arbeitsmarkt integrieren. Von den über 30 000 arbeitslos gemeldeten Asylberechtigten ist es laut Auskunft des Herrn Taucher, des ehemaligen Chefs des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, über­haupt nur einem Drittel möglich, jemals in den Arbeitsprozess zu kommen. Alle ande­ren können nicht nur die Sprache nicht, sondern müssten auch noch alphabetisiert werden. Es gibt da also enorme Probleme, und genau die gilt es aber nicht weiter zu verstärken, sondern die gilt es zu bekämpfen. Das ist das Bekenntnis, dazu bekennen wir uns und dazu stehen wir. Daher war es dringend notwendig, diese Reform durch­zuführen, und ich bin sehr, sehr froh, dass es gelungen ist.

Dieser Prozess war ein sehr langer. Wir haben sehr lange verhandelt, und es sind viele Kritikpunkte, die es gegeben hat, noch klargestellt worden, beispielsweise betreffend Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen, die Angst hatten, dass dann womöglich zusammengerechnet wird. Das wurde alles noch klargestellt. Es war nicht geplant; möglicherweise war es im ursprünglichen Entwurf, im Begutachtungsentwurf, für manche unverständlich. Die Kritiken wurden wirklich ernst genommen, Unklarheiten wurden richtiggestellt und wurden so formuliert, dass es jetzt eindeutig ist.

Es wird auch an den Ländern liegen, das umzusetzen. Wenn sich Frau Rendi-Wagner hierherstellt – jetzt ist sie eh schon wieder weg, sie hat ja ihre Rede schon gehalten. (Rufe bei der SPÖ: Nein! Nein! Dort hinten!) – Na ja, sie hat sich hinten versteckt. Ich verstehe schon, dass sie sich versteckt, ich würde mich für so eine Rede auch genie­ren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wenn sie sich hierherstellt und sagt: Gehen Sie nicht auf die Bundesländer los!, dann frage ich mich schon: Meinen Sie allen Ernstes, wenn Herr Hacker ankündigt, das Gesetz nicht umsetzen zu wollen, dass die Regierung sich hinsetzt und sagt: Na ja, dann machen Sie halt in Wien weiter wie bisher, mein Gott, Wien ist halt ein rechtsfreier Raum!? – Nein, meine Damen und Herren, so ist es nicht!

Auch der Wiener Stadtrat wird sich daran halten müssen, und Sie werden sehen, auch er wird es tun, auch er wird ein Ausführungsgesetz vorlegen – das wird er sehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Drohen Sie?) – Bitte? (Abg. Heinisch-Hosek: Drohen Sie? – Abg. Rosenkranz: Was soll denn das jetzt? Meine Güte! Drohen, das ist eine strafba­re ...!) – Ich weiß ja nicht, welches - - Ich habe gesagt, Sie werden sehen, auch Herr Hacker wird ein Gesetz vorlegen. (Abg. Rosenkranz: Das ist unfassbar mit Ihnen!) Ich stelle mir langsam die Frage, ich weiß nicht, welches Problem Sie haben, Frau Hei­nisch-Hosek; es ist ein massives, glaube ich. Mit einer Drohung hat das aber jedenfalls nichts zu tun gehabt. Ich habe Ihnen gesagt, Herr Hacker wird ein Gesetz vorlegen, denn er wird eines vorlegen müssen. Wenn Sie gerne in der Anarchie leben, dann ist das Ihre Sache, aber dann sollten Sie sich wirklich überlegen, ob Sie Teil der österrei­chischen Gesetzgebung bleiben wollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben einen sehr guten Gesetzentwurf vor­gelegt. Die Frau Minister hat einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt, der wirklich in allen Punkten genau durchdacht worden ist, der wirklich lange und ausführlich ver­handelt worden ist, damit es eben nicht zu Härtefällen kommt, damit es in unserem Land nicht zu einer Armut kommen muss, sondern damit jenen, die es notwendig ha-


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ben, auch entsprechend geholfen werden kann. Es ist jedenfalls eine massive Ver­besserung für die Menschen in diesem Land. Es ist auch so, dass Menschen, die zu uns gekommen sind, jetzt verpflichtet werden, den Deutschkurs zu besuchen. (Anhal­tender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Scherak: Das ist ja wie im Stadion da!)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


10.51.58

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Im April 2018 hat die Bundesregierung in einer großen Pressekonferenz angekündigt, dass die neue Mindestsicherung komme, nämlich im Juni 2018. Seither ist mehr als ein Jahr vergangen (Ruf bei der SPÖ: Zum Glück!), das es gebraucht hat, bis diese ewige Ankündigung mit schriller Begleitmusik zur Umset­zung gelangt ist. Und diese schrille Begleitmusik, die wir jetzt ein Jahr lang hatten, ist so gegangen: Die bösen Ausländerfamilien mit den vielen Kindern sind schuld!

So hat Sebastian Kurz beim dritten Satz in der Pressekonferenz gleich die Ausländer­familien mit den vielen Kindern herangezogen, und die Frau Ministerin hat gesagt: Fremde müssen warten! – Jetzt haben wir sie, die Schuldigen: die Ausländer.

Doch diese schrille Begleitmusik war nur Ablenkung, die war nicht das, worum es geht. Worum geht es wirklich? – Das neue Gesetz verteilt ein bisschen um; ein bisschen von den Mehrkindfamilien weg hin zu den Alleinerziehenden und zu den Menschen mit Be­hinderung. Das war es dann aber auch schon. Und weil die Alleinerziehenden eine viel größere Gruppe sind als die Familien mit vielen Kindern, kommt das neue Gesetz auch ein bisschen teurer als das alte, das können Sie der wirkungsorientierten Folgenab­schätzung entnehmen. Viel Lärm also um nichts!

Aber die SPÖ rennt gleich in die Falle und bespielt jenes Feld, das die Regierung so gerne eröffnet, nämlich das Ausländerspielfeld. Wenn man sich das wirklich anschauen würde, dann wüsste man, dass die Alleinstehenden die größte Gruppe bei den Min­destsicherungsbeziehern sind, und die zweitgrößte Gruppe sind die Alleinerziehenden mit einem Kind. Aber das Ablenkungsmanöver der Regierung, die ihre gesamte Re­gierungsarbeit in wirklich verachtenswerter Weise auf Ausländerressentiments aufbaut, funktioniert unter anderem auch deswegen, weil die größte Oppositionspartei Opposi­tionsarbeit nicht kann und in jede aufgelegte Falle direkt hineinrennt.

Diese durchgängige Antiausländerpolitik, die der einzige Kern der Regierungsarbeit ist, kann man an mehreren Punkten nachvollziehen – schauen Sie sich das an! Lehrlinge, die eine Lehre machen, für die sich kein Österreicher und kein EU-Bürger findet, wer­den abgeschoben. – Das spart nichts ein, aber es schadet den Ausländern. Zeitungs­verkäufer werden von der Pflichtversicherung im ASVG ausgenommen. – Das spart nichts ein, aber das trifft Ausländer. Man verstaatlicht jetzt mit diesem Gesetz das Sys­tem der Deutschprüfungen für integrationswillige ausländische Mitbürger. – Das spart nichts ein, aber es schadet den Ausländern, weil es das Angebot verknappt.

Selbst dort, wo es gar nicht um Ausländer geht, wie beim neuen Wohnungsgemeinnüt­zigkeitsgesetz, verkauft die Regierung den Medien erfolgreich einen Inländervorrang vor Ausländern. Wenn man aber in die Landesgesetze zur Wohnbauförderung schaut, dann weiß man, dort ist immer die Staatsangehörigkeit ein Kriterium, ob jemand für die Wohnbauförderung förderwürdig ist oder nicht. Aber das ist egal. Man bekommt schö­ne Zeitungsartikel, man bekommt schöne Fernsehberichte, wenn man etwas gegen die Ausländer sagt. Diese Regierung würde sogar den Wetterbericht auf Ausländer fra­men, wenn es ihr gelänge. (Beifall bei den NEOS.)


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Was wir hier erleben, ist primitive Arbeit auf der Basis von primitiven Instinkten. Die we­sentlichen Baustellen der Mindestsicherung bleiben völlig unbearbeitet. Was der Rech­nungshof seit Jahren fordert, nämlich dass man die zwei sozialen Sicherungssysteme, Notstandshilfe und Mindestsicherung, zu einem System der sozialen Absicherung zu­sammenzieht, das bleibt unerledigt. Es wird weiterhin so sein, dass der Großteil der Bezieher, die Aufstocker sind, zu zwei Behörden gehen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Wir werden weiterhin einen Datensalat haben, weil neun Landesgesetze se­parat gemacht werden und neun EDV-Systeme separat aufgebaut werden. Wir werden wieder keine vergleichbaren Daten haben. Das, was die alte Mindestsicherung nicht konnte, kann die neue Sozialhilfe auch nicht.

Was wir gebraucht hätten, wäre eine auszahlende Stelle für einen Bezug, nämlich das liberale Bürgergeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung zusammengezogen. Das müsste bundeseinheitlich sein und so gemacht sein, dass nicht der mehr bekommt, der sich im Behördendschungel besser auskennt, sondern dass alle von einer Stelle die­sen Bezug bekommen.

Anstatt ein Jahr lang um ein Sozialhilfegesetz so einen Wirbel zu machen, wo es um in Summe 950 Millionen Euro geht, hätte man sich auch der großen Baustelle Pensionen zuwenden können, denn dort geht es um 20 000 Millionen Euro, da geht es um 20 Mil­liarden Euro. Das ist Ihnen wurscht, das ist Ihnen piepschnurzegal, Sie rühren keinen Finger bei den Pensionen, aber zu dem Thema kann man auch keine Antiausländer­politik machen. (Beifall bei den NEOS.)

Ja, es geht Ihnen einzig und allein darum, Stimmung gegen Ausländer zu machen, es geht Ihnen einzig und allein darum, auf der Welle der Ressentiments Wahlerfolge ein­zufahren. – Das ist schmutzige Politik, das ist schäbige Politik und das ist Ihr persönli­ches Armutszeugnis. (Beifall bei den NEOS.)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubob­mann Wöginger. – Bitte.


10.57.50

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, wie hier zum So­zialhilfe-Grundsatzgesetz diskutiert wird, zu einem Gesetz, das seinesgleichen sucht, meine Damen und Herren! Es ist ein weiterer Meilenstein dieser Bundesregierung und auch in der Sozialpolitik in Österreich. Wir setzen das um, was wir versprochen ha­ben – auch mit diesem Gesetz! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir folgen damit eigentlich dem Grundsatz in der Sozialhilfelogik: Wir helfen jenen Men­schen, die diese Hilfe auch benötigen, weil sie sich selbst helfen möchten, aber nicht können. Wir können aber jenen, die sich selber helfen könnten, aber es nicht wollen, auf Dauer keine Unterstützung geben. Es ist auch in der Politik unsere Verantwortung, diesem Grundsatz treu und gerecht zu werden – mit einem Sozialhilfe-Grundsatzge­setz, das in Zukunft auch für alle neun Bundesländer gilt, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist schon eigenartig, Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie stellen sich hier heraus, kri­tisieren das Gesetz von hinten bis vorne – und nennen keine einzige Zahl! Darum geht es doch eigentlich: Wie viel geben wir den Menschen aus den Steuertöpfen von Län­dern und Gemeinden? Die sind es nämlich, die die Sozialhilfe in Österreich bezahlen.

Für die Einzelperson ändern wir nichts an dem, was es früher gegeben hat. Es ist der Nettoausgleichszulagenrichtsatz. Das, was ein Mindestpensionist in Österreich be­kommt, bekommt eine Einzelperson, auch wenn sie in der Mindestsicherung ist. Das


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sind 885 Euro netto pro Monat. Es war gut und recht, als der Kollege Hundstorfer sei­nerzeit die 15a-Vereinbarung mit uns abgeschlossen hat – und heute ist es das Teu­felswerk, ist es zu wenig! Immer dann, wenn Sie nicht regieren, gerät die SPÖ aus den Fugen. Sie haben aber auch zu akzeptieren, dass es eine andere Mehrheit hier in die­sem Hause gibt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Uns geht es um jene, die sich in erster Linie selber nicht helfen können. Es ist eine Überbrückung, wie richtig gesagt wurde. Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende werden mit diesem Gesetz bessergestellt. Menschen mit Behinderung bekommen 160 Euro pro Monat mehr. Wir haben einen zusätzlichen Bonus für die Kinder von Al­leinerziehenden – Kollege Loacker hat das richtig angesprochen –, das sind die größ­ten Gruppen, das sind die Einzelpersonen und jene, die alleinerziehend sind. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben einen Wiedereinsteigerbonus, das heißt, Leistung muss angerechnet wer­den. Wer arbeitet, darf sich für maximal zwölf Monate einen Teil des Erwerbseinkom­mens zusätzlich behalten. Warum? – Weil wir die Menschen sonst nicht in Arbeit brin­gen, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, mit welchen Scheuklappen Sie in Ihren Wahlkreisen unterwegs sind. Im Übrigen sagen das auch Ihre Mitglieder draußen in den Regionen, die stehen nämlich zu dem Gesetz, die verstehen, dass wir da eine Hö­he brauchen, die angemessen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zusätzlich gibt es eine Härtefallregelung, die sehr große Spielräume bietet. Warum? – Weil wir da in der Grundsatzgesetzgebung sind, und daher brauchen wir Spielräume für die Vollzugsbehörden, in diesem Sinne für die Bezirkshauptmannschaften und auch für die Magistrate. Ich bin selber durch die Bundesländer gefahren, vor allem auch durch die westlichen, weil es da spezielle Situationen am Wohnungssektor gibt. Woh­nungen sind in Salzburg, in Innsbruck und in Bregenz teurer, das ist unbestritten; daher haben wir gemeinsam eine Lösung geschaffen, dass die Länder die Möglichkeit haben, da bis zu 30 Prozent dazuzugeben – weil wir das verstehen.

Dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist ein Gesetz mit Hausverstand, meine Damen und Herren, und das ist auch ein Zeichen dieser Bundesregierung, dass letzten Endes mit Hausverstand gearbeitet wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Kommen wir zu den Kindern: Armut, Kinder bekommen kein Geld mehr. – Es ist ei­gentlich mein Grundverständnis, dass von diesem Pult aus nicht ständig die Unwahr­heit gesagt werden darf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sehe das aber in Permanenz, seit die SPÖ in Opposition ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine fünfköpfige Familie – Eltern mit drei Kindern – bekommt in Zukunft einen Nettobe­trag von 1 640 Euro pro Monat an Sozialhilfe. Dazu kommt die Familienbeihilfe für die drei Kinder mit rund 630 Euro. Das sind 2 270 Euro (Ruf bei der FPÖ: Netto!) netto pro Monat für diese fünfköpfige Familie. (Zwischenruf der Abg. Yildirim.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, jetzt frage ich Sie eines: Was erzählen Sie Ihrem Tischler, was erzählen Sie der Kellnerin, was erzählen Sie einem Koch, was erzählen Sie jemandem, der 40 Stunden in der Woche in einem Industriebetrieb arbei­tet und dort als Schweißer tätig ist und 2 200 Euro brutto verdient (Abg. Yildirim: Dass er unterbezahlt ist!) und mit seinen Abgaben dafür sorgt, dass diese Sozialhilfe letzten Endes ausbezahlt werden kann? – Die Antwort auf diese Frage sind Sie uns schuldig geblieben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es sind 1 000 Euro für drei Kinder. Ich fordere nicht nur die SPÖ, sondern auch alle an­deren Organisationen auf, die mit diesen 43, 44 Euro hausieren gehen: Die Familien­beihilfe gehört dazugerechnet! Das gehört zum Einkommen dazu, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Stehen für diese drei Kinder 1 000 Euro zur Verfügung, dann sind es nicht 43 oder 44 Euro, dann sind es 333 Euro pro Kind und Monat, die dieser Familie zur Verfügung stehen. Ich bitte wirklich eindringlich darum, dass endlich einmal klar ist: Das steht in dem Gesetz, das wird so umgesetzt und das bekommen die Familien für ihre Kinder – pro Kind 333 Euro pro Monat. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben aber ein Grundsatzproblem. Angesichts der wirtschaftlichen Situation in Ös­terreich werden wir bei jedem Betriebsbesuch dahin gehend angesprochen: Wir brau­chen Arbeitskräfte, Fachkräfte, wir haben einen Mangel in diesem Bereich! – Das, was wir schon in diesem Gesetz abbilden, ist, dass wir von all jenen, die arbeiten können, erwarten, dass sie auch bereit sind, eine Arbeit anzunehmen. Es ist notwendig, meine Damen und Herren, dass wir das auch sagen: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme in diesem Land sein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu dieser ganzen Thematik rund um die deutsche Sprache: Jetzt kann man das so oder so sehen, aber eines ist klar, und ich glaube, das ist auch unbestritten: Deutsch ist die Grundvoraussetzung und der wichtigste Faktor dafür, dass man in Österreich am Arbeitsmarkt integriert werden kann. Deutsch ist auch die Voraussetzung dafür, dass das Zusammenleben in unserer Gesellschaft letzten Endes funktioniert. Daher stellen wir diese 300 Euro pro Monat für jemanden, der die deutsche Sprache noch nicht beherrscht, nicht als Geldleistung zur Verfügung, sondern als Sachleistung – als Sachleistung 300 Euro pro Monat für einen verpflichtenden Deutschkurs, weil Deutsch die Grundvoraussetzung für die Integration in Österreich, in die Gesellschaft und auch in den Arbeitsmarkt ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Schellhorn.)

Abschließend: Ich ersuche darum, die Dinge so zu bewerten, wie sie sind. Jeder hat natürlich seine freie Wortwahl, aber etwas Falsches zu behaupten, ist unredlich, vor al­lem vonseiten der Mandatare hier im Nationalrat oder auch im Bundesrat, insgesamt im Parlament. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Bezieher einer Mindestpension sind davon in keiner Weise betroffen, die Ausgleichszulage fällt nicht unter den Titel der So­zialhilfe, und gerade die SPÖ müsste das als jene Partei, die in den letzten Jahren den Sozialminister gestellt hat, wissen. (Abg. Rosenkranz: Das ist ja das Problem ge­wesen!) Die Bezieher einer Mindestpension werden Tag für Tag verunsichert. Ihnen wird in keiner Weise irgendetwas weggenommen, sie sind von diesem Gesetz in Wahr­heit überhaupt nicht betroffen. – Das muss auch einmal gesagt werden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und ja, wir haben heute noch zwei Abänderungen, weil wir das auch ernst nehmen. Wir nehmen ein Hearing ernst. Wir waren auch dort, im Gegensatz zu einigen anderen. Wir nehmen das ernst. (Abg. Lindner: Was soll das heißen?) Die Spenden werden nicht angerechnet, weder öffentliche noch private, und Heizkostenzuschüsse können auch in Zukunft von den Ländern bezahlt werden. Uns ist wichtig, das auch klarzustel­len. An und für sich wäre das klar gewesen, aber wenn es - - (Abg. Leichtfried: Nein! Nein!) – Kollege Muchitsch ist wenigstens einer, der sich die Dinge ansieht. Es fällt uns im Gegensatz zu Ihnen (in Richtung SPÖ) kein Zacken aus der Krone, meine Damen und Herren, wir ändern das ab, damit das klargestellt ist und damit diese Verunsiche­rung nach diesem Beschluss hoffentlich auch ein Ende haben wird.

Meine Damen und Herren, dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist notwendig, um den Sozialtourismus in Österreich endlich zu beenden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Die ge­samte Bevölkerung weiß, letzten Endes hat es doch einen Zustrom nach Wien gege­ben, weil hier das Schlaraffenland hinsichtlich Mindestsicherung ausgebrochen ist. Es hat de facto ein bedingungsloses Grundeinkommen gegeben, und damit bringen wir die Menschen nicht in Arbeit. Höchste Arbeitslosenquote, höchste Zahl an Mindestsi­cherungsbeziehern hier in der Bundeshauptstadt – dem setzen wir ein Ende. Wir wol-


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len jenen Menschen helfen, die Hilfe brauchen, aber jene, die arbeiten können, müs­sen auch arbeiten. – Danke, Frau Bundesministerin, dass wir dieses Gesetz gemein­sam ausgearbeitet haben. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Eigentlich wäre jetzt alles gesagt! – Abg. Leichtfried: Das war bis jetzt der kürzeste Applaus!)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Da­niela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


11.08.47

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Kollege Wöginger, Sie stellen sich hier heraus und führen zwei Beispiele an: Sie rechnen auf der einen Seite hoch, was ein Mindestsicherungs-, ein Sozialhilfeemp­fänger zukünftig bekommen wird, schmücken es mit Familienbeihilfe aus und fügen al­le Sozialleistungen hinzu, die dieser Staat für Menschen, die eine Familie haben und auch bedürftig sind, zur Verfügung stellt. Dem stellen Sie ein Erwerbseinkommen ge­genüber, ohne anzuführen, dass es auch für diese Menschen und für diese Familien, die tagtäglich einem Beruf nachgehen, sehr wohl auch eine Familienbeihilfe gibt, sehr wohl auch Sozialleistungen gibt. Da würden die Zahlen nämlich ganz anders ausse­hen, da würden wir nicht auf dieselben Beträge kommen, sondern da würde man einen entsprechend höheren Betrag erwähnen müssen.

Wenn Sie hier draußen stehen und sagen, an diesem Pult solle die Wahrheit gesagt werden, es sei unredlich, hier etwas zu verschweigen, dann bitte ich Sie, bei der Wahr­heit zu bleiben (Abg. Wöginger: Ja!) und die Zahlen vollständig zu erwähnen, denn alles andere ist genau, was Sie gesagt haben: nämlich unredlich. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neubauer: Eigentlich überall soll die Wahrheit gesagt werden, nicht nur dort!)

Ich möchte vielleicht mit dem Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen, der heute eingelangt ist, beginnen. Wenn es mir auch schwer fällt, etwas Positives an dieser Re­gierungsvorlage zu finden, so möchte ich doch damit anfangen, jene Punkte zu erwäh­nen, die ich unterstützenswert finde.

Es gibt zwei wichtige Klarstellungen, die das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz betreffen: Erstens soll der Heizkostenzuschuss, der etwa von einer Gemeinde gewährt wird, nicht von der Sozialhilfe abgezogen werden.

Zweite Klarstellung: Private Spenden müssen oder dürfen – im Unterschied zum ur­sprünglichen Entwurf – auch nicht in Abzug gebracht werden. – So, das war es. Das sind die zwei Punkte, die ich als unterstützenswert einstufe.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie aber: Ist es nicht erschütternd, dass es, wenn hier eine Regierung ein Sozialhilfegesetz vorlegt – das heißt, ein Ge­setz, das Menschen in einer Notlage helfen soll –, die gesamte, geeinte Opposition braucht, es Sozialorganisationen braucht, es die Zivilgesellschaft braucht, die genau in diese Richtung drängen, damit es überhaupt zu so einem Abänderungsantrag kommt, der hier eingebracht wird? (Beifall bei JETZT.) Ist es nicht erschütternd? (Abg. Neu­bauer: Nein!) Ich bin der festen Überzeugung. Womöglich liege ich diesbezüglich falsch (Abg. Zarits: Ja, sicher!), vielleicht ist es mit dieser neuen türkis-blauen Regie­rung denkbar geworden, dass man es überhaupt in Erwägung zieht, Hilfeleistungen, die Menschen anderen Menschen gegeben haben, von der Sozialleistung abzuziehen. Vielleicht ist es im Sinne dieser neuen Regierung moralisch zu rechtfertigen, dass sich der Finanzminister am Ende des Tages genau diese Ausgaben spart – nämlich Spen-


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den von Menschen an andere Menschen, die sich in einer Notlage befinden. Dies ist nun nicht mehr geplant, aber ich muss wirklich sagen, auch wenn dieser Abänderungs­antrag unterstützenswert ist, fühlt es sich nicht richtig an, was aktuell hier debattiert wird. (Beifall bei JETZT.)

Es kann nicht sein, dass es die Zivilgesellschaft braucht, dass es soziale Organisa­tionen braucht, die an Ihrer Regierungsvorlage derartige Kritik üben müssen, derartig aufschreien müssen, damit es schlussendlich zu einem Abänderungsantrag in diese Richtung kommt.

Abgesehen davon sind Sie aber Ihrer Linie treu geblieben. Das Expertenhearing ist schon einige Male erwähnt worden. Ich habe es erschütternd gefunden, wie sämtliche Bedenken, die von hochrangigen Sozialexperten und -expertinnen in diesem Land ge­äußert worden sind, sämtliche Kritik einfach zur Seite gewischt worden ist, als hätte es sie nicht gegeben. Vielleicht sind einige Punkte auch überhört worden, ich habe ge­dacht, ich werde bei dieser Gelegenheit auf alle Fälle noch einmal ansprechen, was die wichtigsten, zentralen Kritikpunkte im Hearing gewesen sind, um ein bisschen Sach­lichkeit in das Thema zu bringen.

Einer der größten Kritikpunkte war, dass Menschen, die sich bereits in einer sozialen Notlage befinden, weiter an den Rand gedrängt werden, weil bei den aktuellen Zahlen zur Armutsschwelle nämlich nicht die EU-SILC-Daten herangezogen werden, wodurch sich eine niedrigere Zahl ergibt.

Sie ignorieren auch völkerrechtliche Verpflichtungen, das war einer der größten Kritik­punkte. Es wurde bemängelt, dass nämlich unter anderem die Kinderrechtskonvention und die Behindertenrechtskonvention nicht in einem Ausmaß eingehalten werden, in dem es diesen Menschen eigentlich zustehen würde, nämlich was die Chancengleich­heit für Kinder und für Menschen mit Behinderung betrifft. Ich habe es im Ausschuss bereits angeführt: Ein Kind kann nichts dafür, dass seine Eltern Sozialhilfe empfangen. Ein Kind kann nichts dafür. Deshalb darf es auch nicht die Folge der Politik sein, dass wir diesen Kindern die Zukunftschancen verbauen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Sie nennen das degressiv gestaffelt – das ist eine Umschreibung dafür, dass es in der Zukunft für mehrere Kinder weniger Unterstützungsleistungen geben wird, dass sich auf die Summe der Kinder gerechnet die Unterstützungsleistung mit einem weiteren Kind reduzieren wird. Das nennen Sie degressiv gestaffelt, ich nenne es Zukunftsraub diesen Kindern gegenüber. (Beifall bei JETZT.)

Was den Föderalismusdschungel betrifft, ist im Ausschuss auch schon einiges gesagt worden. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Unter anderem hat eine Behinderung nichts mit fehlendem Leistungswillen zu tun. (Abg. Gödl: Hat er ja gesagt!) Eine Behinderung hat nichts damit zu tun, dass ein Mensch nicht bereit wäre, zu arbeiten. Aber dem­entsprechend ist die Situation gegeben, dass diese Menschen auf eine Sozialleistung angewiesen sind, dass sie auf Mindestsicherung oder zukünftig Sozialhilfe angewiesen sind.

Was Sie aber machen, ist, nach dem Grad der Behinderung zu unterscheiden. Sie un­terscheiden gezielt: Wer hat über 50 Prozent Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und wer hat weniger? Menschen, die weniger eingeschränkt sind, haben nämlich überhaupt keinen Anspruch auf den von Ihnen, Frau Ministerin, und von Ihnen, Kollege Wöginger, erwähnten Bonus für Menschen mit Behinderung. (Ruf bei der ÖVP: War bisher auch so!) Menschen mit unter 50 Prozent Behinderung haben keinen Anspruch darauf. (Abg. Gödl: Das ist nicht neu!) Warum unterscheiden Sie hier? Warum wird hier gezielt getrennt? – Je nachdem, ob ausreichend Behinderung vorliegt oder nicht, gibt es eine


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Unterstützung oder es gibt keine Unterstützung. Ich finde das wirklich nicht in Ordnung, das ist meiner Meinung nach keine Sozialpolitik, dieses Gesetz beinhaltet keinen ge­rechten Anspruch.

Es geht dann weiter, was die Einrechnung von Wohnkosten betrifft, es geht weiter, was die Einrechnung von Lebenshaltungskosten betrifft – all diese Punkte schieben Sie auf die Länder ab. Sie gehen her und sagen: Wir machen eine Obergrenze. Doch ein Min­destmaß für ein menschenwürdiges Leben schreiben Sie nicht fest, das überlassen Sie den Ländern. Das ist genau meine Kritik, denn da entsteht dieses Föderalismusmons­ter, das Sie hiermit entfesseln. Sie starten ein Race to the bottom – wer weniger So­zialleistung zahlt, wird am Ende des Tages belohnt werden. Wer bietet weniger? – Das ist genau dieser Ausgrenzungswettbewerb, den ich gezielt ablehne.

Sie gehen auch in Richtung Sachleistungen – es gab große Kritik eines Experten, von Professor Dimmel von der Universität Salzburg, der angeführt hat, für Menschen, die aus der Sozialhilfe eine Sozialleistung erhalten, Sachleistungen im Wohnkostenbereich einzuführen, entspreche einer Stigmatisierung dieser Menschen. Er hat auch geschil­dert, warum: Es ist für einen Vermieter oft nicht wünschenswert, einem Sozialhilfeemp­fänger eine Wohnung zu vermieten, einfach weil diese Menschen vielleicht für unzuver­lässig gehalten werden und in der Folge zudem in eine Situation gedrängt werden, die es ihnen verunmöglicht, Zugang zu adäquatem Wohnraum zu erhalten.

Ein Punkt, der mir im Hearing besonders wichtig war und den ich auch stark kritisiert habe, ist die Sanktionierung, wenn sich Menschen um einen Job bemühen. Sie bemü­hen sich um einen Job, sie bemühen sich um eine Ausbildung, aber sie beziehen noch Sozialhilfe. Genau bei diesen Personengruppen planen Sie eine finanzielle Einschrän­kung. Sie verlangen nämlich, dass eine betroffene Person, die eine Ausbildung braucht, sich diese selbst bezahlen soll – und Sie wollen die Sozialhilfe noch um 300 Euro kür­zen. Einen Gruß an alle Menschen da draußen, die noch nicht die Ausbildung haben, die diese Regierung vorschreibt, die noch nicht die Kriterien erfüllen, die diese Regie­rung zukünftig vorschreibt! Es wird finanzielle Kürzungen geben, mit denen eine Kür­zung der Sozialhilfe einhergehen wird.

Das ist die aktuelle Situation, die wir vorfinden. Das ist auch der Grund, aus dem ich frage, warum in dem Entwurf keine Mussbestimmung für Alleinerziehende enthalten ist. Sie rühmen sich und sagen: Wir werden die Situation für Alleinerziehende verbes­sern. – Nein, das machen Sie nicht. Sie lassen es offen. Sie lassen offen, ob es durch die Länder etwas dazu kommen kann oder nicht. Wieso schafft es diese Bundesregie­rung allerdings nicht, ein Mindestmaß für ein menschenwürdiges Leben zu definieren und dieses zu gewährleisten, anstatt dies den Bundesländern zu überlassen? (Abg. Gödl: Haben Sie schon etwas von Artikel 12 gehört?) Denn das ist es, was wir als ge­recht der Bevölkerung gegenüber empfinden, die sich in einer Notlage befindet. (Abg. Gödl: Sie brauchen einen Nachhilfekurs in Verfassungsrecht! – Abg. Steinacker: Bil­den Sie ... Bundesverfassung!)

Ich möchte auch noch einen Antrag einbringen – wenn es nichts hilft, dann schadet es wenigstens nicht. Sie gehen her und sagen, die UN-Kinderrechtskonvention ist Ihnen egal, es wird pro Kind schlussendlich gestaffelt weniger bezahlt, sie sollen es sich auf­teilen, Menschen mit Behinderung werden nach dem Grad ihrer Behinderung beurteilt, Wohnkosten werden eingerechnet, wenn diese in einer Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern leben, sollen sie entsprechend weniger erhalten, oder die Bundesländer regeln es. Dazu möchte ich wirklich sagen: Wenn Sie die UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention einhalten wollen, dann bitte ich Sie, diesen Antrag zu unterstützen, weil er das gewährleisten und Ihre Behauptung, dass Sie das ohnehin tun würden, entkräften würde.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Be­hindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insb. die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und KonsumentInnenschutz, wird aufgefordert, im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgeset­zes die vollumfängliche Einhaltung der Bestimmungen sowohl der UN-Behinderten­rechtskonvention, als auch der UN-Kinderrechtskonvention sicher zu stellen.“

*****

Stimmen Sie dem zu! Wenn Sie behaupten, Sie würden das ohnehin tun, dann kann das ja kein Problem sein, hier Ihre Zustimmung zu signalisieren. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

11.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.): Sozialhilfe-Grund­satzgesetz.

Begründung

Das ExpertInnenhearing vom 15.4.2019 zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat eindeutig ergeben, dass die Vorlage der Regierung ungeeignet ist, Österreichs völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Kindern (UN-Kinderrechtskonvention), aber auch gegen­über behinderten Menschen (UN-Behindertenrechtskonvention) in gebührender Weise nachzukommen.

Im Hinblick auf das Wohlergehen und die Chancengleichheit aller Kinder – die für die prekäre Lage ihrer Eltern keinerlei Schuld tragen – ist hier insbesondere die degressive Staffelung der Kinderrichtsätze zu kritisieren. Selbst unter der Maßgabe, dass die Sum­me der für Kinder gebührenden Beträge rechnerisch gleichmäßig auf alle Minderjäh­rigen im Haushalt aufzuteilen ist, genügt nicht, um eine derart drastische Verringerung (25%, 15%, 5%) wie vorgesehen zu rechtfertigen. Es ist daher klar, dass mit steigender Kinderzahl die Chancen im Leben für jedes einzelne Kind sinken – eine solche Si­tuation mutwillig herbeizuführen darf keine Zielsetzung eines modernen Sozialstaates sein und widerspricht dem Ziel, Kindern eine dem gesellschaftlichen Durchschnitt gleichkommende Existenzsicherung zu gewähren.

Im Hinblick auf Menschen mit Behinderung wiederum, ist dem Normalisierungsprinzip folgend festzuhalten, dass eine dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechende, nachfragefähige Situation zu gewährleisten ist. Durch den Vorrang der Sachleistungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist augenscheinlich, dass dies nicht der Fall ist und


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Menschen mit Behinderung auch aus dem Grund diskriminiert werden, weil sie kör­perlich nicht über die Voraussetzung verfügen, eine Situation herbeizuführen, in der sie unabhängig von sozialen Hilfeleistungen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insb. die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und KonsumentInnenschutz, wird aufgefordert, im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzge­setzes die vollumfängliche Einhaltung der Bestimmungen sowohl der UN-Behinderten­rechtskonvention, als auch der UN-Kinderrechtskonvention sicher zu stellen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Werner Neubauer. – Bitte.


11.19.20

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Wissen dessen, dass es ein gutes Gesetz ist, das wir heute verabschieden werden, bin ich auch dessen gewiss, dass laut einer Umfrage 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung dieses Gesetz ebenfalls für gut befinden. (Zwischenruf des Abg. Drozda. – Abg. Loacker: Ja, genau!)

Das heißt, diese Bundesregierung ist auf einem guten Weg, im Sinne der Bevölkerung auch gute Gesetze zu machen, die von der Bevölkerung als solche auch anerkannt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwi­schenruf des Abg. Drozda. Heiterkeit des Abg. Loacker.)

Und ihr von der Sozialdemokratie solltet euch überlegen – lieber Kollege Drozda, der du mich gerade so anlächelst (Zwischenruf des Abg. Wittmann–, ob eure Haltung wirklich so grenzgenial ist, wenn 61 Prozent der sozialdemokratischen Wähler dieses Gesetz ebenfalls für gut befinden. Das solltet ihr euren Wählern erklären, warum ihr eine derartige Haltung an den Tag legt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Loacker, auch 65 Prozent der NEOS-Wähler befürworten dieses Gesetz laut dieser Umfrage, die repräsentativ ist. (Abg. Loacker schüttelt den Kopf und macht eine ablehnende Handbewegung. Zwischenruf des Abg. Drozda. Abg. Knes: Ha, ha!)

Auch da solltet ihr also vielleicht überlegen, ob eure Haltung wirklich so gut ist. (Zwi­schenruf des Abg. Wittmann.) Ich glaube, das Gesetz ist gut, es zeugt von einer ho­hen Moral und Verantwortung und ist vor allem treffsicher.

Frau Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, Sie haben zuerst gesagt, dass der Abänderungs­antrag grenzwertig sei. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Ich darf Ihnen sagen: Er entstand im Wesentlichen aus einer öffentlichen Diskussion, die wir in ganz großer Breite geführt haben. (Abg. Loacker: Haben Sie die Umfrage in Ihrer Nachbar­schaft gemacht?) Eine solch große Beteiligung wie jetzt, inklusive Hearing, hat es bei diesem Gesetz kaum jemals vorher gegeben. Es ist das Wesen eines demokratischen Prozesses, dass man – und das hat die Bundesregierung auch bewiesen – gute Vor­schläge auch nachträglich noch einarbeiten kann, gewisse Gesetzestexte noch konkre-


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tisieren kann, und das ist natürlich auch bei diesem Gesetz eingeflossen. Ich gratuliere der Frau Ministerin dazu, dass sie die Größe hatte, das auch zuzulassen.

Ich darf aber einiges schon noch in Erinnerung rufen, weil die Sozialdemokratie so großartig von Moral und Verantwortung gesprochen hat: Wer hat denn diese Verant­wortung gepflegt, Herr Kollege Wittmann? Wer hat sie denn gepflegt? 2012 hat die Ar­mutskonferenz bereits gesagt, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist schwach, kann die Armut nicht verhindern und ist nicht am tatsächlichen Bedarf orientiert. (Abg. Wittmann: Und jetzt machen wir es noch ärmer! Das ist die Antwort von Ihnen?)

So, was ist geschehen? (Abg. Wittmann: Jetzt machen wir es noch ärmer? Das ist die Antwort?) Obwohl man das gewusst hat, hat Bundesminister Hundstorfer bereits 2015 gegenüber einer sozialdemokratischen Delegation aus dem Deutschen Bundestag ge­sagt, jetzt müsse man schon etwas tun, denn man habe festgestellt, das sei nicht wirk­lich gut, was man da jetzt habe, das koste sehr viel Geld und richte sich eigentlich an die falschen Leute. Das ist wie damals bei der Hacklerregelung: Da sind die Falschen in Pension gegangen, und nachher hat der Hundstorfer gesagt, man müsse an dieser Regelung etwas ändern.

Was hat er getan? – Er hat nichts getan. Obwohl er gesagt hat, mit 2016 laufen die Verträge mit den Bundesländern aus, hat er nichts getan. Dann hat sich natürlich schon die Frage gestellt: Warum? – Er hat nämlich in einem Interview gesagt, er könne sich vorstellen, dass Teile der Mindestsicherung als Sachbezug geleistet werden. – Man höre! Das ist auch etwas, was von der Sozialdemokratie schon heftig kritisiert wurde.

Ich zitiere weiter: „Hundstorfer signalisierte Offenheit für eine entsprechende Debatte. Sachbezüge in Form von Energieleistungen oder Miete seien durchaus vorstellbar. Es gebe dazu bereits Beschlüsse in Wien und Niederösterreich und auch in anderen Bun­desländern wäre eine derartige Sachleistung möglich.“ Warum ist dann nichts ge­schehen? Wollte man es sich offenbar mit 50 Prozent der Bezieher der Bedarfsorien­tierten Mindestsicherung vor einer Wahl nicht anlegen? Hatte man vor der letzten Wahl Angst, diese Wählerstimmen zu verlieren? Anders ist es ja nicht zu verstehen, dass man einfach drei Jahre lang nichts getan hat und insgesamt sieben Jahre lang ge­schlafen hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir ist das mittlerweile klar: Die SPÖ kritisiert heute die Bundesregierung, hat aber da­mals in der Regierung selbst eigentlich eine schwache Sozialpolitik gemacht. Sie ha­ben uns mit über 450 000 Arbeitslosen die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Repu­blik hinterlassen, und weil Sie im Zusammenhang mit diesem Gesetz das Thema Ver­armung so hervorheben, darf ich Sie daran erinnern, dass 1,5 Millionen Menschen durch Ihre unsoziale Politik in die Armut getrieben wurden. Diese Bundesregierung hat es in eineinhalb Jahren geschafft, diese Zahl um 138 000 Menschen zu reduzieren, und ich glaube, auch darauf kann man stolz sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eines noch: Wenn wir ab 1.1.2020 die Mindestpension von 1 200 Euro einführen, dann werden wir diese Zahl der Armutsgefährdeten noch weiter reduzieren können.

Den Antrag der SPÖ lehnen wir naturgemäß ab (Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: „Na­turgemäß“!), weil die Anträge der SPÖ nur darauf abzielen, das, was die Bundesregie­rung gut in diesem Gesetz verankert hat, rückgängig zu machen. (Weitere Zwischenru­fe bei der SPÖ.) Dafür stehen wir nicht. Wir stehen für eine Politik für die österreichi­sche Bevölkerung, deshalb ersuche ich um Zustimmung für unseren Antrag. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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11.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.26.09

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich habe jetzt allen zugehört und mir meine Meinung aufgrund der insgesamt 142 Stellung­nahmen gebildet, die ich auch entsprechend analysiert habe. Es ist mehr als bezeich­nend, wenn dieses Gesetz in 139 von diesen 142 Stellungnahmen von Organisationen, NGOs, Vereinen, Plattformen als schlecht bezeichnet wird. Wenn es nur drei Stellung­nahmen gibt – von Organisationen, die eigentlich nichts mit Armutsbekämpfung zu tun haben (Abg. Belakowitsch: Von der Volkshilfe! – weiterer Ruf bei der FPÖ: SPÖ!) –, die Ihr Gesetz unterstützen, dann ist das mehr als bezeichnend. Diese drei waren die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer und das Land Niederösterreich. Das sind drei Organisationen, die sich nicht unbedingt mit Armut befassen, aber das sei einmal dahingestellt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, was in diesen Stellungnahmen wirklich herauskommt? Sie beschließen heute ein Gesetz, durch das die Kinderarmut in Österreich steigen wird. (Abg. Wurm: Immer dieselbe Leier! – Zwischenruf des Abg. Noll.) Sie beschließen heute ein Gesetz, durch das Leistungen reduziert werden. Ganz besonders bezeichnend ist es für mich, dass aus der ursprünglichen Textierung in Ihrem Begutachtungsentwurf vom 28. No­vember jetzt der Satz, dass es Ziel sei, Armut zu vermeiden, herausgenommen wur­de – und genau so schaut Ihr Gesetz aus.

Das Schlimmste dabei ist – und ich frage mich das wirklich –: Ist Ihnen als Vertreter von ÖVP und FPÖ bewusst, dass Sie heute Verantwortung dafür tragen, dass die Ar­mut in Österreich steigen wird? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Da Kollege Neubauer die SPÖ kritisiert hat: Heute hat die Statistik Austria Folgendes veröffentlicht: Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist in der Zeit von 2010 bis 2019 um 187 000 Menschen reduziert worden, und zwar aufgrund der Mindestsiche­rung, deshalb, weil wir damals die Mindestsicherung eingeführt haben. Die Mindestsi­cherung hat zumindest gewährleistet, dass sie das Mindeste sichert. Was jetzt pas­siert, ist ein Abbau. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, was schlimm ist? – Ihr Gesetz orientiert sich hinsichtlich der Höhe der Leistungen an der Anzahl der Kinder. Die Formel, die für Sie anzuwenden ist, ist ganz einfach: Je mehr Kinder in einer Familie, desto weniger Leistung. – Ja, da kann man stolz sein! Da muss ich Ihnen wirklich gratulieren! – Das ist wirklich mehr als sozial bedenklich. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Was Sie auch ein bisschen vorbeigeschwindelt haben, ist, dass diese Reduzierung nicht nur für Menschen gilt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, sondern auch für Menschen, die keinen Pflichtschulabschluss haben – auch das haben Sie noch mit hineingeschummelt –: Immerhin 16 000 Menschen in Österreich haben kei­nen Pflichtschulabschluss, und diese haben Sie einfach mit jenen gleichgestellt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind; sie bekommen auch weniger Sozialhilfe Neu. Das gehört vielleicht auch einmal gesagt: Was euch da wieder eingefallen ist, auch diesen Menschen in Zukunft weniger Geld zu gewähren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Weil Kollege Wöginger von Klarstellungen gesprochen hat: Ich muss euch ganz ehrlich sagen, ich werde den Eindruck nicht los – vor allem bei dem Hearing am 15. April, in der Osterwoche, ist es zutage getreten –, dass wir uns als Oppositionsparteien mit eu­rem Verschlechterungsgesetz inhaltlich mehr auseinandergesetzt haben als ihr als zu­ständige und verantwortliche Abgeordnete der Regierungsfraktionen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT. Abg. Belakowitsch: Eben nicht! Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 57

Wisst ihr, das ist mehr als traurig, wenn wir im Hearing beginnen, das Thema Spenden zu hinterfragen, und um 11.42 Uhr hirscht Klubobmann Wöginger mit seiner Sozialmi­nisterin raus aus dem Hearing vor die laufenden Kameras (Abg. Wöginger: Das hat dich gestört, gell?) und sagt: Da werden wir noch etwas klarstellen!

Auch die Klarstellungen sind nicht zufriedenstellend, lieber August Wöginger. Wa­rum? – Ihr habt die Heizkostenzuschüsse wieder als Kannbestimmung verfasst (Abg. Wöginger: Das ist ein Grundsatzgesetz, lieber Freund!) – als Kannbestimmung! –, ihr habt weiterhin die Spenden auf vier Monate befristet (Abg. Rosenkranz: Darf der Kai­ser nichts mehr selber machen? weiterer Ruf bei der FPÖ: Lass ihn, er versteht das nicht!), sodass sie entsprechend nicht angerechnet werden dürfen. (Abg. Wöginger: ... hat eh keiner ausgezahlt!)

Und noch zu Wien, weil das auch passt. (Ruf bei der FPÖ: In Wien gibt es eh schon lange keinen mehr!) – Na das ist ein toller Hinweis! (Abg. Belakowitsch: ... den gibt es schon ewig nicht mehr in Wien!) – Es kommt ständig dieses Argument, da erfolge eine Zuwanderung in unser Sozialsystem, es gebe da Sozialschmarotzer und so weiter. Fakt ist: Keiner von diesen 308 000 Menschen will in der Mindestsicherung bleiben – keiner! Jeder will wieder einen Job haben und arbeiten. (Beifall bei der SPÖ. Ui-Rufe bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Fakt ist, die Verweildauer beträgt 8,5 Monate – 8,5 Monate! (Abg. Belakowitsch: Durch­schnitt! Was heißt denn das, Durchschnitt?!) Wenn die Leute angeblich alle in der Min­destsicherung bleiben wollen, warum gehen sie denn dann aus der Mindestsicherung wieder raus? – Weil sie rauswollen! Das sind die Fakten. Und Fakt ist auch: In Wien ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher um 9 Prozent gesunken: von 143 000 im Au­gust 2017 auf 129 000 im August 2018. (Abg. Wurm: Sag die ganze Wahrheit!  Abg. Belakowitsch: Nein, das ist die halbe Wahrheit!) Deswegen: Es gibt da keine Zuwan­derung! Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher ist rückläufig, weil sie wieder raus­wollen. Und was machen Sie? Sie hauen dort noch einmal ganz kräftig drauf.

Wenn Ihnen die NGOs, alle Organisationen wichtig sind, die tagtäglich mit armen Men­schen arbeiten, dann nehmen Sie die Kritik dieser NGOs ernst! Sie haben gestern ein Schreiben des Caritas-Präsidenten Dr. Michael Landau bekommen. Lesen Sie das jetzt bitte wenigstens durch! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Wurm: Der hat das Gesetz auch nicht gelesen!) Nehmen Sie sich bitte die 2 Minuten Zeit und lesen Sie sich das durch, denn das haben sich nämlich alle Organisationen verdient, dass sie von Ihnen ernst genommen werden. (Abg. Loacker: Die ÖVPler gehen in die Kirche, aber es ist wurscht, was dort gesagt wird!) Wenn Sie das durchlesen und wenn Sie dann noch im­mer sagen, das ist ein gutes Gesetz, dann stimmt irgendetwas nicht bei Ihnen.

Ich appelliere an Ihr Gewissen. Ich appelliere an Ihre soziale Einstellung. Ich appelliere an Ihre christlich-sozialen Werte. (Oh-Ruf des Abg. Gudenus. Heiterkeit bei Abge­ordneten der FPÖ.) Stimmen Sie diesem Gesetz nicht zu, sondern stimmen Sie unse­rem Antrag auf Rückverweisung zu! Wenn Sie das nicht tun, dann werden wir Folgen­des sichtbar machen: Alle Menschen, die jetzt von der Mindestsicherung betroffen sind, und alle Menschen, die in Zukunft durch Ihre Politik noch stärker in diese Min­destsicherung hineinfallen werden, haben ein Recht darauf, zu wissen, wer dieses Ge­setz entsprechend verschlechtert. (Ruf bei der ÖVP: Alle anderen!) Aus diesem Grund werden wir eine namentliche Abstimmung verlangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein letzter Satz: Frau Bundesministerin Hartinger-Klein, Sie haben hier einmal ganz lautstark zu uns hereingerufen: Wer schafft die Arbeit? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich muss rufen: Wer schafft die Armut? (Ruf: Die SPÖ!) Sie schaffen damit Armut. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT. Abg. Leichtfried: Merkts euch das! Ruf bei der FPÖ: Was?)

11.33



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 58

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.


11.34.06

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte gleich zu Beginn auf die Rede der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber ein­gehen, denn sie hat hier gesagt, dass nur Menschen mit Behinderungen, die einen Grad von mindestens 50 Prozent haben, einen Mindestsicherungszuschlag von 18 Pro­zent des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes bekommen. Das ist nicht ganz wahr, weil sich das Gesetz auf § 40 Abs. 1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes bezieht. Sie hat anscheinend vergessen, Absatz 2 zu lesen, denn in diesem Absatz ist klar fest­gehalten, dass Menschen mit Behinderungen auch einen Behindertenpass bekommen können, wenn sie zu weniger als 50 Prozent behindert sind, denn da gibt es auch Ausnahmeregelungen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte auch noch auf die Kritik am Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eingehen, das manchen anscheinend nicht einheitlich genug erscheint. Es steht ja bereits im Ge­setzestitel: Es ist ein Grundsatzgesetz. Die Länder haben einen Spielraum, um auf ver­schiedene regionale Erfordernisse eingehen zu können, zum Beispiel eben auf die un­terschiedlich hohen Wohnkosten. Es wurde da eine größtmögliche Vereinheitlichung und Harmonisierung geschaffen, ein kleinster gemeinsamer Nenner. Bis Jahresende müssen die Länder ihre jeweiligen Ausführungsgesetze erlassen.

Als Behindertensprecherin sind mir natürlich gerade jene Punkte sehr wichtig, die Menschen mit Behinderungen betreffen. Auch der Regierung ist es ein großes Anlie­gen, dass Personengruppen wie Alleinerziehende oder auch Menschen mit Behinde­rungen im neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nun bessergestellt werden.

Regelungen für Menschen mit Behinderungen sind zudem ein absolutes Novum, was das Sozialhilfegesetz betrifft, denn in den früheren 15a-Vereinbarungen hat es diesbe­züglich überhaupt keine Regelungen gegeben. Es wurde im Bereich Behinderungen auch im Vergleich zum Erstentwurf des Gesetzes substanziell nachgebessert und auf die Stellungnahmen der Interessenvertretungen sehr gut eingegangen.

Nun zu den entsprechenden Punkten, die Menschen mit Behinderungen betreffen: Menschen mit Behinderungen erhalten in Zukunft einen Mindestsicherungszuschlag von 18 Prozent des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes. Das entspricht rund 160 Euro monatlich. Aus der ursprünglichen Kannbestimmung wurde eine Mussbestimmung. Das bedeutet, dass die Länder verpflichtet sind, diese Zusatzleistung auszuzahlen. Zu­dem bleibt es den Ländern unbenommen, Sonderbedarfe durch andere oder zusätzli­che Regelungen zu berücksichtigen.

Alles, was es bisher an Zusatzleistungen gab, darf seitens der Länder natürlich weiter­hin gewährt werden. Auch die Gewährung von Zusatzleistungen in Härtefällen ist mög­lich.

Das Grundsatzgesetz stellt außerdem klar, dass die erhöhte Familienbeihilfe, das Pfle­gegeld oder weiter gehende Pflege- und Behindertenleistungen gänzlich unberührt bleiben.

Auch wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, für Menschen mit Behinderungen eigene Bedarfsgemeinschaften einzurichten, um den diversen Wohn- und Lebensfor­men gerecht zu werden. Des Weiteren können Menschen mit Behinderungen von der Haushaltsdeckelung ausgenommen werden. Sie sollen ihre Leistung ungekürzt erhal­ten. Was zum Beispiel insbesondere gehörlosen Menschen große Sorge bereitet hat, war ein eventuell zu erbringender Nachweis der Sprachkompetenz. Auch das ist ge­klärt und im Gesetz klar geregelt. Von der Erbringung der Sprachkompetenz ausge-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 59

nommen sind alle Menschen, deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb ausschließt wie zum Beispiel auch Menschen mit komplexen Kommunikationsstö­rungen.

Auf den Abänderungsantrag bezüglich der Spenden ist schon genauer eingegangen worden. Auch das sind Änderungen, die sehr positiv zu sehen sind. Ganz besonders freut mich, dass mit diesen neuen Regelungen dem erhöhten Armutsrisiko von Men­schen mit Behinderungen entgegengewirkt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.38


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Irmgard Griss. – Bitte.


11.38.57

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es ist ja nur natürlich, dass es bei einem solchen Thema verschie­dene Sichtweisen gibt, aber wenn man sich die Redebeiträge bisher angehört hat, dann hat man manchmal den Eindruck gewonnen, es werde nicht über denselben Ge­setzentwurf gesprochen, so weit gehen diese auseinander.

Mir geht es eher um etwas Grundsätzliches, denn das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz be­trifft ja einen Bereich, der ein Thema ist, seit es organisierte Gesellschaften gibt, seit der Antike, nämlich die Frage: Wie gehen wir mit den Armen um? Wie erreichen wir, dass jenen geholfen wird, die das wirklich brauchen, und jene, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten, also ihren Beitrag leisten?

In der Antike hat man die Armen ausgegrenzt, und das Christentum ist auch als Reaktion darauf als Religion für die Armen entstanden. Wir waren ja heute in der Früh in der Kirche, und Sie kennen alle das Wort aus den Seligpreisungen: Selig die Armen, denn ihrer ist das Himmelreich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir kennen aus dem Evangelium auch den Satz: Wer vollkommen sein will, verkaufe alles, was er hat, und gebe den Erlös den Armen. Es gibt aber auch eine Gegenstim­me, und zwar im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher. Da sagt Paulus: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Das zeigt dieses Span­nungsverhältnis. Du, der du hast, gib den Armen, unterstütze sie, aber leiste deinen Beitrag, arbeite, wenn du arbeiten kannst.

Diese Haltung gegenüber den Armen, dass sie arbeiten sollen, hat ja ganz extreme Ausprägungen in der Geschichte gehabt, wie die Arbeitshäuser, die es in England und Deutschland gegeben hat. Oliver Twist ist in einem Arbeitshaus geboren, die Verhält­nisse dort waren schrecklich. In deutschen Arbeitshäusern war es im 19. Jahrhundert sogar üblich, dass die Menschen dort einen Haufen Steine von einem Platz zum an­deren und dann wieder zurück schichten mussten, nur damit sie arbeiten. Es war völlig sinnlos.

Davon sind wir heute Gott sei Dank weg. Von Arbeitshäusern spricht niemand, aber dennoch ist es ein Thema, wie wir erreichen, dass die, die arbeiten können, auch tat­sächlich arbeiten. Daher kann man der Regierung nicht vorwerfen, dass sie hier ver­sucht, Anreize zu setzen. Es gelingt ihr nur leider nicht so, dass man wirklich sagen kann, dass das erfolgreich sein und auch den Menschen gerecht wird. Was aber an Ih­rem Entwurf stört, ist die Schlagseite, die er hat, und die Schlagseite ist eine Antiaus­länderschlagseite. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Das sieht man bei den 300 Euro Sachbezug für Sprachkurse, das sieht man bei der Kürzung des Mehrkindzuschlags. Es ist das Gegenteil von dem, was früher üblich war: je mehr Kinder, desto mehr Geld. Jetzt heißt es: Je mehr Kinder, desto weniger Geld.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 60

Das ist ganz klar gegen ausländische Familien gerichtet. Das verstehe ich nicht, weil auch diese Kinder unsere Zukunft sind, genauso wie die Kinder, die von autochthonen Österreichern geboren und aufgezogen werden. Wir müssen alles tun, um Kindern aus sozial schwachen Familien gute Chancen zu geben. Das ist nicht nur sozial, das ist auch klug, das ist gerecht, das bringt auch in unserer Gesellschaft die Menschen zu­einander.

Ganz negativ ist daher, was mit dieser Antiausländerschlagseite gemacht wird, wie lei­der auch mit anderen Maßnahmen, die diese Regierung bisher gemacht hat, dass sie nämlich die Stimmung im Lande vergiften. Manche Menschen können gar nicht glau­ben, dass so etwas möglich ist. Vor zwei Tagen hat mir eine junge Frau gesagt: Ja kann das sein, dass das so gegen Ausländer gerichtet ist, dass man ihnen diese 300 Euro nicht zahlt?! Das bringt die Gesellschaft auseinander, und das ist etwas, was durch Vorteile, die das Gesetz vielleicht haben kann, nicht aufgewogen wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

11.44


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


11.44.27

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Wer­te Zuseher! Wir beschließen heute ein Gesetz, für das wir Freiheitliche bei den letzten Nationalratswahlen auch gewählt wurden. Ich bin sehr froh darüber und stolz darauf, dass wir heute auch einen Schlusspunkt beim Reformprogramm der Mindestsicherung, das dringend notwendig war, setzen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Es hat in den letzten Monaten sehr, sehr viel Propaganda von der Opposition und von unzähligen NGOs gegeben, wobei uns Dinge vorgeworfen wurden, die sich im Gesetz einfach so nicht wiederfinden. Ich habe dann persönlich in unzähligen Gesprächen mit Betroffenen – auch mit NGOs – auch viele Dinge aufklären können. Ich gebe zu, die ganze Materie ist sehr komplex, aber jeder, der das Gesetz in der Tiefe anschaut, wird vielleicht auch zu dem Ergebnis kommen, dass sich hier sehr viel in eine richtige Rich­tung bewegt. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Wer wird profitieren? – Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Profitieren werden die Alleinerzieherinnen; das ist, glaube ich, eine sehr gute Entscheidung. Wer wird noch profitieren? – Profitieren werden die Menschen mit Behinderungen. Kollegin Kira Grün­berg hat das ausführlich dargelegt. Der dritte Bereich, der profitieren wird – und darauf bin ich auch stolz –, sind die österreichischen Staatsbürger. Das ist das, was wir auch wollten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist auch ganz klar, wer vielleicht nicht unbedingt profitieren wird. Das sind jene Zu­wanderer, die sich in Österreich nicht integrieren wollen oder können, die die deutsche Sprache nicht erlernen können oder wollen. Sie werden es schwerer haben, auch im ganzen Asylbereich wird es Einschränkungen geben, und es wird auch jene treffen, die arbeitsunwillig sind. Für diese wird es da und dort sicher Einschränkungen geben. Das ist auch das, was die Bevölkerung von uns als Regierung erwartet hat, dass wir näm­lich in diesem Bereich ganz klare Ansagen und Vorgaben machen.

Dieses Gesetz wird der Anfang vom Ende von Österreich als Sozialstaat der ganzen Welt sein. Das Sozialhilfegesetz soll für Österreich und österreichische Staatsbürger da sein und kann nicht – so wie es in Tirol ist – für über 100 Nationen, die sich derzeit in Tirol in der Mindestsicherung befinden, weiterhin das Auffangnetz sein. Das wird hier­mit eingeschränkt und beendet. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 61

Ich habe in den letzten fünf Jahren auch mehrmals hier im Plenum auf die Historie hin­gewiesen und möchte es vielleicht heute noch einmal kurz wiederholen: Es wurde lei­der Gottes auch von ehemaligen sozialistischen Sozialministern immer nach dem Mot­to: Augen zu und durch!, agiert. Das System hat sich einfach verselbständigt.

Kollege Loacker, die Analyse war sehr korrekt, nur empirisch – und das solltest du wis­sen – ist einfach ganz klar belegbar, warum wir eine gewisse Richtung eingeschlagen haben. Die Zahl der österreichischen Staatsbürger in der Mindestsicherung ist seit 2011 nahezu unverändert geblieben, sie liegt im Bereich von 120 000 bis 140 000 Personen. Es ist aber dazugekommen, dass die Zahl durch die Nicht-Österreicher auf 320 000 Min­destsicherungsbezieher gestiegen ist.

Ich wiederhole noch einmal: Das sind alles Zahlen, die Sie auch im Quartalsbericht von Wien oder in Berichten des Landes Tirol finden. Ich erwähne als Tiroler immer wieder das Land Tirol. Wir haben derzeit im Land Tirol über 100 Nationen in der Mindestsiche­rung, und bereits 63 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Tirol sind nicht österrei­chische Staatsbürger.

Unsere Intention ist, dass die Mindestsicherung, die Sozialhilfe für Österreicher da sein soll. Wir werden eine gewisse Anzahl an Personen haben, die wir auch dauerhaft un­terstützen werden müssen. Das ist gut so, das soll auch so sein. Es ist aber klar, dass diese Beispiele, die wir hatten, wo Familienclans 3 000, 4 000 Euro oder noch mehr netto jedes Monat überwiesen bekommen haben, die österreichische Bevölkerung, die jeden Montag aufstehen und arbeiten gehen muss, natürlich nicht versteht und auch nicht mittragen kann. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Es wurden heute auch von unserer Seite – auch von der Frau Ministerin – sehr viele Details klargestellt. Ich möchte das nicht alles wiederholen, ich möchte Sie nur zum Abschluss – bevor ich noch einen Abänderungsantrag einbringe – vielleicht einfach um etwas bitten. Ich verstehe ja die Opposition, weil man natürlich auch versucht, politi­sches Kleingeld zu machen, das sich aber in Luft auflösen wird, weil sich nahezu alle Vorwürfe bis heute eigentlich als Fake News herausgestellt haben. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Ich würde aber vor allem die über 100 NGOs, die in die­sem Bereich tätig sind – das fängt bei der Caritas an und geht bis zum Obdachlosen­verein –, wirklich darum ersuchen und bitten: Bitte suchen Sie auch das Gespräch mit uns persönlich! Wir können das Gesetz auch mit Ihnen Paragraf für Paragraf durch­gehen.

Unsere Intention war es, diesen Bereich der Sozialpolitik in Österreich wirklich auf­rechtzuerhalten, aber wieder auf ein Maß zurückzustutzen, das gewährleistet, dass er auch langfristig abgesichert ist. Ich würde auch alle darum bitten, über die Grenzen Ös­terreichs zu schauen – da brauchen Sie nur in Europa zu bleiben, da rede ich noch gar nicht von anderen Kontinenten –: Dieses Sozialnetz, das wir in Österreich haben – und es ist gut, dass wir es haben –, gibt es außer in Österreich nahezu auf der ganzen Welt nicht mehr. Wir wollen es auch weiterhin erhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich möchte jetzt den heute schon viel diskutierten und viel zitierten Abänderungsantrag einbringen. Ich finde es in einer parlamentarischen Demokratie sehr wichtig und sinn­voll, dass man im Diskussionsprozess dann auch Klarstellungen vornimmt. Das finde ich weder verwerflich noch sonst etwas. Das hätte ich mir früher auch schon sehr oft von der Sozialdemokratie gewünscht, denn da bestand kaum Bereitschaft, Dinge noch ein bisschen zu reparieren. Wir stellen in diesem Abänderungsantrag einige Dinge klar, die wir heute schon diskutiert haben. Da geht es um den Heizkostenzuschuss und die Spenden. Diese sind im ursprünglichen Gesetzentwurf unserer Meinung nach zwar durchaus richtig definiert worden, aber wir machen es hier noch einmal ganz, ganz klar, um jede Verwechslungsgefahr für die Zukunft auszuschließen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 62

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kol­legen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:

„Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtsta­tistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bun­desgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österrei­chische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden.“

2. Art. I § 2 Abs. 5 zweiter Satz lautet:

„Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen ge­mäß § 5 ausgeschlossen ist.“

3. In Art. I § 7 Abs. 4 werden folgende zwei Sätze angefügt:

„Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrts­pflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.“

4. In der Anlage zu Art. II wird der Ausdruck „a) 1. Auf Personenebene:“ gestrichen.

*****

Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch

und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (588 d.B.) betreffend die Regie­rungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grund­sätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikge­setz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich auf­hältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (514 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 63

„Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtsta­tistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bun­desgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österrei­chische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden“

2. Art. I § 2 Abs. 5 zweiter Satz lautet:

„Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen gemäß § 5 ausgeschlossen ist.“

3. In Art. I § 7 Abs. 4 werden folgende zwei Sätze angefügt:

„Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrts­pflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.“

4. In der Anlage zu Art. II wird der Ausdruck „a) 1. Auf Personenebene:“ gestrichen.

Begründung

Zu Z 1:

Die vorgeschlagene Änderung ist einem Tippfehler am Ende der Gesetzesbezeichnung geschuldet.

Zu Z 2 (Art. I § 2 Abs. 5 und Art. I § 7 Abs. 4 dritter Satz):

Der durch § 5 gesetzte Rahmen umfasst sowohl monatliche Leistungen zur Unterstüt­zung des Lebensunterhalts als auch zur Befriedigung des Wohnbedarfs. Die erhöhten Ansätze der Wohnkostenpauschalregelung (§ 2 Abs. 5) als auch die Gewährung von Zusatzleistungen zur Vermeidung von Härtefällen (§ 6) setzen jeweils die Erbringung als Sachleistung voraus. Durch den vorgeschlagenen Abänderungsantrag soll die Mög­lichkeit geschaffen werden, Zuschüsse, die allein der Abdeckung von Heizkosten ge­widmet sind, auch weiterhin als Geldleistungen zu erbringen und diese von der Anrech­nung auszunehmen.

Zu Z 3 (Art. I § 7 Abs. 4 zweiter Satz):

Um Unklarheiten im Zusammenhang mit Zuwendungen privater Natur und ohne rechtli­che Verpflichtung (wie etwa Spenden) zu beseitigen, soll in § 7 Abs. 4 eine Passage aufgenommen werden, die bereits in den meisten Mindestsicherungsgesetzen in dieser oder ähnlicher Form existiert (z.B. in § 10 Abs. 6 Z 4 WMG). Demnach soll eine An­rechnung von freiwilligen Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, grundsätzlich unter­bleiben.

Zu Z 4 (Anlage zu Art. II):

Hier erfolgt eine redaktionelle Anpassung.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Mag. Bruno Rossmann. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 64

11.54.11

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Gestern hat die Regierung in einem Ministerratsbeschluss klargemacht, wofür sie in den kommenden Jahren steht: für ein Nulldefizit in den Jahren 2019 bis 2023. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) – Na, bevor Sie klatschen, hören Sie einmal zu, was ich zu sagen habe! (Abg. Neubauer: Nicht so schlecht!) Dieses Programm muss bis Ende des Monats nach Brüssel gemeldet werden. Wer ein Nulldefizit zum obersten Ziel der Politik erhebt, macht damit aber auch klar, dass andere Ziele keinen Platz haben, etwa die Frage der Armutsbekämpfung und die Vermeidung der Armut in die­sem Lande. (Abg. Rosenkranz: Da hat das eine mit dem anderen nichts zu tun! Sie verstehen es nicht!) – Mir wäre es doch deutlich lieber, wenn wir hier über Gesetze und Programme diskutieren könnten, Herr Kollege Rosenkranz, die nicht Nulldefizit lauten, sondern null Armut. (Beifall bei JETZT.)

Sie gehen aber mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf ja nicht das erste Mal in die Richtung, dass Sie nicht die Armut bekämpfen wollen, sondern eigentlich Armut schaf­fen und damit die Armen bekämpfen. (Ruf bei der FPÖ: Na geh!) Sie setzten in den letzten Monaten eine Reihe von Maßnahmen, die Österreich ziel- und treffsicher in Richtung einer Zweidrittelgesellschaft führen werden. Die heutige Regierungsvorlage ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Die Mindestsicherung, wie wir sie bisher hatten, war das unterste soziale Auffangnetz. Die Aufgabe des untersten sozialen Auffangnetzes in unserem Lande ist es, allen Men­schen – allen Menschen, ich betone: allen – ein Leben in Würde und eine Teilhabe an der reichen Gesellschaft, die Österreich nun einmal ist, zu ermöglichen.

Das gilt aber für die Sozialhilfe Neu natürlich nicht. Das leistet das Gesetz nicht, denn in entscheidenden Punkten wird gekürzt. Ja, es gibt auch einige Verbesserungen, das will ich gar nicht verschweigen, aber in einigen entscheidenden Punkten wird gekürzt. Es gibt empfindliche Kürzungen, wenn es um mangelhafte Deutschkenntnisse von NichtösterreicherInnen geht, und vor allem gibt es empfindliche Kürzungen bei Fami­lien mit Kindern.

Jetzt hat uns Martin Schenk von der evangelischen Diakonie vorgerechnet, was dieses Sozialhilfegesetz Neu für Familien mit Kindern bedeutet, und es bedeutet, dass Fami­lien mit Kindern in Österreich weniger Geld zur Verfügung haben werden als Familien mit Kindern in Deutschland mit Hartz IV. (Abg. Gödl: Das ist schon widerlegt!) – Nein, das ist nicht widerlegt, Herr Martin Schenk hat das noch einmal bestätigt und hat es Ihnen - - (Abg. Gödl: Das ist widerlegt! Das ist ein Rechenfehler! Das sind Fake News!) – Ja, aber dass Sie nicht rechnen können, haben Sie ja schon öfter bestätigt. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich erinnere nur an die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Diese Milliar­de müssen Sie uns vorrechnen. Sie müssen aber offensichtlich einmal einen Grund­kurs in den arithmetischen Rechnungsarten machen, und dann können wir über die Tatsachen weiterreden, bei wem gekürzt wird und was das bedeutet. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Es sind also Leistungen unter Hartz-IV-Niveau, und das, meine Da­men und Herren von der FPÖ und von der ÖVP, ist eine Schande für ein reiches Land wie Österreich. Einem solchen Gesetz werden und können wir niemals zustimmen! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kinderarmut ist wohl eines der schrecklichsten Dinge, die man sich überhaupt vorstel­len kann. Ich frage mich immer wieder: Was haben die Armen im Land verbrochen, dass sie von Ihnen so behandelt werden, wie sie behandelt werden? (Abg. Höbart: Das sagt der Luxuspensionist von der Arbeiterkammer!) Die Antwort ist, sie haben gar nichts verbrochen, aber die Politik von Türkis-Blau ist eben auf Spaltung angelegt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 65

(Abg. Höbart: Der Luxuspensionist von der Arbeiterkammer!) Sie spielen Arme gegen Ärmere aus, Sie spielen Inländer gegen Ausländer aus. Genau das ist der Kern Ihrer Politik. Mit dieser Politik des Spaltens und Hetzens versuchen Sie, Ihre Macht im Land abzusichern. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Eine moderne Sozialpolitik indes schaut ganz anders aus. Da geht es um Grundrechte auf eine Mindestsicherung, die ein Leben in Würde garantiert. Da geht es nicht um Al­mosen, Frau Ministerin. Es soll nicht nur jenen geholfen werden, die nichts haben, denn es gibt viele Untersuchungen, die zeigen: Services for the poor tend to be poor services. – Das ist genau das, was Sie machen.

Ich will, dass wir ein unterstes soziales Auffangnetz in unserem Land haben, das null Armut garantiert – und das wäre leicht möglich. Das wäre dann leicht möglich, wenn Sie das dafür erforderliche Geld – es handelt sich ohnehin nur um 1 Milliarde Euro – dahin gehend vermehren würden.

Würden Sie den Finanzminister bei der Bekämpfung der Steuerflucht von Großkonzer­nen ein wenig antreiben und wäre er dafür in Brüssel ein wenig mehr tätig und in Ös­terreich aktiver, auch bei einer Digitalsteuer, könnten wir uns eine moderne Wohl­fahrtspolitik leisten, die allen ein Leben in Würde ermöglicht. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

12.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Michael Ham­mer zu Wort. – Bitte.


12.00.22

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren von der Opposition, vor allem von der SPÖ, es ist halt schon ein bisschen schwierig, wenn man mit Gewalt Oppositionspolitik machen muss und die Fakten ein­fach bis zur Selbstaufgabe leugnet und vorgefertigte Parolen abliefert, denn was wir mit dieser Gesetzesreform machen – und das sollten Sie einfach zur Kenntnis neh­men –, ist: Wir sichern damit die höchste Sozialhilfezahlung ab, die es weltweit im Be­reich der Sozialhilfe gibt, und das ist eine ordentliche Sozialpolitik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Rossmann, das ist eben moderne Sozialpolitik – weil Sie das angespro­chen haben – und das unterscheidet sich halt fundamental von Ihrer sozialistischen Sozialpolitik, die nicht treffsicher ist, die als ungerecht empfunden wird. So war es auch im Bereich der Mindestsicherung: Das war ein System, das vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als hochgradig ungerecht empfunden worden ist, vor allem von der arbeitenden Bevölkerung. Genau da setzt unsere Reform an, um wieder mehr Gerech­tigkeit ins System zu bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Hören Sie einfach damit auf, zu sagen, hier wird bei den Ärmsten der Armen einge­spart! Es wird überhaupt nichts eingespart, es wird einfach der Fokus wieder mehr auf die Gerechtigkeit im System gelegt. Es wurde schon mehrfach gesagt: Gerade für jene, bei denen die Armutsgefährdung am höchsten ist, bei Alleinerzieherinnen, bei Men­schen mit Behinderung, gibt es jetzt auch entsprechende Zuschläge, dort wird es jetzt auch entsprechend mehr an Sozialhilfe geben, weil es dort auch notwendig ist. Es wur­de schon gesagt – und das wissen wir und das werden Sie auch selbst wahrnehmen, wenn Sie ein bisschen hellhörig zu den Wählerinnen und Wählern gehen –, dass die Maßnahmen, die nun gesetzt werden, vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als richtig und notwendig erachtet werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es wurde bereits mehrfach gesagt, dass wir nun ein Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ma­chen. Das war schon beim Hearing im Sozialausschuss sehr interessant, denn da ha-


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ben Sie sich oft auch widersprochen: Die einen sagen, was wir jetzt machen, ist zu we­nig zentralistisch, die anderen kritisieren wieder, dass wir es föderal mit Unterschei­dungen je nach den Gegebenheiten in den Bundesländern machen. Ich glaube, wir ge­hen mit diesem Grundsatzgesetz den richtigen Weg und bieten dort, wo es regionale Unterschiedlichkeiten gibt, nämlich im Bereich der Wohnkosten, die Möglichkeit, dass die Bundesländer das anders regeln können.

Ich möchte aber zu einem besonderen Schwerpunkt kommen, der uns bei der Reform besonders wichtig ist, und das ist die schnelle Wiederintegration in den Arbeitsmarkt, die Förderung des Wiedereinstiegs in den Arbeitsmarkt. Ich glaube, da setzen wir den richtigen Schritt, denn es geht nicht nur darum, Lohneinkommen zu erwerben, sondern Arbeit ist auch Lebenssinn, ist auch Sinnstiftung, und daher ist der möglichst schnelle Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt besonders wichtig.

Da hat sich im Hearing aber auch Folgendes gezeigt – und es ist ja wirklich erschre­ckend, welches Weltbild manchen innewohnt –: Die Expertin der SPÖ hat allen Ernstes gesagt, sie hält das Ziel für falsch, die Menschen möglichst schnell wieder in den Ar­beitsmarkt zu integrieren. Sie hält es für falsch, man möge die Leute (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Lüge!) viel länger in der Abhängigkeit halten. Auf meine Frage hin wurde diese Aussage noch einmal bestätigt, sie hat gesagt, die schnelle Arbeitsmarktintegra­tion ist ein falscher Zugang. Sie meint das sozialistische System Wien, die Menschen lange in Abhängigkeit und am Tropf der SPÖ zu halten. Das ist das System Wien mit explodierenden Antragszahlen und einer vollkommen fehlgeleiteten Sozialpolitik. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir setzen Maßnahmen, damit diese Arbeitsmarktintegration auch schnell funktionie­ren kann. Da geht es um Anreize. Mit dem Wiedereingliederungsfreibetrag setzen wir genau diesen Anreiz (Abg. Plessl: Für 50 plus, welche Anreize haben Sie da?), damit es möglich ist, wieder in den Erwerbsprozess einzusteigen – und nicht dass man, wenn man eine Beschäftigung annimmt, dann möglicherweise weniger hat, sondern dass man die Möglichkeit hat, aufzustocken und damit einen attraktiven Anreiz, sich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Auch hier setzen wir unseren Grundsatz: Wer ar­beitet, darf nicht der Dumme sein!, konsequent um.

Mit unseren Reformen werden wir viel mehr Gerechtigkeit ins System bringen und heu­te – ich sage es abschließend noch einmal – die höchste Sozialhilfezahlung weltweit si­cherstellen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.


12.05.01

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Bemerkung Nummer eins: Es ist bezeichnend, dass ausschließlich Männer der Regierungsparteien wissen, wie Alleinerzieherinnen in diesem Land leben, und ich glaube, Sie meinen ausschließlich Frauen mit Kindern.

Sie behaupten, dass die Zuschläge für Alleinerziehende mit einem Kind gewährleistet sind. Ich habe letztens Herrn Klubobmann Wöginger gefragt, ob er sicherstellen kann, dass das in jedem Bundesland so ist. Er hat behauptet, ja; ich sage, nein, es ist nach wie vor eine Kannbestimmung. Frauen, die allein mit ihren Kindern leben, können ei­nen Zuschlag erhalten – das ist keine Mussbestimmung geworden. Und bei einer Frau mit drei Kindern wird dadurch, dass ab jetzt nicht mehr jedes Kind gleichgestellt ist, dieser Zuschlag, wenn sie ihn bekommt, von der degressiven Gestaltung der Kinderzu­schläge aufgefressen.


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Bemerkung Nummer zwei: Es gruselt einem fast ein bisschen angesichts dessen, wie hier Propaganda gemacht wird, Unwahrheiten verbreitet werden, denn Sie wissen ge­nau, in unserem Hearing im Sozialausschuss hat diese Expertin genau erklärt, was sie meint. Ich habe frauen- und arbeitsmarktpolitische Einrichtungen besucht – Sie viel­leicht noch nie, das weiß ich nicht – und genau dort wird immer wieder gesagt, dass manche Menschen, Frauen oder Männer, etwas länger benötigen, eine etwas längere Phase brauchen – weil sie vom Elternhaus her gewisse Dinge nicht erlernt haben, weil sie gewisse Dinge vielleicht verlernt haben –, und das sollte gewährleistet sein. Die ha­ben ja alle auch eine Quote zu erbringen im Sinne dessen, diese Menschen wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen zu lassen. Wenn Sie nun behaupten, es soll ab jetzt nicht mehr sein, dass man ihnen ein, zwei, drei Monate mehr zugesteht (Abg. Belako­witsch: Das hat sie nicht gesagt!), gruselt es mich daher. Sie machen Schmalspur­kurse – und dafür sind auch Sie verantwortlich, Frau Ministerin, da Sie auch für den Ar­beitsmarkt verantwortlich sind –, Sie streichen dem AMS Millionen von Euro und kate­gorisieren die Leute in A-, B- oder C-Bereiche, und die, die im C-Bereich sind – vor­wiegend Frauen, darf ich nur sagen –, bekommen nur mehr Vierwochenkurse und dann sollen sie dem Arbeitsmarkt gefälligst zur Verfügung stehen.

Außerdem ist die Auswirkung dieser Gesetzgebung auf Frauen kaum bis fast noch nicht debattiert worden. Es ist auch bezeichnend – das ist die dritte persönliche Anmer­kung –, dass die Frauensprecherinnen der Regierungsparteien hier nicht Stellung neh­men. Das finde ich sehr schade. Gestern haben wir versucht, dem Frauenvolksbegeh­ren Rechnung zu tragen und der Lebenssituation von Frauen zu einem Vorteil zu ver­helfen, der jetzt in vielen Fällen nicht gegeben ist, vor allem wenn sie allein mit ihren Kindern leben. Sie haben gestern keinem einzigen dieser Anträge Ihre Zustimmung erteilt. Genau dieses Sozialhilfegesetz Neu wird dazu beitragen – und da können Sie noch so dagegenreden –, dass Frauen- und Kinderarmut verstärkt werden wird.

Lassen Sie sich nur noch eine Zahl auf der Zunge zergehen: Die Ärmsten in Öster­reich – das hat die Konsumerhebung ergeben, das habe nicht ich erfunden – brauchen im Schnitt rund 700 Euro im Monat fürs Essen, fürs Wohnen, für die Miete, für Klei­dung, und dann ist fast nichts mehr übrig, wenn Kinder auf Schulschikurs oder sonst wohin fahren sollen.

Diese 700 Euro sind für lernschwache Menschen noch um 300 Euro gekürzt worden, nämlich von den 885 auf 585. Wie soll man, wenn man schon zum Leben 170 Euro mehr pro Monat braucht, damit auskommen, wenn man zufällig keinen Pflichtschul­abschluss absolviert hat? Da sind sicherlich auch Frauen dabei, die das bitter nötig hätten.

Frauen kämpfen natürlich auch um Unterhaltssicherung – auch da haben Sie taube Ohren und fühlen sich gar nicht zuständig, obwohl diese Streitigkeiten oft sehr lange dauern. Wenn jemand das auch nicht hat, alleine mit den Kindern lebt, in einem Ro­senkrieg um Unterhaltssicherung kämpfen muss, dann ist, glaube ich, Obdachlosigkeit von Frauen und Kindern nicht mehr weit. Dafür sollten Sie sich schämen! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

12.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.09.07

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ja, trotz aller Un­kenrufe aus den Reihen der Oppositionsparteien ist heute ein guter Tag für die soziale Gerechtigkeit in diesem Land. Es ist ein guter Tag für alle Menschen, die sich in einer


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schwierigen Phase ihres Lebens befinden und auf die Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen sind. Ein schlechter Tag ist es lediglich für Sozialtouristen aus aller Herren Länder, die es sich auf Dauer in der sozialen Hängematte dieses Landes ge­mütlich machen, denn damit machen wir Schluss, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Loacker: Das ist zum Kotzen!)

Der Zwischenruf des Kollegen Loacker, wenn ich es richtig vernommen habe, „zum Kotzen!“, das zeichnet Sie auch aus, da soll sich jeder - -

12.10.02*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Loacker, Sie wissen, dass ich Ihnen dafür einen Ordnungsruf erteile.

Bitte, Herr Abgeordneter Amesbauer, Sie sind wieder am Wort.

*****

12.12.12


Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Gut, ungeachtet dessen, weiter im Programm: Die Mindestsicherung – und das wurde ja heute schon öfters ange­führt – ist derzeit eine reine Ländermaterie und seit Auslaufen der Bund-Länder-Verein­barung im Jahr 2016 ohne jeglichen gemeinsamen Rahmen. Wir schaffen jetzt einen vernünftigen bundesweiten Rahmen mit einheitlichen Spielregeln, aber bei gleichzeiti­gen Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesländer im Sinne der Ausführungsgesetzge­bung, wo gewisse Details noch geregelt werden können. Das führt zu mehr Transpa­renz und vor allem auch zu einem Ende des Fleckerlteppichs, was die Mindestsiche­rung in Österreich betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, ich verstehe nicht, dass Sie sich hier herstellen können und ernsthaft die Armut ausrufen, die Ungerechtigkeit hier ausrufen. Es wurde mehrfach erwähnt – Sie wissen das auch genau, es wurde mit den Experten im Hearing diskutiert, es wurde im Ausschuss lang und breit diskutiert, es gibt auch entsprechende Klarstellungen –, was alles gemacht wird: Sie wissen, dass es ei­nen verpflichtenden Zuschlag für Menschen mit Behinderungen geben wird. Sie wis­sen, dass Zuschläge für Alleinerziehende vorgesehen sind. Daher verstehe ich auch Kollegin Heinisch-Hosek überhaupt nicht, dass sie hier jetzt von der großen Frauen­armut fantasiert. Es ist einfach nicht wahr, was Sie hier behaupten. Es gibt mehr Treff­sicherheit durch mehr Sachleistungen, und die große Ungerechtigkeit müssen Sie mir wirklich einmal schlüssig zu erklären versuchen, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zum Thema Asylberechtigte: Es wird ja immer Wien als Schlaraffenland für die So­zialtouristen aus aller Herren Länder angeführt. Das ist richtig, aber auch mein Hei­matbundesland, die Steiermark, ist ein Eldorado für solche Menschen. Die Kollegen Leichtfried und Muchitsch wissen ja ganz genau, dass dort die sozialistische Asyl- und Mindestsicherungslandesrätin Doris Kampus zuständig ist, die derzeit gerade mit einer Vielzahl von landesinternen Prüfungen konfrontiert ist, die ihre Intransparenz und ihr Chaos in ihrem Mindestsicherungssystem aufdecken.

In der Steiermark ist es auch jetzt so, dass bei den voll unterstützten Mindestsiche­rungsbeziehern – also jenen, die die Mindestsicherung in voller Höhe lukrieren – 62 Pro­zent Ausländer sind; und diese bekommen immerhin satte 885 Euro pro Monat, ab dem ersten Tag des positiven Asylbescheides. Das heißt also, ohne je einen Tag hier gearbeitet zu haben, ohne je einen Cent in das Steuersystem, in das Sozialsystem, das das ganze Werkel am Laufen hält, einbezahlt zu haben, schöpfen die diese 885 Eu­ro ab. Das ist eine Verhöhnung gegenüber allen Menschen, die jahrzehntelang in die-


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sem Land geschuftet und in dieses System auch einbezahlt haben, meine sehr verehr­ten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Natürlich verlangen wir jetzt – und das ist auch die große Änderung – diesen Men­schen etwas ab, nämlich dass auch entsprechende Deutschkenntnisse erbracht wer­den müssen. Das ist für die Integration unabdingbar, das ist auch wichtig für die Ver­fügbarkeit und die Brauchbarkeit am Arbeitsmarkt, denn wir wollen auch bewusst An­reize schaffen, um Menschen wieder in die Erwerbstätigkeit zu führen – und das gilt für Inländer wie auch für Ausländer gleichermaßen –, sodass sie in der Erwerbstätigkeit ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Sie hingegen wollen die Menschen bewusst in der Abhängigkeit halten, Sie wollen sich dadurch gönnerhaft verhalten können und mit Ihren roten Soziallandesräten die Sozial­leistungen halt mit der Gießkanne verteilen. Das ist Ihr Zugang, wir haben einen an­deren Zugang. Sie wollen auch weiterhin ohne irgendwelche Auflagen Steuergeld an Asylwerber verteilen, um auf diese Weise auch künftige Wählerstimmen zu lukrieren. Damit ist es jetzt vorbei, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wirklich ein ernst gemeinter Appell an die Fake-News-Fraktion der SPÖ hier: Hören Sie endlich auf, den Menschen Ihre Lügengeschichten aufzutischen, und kommen Sie ‑ ‑


Präsidentin Doris Bures: Ich würde Sie ersuchen, das Wort Lügengeschichten zu­rückzunehmen! – Bitte.


Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Ich nehme das zurück. – Hören Sie auf, den Menschen die Unwahrheiten aufzutischen, und kommen Sie endlich zur Sachlichkeit und zur Wahrheit zurück! Ihre Schauermärchen werden sich in Luft auf­lösen, so wie das beim Arbeitszeitgesetz schon der Fall war (Beifall bei FPÖ und ÖVP), wo Sie fantasiert und den Menschen erzählt haben, dass die fünfte Urlaubswoche ge­strichen wird, dass es keine Überstundenzuschläge mehr gibt, dass jeder 12 Stunden arbeiten muss. Das hat sich alles in Luft aufgelöst – genauso wird es auch hier sein.

Bitte reden Sie auch ein ernsthaftes Wort mit Ihrem Parteifreund, dem Volkshilfe-Chef Erich Fenninger. Ich möchte hier sagen, die Volkshilfe leistet in vielen Gemeinden großartige Arbeit – auch meine Familie hat das schon in einer schwierigen Situation in Anspruch genommen –, aber es ist nicht fair und nicht in Ordnung, wenn man jetzt so eine Zelttour macht und den Armutsnotstand in Österreich ausruft, denn durch dieses Sozialhilfegesetz – und das ist die Wahrheit! – wird niemand dazu gezwungen, in Ös­terreich in einem Zelt zu übernachten. Das sind ganz, ganz schlechte und bewusst falsch gezeichnete Bilder, die Sie hier in der Öffentlichkeit bringen, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Unterstützen Sie uns lieber dabei, dass wir die Armut treffsicher bekämpfen wollen, dass wir jenen Menschen eine Hilfestellung bieten wollen, die wirklich Unterstützung benötigen, aber auch Sanktionen für jene vorsehen, die den Sozialstaat schamlos aus­nutzen. Ob Sie das jetzt für richtig empfinden oder nicht, ist mir relativ egal, heute ist ein guter Tag für die soziale Gerechtigkeit in Österreich, heute ist ein guter Tag für jene Menschen, die wirklich unsere Hilfe benötigen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Birgit Sandler zu Wort. – Bitte.


12.16.27

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich liebe dieses Land, ich liebe die Kultur, die Gebäude und die Landschaft, aber als Frau und als Mann kann


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man ein Land nur lieben, wenn man auch die Menschen, die hier leben, liebt (Beifall bei der SPÖ), die Alten und die Kinder, die Gesunden und die Kranken, die Reichen und die Armen, aber vor allem jene, die keine Lobby haben, die stumm sind und die nicht gehört werden. – Und Sie, Sie hören sie nicht. Sie hören die Kinder nicht und Sie hören die Menschen mit Behinderung und die Eltern, die sich um diese Kinder küm­mern, nicht.

Ja, ich gebe zu, Sie haben einiges entschärft, weil Sie zur Abwechslung einmal Stel­lungnahmen eingeholt und diese auch eingearbeitet haben, aber dass man das in einer Demokratie besonders hervorheben muss, ist eigentlich ein Armutszeugnis – nur so nebenbei gesagt.

Mehr als die Hälfte der MindestsicherungsbezieherInnen lebt in Familien mit Kindern. Sie erhöhen zwar den Betrag für das erste Kind, aber wenn zwei Personen in einem Haushalt Mindestsicherung beziehen, verlieren die schon 89 Euro im Monat. Ab dem zweiten Kind gibt es deutlich weniger, 129 Euro, und für jedes weitere nur mehr 43 Eu­ro. Damit sind wir wieder bei den 1,50 Euro am Tag. (Abg. Zarits: Die bekommen die Kinderbeihilfe!) Kein Kind sucht sich aus, in welche Familie es hineingeboren wird, und es sucht sich nicht aus, ob es als erstes, zweites oder drittes Kind geboren wird (Beifall bei der SPÖ), und die Windeln kosten gleich viel, für das erste Kind, für das zweite Kind und für das dritte Kind. Kinder sind Kinder und haben alle das gleiche Recht auf alle Chancen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Wer bei Kindern spart, spart an der Zukunft unserer Gesellschaft. Kinder, die in Armut aufwachsen müssen, haben schlechtere Bildungschancen und damit auch schlechtere Chancen auf ihrem Lebensweg. Sie haben weniger soziale Kontakte, weil sie oft nie­manden zu sich einladen können und deswegen auch nicht eingeladen werden. Sie können an vielen Veranstaltungen und Aktivitäten nicht teilnehmen und werden von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen.

Aber auch Eltern, die sich um ihre Kinder mit Behinderung kümmern, oder Menschen mit Behinderung bleiben von der Kürzung nicht verschont. Zwar gibt es für sie grund­sätzlich einen Bonus von 18 Prozent, aber auch da gibt es Einschränkungen und Hür­den, die Erwerbsfähigkeit muss um mindestens 50 Prozent gemindert sein. Und ja, es gibt eine Kann-Bestimmung, aber Sie wissen ja, kann heißt, es kann sein, es kann aber auch nicht sein. Das stellt für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Lernschwächen eine fast unüberwindbare Hürde dar und lässt alle, deren Behinderung nicht hoch genug ist, außen vor, obwohl sie wegen ihrer Behinderung einen Mehrbe­darf haben.

Wem geht es besser, wenn Sie denen, denen es schlecht geht, noch etwas wegneh­men? Wem geht es besser, wenn sich Menschen das Nötigste nicht mehr leisten können? – Niemandem. Mit der Abschaffung der Mindestsicherung verschärfen Sie die Lebenssituation von Kindern, vor allem von Frauen und von Menschen mit Behinde­rung.

Das Ziel jeder Reform muss es sein, dass es den Menschen danach besser geht und nicht schlechter. Kinder- und Altersarmut müssen sinken und nicht steigen, sagt Mi­chael Landau in diesem Brief (ein Schriftstück in die Höhe haltend), den Sie wahr­scheinlich nicht gelesen haben. Ich würde mir an Ihrer Stelle die Zeit dafür nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wäre dieses Gesetz eine Deutscharbeit, würde darunter stehen: Thema verfehlt!, denn diese Sozialhilfe ist weder sozial noch eine Hilfe. – Danke und ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ.)

12.20



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 71

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


12.20.46

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zu­schauerinnen! Wir haben jetzt schon einiges an Argumenten zum Thema Mindestsi­cherung gehört. Ich werde mich heute auf zwei wesentliche Punkte konzentrieren, die das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz betreffen, und die Fakten ein wenig näher erläutern.

Erstens die Mindestsicherung für Alleinerziehende: Wir haben heute schon gehört, Al­leinerziehende mit einem Kind sind eine der größten Gruppen. Ich darf dazu ein Bei­spiel aus meinem Heimatbundesland Salzburg bringen. Dort hat bis dato die Mindest­sicherung 885 Euro betrogen. (Ruf bei der FPÖ: Betragen!) Dazu kam ein Zuschlag für das Kind von 185 Euro. Das macht summa summarum 1 070 Euro netto im Monat aus – ohne die Kinderbeihilfe. Mit der neuen Regelung, die unsere Ministerin vorgelegt hat, beträgt der Mindestsatz weiterhin 885 Euro. Es kommt ein Zuschlag von 221 Euro fürs erste Kind dazu, und neu ist ein Zuschlag, den die Bundesländer bezahlen kön­nen, der bei 106 Euro bis 239 Euro pro Monat zusätzlich liegt. Wenn ich den Zuschuss von 106 Euro zur Anwendung bringe, dann kommt die gleiche Mutter mit einem Kind jetzt auf 1 212 Euro statt wie bisher auf 1 070 Euro netto. Das sind immerhin 142 Euro netto mehr für diese Mutter. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Neue ist also dieser Zuschuss. Die Argumentation, die die SPÖ-Kollegin Heinisch-Hosek gebracht hat, dass die Bundesländer diesen Zuschuss nicht zur Anwendung bringen müssen, scheint meiner Ansicht nach damit zusammenzuhängen, dass die SPÖ wieder einmal die Bundesländer bevormunden möchte und wieder keine eigenen Kompetenzen zulassen will. (Abg. Heinisch-Hosek: Welches Bundesland hat eine Negativstellungnahme eingebracht? Niederösterreich vielleicht?!) Wir sind allerdings der Meinung, dass unsere Bundesländer sehr wohl selbst am besten einschätzen kön­nen, wo vor Ort Handlungsbedarf ist (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, Niederösterreich, lei­der!) und die Entscheidungen selbst treffen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist vielleicht so, dass die Belastungspartei SPÖ die eine oder andere schlechte Er­fahrung mit der SPÖ in Wien gemacht hat und daher den anderen Bundesländern nicht zutraut, wirklich gute Entscheidungen treffen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich kann Ihnen sagen, wir in Salzburg mit unserem Landeshauptmann Wilfried Has­lauer werden diesen Zuschuss von 106 Euro bis 239 Euro für die alleinerziehenden Mütter sehr wohl beanspruchen. Trotz der Befürchtung der SPÖ darf ich auch den an­deren Bundesländern so viel zutrauen, dass sie die Sachkompetenz mitbringen und ei­gene Entscheidungen treffen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Kitzmüller.)

Zweitens möchte ich auf das Thema der notwendigen Deutschkenntnisse eingehen. Aus meiner Praxis als Personaldienstleisterin, die tagtäglich mit Jobsuchenden zu tun hat, kann ich Ihnen mit Sicherheit eines mitgeben: Es findet heute kaum jemand einen Job, der nicht die entsprechenden Deutschkenntnisse aufweisen kann. (Abg. Yılmaz: Das sagt ja auch keiner!) Ich finde überhaupt nichts Verwerfliches – absolut nichts Ver­werfliches – daran, wenn wir sagen: Deutsch- oder Englischkenntnisse sind eine Vo­raussetzung für ein Arbeitsverhältnis. (Abg. Yılmaz: Wenn man die Kurse kürzt und keine Kurse anbietet!) – Sie finden auch im internationalen Bereich, liebe Kollegin, oder in anderen Ländern, wenn sie nicht vor Ort die Landessprache – oder zumindest Eng­lisch – sprechen, keinen Job.

Die letzten Jahre haben uns eindeutig gezeigt, dass die bisherigen Bemühungen, die wir in diese Richtung unternommen haben, einfach nicht ausreichend waren. Daher


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müssen wir die Anreize anders setzen. (Abg. Yılmaz: Deswegen wurde es gekürzt!) Die Mindestsicherung für Bezieher mit schlechten Deutschkenntnissen wird nun an die Bereitschaft zur Qualifizierung gekoppelt. Das ist auch gut und richtig so, denn bis zum Erlangen entsprechender Deutschkenntnisse beziehungsweise Englischkenntnisse er­halten sie zumindest 65 Prozent. Das sind 575 Euro netto, und die 300 Euro, die jetzt Differenz sind, verwenden wir eben für Sprachkurse. Somit investieren wir in die Quali­fizierung dieser Menschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung gibt es auch beim Thema Deutschkenntnisse sehr wohl Ausnahmen; ich darf das eine oder andere als Beispiel nennen. Eine Ausnahme sind Personen mit betreuungspflichtigen Kindern bis zum dritten Lebensjahr, die müs­sen das nicht machen. Weiters: Personen, die zu pflegende Angehörige haben, müs­sen das nicht machen, berufsunfähige Personen müssen das nicht machen. Abgeord­nete Kira Grünberg hat es schon gesagt: Personen mit Behinderungen, die eine Lern­schwäche haben und nicht fähig sind, die Sprache zu erlernen, sind von dieser Re­gelung auch ausgenommen. (Abg. Yılmaz: Das war bis jetzt auch schon! Das ist nichts Neues!) Also erzählen Sie nicht, dass da nicht wirklich auf die Praxis eingegangen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Unser Ziel ist es nämlich nicht, die Menschen in der Mindestsicherung zu halten, son­dern wir wollen sie in die Lage versetzen, dass sie ihr Leben eigenverantwortlich ge­stalten können. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie lassen sie alleine!) Unser Ziel ist es also nicht – und ich betone das noch einmal, Frau Kollegin –, die Menschen in der Mindest­sicherung zu halten, sondern ihnen die Chance zu geben, einen Arbeitsplatz zu finden. (Abg. Heinisch-Hosek: Wer nicht spurt, wird bestraft!) Deshalb unterstützen wir diese Menschen auch. Alle, die können, sollen Deutsch lernen, und wie ich schon gesagt habe: Das ist auch gut und richtig so, denn ausreichend Deutsch – immerhin eine Kul­tursprache und die am häufigsten gesprochene Sprache in Europa – ist insgesamt ein Integrationsbonus, nicht nur für den Arbeitsmarkt. Wir wissen, mit ausreichenden Deutschkenntnissen ist eine gesellschaftliche Anteilnahme, eine Kommunikation mit Ärzten, mit Schulen, mit Behörden bestens möglich und erleichtert den Menschen das Miteinander und auch die Integration. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bösch.)

Wir sind auf einem richtigen Weg. Ich darf hier auch die Gelegenheit nutzen, mich bei allen zu bedanken, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, allen voran bei unserer Bun­desministerin. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Stö­ger. – Bitte.


12.27.08

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, die Sie hier zuhören und zusehen! Manche in der Regierung haben den Sinn so­zialer Gesetze nicht verstanden. Ich bedanke mich dafür, dass es Abgeordnete gibt, die das hier auch sehr deutlich sagen. Was ist der Sinn von sozialen Gesetzen? – Das eine ist: Wir schaffen Rechte für Menschen, die Hilfe brauchen, weil sie Beiträge ge­zahlt haben. Das ist die Sozialversicherung. Da haben wir ein gutes System entwickelt. Das zweite System, das wir haben, ist: Wir schaffen Sicherheit für Menschen einfach allein aus der Tatsache heraus, dass sie Menschen sind. Das war die Mindestsiche­rung. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Jetzt an die ÖVP: Mit Ausnahme von 13 Abgeordneten der österreichischen Landtage haben alle ÖVP-Landtagsabgeordneten die bestehenden Mindestsicherungsgesetze mitgetragen und beschlossen. Ich habe Respekt vor diesen Menschen, die in Kenntnis


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dessen, was die Menschen im Land brauchen, diese Mindestsicherungsgesetze ver­antwortet haben. Sie haben nicht verantwortet, dass man zu Kindern sagt: Mit 150 Eu­ro im Monat kommt man aus!, oder: Mit 1,50 Euro am Tag für ein Kind kommt man aus! – Ich sage allen, die nichts von Sozialpolitik verstehen, sie sollen die Finger von unserem Sozialstaat lassen.

Herr Abgeordneter Wurm hat heute gesagt, das sei der Anfang vom Ende des So­zialstaates (Abg. Wurm: Nein, nein, nein! – Abg. Belakowitsch: Was?! – weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ), und leider muss ich ihm recht geben. (Beifall bei der SPÖ.) – Leider muss ich ihm recht geben.

Wenn jemand sagt, wir wollen nicht bevormunden: Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz richtet sich an Landtagsabgeordnete. Die, die hier bevormundet werden, sind die Landtagsabgeordneten der ÖVP. Sie werden am meisten bevormun­det, da sie in den österreichischen Landtagen die Mehrheit haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie werden von diesem Grundsatzgesetz bevormundet.

Das ist genau das, was man hier macht – und dazu gratuliere ich dir, August Wöginger (Zwischenruf der Abg. Steinacker) –: Das Gegenteil von dem sagen, was man tut. Ihr bevormundet eure Partie. Warum? – Die am häufigsten Angesprochenen sind Land­tagsabgeordnete der ÖVP, an die richtet sich das Gesetz. Bundeskanzler Kurz will euch diese unsoziale Politik, die die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskam­mer haben wollen, jetzt aufoktroyieren, dass ihr das da draußen macht. Das ist eine Entmündigung der Länder, denn es werden erstmals Höchstgrenzen eingeführt. (Zwi­schenruf des Abg. Zarits.) Ihr verbietet den Ländern, dass sie andere Maßnahmen setzen, wenn sie im Land notwendig sind. Ihr entmündigt auch die Länder, die soziale Ausgrenzung tatsächlich bekämpfen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Zarits.)

Die Verfassungsrechtler haben beim Hearing deutlich gesagt, dass der Entwurf des Gesetzes ganz klar den Zweck sozialer Gesetze missachtet, dass man nichts vom Existenzminimum sagt, keine Grundlagen festlegt und dieses Gesetz den Zweck nicht erfüllen wird. Wenn man dazu steht, was die Geschichte der Zweiten Republik geklärt hat, nämlich dass soziale Sicherheit die wichtigste Grundlage der Demokratie ist, dann muss man sagen, das, was ihr da heute macht, ist auch eine Gefährdung der Demo­kratie an sich (Beifall bei der SPÖ), denn dieses Gesetz verursacht nichts anderes als steigende Armutsgefährdung, Mehrkosten in der Verwaltung und eine größere Un­gleichbehandlung der Menschen.

Ich sage das noch einmal mit Johann Böhm: „Soziale Sicherheit ist die verlässlichste Grundlage der Demokratie“. – Wer eine Demokratie haben will, darf diesem Gesetz nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Peter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.32.16

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Stöger hat be­hauptet, ich hätte in meiner Rede gesagt, das wäre das Ende des Sozialstaates Ös­terreich.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt, das ist das Ende des Sozialparadieses für Menschen aller Herren Länder. Das habe ich gesagt. Sollte es an meiner Aussprache, vielleicht an meinem leichten Tiroler Akzent gelegen sein, möchte ich es hiermit noch einmal klarstellen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

12.32



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 74

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Norbert Sieber zu Wort. – Bitte.


12.32.59

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Muchitsch und Schimanek.) Wir diskutieren das Grundsatzgesetz der Sozialhilfe, und Fakt ist, mit diesem Gesetz sorgen wir für mehr Gerechtigkeit in diesem Land. Wir helfen ganz bewusst jenen, die sich nicht selbst helfen können, und, meine Damen und Herren, wir können es natürlich auch auf einer sachlichen Ebene abführen, aber leider wird hier sehr stark mit Emotionen gearbeitet.

Geschätzte Frau Rendi-Wagner – ich glaube, Sie ist im Moment nicht im Saal, man wird es ihr ausrichten –, wenn Sie auf Twitter bereits wieder behaupten und auch in Ihrer Rede schon gesagt haben, dass 40 Millionen Euro gekürzt werden, dann muss ich Ihnen sagen: Lesen Sie das Gesetz! Es steht in der WFA. Kollege Loacker hat ebenfalls bestätigt, dass das nicht der Fall ist, sondern dass eher mehr Geld zur Ver­fügung steht.

Sie glauben auch, dass wir der Meinung sind, Sozialhilfeempfänger wollen nicht wieder arbeiten. Faktum ist, dass wir mit dem Wiedereinstiegsbonus ein Werkzeug geschaffen haben, das zum Wiedereinstieg animiert und die Angst davor nimmt. Bisher war es so, dass manch einer, der in der Sozialhilfe war und eine Arbeit übernommen hat, deutlich weniger gehabt hat. Jetzt ist es so, dass eine Familie mit drei Kindern, die in der Sozialhilfe ist, 2 270 Euro bekommt. Nimmt einer der Partner einen Job mit 1 000 Euro netto an, dann wird diese Familie in Zukunft 2 621 Euro zur Verfügung haben, also: Arbeiten lohnt sich, der Wiedereinstiegsbonus hilft. Deswegen ist dies eine so wichtige Maßnahme. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir den Ver­mögenszugriff auf drei Jahre hinausgeschoben haben, um eben die Angst zu nehmen, dass bei der Sozialhilfe beziehungsweise wenn ich arbeiten gehe, gleich auf meine Ei­gentumswohnung oder mein Vermögen zugegriffen wird. Auch diesbezüglich setzen wir die richtigen Maßnahmen.

Es wird eben nicht wahrer, auch wenn Sie es hundertmal wiederholen, dass wir Kinder in die Armut bringen. Machen wir einen Faktencheck! Wie schaut es denn wirklich aus? – Einem Paar, einem Ehepaar mit drei Kindern werden in Zukunft 2 270 Euro net­to zur Verfügung gestellt. Das ist ein Wert, der international seinen Vergleich sucht. Ich glaube, sagen zu können: Kein anderes Land auf der Welt bringt derartige Sätze zu­sammen. – Und da Herr Muchitsch gesagt hat, je mehr Kinder, umso weniger bekommt man, dann schauen wir uns an, was ein Paar mit vier Kindern bekommt.

Zuerst noch einmal zur Wiederholung: Ein Paar mit drei Kindern erhält 2 270 Euro, das Paar mit vier Kindern wird in Zukunft 2 548 Euro zur Verfügung haben, also deutlich mehr. (Abg. Muchitsch: Je mehr Kinder, desto niedriger die Zuschläge!) Das, was Sie hier zu uns sagen, ist also einfach nicht richtig, das, was Sie von sich geben. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Muchitsch und Abgeordneten der FPÖ.)

Was wir tun, ist, dass diese Sozialhilfe ein deutlicher Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit ist. Wir sorgen dafür, dass besonders armutsgefährdete Gruppen wie Alleinerzieherin­nen oder Menschen mit Behinderungen deutlich mehr an Unterstützung bekommen werden. Wir wollen, dass alle, die arbeiten können, so rasch wie möglich eine Erwerbs­arbeit aufnehmen. Das, meine Damen und Herren, ist nämlich gerecht gegenüber al­len, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Wer arbeitet, darf in diesem Land nicht der Dumme sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Abschließend an Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, gerichtet: Während Sie offensichtlich mit der Sozialistischen Jugend von Wiener Neustadt lieber den Geburtstag von Lenin feiern, beschließen wir ein Sozialhilfegesetz, das ein ab­solutes Mehr an Gerechtigkeit in diesem Land bringt. Wir stehen dazu! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Was hat das mit dem zu tun?! Ha, ha, ha! – Abg. Sieber – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Das ist nicht Ha-Ha!)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klub­obmann August Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.37.47

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Abgeordneter Stöger hat erneut behauptet, dass ein Kind mit 1,50 Euro pro Tag das Auslangen finden muss. (Abg. Heinisch-Hosek: Das dritte Kind!) – Das ist unwahr.

Ich berichtige tatsächlich: Diese Situation bezieht sich auf den Satz von 5 Prozent, das sind 44 Euro, der beim dritten Kind vorgesehen ist. Insgesamt sind bei drei Kindern 398 Euro Sozialhilfe vorgesehen. Es steht im Gesetz, dass es auch bei minderjährigen Personen auf gleiche Teile aufzuteilen ist, das heißt, das sind 133 Euro. Dazu kommt die Familienbeihilfe mit 632 Euro. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist keine Berichti­gung!) – Das ist eine Berichtigung! Ich halte das ausdrücklich auch als Klubobmann der Volkspartei fest: Das ist eine tatsächliche Berichtigung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daher stehen dieser Familie 1 030 Euro für die drei Kinder zur Verfügung. Das sind über 340 Euro und pro Kind pro Tag 11,40 Euro. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Es gibt eine weitere tatsächliche Berichtigung. Herr Ab­geordneter Josef Muchitsch hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.39.00

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Eine tatsächliche Berichti­gung zum Redebeitrag des Kollegen Norbert Sieber: Er hat behauptet, ich hätte in mei­ner Rede angeführt: je mehr Kinder in einer Familie, desto weniger Geld.

Ich berichtige: Ich habe ganz klar ausgeführt, je mehr Kinder in einer Familie sind, des­to niedriger sind die Zuschläge pro Kopf. Lesen Sie bitte Ihr Gesetz! Je mehr Kinder in einer Familie sind, desto geringer ist dieser Zuschlag pro Kind, pro Kopf. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Lesen Sie Ihr Gesetz und haben Sie den Mut, sich hierherzustellen und auch dazu zu stehen, was Sie in Ihr Gesetz hineingeschrieben haben! (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist nun Frau Ab­geordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.


12.40.08

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, danke, dass Sie der Diskussion zuhören und nicht tratschen oder mit Ihrem Handy spielen! Wir sind ja mittlerweile schon einiges gewohnt. Unsere Anforderungen an Minister und Ministerinnen sind schon so weit unten, dass man sich schon bedan­ken muss, wenn uns jemand zuhört. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich habe seit ges­tern Abend versucht, mich auf diese Diskussion vorzubereiten. (Zwischenruf des Abg.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 76

Rosenkranz.) Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr sind Betroffenheit, Trauer und Wut übrig geblieben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das, was Sie hier heute als neue Sozialhilfe zur Abstimmung bringen, verdient diesen Namen nicht. (Zwischen­ruf des Abg. Neubauer.)

Frau Bundesministerin, werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, haben Sie jemals einer Mutter in die Augen geschaut, die ab dem 20. eines Monats nicht weiß, was sie kaufen, was sie kochen und welche Jause sie ihren Kindern mitge­ben soll? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Haben Sie jemals in Ihren Sprechstunden Väter und Mütter gehabt, die gerade den Einkaufszettel vom Pädago­gen bekommen haben, was die Kinder im kommenden Semester mitzubringen haben? (Abg. Bösch: Ja, das nach 20 Jahren SPÖ-Sozialministern!) Ich würde Ihnen einmal raten, mit diesen Menschen wirklich zu kommunizieren, denn ich glaube, das tun Sie nicht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rosenkranz und Schimanek.)

Eine Privilegierte nach der anderen kommt hier heraus und rechnet vor, was die Leute an Geld bekommen. (Abg. Rosenkranz: Es ist schon spannend, mit wie viel Meinung Sie zu wenig Ahnung haben! – Zwischenruf des Abg. Zarits.) Das ist ja unglaublich. Und Sie (in Richtung Bundesministerin Hartinger-Klein) haben sogar den Vorschlag von 150 Euro gemacht. (Beifall bei der SPÖ.) Wie kommt man zu so etwas? Da muss man schon – entschuldigen Sie den Ausdruck, ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann – ein bissl weltfremd sein. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.) Man kann doch nicht so privilegiert sein, dass man glaubt, man kommt mit 150 Euro im Monat aus. (Zwi­schenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.)

Was Sie mit diesem Gesetz des Weiteren noch tun, ist, zu sagen, wenn jemand nicht Deutsch kann, bekommt er weniger – Frau Abgeordnete Graf hat das betont. Natürlich wollen wir auch, dass Menschen Deutsch sprechen. Wer will das nicht?! Eine Chuzpe ist es aber allemal, Kurse zu kürzen, die Budgets für Kurse zu kürzen und dann zu ver­langen, dass sie weniger Geld bekommen, weil sie nicht Deutsch können.

Was Sie noch machen, ist, eine Institution, nämlich das Österreichische Sprachdiplom, zu zerschlagen, indem Sie ihnen das Recht zur Prüfungsabnahme verbieten. Das darf nun alles der Österreichische Integrationsfonds machen. Der ist gar nicht dazu in der Lage, weder mit seinen Einrichtungen noch mit seinen PrüferInnen oder sonst irgend­etwas. Alle Macht wird im Österreichischen Integrationsfonds zentralisiert.

Als ich das beim Hearing gefragt habe, bekam ich die Antwort, das ist eine staatliche Prüfung, das ist wie beim Führerscheinkurs: Sprachkurse dürfen alle machen und das muss dann staatlich abgenommen werden. – Das würde dann bedeuten, dass in Ös­terreich niemand mit einem internationalen Fahrschein (Abg. Wurm: Führerschein!) – Führerschein, danke! – fahren darf oder dass ein Pfleger oder eine Pflegerin, die ihre Ausbildung in Nürnberg, in München gemacht hat, in österreichischen Spitälern nicht arbeiten darf. Das stimmt doch gar nicht.

Warum zerschlagen Sie das Österreichische Sprachdiplom, das mit seinen 200 Ein­richtungen international anerkannt ist und auf Initiative von Außenministerium, Wissen­schaftsministerium und Sozialministerium gegründet worden ist? Warum tun Sie das?

Das Einzige, das das Österreichische Sprachdiplom eigentlich möchte – die sind übri­gens dafür zertifiziert, solche Prüfungen abzunehmen, und haben einen Vertrag bis Mai 2021, das sind noch circa zwei Jahre –, ist, dass man ihnen das, was sie schon in der Hand haben, nämlich diesen Vertrag, nicht wegnimmt. Da werden 60 Arbeitsplätze in den Sand gesetzt; gratuliere! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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12.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte.


12.45.24

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Neugestaltung der Mindestsicherung wird nun, wie es auch Kollege Loacker vorhin erwähnt hat, schon sehr lange in diesem Haus diskutiert, also seit über einem Jahr, seitdem die erste Grundsatzpunktation der Bundesregierung eingebracht wurde. Sie ist also tatsächlich ausführlich diskutiert wor­den.

Wie, glaube ich, alle Redner der Regierungsparteien klargestellt haben, geht es in kei­ner Weise um Einsparungen im System, sondern es geht vor allem darum, ein System gerechter aufzustellen. Es muss einfach klar sein, dass der, der in unserem Staat ar­beiten geht und in ein Sozialsystem einzahlt, nicht der Dumme sein darf. Wer arbeiten geht, darf eben nicht der Dumme sein, sondern muss am Ende des Tages auch mehr zum Leben haben als der, der von der Solidargemeinschaft unterstützt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben das nun auch einer anderen Wortwahl ausgesetzt, denn in Zukunft heißt es nicht mehr Mindestsicherung, sondern Sozialhilfe. Das finde ich insofern richtig und wichtig, als mit dieser Unterstützungsleistung seitens des Staates für jedermann klar­gestellt sein soll: Es ist eine Hilfestellung. Hilfe heißt, dass jemand anderer jemandem in einer Notlage zur Seite steht und unter die Arme greift. Hilfe im Sinne unseres So­zialstaates heißt, dass jemand einen Geldbezug bekommt, den ja jemand anderer vor­her einzahlen muss. Das Geld kommt ja bekanntlich nicht vom Himmel, sondern muss vorher von jemandem – von der Solidargemeinschaft – erwirtschaftet werden. Daher ist diese Umbenennung in Sozialhilfe durchaus richtig und rechtmäßig.

Natürlich stellen wir uns ganz stark die Frage der Gerechtigkeit. Wenn du, Beppo Mu­chitsch, sagst, wie das zu Hause in den Wahlkreisen ist, kommt mir das manchmal so vor – ah, nun ist er eh da, Beppo Muchitsch! –, als ob du nicht mehr bei deiner Bevöl­kerung und in deinem Wahlkreis unterwegs bist. Tatsächlich gab es nämlich schon in der Wahlbewegung zuvor, aber auch in den letzten Monaten und Jahren immer wieder den Hinweis aus der Bevölkerung an uns Volksvertreter: Wir haben da in manchen Be­reichen kein ausbalanciertes, gerechtes System.

Vor einigen Wochen ist ein Bediensteter einer Sozialeinrichtung, der als Heimhelfer angestellt ist, zu mir gekommen, und hat sich – er hat gehört, welche hohen Sätze über die Mindestsicherung in Österreich ausbezahlt werden – darüber beschwert, dass er glaubt, dass er gar nicht mehr als das verdient, was er über den Sozialstaat erhalten könnte. Ich habe ihm gesagt, ich kann das so nicht sagen, aber wenn er bereit wäre, mir seinen Gehaltszettel zu bringen, könnte ich das verifizieren.

Er hat mir seinen Gehaltszettel gebracht. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Sein Ge­haltszettel vom April 2019 – also ganz aktuell – besagt (aus einem Schriftstück vorle­send), er verdient als Heimhelfer in einer staatlichen Einrichtung bei voller Beschäfti­gung 1 903,80 Euro brutto. Davon muss er 325 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen abliefern und 134 Euro an Lohnsteuer bezahlen. Es bleiben ihm bei voller Beschäfti­gung in einer Einrichtung in Graz-Umgebung also 1 443 Euro übrig.

Dann habe ich nachgefragt, wie seine Familiensituation ist: Sie haben kleine Kinder (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Leichtfried) und die Frau ist in Teilzeit beschäftigt – sie verdient etwa 500, 600 Euro netto noch dazu. Das heißt, diese Familie mit Kindern hat circa 2 000 Euro netto monatlich zur Verfügung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gleichzeitig habe ich hier einen ganz aktuellen Mindestsicherungsbescheid in der Hand (ein Schriftstück in die Höhe haltend). Der ist von jemandem aus meinem Bezirk, der nicht ganz weit weg von dieser ersten Person wohnhaft ist – also in einer anderen


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Gemeinde. Diese Familie mit vier Kindern bekommt als monatliche Nettoleistung aus der Mindestsicherung – noch ohne weitere Sozialleistungen, ohne Familienbeihilfe und dergleichen – 1 939,22 Euro.

Allein an diesem Beispiel sehen Sie - - (Abg. Stöger: Wie gibt es das?) – Das sind die ganz richtigen Daten, das kann ich Ihnen alles beweisen. Allein an diesem Beispiel se­hen Sie, dass da offensichtlich eine Schieflage besteht, nämlich auch deswegen (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), weil dieser arbeitende Mensch natürlich auch zu mir sagt, dass er ja gar nicht mehr verdiene, je mehr Kinder er habe.

Ich habe nun nachgefragt, wie das in der Steiermark ist – ich nehme an, in den ande­ren Bundesländern ist es nicht anders –, wenn man in einer Gemeinde angestellt ist. Wissen Sie, wie das mit der Kinderzulage ist? – Als Gemeindevertragsbediensteter be­kommen Sie pro Kind – egal, wie viel Sie verdienen, egal, in welchem Einkommens­segment – 16,40 Euro als Zulage.

Genau diese Fakten müssen wir beachten (Zwischenruf bei der SPÖ), denn eines ist für den Sozialstaat fundamental wichtig, Herr ehemaliger Sozialminister Stöger: Es ist natürlich wichtig, dass der Sozialstaat Notlagen absichert, aber es ist ebenso wichtig, dass die, die in den Sozialstaat einzahlen, den Sozialstaat auch akzeptieren. (Neuer­liche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir brauchen eine breite Akzeptanz des Sozialstaa­tes, denn nur dann können wir ihn absichern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir brauchen diese doppelte Fairness in einem Sozialstaat: jene unterstützen, die Un­terstützung brauchen, aber auch die Fairness jenen gegenüber, die mit ihrer Leistung – mit ihrer Arbeitsleistung, mit ihrer Steuerleistung – in diesen Sozialstaat einzahlen.

Für mich ist es wichtig – für dich sollte das auch wichtig sein, lieber Beppo Mu­chitsch! –, dass ich, wenn jemand mit so einem Lohnzettel zu mir kommt (ein Schrift­stück in die Höhe haltend), dieser Person mit ruhigem Gewissen in die Augen schauen und sagen kann (Zwischenruf des Abg. Muchitsch): Ja, es zahlt sich aus, dass du er­werbstätig bist! Ja, es zahlt sich aus, dass du in unseren Sozialstaat einzahlst (neuer­licher Zwischenruf des Abg. Muchitsch), damit wir ein funktionierendes Sozialsystem haben! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Mit diesem Gesetz kann ich ruhigen Gewissens jenen in die Augen schauen, die Hilfe benötigen, aber auch jenen, die in dieses System einzahlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Sehr gut!)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Mag.a Selma Yildirim. – Bitte.


12.52.14

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Zu den Ausführungen meines Vorredners von der ÖVP möchte ich bemerken: Es könnte natürlich eine Miet­zinsobergrenze helfen, faire und gerechte Löhne könnten helfen und eine gerechte Steuerreform könnte dieser Familie, die Sie erwähnt haben, auch helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Änderungen des Statis­tikgesetzes. Sie wissen, mit diesen Änderungen soll sichergestellt werden, dass die Länder monatlich persönliche Daten von Sozialhilfebezieherinnen und -beziehern über­mitteln. Gläsern sind wir ohnehin schon alle. Die Sozialministerin wird sich bei dieser Gesetzesänderung schon etwas gedacht haben – davon gehen wir einmal aus. Das Gesetz soll wohl – wie uns bei jeder Gelegenheit erklärt wird – dazu dienen, das öster­reichische Sozialhilfewesen aufrechtzuerhalten, und auch der wechselseitige Daten­austausch zwischen den Behörden soll sichergestellt werden – letzteres ist auf jeden


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Fall eine sinnvolle Sache –, aber, sehr geehrte Damen und Herren, welche Aussage­kraft hat dabei die Angabe von Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen El­tern von Sozialhilfeantragstellern und -antragstellerinnen? Welche statistische Rele­vanz haben die Staatsangehörigkeit und der Geburtsort der leiblichen Eltern eines Menschen, der in Not geraten ist? Was genau bezwecken Sie mit der Erhebung dieser Daten?

Daten, aus welchen die rassische und ethnische Herkunft hervorgehen, stellen nicht zu Unrecht sensible Daten dar, die ganz besonderen Schutz genießen. Haben Sie schon einmal etwas von der Datenschutz-Grundverordnung gehört? – Laut Artikel 9, sehr ge­ehrte Damen und Herren, ist das grundsätzlich untersagt, mit der gegenständlichen Gesetzesänderung wird dieses Verbot aber umgangen.

Die Bundesstatistikanstalt soll Informationen über Sozialhilfebezieherinnen und -bezie­her in die Transparenzdatenbank übermitteln. Es geht um Steuergelder, und mit diesen ist sparsam umzugehen. Dazu dienen auch Erhebungen über – ich sage jetzt einfach – Transferleistungen. Jährlich werden jedoch auch Milliarden an Steuergeldern unter dem Titel Förderungen, Subventionen und Zuschüsse an Konzerne und an unter­schiedlichste Personengruppen wie Landwirte und Landwirtinnen ausbezahlt. Dabei mag es sich durchaus um gute und sinnvolle Investitionen und Ausgaben handeln – wie jene zur Armutsbekämpfung –, aber warum werden dabei nur einzelne Teilbe­reiche herausgepickt und in die Transparenzdatenbank eingespeist?! Geldflüsse aus öffentlichen Mitteln sind sichtbar zu machen – dann aber alle!

Warum persönliche Merkmale von SozialhilfebezieherInnen bemerkenswerter sind als Geldflüsse an andere Personengruppen, ist für mich auf den ersten Blick nicht nach­vollziehbar. Auf den zweiten Blick könnte man einen Plan vermuten. Wann werden Sie aufhören, schwache Menschen zu stigmatisieren? Wann werden Sie aufhören, Men­schen nicht zuletzt auch dadurch, dass bei manchen etwas öffentlich gemacht wird, was bei anderen unsichtbar bleibt, gegeneinander auszuspielen?

Nur eine völlige Transparenz in diesem Bereich würde es möglich machen, die Rela­tion richtig zu erkennen. Wenn jedoch lediglich einseitig zum Zwecke der Stimmungs­mache Daten offengelegt werden, geht damit heute ein Stück Anstand und Mitmensch­lichkeit in Österreich verloren. (Beifall bei der SPÖ.) Dieses Land braucht aber mehr Anstand und Mitmenschlichkeit, sehr geehrte Damen und Herren. Bekämpfen wir die Armut und nicht die Armen!

An dieser Stelle möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionspar­teien kurz mitteilen, dass wir ihren Anträgen nicht aus dem Grund nicht zustimmen werden, weil wir sie für nicht sinnvoll halten, sondern weil wir einen Rückverweisungs­antrag stellen werden – das ist der einzige Grund und sonst nichts. Alle Ihre Anträge sind legitim, aber wir sind der Meinung, das gehört grundsätzlich in die Ausschüsse zu­rück. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Klaus Fürlin­ger. – Bitte.


12.56.34

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Frau Kollegin Yildirim, ich darf nur eine kleine Anmerkung machen: Die Ge­burtsdaten und Geburtsorte der Eltern der Sozialhilfeantragsteller werden seit vielen Jahren erhoben – eingeführt vom Herrn Minister Rudolf Hundstorfer – und sie sind selbst­verständlich nirgendwo öffentlich zugänglich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Yildirim.)


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Es ist alles zu diesem Gesetz gesagt, meine Damen und Herren. Dieses Gesetz ist in fast jeder Hinsicht eine Verbesserung gegenüber dem Istzustand. Es löst eine mit den Ländern geschlossene Artikel-15a-Vereinbarung ab und steckt nun einen klaren Grund­gesetzrahmen. Es gibt den Ländern Möglichkeiten und Alternativen, aber eben in ei­nem klaren Rahmen. Es wird zur Vereinheitlichung beitragen, es trägt zur Wiederein­gliederung bei, es trägt hinsichtlich Sprache etwas zur Integration bei und es hilft de­nen, die es wirklich notwendig haben – Alleinerziehern und Behinderten –, denen, die tatsächlich Hilfe brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte an dieser Stelle doch noch einmal anhand eines Beispiels, das ein deut­scher Kollege einmal ganz gut erläutert hat, den Unterschied zwischen deiner Sozial­theorie, Kollege Muchitsch, und meiner christlich-sozialen herausarbeiten, denn du hast an das Christlich-Soziale appelliert. Ich sage dir dann, was ich glaube, dass das Richtige ist. Ich nehme dafür das Beispiel des heiligen Martins, des späteren Bischofs von Tours. Dieser ist irgendwann einmal als Legionär in Richtung Frankreich geritten und hat an einer Straßenecke einen Hungernden und Frierenden gefunden. (Abg. Lind­ner: Das hast du im Bundesrat schon mal gemacht!) Er ist von seinem Pferd herunter­gestiegen und hat seinen Mantel und seinen Proviant mit diesem geteilt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lindner und Loacker.) Er hat den Hungernden und Frierenden sta­bilisiert, ihn vor dem Verhungern und Erfrieren gerettet. (Abg. Loacker: ... heiliger Ni­kolaus!) Dann ist er in die nächste Stadt weitergeritten und hat den Verantwortlichen ein wenig Geld gegeben, damit sie ihn holen. Diese haben ihn geholt und haben ihn wiederhergestellt. Er hat bis zu seinem Ende ein eigenbestimmtes Leben geführt.

Das ist das, was ich darunter verstehe. Dich, Kollege Muchitsch, kann ich fragen: Was hätte denn der heilige Martin getan, wenn er Sozialist gewesen wäre? – Er hätte den Mantel geteilt, er hätte den Proviant geteilt und er hätte das Pferd in der Mitte ausein­andergeschlagen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Das Problem wäre, dass man sich vielleicht noch ein wenig am Pferdefleisch hätte laben und am erkaltenden Kadaver hätte wär­men können, am Ende des Tages aber beide gestorben wären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was will ich: Will ich zwei Tote oder will ich zwei Lebende? (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) – Grüne haben wir hier nicht, aber vielleicht noch für den Kollegen Rossmann als Erinnerung: Wenn der heilige Martin ein Grüner gewesen wäre, hätte er gesagt: Um Gottes Willen, das arme Pferd!, und hätte versucht, das Pferd und den Mann zu tragen und wäre ebenso gescheitert. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ein Liberaler hätte den Mann am Boden nicht gesehen, weil für den nur Be­rittene zählen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich, lieber Kollege Muchitsch - - (Abg. Loacker: ... wieder fertig!) – Oh, danke, Herr Kol­lege Loacker! Ich, lieber Kollege Muchitsch, habe mich ganz klar dafür entschieden, was ich will (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger): Ich will eine Sozialpolitik, die beide leben lässt, die zwei Lebende in Eigenverantwortung produziert, und nichts anderes. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

12.59


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.00.17

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Abgeordneter Fürlinger hat behauptet, Bundesminister Hunds­torfer hätte die Regelung eingeführt, dass der Geburtsort der Eltern gemeldet werden muss. – Das ist unrichtig. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)


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Richtig ist, dass Sie mit diesem Gesetz die Grundlage im Statistikgesetz dafür liefern. Es hätte schon eine Bestimmung im Statistikgesetz geben müssen, wenn er das ge­wollt hätte. Die hat es nicht gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer persönlichen Erwiderung auf eine tat­sächliche Berichtigung hat sich noch einmal Herr Abgeordneter Stöger zu Wort ge­meldet. – Bitte schön.


13.01.17

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Abgeordneter Wurm hat in einer tatsächlichen Berichtigung gesagt, und ich repliziere darauf, ich hätte ihn - - (Abg. Schi­manek: Das geht nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist meine persön­liche Erwiderung. So. – Er sagte, er hätte gesagt, das sei das Ende des Sozialpa­radieses für aller Herren Länder.

Gott sei Dank gibt es moderne Technologien. Wir haben im Fernsehen nachgesehen, was er tatsächlich gesagt hat: „Dieses Gesetz wird der Anfang vom Ende von Öster­reich als Sozialstaat der ganzen Welt sein.“ (Oh-Rufe und Beifall bei der SPÖ.)

13.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Lindner zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.02.11

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Zur ÖVP: Ich würde mir wünschen, dass endlich wieder die ÖVP in dieses Haus einzieht, eine Partei, die – bei allen Fehlern – den Sozialstaat über Jahrzehnte hinweg mitaufgebaut hat. Heute gibt es nur eine Partei, die ihre christlich-sozialen Wurzeln auf ganzer Linie dem Opportunismus geopfert hat. Schämen Sie sich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben Obdachlosigkeit bekämpft, statt sie zu fördern, wir haben Menschen ge­holfen, statt ihnen etwas wegzunehmen. Wir haben Armut bekämpft. Jetzt ist diese Re­gierung auch noch stolz darauf, sie aktiv zu schaffen.

Dieses Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist fehlerhaft, es ist untaug­lich, es ist verfassungswidrig und es ist europarechtswidrig. Dieses Gesetz erzeugt Ar­mut, meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist Müll! (Beifall bei der SPÖ.)

SOS Mitmensch hat heute gepostet, und ich zitiere: „25. April 2019. Tag der Schande. Parlament beschließt schlimmste Armutsverschärfung der Zweiten Republik.“ (Abg. Fürlinger: Das macht es nicht richtiger!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer schafft die Armut? Wer schafft die Ar­mut? – Beate Hartinger-Klein schafft die Armut! August Wöginger schafft die Armut! Merkt euch das endlich einmal! (Abg. Wöginger: Was schreist du so?) Wenn ihr noch einen Funken von Anstand habt – wenn ihr noch einen Funken von Anstand habt! –, dann stimmt ihr diesem Gesetz nicht zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Der plärrt da herum!)

13.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.04.21

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die zentrale Aufgabe


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eines Sozialstaates ist es, für Sicherheit zu sorgen, und dazu gehört auch die soziale Sicherheit. Mit diesem Gesetz ist aber die soziale Sicherheit in unserem Land gefähr­det. Dieses Gesetz sieht keine Mindeststandards vor, sondern nur Höchstgrenzen. Das bedeutet: Weniger kann man immer auszahlen, aber man darf ja nicht über eine be­stimmte Höchstgrenze kommen. Wir haben es heute schon gehört, wir brauchen 700 Euro zum Überleben. Das heißt, Sie nehmen den Menschen mit diesem Gesetz das Min­destmaß an sozialer Unterstützung, das Überlebensnotwendige, das Existenzminimum weg. Und das Ganze in einem der reichsten Länder der Welt! (Beifall bei JETZT.)

Mit diesem Gesetz gefährden Sie nicht nur die soziale Sicherheit, Sie verstärken auch durch die Spaltung der Gesellschaft die Unsicherheit im Land. Diejenigen, die keinen Pflichtschulabschluss oder schlechte Deutschkenntnisse haben, bekommen 300 Euro weniger, als sie zum Überleben bräuchten. Das betrifft vor allem Frauen und Kinder. Brauchen denn diese Familien und diese Frauen weniger zum Essen? Brauchen sie weniger Kleidung? Brauchen diese Kinder weniger Schulsachen? Brauchen sie keine Wohnung?

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz schaffen Sie das Mindestmaß ab, und das betrifft sehr viele Frauen und sehr viele Kinder. Es betrifft auch jene Frauen, die Aufstockerinnen sind, das heißt jene, die arbeiten und trotzdem zu wenig verdienen, um das Mindestmaß, das Existenzminimum überhaupt zu erreichen. Die bekommen auch weniger. (Abg. Fürlinger: Nicht weniger! Gleich viel!)

Zu den Aufstockerinnen gehören auch Personen, die nur schlecht Deutsch sprechen. Dazu gehören Frauen, die schlecht Deutsch sprechen und in Branchen arbeiten, in denen sie generell wenig verdienen, zum Beispiel Reinigungsfachkräfte. Wenn sie um 6 Uhr in der Früh in der Arbeit sind und sich am Nachmittag um die Kinder kümmern sollen, wann sollen sie dann den Deutschkurs machen?

Ich gebe Ihnen schon recht: Deutsch ist wichtig, Deutsch ist die Eintrittskarte in unsere Gesellschaft. Wenn wir mit diesem Gesetz aber die Möglichkeit streichen, dass Deutschkurse absolviert und Deutschprüfungen auch bei anderen vom ÖIF, vom Inte­grationsfonds, zertifizierten Instituten abgelegt werden können, dann verhindern wir, dass Deutschprüfungen abgelegt werden können. Das ÖSD, das Österreichische Sprachdiplom Deutsch erleidet sowohl einen Imageschaden als auch einen wirtschaftli­chen Schaden. Das Österreichische Sprachdiplom Deutsch hat letztes Jahr über 1 Mil­lion Euro investiert, um sich vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizieren zu lassen und damit die Möglichkeit zu schaffen, dass Deutschprüfungen auch beim ÖSD abgelegt werden können.

Die Streichung in diesem Gesetz führt zu Folgendem: Alle Deutschprüfungen konzen­trieren sich beim ÖIF. Dadurch wird es sehr wohl zu Engpässen beim ÖIF kommen. Das führt dann auch dazu, dass Personen, die Deutschprüfungen ablegen wollen, teilweise bis zu einem Jahr auf einen Termin warten müssen, und in diesem Jahr bekommen sie weniger Sozialhilfe, nämlich um 300 Euro weniger. In dem Jahr werden sie eben nicht das Existenzminimum bekommen können. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Lindner.)

Um diese Engpässe zu verhindern und zu garantieren, dass Personen auch tatsächlich Deutschprüfungen ablegen können, bringen wir heute folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 83

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass die schon bisher vom ÖIF zertifizierten Sprachinstitute, wie das ÖSD, für die Abnahme der nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und dem Integrationsgesetz erforderlichen Deutschprüfungen (auch weiterhin) zugelassen werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

13.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzge­setz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-lntG) geändert werden (588 d.B.).

Begründung

Der Entwurf für das neue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz enthielt in der Begutachtungs­phase bezüglich des vorzulegenden Nachweises der Sprachkenntnisse noch die fett markierte Passage: Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) bzw. einer ÖIF anerkannten Bildungseinrichtung. Da die Einrichtung Österreichisches Sprachdi­plom Deutsch (ÖSD) erst vor nicht ganz einem Jahr in einem sehr aufwendigen Ak­kreditierungsprozess vom ÖIF zertifiziert wurde, fand sie sich in dieser Formulierung auch wieder. In der inzwischen vom Ministerrat beschlossenen Fassung des Sozialhil­fe-Gesetzes wurde nun nicht nur dieser Zusatz ersatzlos gestrichen, sondern es wurde auch das Integrationsgesetz in diese Richtung - ebenso nach der Begutachtungsfrist - verändert. Somit hatte weder das ÖSD selbst noch die ca. 100 betroffenen ÖSD-li­zenzierten Sprachschulen und Kursanbieter, deren Teilnehmende auf die ÖSD-Prü­fungen vorbereitet werden, die Möglichkeit rechtzeitig Stellung zu nehmen. Die Prü­fungen des ÖSD auf B1 sind in Bezug auf Sprachniveau, Prüfungsinhalte und Durch­führung komplett gleich wie die Prüfungen des ÖIF. Sie sind noch bis Ende Mai 2021 für die Erlangung von Daueraufenthalt oder Staatsbürgerschaft (vgl. Modul 2 der Inte­grationsvereinbarung) anerkannt. Nach dem aktuellen Entwurf des Sozialhilfe-Grund­satzgesetzes wären für die Beantragung der vollen Sozialhilfe als Sprachnachweis aber nur noch ÖIF-Zertifikate anerkannt. Das führt zu einem unerklärlichen sachlichen Widerspruch, da die ÖSD-Prüfungen für die österreichische Staatsbürgerschaft aner­kannt wären, aber nicht für die Beantragung der Sozialhilfe.

Die Integrationsprüfungen des ÖSD wurden im Zuge eines strengen und sehr auf­wendigen Zertifizierungsverfahren vom ÖIF selbst erst Ende Mai 2018 auf drei Jahre als gleichwertige Sprachnachweise zertifiziert. Die Durchführung der ÖSD-Integrations-


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prüfung ist vollständig an die Integrationsprüfung des ÖIF angepasst sowie an strengs­te Vorgaben gebunden und wird durch den ÖIF qualitativ regelmäßig evaluiert. Nur vom ÖIF zertifizierte Prüfungseinrichtungen sind für die Durchführung von ÖSD-Inte­grationsprüfungen zugelassen, alle Prüfenden sind vom ÖIF zertifizierte Lehrkräfte. Die Forderung nach einheitlichen Qualitätsstandards wird also durch die geltende Rechts­lage bereits ausreichend erfüllt. ÖSD-Prüfungen sind international anerkannt und ak­kreditiert (z.B. ALTE). Allein diese ALTE-Akkreditierung erfordert noch strengere Quali­tätskriterien, die das ÖSD ebenfalls nachweislich erfüllt.

Im Vergleich zu den im Gesetz alternativ erwähnten nicht standardisierten Sprachein­stufungsbestätigungen sind standardisierte Prüfungen wie die des ÖSD wesentlich aus­sagekräftiger.

Aus oben genannten Gründen ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb durch die allei­nige Prüfungsdurchführung des ÖIF das Missbrauchsrisiko minimiert werden sollte. Weder in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf finden sich Hinweise über festge­stellte Qualitätsmängel oder Missbräuche, noch gibt es generell Nachweise dafür, dass bei ÖSD-Prüfungen ein höheres Missbrauchsrisiko gegeben sein könnte als bei den ÖIF-Prüfungen. Der behördliche Aufwand bei der Überprüfung von TeilnehmerInnen­daten ist durch eine im Sommer 2018 eigens erstellte Schnittstelle zwischen ÖSD und ÖIF, wodurch alle erforderlichen Teilnehmer-Daten vom ÖSD direkt in die Datenbank des ÖIF eingespeist werden, nicht größer.

Da das ÖSD komplett eigenfinanziert arbeitet, fallen dem Staat bzw. dem Steuerzahler für die Abwicklung der ÖSD-Prüfungen keine (zusätzlichen) Kosten an. Käme es zu ei­ner Übergangslösung, könnte das ÖSD den ÖIF langfristig auch im Bereich der Test­ersteIlung unterstützen und damit helfen, Kosten und Ressourcen sowohl in der Test­ersteIlung als auch bzgl. der Austrifizierung einzusparen. Derzeit kauft der ÖIF die Tests bei einer deutschen Firma ein und austrifiziert sie dann erst für den österreichi­schen Kontext.

Wenn das ÖSD seine Tätigkeit beenden muss,

-             sind die Arbeitsplätze von derzeit 56 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen sowie von et­lichen freiberuflich Lehrenden und Prüfenden gefährdet,

-             erleiden auch Prüfungs- und Sprachzentren im Ausland, wie z.B. Österreich-Institute, österreichische Kulturforen, Universitäten mit Österreich-Bezug (Öster­reich-Bibliotheken), österreichische Auslandsschulen, sonstige Sprachzentren einen hohen wirtschaftlichen und ideellen Schaden (Prestige),

-             müssten diese Sprachzentren ihre Kursteilnehmenden wieder zu Prüfungsan­bietern aus Deutschland (Goethe-Institut, telc GmbH) schicken, deren Prüfun­gen ausschließlich Deutschland-orientiert sind,

-             würde die 25-jährige Aufbauarbeit bzw. Erfolgsgeschichte einer sich selbst tra­genden (also ohne öffentliche Mittel auskommenden) Bildungseinrichtung zu­nichte gemacht werden und international anerkanntes fachliches Know-how I Fach­expertise verloren gehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äu-


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ßeres, wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass die schon bisher vom ÖIF zertifizierten Sprachinstitute, wie das ÖSD, für die Abnahme der nach dem Sozialhilfe-Grundsatz­gesetz und dem Integrationsgesetz erforderlichen Deutschprüfungen (auch weiterhin) zugelassen werden.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bißmann zu Wort. – Bitte.


13.09.29

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Ministerin! Liebe Bürgerin­nen und Bürger auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Fürs Erste möchte ich mich ganz herzlich für die überparteiliche Solidarität bedanken, die mir hier heute entgegen­gebracht wird. – Vielen Dank dafür!

Eine Reform hat immer zum Ziel, einen Zustand zu verbessern. Bei der Reform der Mindestsicherung sollte ja das Ziel sein, die Kinder- und Altersarmut in Österreich zu bekämpfen, den sozialen Frieden im Land zu sichern und zu stärken, das verfassungs­mäßig verbriefte Recht der Mensch in Österreich auf ein menschenwürdiges Leben in Anwendung zu bringen. Besorgte Stimmen darüber, dass die Reform der Mindestsi­cherung die Armut nicht verringert, sondern verschärft, sind zahlreich. Es besteht Sor­ge über eine Reform, die den Armen die Würde nimmt und nicht gibt.

Es beginnt schon bei der Bezeichnung. Ich bin Bezieherin von Mindestsicherung, das impliziert, dass ich in einem Land lebe, in dem jeder Mensch das Grundrecht darauf hat, abgesichert zu sein. Ich bin Sozialhilfeempfänger, das nimmt den Betroffenen den letzten Rest von Würde. Wir leben also in einem Land, das die Sozialhilfe wieder ein­führt – und das in einer Zeit, in der ein Land nach dem anderen weltweit das bedin­gungslose Grundeinkommen erforscht und einführen will. (Abg. Fürlinger: Und ab­schafft!) Da ist sich die Mehrheit der Zukunftsforscher weltweit einig, dass das richtig ist, auch in Österreich. (Abg. Fürlinger: Und wieder abschafft!)

Ich bitte Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, der christlich-sozialen Partei Österreichs! Lieber Herr Rosenkranz! Besinnen Sie sich auf Ihre christlich-so­zialen Werte, bleiben Sie bei den Menschen im Land, zeigen Sie Herz und Verstand! (Abg. Rosenkranz: Herz und Verstand, ja gerne! Aber christlich-sozial? Die kennt sich nicht aus im politischen Spektrum!)

Alexander Pollak von SOS Mitmensch hat aus Anlass der heute anstehenden Abstim­mung über die Sozialhilfe Neu an die Abgeordneten im Parlament zehn Fragen über­mittelt, die ich verlesen möchte. Die Antwort auf alle Fragen ist ein Wort: Niemandem! (Die Rednerin hält ein Blatt mit der Aufschrift „#niemandem“ in die Höhe und stellt es dann vor sich auf das Rednerpult.)

Erste Frage: „Wem geht es besser, wenn armutsbetroffene Kinder“ – ab dem dritten Kind – „um bis zu 80 Prozent weniger Sozialhilfe als bisher erhalten?“

Zweite Frage: „Wem geht es besser, wenn vorwiegend ältere Personen, die länger­fristig keine Chance auf Arbeit haben, um 1.170 Euro weniger pro Jahr erhalten, weil ihnen Sonderzahlungen gestrichen werden?“

Dritte Frage: „Wem geht es besser, wenn Arbeitende mit geringem Einkommen nicht mehr auf die bisherige Höhe der Mindestsicherung aufstocken können und dadurch genauso einen Verlust wie Menschen ohne Erwerbsarbeit?“


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Vierte Frage: „Wem geht es besser, wenn es in der ,Sozialhilfe neu‘ keine einheitlichen Untergrenzen und keine Mindeststandards mehr für ein menschenwürdiges Leben gibt?“

Fünfte Frage: „Wem geht es besser, wenn auch Menschen mit Behinderung von Kür­zungen betroffen sind und nur dann einen Bonus erhalten, wenn der Grad der Behin­derung 50 Prozent übersteigt?“

Sechste Frage: „Wem geht es besser, wenn Frauen, Männer und Kinder, die nicht Deutsch auf Maturaniveau der zweiten Fremdsprache beherrschen, für viele Monate, Jahre oder – wenn sie älter sind und Lernschwächen haben – auf Dauer in tiefste Ar­mut verbannt werden?“

Siebente Frage: „Wem geht es besser, wenn Frauen, Männer und Kinder, denen in ih­rem Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben droht, gänzlich von der Sozialhilfe aus­geschlossen werden, wenn sie subsidiären Schutz erhalten haben?“

Achte Frage: „Wem geht es besser, wenn Personen die in Erwachsenen-Wohngemein­schaften leben, drastische Einbußen bei der Sozialhilfe erleiden?“

Neunte Frage: „Wem geht es besser, wenn durch die vielen neuen Schikanen die Bü­rokratie in Österreich aufgebläht und verteuert wird?“

Zehnte Frage: „Wem in Österreich geht es besser, wenn es vielen im Land schlechter geht, wenn es mehr Unsicherheit und tiefere Armut gibt und die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergerissen wird?“

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich frage Sie nun: Wenn niemand der Betroffenen profi­tiert, wer profitiert eigentlich von den Kürzungen im Sozialbereich? Es muss irgendwo einen versteckten Honigtopf geben, von dem jemand weiß, wo er ist. Frau Bundesmi­nisterin, Sie müssten am besten wissen, wo dieser ist, und wer in den Honigtopf greift, der schleckt sich auch die Finger ab, das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Ich habe heute Rosen als Trost für ein Missgeschick bekommen, das mir gestern pas­siert ist. Ich möchte Ihnen nun eine dieser Rosen geben Frau Ministerin, damit Ihnen dieses Missgeschick nicht passiert, denn die Regierung droht mit dieser Reform der Mindestsicherung zu stolpern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Bißmann überreicht Bundesministerin Hartinger-Klein eine Rose.)

13.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.14.52

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Bißmann hat vorhin an meine christlich-soziale Wurzel und Einstellung appelliert.

Ich möchte tatsächlich berichtigen: Ich bin nicht Mitglied der Österreichischen Volks­partei, die nach ihrer geschichtlichen Wurzel christlich-sozial ist, was ich im Rahmen des demokratischen Spektrums ja äußerst schätze, sondern ich komme aus der Wur­zel des Dritten Lagers, des sogenannten national-freiheitlichen, und ich finde mich in der sozialen Heimatpartei. Daran können Sie auch appellieren. Selbstverständlich bin ich Christ, römisch-katholisch, und das gerne. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


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13.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Dönmez. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.15.38

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wer­te Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe jetzt sehr, sehr lange überlegt, ob ich mich zu diesem Tages­ordnungspunkt zu Wort melden soll, und vor allem auch – und das ist ja das Schöne des freien Mandats, selbst darüber entscheiden zu können –, wie ich abstimmen werde.

In meinem Herzen finden sich zwei Regungen. Ich habe so wie viele von uns ein Men­schenbild, das ich nach Worten Immanuel Kants so wiedergeben möchte: Wenn wir glücklich sind, dann denken wir nicht an Elend, wenn Licht ist, denken wir nicht an Dunkelheit, und wenn es uns gut geht und wir Wohlbefinden fühlen, dann denken wir nicht an das Schlechte oder an Schmerz. – Ich wünsche niemandem von uns, dass es ihm einmal schlecht geht, dass er Schmerz verspürt oder in Armut verfällt. Das ist si­cherlich nicht lustig und auch nicht selbst gewählt.

Andererseits weiß ich, dass diese gute Grundhaltung, dieser soziale Staat, den wir ha­ben, von manchen Menschen auch ausgenutzt wird. Viele meiner Vorredner haben heu­te hier an dieser Stelle gesagt, dass insbesondere die Zuwanderung von Ausländern ins Sozialsystem vermieden werden soll, was eben auch als Ausländerfeindlichkeit in­terpretiert wird.

Ich sage Ihnen eines: Ich habe diese Woche mit einem Unternehmer aus Wien ge­sprochen. Er ist Gastronom. Er hat in Wien 20 Filialen, in denen er Speisen und Ge­tränke anbietet. Er ist türkischstämmig. Er hat ungefähr 200 Mitarbeiter, die meisten stammen auch aus der Türkei, kurdischstämmig, und es sind auch einige Syrer da­runter. Wissen Sie, was er mir gesagt hat? – Seine Mitarbeiter verdienen Vollzeit 1 500 Euro netto, und er findet nur ganz schwer Mitarbeiter. Manche, die Vollzeit ange­meldet sind, kommen zu ihm und sagen, er soll sie doch mit maximal 800 Euro oder sogar noch weniger, geringfügig anmelden, damit sie gewisse Leistungen nicht verlie­ren. Das kann es doch nicht sein!

Aus beiden Lagern, sowohl von der Sozialdemokratie, aber auch aus der FPÖ und der ÖVP, sind viele richtige Argumente gekommen. Ich sage Ihnen aber eines: Der beste Schutz vor Armut ist nach wie vor die Bildung und der soziale Aufstieg. Darum ist es auch nicht wurscht und nebensächlich, zu erheben, welchen Bildungsstand die Eltern haben und woher sie kommen, um zu wissen, ob es über die Generationen hinweg einen Aufstieg gibt. Der soziale Aufstieg wird sehr schwer sein, wenn es pro Jahr 15 000 Schulabbrecher gibt.

In den nächsten Jahren – das wissen alle hier in diesem Saal – wird in der Arbeitswelt kein Stein auf dem anderen bleiben. Durch die Digitalisierung und die Industrie 4.0 werden viele Tätigkeiten durch Maschinen und Roboter ausgeführt werden. Es entste­hen aber andererseits natürlich auch wieder neue Jobmöglichkeiten, aber nicht mehr in dieser Hülle und Fülle. Wir leben gerade in einer Zeit, in der viele Bereiche der Pro­duktion in Billiglohnländer exportiert worden sind. Das heißt, hier in Österreich wird der Druck auf jene, die eine schlechte Schulausbildung haben, die schlechte Deutsch­kenntnisse haben, die kaum einen Hauptschulabschluss haben, noch mehr steigen. Daher ist es wichtig, dass wir massiv auf Bildung setzen, wenn wir Armut vermeiden möchten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auch ich habe zwei Kinder im Schulalter. In diese Klasse wurden vier oder fünf Flücht­lingskinder reingesetzt. (Abg. Friedl: ... Alleinerziehende!) – Auch Kinder von Alleiner­ziehenden sind in dieser Schule, in dieser Klasse. In dieser Klasse fahren alle Kinder auf einen Schulausflug mit, da wird keines zurückgelassen, und alle Kinder haben ge­nauso wie meine Kinder auch einen Schulrucksack und die Schulsachen, die sie benö-


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tigen, mit dabei, weil sie diese bekommen, weil wir auf Landesebene Unterstützungen haben oder auch vom Elternverein aus jenen, die sozial und finanziell schwächer sind, unter die Arme greifen.

Wir lassen niemanden zurück, und das ist wichtig, im Kleinen und auch für einen Staat. Es ist aber auch wichtig, dass wir diesen Sozialstaat erhalten, daher verstehe ich, dass da gegengesteuert werden muss. Ich muss aber ehrlich sagen, dass sehr viel davon abhängt, welches Menschenbild und welche persönlichen Zugänge man hat.

Ich bin in einem meiner Grundberufe Sozialarbeiter und ich tue mir jetzt sehr, sehr schwer. Ich habe jetzt lange überlegt, wie ich abstimmen soll ...


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich kann Ihnen leider nur noch ein kurzes Schluss­wort erlauben, dann ist Ihre Redezeit erschöpft.


Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (fortsetzend): Schlusssatz: Ich werde dieser Ge­setzesvorlage dieses Mal leider nicht meine Stimme geben. – Danke. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Friedl.)

13.21

13.21.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünschen die Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zu Tagesordnungspunkt 1 liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Mu­chitsch, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 588 der Beilagen noch­mals an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zu verweisen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der So­zialhilfe erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich auf­hältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft geändert werden in 588 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Wöginger, Dr. Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Wöginger, Dr. Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Änderung des Titels, Änderungen in Artikel 1 sowie ei­ne Streichung in der Anlage zu Artikel 2 eingebracht.

Wer hiezu die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich die amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellten Urne zu werfen. (Unruhe im Saal. – Präsidentin Kitz­müller gibt das Glockenzeichen.) – Bitte um Ruhe, meine Damen und Herren!

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte achten Sie darauf, nur einen Stimmzettel einzuwerfen!

Ich bitte nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Zanger, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird ihn später dabei ablösen. – Bitte sehr.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Zanger und Gahr werfen die Abgeordne­ten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.

Zu diesem Zweck unterbreche ich die Sitzung für einige Minuten.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.30 Uhr unterbrochen und um 13.36 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine sehr geehrten Abgeordneten! Ich nehme die unterbrochene Sitzung nun wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis be­kannt.

Abgegebene Stimmen: 171; davon „Ja“-Stimmen: 107, „Nein“-Stimmen: 64.

Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Amon Werner, Angerer;


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Baumgartner, Belakowitsch Dagmar, Berger, Berlakovich Nikolaus, Bösch, Brückl;

Deimek, Diesner-Wais;

Engelberg, Eßl;

Fichtinger Angela, Fürlinger, Fürst;

Gahr, Gerstl, Gerstner, Gödl, Graf Martin, Graf Tanja, Großbauer, Grünberg, Gudenus;

Hafenecker, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hauser, Herbert, Himmel­bauer, Höbart, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Hörl;

Jachs, Jeitler-Cincelli, Jenewein;

Kainz, Kassegger, Kaufmann, Kirchbaumer, Kitzmüller, Klinger Wolfgang, Kopf, Kugler Gudrun, Kühberger Andreas, Kumpitsch, Kuss-Bergner Angelika;

Lasar, Lausch, Lettenbichler, Linder Maximilian, Lindinger, Lintl, Lopatka, Lugar Ro­bert;

Mahrer, Marchetti, Mölzer, Mühlberghuber;

Nehammer, Neubauer, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pewny, Pfurtscheller, Plakolm, Povysil, Prinz;

Rädler, Ragger, Rauch, Reifenberger, Riemer, Rosenberger, Rosenkranz;

Salzmann, Schandor, Schartel, Schimanek, Schmidhofer Karl, Schmiedlechner Peter, Schmuckenschlager, Schrangl, Schwarz, Sieber Norbert, Singer Johann, Smolle, So­botka, Stark, Stefan, Steger Petra, Steinacker, Strasser;

Taschner, Tschank;

Wagner, Wassermann, Weidinger, Wöginger, Wurm;

Zanger Wolfgang, Zarits Christoph.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Androsch, Antoni;

Bayr, Becher Ruth, Bernhard, Bißmann, Bures;

Cox;

Dönmez, Doppelbauer, Drozda Thomas, Duzdar Muna;

Ecker, Einwallner, Erasim;

Feichtinger Elisabeth, Feichtinger Klaus Uwe, Friedl;

Gamon Claudia, Greiner Karin, Griss Irmgard, Gruber;

Hammerschmid, Heinisch-Hosek, Hochstetter-Lackner, Holzinger-Vogtenhuber, Holz­leitner, Hoyos-Trauttmansdorff;

Knes, Kollross, Kovacevic, Krainer Kai Jan, Krisper, Krist Hermann, Kucharowits K., Kucher Philip, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lindner Mario, Loacker, Lueger Angela;

Margreiter, Muchitsch;

Noll;

Pilz, Plessl, Preiner Erwin;


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Rendi-Wagner, Rossmann;

Sandler, Schatz, Schellhorn, Schieder, Stöger Alois;

Troch;

Unterrainer;

Vogl;

Wimmer Petra, Wittmann;

Yildirim, Yılmaz;

Zadić Alma, Zinggl.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir haben noch weite­re Abstimmungen durchzuführen. (Abg. Sobotka steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Hartinger-Klein.) – Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Sobotka begibt sich zu seinem Sitzplatz.) – Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rah­men des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstu­fungs-Zertifikate“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 589 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 590 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, bitte ich um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 591 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

13.39.155. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Re­gierungsvorlage (557 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird sowie


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über den Gesetzesantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen (496 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromge­setz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (565 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Re­gierungsvorlage (558 d.B.): Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromer­zeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (566 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte schön.


13.40.08

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! Vor rund zwei Monaten hat die SPÖ im Bundesrat gegen ein schlechtes Gesetz von ÖVP und FPÖ gestimmt. (Abg. Eßl: Ein gutes Gesetz!) Die­ses Gesetz war intransparent, dieses Gesetz hat für Anlagenbetreiber und -betreiberin­nen Unsicherheiten gebracht. Es wäre politisch verantwortungslos gewesen, da mitzu­gehen. (Abg. Haubner: Glauben Sie das selber?) Immerhin geht es um 150 Millionen Euro, die die Stromkunden und Stromkundinnen aus ihren Ökostrombeiträgen finan­ziert hätten.

Frau Ministerin, anstatt auf unsere Kritik einzugehen, hat Ihre Partei, die ÖVP, im gan­zen Land diffamierende Unwahrheiten von wegen Atomstrom in Österreich plakatiert (Abg. Haubner: Das ist die Folge! – Zwischenruf des Abg. Eßl) und nur mit Schuldzu­weisungen reagiert. Auch von Ihrer Seite, Frau Ministerin, kommen jedes Mal, wenn Sie hier zu diesem Thema sprechen, nur Schuldzuweisungen und Vorwürfe, auch zu­letzt im Ausschuss. (Abg. Haubner: Sie haben keine Argumente gehabt!) Ich möchte Ihnen ganz offen und ehrlich sagen, ich finde es mittlerweile peinlich, dass in diesem Zusammenhang von Ihnen hier jedes Mal nur Vorwürfe und Schuldzuweisungen kom­men und überhaupt nicht die Bereitschaft da ist, die Kritik von unserer Seite zu sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde das, was in der letzten Ausschusssitzung passiert ist, so wie Sie sich verhal­ten haben, einer Ministerin unwürdig. Frau Ministerin, in Wirklichkeit haben Sie die de­mokratische Entscheidung des Bundesrates nicht respektiert, Sie haben sich über die­se demokratische Entscheidung hinweggesetzt. Anstatt neuerlich mit der größten Op­positionspartei zu verhandeln, sind Sie den politischen Irrweg dieses heute vorliegen­den Grundsatzgesetzes gegangen.

Für mich verdient dieses Grundsatzgesetz mehr die Bezeichnung Biomasseschlamas­sel als den Namen Biomasse-Grundsatzgesetz. Ich sage Ihnen, warum: Erstens ein­mal schieben Sie die gesamte politische Verantwortung auf die neun Bundesländer ab. Jetzt, da es unangenehm geworden ist, entziehen Sie sich Ihrer Verantwortung. (Abg. Haubner: Sie hätten ja zustimmen können, dann wäre es anders gekommen! – Abg. Prinz: Nein, jetzt müssen die Roten ...!)

Zweitens machen Sie aus 47 Biomasseanlagen eine Staatsaffäre.

Drittens brauchen wir nun zehn Gesetze statt nur mehr einem Gesetz.

Viertens braucht es nun ein EU-beihilferechtliches Verfahren, auch wenn Sie behaup­ten, das wäre nicht der Fall. Ich kann Ihnen nur nahelegen, einmal die Stellungnahmen


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der Länder zu lesen, die von der ÖVP geführt werden. Die weisen nämlich genau da­rauf hin. – So viel dazu, dass Sie immer behaupten, dass wir da eine rasche Lösung bräuchten. Wir wissen ganz genau, wie lange solche Verfahren dauern.

Fünftens sind die Länder nun gezwungen, eigene Abgaben einzuführen. Schön, dass Sie sich mit einer Köstinger-Steuer verewigen. Diese Köstinger-Steuer wird je nach Bundesland unterschiedlich ausfallen, und es ist eigentlich überhaupt nicht einzuse­hen, dass ein burgenländischer Haushalt fast dreißigmal so viel zahlen soll wie ein Haushalt in Tirol, weil natürlich der Bedarf an Biomasseanlagen ganz unterschiedlich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Summa summarum belastet man damit zusätzlich alle österreichischen Bürger und Bürgerinnen. Und das alles nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil Sie nicht bereit waren, mit der größten Oppositionspartei zu reden. (Abg. Haubner: Das ist ein Märchen! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn. – Abg. Eßl: Was ist Ihr Vorschlag? Was ist Ihr Vorschlag?) Deshalb gehen Sie einen mühsamen Weg, der sehr viel Rechtsunsicherheit bringt, nämlich für die Anlagenbetreiber und -betreiberinnen. (Abg. Haubner: Märchenstunde! – Abg. Eßl: Was ist der Vorschlag der SPÖ? Vorschlag!)

Frau Ministerin, Sie beschäftigten auch in puncto Grundsatzgesetz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, stattdessen sollten wir uns in Wirklichkeit dem großen Ganzen im Energiebereich zuwenden, und daher interessiert mich in diesem Zusam­menhang sehr wohl, wie es denn jetzt mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz aus­schaut. Wo ist der Entwurf, auf den ich und auf den wir schon seit Monaten warten?

Tatsächlich gibt es eine Entwicklung, die ich unheimlich besorgniserregend finde: Wenn es darum geht, das Klima in unserem Land zu schützen, dann ist es so, Frau Mi­nisterin, dass laut den Berechnungen Ihrer Experten und Expertinnen Österreich Straf­zahlungen in Milliardenhöhe drohen werden, wenn wir unsere Klimaziele 2030 nicht er­reichen. (Abg. Eßl: Dann stimmt zu!) Derzeit schaut es aber definitiv so aus, dass wir die Ziele nicht erreichen werden, und ich sage Ihnen nur das Stichwort Tempo 140, bei dem Sie als Umweltministerin Monate gebraucht haben, um zu widersprechen.

Wenn wir nämlich jetzt nicht rechtzeitig in Klimaschutz investieren, wenn wir nicht alles unternehmen, dann werden wir in Österreich am Ende draufzahlen (Abg. Kassegger: Deswegen schalten Sie die Biomassekraftwerke ab! – Zwischenruf des Abg. Eßl), und dann werden Sie auch Ihr heiliges Nulldefizit nicht erreichen.

Frau Ministerin, zum Abschluss: Fotoaktionen und PR-Gags, auch Fotos mit Arnold Schwarzenegger, werden keine CO2-Emissionen einsparen, und daher fordere ich Sie nochmals auf, endlich wirkliche Maßnahmen für eine aktive Klimapolitik umzusetzen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: So eine schlechte Rede habe ich schon lange nicht mehr gehört! – Abg. Haubner: Ein Wahnsinn! Kein Vorschlag, nichts!)

13.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lettenbichler. – Bitte.


13.45.50

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorred­nerin hat die ZuhörerInnen und ZuschauerInnen hier und zu Hause wohl etwas ratlos zurückgelassen.

Wir haben von Ihnen im Ausschuss und in verschiedenen anderen Debatten, sei es im Bundesrat oder im Nationalrat, immer nur gehört, was Sie nicht wollen, aber Sie haben nie gesagt, was Sie wollen. Das passt leider, ich muss es so sagen, in das Bild, das Sie nicht nur heute und gestern, sondern in den vergangenen Wochen abgegeben ha-


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ben. Ihnen von der SPÖ geht es nur um Fundamentalopposition. Sie haben heute wirk­lich kein einziges Argument vorgebracht, warum Sie dagegen sind. Wir geben Ihnen heute die zweite Chance, dass Sie hier zustimmen, aber Sie sagen nur njet – Opposi­tionspolitik sieht anders aus. Sie betreiben Fundamentalopposition zum Nachteil der Bevölkerung, zum Nachteil dieser Biomasseanlagen, und das ist nicht richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich glaube, ich muss jetzt ein wenig aufklären, weil Sie zur Genese dieses Gesetzes ja rein gar nichts gesagt haben. Sie beschweren sich, welchen Weg wir jetzt gegangen sind, doch Sie hätten sowohl im Nationalrat und in weiterer Folge auch im Bundesrat die Chance gehabt, dieses Gesetz, so wie es ist, zu beschließen. Sich jetzt hinzu­stellen und zu sagen, es ist alles schlecht, was man macht, das ist Ihr Weg, den Sie gehen. Die betroffenen Biomasseanlagenbetreiber und die Bevölkerung können sich bei Ihnen bedanken, dass wir diesen Umweg machen mussten, dass wir Zeit verstrei­chen lassen haben. (Abg. Vogl: Die Steuerzahler können sich auch für die Einsparun­gen bedanken!) Wir von den Regierungsparteien reden nicht so wie Sie von Dingen, die wir nicht haben wollen, sondern wir setzen Punkte für die Bevölkerung um, und wir lassen die Biomasseanlagenbetreiber nicht im Stich. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

Uns ist jede Kilowattstunde, die aus Ökostrom gewonnen wird, wichtig, denn wer Öko­strom abdreht, dreht unweigerlich Atomstrom auf, und dafür stehen Sie! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Vogl: Der Kausalzusam­menhang ist falsch! – Zwischenrufe der Abgeordneten Duzdar und Knes.)

Sie haben den Wirtschaftsausschuss angesprochen: Wir seitens der Koalitionspartei­en – Kollege Kassegger, ich, die Kolleginnen und Kollegen und auch die Ministerin – tun uns mit Ihnen wirklich schwer. Ich habe es auch im Ausschuss gesagt. Sie als Energiesprecherin sind meine Ansprechpartnerin, Frau Kollegin Duzdar, aber in der Debatte im Nationalrat wurde Herr Knes vorgeschickt und im Ausschuss wurde Herr Stöger vorgeschickt, um Dinge zu behaupten, wie dass Steuern erhöht werden, Steu­ern eingehoben werden; das ist für einen ehemaligen Minister eigentlich eine Bankrott­erklärung, wenn er nicht einmal weiß, wie die Gelder eingeholt werden. (Abg. Knes: Wer zahlt es? Der Ökostromkunde zahlt es, nicht Sie!)

Es geht da um ein Umlagesystem! Sprechen Sie nicht immer von Steuern und nennen Sie nicht irgendwelche Namen dazu, denn Sie können sich beim Kärntner, beim Stei­rer, beim Oberösterreicher, bei der Niederösterreicherin, beim Wiener bedanken, dass wir diesen Umweg gegangen sind! Ich glaube, es wäre besser, die Namen zu nennen: zum Beispiel beim Kollegen Zaggl, Bundesrat aus Tirol, beim Kollegen Novak aus Kärnten, beim Kollegen Schabhüttl aus dem Burgenland, beim Kollegen Kaske aus Wien und bei Frau Hahn in Niederösterreich, die dafür gesorgt haben, dass wir diesen Umweg gegangen sind.

Wir sind aber auch stolz darauf, dass wir diesen Umweg gehen. Die Frau Ministerin hat die Initiative gemeinsam mit uns, mit der ÖVP- und der FPÖ-Fraktion, ergriffen, denn die Alternative wäre gewesen, dass 47 Biomasseanlagen abgeschaltet hätten werden müssen. Damit wären auch 6 000 Arbeitsplätze verloren gegangen, die in unmittelba­rem und mittelbarem Zusammenhang stehen. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feich­tinger.) Das alles hätten Sie in Kauf genommen, nur um den Preis einer Fundamen­talopposition und einer kategorischen Ablehnung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ. – Abg. Haubner: So schaut’s aus!)

Einmal mehr will ich hier hervorheben, dass wir auch mit anderen Oppositionsparteien gesprochen haben, die zugestimmt haben. Sie haben dieselben Informationen gehabt wie Sie. Es waren Ihnen gegenüber alle Informationen vorliegend, und die einzige


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Partei, die immer dagegengestimmt hat, im Bundesrat wie im Nationalrat, war die SPÖ. Die NEOS haben im Nationalrat zugestimmt, sie haben sich das auch nicht einfach ge­macht, Kollegin Bißmann auch, und im Bundesrat haben sogar die Grünen zuge­stimmt. (Abg. Plessl: Freibrief für 150 Millionen!)

Diese Parteien sind jetzt auch nicht dafür bekannt, dass sie der Bundesregierung ein­fach einen Gefallen tun wollen und deshalb zustimmen, sondern sie haben die Dinge auf Basis der vorliegenden Informationen bewertet und zugestimmt. Dieser Umweg ist nun leider notwendig geworden, aber wir gehen nicht von diesem Weg ab. Wir wollen diese Anlagen retten und wir werden diese Anlagen retten, denn – und noch einmal in diese (in Richtung SPÖ) Richtung gesprochen –: Wer Ökostrom abdreht, dreht unwei­gerlich Atomstrom auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Eßl: Bravo! – Abg. Haubner: Klare Worte! Klare Worte!)

Ein Thema, das Sie heute überhaupt nicht angesprochen haben – und das ist die zwei­te Novelle, die wir heute neben dem Ökostromgesetz beschließen wollen –, ist die Be­kämpfung der Energiearmut. (Ruf bei der SPÖ: Das ist aber nicht von Ihnen!) Es ist dies ein weiterer Pflock, den wir einschlagen, mit dem wir einkommensschwache Ös­terreicherinnen und Österreicher entlasten wollen. Bis zu 300 000 Österreicherinnen und Österreicher profitieren jetzt von dieser vollständigen Befreiung von den Ökostrom­kosten. Das war uns wichtig. Wir haben diesen Punkt natürlich auch heute wieder mit hineingenommen, nachdem Sie ja das im Nationalrat und auch im Bundesrat schon abgelehnt haben. Das ist der FPÖ sehr wichtig, das ist uns sehr wichtig, das ist der Ministerin wichtig. Und wir lassen uns durch diese Fundamentalopposition und -kritik nicht abbringen.

Wir arbeiten mit Hochdruck am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wir werden es vor dem Sommer vorlegen. Wir wollen es mit den Zielen so halten, dass wir sie auch schaffen werden. Sie sind allesamt ambitioniert. Doch wir wollen gemeinsam diesen Weg ge­hen. Und da lade ich Sie einmal mehr ein, heute mit uns ein Stück des Weges zu ge­hen und dann auch beim EAG. Gehen Sie mit, geben Sie sich heute einen Ruck, dann können wir etwas gegen den Klimawandel und für die Energiewende machen! – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.52.23

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Ich möchte tatsächlich berichtigen: Kollege Lettenbichler hat gesagt: „Wer Ökostrom abdreht, dreht [...] Atomstrom auf.“

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es eine einstweilige Verfügung gibt, durch die Ihnen mehr oder weniger verboten wird, diese Behauptung gegen die Sozialdemokratie in den Raum zu stellen. Der Zusammenhang stimmt auch nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Stimmt! Das stimmt!)

13.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.


13.53.00

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzte Frau Minister! Ja, wir haben ein Problem. Das haben wir eh beim letzten Mal schon besprochen, ich möchte es hier noch einmal wiederholen: Das Problem besteht nicht nur darin, dass es Schadholz in den Wäldern gibt, dass wir dringend eine Reparatur des Ökostromge­setzes gebraucht hätten und mit unserem Vorschlag einer Sunset Clause von drei Jahren ein neues Gesetz erarbeitet hätten. Ich möchte mich bei den Kollegen Kas-


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segger und Lettenbichler für die gute Zusammenarbeit bedanken, das war sehr kons­truktiv. Das Problem ist eher, dass nicht nur Schadholz in den Wäldern ist, sondern auch Partikularinteressen bei der SPÖ verfolgt werden. Ich möchte das – und das muss man auch einmal – ganz klar benennen: Sie schimpfen immer gegen Konzerne, aber da vertreten Sie auch einen Papierkonzern. Das ist ein Problem! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Da haben Sie auch die Partikularinteressen der Wiener Linien zu vertreten. Und das möchte ich auch einmal ansprechen: Es geht um die Anrechnungspunkte und darum, ob die sozialistisch geführte Stadt Wien über die Wiener Linien mehr als 10 Millionen Euro oder noch mehr verliert beziehungsweise zurückzahlen muss. Das sind Ihre Parti­kularinteressen, aufgrund derer Sie nicht mitgestimmt und aufgrund derer Sie nicht in einer konstruktiven Art und Weise ein neues Ökostromgesetz mitgeschrieben haben. (Abg. Duzdar: Sie sind nicht konstruktiv!) Das müssen wir einmal ganz klar sagen, und das darf auch einmal ausgesprochen werden. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Duzdar: Partikularinteressen ...!)

Die Wiener Linien würden ja sonst wahrscheinlich, wenn sie 10 Millionen Euro zu­rückzahlen müssen, das Lobbyingbüro in Brüssel verlieren. Ich weiß ja nicht, was die Wiener Linien in Brüssel zu tun haben, aber es beschäftigt mich nach wie vor, warum man dort ein Lobbyingbüro hat. – Das nur nebenbei gesagt. (Abg. Duzdar: Das heißt, Sie sind für die ... des öffentlichen Verkehrs?)

Es ist für mich schwer begreiflich, warum Sie in diesem Punkt stante pede dagegen sind. Ich glaube nicht einmal, dass es Frontalopposition ist, ich glaube, das waren die­se Partikularinteressen. (Abg. Duzdar: Ihre Partikularinteressen!) Dem müssen Sie ein­fach standhalten.

Nun zu dem Punkt: Die Regierungsparteien sind Ihnen auch entgegenkommen, was die Energiearmut betrifft. Das muss man auch sagen, das haben wir so peripher mitbe­kommen, weil das nicht unser Ansatz ist. Wenn wir uns um Energiearmut kümmern, dann haben wir auch Konzepte dabei und sagen nicht: 1,70 Euro oder 20 Euro aufs Jahr gesehen werden jenen, die es sich nicht leisten können, sozusagen refundiert. Was könnte man denn richtigerweise anders machen, als 20 Euro rückzuüberweisen oder einen Gutschein auszustellen? – Reformieren wir diese sinnlosen Transferleistun­gen!

Was könnte man mit Heizkostenzuschüssen zugunsten von Energieeffizienzmaßnah­men machen? Nach wie vor werden zum Beispiel 20 Millionen Euro pro Jahr mit den Landesbudgets addiert und wortwörtlich verheizt. Das ist eines der Grundthemen, de­nen wir uns widmen müssen, wenn wir Energiearmut zugunsten derer lindern wollen, die es sich nicht leisten können. Wir müssten, wir könnten, sage ich einmal, anstatt auf diese Maßnahmen des Geldausschüttens zu setzen, in Energieeffizienzmaßnahmen investieren.

Mit diesem Geld könnte man zum Beispiel 40 000 neue energieeffiziente Fenster ein­bauen, mit diesem Geld könnte man 6 000 neue Heizsysteme installieren, mit diesem Geld könnte man 100 000 Quadratmeter Außenwanddämmung anbringen. Diese Of­fensive muss gestartet werden! Wir müssen das angehen, anstatt auf Ihren Vorschlag einzugehen. Dass sie auf Ihren Vorschlag eingehen, habe ich von den Kollegen Kas­segger und Lettenbichler nicht ganz verstanden. Sie hätten eher in die Konstruktivität gehen sollen: Wie können wir das ganze System reformieren?

Dagegen sprechen wir uns auch aus, genauso wie wir uns gegen den Abänderungs­antrag aussprechen. Das muss ich auch einmal sagen. Das geht wieder über die Hintertür: Jene, die nicht so energieeffizient sind, bei denen senken wir. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Seid ihr auch schon draufgekommen?) Wir waren schon immer da-


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gegen. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Da drüben nämlich ...! – Zwischenruf des Abg. Knes.) Wir haben im Gegensatz zu euch auch ein Konzept.

Wir haben ein Konzept, wie man Energiearmut bekämpft und wie man vor allem CO2 minimiert. Wir haben im Gegensatz zu euch ein Konzept, und darum sind wir auch beim Abänderungsantrag dagegen, weil das natürlich den Ländern in die Hände spielt und jenen in die Hände spielt, die nicht so effizient sind; und das ist einer der Punkte, auf die wir setzen. (Beifall bei den NEOS.)

Was Sie tun müssen, liebe Regierung: keine Kosmetikmaßnahmen. Was Sie tun müs­sen: Bis 2020 muss der neue Nationale Energie- und Klimaplan stehen. Bis jetzt gibt es bei den schweren Kapiteln zum Großteil nur leere Seiten. Das ist ein Thema. Die­sem Thema müssen wir uns widmen. Bis 2020 müssen wir unsere CO2-Emissionen gegenüber 2017 um 3,9 Millionen Tonnen reduzieren. Bis jetzt hat uns noch keiner er­klärt, wie das funktioniert. Ich will nur sagen: In ein paar Monaten ist 2020. Irgendwann müssen wir es also einmal hinkriegen, dass wir da anfangen, damit wir auch verant­wortungsbewusst für die nächste Generation arbeiten. CO2 zu reduzieren heißt, auf das Klima zu achten und auf die nächste Generation zu achten.

Arbeiten Sie nachhaltig und bringen Sie diese Strategie endlich mit Zahlen auf den Weg! 2020 ist bald. Wir messen Sie an Ihren Taten. (Beifall bei den NEOS.)

13.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.59.01

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht, wo ich anfangen soll. Da das meiste schon gesagt wurde, erkläre ich noch einmal, worum es geht – ich glaube, dass das in diesem Zusammenhang wichtig ist –: Es geht einerseits um das Biomassegesetz, also um ein Notgesetz. Wir waren in einer Notsituation, das wird immer weggeschoben. Biomassekraftwerke waren in einer Notsituation, auch ver­ursacht durch - - (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Eine seit Jahren im Voraus bekannte Not!) – Ja, jetzt können wir darüber diskutieren, ob im Voraus bekannt oder nicht. Je­denfalls ist unbestritten, dass eine Notsituation da war, die durch Borkenkäferbefall et cetera noch verschärft wurde; eine zusätzliche Notsituation.

Jetzt haben wir zwei Alternativen, nämlich erstens wegzuschauen, nichts zu tun (Abg. Rosenkranz: SPÖ!) – das wäre die Alternative der SPÖ – oder zweitens zu helfen, einzuschreiten, zu agieren, das ist die Alternative der Bundesregierung. So einfach ist das; und das haben wir gemacht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir hätten das Ganze viel, viel einfacher haben können, mit einem – unter Anführungs­zeichen – „normalen“ Bundesgesetz, das hätte einer Zweidrittelmehrheit bedurft. Da hat die SPÖ gesagt: Wir machen Opposition, begründen das nicht wirklich und stim­men im Nationalrat und im Bundesrat dagegen. (Abg. Vogl: ... begründet!) Im Übrigen ist die SPÖ die einzige Partei, die im Nationalrat dagegen gestimmt hat, da haben die NEOS dafür gestimmt. (Abg. Duzdar: Stimmt überhaupt nicht! Die Liste JETZT ...!) Auch im Bundesrat ist es so gewesen; es ist schon erwähnt worden, dass dort sogar die Grünen dafür gestimmt haben. So schlecht kann das aus dieser Perspektive gese­hen also nicht gewesen sein. – Also Fundamentalopposition!

Es ist schon etwas seltsam, wenn sich Kollegin Duzdar jetzt herstellt und sich darüber beklagt, dass wir jetzt zehn Gesetze statt einem hätten. – Ja, klar, wegen Ihnen! Wir hätten es auch gerne einfacher gehabt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Duzdar: ... Schuldzuweisungen! – Zwischenruf des Abg. Vogl.)


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Das Ziel ist, in einer Notsituation zu helfen, und das tun wir. Andererseits kam der Ein­wurf: Ja, wer zahlt’s? – Wir wissen genau, wer das zahlt (Zwischenrufe bei der SPÖ), nämlich die sogenannten Endabnehmer über die Ökostrompauschale. Ökostrompau­schale, Zählpunktpauschale: Das ist ein ganz eigenes Thema, vielleicht spreche ich das auch noch kurz an. Sie wissen ganz genau, was damit gemeint ist.

Der Endabnehmer zahlt. Das sind die Haushalte, das sind aber auch kleine Gewerbe­treibende und natürlich auch die Industrie. Da ist es natürlich unser Ziel, diese Belas­tung so gering wie möglich zu halten. Genau das gelingt jetzt mit diesem Gesetz, näm­lich einerseits wirksame Hilfe zuteilwerden zu lassen und andererseits – wer zahlt’s? – diese Belastung so gering wie möglich zu halten. Ich sage Ihnen: Die Zahlen, die Sie da kolportieren – 150 oder was auch immer Millionen Euro –, werden so nicht eintreten (Zwischenruf der Abg. Duzdar), weil wir schon lange nicht mehr von 47 Kraftwerken sprechen, die betroffen sind, sondern es sind schon deutlich weniger, weil für manche davon schon die reguläre Förderung gilt et cetera. Das wird also weniger werden.

Andererseits wundert es mich auch, weil eines dieser Kraftwerke – nämlich das größte und der größte Nutznießer – das Kraftwerk in Simmering ist. Mir ist es völlig unver­ständlich, warum Sie als SPÖ – ich sage es jetzt einmal salopp – Ihre eigenen Kraft­werke im Regen stehen lassen – nicht nur das in Simmering, sondern auch die in Kärnten. Das müssen Sie mir erklären! Es wird Ihnen nicht gelingen, ich verstehe es einfach nicht. (Abg. Duzdar: Schauen Sie sich die Tarife an, dann wissen Sie’s!)

Das Zweite: Energiearmut ist auch schon angesprochen worden. Heute beschließen wir im Nationalrat, auch einen Bundesratsbeschluss aufgreifend, einkommensschwa­che, sozial schwache Haushalte von diesen 20 Euro Mindestbeitrag zu befreien. Das war uns als sozialer Heimatpartei ein besonderes Anliegen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Das alles hätten Sie mit Ihrer Fundamentalopposition auch aufs Spiel gesetzt. Sie hät­ten einfach alles abgelehnt. Jetzt springen Sie auf den Zug hier auf und wollen sich als die Partei verkaufen, die sozusagen die Verhinderung der Energiearmut sichergestellt hätte. – Das Gegenteil ist der Fall! Sie hätten es billigend in Kauf genommen, dass auch diese Bestimmung nicht gekommen wäre.

Es ist also der Regierung zu verdanken, dass beide Bestimmungen jetzt Gesetz wer­den, nämlich einerseits, dass den Biomassekraftwerken geholfen wird, und anderer­seits, dass den sozial schwachen Haushalten Unterstützung zuteilwird, indem sie von diesen 20 Euro befreit werden.

Es ist ein gutes Gesetz beziehungsweise es sind zwei gute Gesetze. Ich persönlich bin sehr zufrieden und glaube, zumindest wir als Regierungsparteien sind mit den Geset­zen zufrieden, weil es gute Gesetze sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.


14.04.25

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Befreiung vom Ökostrombeitrag für Personen, die von der GIS-Gebühr befreit sind, werden wir selbstverständlich zustimmen und haben diese Forderung auch bisher im­mer wieder unterstützt.

Etwas, dem wir aber noch nie zugestimmt haben und dem wir auch heute nicht zustim­men werden, ist die Biomasseförderung. Frau Ministerin, Sie haben meine Kollegin Stephanie Cox im Ausschuss attackiert, und ich kann Ihnen genau sagen, warum wir seinerzeit schon dem Initiativantrag nicht zugestimmt haben und warum wir auch


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diesem Grundsatzgesetz nicht zustimmen werden. Meine Kritik damals und heute lautet unverändert: Es wird ein teures, ineffizientes und intransparentes Fördersystem fortgesetzt. Das ist meine Kritik.

Herr Kollege Lettenbichler, Sie haben behauptet, dass alle dieselben Informationen über diese Biomasseförderung und insbesondere über die 47 Anlagen, die gefördert werden sollen, haben. – Das ist schlicht und einfach nicht richtig! Mir liegen über diese 47 Anlagen keinerlei Informationen vor. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Kassegger: Allen Ernstes von einer Notsituation zu sprechen, ist ja ab­surd, entschuldigen Sie bitte! (Ruf bei der ÖVP: Sie wissen wirklich nicht ...! – Abg. Kassegger: Gehen Sie mal raus aufs Land und schauen Sie sich um!) Sie haben ja – genauso wie Sie, Herr Kollege Lettenbichler – seit Langem gewusst, dass die Förde­rungen auslaufen und sind dann am letzten Drücker mit einem Initiativantrag daherge­kommen. Sie haben die Zeit verstreichen lassen. (Abg. Deimek: Das ist eine Chuzpe! Das ist ja ein ...! Dazu braucht’s euch!) Ja, Sie haben die Zeit verstreichen lassen, in der man ein Fördersystem, das den Namen verdient, ausarbeiten und die gesamte Ökostromförderung im Rahmen eines Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes auf neue Beine hätte stellen können. Bis heute liegt aber ein solcher Entwurf nicht vor.

In dem Sinne: Ja, Herr Kollege Kassegger, wir hätten es einfacher haben können, nämlich wenn die Regierung oder Sie hier im Nationalrat rechtzeitig ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vorgelegt hätten. Das haben Sie nicht getan. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kassegger: Sie wissen aber schon, wie lang das Ökostromgesetz läuft, oder?!)

Jetzt haben Sie es plötzlich eilig, 47 Anlagen zu fördern, die vermutlich zum Teil hoch ineffizient sind. Genau diese Regierung ist es, Sie sind es, die immer von einem spar­samen Umgang mit öffentlichen Mitteln sprechen. Sie sprechen von der Treffsicherheit von Förderungen. Wo ist denn da der sparsame Umgang mit öffentlichen Mitteln? Wo bleibt denn da die Treffsicherheit? (Abg. Rosenkranz: Sie sprechen von der Vernich­tung von Arbeitsplätzen! Das finde ich besonders ...! Vernichtung von Arbeitsplät­zen!) – Herr Kollege Rosenkranz, wenn rechtzeitig ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hier eingebracht worden wäre, wäre kein einziger Arbeitsplatz vernichtet worden. Das ist doch die Wahrheit, Herr Kollege Rosenkranz! Das ist doch schlicht und einfach die Wahrheit! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Hät­ten Sie früher FPÖ gewählt, Kollege Rossmann! Hätten Sie früher FPÖ gewählt, dann wäre alles gegangen!)

So muss ich aber feststellen, dass bisher aus dem Ressort von Frau Ministerin Kös­tinger keine einzige brauchbare Vorlage zum Klimaschutz gekommen ist. Das ist doch das wahre Problem, das wir im Energie- und Klimaschutzbereich feststellen können. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es deutet sich bei diesem Grundsatzgesetz, das hier vorliegt, abermals ein Misch­masch mit unzureichenden Maßnahmen an, die zum Teil in die falsche Richtung ge­hen. Wir müssen uns, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, die wir uns ge­setzt haben, endlich ernsthaft an die Arbeit machen. Da ist die Regierung und da sind Sie, meine Damen und Herren, auch von der Opposition, gefordert, rechtzeitig jene An­träge einzubringen, die wir brauchen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Bis­lang liegt aber leider nichts Brauchbares vor.

Das ist ja auch der Grund, warum zum Beispiel Climate Action Network Europe kürz­lich die Klimaschutzpolitik in Österreich als poor bezeichnet hat. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Die Folge wird sein, dass wir bis 2030 mit Strafzahlungen in der Grö­ßenordnung von mindestens 8 Milliarden Euro rechnen müssen, und das ist ein kleines


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Hypo-Desaster zulasten der Bevölkerung dieses Landes. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Strasser. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.09.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss sichern wir den Fortbestand von 47 KWK-Anlagen und si­chern 6 000 Arbeitsplätze.

Wir leisten damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz, denn es wird auch in Zukunft notwendig sein, in Österreich einen gewissen Energiemix weiterzuentwickeln – Wind-, Wasser-, Sonnenenergie –, selbstverständlich geht es auch um die Weiterentwicklung im Bereich Biomasse. Dafür legen wir heute einen Grundstein, und es werden weitere Schritte folgen – ein Beschluss, der in die richtige Richtung geht. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Wir sorgen auch für eine Entlastung der Forstwirtschaft, denn wir haben eine Notsitua­tion. Kollege Rossmann, ich lade Sie ein, gemeinsam mit mir einen Ausflug ins nördli­che Waldviertel zu machen: Dort stirbt uns der Wald hektarweise weg; das ist eine Not­situation, und es ist notwendig, dass dieses Schadholz dort schnell wegkommt.

Der dritte Bereich: Wir liefern einen Beitrag zur Absicherung unseres Wirtschaftsstand­ortes. Ja, auch wenn die Entwicklung der erneuerbaren Energien jetzt noch einigerma­ßen viel Geld kostet, wird uns das mittel- oder langfristig aus volkswirtschaftlicher Sicht zugutekommen, weil das Ende des fossilen Zeitalters naht und jene Volkswirtschaften, die sich schnell auf diese Entwicklung einstellen, auch langfristig zu den stärkeren ge­hören werden.

Aber jetzt zur SPÖ: Die SPÖ spielt da ein interessantes Spiel, und man muss sich die Frage stellen, was die SPÖ will. Ich sage ganz offen: Das ist gewissermaßen eine Kin­desweglegung und auch ein Verrat – ein Verrat an jenen Funktionärinnen und Funk­tionären aus Ihrer Gesinnungsgemeinschaft, die am Aufbau dieser Biomassekraftwer­ke mitgewirkt haben. Ich darf nur eine Zahl nennen: Zwei Drittel dieser 47 Anlagen stehen in SPÖ-Gemeinden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rossmann und Leicht­fried.) Also ich glaube, Sie sollten sich mittelfristig bei Ihren Kolleginnen und Kollegen, die in der Regionalentwicklung tätig sind, die in der Kommunalpolitik tätig sind und redlich an der Entwicklung dieser Kraftwerke mitgewirkt haben, entschuldigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich darf jetzt folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förde­rung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (558 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (566 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben erwähnte Vorlage (558 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In § 4 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Dritter be­dienen“ die Wortfolge „oder Dritten die Rechte und Pflichten nach diesem Bundesge­setz übertragen“ eingefügt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 101

2. Nach § 5 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Die Landesgesetzgeber können von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnut­zungsgrad abweichen, sofern beim Betrieb der Ökostromanlagen gemäß § 3 aufgrund außergewöhnlicher Naturereignisse mehr als 50 % Schadholz eingesetzt wird. Die Be­treiber einer Ökostromanlage gemäß § 3 haben den Einsatz von mehr als 50 % Schad­holz im Konzept über die Rohstoffversorgung nachzuweisen. Sofern ein Landesgesetz­geber von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnutzungsgrad abweicht, kann dieser auch eine reduzierte Vergütung vorsehen.

3. In § 6 Abs. 1 erster Satz wird das Wort „Netznutzungsentgelt“ durch die Wortfolge „Netznutzungs- und Netzverlustentgelt“ ersetzt.

4. In § 6 Abs. 1 zweiter Satz wird nach dem Wort „Fernsprechentgeltzuschussgesetz“ die Wortfolge „BGBl. I Nr. 142/2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2016,“ eingefügt.

5. In § 6 Abs. 3 wird die Wortfolge „Einhebung von Zuschlägen gemäß Abs. 2“ durch die Wortfolge „Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz“ ersetzt.

*****

Vielen Dank an alle, die an der Arbeit zu dieser Gesetzesvorlage mitgewirkt haben! Jetzt geht es mit vollem Elan in die Verhandlungen zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (Zwischenruf bei der SPÖ), und da wünsche ich uns gutes Gelingen. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Strom­erzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (558 d. B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (566 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben erwähnte Vorlage (558 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In § 4 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Dritter be­dienen“ die Wortfolge „oder Dritten die Rechte und Pflichten nach diesem Bundesge­setz übertragen“ eingefügt.

2. Nach § 5 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Die Landesgesetzgeber können von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnut­zungsgrad abweichen, sofern beim Betrieb der Ökostromanlagen gemäß § 3 aufgrund außergewöhnlicher Naturereignisse mehr als 50 % Schadholz eingesetzt wird. Die Be­treiber einer Ökostromanlage gemäß § 3 haben den Einsatz von mehr als 50 % Schad­holz im Konzept über die Rohstoffversorgung nachzuweisen. Sofern ein Landesgesetz­geber von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnutzungsgrad abweicht, kann dieser auch eine reduzierte Vergütung vorsehen.

3. In § 6 Abs. 1 erster Satz wird das Wort „Netznutzungsentgelt“ durch die Wortfolge „Netznutzungs- und Netzverlustentgelt“ ersetzt.


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4. In § 6 Abs. 1 zweiter Satz wird nach dem Wort „Fernsprechentgeltzuschussgesetz“ die Wortfolge „BGBl. I Nr. 142/2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2016,“ eingefügt.

5. In § 6 Abs. 3 wird die Wortfolge „Einhebung von Zuschlägen gemäß Abs. 2“ durch die Wortfolge „Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz“ ersetzt.

Begründung

Zu Z 1 (§ 4 Abs. 1):

Die sprachliche Erweiterung soll klarstellen, dass die Verteilernetzbetreiber ihre Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz auch an Dritte übertragen können. Diese Änderung bietet die Möglichkeit einer besseren operativen Abwicklung.

Zu Z 2 (§ 5 Abs. 2a):

Unter den außergewöhnlichen Naturereignissen im Sinne des § 5 Abs. 2a können ins­besondere folgende Fallkonstellationen verstanden werden: Borkenkäferkalamität, über­durchschnittlicher Schnee- und Eisbruch sowie Windwurf.

Zu Z 3 und Z 4 (§ 6 Abs. 1):

Die Regierungsvorlage verweist lediglich auf das Netznutzungsentgelt; entsprechend der Regel in § 48 ÖSG 2012 sollen die benötigten Mittel indes auch in Form eines Zuschlages zum Netzverlustentgelt eingehoben werden können. In diesem Sinn wird der Passus erstreckt. Die Ergänzung in § 6 Abs. 1 zweiter Satz stellt sicher, dass sämt­liche Verweise auf andere Gesetze statisch ausgestaltet sind.

Zu Z 5 (§ 6 Abs. 3):

Die Änderung stellt sicher, dass den Verteilernetzbetreibern die durch die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz anfallenden Aufwendungen zu ersetzen sind. Bereits die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 558 BlgNR 26. GP 2, 3) hatten den Aufwandersatz nicht auf die Einhebung von Zuschlägen gemäß § 6 Abs. 2 be­schränkt gesehen. Mit dem Abänderungsantrag wird die textliche Ausgestaltung in § 6 Abs. 3 nun nachgezogen.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der ordnungsgemäß eingebrachte Abänderungs­antrag steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Erasim. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


14.14.34

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolle­ginnen und Kollegen Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Schellhorn, ich habe ja fast schon aufpassen müssen, dass ich auf dieser Anbiede­rungsspur Richtung ÖVP nicht ausrutschte. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Schellhorn.) Diese Doppelstrategie fahren Sie bei einigen Geset­zen; das war schon beim 12-Stunden-Tag so, da haben Sie die ganze Plenarsitzung lang dagegenargumentiert und dann dafürgestimmt. Jetzt haben Sie uns auch sehr ausführlich die Schwächen dieses Gesetzes zur Kenntnis gebracht und dargelegt, was man mit den Geldern Sinnvolleres anstellen könnte. (Abg. Schellhorn: Was ist jetzt die G’schicht?)

Anscheinend muss ich hier mit ein paar Märchen aufräumen. Sagen Sie, glauben Sie das, was Sie hier sagen, die ständigen Schuldzuweisungen, eigentlich selbst? (Ruf bei


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der ÖVP: ... in den Spiegel schauen, Frau Kollegin!) Sie, geschätzte Ministerin, legen ein schlechtes, undurchsichtiges, intransparentes Gesetz vor. Sie waren nicht bereit, auch nur einen Millimeter mit uns als Sozialdemokratie, der Partei, die im Bundesrat ein Drittel der Stimmberechtigten stellt, zu verhandeln. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Dann verlieren Sie die Abstimmung, und was machen Sie? – Sie finden es nach wie vor nicht der Mühe wert, gemeinsam mit uns einen Konsens zu erzielen, sondern legen ein noch viel schlechteres Gesetz vor, spielen dann die Empörte, weil wir diesem noch viel schlechteren Gesetz – natürlich – auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und unsere Forderungen waren, bitte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nicht ir­gendwelche Utopien (Zwischenruf bei der ÖVP), wir wollten lediglich mehr Transpa­renz. Da geht es um 150 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren, die den Men­schen mittels der Köstinger-Abgabe – noch dazu in sehr unterschiedlichem Ausmaß, zwischen 30 Cent und 30 Euro pro Bundesland – aus der Tasche gezogen werden; aber das ist halt Ihr Sparen im System, das am Ende die Endverbraucherinnen und Endverbraucher berappen.

Um von Ihrer Unfähigkeit, nachhaltige, transparente und effiziente Klima- und Umwelt­politik zu machen, abzulenken, brauchen Sie Schuldige. Sonst sind bei all Ihren The­men immer die Migranten die Schuldigen, das funktioniert beim Umweltthema nicht so gut – dann brauchen wir halt jetzt die SPÖ als Schuldigen, als Erklärung, warum es nicht gut funktioniert! (Abg. Zarits: Ja sicher! Richtig!) Der eigentliche Skandal ist, dass Sie eine Beschimpfungs- und Diffamierungskampagne mit Plakaten initiieren; da gibt es sogar eine einstweilige Verfügung, Ihre Plakate, Ihre Hetz- und Lügeninserate (Hal­lo-Ruf bei der ÖVP) wurden damit untersagt. Wenn Sie Größe und Charakter haben, stellen Sie sich heute hier her – ich gebe Ihnen die Möglichkeit (Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei der ÖVP) – und entschuldigen Sie sich in aller Öffentlichkeit für diese Ungeheuerlichkeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie werden als Ministerin in die Geschichte eingehen, unter deren Ägi­de Milliardenstrafzahlungen für Österreich fällig wurden, weil Sie nicht in der Lage sind, vernünftige Gesetze auf den Boden zu bringen. Ein bisschen Chichi und ein bisschen Hihi ist halt bei Weitem zu wenig, wenn es um ein richtiges Zukunftsthema geht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt die Frau Minister. – Bitte, Frau Minister.


14.18.12

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Auch den Ausführungen der Frau Abgeordneten folgend, kann ich, glaube ich, sagen: Zum The­ma Biomassekraftwerke ist in den letzten Wochen und Monaten wahrscheinlich schon mehr gesagt worden, als uns allen lieb ist, und wahrscheinlich auch mehr, als zum Teil wirklich notwendig war. Bereits im Jänner dieses Jahres haben wir eine Übergangslö­sung für jene Biomassekraftwerke, die von dem Auslaufen des bestehenden Öko­stromgesetzes betroffen waren, präsentiert.

Ich darf in diesem Zusammenhang trotzdem noch einmal erwähnen, dass es sich sehr wohl um eine massive Notsituation handelt. In diversen Bezirken in Oberösterreich und in Niederösterreich finden wir eine Schadholzsituation vor, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Und es ist absolut unlogisch und zum Teil auch wirklich verrückt, wenn man bestehende, hocheffiziente Anlagen nicht weiterführt, sondern sie vom Netz nimmt und dafür dann Atomstrom und Kohlestrom importiert – denn das ist die Folge, wenn wir den Strom nicht selbst produzieren; das sei wirklich noch einmal in dieser


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Deutlichkeit gesagt. Empörung gibt es eigentlich nur vonseiten der SPÖ, alle anderen können zu diesem Thema ganz normal und kultiviert diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bitte erlauben Sie mir, noch eines zu diesem Bereich zu sagen (Zwischenruf bei der SPÖ): Frau Abgeordnete Duzdar hat behauptet, dass das, was wir im Jänner vorgelegt haben, ein schlechtes Gesetz war. – Frau Abgeordnete Duzdar und der gesamte SPÖ-Klub: Das war eine Verlängerung des bestehenden Gesetzes, das in diesem Haus in der letzten Legislaturperiode mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen worden ist; im Bundesrat ist die Abstimmung damals einstimmig über die Bühne gegangen. Es ging nur um eine Verlängerung um drei Jahre. Wir stehen heute wieder hier, weil Sie Partei­politik gemacht haben (Zwischenruf der Abg. Duzdar) – auf dem Rücken der Biomas­sekraftwerke und auf dem Rücken vieler Beschäftigter in diesem Land. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: So schaut es aus!)

Auch den Vorwurf der Intransparenz können wir hier so nicht stehen lassen und auch nicht gelten lassen: Am 5. Dezember sind alle relevanten Unterlagen an alle Klubs versendet worden, sind auch alle Zahlen dargelegt worden. Ich würde Sie wirklich da­rum bitten, damit aufzuhören, hier mit irgendwelchen Nebelgranaten herumzuwerfen. Wir haben mit der ÖSG-Novelle einkommensschwache Haushalte von der Abgabe be­freien wollen – auch das wurde abgelehnt. Das schaffen wir heute mit dem entspre­chenden Antrag. Da geht es natürlich auch darum, einen Beitrag gegen die Energiear­mut zu leisten, aber auch darum, dem Ökostrom Vorschub zu leisten.

Es war weder mein Ziel noch mein Interesse, das in dieser Art und Weise zu machen, aber aufgrund der Ablehnung von Ihrer Seite – entsprechend dann auch im Bundes­rat – mussten wir noch einmal eine Notlösung zustande bringen; das ist das Biomasse­förderung-Grundsatzgesetz, mit dem wir eben den betroffenen Anlagenbetreibern mög­lichst rasch helfen können, damit die Anlagen nicht vom Netz gehen und damit vor al­lem auch der Schadholzabtransport funktioniert. Die Situation draußen vor Ort ist wirk­lich eine extrem schlimme, und das, was Sie hier machen – das tut mir wirklich sehr leid –, lässt sich einfach nicht nachvollziehen. Das Grundsatzgesetz deckt sich inhalt­lich mit der ÖSG-Novelle, die im Bundesrat blockiert worden ist. Wir schaffen so eine Übergangslösung für drei Jahre. Es ist vollkommen transparent, und es ist auch voll­kommen klar, worum es hier geht.

Weil angesprochen worden ist, dass die Bundesländer jetzt unterschiedliche Tarife ein­heben, möchte ich nur noch einmal dazusagen: Ja, das stimmt, aber ein einziger Bun­desrat hätte das verhindern können; wenn im Sinne der Länder entschieden worden wäre und nicht nach Parteiinteresse, dann wäre das nicht der Fall gewesen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir arbeiten sehr intensiv daran, hier gute Lösungen zustande zu bringen. Wir haben bereits Gespräche mit allen Bundesländern geführt, wir erarbeiten ein Musterausfüh­rungsgesetz, damit es eine möglichst einheitliche Vorgehensweise gibt; das war im Rahmen der Begutachtung der Wunsch vieler Länder. Wir haben selbstverständlich auch namhafte Verfassungsrechtler miteinbezogen, beispielsweise Herrn Professor Mayr­hofer aus Linz, der diese Variante als absolut verfassungskonform bezeichnet hat. Der Lösungsweg ist geprüft und ist somit auch bestätigt.

Weil ein Vorwurf bezüglich Beihilfenrecht hier im Raum steht: Wir haben auch das be­reits klar analysiert. Für die Regierungsvorlage ist keine beihilferechtliche Notifikation bei der EU-Kommission notwendig, da damit kein relevanter Eingriff in die beihilferecht­liche Substanz erfolgt; es handelt sich dabei nur um technische Änderungen. Es wird mit der Regierungsvorlage das bestehende Gesetz, das bereits einmal notifiziert wor­den ist, entsprechend verlängert. Alle Änderungen im Grundsatzgesetz oder eben auch in den Ausführungsgesetzen der Länder müssen somit auch im Einklang mit dem be-


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reits notifizierten System sein, da sonst natürlich das Risiko einer Neunotifizierung droht. Von unserer Seite, vonseiten des Bundes war es wirklich auch das Ziel, das aus­zuschließen.

Es wurde jetzt auch das Thema Klimaschutz mehrmals angesprochen. Ich möchte Sie bitten, nicht permanent etwas einzufordern und dann bei der kleinsten Gelegenheit auf den Ablehnknopf zu drücken. Es geht hier wirklich nur um den Fortbestand von Anla­gen, die hocheffizient sind, die auslaufen würden. (Abg. Vogl: Wenn sie hocheffizient sind, warum laufen sie dann aus?) Diese Anlagen bestehen, sind funktionstüchtig, sind in den Regionen auch wirklich wichtig und gewährleisten die Strom- und Wärmeversor­gung. Es geht um eine Übergangslösung, und ich würde Sie wirklich bitten, sich hier der Verantwortung bewusst zu sein und diesem Gesetz zuzustimmen. – Vielen herzli­chen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.24.57

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Ministerin, Sie haben gesagt, dass es sich bei diesem Grundsatzgesetz beziehungsweise bei der ursprünglichen Fassung um eine Verlängerung gehandelt hätte.

Ich berichtige tatsächlich: Es wäre da in der ursprünglichen Fassung um zusätzliche 350 Millionen Euro gegangen, die die Stromkunden und Stromkundinnen bezahlt hät­ten (Zwischenrufe bei der ÖVP), nach einem Abänderungsantrag 150 Millionen Euro, und daher ist das keine Verlängerung, sondern das wäre eine Sondervereinbarung ge­wesen.

Ich möchte Sie auf noch etwas hinweisen: Sie haben heute gesagt, dass die SPÖ die einzige Fraktion ist, die nicht kultiviert diskutieren kann. Ich ersuche Sie wirklich (Abg. Neubauer: Keine tatsächliche Berichtigung mehr! – Zwischenrufe bei der ÖVP): Ich bin der Meinung, dass diese Wortwahl einer Ministerin nicht würdig ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wenn man schon dagegen ist, muss man es auch aushal­ten! – Abg. Neubauer: Unfassbar, was die ... zuerst gesagt hat ...!)

14.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die Frau Minister hat sich noch einmal zu Wort ge­meldet. – Bitte.


14.25.55

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ging tatsächlich darum, den bestehenden Gesetzestext, der bereits seit 2012 in Kraft war, für drei Jahre zu verlängern (Ruf bei der SPÖ: Zu­sätzlich!), um jenen Anlagen, die eben ausgelaufen sind, einen Nachfolgetarif zu ge­währleisten.

Frau Abgeordnete, Sie sind Energiesprecherin der größten Oppositionspartei – und Sie haben das selbst auch betont – in diesem Land. Sie tragen auch eine Verantwortung dafür, wirklich zu wissen, wovon Sie reden, worum es in diesem Bereich geht. (Abg. Kucharowits: Das ist unglaublich! Das ist wirklich unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich möchte Sie wirklich darum bitten, dass wir uns normal hinsetzen und nicht irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen, die wirklich absolut absurd sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

14.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Klin­ger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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14.26.50

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nister – Ministerin, um es korrekt zu sagen! Sehr geehrte Damen und Herren, Zuseher hier und vor den Fernsehschirmen! Zuallererst möchte ich zum Tagesordnungspunkt 6 einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Be­rücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grund­satzgesetz durch die Landesgesetzgeber“ einbringen.

Worum geht es dabei? – Die Länder werden aufgrund der Notwendigkeiten mit diesem Grundsatzgesetz praktisch verpflichtet, Biomasseanlagen zu fördern; sie sind auch an­gehalten, diese Förderungen einheitlich zu gestalten. Es soll quasi ein Musterausfüh­rungsgesetz geben, das entspricht auch dem Wunsch vieler Länder, damit sie wissen, wie sie in dieser Sache einheitlich vorgehen können.

Der Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Mus­ter-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, auf die Bundes­länder dahingehend einzuwirken, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber die Inhalte des o.a. ‚Muster-Ausführungsgesetzes‘ und damit die dort vorgeschlagenen Nachfolge­tarife (bis 2 MW: 10 Cent/kWh, größer 2 bis 10 MW: 9 Cent/kWh und über 10 MW: 8,5 Cent/kWh) in die entsprechenden Landes-Ausführungsgesetze übernehmen.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Duzdar hat davon gesprochen, dass das, was die Regierung macht – in weiterer Folge natürlich: der Nationalrat –, peinlich und unwürdig ist. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Ich denke, das Einzige, das in dieser ganzen Angelegenheit peinlich und unwürdig ist, ist die Verhinderung eines wichtigen Gesetzes durch die SPÖ-Fraktion im Bundesrat. Das ist peinlich und unwürdig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich glaube schon, dass es, wenn wir möglichst rasch, schnell und effizient zu einem Er­neuerbaren-Ausbau-Gesetz kommen wollen, notwendig sein wird, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Bruno Rossmann hat das hier auch kritisiert. – Es kann nicht Sinn der Opposition sein, hier durch Verhinderungstaktiken ein entsprechend wichtiges Gesetz hintanzuhalten und durch mögliche demokratische Eingaben so weit zu verhin­dern, dass Österreich diesbezüglich womöglich hinten bleibt. Ich glaube, das ist auch nicht in Ihrem Sinne.

Es wird, wenn wir die Klimaschutzziele, die wir alle in Paris einhellig beschlossen ha­ben, auch tatsächlich durchbringen wollen, ganz wichtig sein, dass wir uns bewusst werden, was für uns in Österreich in Wirklichkeit die wichtigste und beste Energiequelle ist, und das ist nun einmal die Wasserkraft.

Ich war vor Kurzem in Linz bei einem Gespräch auf hochrangiger Ebene, bei dem es um den Ausbau der Wasserkraftanlagen an der Salzach und am Inn ging, wo wir be-


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reits die ökologische Problematik des Sohledurchbruchs in Aussicht haben und es trotz des enormen Engagements – auch finanzieller Art und Weise – des Betreibers noch immer nicht möglich ist, ein entsprechendes Projekt, ein Kraftwerk im entsprechenden Ausmaß zu planen und zu bauen, damit auch dieser Sohleeinbruch hintangehalten werden kann.

Damit bin ich bei einer Meinung, die mir sehr wichtig ist, nämlich dass hier alles getan werden muss, dass es auf EU-Seite, nämlich trotz des Versuchs einer Verhinderung durch Natura-2000-Projekte, in Zukunft möglich gemacht werden muss, dass in Öster­reich diese wichtige Energiequelle Wasserkraft zum Durchbruch kommen kann – hier als Paradebeispiel an Inn und Salzach, ökologisch und ökonomisch wichtig.

Aber ich sage noch etwas dazu: Wenn es in Zukunft – von vielen Geplänkeln getra­gen – verhindert werden sollte, dass wir die Wasserkraft ausnützen – zwei Drittel der Stromerzeugung basieren bereits auf Wasserkraft, und wir können das restliche Drittel auch noch allein aus Wasserkraft schöpfen; wir könnten es, wenn wir wollten –, dann wird die Sache wahrscheinlich dahin gehend keinen guten Ausgang nehmen, dass wir die zu hoch, uns motivierend, vorgegebenen Klimaziele nicht erreichen werden. Eines ist nämlich auch klar: Wenn das Donaukraftwerk Altenwörth mehr Strom produziert als alle Windkrafträder in Niederösterreich zusammen, dann frage ich mich schon: Auf wel­che Technologien sollen wir in Zukunft setzen? (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Das ist eine ganz entscheidende Frage, wenn ich davon ausgehe, dass die wichtigsten und effizientesten Stromerzeugungssysteme zum Durchbruch kommen müssen, nicht jene, die mit Förderungen ewig am Tropf gehalten werden. Marktfähigkeit muss gege­ben sein, und da werden wir in Zukunft noch eine Menge zu tun haben, da werden wir noch eine Menge zu diskutieren haben.

Ich appelliere an alle Energiesprecher, da im Sinne von Österreich an einem Strang zu ziehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger

Kolleginnen und Kollegen

betreffend einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landes­ausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesge­setzgeber

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (558 d.B.): Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzge­setz) (566 d.B.) in der 72. Sitzung des Nationalrates am 25. April 2019

Mit der diesem Entschließungsantrag zugrundeliegenden Regierungsvorlage betref­fend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Bio­masseförderung-Grundsatzgesetz) werden nunmehr die Bundesländer als Ausfüh­rungsgesetzgeber verpflichtet, Ökostromanlagen auf Basis fester Biomasse und auf Basis von Abfällen mit hohem biogenen Anteil – in Entsprechung des Grundsatzgeset­zes des Bundes - zu fördern.

Im Sinne einer möglichst einheitlichen Vorgangsweise der Bundesländer wurde nun­mehr seitens des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus ein „Muster-


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Landesausführungsgesetz“, das den Vorgaben des Grundsatzgesetzes entspricht, und in welchem die bereits im Vorblatt zur gegenständlichen Regierungsvorlage vorge­schlagenen Nachfolgetarife festgeschrieben sind, erarbeitet. Dies entspricht auch dem Wunsch vieler Länder, der im Rahmen des Begutachtungsverfahren artikuliert wurde.

Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten soll nunmehr auf die Bundesländer dahinge­hend eingewirkt werden, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber die Inhalte des o.a. „Muster-Ausführungsgesetzes“ und damit die dort vorgeschlagenen Nachfolgetarife (bis 2 MW: 10 Cent/kWh, größer 2 bis 10 MW: 9 Cent/kWh und über 10 MW: 8,5 Cent/kWh) in die entsprechenden Landes-Ausführungsgesetze übernehmen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, auf die Bundes­länder dahingehend einzuwirken, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber die Inhalte des o.a. „Muster-Ausführungsgesetzes“ und damit die dort vorgeschlagenen Nachfol­getarife (bis 2 MW: 10 Cent/kWh, größer 2 bis 10 MW: 9 Cent/kWh und über 10 MW: 8,5 Cent/kWh) in die entsprechenden Landes-Ausführungsgesetze übernehmen.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ordnungsge­mäß unterstützt, ausreichend unterschrieben und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Feichtinger zu einer tatsächlichen Berichti­gung gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.32.48

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Ab­geordneter Klinger hat in seiner Rede vorhin behauptet, wir hätten das Pariser Klima­abkommen hier einmütig beschlossen.

Ich berichtige tatsächlich: Die FPÖ hat dagegen gestimmt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf des Abg. Neubauer. – Ruf bei der SPÖ: ... hat je­mand anderer die Rede geschrieben!)

14.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doppelbau­er. – Bitte schön.


14.33.13

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Ich verrate Ihnen jetzt ein kleines Geheimnis: Ich habe heute insgeheim darauf gehofft, dass ich mich als Vertreterin der Opposition hier herstellen und diese Bundesregierung loben kann (Ruf bei der ÖVP: ... nicht über die Lippen!) – ein Lob für einen sinnvollen und nachhaltigen Gesetzesvorschlag zum Thema Biomasseförderung –, aber leider kann ich das nicht, denn das, was Sie uns jetzt als Grundsatzgesetz vorgelegt haben, entspricht eben nicht etwas, was zu loben ist, sondern es ist im Gegenteil nicht lobenswert und es ist der sprichwörtliche Holzweg.

Warum sage ich das? – Wir alle wissen, mit welchen Unsicherheiten die Betreiber von Biomassekraftwerken im Augenblick konfrontiert sind, aus dem ganz einfachen Grund,


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dass eben diese Regelung ausläuft, und wir wissen auch, dass es jetzt besonders kritisch ist, weil es im Augenblick diese großen, großen Mengen an Schadholz durch Windbruch und Borkenkäfer gibt. Das heißt, es besteht wirklich dringender Handlungs­bedarf, und Ihre Aufgabe als Bundesregierung wäre es gewesen, die Zeit seit dem Scheitern des Ökostrompakets sinnvoll zu nützen und eine nachhaltige Lösung zu er­arbeiten, die auch von den Beteiligten mitgetragen wird und die auch an die durchaus sinnvollen Bestimmungen im Ökostrompaket angelehnt gewesen wäre, die wir NEOS im Februar auch mitgetragen haben.

Doch was machen Sie? – Sie verlieren sich im Klein-Klein, sie präsentieren heute ei­nen Gesetzesvorschlag, der im Vergleich zum Ökostrompaket wirklich Nachteile in­kludiert und einen klaren Rückschritt bedeutet – und zwar sind es im Wesentlichen drei Punkte, und auf diese möchte ich nun eingehen.

Der erste, das wurde heute auch schon angesprochen, ist diese bundesweit einheitli­che Regelung, die gefallen ist. Sie wollen es jetzt den Bundesländern überlassen, die jeweiligen Förderregime für die Biomasse zu gestalten. Das bedeutet nicht nur einen möglichen Preiskampf, eine Standortungleichheit und am Ende des Tages mehr Büro­kratie, es erschließt sich mir einfach nicht, was es bringen soll. – Ja, jetzt werden die Kollegen von der ÖVP und von der FPÖ sagen: Wir haben eh einen Entschließungsan­trag eingebracht, damit wir das ein bisschen austarieren können! Ich glaube, Kollege Klinger hat gerade gesagt, das ist dann quasi eh rechtlich verbindlich, aber, meine Da­men und Herren, wir alle wissen, dass dieser Inhalt eben nicht rechtlich verbindlich ist, und das ist das große Problem.

Der nächste große Unsicherheitsfaktor, der heute noch gar nicht angesprochen wurde, ist die EU-Ebene. – Im Gegensatz zu Ihrem Ministerium, Frau Bundesminister, haben sich viele Brancheninsider und auch profunde Wettbewerbsrechtler schon geäußert und gesagt, dass es wahrscheinlich auf EU-Ebene nicht halten wird, weil das vorlie­gende Gesetz gar nicht unter das von der EU genehmigte Fördersystem fällt. Das heißt, am Ende des Tages kann es hier für die Unternehmerinnen und Unternehmer zu Rückzahlungen von Förderungen kommen, und das kann ja nicht im Sinne des Erfin­ders sein.

Drittens: Als Draufgabe soll spätestens nächstes Jahr, auch das wurde schon ange­sprochen, ein neues Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das EAG, kommen, und niemand weiß, ob es dann nicht wieder zur nächsten Änderung dieses Biomassegesetzes kommt, und das ist natürlich wiederum sehr, sehr schwierig für die Unternehmerinnen und Un­ternehmer, die ja planen wollen und Rechtssicherheit brauchen.

Was wäre also die Lösung gewesen? – Es wäre weit sinnvoller gewesen, gleich ge­meinsam am neuen EAG, inklusive der Biomasse, zu arbeiten und so nachhaltig die Rechtssicherheit und die Planungssicherheit für die Betreiber, für die Unternehmerin­nen und Unternehmer zu generieren. Wenn man sich die kritischen Stellungnahmen anschaut, die von fast allen Stakeholdern kommen, dann weiß man auch, dass das eigentlich die richtige Antwort gewesen wäre: Es wäre am sinnvollsten gewesen, es gleich gemeinsam zu erarbeiten.

Weil wir gerade von den Stakeholdern sprechen: Es ist interessant, wenn man sich anschaut, wie auf dieses Gesetz reagiert wurde, denn von fast allen Bundesländern, auch von den schwarzen Bundesländern, vom Städtebund, von der Papierindustrie, der Vereinigung Österreichischer Elektrizitätswerke, der IV, der Arbeiterkammer, der IG-Holzkraft bis hin zu Oesterreichs Energie haben eigentlich fast alle gesagt, dass es massive Probleme bei der Umsetzung dieses Gesetzes geben wird. – Das sollte Ihnen doch eigentlich zu denken geben, wenn so viele relevante Akteure jetzt im Augenblick bestenfalls verhalten auf dieses neue Gesetz reagieren.


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Faktum ist einfach, dass anstatt dass man sich mit den Betroffenen und der Opposition hingesetzt und eine langfristige, eine haltbare Lösung für alle erarbeitet hätte, hier heute ein problematisches Gesetz durchgepeitscht wird, und das in einem so sensiblen Bereich wie der Biomasse, die wir dringend brauchen, um weniger abhängig vom Im­port fossiler Brennstoffe zu werden, und die auch für die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum so wichtig ist.

Wie ich zu Beginn gesagt habe: Ich würde hier wirklich gerne stehen und diese Bun­desregierung für etwas Sinnvolles loben, deshalb zum Schluss mein Appell. Es gibt das EAG – wir können hier gemeinsam arbeiten, um diese Fehler auszumerzen und eine Lösung schaffen, die dann auch von allen relevanten Kräften unterstützt werden kann. Dieses Gesetz – das auch noch einmal in aller Härte –, so wie es jetzt vorliegt, wird nämlich mehr Probleme verursachen als es lösen wird. (Beifall bei den NEOS.)

14.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.38.45

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe mir jetzt die Debatte und die Argumente der Opposition angehört, und ich muss sagen, es ist teilweise schon abenteuerlich. Vor allem das, was die SPÖ hier von sich gibt, ist abenteuerlich. (Abg. Leichtfried: Na ja, das ist schon ein bisschen voreingenommen!)

Herr Leichtfried, es geht um ein Gesetz, und das ist Faktum, das 2002 mit Ihnen, mit der ÖVP, mit den Freiheitlichen erstmals beschlossen wurde, ausverhandelt wurde; 2012 hat es Novellierungen gegeben. Es geht nur um eine Verlängerung um drei Jah­re, und da von Intransparenz zu reden und von einem Gesetz, das Sie nicht kennen, dessen Inhalte Sie nicht kennen, das ist wirklich abenteuerlich!

Ich werde Ihnen die Inhalte noch einmal sagen, sie sind nicht so schwierig – Frau Duz­dar, wenn Sie jetzt einmal aufpassen! (Zwischenruf der Abg. Duzdar) –: Verlängerung um drei Jahre, und es geht um drei Tarife: Kraftwerke bis 2 Megawatt 10 Cent, von 2 bis 10 Megawatt 9 Cent und über 10 Megawatt 8 Cent. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Das steht in diesem Gesetz. Nichts anderes steht in diesem Gesetz, und Sie sprechen von Intransparenz.

Hier geht es um 47 Kraftwerke, die vor dem Aus stehen, und es gibt schon Kraftwerke, die zusperren, weil der Ökostromtarif ausläuft. Da gibt es ein Beispiel: Ende April wird im Holzkraftwerk Gmünd kein Holz mehr übernommen; mit Ende Juni wird die Produk­tion von Ökostrom komplett eingestellt, weil der Ökostromtarif ausläuft.

Die Frau Minister hat es schon erwähnt: In der Region gibt es einen riesigen Schad­holzanfall; die Bauern müssen sich andere Abnehmer suchen. Und was noch dazu­kommt: Das Holzkraftwerk wird dann im Sommer mit Öl betrieben. – Das erreichen Sie mit dieser Blockade.

Und vor allem: Wenn Sie dann hergehen und dieses Gesetz, das ja in einem zweiten Teil noch die Schwächeren in unserem Land entlasten wollte – das neue Gesetz tut es natürlich auch –, dann auch noch ablehnen, es im Bundesrat blockieren und Ihre Macht im Bundesrat missbrauchen (Abg. Wittmann: Was heißt „missbrauchen“? Das ist noch immer in ...! Das ist das Recht des Bundesrates!), offensichtlich einfach aus parteipolitischem Kalkül oder vielleicht aus Argumenten, wie sie Herr Schellhorn hier genannt hat, ein Gesetz blockieren und ablehnen, dann ist das Machtmissbrauch. Das ist Machtmissbrauch im Bundesrat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Anhaltende Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ihre Bundesräte werden das dann schon in ihren Ländern er­klären können.


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Ich verstehe Föderalismus schon, und ich glaube, wenn heute Bundesräte einen guten Grund haben – beispielsweise dass etwas zum Nachteil der Länder wäre –, dann kön­nen oder sollen sie das natürlich auch ablehnen. (Abg. Wittmann: Das passt ins Bild!) Ich bin aber neugierig darauf, wie die Länder entscheiden werden! Ich bin neugierig da­rauf, wie das Land Kärnten, wie Herr Kaiser in Kärnten entscheiden wird (Zwischenrufe des Abg. Wittmann) und was er dann Herrn Novak und Herrn Appé als Bundesrats­präsidenten sagen wird, die das Gesetz abgelehnt und blockiert haben. Da bin ich sehr neugierig darauf, wie sich die Kärntner bezüglich ihrer Betriebe und ihrer Unternehmen und vor allem ihrer Arbeitsplätze verhalten werden, ob Kärnten dieses Grundsatzge­setz umsetzen wird oder nicht. Das werden wir uns anschauen. (Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Wittmann.)

Damit das Ganze also gelöst werden kann, muss jetzt ein Grundsatzgesetz erlassen werden. Das ist natürlich nicht die beste Lösung. (Abg. Leichtfried: Nein, das ist eine schlechte Lösung!) Wir hätten gerne ein Verfassungsgesetz gehabt, das hier wie gesagt im Nationalrat beschlossen und um drei Jahre verlängert wird, aber das ist nicht gegangen. Da sind die NEOS noch mitgegangen; jetzt muss es ein Grundsatzgesetz werden und neun Ausführungsgesetze in den Ländern.

Das ist ein Weg, den auch wir so nicht gehen wollten, aber die Argumentation, warum die NEOS hier jetzt nicht mitgehen, verstehe ich auch nicht, muss ich ganz ehrlich sagen. Jetzt redet man von einem Föderalismuswirrwarr und neun Gesetzgebungen in den Ländern. (Abg. Schellhorn: Das ist doch ein ...! Geh, hör auf!) – Herr Schellhorn, ich verstehen es bei Ihnen deshalb nicht, weil Sie im Finanzausschuss genau das ge­fordert haben. (Abg. Schellhorn: Was habe ich im Finanzausschuss gefordert?) Im Finanzausschuss fordern Sie Steuerautonomie für Länder, und jetzt gibt es ein Gesetz, mittels dessen genau das passiert (Abg. Schellhorn: Was?), und dann sind Sie dage­gen genau mit dem Argument. Also das Argument verstehe ich auch nicht: Einerseits fordern die NEOS Steuerautonomie für Länder; jetzt gibt es ein Gesetz, mittels dessen genau das passiert, dass die Länder Steuerautonomie haben und wir das beschließen müssen, und dann sind Sie mit demselben Argument dagegen. Man ist also mit dem­selben Argument einmal dafür und das nächste Mal dagegen. Das können Sie mir auch nicht erklären. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schellhorn: Nachhaltig! Nach­haltig!)

Zu Herrn Rossmann fällt mir eigentlich nichts mehr ein, muss ich ehrlich sagen. Er re­det jedes Mal von einer ökologischen Steuerreform, bei jeder zweiten Rede erwähnt er das, und er fordert Klimamaßnahmen jetzt. (Abg. Rossmann: Ich habe gar nicht ge­redet heute!) Also bei Ihnen, Herr Rossmann, ist, muss ich sagen, der grüne Lack ab, und der Kommunist ist sitzen geblieben. Mehr ist nicht mehr. Anders kann ich mir das nicht erklären. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Faktum ist, dieses Gesetz ist notwendig und richtig, damit wir diese Kraftwerke wei­terhin betreiben können, damit da nicht wieder fossile Energie zum Einsatz kommt, sondern erneuerbare Energie gefördert wird und diese 6 000 Arbeitslätze auch wei­terhin bestehen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


14.44.08

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich muss – ich wollte es ei­gentlich nicht – kurz auf zwei Vorredner der FPÖ replizieren.

Herr Klinger, wenn Sie behaupten, ein Beschluss im Bundesrat, der nicht Ihrer Vorstel­lung entspricht, sei peinlich, dann muss ich Sie korrigieren: Das ist Demokratie, und ich freue mich, als Europäerin in einer Demokratie leben zu können. (Beifall bei der SPÖ.)


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Nun zu Herrn Angerer: Ich finde es wirklich sehr bedauerlich, einen parlamentarischen Beschluss im Bundesrat als „Machtmissbrauch“ zu deklarieren – aber das spricht für Ihre Weltanschauung, für Ihr Weltbild in der FPÖ. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosen­kranz: Das werden wir nach drei Tagen ...!)

Aber nun zurück zur Sachlichkeit, denn wir diskutieren hier und heute im Parlament ein sehr wichtiges Gesetz. Laut einem Bericht der E-Control vom März 2019 sind in Öster­reich 117 000 Haushalte von Energiearmut betroffen. 117 000 österreichische Haus­halte sind somit nicht in der Lage, ihre Wohnungen dauerhaft mit Energie zu versorgen.

Was heißt das? – Da sitzen Familien mit Kindern in den Wintermonaten in kalten Woh­nungen und frieren, und das ist meiner Meinung nach nicht vertretbar. Diese Entwick­lung stimmt mich nachdenklich, denn wenn die Energiepreise weiterhin so steigen, wird auch diese Zahl weiter steigen. Wir müssen leistbare Energie sicherstellen! Hier sind nicht nur die Anbieter und die gesetzlichen Energieversorger gefordert, sondern auch wir als Politik. Wir stimmen heute natürlich für eine Befreiung von der Ökostromab­gabe, dieses Gesetz basiert ja auch auf unserem Antrag. Dies ist aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Frau Ministerin, weil Sie heute Morgen in der Fragestunde die #mission 2030 ange­sprochen haben: Da gibt es nur einen jämmerlichen Satz zur Energiearmut, und das finde ich nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die E-Control hat auch eine Studie veröffent­licht, die besagt, dass gerade Menschen aus einkommensschwachen Haushalten, also genau die auch von Energiearmut betroffene Gruppe, nur sehr mangelhaft über Kennt­nisse im Bereich des Energiesparens verfügen. Hier muss angesetzt werden! Es braucht da eine groß angelegte Informationskampagne und ein gut ausgebautes Netz an Energieberatungsstellen, denn nur wer aufgeklärt ist, kann ordentlich Energie spa­ren und mit Energie effizient wirtschaften. Ich denke hier vor allem auch an unsere Ju­gend.

Dieser Punkt betrifft aber nicht nur jene, die von Energiearmut betroffen sind, sondern dieser Punkt betrifft uns alle, denn Verschwendung von Energie schadet unserem Kli­ma, und ich möchte in meinem Redebeitrag auch kurz zur Klimapolitik Stellung neh­men.

Der vorgelegte Energie- und Klimaplan der Bundesregierung ist laut zahlreichen wis­senschaftlichen Kommentaren – ich darf zitieren – ungeeignet, irgendein Klimaziel zu erreichen. – Zitatende. Viele bereits beschlossene Maßnahmen wurden aufgeweicht und keine nennenswerten Neuerungen stehen auf der Tagesordnung. Österreich, wird, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren, die Klimaziele bis 2030 nicht erfüllen können, wenn wir nicht sofort umdenken, sofort eine grundlegend andere Klimapolitik angehen, Frau Ministerin.

Unverständlich in diesem Kontext ist, dass Mittel für die Umweltförderungen gekürzt werden, dass Mittel für die Energieforschung drastisch gekürzt werden, und ganz ak­tuell gibt es einen Artikel in der heutigen Printausgabe der „Presse“ mit der Headline: „Sanierung und ökologischer Neubau von Gebäuden sollen steuerlich begünstigt wer­den. Das hilft vor allem gewerbetreibenden Bauträgern. Förderungen für Solaranlagen werden sukzessive gekürzt.“ – Und die gewerblichen Bauträger, das sind die Spender von Kurz und der ÖVP, das wissen wir. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Mu­chitsch!)

Das ist eine Klimapolitik, die nicht einmal den Namen Klimapolitik verdient! Wir sind unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verpflichtet, eine ordentliche Klimapolitik vorzulegen. Wenn wir den Turnaround nicht schaffen, heißt das Strafzahlungen seitens


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der Europäischen Union in der Höhe von 9,2 Milliarden Euro, die auf Österreich zu­kommen. Das werden die Menschen in diesem Land zahlen müssen, und für die tut es mir wirklich leid. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.48.55

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Liebe Bürgerin­nen und Bürger! Klimaschutz ist ja glücklicherweise endlich in aller Munde, nicht zuletzt aufgrund der globalen Schulstreikbewegung Fridays for Future.

Klimaschutz ist erneuerbare Energie, und Biomasse ist erneuerbare Energie. Holzkraft­werke erzeugen erneuerbaren, klimafreundlichen Strom und Wärme. Ich möchte heute gar nicht mehr auf die Inhalte der debattierten Ökostromnovelle und des Biomasse-Grundsatzgesetzes eingehen, sie wurden schon genug von den Kollegen und Kollegin­nen ausgeführt. Es geht darum, die Einspeisetarife der betroffenen Holzkraftwerke zu verlängern und sie vor dem Zusperren zu bewahren. Ich stehe zu meiner Stimme für die Ökostromnovelle, und ich werde heute auch beim Grundsatzgesetz mitgehen.

Liebe SPÖ, sosehr ich bei der Sozialpolitik auf Linie bin mit euch, beim Klimaschutz, bei der Klimapolitik tue ich mir noch ein bisschen schwer mit euch. Die verhandelnden Regierungsfraktionsvertreter haben bestimmt im Vorfeld der Ökostromnovelle nicht alles richtig gemacht. Man könnte bei so wichtigen parteiübergreifenden Klimaschutz­maßnahmen schon mit etwas mehr Fingerspitzengefühl an die Verhandlungspartner herantreten.

Jedoch, liebe SPÖ, liebe Muna Duzdar, ich möchte schon entschieden der Aussage widersprechen, dass die Bundesministerin und die Regierungsfraktionskolleginnen und -kollegen schuld daran seien, dass die Ökostromnovelle im ersten Anlauf ein der­artiger Bauchfleck wurde. Es ging ja nur um die Verlängerung bestehender Förderun­gen für Holzkraftwerke bis zum Inkrafttreten des Erneuerbaren-Ausbau-Geset­zes 2020. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Umweg, der jetzt über das Grundsatzgesetz, über die Länderregelung gegangen werden muss, ist nicht ideal. Dieser Kritik stimme ich zu. Aber bitte schieben Sie es nicht der ÖVP in die Schuhe, dass dieser Umweg notwendig wurde! Sie haben das Gesetz im Bundesrat blockiert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Ökostromnovelle hätte eine Sternstunde parteiübergreifender Zusammenarbeit im Parlament in puncto Klimaschutz werden können, stattdessen wurde eine wichtige Kli­maschutzmaßnahme blockiert. Auch wenn sie nicht perfekt war, sie war wichtig und sie ist wichtig.

Weiters muss ich Ihnen sagen, liebe SPÖ, dass ich es nicht ganz glauben kann, dass Sie die Vertreter der Biomassebranche sind, dass Sie diese Branche vertreten. Ich war mit vielen Betreibern von Holzkraftwerken in Kontakt, mit Verbänden und Interessen­vertretern dieser Branche und darf Ihnen berichten, das Gros der Branche ist nicht ganz glücklich über Ihre Politik. Ich weiß auch von SPÖ-Bürgermeistern, die die Klima­politik ihrer Kollegen auf Bundesebene infrage stellen. Das sind natürlich Bürgermeis­ter, in deren Gemeinden Holzkraftwerke Arbeitsplätze sichern, die auch die Klima­schutzperformance der Gemeinden verbessern helfen.

Wir, alle hier in diesem Saal, müssen im Klimaschutz zusammenarbeiten, überpartei­lich. Nicht zuletzt ist es ein Thema, das jeden Menschen in diesem Land betrifft, jeden Menschen auf dieser Erde. Aber lassen Sie uns zumindest ab jetzt bei der Ausgestal-


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tung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes 2020 demonstrieren, dass dem Parlament, dass dem Nachhaltigkeitsministerium, dass der Regierung der Klimaschutz ein zen­trales, ein wichtiges, ein parteiübergreifendes Anliegen ist! Das ist unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem schönen Land und vor allem gegenüber den Kindern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

14.52.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor.

Wünschen die Herren Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Ich komme zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird, samt Titel und Eingang in 557 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung er­forderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordne­ten fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zu­stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zu­stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ich stelle auch hier die erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend Bio­masseförderung-Grundsatzgesetz in 558 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen ei­nen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Änderungen in den §§ 4 und 6 sowie eine Einfügung in § 5 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvo­rlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen somit zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Lettenbichler, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 70)

14.56.377. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.): Bundes­gesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 (575 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 7. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Berlakovich. – Wir haben noch 3 Minuten bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage. Wollen Sie noch beginnen? (Abg. Berlakovich verneint dies.) – Gut, dann unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 14.57 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

15.01.02Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen For­men – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur libera­len Demokratie und zum Rechtsstaat“ (3402/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3402/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Beginnen wir mit einer Selbstverständlichkeit: Der Verfassungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen klar dazu geäußert, dass die kompromisslose Ablehnung aller Formen des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstan­denen Republik sei.

Dieser Konsens hat im Jahr 2019 dieselbe Selbstverständlichkeit zu haben und er hat nicht nur vom Verfassungsgerichtshof, sondern von allen Institutionen und Amtsinha­berinnen und Amtsinhabern dieser Republik geachtet und erhalten zu werden.

Mit diesen Sätzen wurde die dringliche Anfrage im Bundesrat am Donnerstag, den 11. April 2019 an Bundeskanzler Sebastian Kurz eingeleitet. Bedauerlicherweise hatte


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der Bundeskanzler zum Thema „klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextre­mismus in allen seinen Formen und klares Bekenntnis zur Europäischen Union“ nur wenig mitzuteilen. Zehn ausführliche Fragen wurden von ihm in einer Minute Redezeit beantwortet.

Das einzige, was mitgenommen werden konnte, ist die Aussicht, dass die personelle Ausstattung des Extremismusreferates im Bundesamt für Verfassungsschutz und Ter­rorismusbekämpfung evaluiert und gegebenenfalls auch gestärkt wird. Rechtsextremis­musberichte seien nicht notwendig, es müsse der allgemeine Extremismusbericht ge­nügen. Konkreter wurde der Bundeskanzler bei zwei Themen: Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinen Platz in Kabinetten oder Büros der Bun­desregierung haben. „Sollte uns jedoch eine solche Tatsache bekannt werden, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen“, so der Bundeskanzler. Er per­sönlich lehne Schaltungen in rechts- wie auch linksextremen Publikationen in aller Deutlichkeit ab, dies sei jedoch Sache der einzelnen Ressorts. Alles in allem ist Bun­deskanzler Sebastian Kurz also im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht be­sonders engagiert, sondern eher verärgert, dass er sich mit einem solchen Thema aus­einandersetzen muss.

Ein Bundeskanzler ist gemäß dem System unserer Bundesverfassung aber für die Auswahl der Bundesregierung verantwortlich, er schlägt diese vor und er kann jeder­zeit einzelne Mitglieder der Bundesregierung entlassen. Er trägt die Verantwortung für das Agieren der einzelnen Mitglieder der Bundesregierung, für die Achtung und Wah­rung des antifaschistischen Grundkonsenses der 2. Republik sowie für die Positionie­rung der Republik Österreich in Europa.

Gegenwärtig stellt die Freiheitliche Partei Österreichs die Hälfte der Mitglieder der Bun­desregierung und den Vizekanzler. Bei der Ressortverteilung wurden beide Sicher­heitsressorts, sowohl das Innenministerium wie auch das Landesverteidigungsministe­rium, in den Kompetenzbereich von FPÖ-Ministern gelegt. Auch dafür trägt der Bun­deskanzler die Verantwortung.

Von Tag zu Tag werden gleichzeitig aber immer wieder neue Sachverhalte darüber be­kannt, wie eng die Beziehung zwischen seinem Regierungspartner FPÖ und der Iden­titären Bewegung in Österreich ist.

Um die Identitären kurz zu charakterisieren, sei eine Aussage von Martin Sellner, den Vorsitzenden dieser Bewegung, zitiert:

„Es existiert Krieg, ein Kampf bis aufs Messer. Damit dieser Krieg gewonnen werden kann, müssen wir ihn beginnen."“

Dazu passt, dass bei den Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der Identitären Bewe­gung nicht nur umfangreiches Propagandamaterial, sondern auch Gaspistolen, Schlag­stöcke, Butterfly-Messer und andere Waffen sichergestellt wurden.

Die finanzielle Ausstattung dieser rechtsextremen Bewegung erfolgt hauptsächlich durch Spenden. Laut Recherchen von ZiB 2 und Salzburger Nachrichten nahmen die Identitären seit 2012 über drei Fördervereine mindestens 700.000 Euro ein. Wie bereits nachgewiesen werden konnte, erfolgt die laufende Finanzierung durch regelmäßige Spender, angeblicher Weise rund 500 Personen, sowie 600 Einzelspenden im letzten Kalenderjahr. Eine Überprüfung der Spenderlisten brachte eine hohe Übereinstimmung zwischen Spendern und Personen, die ebenfalls im Umfeld der FPÖ aktiv sind. Eine besonders hohe Übereinstimmung besteht im Bereich der Jugendbewegungen der FPÖ, aber es wurden durchaus auch Persönlichkeiten aus der aktiven Politik in den Medien genannt. Die Beziehungen sollen aber auch in die Ministerien direkt führen, al­so zu Personen, die die Politik der Bundesregierung aktiv mitgestalten und beeinflus­sen.


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Die Finanzierung dieser rechtsextremistischen Bewegung findet aber auch durch das offizielle Österreich statt:

So vergaben 2018 die Ressorts der FPÖ Minister Strache, Kickl, Hofer und Kunasek Inserate in der Höhe von insgesamt € 71.636 an vom DÖW als rechtsextrem einge­stufte Magazine wie den „Wochenblick“, „Zur Zeit“ oder „alles roger?“, wie parlamenta­rische Anfragen ergaben. FPÖ-Ressortminister haben daher auf Kosten der Steuerleis­tungen der Österreicherinnen und Österreicher dafür gesorgt, dass rechtsextremisti­sches Gedankengut verbreitet wird. Ein solcher Vorgang ist nicht nur als besorgniser­regend, sondern als demokratiegefährdend zu werten.

Die Gleichgültigkeit des Bundeskanzlers diesen Sachverhalten gegenüber zeigt sich durch seine Beantwortung im Bundesrat. Es reicht nicht, wenn er persönlich gegen In­seratenschaltungen in rechtsextremen Medien ist, nein er muss es verbindlich anord­nen. Dazu hat Sebastian Kurz ausreichend rechtliche Möglichkeiten. Dafür trägt Se­bastian Kurz die Verantwortung. Dafür ist er Bundeskanzler.

„Grazie a Harald e a tutti gli storici amici e alleati austriaci della FPÖ che hanno aderito all’appello di Milano „Verso l’Europa del Buonsenso!“

„Vielen Dank an Harald und alle historischen österreichischen Freunde und Verbünde­ten der FPÖ, die sich dem Mailänder Aufruf „Towards a Europe of Common Sense“ an­geschlossen haben!“

Mit diesen Worten begrüßte Matteo Salvini den Entschluss der FPÖ, also einer öster­reichischen Regierungspartei, der von ihm gegründeten rechten Allianz im Europapar­lament beizutreten und deren politische Inhalte zu unterstützen. Eine Allianz, der Par­teien wie die AfD, die Lega, der Front Nationale und andere rechte Parteien, aber eben auch die FPÖ, angehören sollen.

All diese Parteien vereint ein ideologischer Grundsatz, nämlich die Europäische Union schwächen bzw. zerstören zu wollen, um den Nationalismus in Europa zu stärken.

Es ist anzunehmen, dass der Koalitionspartner von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Zukunft verstärkt einen antieuropäischen Politikansatz vertreten wird. Damit werden aber auch Institutionen wie die Europäische Menschenrechtskonvention infrage ge­stellt, die Basis und Grundlage unseres liberalen Rechtsstaates ist, und Nationalismus sowie Ausländerfeindlichkeit gefördert.

Auch hier trägt der Bundeskanzler Mitverantwortung; ein bloßer Hinweis auf die aktuel­len Europawahlen ist als Reaktion auf diese besorgniserregende Entwicklung zu we­nig.

Da diese politischen Parteien in Österreich vielleicht noch etwas zu unbekannt sind, seien deren politische Einstellungen kurz vorgestellt, damit man sich ein Bild machen kann, in welche Richtung die FPÖ sich entwickelt:

Marine Le Pen (Rassemblement National): „Ich will die EU zerstören, nicht Europa! Ich glaube an das Europa der Nationen.“ (Le Pen, Der Spiegel, 2.6.2014)

Auf einer Pressekonferenz mit Matteo Salvini in Rom im Oktober 2018 bekräftigte Le Pen: „Wir kämpfen zusammen mit Salvini nicht gegen Europa, sondern gegen die Eu­ropäische Union, die zu einem totalitären System geworden ist. Wir kämpfen gegen diese Europäische Union um das wahre Europa zu retten.“ (euronews, 8.10.2018)

AfD-Bundessprecher Alexander Gauland sagte vor dem AfD-Parteitag im Jänner 2019 in Riesa, dass die EU „krank an Kopf und Gliedern“ sei und von Grund auf reformiert werden müsse. (APA, 13.1.2019)


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Salvini bei einer Pressekonferenz mit Viktor Orbán Ende August 2018 in Mailand: „Heute beginnt eine Reise, die uns in den nächsten Monaten auf dem Weg zu einem anderen Europa (…) führt. (…) All das, was die Soros-finanzierten europäischen Eliten, die von den Macron’s präsentiert werden, abgelehnt haben. Ich glaube, wir stehen kurz vor einem historischen Wendepunkt auf kontinentaler Ebene.“ (APA, 28.8.2018; RT, 29.8.2019)

Salvini bei einer Plenarsitzung des EU-Parlaments im August 2018: „Ich entschuldige mich beim Publikum (…) für diesen Irrsinn in diesem Haus. (…) Ihr seid nicht normal meiner Meinung nach. (…) Euch sollte ein sehr guter Arzt therapieren!“ „Ich warte nur darauf, dass das EU-Parlament auch noch eine Psycho-Polizei einführt, um nicht ganz Linientreue die nicht (…) gleichgeschaltet sind zu verfolgen.“ (Salvini, Rede vor dem EU-Parlament, 13.4.2017)

Es ist daher äußerst besorgniserregend, in welche Richtung sich die Hälfte der öster­reichischen Bundesregierung entwickelt, ohne dass der Bundeskanzler aktiv dagegen auftritt. Die Äußerungen dieser neuen Allianz gehen jedoch nicht nur in Richtung EU-Feindlichkeit. Nein, sie sind vielmehr den Nationalsozialismus verharmlosend und fremdenfeindlich auf einem Niveau, das nur als verabschiedungswürdig betrachtet wer­den kann.

So führte Alexander Gauland, AfD, aus: „Hitler und die Nazis sei nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“

So auch Bernd Höcke, der in einem Interview ausführte, dass es ein Problem sei, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird, und dass es nicht so Schwarz und Weiß sei. Denn in der Geschichte gebe es kein Schwarz und kein Weiß, es gebe vielmehr viele Grautöne.

Der Gründer der rechten Allianz trat in der Vergangenheit mit folgenden Äußerungen an die Öffentlichkeit:

Salvini: „Wir brauchen eine Massen-Säuberung. Straße für Straße. Quartier für Quar­tier.“ Oder: „Wenn ich Minister werde lasse ich alle Migranten zurück an Afrikas Strän­de bringen, mit einem freundlichen Schulterklopfen, einem Päckchen Nüsse und einem Eis.“

Offen versprach er „eine kontrollierte ethnische Säuberung“.

Das sind also jene politischen Parteien, mit welchen die FPÖ in der nächsten Periode im Europaparlament eine enge politische Zusammenarbeit pflegen wird, eine Allianz, der wohl auch die Mitglieder der Bundesregierung, die der FPÖ angehören, verpflichtet sein werden. Damit bewegt sich die Republik Österreich, zumindest ein bedeutender Teil dieser Republik, in eine Politik der Schwächung bis hin zur Zerschlagung der Euro­päischen Union, der europäischen Grundwerte und Freiheiten hin zu einem Bekenntnis zum Nationalismus verbunden mit einer Skepsis gegenüber Ausländern, wenn nicht sogar zu einer Politik der Ausländerfeindlichkeit.

Dieser Befund wird nicht nur von Oppositionspolitikern geteilt, sondern sogar der lang­jährige ÖVP-Abgeordnete Ferdinand Maier führte in der Tiroler Tageszeitung am 12. Ap­ril 2019 aus:

„Es gibt viele Anzeichen dafür, dass wir auf dem Weg in die Dritte Republik sind“, be­findet Ferdinand Maier-mit Verweis auf Aussagen von FPÖ-Chef Jörg Haider in den 1990er-Jahren. „Als das damals öffentlich bekannt geworden ist, habe ich niemanden in der ÖVP getroffen, der gejubelt hat ob dieser Ideen. Nun wird das toleriert und ak­zeptiert. Man ist sukzessive weiter nach rechts gerückt.“


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Diesem Urteil ist wenig hinzuzufügen. Eines wird aber immer deutlicher: Auch andere europäische Länder betrachten diese Entwicklung Österreichs mit Skepsis. So häufen sich die Hinweise, dass unser Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung aus verschiedenen Gründen immer mehr von den Partnerdiensten abge­schnitten wird. Österreich bekommt Informationen nur mehr äußerst selektiv und ist sogar aus den Arbeitsgruppen des Berner Clubs, eine Vereinigung der europäischen Nachrichtendienste, ausgeschlossen. Eine Entwicklung, die gerade in Zeiten von Ter­rorbedrohungen von rechtsextremer, aber auch von islamistischer Seite her äußerst gefährlich ist. Die Österreicherinnen und Österreicher erhalten gegenwärtig nicht mehr den Schutz, den sie bisher gewohnt waren. Eine Gründung dieser rechten Allianz unter aktiver Mitwirkung einer österreichischen Regierungspartei wird diesen Trend noch ver­stärken, einen Trend der Ablehnung der Zusammenarbeit mit Österreich.

Neben diesen sicherheitspolitisch bedenklichen Entwicklungen wurde am 18. April 2019 der Index der Pressefreiheit veröffentlicht. Die Überschrift dieser Mitteilung lautete: Pressefreiheit in Österreich alarmierend verschlechtert. Die Menschenrechtsorganisa­tion Reporter ohne Grenzen hat die Republik Österreich in ihrer neuen Weltrangliste zur Lage der Medien binnen eines Jahres um 5 Plätze auf Rang 16 hinuntergestuft. Der Indexwert fiel von „gut“ in den Bereich „ausreichend“. Diese Entwicklung ist be­schämend und trägt die Handschrift der freiheitlichen Mitglieder der Bundesregierung, wieder unter Duldung durch Bundeskanzler Sebastian Kurz.

In der Begründung der Herabstufung Österreichs wurden der Angriff von Vizekanzler Heinz-Christian Strache gegenüber den ORF-Redakteur Armin Wolf (Vorwurf der Lü­ge), der Aufruf der RFJ der kritischen Standard-Redakteurin Colette Schmidt zu schrei­ben (samt Foto und Mailadresse der Journalistin), die interne Anordnung des Innenmi­nisteriums, kritischen Medien wie Falter, Standard und Kurier nur geringstmögliche In­formationen zur Verfügung zu stellen, sowie die Angriffe von FPÖ-Stiftungsräten und-Politikern auf den Ungarn-Korrespondenten des ORF Ernst Gelegs und Report-Chef Wolfgang Wagner genannt.

Auch zu diesen unglaublichen Entgleisungen haben weder Bundeskanzler Sebastian Kurz, noch der zuständige Medienminister Gernot Blümel Stellung bezogen, schon gar nicht diesen für die Republik Österreich blamablen Vorgängen widersprochen oder die eigentlich wirklich notwendigen personellen Maßnahmen eingeleitet. Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, nennt die Entwicklungen alarmie­rend. Aus unseren Nachbarländern wissen wir, wie leicht angreifbar scheinbar unan­greifbare Werte wie Pressefreiheit sind. Umso mehr müssen wir uns für sie einsetzen. Ich bin schockiert darüber, in welche Richtung sich die Pressefreiheit in einem Land wie Österreich entwickelt hat. Unabhängiger Journalismus ist die Basis jeder Demo­kratie und muss entsprechend verteidigt werden.

Konsequenz muss daher sein, dass die Bundesregierung sofort alle Maßnahmen set­zen muss, um das Vertrauen in die Existenz einer qualitativ hochwertigen Pressefrei­heit wiederzuerlangen. Auch hierfür trägt neben der Bundesregierung in ihrer Gesamt­heit Bundeskanzler Sebastian Kurz, aber auch sein Medienminister Gernot Blümel die Verantwortung. Diese Maßnahmen sind umgehend zu setzen, Ziel muss es sein, im Index der Pressefreiheit in Österreich 2020 einen Platz unter den ersten Zehn zu errei­chen.

Ein weiterer wesentlicher Faktor zur Aufrechterhaltung einer liberalen Demokratie und eines Rechtsstaates ist die Justiz. Der zuständige Bundesminister Josef Moser ruft seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit nach Hilfe, was die Finanzierung von Planstellen für Richter und Staatsanwälte betrifft. Das personelle Aushungern der Justiz ist ein weite­rer Hinweis darauf, dass unser liberaler Rechtsstaat und unsere liberale Demokratie in eine illiberale Richtung verändert werden. Genauso, wie es zu wenig Planstellen für die


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Bekämpfung des Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz und Ter­rorismusbekämpfung gibt, stehen auch zu wenige Staatsanwälte zur Verfügung, um beispielsweise Hass im Netz intensiv entgegenzutreten und zu bekämpfen. Anstatt Budgetmittel für Eigenwerbung, aufgeblähte Kabinette und Generalsekretariate oder Imagekampagnen durch Inseratenschaltungen (auch in rechtsextremen Medien) zu verwenden, sollten diese Mittel gezielt der Justiz zur Verfügung gestellt werden, um die Dauer der Verfahren deutlich zu verkürzen, aber auch die Bekämpfung von Hass im Netz intensiv und verdichtet zu führen. Denn Hass im Netz ist ein Umstand, der die Ge­sellschaft in Österreich spaltet und Solidarität und Gemeinsamkeit zerstört.

Die Vorgänge am letzten Wochenende, von der Veröffentlichung eines Rattengedich­tes durch die FPÖ-Braunau bis hin zum Teilen einer rechtsextremen Plattform im Internet durch den Vizekanzler, haben gezeigt, welche Priorität eine aktive Politik zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich gegenwärtig innehat. Mit diesem Rattengedicht eines FPÖ-Vizebürgermeisters einer Bezirkshauptstadt, welches sich an nazistischen Schmähschriften gegenüber Jüdinnen und Juden orientiert, wurde das in­ternationale Ansehen Österreichs wiederum auf das Spiel gestellt, die internationale Berichterstattung – von der BBC über die FAZ bis zur NY-Times – war für Österreich ein enormer Schaden. Es ist die rote Linie deutlich und mehrfach überschritten. Herr Bundeskanzler handeln sie endlich und entlassen Sie den Vizekanzler aus der Bun­desregierung, der maßgebliche Verantwortung für die freiheitliche Regierungsmann­schaft trägt.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage

1. Welche Ergebnisse brachte die Evaluierung des Extremismusreferates im Bundes­amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung?

2. Wann ist mit einer Aufstockung der personellen Ressourcen in diesem Referat zu rechnen, um gezielt und effektivextremistische Aktivitäten in Österreich zu bekämpfen, was offensichtlich bisher nicht gelungen ist?

3. Wann wird endlich wieder ein eigener Rechtsextremismusbericht jährlich erstellt, um der spezifischen Situation Österreichs aus seiner Geschichte heraus entsprechend ei­ne gezielte und effiziente Bekämpfung des Rechtsextremismus zu ermöglichen und die Österreicherinnen und Österreicher transparent darüber zu informieren?

4. Was brachten die Überprüfungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabi­netten und den Generalsekretariaten betreffend allfällige Nähen zu rechtsextremisti­schen Gedankengut und wie viele Personen wurden wegen Verbindungen zu rechts­extremistischen Bewegungen aus ihren Ämtern entfernt, wie dies von ihnen in der Be­antwortung der dringlichen Anfrage im Bundesrat angekündigt wurde?

5. Wer hat diese Überprüfungen wann und auf welche Art und Weise vorgenommen?

6. In der Beantwortung der dringlichen Anfrage im Bundesrat haben sie erklärt, dass sie gegen Inseratenschaltungen in rechts- und linksextremen Medien sind. Was hat die Bundesregierung bisher rechtlich und politisch unternommen, um solche Inseraten­schaltungen in Zukunft zu verhindern?

7. Welche europapolitischen Maßnahmen wird die Bundesregierung betreffend die Bil­dung der rechten Allianz durch Matteo Salvini hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung der Europäischen Union setzen?

8. Welchen Einfluss auf die Politik der Bundesregierung hat der Umstand, dass ihr Koalitionspartner aktiv an dieser Allianz beteiligt ist betreffend die Ausrichtung der ös­terreichischen Bundesregierung in Fragen betreffend die Zukunft Europas?


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9. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um den beschämenden Um­stand, dass Österreich in der Weltrangliste zur Lage der Medien um 5 Plätze auf Rang 16 heruntergestuft wurde, zu korrigieren und Österreich unter die Top 10 in die­sem Index zu bringen?

10. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um unabhängige Journalis­tinnen und Journalisten vor Angriffen aus der Politik insbesondere aus dem Kreise der Regierungsfraktionen zu schützen?

11. Wird die Bundesregierung im Gegensatz zur Vorgangsweise des Innenministeri­ums in Zukunft allen Journalistinnen und Journalisten den gleichen Zugang zu Informa­tionen gewährleisten?

12. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um den Rechtsstaat zu ga­rantieren und der Justiz die notwendigen Ressourcen insbesondere in personeller Hin­sicht zur Verfügung zu stellen, um einerseits Verfahren rasch zu erledigen, anderer­seits aber auch einen effizienten Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich zu leisten?

13. Wird die Bundesregierung dafür sorgen, dass ausreichend Planstellen (zum Bei­spiel in der Form von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften) zur Bekämpfung von Hass im Netz zur Verfügung stehen und durch welche Maßnahmen wird dies bis wann er­folgen?

14. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um das internationale Ansehen Ös­terreichs mittel- und langfristig wiederherzustellen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage dringlich zu behandeln.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Leichtfried als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Ge­schäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.


15.01.28

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf Ihnen am Anfang ein Zitat näherbringen:

Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen klar festgestellt, dass „die kompromisslose Ablehnung“ aller Formen „des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen“ Demokratie ist. Das gilt natürlich auch für 2019. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

Das hat der Bundeskanzler gesagt, an den die Anfrage eigentlich gerichtet ist. – Wo ist der Bundeskanzler? (Ruf bei der ÖVP: Na geh!) Wo ist er? (Abg. Wöginger: In China ist er, und du weißt das ganz genau! – Ruf bei der ÖVP: Ganz Österreich weiß das!) Er ist wieder nicht da, aber das ist man eh schon gewohnt.

Der Herr Bundeskanzler hat noch etwas gesagt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinerlei Platz in Kabinetten oder Büros der Bundesregierung haben. Sollte uns eine solche Tatsache bekannt wer­den, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen.

Das hat der Herr Bundeskanzler auch gesagt. Es wundert mich, dass Sie da nicht klat­schen zu dem, was der Bundeskanzler so sagt. (Abg. Zarits: Weil du es sagst!) Viel­leicht klatschen Sie aus einem ganz bestimmten Grund nicht, denn wenn man nur ein


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bisserl recherchiert, kommt man zu einer erstaunlichen Erkenntnis: Es gibt kaum ein freiheitliches Kabinett, in dem nicht jemand ist, der zumindest im Verdacht steht, rechtsextremistisch zu sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das genügt!)

Geschätzte Damen und Herren! Was ist mit diesem Grundkonsens, Herr Bundeskanz­ler? Was ist mit Konsequenzen, Herr Bundeskanzler? Wo ist Ihre Haltung in dieser Frage, Herr Bundeskanzler? Nichts als hohle Worte! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind ja nicht nur die Mitarbeiter. In den vergangenen Wochen waren wir Zeuge von Ereignissen, die mir aus demokratiepolitischer Sicht große Sorgen machen. Was ist in den vergangenen Wochen deutlich in der Öffentlichkeit zutage getreten? – Enge Ver­bindungen von FPÖ-Politikern zu rechtsextremen, antidemokratischen Netzwerken wie zum Beispiel den Identitären; ein EU-Spitzenkandidat, Herr Vilimsky, der einen Mode­rator, der ihm unangenehme Fragen stellt, hinauswerfen will (Widerspruch bei der ÖVP) – lesen Sie „Österreich“, da steht es! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ) –; ein Innenminister, der sich über das Recht stellt; ein Vizekanzler – Sie, Herr Vizekanzler! ‑, der eine Face­book-Seite bewirbt, die den Holocaust leugnet; und am Ostermontag dieses menschen­verachtende Rattengedicht als Ostergruß.

Ich frage: Was ist mit dieser Regierung? Was ist mit euch? Das kann doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Nach 15 Monaten schwarz-blauer Bundesregierung sind die Dämme in diesem Land gebrochen. (Abg. Rädler: Burgenland!) Es wurden immer mehr Verstrickungen der FPÖ mit Rechtsextremen an die Oberfläche gespült, die moralischen Dämme von Poli­tikern und Politikerinnen, insbesondere FPÖ-Politikern, reißen immer mehr ein und dro­hen einzustürzen.

Gegenwärtig, geschätzte Damen und Herren – denken Sie einmal darüber nach! –, stellt die Freiheitliche Partei Österreichs die Hälfte der Mitglieder der Bundesregierung und den Vizekanzler. Der Bundeskanzler – und es ist der Bundeskanzler, der dafür am Ende verantwortlich ist! – hat dieser FPÖ beide Sicherheitsressorts zugeteilt, die Nach­richtendienste und das Kommando über 86 000 bewaffnete Österreicherinnen und Ös­terreicher. Sebastian Kurz hat die FPÖ mit den höchsten bundespolitischen Ämtern versorgt. Es ist am Ende der Bundeskanzler, der hier die Verantwortung trägt und sich heute vor dieser Sitzung drückt, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Der Kanzler ist entschuldigt! Das geht so nicht! So geht das nicht!)

Und alles, was man hört, sind nur leere Worte, Worthülsen. (Abg. Wöginger: Er ist ent­schuldigt! Die Geschäftsordnung gilt auch für die SPÖ!) – Herr Klubobmann Wöginger! (Abg. Wöginger: Nein, da tut es sich wirklich einmal!) Der Kalender des Nationalrates dürfte dem Bundeskanzler mindestens schon seit einem Jahr bekannt sein. Und wenn er jedes Mal, wenn das Parlament tagt, irgendwo anders ist, ist das seine Verantwor­tung (Abg. Wöginger: Das ist ja nicht wahr!), und daran sieht man auch, wie ernst er dieses Parlament nimmt! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Es ist bei leeren Ankündigungen geblieben. Ja, ein Vizebürgermeister ist irgendwo zu­rückgetreten – großartig, großartige Leistung! Aber das war es auch schon. Die wirkli­chen Konsequenzen bleiben aus. Was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihren Kabinetten, Herr Vizekanzler? Was ist mit denen? Sind die noch immer dort? Ich frage Sie: Sind die noch immer dort? – Ja, sie sind noch immer dort! (Abg. Rosen­kranz: Weil es keine Rechtsextremen sind!) Keinerlei Konsequenzen hat es gegeben, keinerlei Konsequenzen! Und das ist eine Gefahr für die Demokratie im Land, für die Sicherheit im Land und für die Österreicherinnen und Österreicher, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und was macht die FPÖ? Was macht ihr? – Ihr sitzt da und ignoriert die ÖVP, ihr igno­riert den Bundeskanzler. Ja, wenn sie sich das gefallen lassen, ist das ihre Sache. Und


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die Regierungsmitglieder der FPÖ sprechen weiter auf rechtsextremen Veranstaltun­gen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind weiter in den Regierungsbüros, und die FPÖ-Minister finanzieren weiter rechtsextreme Zeitungen, geschätzte Damen und Her­ren! Das ist das, was de facto in unserem Land passiert, und das ist das, was die gro­ße Gefahr für dieses Land ist, für unser Österreich!

Allein diese Einblicke zeigen, ihr seid ein Risiko für unser Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erleben, dass die Grenzen des politischen und menschlichen Anstands in Öster­reich laufend ohne Konsequenzen überschritten werden – und damit diese Grenzen auch immer weiter verschoben werden. Ich fordere Sie alle auf, und es ist mir bitter­ernst damit: Es muss in unserem Land demokratischer Grundkonsens bleiben, dass Menschen nicht herabgesetzt, nicht beleidigt und nicht gedemütigt werden dürfen! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie, Sie von der ÖVP: Was muss noch passieren, dass es Konsequenzen gibt? Fakt ist leider, dass der Bundeskanzler nicht willens oder nicht in der Lage zu sein scheint, diese Entwicklung zu stoppen. Beides ist höchst gefährlich. Deshalb ha­ben wir uns auch an den Bundespräsidenten gewandt, und er hat im Gegensatz zum Bundeskanzler reagiert. Er hat den Herrn Vizekanzler zu sich zitiert. Er hat nicht weg­gesehen.

Es ist aber auch wichtig, geschätzte Damen und Herren, vor allem jene, die uns zuse­hen, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehen, dass dieses Parlament, die­ses Hohe Haus, das die wichtigste Institution eines demokratischen Staates ist, solche Entwicklungen nicht hinnimmt. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

Deshalb haben wir auch diese Dringliche Anfrage eingebracht und deshalb fordern wir dazu auf, Rechtsextremismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Deshalb fordern wir auch ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, zur liberalen Demokratie, zum Rechtsstaat, und, geschätzte Damen und Herren, der Bundeskanzler wird aufgefordert, endlich die Frage zu beantworten – jetzt tut er sich schwer, weil er nicht hier ist; jetzt müssen Sie das machen, Herr Strache, was natürlich ein bisschen schwierig ist, aber Sie kriegen das schon hin –, welche konkreten Handlungen er setzt, um gegen den Rechtsextremismus in Österreich und die Verstrickungen seiner Regierung in rechts­extremen, antidemokratischen Gruppen und Netzwerken vorzugehen.

Ich bin der Überzeugung, dass die FPÖ zu viele dieser Chancen, die sie auch gehabt hat, verspielt hat (Abg. Gudenus: Im Burgenland vor allem!): ein Vizekanzler, der In­halte einer Webseite teilt, die den Holocaust leugnet – Herr Strache, das ist nicht trag­bar, das sage ich Ihnen ganz offen; und Sie teilen sie nicht nur, Sie bewerben sie da­durch und machen sie einer noch größeren Gruppe von Menschen zugänglich –, In­halte, die uns an eine Zeit erinnern, von der hoffentlich wir alle hoffen, dass sie nie wie­derkommt.

Herr Strache, Sie sind nicht irgendjemand. Sie sind der Vizekanzler dieser Republik, Sie sind der FPÖ-Parteiobmann, Sie sind für die FPÖ-Ministerinnen und FPÖ-Minister verantwortlich, und Sie können und dürfen sich nicht aus dieser Verantwortung stehlen. Und wenn der Bundeskanzler nicht in der Lage ist, diese Verantwortung wahrzuneh­men, müssen wir Sie, Herr Strache, parlamentarisch zur Rechenschaft ziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Für die Sozialdemokratie ist das Maß voll. Aus unserer Sicht sind Sie für die Republik, für unsere Heimat in dieser Funktion nicht mehr tragbar. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Gudenus.)

Wir stellen heute einen Misstrauensantrag gegen Sie, Herr Strache, und die ÖVP wird die Möglichkeit haben, zu zeigen, wie sie zum Verfassungskonsens steht, wie sie zu


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Konsequenzen steht und wie sie zu Haltung steht. Das wird sich heute zeigen, ge­schätzte Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten von JETZT. – Abg. Wöginger: Zur Geschäftsbehandlung!)

15.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülergruppe aus dem Gymnasium in Eisenstadt und die Schülergruppe der Handelsschule in Oberpullendorf herzlich be­grüßen. Herzlich willkommen hier bei uns im Hohen Haus! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. – Abg. Wöginger: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung!)

*****

Herr Klubobmann Wöginger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.13.08

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Klubobmann-Stellvertreter Leichtfried hat mehrmals in seiner Rede darauf hingewiesen, dass der Bundeskanzler heute nicht anwesend ist.

Ich halte fest: Der Bundeskanzler ist ordnungsgemäß schriftlich für beide Plenartage entschuldigt, weil er auf einer Auslandsreise in China ist.

Des Weiteren halte ich fest, dass der Bundeskanzler von den letzten zwölf National­ratssitzungen bei sechs anwesend war, zweimal war er entschuldigt (Abg. Wittmann: Aber heute ist er nicht anwesend!), und eine dieser Entschuldigungen war, weil er das Holocaust-Denkmal in Maly Trostinec mit eingeweiht hat. – Ich halte es für notwendig, das zu Protokoll zu geben.

Herr Klubobmannstellvertreter Leichtfried, nehmen Sie Abstand davon, es zu kritisie­ren, wenn der Bundeskanzler auf Auslandsreise und ordnungsgemäß entschuldigt ist! Es hat auch SPÖ-Bundeskanzler gegeben, die auf Auslandsreise waren, und es hat keine Fraktion gegeben, die das kritisiert hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr stellvertretender Klubobmann Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.14.20

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Klubobmann Wöginger! Ich verstehe die Aufregung jetzt nicht ganz. Mir ist bekannt, dass der Herr Bundeskanzler heute entschuldigt ist. (Abg. Wöginger: Wieso fragst du dann, wo er ist? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist nur auffällig, dass der Herr Bundeskanzler dann, wenn es ernst wird, dieses Haus meidet. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zeigt, was für eine Einstellung er zur parlamentarischen Demokratie hat, und darauf wollte ich aufmerksam machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Ernst wird es, wenn es dir einfällt, oder wie? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.14

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. – Bitte.



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15.15.08

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Ab­geordnete! Werte Gäste auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Ich möchte mich vorerst bei der SPÖ dafür bedanken, dass sie mir heute die Gelegenheit gibt, einige Dinge klar- und richtigzustellen.

Die Dringliche Anfrage haben Sie, Herr Abgeordneter Leichtfried, an den Herrn Bun­deskanzler gerichtet, den ich heute verfassungsgemäß vertrete. Und natürlich ist es auch ein bisschen ein durchschaubares Manöver vor der Wahl zum Europäischen Par­lament, denn natürlich war Ihnen bekannt, dass der Herr Bundeskanzler seit längerer Zeit eine für Österreich durchaus wichtige Auslandsreise, nämlich nach China, geplant und fixiert hat. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Es war daher nicht unbekannt, dass er heute nicht hier sein wird. So gesehen ist das auch nicht überraschend. Und natürlich verstehe ich, dass Klubobmann Wöginger das kritisiert, wenn man hier überrascht tut (Abg. Leichtfried: Der Parlamentskalender war dem Bundeskanzler schon länger be­kannt!) oder das sozusagen zu einem Vorwurf erhebt.

Bevor ich Ihre Fragen beantworte, möchte ich einige grundsätzlichen Dinge festhalten. Niemand in dieser Regierung und auch niemand von den beiden Regierungsparteien will die Demokratie schwächen – niemand! Niemand will die Europäische Union zerstö­ren – weil auch das in der Begründung Ihrer Dringlichen Anfrage heute zu lesen ist. Niemand unterstützt Extremismus (Ruf: Geh, geh, geh!), nämlich weder Rechtsextre­mismus noch Linksextremismus, auch nicht Extremismus, der sich vielleicht hinter dem Mantel einer Religionsgemeinschaft versteckt. So gesehen sind Ihre Unterstellungen haltlos. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Wann immer es um Verhetzung oder Antisemitismus oder nationalsozialistische Wie­derbetätigung geht, haben wir sehr, sehr klare Linien, wir haben sehr, sehr klare und deutliche Gesetze, und da greift der Rechtsstaat auch ein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dort habe ich auch immer sehr, sehr klare Linien gezogen, weil das in unserer Demo­kratie keinen Platz hat und auch nicht zu tolerieren ist. Ich habe das mehrfach betont, und ich ziehe auch überall dort, wo diese Linien überschritten werden, wenn das in meinem Zuständigkeitsbereich liegt, klare Konsequenzen.

Sie können sich in Ihrer Anfrage seitenweise, was Sie ja tun, auf die Identitären bezie­hen, Sie müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass wir Freiheitlichen und die Freiheitli­che Partei mit diesem Verein organisatorisch und strukturell nichts zu tun haben und vor über einem Jahr darüber hinaus auch einen verbindlichen Beschluss, einen Vor­standsbeschluss gefasst haben, mit dem wir diese Abgrenzung auch deutlich gemacht haben, nämlich dass eine Mitgliedschaft bei den Identitären unvereinbar mit einer Funktion in der FPÖ ist. In manchen Bundesländern liegt der entsprechende Beschluss sogar länger zurück.

Wir sind definitiv nicht für Aussagen von Vereinen oder Personen verantwortlich, auch nicht für Aktionen, die nichts mit der Freiheitlichen Partei zu tun haben, und lassen uns da auch nicht in Geiselhaft nehmen, Herr Abgeordneter.

Und ja, ich bin sehr wohl der Meinung, dass diese Gruppierung beobachtet werden muss, so wie alle Verbindungen oder Vereine, bei denen es den Verdacht auf Extre­mismus geben kann, natürlich beobachtet werden sollen, gleich ob links, rechts oder religiös motiviert, weil es auch die Aufgabe des Staates ist, dort zu prüfen, wo es kon­krete Verdachtsmomente gibt.

Was unsere europäischen Bündnispartner betrifft, so haben Sie hier in üblicher Manier Zitate aus dem Zusammenhang gerissen oder auch verzerrt dargestellt und Nebensät­ze ins Monströse aufgeblasen. Ich sage, das richtet sich von selbst. Dass es ange-


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sichts der Wahlen zum Europäischen Parlament natürlich Nervosität gibt, das liegt schon auf dem Tisch, denn natürlich gibt es Umfragen und natürlich gibt es auch Ent­wicklungen, im Rahmen derer bisher schon bestehende Fraktionen miteinander in Ge­spräche getreten sind und sich abzeichnet, dass in Zukunft vielleicht aus drei bisheri­gen europäischen Freiheitsfraktionen eine gemeinsame große entstehen kann. Dass es deshalb Aufregung gibt, das kann ich schon nachvollziehen; noch dazu, wenn die sozialistische Fraktion auf europäischer Ebene laut Umfragen nicht gerade zulegt, son­dern eher abbaut.

Noch einmal: Niemand will die Europäische Union zerstören. Es gibt natürlich massi­ven Reformbedarf in der Europäischen Union – das werden ja hoffentlich nicht einmal Sie selbst, Herr Abgeordneter Leichtfried, leugnen (Zwischenruf des Abg. Wittmann), denn Sie müssten wirklich betriebsblind sein, wenn Sie meinen, es sei auf Ebene der Europäischen Union alles bestens und in Ordnung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Gerade der Brexit hat in den letzten Monaten auch einiges aufgezeigt, nämlich dass es da eine Entwicklung gibt, die insgesamt nicht erfreulich ist, eine unendliche Geschich­te, die uns eigentlich Warnung sein sollte, aber diese Warnung verstehen vielleicht nicht alle. Es ist weiterhin in manchen Bereichen ein more of the same der Fall, und das ist kein zukunftsfähiges Modell. Wenn man so weitermacht wie bisher, dann wird mit dieser falschen Entwicklung in der Europäischen Union natürlich ein Schaden an­gerichtet, und genau darum geht es: dass man diese Fehlentwicklungen aufzeigt und korrigiert.

Gerade dann, wenn man für ein Friedensprojekt Europa eintritt, muss man Fehlent­wicklungen der Europäischen Union kritisieren und auch zu einer Verbesserung der Struktur beitragen, damit die Akzeptanz für dieses Projekt bei den europäischen Völ­kern wieder steigt und nicht weiter sinkt.

Auch die Pressefreiheit ist mitnichten bedroht, Herr Abgeordneter, ebenso wenig wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die Zusammenarbeit zwischen den Nachrichten­diensten; auch diese ist nicht bedroht.

Und was dieses berüchtigte und – ja, ich sage es so – fürchterliche Gedicht mit Ver­gleichen, die nicht passend und die geschmacklos sind, betrifft, kann ich sagen, da wurden auch unverzüglich die Konsequenzen gezogen.

Insgesamt bieten Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage schon ein Sammelsurium an diver­sen ideologisch motivierten Weltuntergangsfantasien, die von der Realität nicht be­stätigt werden können. Das, was Sie hier betreiben, ist das klassische Denken, das oftmals in einer gewissen sozialen Blase und in einer Echokammer vorhanden ist und im Rahmen dessen man Ängste schürt und offenbar auch versucht, zur Spaltung bei­zutragen. Sie schüren Ängste mit Un- oder teilweise auch Teilwahrheiten – etwas, was Sie bei anderen in der Vergangenheit immer verurteilt haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ihre Parteivorsitzende, Frau Dr. Pamela Rendi-Wagner, hat unlängst gesagt: „Wir wer­den alle demokratischen Mittel ausnützen, wenn Respekt und Anstand verloren gehen und die Demokratie in Gefahr gerät.“ – So das Zitat.

An diese Aussage – diesen Eindruck muss man haben – haben Sie sich beim Verfas­sen dieser Anfrage nicht erinnert und auch nicht gehalten, denn die Fülle von Vorwür­fen, die darin enthalten sind, und die Inszenierungen, die da vorhanden sind, sind na­türlich polemisch. Sie haben da offenbar viel aus der Vergangenheit in Ihrer Partei fort­gesetzt, was unter Kern, aber auch Silberstein leider Gottes traurige Realität gewesen ist.


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Ich habe vor zwei Tagen mit dem Herrn Bundespräsidenten ein Gespräch geführt – das hat der Herr Abgeordnete angesprochen –, aber das war kein Hinzitieren, sondern das war der übliche monatliche Gesprächstermin, den wir haben, um uns auszutau­schen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Im Zuge dieses Gesprächs, dieses Austausches – ja, selbstverständlich, denn jeder Verantwortungsträger hat das selbstverständlich zu tun – haben wir auch festgehalten, dass gerade politische Verantwortungsträger und im Besonderen Regierungsvertreter Verantwortung tragen, wenn es darum geht, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, der natürlich wichtig ist, nicht gefährdet wird, und wenn es darum geht, dass es um ein Klima des Respekts geht. Bei Ihrer In­szenierung vermisse ich diese Haltung; Sie fordern sie ein, aber leben Sie im Rahmen dieser Inszenierung nicht wirklich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie betreiben Silberstein hoch zwei – und das sind genau die, ich sage, ja, üblen Me­thoden, mit denen Sie schon 2017 gescheitert sind und die Ihnen jetzt auch nicht hel­fen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Sehr geehrte Frau Parteivorsitzende, Sie haben ja auch einen offenen Brief an den Herrn Bundespräsidenten geschrieben. Darin halten Sie einiges fest. Sie schreiben etwa, dass Sie zahlreiche Vorkommnisse durchaus mit Bedauern und mit einer gewissen Kritik zur Kenntnis nehmen, aber auch wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Vorkommnisse erlebt, die wir kritisiert ha­ben, Vorkommnisse in Ihrer Partei, Vorkommnisse, die Ihre Partei mit zu verantworten hatte, die wir aber mit großer Sorge und auch mit Bedauern gesehen haben.

Wir haben da in der Vergangenheit einige Entwicklungen erlebt – ob das jetzt das poli­tische Versagen in manchen Bereichen gewesen ist oder Chaos, Stillstand und Streit und auch die Belastungspolitik und Schuldenpolitik auf dem Rücken der Menschen; das Land wurde da und dort durchaus in Krisenszenarien hineingeführt –, angesichts derer man sagen muss, wir haben diese zum Glück korrigiert. Wir haben aber erleben müssen, dass die Grenzen der konstruktiven Kritik bei Ihnen da enden, wo eine andere Meinung anfängt, und alles, was nicht Ihrer Meinung entspricht, wird automatisch in Richtung Extremismus verunglimpft. Das ist einfach nicht redlich, und das muss man konsequent zurückweisen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben in Ihrem offenen Brief auch das Wort gemeinsam sehr betont. Gemeinsam – ein Wort, das natürlich auch für Sie wichtig ist, aber auch in der SPÖ-Parteizentrale groß angebracht werden sollte, denn nur gemeinsam kann man gute Politik machen, und gemeinsam ist nicht die Synthese von gemein und einsam.

Antworten Sie bitte nicht mit einer falschen Moral und auch nicht mit permanenter künstlicher Aufregung bei allem, was nicht Ihrer eigenen Meinung entspricht. Es gibt zum Glück Vielfalt, Pluralität und gerade in einer Demokratie unterschiedliche Meinun­gen – ob sie Ihnen allen gefallen, ist eine andere Frage, aber das macht gerade die Breite einer demokratischen Gesellschaft aus. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dort, wo Extremismus beginnt, sollten wir alle im Sinne des demokratiepolitischen Grundkonsenses auch unserer Verfassung gemeinsam vehement dagegenhalten – aber ich sage, gerade dort, wo Extremismus und Gewalt auch wirklich evident sind und nicht in einer verzerrten Darstellung, wo man den Eindruck hat, dass Sie aus parteipoli­tischer Motivation grundsätzlich versuchen, Andersdenkende in solch eine Ecke zu stellen, wo sie nicht hingehören. Das ist etwas, was sich auch die 26 Prozent der öster­reichischen Wählerinnen und Wähler, die der Freiheitlichen Partei ihr Vertrauen ge­schenkt haben, nicht nur nicht verdienen, sondern was diese auch zu Recht empört, wenn man das so betreibt, wie Sie das tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Gerade dann, wenn es um solch wesentliche Themen des österreichischen demokrati­schen Grundkonsenses geht, sollte man besonders sachlich sein und nicht mit fal-


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schen Behauptungen Zwietracht und Verunsicherung säen, denn das ist ein Zustand, der teilweise wirklich untragbar ist und der im wahrsten Sinne des Wortes den Begriff bemüht, der heute auch schon von Ihrer Parteivorsitzenden in den Mund genommen wurde: Da geht es um Hetze, und genau die hat in unserer Gesellschaft nichts verloren.

Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass es mit Ihrer Parteivorsitzenden zu einer Verbesse­rung bezüglich dieser Haltung in Ihrer Partei kommen werde. Diese Hoffnung ist aber leider Gottes enttäuscht worden, denn man muss wirklich wahrnehmen, dass es ein­fach die Fortsetzung des Kurses unter Ihrem ehemaligen Parteichef Kern ist.

In mir werden Sie immer einen Politiker haben, der natürlich für gelebte Demokratie, für Menschenrechte, für Anstand und Respekt einsteht, Frau Rendi-Wagner, und ich bin gerne bereit, dann, wenn es um diese Werte geht, jederzeit die Hand auszustrecken, aber das sollte dann auch ehrlich gemeint sein. Ich würde mich freuen, wenn wir in dieser Haltung gemeinsam für Österreich arbeiten könnten. Unterschiede in politischen Ansichten sollten eben nicht in Diffamierung, Dirty Campaigning oder Frontalopposition münden, wie das teilweise auch bei Ihnen der Fall ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Beantwortung Ihrer Fragen komme, noch Folgendes: Herr Abgeordneter Leichtfried, Sie haben in Ihrer Rede dar­gestellt, dass ich Inhalte einer Webseite geteilt haben soll, wo der Holocaust geleugnet wird. Herr Abgeordneter Leichtfried, gerade das ist ein solches Beispiel! Ich habe keine Inhalte geteilt, wo der Holocaust geleugnet wurde, und ich weise das auf das Schärfste zurück. Da wird es wirklich unappetitlich, denn da handelt es sich um das schlimmste Menschheitsverbrechen, um einen gezielten, industriellen Massenmord an Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Religion, und das ist ein Wahnsinn, der hoffentlich von allen verurteilt wird. Gerade in dieser Sache sollten Sie besonders sachlich und redlich sein (Beifall bei FPÖ und ÖVP) und nicht in dieser Art und Weise Verquickungen dar­stellen, die eben ausdrücklich nicht der Realität entsprechen. (Abg. Kuntzl: Was haben Sie dann geteilt?)

Ich komme zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt eine Evaluierung des gesamten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Diese Evaluierung umfasst eine de­taillierte Analyse aller Aufgabenbereiche sowie deren ressourcenmäßiger Ausstattung. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse werden entsprechende organisatorische und ressourcentechnische Maßnahmen gesetzt werden.

Die Ressourcen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, aber auch im Bereich der Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung wurden in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund der stetig steigenden Aufgabenstellungen sukzessive und deutlich erhöht. Die derzeit beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung verfügbaren personellen und techni­schen Ressourcen ermöglichen jedenfalls eine umfassende und zeitnahe Bearbeitung aller gestellten Aufgaben.

Zur Frage 3:

Die Bundesregierung kämpft gegen jegliche Form des Extremismus, und zwar unab­hängig davon, ob es sich dabei um Linksextremismus, Rechtsextremismus oder einen religiös motivierten Extremismus handelt. Die Bundesregierung legt jährlich den Ver­fassungsschutzbericht vor, der alle staatsschutzrelevanten Aspekte umfassend be­trachtet und auch all die Elemente des Extremismus, die es in unserer Gesellschaft gibt, entsprechend darlegt. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass alle Formen des Ex­tremismus ohne Einschränkung entsprechend beleuchtet werden. Jeder Extremismus


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ist gleich mies, daher ist da nicht zu differenzieren. Ich sage, das ist auch unsere klare Haltung.

Zu den Fragen 4 und 5:

Wie der Herr Bundeskanzler bereits in der letzten Bundesratssitzung ausgeführt hat, haben Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu keinen Platz in den Kabinetten oder Büros der Bundesregierung. Sollte uns – Sie stellen das ja immer wieder in den Raum, ohne aber irgendeinen Namen oder einen Beleg zu nennen – irgendwo eine Tatsache bekannt werden, werden wir selbstverständlich umgehend entsprechende Konsequenzen ziehen. Im Übrigen wird, Bezug nehmend auf die Anregung, eine Sicherheitsüberprüfung für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten von Ministerien zu beantragen, die Zugang zu vertraulichen Informationen haben, darauf verwiesen, dass eine solche standardmäßig erfolgt und natürlich auch vorgenommen wurde. So gesehen hätte das auch dort schon sichtbar werden müssen – das ist aus­drücklich nicht der Fall.

Zur Frage 6:

Wie der Herr Bundeskanzler ebenfalls bereits im Bundesrat erörtert hat, ist die Verga­be von Inseraten Entscheidung der einzelnen Ressorts. Schaltungen in extremisti­schen Publikationen lehnen wir als Bundesregierung ab. (Ruf bei der SPÖ: Warum gibt’s das dann? – Abg. Leichtfried: Warum machen Sie es dann?) – Wenn Sie einen Zwischenruf machen, dann gehe ich gerne darauf ein: Nicht jedes Medium, das Ihrer Gesinnung nicht entspricht, ist extremistisch. Auch das muss man einmal festhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Gerade die Presse- und Medienfreiheit ist Ihnen hoffentlich wirklich heilig (Abg. Leicht­fried: Ja! Dem Herrn Vilimsky auch? Oder?), und nicht nur dort, wo es sich um ein Me­dium handelt, das Ihrer Gesinnung entspricht.

Zu den Fragen 7 und 8:

Auf europäischer Ebene konnten unter dem österreichischen Ratsvorsitz verschie­denste Maßnahmen gesetzt werden, die jegliche Form von Extremismus verurteilt ha­ben und auch gegen jede Form von Extremismus gerichtet waren. Beispielsweise konnte eine Einigung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Onlineinhalte er­reicht werden. Es ist uns ebenfalls gelungen, den gemeinsamen Kampf und die ent­schlossene Vorgehensweise gegen jede Form von Antisemitismus zu stärken. Dieser Fortschritt wurde durch eine Erklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats im Dezember 2018 auch manifestiert.

Die Institution des Europäischen Parlaments verkörpert die europäische liberale Demo­kratie und somit die demokratische Legitimität in der Europäischen Union. Es gilt da­her, demokratisch gewählten Parteien auch frei zu überlassen, sich im Europäischen Parlament in Fraktionen zusammenzuschließen. Dieser demokratische Prozess bildet einen wesentlichen Grundpfeiler unserer demokratischen Wertestruktur, die Sie hof­fentlich nicht infrage stellen.

Zu den Fragen 9 und 10:

Die Pressefreiheit ist in Österreich als Grundrecht verfassungsrechtlich verankert und stellt damit eine wesentliche Basis natürlich für unsere Demokratie und selbstver­ständlich auch insbesondere für unsere Politik dar. Pressefreiheit basiert auf der Mei­nungsfreiheit und gehört zu den höchsten Gütern der Demokratie. Es gehört zu unse­ren Pflichten als Demokraten, die freie Meinungsäußerung – ja, die passt einem viel­leicht nicht immer – selbstverständlich nicht nur zu schützen und hochzuhalten, son­dern es auch anzuprangern, wenn diese Freiheit Gefahr läuft, angegriffen zu werden.


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Und natürlich ist Kritik immer legitim, das macht das Wesen einer Demokratie aus. Da­für treten wir als Bundesregierung ein und haben etwa journalistische Arbeit bei der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung explizit ausgenommen. Damit haben wir nicht nur klargestellt, dass an der Pressefreiheit nicht zu rütteln und jede Einschrän­kung inakzeptabel ist, wir haben damit vielmehr eine nachhaltige Maßnahme zur Stär­kung der Presse- und Medienfreiheit gesetzt.

Zur Frage 11:

Die Bundesregierung wird, wie dies selbstverständlich auch durch das Bundesminis­terium für Inneres geschieht, alle Journalistinnen und Journalisten in bewährter Weise servicieren und ihre rechtlich vorgesehene Auskunftspflicht allen Medien und der inter­essierten Öffentlichkeit gegenüber erfüllen.

Zu den Fragen 12 und 13:

Schon jetzt wird auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hass im Netz be­sonderes Augenmerk gelegt. Dass die Justiz sehr effektiv gegen alle Formen des Ex­tremismus, aber insbesondere auch im Bereich von Verhetzung und Wiederbetätigung vorgeht, belegen die steigenden Anfalls- und Erledigungszahlen.

Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der wirkungsvollen Bekämpfung extremisti­scher Straftaten wurden in den letzten Jahren richterliche und staatsanwaltliche Plan­stellen nicht nur nicht eingespart, sondern darüber hinaus sogar sukzessive vermehrt.

Ungeachtet dessen wird die Bundesregierung auch weiter unter Wahrung der Budget­ziele dafür Sorge tragen, dass den Staatsanwaltschaften die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen und die gestiegenen Herausforderungen, insbeson­dere auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung und des Cybercrime, rasch und qua­litätsvoll bewältigt werden können.

Zur Frage 14:

Österreich genießt international ein ausgezeichnetes Ansehen, und wir sind fester Be­standteil der internationalen Gemeinschaft mit einem klaren Bekenntnis zum Multilate­ralismus. Dies hat insbesondere der vergangene Vorsitz im Rat der Europäischen Uni­on gezeigt. Österreich konnte in der zweiten Jahreshälfte 2018 die Europäische Union positiv mitgestalten und auch wichtige Themen auf den Weg bringen, und die gute Ar­beit wurde – auch wenn das vielleicht den einen oder anderen nicht interessiert – auch insbesondere vom Kommissionspräsidenten Juncker und auch vom Ratspräsidenten Tusk gelobt.

Österreich ist auch Standort vieler internationaler Organisationen. Unter anderem ha­ben die Vereinten Nationen hier in Wien einen ihrer vier Sitze, und kürzlich wurde zu­dem auch der Ausbau wichtiger internationaler Organisationen am Standort Wien be­kannt gegeben. Österreich wird auch zukünftig natürlich ein wichtiger Brückenbauer auf europäischer und internationaler Ebene sein. Ich glaube, wir sind daher alle gut be­raten, unser gutes Image im Ausland nicht anzupatzen. Das hat schon in der Vergan­genheit ganz, ganz schlecht auf die österreichische Bevölkerung gewirkt. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Sie ken­nen den Brauch: jede Fraktion 25 Minuten, jeder Redner 10 Minuten.

Als Erste ist Frau Klubobfrau Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.38.53

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen


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und Herren! Herr Vizekanzler, wenn Sie heute hier zum Thema Brexit Stellung bezie­hen und sich quasi als der Supereuropäer und Verteidiger der Europäischen Union ge­ben, darf ich Sie an etwas erinnern, und zwar an Ihre eigene Presseaussendung vom 26. Juni 2016. (Abg. Wöginger: Das ist drei Jahre aus!) In dieser haben Sie Folgendes geschrieben:

„Wir gratulieren den Briten zu ihrer wiedererlangten Souveränität. Das Ergebnis ihres gestrigen Referendums ist eine Weichenstellung für die Demokratie [...]“ (Abg. Leicht­fried: Da schau her!)

Ich könnte jetzt mit zahlreichen Interviewaussagen Ihres Spitzenkandidaten Vilimsky fortsetzen, in denen er unter anderem am 20. Februar 2016 von der EU Besserstellun­gen Österreichs forderte und Folgendes sagte:

„Wenn nicht, wäre es ratsam, auch ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, quasi den Öxit, anzudenken.“ – So weit mit Ihrer Liebe und Ihrem Bekenntnis zur Europäischen Union, Herr Vizekanzler. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist Ihnen alles bekannt! Michael Köhlmeier warnte vor genau einem Jahr in seiner viel beachteten Rede in folgenden Worten: „Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, nie, sondern mit vielen kleinen [...]“. – Es sind genau diese kleinen Schritte, die Ihre Freiheitliche Partei jetzt schon fast täglich als sogenannte Missverständnisse, Ausrutscher (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT), als Einzelfälle abtut, und mit diesen kleinen Schritten werden laufend Grenzen überschritten.

Diese laufende Grenzüberschreitung hat nur ein Ziel, nämlich Grenzen zu verschieben, Grenzen neu zu setzen. Es sind die Grenzen des politischen und moralischen Anstan­des, die hier von Ihnen neu gesetzt werden, die immer weiter und weiter, Stück für Stück verschoben werden.

Ja, und wenn wir genau hinschauen, dann merken wir über die laufenden Monate auch eines: Diese Schritte werden größer. Diese Schritte und Stücke der Grenzverschie­bung werden dabei immer lauter, und das zeigt die Gefahr dabei: Es zeigt die Gefahr der schleichenden Gewöhnung, die Gewöhnung an neue moralische Grenzen. Das ist das wirklich Gefährliche, sehr geehrte Damen und Herren, und das ist das wahre Ziel. Für uns ist klar: An diese Grenzüberschreitungen kann und darf sich die Politik, kann und darf sich die Gesellschaft niemals gewöhnen! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

Die Frage ist nur – und das ist die entscheidende Frage –: Wer trägt da die Verant­wortung? – Das Bundes-Verfassungsgesetz lässt daran keinen Zweifel: Der Bundes­kanzler schlägt die Bundesregierung vor. Der Bundeskanzler kann einzelne Mitglieder der Bundesregierung entlassen. Er trägt die Verantwortung für die Handlungen der Mitglieder der Bundesregierung. Er trägt auch die Verantwortung für die Achtung und Wahrung des demokratischen Grundkonsenses.

Wie geht der Bundeskanzler unserer Republik mit dieser Verantwortung um? Genau diese Frage ist der Maßstab, an dem man ihn messen wird, und die Maßzahlen hei­ßen: Mut, Haltung und Durchsetzungskraft. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber haben wir bisher dazu gesehen? – Es sind verbale Appelle des Kanzlers, die so gut wie ungehört blieben, die im luftleeren Raum verhallt sind. Heute zieht der Kanz­ler sogenannte rote Linien, morgen werden genau diese wieder überschritten. Die FPÖ ignoriert quasi die Worte des Bundeskanzlers, ja noch mehr: Sie ignoriert sie nicht einmal, sie macht weiter wie bisher – eine Grenzüberschreitung hier und eine Grenz­überschreitung dort.

Das ist das, was sich vor allem auch im Umgang mit den Medien und den Journalis­tinnen und Journalisten dieses Landes tagtäglich zeigt, wenn man etwa beim „ZIB 2“-


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Interview Harald Vilimskys vor laufender Kamera hört, dass dieser droht, dass ein In­terview nicht ohne Folgen bleiben wird, und tags darauf noch eines drauflegt und meint: „Wäre ich Generaldirektor, dann würde ich Armin Wolf vor die Tür setzen.“ (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Ja, dann gibt es auch noch einen FPÖ-Stiftungsrat Steger, der ein ORF-Interview als „pervers“ bezeichnet, und wir haben einen FPÖ-Vizekanzler, der auf Facebook postet: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.“ (Abg. Bösch: Meinungsfreiheit!) Ja, dahinter steckt eine klare Strategie, sehr geehrte Damen und Herren: die Strategie der Freiheitlichen Partei Österreichs.

Das hat der oberösterreichische Landesrat Podgorschek bei einer Rede vor der AfD kürzlich klargemacht, und es könnte nicht besser zusammengefasst werden. Ich zitie­re: „Was wir unbedingt durchführen müssen, ist eine Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisie­rung vorgeworfen wird. Das müssen wir durchziehen.“ – Ihr FPÖ-Parteikollege. (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich! Unglaublich! – Abg. Scherak: Er sagt es wenigstens! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ja, das alles hat ein Ausmaß erreicht, sehr geehrte Damen und Herren, bei dem alle Alarmglocken läuten müssten. Freie Medien, freie Journalistinnen und Journalisten sind ein Grundpfeiler unserer Demokratie! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Genau an diesen Grundpfeilern sägen Sie jeden Tag, aber wir werden da eine rote Linie ziehen, denn für uns Sozialdemokraten ist eines klar: Wenn Anstand und Respekt verloren gehen und wenn die Demokratie durch Rechtsextremismus untergraben wird, dann werden wir niemals tatenlos zusehen! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neham­mer. (Abg. Leichtfried – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Ne­hammer –: Wir hören eh alle gut!)


15.46.11

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Die SPÖ wirft dem Bundeskanzler vor, im Kampf gegen Rechtsextremismus und Abscheu­lichkeiten, die in den letzten Tagen passiert sind, zu wenig aktiv zu sein. (Abg. Lind­ner: Richtig!)

Wahr ist vielmehr: Der Bundeskanzler hat immer, wenn es notwendig war, ganz klar festgestellt, wo in einer Demokratie eine rote Linie ist, wo in einer Republik eine rote Linie ist, wo es gerade auch im Umgang mit Identitären kein Wischiwaschi geben darf.

Er hat festgestellt, dass Rechtsradikale mindestens so gefährlich sind wie extremisti­sche Islamisten, er hat auch ganz klargemacht, dass diese Trennlinie auch in der Koa­lition, in der Zusammenarbeit ganz klar sichtbar sein und gezeigt werden muss, und er hat das auch von unserem Koalitionspartner eingefordert.

Genau das Gleiche war es, als dieses abscheuliche Rattengedicht publik geworden ist, und jeder hier im Haus, jeder, der hier sitzt, findet es entsetzlich und abscheulich. Auch da hat er unmittelbar, klar und schnell eine Reaktion gefordert.

Jetzt kommt etwas, was Sie vonseiten der SPÖ in Ihren Darstellungen unterschlagen: Diese Reaktionen von unserem Koalitionspartner, vom Vizekanzler kamen: klar, ein­deutig; und auch das Bekenntnis dazu, wachsam zu sein, dass diese Dinge sich nicht wiederholen dürfen.


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Das ist das, was man aus dem Befund der letzten Tage feststellen kann. Der Bun­deskanzler hat in seiner Rolle als Verantwortungsträger für diese Bundesregierung, für die Republik einen Koalitionspartner, einen Vizekanzler an der Seite, der bezüglich ge­nau dieser Themenfelder, die Sie aufzeigen und als gefährlich identifizieren, dies eben­falls weiß und etwas tut; und auch in der Fraktion der Freiheitlichen erfolgt die klare Verurteilung dessen, was da passiert ist, sei es das Rattengedicht, sei es der Umgang mit Identitären. Ganz klar! Unmissverständlich! (Abg. Schellhorn: ... grad was ande­res! – Abg. Lindner: Glauben Sie das wirklich?)

Was aber für mich interessant ist: Die Anfrage und auch der Misstrauensantrag kom­men ja von der SPÖ, und die Frau Klubobfrau und der Klubobfraustellvertreter sagen ja, es gehe ihnen um das Thema Glaubwürdigkeit (Ruf bei der SPÖ: So ist es!), es gehe ihnen darum, dass sie es völlig absurd finden, dass wir als neue Volkspartei mit den Freiheitlichen in einer Koalition sind. Das ist schon ein wenig seltsam, Frau Bun­desparteiobfrau Rendi-Wagner, wenn Sie das so feststellen.

Da sind Sie aber wahrscheinlich nicht so alleine. (Abg. Leichtfried: Vorsitzende heißt das!) – Das stimmt, ihr habt auch früher noch einen Zentralsekretär gehabt. – Der Klubobfraustellvertreter hat mich gerade darauf hingewiesen, dass es Vorsitzende heißt bei der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, die 1991 noch Sozialistische Partei Österreichs geheißen hat.

Kommen wir aber zu den Fakten aus dem Nationalratsklub! (Abg. Vogl: Ein Historiker, oder? – Ruf bei der SPÖ: Sind Sie jetzt schwarz oder türkis? – Heiterkeit der Abg. Friedl.) – Frau Abgeordnete Friedl amüsiert sich gerade, das freut mich auch sehr. Mich würde interessieren, wie Sie damit umgehen, dass Ihr Landeshauptmann im Bur­genland in einer Koalition mit der Freiheitlichen Partei ist. (Abg. Leichtfried: Tun Sie nicht ablenken! – Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) – Ich weiß, dass Ihnen das jetzt unangenehm ist. – Herr Klubobfraustellvertreter Leichtfried hat gemeint, ich solle jetzt nicht ablenken, aber ich finde, das ist eine sehr interessante Frage, wenn man gerade so wie Sie hier draußen gestanden ist, sowohl Sie als auch Ihre Vor­sitzende, und ganz moralisch agiert. Ich höre keine Antwort, wie es Ihnen damit geht (Abg. Rendi-Wagner: Sie sind ja am Wort! – Zwischenrufe der Abgeordneten Knes und Leichtfried), dass Ihr Landeshauptmann in einer Koalition mit den Freiheitlichen ist. Empört Sie das als freie Mandatarin des SPÖ-Klubs nicht? Ziehen Sie daraus Kon­sequenzen? (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.) Was ist dann das?

Auch in Oberösterreich, die oberösterreichischen Kollegen (Abg. Wittmann: Wie lange ist der Dollfuß bei euch im Klub gehangen?): Wie geht es Ihnen in der Zusammenarbeit in Linz mit der Freiheitlichen Partei? (Abg. Scherak: Nur weil die das ...!) Da ist das alles für den SPÖ-Klub offensichtlich in Ordnung. (Abg. Rendi-Wagner: Nette Ablen­kung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da gibt es keine Agitation. Und wenn ich mir jetzt etwas wünschen könnte, um Beweis zu führen, dass Doppelmoral mir gerade aufseiten der SPÖ gegenübersitzt (Abg. Wittmann: Wie lange ist der Dollfuß bei Ihnen gehangen?), dann ist das Kollege Wittmann: Er führt gerade Kanzlerdiktator Dollfuß an.

Es ist die SPÖ, die Geschichte verharmlost (Widerspruch bei der SPÖ), indem es ihr nicht zu dumm ist, keine Konsequenzen von einem hochrangigen SPÖ-Funktionär zu fordern, der unseren Klubobmann, einen demokratisch gewählten Mandatar mit mehr Vorzugsstimmen als viele aufseiten der SPÖ, die hier sitzen, von den Wählerinnen und Wählern bestätigt, mit Dollfuß vergleicht. (Abg. Rendi-Wagner: Niemand hat vergli­chen!)

Es geht aber noch weiter: nicht nur mit Dollfuß an sich, wegen seiner politischen Tä­tigkeiten, nein, sondern die Gleichen, die hier in der SPÖ gerade in der ersten Reihe sitzen, die von Gerechtigkeit, Fairness, Antidiskriminierung sprechen, sagen: Na, der


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Wöginger ist nicht nur politisch wie Dollfuß, sondern auch von seiner Körpergröße her. (Abg. Drozda: Geh bitte! – Abg. Rendi-Wagner: Das haben Sie gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ja unglaublich, richtig! – Geh bitte? Kollege Drozda sagt gerade: Geh bitte! – Das ist tatsächlich unglaublich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.)

Das ist in zweierlei Hinsicht ein Skandal (Abg. Kuntzl: Das haben Sie jetzt gesagt!): weil es eine Verharmlosung ist und weil es keine Konsequenzen gibt. Und bei all den Skandalen, die passiert sind - - (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner – auf Abg. Nehammer deutend –: Das hat ja er gesagt!) – Nein, leider nicht, Frau Vor­sitzende, das hat Ihr Kollege Ackerl gesagt. Frau Vorsitzende, ich spreche mit Ihnen! Es hat Kollege Ackerl gesagt. (Abg. Lindner: Sitzt er da? Sitzt er da?) Es tut mir leid, dass ich Sie ansprechen muss, aber Sie fordern auch sonst Konsequenzen vonseiten der FPÖ.

Wissen Sie, was der Unterschied zwischen der SPÖ und der FPÖ ist? (Abg. Rendi-Wagner: Sie verteidigen die FPÖ!) – Bei jeder Entgleisung gibt es Konsequenzen von­seiten der FPÖ (Abg. Rendi-Wagner: Bei jeder? Bei jeder? – Ruf bei der SPÖ: Glau­ben Sie das ernsthaft?!) gegenüber ihren Mitgliedern und Leuten (Abg. Rendi-Wag­ner: Wo denn? Wo? – weitere Wo-Rufe bei der SPÖ), aber bei der SPÖ fehlt jede Konsequenz, wann immer es eine Entgleisung gibt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Tu nur! Tu nur!)

Bleiben wir einfach bei den Fakten! Wissen Sie, was (ein Blatt Papier in die Höhe hal­tend) das ist? – Das sind zusammengetragene Entgleisungen der SPÖ. Meine Rede­zeit wäre jetzt zu kurz, um alle vorzulesen, aber es hat nie eine personelle Konsequenz gegeben, es hat nie eine Aufforderung von der Parteiobfrau oder vom Klubobfraustell­vertreter gegeben, zu handeln und da zu agieren.

Ich erinnere an das „Nobelhure“-Posting, ich erinnere daran, dass ein jetzt amtierender Landesobmann aus Tirol sexistische Bemerkungen machen darf und es keinerlei Konse­quenzen hat. (Abg. Wöginger: Der wird gewählt auch noch! – Abg. Gudenus: ... Narren­freiheit! – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Das wird vonseiten der SPÖ – jetzt gerade auch wieder mit den Reaktionen, auch von Bundesgeschäftsführer Drozda, viel­leicht fängt es die Kamera ein – relativiert, man sagt: Na, ist eh nichts passiert! – Das ist ja unglaublich! (Abg. Leichtfried: Herr Nehammer, fällt Ihnen zu Rechtsextremis­mus auch was ein? – Zwischenrufe der Abgeordneten Drozda und Rendi-Wagner.)

Und weil Kollege Wittmann auch immer so bedacht auf die Verfassung und die Würde des Hauses und die Demokratie ist: Herr Kollege Wittmann, Sie hätten ganz viel zu tun im Bezirk Wiener Neustadt. (Abg. Drozda: Hast du irgendwas zu Rechtsextremismus zu sagen? – Abg. Rendi-Wagner: Das Thema ist Rechtsextremismus! – Abg. Drozda: Kannst du was dazu sagen?) Wissen Sie, dass im Bezirk Wiener Neustadt die Sozia­listische Jugend des Geburtstags Lenins gedenkt? (Ah-Ruf bei der ÖVP.) Linksextre­mismus ist genauso zu verurteilen wie Rechtsextremismus, und es wird den Millionen Opfern des Kommunismus nicht gerecht, wenn da vonseiten der SPÖ weggeschaut und vom Kollegen Wittmann milde darüber hinweggelächelt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bleiben wir aber beim Thema Glaubwürdigkeit und Angriffe der SPÖ, bleiben wir dabei! Das, was mich wirklich erschüttert, und das sage ich ganz offen (Abg. Leichtfried: Dass du kein Wort zum Rechtsextremismus verlierst!), ja, Klubobfraustellvertreter Leichtfried, was mich wirklich erschüttert, ist, dass du zur Kenntnis nimmst und tolerierst, dass ihr als SPÖ – und hinter dir sitzt Kollege Drozda als Bundesgeschäftsführer, und die Vor­sitzende nimmt es zur Kenntnis, weil sie dafür verantwortlich ist – jemanden in der Par­tei beschäftigt, der antisemitische und rassistische Facebook-Seiten ins Netz stellt.


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(Abg. Rendi-Wagner: Er ist nicht beschäftigt!) Er ist beauftragt vonseiten der SPÖ, er hat eine eigene Agentur, und das war – nur zur Erinnerung an alle, die jetzt zuschau­en – genau der Mitarbeiter, der mit Tal Silberstein gemeinsam diese schrecklichen Sei­ten ins Internet gestellt hat, Fakeseiten (Abg. Zarits: Unerhört! Wahnsinn!), die Se­bastian Kurz in die Nähe des Rechtsextremismus, des Antisemitismus gebracht haben oder ihn sogar in Soros-Kontakt gezeigt haben, um Antisemiten auf ihn aufmerksam zu machen.

Das sind die Methoden des Tal Silberstein und seines Mitarbeiters (Abg. Rendi-Wag­ner: Das Rattengedicht ist von gestern!), und der Mitarbeiter, der ist jetzt aktiv von Ihnen beschäftigt, Frau Vorsitzende. (Abg. Rosenkranz: Sie sind von gestern! Die Genossen sind von gestern! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Frau Vorsitzende, reden wir über Herrn Pöchhacker, so heißt der Mann nämlich, der Schatten von Tal Silberstein! Wie können Sie es verantworten, Frau Vorsitzende - - Frau Vorsitzende, ich ersuche Sie, kurz so viel Höflichkeit aufzubringen, mir zuzuhö­ren, wenn ich Sie anspreche! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Ich würde Sie darum bitten, mir zuzuhören, wenn ich Sie frage, wie Sie es verantworten können, einen Mann zu beschäftigen, der antisemitische und rassistische Inhalte auf Facebook stellt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Wir be­schäftigen ihn nicht! Er ist nicht beschäftigt!) Das ist der eigentliche Skandal.

Noch ein kurzes Wort auch zu den Angriffen – Schlusswort (Abg. Leichtfried: Kurzes Wort zum Thema Rechtsextremismus!) – des Klubobfraustellvertreters Leichtfried, wo denn der Kanzler sei: Herr Klubobfraustellvertreter Leichtfried, der Kanzler ist bei der Seidenstraßenkonferenz in China, mit dem chinesischen Staatspräsidenten. Er sichert Arbeitsplätze für diese Republik, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die­sem Land, und tut das, was ein Bundeskanzler tun soll. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Rosenkranz. – Bitte.


15.57.19

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Landsleute! Diese Dringliche Anfrage samt Misstrauensantrag ist ein bemitleidenswerter Auftritt der Selbsthilfegruppe Problemlösung in der Öffentlichkeit, abgekürzt SPÖ. Und Sie haben mehrere Probleme.

Erstes Problem: Sie sind keine Regierungspartei mehr, und das schmerzt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist schon angeklungen: Dort, wo in einer wirklich guten, fachlich und sachlich seriö­sen Zusammenarbeit die FPÖ mit Ihnen regiert, gibt es keine Befindlichkeiten Ihrer­seits, ob im Burgenland oder in Linz, obwohl doch die FPÖ, so wie Sie es ausführen, direkt der Ausbund des Bösen sein soll. Da schauen Sie weg – vordergründig wie nur.

Zweites Problem: Sie sind keine fähige Oppositionspartei. Ich würde als Regierungskri­tiker – ich bin es nicht – NEOS wählen. Mit zehn Mandaten bringen die zehnmal so viel Power auf die Straße wie Sie mit Ihren 52. Das ist das Problem. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Loacker. – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Scherak: Na gut, jede Stimme nehmen wir auch nicht! – Abg. Rendi-Wagner: Besprechen Sie das mit dem Vizekanzler ...!)


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Und in dieser Verzweiflung bleibt nur eines übrig: Anpatzen, Verdrehen, Unterstellen, Hetze, Angstmache, Spalten der Gesellschaft. Jedes Mittel ist Ihnen in der politischen Debatte recht, bis hin zu den Methoden des Herrn Silberstein.

Zur Klarstellung: Nationalsozialismus ist und bleibt in jeder Form in Österreich verbo­ten, wird geahndet und strafrechtlich von unabhängigen Gerichten bestraft. Das ist gut so. Jeder Extremismus, auch der von Ihnen ausgeblendete Linksextremismus mit sei­nen Gewaltdemonstrationen und der staatsfeindliche, antidemokratische und gewalt­verherrlichende Islamismus, auch als Vorbote eines neuen Antisemitismus, ist Nährbo­den für Straftaten, die den einzelnen Bürger und den Staat insgesamt bedrohen. Sie al­le gehören beobachtet, um Auswüchse zu unterbinden und mögliche Straftaten, Ge­walttaten zu verhindern.

Übrigens: Was ist denn für Sie Rechtsextremismus?

In Ihrer Anfrage mixen Sie die Begriffe rechts und rechtsextrem bunt durcheinander. Sie setzen es gleich. Das ist schändlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Rechts im demokratischen Spektrum ist zu akzeptieren, auch von Ihnen. Die FPÖ ist eine rechte Partei: Patriotismus, Sicherheit, kulturelle Identität, Schutz der Familie, Fair­ness und Gerechtigkeit für unsere Landsleute, Schutz vor illegaler Massenzuwande­rung – dafür stehe ich, und ich schäme mich nicht dafür. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die FPÖ ist eine demokratische Partei, voll und ganz auf dem Boden von Verfassung, Grundrechten und dem Akzeptieren von Wählerentscheidungen. – Dafür stehe ich auch. Wenn Sie einen Alt-ÖVPler – das ist Ferry Maier – in Ihrer Anfrage mit der Aus­sage zitieren, die Politik rücke nach rechts (Abg. Scherak: Der wählt wirklich NEOS!): Ist das für Sie in der SPÖ in der Demokratie etwas Untragbares? Hat Rechts in der Demokratie nichts verloren? Was ist denn das? Nennen Sie das demokratisch? Ich sage Ihnen: Nein, das ist es nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie akzeptieren keine demokratischen Mehrheiten, die nicht links sind. Das ist Ihr Ver­ständnis von Demokratie? Ist das die von Ihnen strapazierte Haltung von Toleranz, Re­spekt, Anstand und Menschenrecht? Menschenrecht: unteilbar für alle – nur nicht für Rechte? Das ist Ihre Meinung?

Was ist bei Ihnen?, würde Herr Leichtfried da fragen. Kann ich Sie daher ganz zwang­los als linksextrem bezeichnen? Anhaltspunkte hätte ich genug: Lenin-Geburtstagsfeier der Sozialistischen Jugend in Wiener Neustadt, Stalin-Gedenktafel im SPÖ-regierten Wien, Che-Guevara-Büste im roten Wien. Ob Hitler oder Stalin, ob Himmler oder Le­nin, ob der Mörder von Christchurch oder Che Guevara – für mich sind Massenmörder Massenmörder und verdienen samt und sonders kein Andenken! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wo bleibt denn Ihre Abgrenzung? Was ist denn, wenn Ihre Spitzenfunktionäre – Kai­ser, Voves, Schicker, Entholzer – freiheitliche Politiker als „Rattenfänger“ bezeichnen und damit implizit die Wähler der FPÖ als Ratten meinen? Oder die grüne Abgeord­nete Krismer, die H.-C. Strache als „Ratte“ bezeichnet: Wo waren denn Ihre Auf­schreie, Ihre Konsequenzen, Ihre Distanzierungen? Wo war Ihr Brief an den Bundes­präsidenten? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alle blind auf einem Auge – oder tolerieren Sie das alles mit einem genüsslichen, süf­fisanten Lächeln?

Kann es aber sein, dass gerade Wahlkampf ist und Sie feststellen müssen, dass es Menschen gibt, die eine EU mit einem Europa der Vaterländer auf Augenhöhe wollen, ein Friedensprojekt, einen Wirtschaftsraum, eine Rechtsordnung, wo Verträge wie


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Schengen und Dublin zum Schutz vor illegaler Massenzuwanderung auch eingehalten werden? Mehr Demokratie statt Zentralismus und Bevormundung, aber von mir ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, aber auch ein klares Bekenntnis zu Refor­men für die Bürger!

Jetzt kommt Ihr drittes Problem: Die europäische Sozialdemokratie liegt am Boden. Das wird für Sie und Ihre journalistischen Wahlhelfer am 26. Mai Realität werden. Die Politik der Schulz’ und der Timmermans’ wird abgewählt. In Frankreich können die So­zialisten gar nicht mehr alleine kandidieren. Die Menschen wollen eine EU, die im Sin­ne von Subsidiarität und auf Augenhöhe die wirklich wichtigen Probleme ohne über­bordenden Zentralismus löst. Auch rechte Demokraten wie Harald Vilimsky und Matteo Salvini werden zunehmend Wählerinteressen zum Wohl der Menschen vertreten. (Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner.) – Ja, lachen Sie nur, lachen Sie nur! Wer zuletzt lacht, lacht am besten! (Beifall bei der FPÖ.)

Was Sie in Ihrer letzten Frage fordern, ist, dass die Bundesregierung das internationale Ansehen Österreichs wiederherstellt. Wer bestellt denn international die Medienberich­te, die das Ansehen Österreichs beschädigen sollen? Sie selbst sind es, damit Sie dann mit diesen Artikeln unter Krokodilstränen jammern können. Das kennen wir schon seit dem Jahr 2000. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mir ist es in erster Linie wichtig, dass die Österreicherinnen und Österreicher ein gutes Bild von diesem Land und der Politik haben, und es sieht ganz so aus, als ob die Bür­ger zu einem deutlich überwiegenden Teil endlich mit einer Regierungsarbeit zufrieden sind – etwas, woran Sie gescheitert sind. Österreicher erkennen mehrheitlich, dass die­se Regierung gut arbeitet. Ihr Misstrauen findet auch hier heute kein Gehör.

Mit Ihren Anwürfen im EU-Wahlkampf – eine Zeit, laut Bürgermeister Häupl, der fokus­sierten Unintelligenz – wollen Sie eines aus machtpolitischen Interessen hintertreiben: den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in dieser Bundesregierung für die Men­schen in diesem Land, an der Spitze personifiziert von Bundeskanzler Kurz und Vize­kanzler Strache. Das ist Ihr viertes und damit das Hauptproblem. – Sie werden es nicht schaffen! (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gruppe der Strafvollzugsakademie bei uns im Hohen Haus herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte.


16.06.08

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Vorweg, Herr Kollege Nehammer: Sie haben wörtlich gesagt – ich glaube, es ging um den Unterschied zwischen der SPÖ und der FPÖ –, bei jeder Entgleisung gibt es bei der FPÖ Konsequenzen. Ich muss Ih­nen, glaube ich, jemanden hier im Haus vorstellen, das ist Kollege Höbart, Christian Höbart, Abgeordneter der FPÖ. Das war der, der auf Facebook ein Posting gemacht hat und Migranten als „Höhlenmenschen“ diskreditiert hat. Die Konsequenz darauf habe ich nicht mitbekommen, er sitzt immer noch da. Es gibt offensichtlich nicht bei je­der Entgleisung Konsequenzen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was ich auch nicht verstanden habe, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, ist: Ja, es mag sein, dass es in der SPÖ auch viele Dinge gibt, die nicht in Ordnung sind, aber das ist eigentlich nicht das, finde ich, worüber wir hier jetzt reden sollten. (Rufe bei der ÖVP: Wieso nicht? Wieso nicht?) – Okay, ich weiß nicht, wieso die ÖVP so ein zwingendes Bedürfnis hat, über die Entgleisungen der SPÖ zu reden.


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Ich sage Ihnen etwas, ich habe ein ganz anderes Anliegen: Mir geht es darum, dass es meiner Meinung nach in der Politik rote Linien gibt und dass diese roten Linien zu Recht auch – da gebe ich Ihnen recht, Herr Vizekanzler, und auch dem Herrn Bundes­kanzler – immer wieder aufgestellt werden. Das Problem ist nur, dass wir wöchentlich dann über diese Linien und über diese Linienverschiebung reden, weil immer ein ver­meintlicher Einzelfall kommt und diese Linie verschoben wird. Ich habe es ehrlich ge­sagt satt, dass wir uns hier in diesem Parlament darüber unterhalten müssen, wo denn die rote Linie ist und was denn gerade noch in Ordnung ist.

Ich habe auch schon aufgehört, bei der Summe aller Einzelfälle, die da in der FPÖ passiert sind, mitzuzählen. Was ich wirklich auch zurückweisen will, ist etwas, was so­wohl der Herr Vizekanzler – Sie (in Richtung Vizekanzler Strache) haben das ange­sprochen – als auch jetzt Herr Klubobmann Rosenkranz gesagt haben: dass das jetzt etwas mit der Europawahl zu tun hat. Ich meine, der Vorfall mit dem Rattengedicht, das von einem – mittlerweile – ehemaligen FPÖ-Vizebürgermeister geschrieben wurde, war jetzt vor Kurzem, und das haben nicht wir uns oder die SPÖ oder sonst jemand sich ausgesucht, dass es jetzt an die Öffentlichkeit gekommen ist, und das hat auch nichts mit der Europawahl zu tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Problem ist, dass ich mich frage, wie wir denn damit umgehen, wenn jedes Mal diese rote Linie überschritten wird, die aufgestellt wird, und wie unglaubwürdig es dann ist, nach Konsequenzen zu rufen und zu sagen: Ja, man muss jetzt etwas machen, ich stelle hier erneut eine rote Linie auf und sage, das und das geht gar nicht! – Diese Verschiebung der roten Linien führt erstens dazu, dass es eine Vergiftung des politi­schen Klimas gibt, dass gegen Bevölkerungsgruppen gehetzt wird, und zweitens ist ei­ne rote Linie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr sonderlich ernst zu nehmen, wenn sie andauernd überschritten wird und wir sie dann woanders aufstellen. Das ist eigentlich etwas, was ganz logisch ist, und das Problem ist: Wenn ich jedes Mal nach einer neuen Konsequenz rufe, egal ob der Bundeskanzler oder der Vizekanzler oder wer auch immer, merke ich am Schluss irgendwann einmal nicht mehr, was denn kon­kret eigentlich diese rote Linie gewesen sein soll.

Herr Vizekanzler, mir geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes. Ich erkenne ja sogar an, dass Sie da schnell reagiert haben. Das haben Sie gemacht. Sie haben den FPÖ-Vizebürgermeister aus der Partei rausgeschmissen – oder er ist selbst gegan­gen –, Sie haben gesagt: So etwas hat in der FPÖ keinen Platz!, aber Sie wissen auch, dass das nicht nur gerade jetzt passiert. Das ist ja nicht der Erste bei Ihnen, der eine rote Linie überschreitet; Sie wissen, Kollege Höbart als Beispiel, und ich habe ein paar der wirklich ganz widerlichen Beispiele mitgebracht, Sie kennen die auch alle. Sie ha­ben ja auch zu Recht in vielen Fällen wirklich reagiert, das muss man Ihnen auch las­sen, aber Sie kennen den ehemaligen Gewerkschafter in Wels, der NS-Devotionalien verteilt und mit ihnen dealt. Sie wissen, dass Noch-FPÖ-Landtagsabgeordnete aus Wien immer wieder bei der Ehrenveranstaltung für den NS-Piloten Walter Nowotny an seinem Grab teilnehmen.

Sie kennen das Posting des FPÖ-Mitarbeiters des burgenländischen Landeshaupt­mannstellvertreters Johann Tschürtz – insofern haben Sie da nicht unrecht, die SPÖ toleriert das offensichtlich auch, das stimmt; das ist aber das grundsätzliche Problem. Der hat während des Vienna City Marathons ein Posting gemacht, bei dem dunkelhäu­tige Läufer dabei waren, und geschrieben: „Habens heute Ausgang?“ – Und die Kon­sequenz war, dass man mit ihm spricht.

Sie hatten FPÖ-Funktionäre, die ehemaligen Politikerinnen der Grünen eine Gruppen­vergewaltigung gewünscht haben.


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Sie kennen ein Mitglied des Vorstands der FPÖ Tulln; dieses hat auf Facebook über „Untermenschen“ geredet und dann gesagt, sie kannte die Begrifflichkeit nicht. Selbst wenn man die Begrifflichkeit nicht kannte, ist das, finde ich, kein Begriff, den man ver­wenden sollte.

Sie kennen den nunmehrigen Mitarbeiter von Ihnen, Herr Bundesminister Hofer, der geschrieben hat, dass Widerstandskämpfer in der NS-Zeit Verräter waren. Er hat sich irgendwann einmal dafür entschuldigt, aber er hat das zumindest nichtsdestotrotz ge­macht.

Sie kennen Postings, wo Leute als „Kongoaffen“ bezeichnet wurden.

Sie kennen – sehr faszinierend, insbesondere sehr widerlich – das ehemalige Mit­glied – da haben Sie auch Konsequenzen gezogen, das ist richtig – der freiheitlichen Gewerkschaftsfraktion. Das hat auf Facebook ein Bild einer älteren Dame mit Keksen in Hakenkreuzform gepostet und dann daruntergeschrieben: „Omas Kekse sind die besten!“

Sie kennen das Rattengedicht, das wir gehört haben.

Herr Vizekanzler, das Problem ist nicht, dass Sie dann die Konsequenz ziehen, das Problem ist, dass es offensichtlich wesensimmanent in der DNA der FPÖ ist (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT), dass Sie solche Leute anziehen, das ist das Problem. Ich nehme es Ihnen ja ab, dass Sie sie ausschließen, aber Sie müssen sich darüber Ge­danken machen, wie es dazu kommt, dass sehr viele Leute, die solch ein Gedankengut haben, bei Ihnen Funktionärinnen und Funktionäre sind. Das ist die große Frage, die wir uns stellen müssen.

Es hilft nichts, wenn man jedes Mal, wenn man so etwas Widerliches mitkriegt, eine neue Grenze aufstellt und sagt: Bis hierher und nicht weiter, ich ziehe die Konsequen­zen!, sondern Sie müssen sich im Kern fragen, was Sie machen – ich sage jetzt nicht, dass Sie persönlich dafür verantwortlich sind, aber Sie sind Parteiobmann der FPÖ –, dass solche Leute in größerer Anzahl bei Ihnen mitwirken wollen. Das ist eine Aufgabe, die schlichtweg nur Sie selbst erfüllen können. – Diese Gedanken müssen Sie sich machen.

Die ÖVP muss sich folgende Frage stellen – und das ist die, die mich in den letzten Ta­gen auch im Zusammenhang mit dem Rattengedicht am meisten beschäftigt –: Wie geht es Ihnen damit, dass Sie in einer Koalition mit einer Partei sind, die offensichtlich wesensimmanent in ihrer DNA drinnen hat, dass sie Leute mit solch einem Gedan­kengut anzieht? Das sind einerseits die Fragen, die sich die ÖVP stellen muss, und das ist andererseits auch die Frage, mit der sich die FPÖ beschäftigen muss. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

16.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte.


16.12.53

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! (Ruf bei der FPÖ: Oje, oje! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Die Frage, die meiner Meinung nach mit dem Herrn Vizekanzler und – insofern als er betroffen ist – mit dem Herrn Bundeskanzler zu diskutieren ist, ist: Können der Herr Vizekanzler, der Verkehrsminister, der Innenminister, können zumindest diese drei hervorragenden Exponenten der Freiheitlichen Partei weiterhin noch Mitglieder der Bundesregierung bleiben?


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Jetzt sind wir in einer schwierigen Situation. Ich mache dem Bundeskanzler überhaupt keinen Vorwurf, dass er auf einer lange geplanten Chinareise ist. Er trifft dort übrigens einen chinesischen Staatspräsidenten, der nicht nur jährlich den Geburtstag von Lenin, sondern auch den von Marx, Engels und Stalin feiert. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das soll ihn nicht daran hindern, mit ihm erfolgreiche Wirtschaftsverhandlungen zu führen. Uns bewegt aber etwas anderes.

Es ist ein bisschen eine schwierige Situation. Ich beneide Sie darum überhaupt nicht, Herr Vizekanzler, jetzt so tun zu müssen, als wären Sie der Bundeskanzler, der erklärt, was er mit dem Vizekanzler tut. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist wirklich nicht ganz einfach, aber ich anerkenne Ihr Bemühen, so zu tun, als wären Sie jetzt der Bundeskanzler, der dann nachher mit dem Vizekanzler redet. – Gut!

Also, Herr Bundeskanzler-Vertreter, bitte sagen Sie nachher dem Herrn Vizekanzler Folgendes: Erstens, er soll ernst nehmen, keine Inserate mehr in rechtsextremen Zei­tungen zu schalten. Das hat ja – wie Sie, Herr Bundeskanzler-Vertreter, hier wörtlich gesagt haben – der Herr Bundeskanzler im Bundesrat auch so gesagt. Das betrifft zum Beispiel die Zeitung „Info-direkt“. „Info-direkt“ (eine Ausgabe besagter Publikation in die Höhe haltend) ist eine eindeutig rechtsextreme Zeitung (Ruf bei der FPÖ: Wer sagt das?), die durch ein Inserat der Freiheitlichen Arbeitnehmer zur AK-Wahl 2019 – das ist nur die letzte Ausgabe – und durch ein einseitiges Inserat der Stadt Linz, des frei­heitlichen Vizebürgermeisters, unterstützt wird. Der Hauptartikel ist ein dreiseitiges In­terview unter dem Titel „Sie haben es nicht geschafft uns zu ruinieren!“. Da ist Identi­tären-Chef Martin Sellner im Gespräch mit „Info-direkt“. Für so etwas gibt es freiheitli­che Inserate? Für so etwas gibt es von einem freiheitlichen Vizebürgermeister Inserate der Stadt Linz? – Das geht nicht!

Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler, bitte reden Sie mit dem Herrn Vizekanzler und FPÖ-Chef, er soll das in seiner Partei endlich abstellen. Das ist unerträglich! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn der Herr Bundeskanzler – bitte sagen Sie ihm das! – nicht in der Lage ist, das dem Herrn Vizekanzler klarzumachen, dann muss er ihn entlassen, denn dann hält er sich nicht an das, was die Bundesregierung ständig erklärt.

Was ist jetzt mit diesem „Info-direkt“? – „Info-direkt“ wird nicht nur von Freiheitlichen in Linz, von Freiheitlichen in der Gewerkschaft finanziert (eine Tafel mit dem Foto von Ha­rald Vilimsky, dem Logo von ENF und der Aufschrift: „EU-Asylpolitik“, „Sichere Außen­grenzen muss heißen: Es kommt keiner durch, der kein Recht darauf hat.“ in die Höhe haltend), sondern auch vom Abgeordneten Vilimsky. Die Verwaltung des EU-Parla­ments hat übrigens festgestellt, dass einzig und allein diese Abrechnung der Mittel die­ser Fraktion nicht zur Kenntnis genommen wird, und zwar nicht nur weil es bei den In­seratenabrechnungen Probleme gibt, sondern weil das EU-Parlament auch nicht zur Kenntnis nimmt, dass diese Fraktion mit EU-Steuergeldern in einer kurzen Periode 250 Flaschen Champagner verbraucht hat, und zwar um 400 000 Euro aus Mitteln des EU-Parlaments. Das hat aber zumindest nichts mit Rechtsextremismus zu tun. (Abg. Gudenus: Ein Brüller!)

„Info-direkt“ feiert auch politische Erfolge, und das ist einer der von „Info-direkt“ gefei­erten politischen Erfolge (ein Titelblatt der genannten Publikation mit einem Bild von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache vor dem Logo der Vereinten Nationen in die Höhe haltend): „Die Zeitenwende beginnt: Keine Unterschrift für den Migrations­pakt“, „HC Strache hat Größe gezeigt und auf das Volk gehört. Weiter so!“ (Abg. Ro­senkranz: Bravo!) – Das lässt ihm diese Sellner-Postille ausrichten.

Damit kommen wir zu Martin Sellner. Martin Sellner betreibt unter dem Namen Phalanx einen Onlinehandel. In diesem Onlinehandel verkauft er auch T-Shirts. (Der Redner


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hält eine Tafel mit dem Bild eines T-Shirts in die Höhe.) Eines dieser Damen-T-Shirts heißt Patriotic Revolution. Wenn Sie sich die Großaufnahme dieses Damen-T-Shirts anschauen (eine Tafel mit dem Motiv des T-Shirts in die Höhe haltend), sehen Sie, dass da steht: „Join the patriotic revolution“. Sie sehen auch Bilder von Strache, von AfD-Höcke, von Orbán und von Le Pen. In diesem Inserat wird erklärt, worum es geht.

Unten im Inserat steht als Kaufanreiz (eine Tafel mit dem Text des Inserats in die Höhe haltend): „Aufgrund der großen Nachfrage der Aufkleber haben wir euch dieses Motiv nun auch auf ein Shirt gedruckt. [...]“ Hier sind „die Köpfe einer anderen Wende vereint. Strache, Höcke, Orban und Le Pen stehen für ein anderes Europa.

Zwar trennt uns von ihnen eine Scheidewand. Sie als Parteipolitiker werden immer an­ders denken, fühlen und tun (müssen) als wir. Aber wir sind Teil einer gemeinsamen Bewegung die durch Europa geht und auf der Straße, wie in den Parlamenten andere Verhältnisse schafft.

Dieses Motiv ist eine Würdigung ihrer Leistungen und ein Bekenntnis zu dem gemein­samen Weg, auf dem wir getrennt marschieren aber am Ende vereint gewinnen wer­den: es ist der Neustart Europas. ,Reloading Europe‘.“

Das steht hier, und das ist ein Bekenntnis, nicht nur mit dem Strache-Bild am T-Shirt, sondern mit dem klaren Bekenntnis: Wir marschieren getrennt, aber wir gewinnen ge­meinsam! Der braune Block in Europa marschiert getrennt, aber will gemeinsam ge­winnen. (Abg. Gudenus: Hui!) Das wird ganz offen angekündigt, das ist das Ge­schäftsmodell – und darum geht es.

Ich habe das heute auf Twitter gestellt, und das Damen-T-Shirt ist plötzlich im Verkauf nicht mehr erhältlich. (Ruf bei der SPÖ: Da haben sie wieder mal reagiert!)

Das ist offensichtlich nicht mehr das beste Geschäft. Das beste Geschäft macht Martin Sellner aber nicht mit Damen-T-Shirts, sondern mit Strache, der Freiheitlichen Partei und der Bundesregierung – und das ist das Problem. Das politische Problem ist, dass von der Ablehnung des UN-Migrationspakts bis zum Schüren von Hass als Politikmo­dell letzten Endes identitäre Politik gemacht wird.

Das Problem der Freiheitlichen ist ja, dass sie Gruppen wie die Identitären als Denk­fabriken, als Ideenfabriken, als Ideologieproduzenten, als nationalistische Erneuerer brauchen. Das sind die Leute, die euch die Gedanken produzieren. Der große Aus­tausch: identitär. Wir haben nachgeschaut: Auf Straches Facebook-Seite findet es sich mindestens 20-, eher 30-mal – Austausch, Austausch, Austausch, Austausch! –, und zwar genau seit dem Mai 2012, seit der Gründung der Identitären.

Wenn Sie sich jetzt das Strategiepapier anschauen, das das BVT bei einem der füh­renden Identitären beschlagnahmt hat, dann finden Sie darin die Medienstrategien und die Medienmittel, die die Identitären einsetzen. Zwei der wichtigsten lauten: FPÖ-TV und die Facebook-Seite von H.-C. Strache. Die haben ja im Strategiepapier schon ge­wusst, wie es funktioniert, und plötzlich tauchen genau diese Postings wie bestellt auf Straches Facebook-Seite auf – wie bestellt!

Lauter Einzelfälle, zehn Einzelfälle, 20 Einzelfälle, 100 Einzelfälle: Das Einzige, worauf wir uns bei der FPÖ verlassen können, ist, dass es jetzt schon fast jeden Tag einen Einzelfall gibt, und das ist auch das Problem. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist kein Problem, das die FPÖ lösen kann. Die FPÖ lässt von den Identitären den­ken, und sie macht und praktiziert längst identitäre Politik. Die Weglegung funktioniert nicht. Wo FPÖ draufsteht, sind Identitäre drin.


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Das Problem liegt bei der ÖVP, und es ist auch nur bei der Österreichischen Volkspar­tei lösbar. Wir hatten das bereits in der ersten schwarz-blauen Koalition, nur ist die da­mals von der freiheitlichen Seite eher durch Korruption zusammengehalten worden. Der Unterschied ist, dass Ideologie – rechtsextreme Ideologie! – bei dieser Koalition in hohem Maße die Bindung durch Korruption ersetzt hat.

Das ist jetzt eine große Frage an den Bundeskanzler – und ich glaube nicht, Herr Vize­kanzler, dass Sie in der Lage sind, ihm diese Frage seriös weiterzugeben; deswegen werden wir das mit ihm noch einige Male hier besprechen müssen, und zwar persön­lich –: Wie wollen Sie den Schaden, der durch Ihren Koalitionspartner täglich in immer größerem Maße verursacht wird, von Österreich abwenden? – Sie reden ständig von Sicherheit.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Wir haben den größten Unsicherheitsin­nenminister der Zweiten Republik, und es liegt am Bundeskanzler, da klare Verhältnis­se zu schaffen. Die Freiheitlichen sind heute politische Geiseln der Identitären, und ich frage mich, wieweit die Österreichische Volkspartei bereits eine politische Geisel der Freiheitlichen Partei ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte kommen Sie zum Schluss! Sie haben über­zogen. – Bitte sehr.


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Herr Präsident! Ich bin gerade bei der zwei­ten Hälfte meines Schlusssatzes.

Ich hoffe, dass der Bundeskanzler in der Lage ist, nicht nur bei jedem Einzelfall eine routinerote Linie zu ziehen, sondern endlich zu trennen, was nicht zusammengehört: eine demokratische Österreichische Volkspartei und eine rechtsextreme Freiheitliche Partei – im Interesse dieser Republik, im Interesse der Demokratie, im Interesse unse­res Rechtsstaates! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Hat der Pilz schon geredet? Habe ich den schon verpasst?)


16.24.30

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Jeder fünfte Identitäre ist laut Verfassungsschutz in Österreich im Besitz von Waf­fen. Ich zitiere: „Gottseidank hab ich schon ne Waffe gekauft, bevor der Asylwahn be­gonnen hat.“ – Das hat Martin Sellner auf Twitter gepostet. Er ist der Sprecher der ös­terreichischen Identitären, jener rechtsextremen Gruppierung, die Sie, Herr Vizekanz­ler, als – ich zitiere – „parteiunabhängige nicht-linke Bürgerbewegung“ bezeichnet ha­ben und die Sie gelobt haben: „Sie sind quasi junge Aktivisten einer nicht-linken Zivil­gesellschaft.“

Seit bekannt wurde, dass der Attentäter von Christchurch dem Sprecher der österrei­chischen Identitären eine Spende überwiesen hat, sind auch die Verbindungen, die personellen, die räumlichen, die organisatorischen, aber vor allem die ideologischen Verbindungen der Freiheitlichen Partei zu den Identitären ins Rampenlicht der Öffent­lichkeit gerutscht.

Seither werden Sie, Herr Vizekanzler, nicht müde, zu betonen, dass sich die Freiheit­liche Partei von den Identitären distanziert. Sie haben ja heute auch schon wieder er­wähnt, dass es seit Februar 2018 einen Beschluss gibt, dass man nicht FPÖ-Funk­tionär und aktives Mitglied der Identitären gleichzeitig sein kann. Jetzt beschreibt ja dieser Beschluss allein schon, wo die FPÖ ideologisch steht – oder gibt es eine andere


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Partei hier im Parlament, die einen derartigen Beschluss überhaupt notwendig hat, um sich von den Identitären auf diese Weise zu distanzieren? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Welche Konsequenzen hat es bis zur aktuellen Debatte aus diesem Beschluss gege­ben? – Mir sind keine bekannt. Wir alle wissen, dass die FPÖ, dass Funktionäre und Funktionärinnen der FPÖ die Identitären von Beginn an wohlwollend begleitet haben. Wir kennen Ihre Distanzierungen, Herr Vizekanzler. Können Sie sich noch erinnern, als Sie Anfang 2018, als die Liederbuchaffäre rund um den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl, Udo Landbauer, aufgepoppt ist, gesagt haben, die Burschenschaften hätten nichts mit der FPÖ zu tun? Welche Konsequenzen hat diese Liederbuchaffäre im Endeffekt gehabt? – Ich sehe keine. (Abg. Neubauer: Wa­rum auch?)

Was uns jeden Tag vor Augen geführt wird, ist, dass sich der Rechtsextremismus in der FPÖ nicht ausschließlich auf die Identitären beschränkt. (Zwischenruf des Abg. Neubauer. – Abg. Belakowitsch: Pscht!) Wir haben mitgezählt, Kollege Scherak: 59 rechtsextreme, rassistische, antisemitische Vorfälle seit Regierungsgründung im Dezember 2017. (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich!) Wo sind die Konsequenzen, Kollege Nehammer, die Sie angesprochen haben, aus diesen 59 Vorfällen? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Nein, sehr geehrte Damen und Herren, das sind keine Einzelfälle mehr, wie das ges­tern wieder betont wurde. Nein, das ist nicht der Narrensaum der FPÖ, wie Ihr Kollege Haimbuchner ständig betont. Das ist das Wesen der FPÖ, das ist diese Partei! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

„Unsere Gesinnung haben wir nie verheimlicht und stehen auch jetzt dazu.“ – Das hat Ihre Amstettener Parteikollegin, die FPÖ-Stadträtin Kashofer, erst neulich in den „NÖN“ gesagt, als ihre Verbindungen zu den Identitären in die Kritik geraten sind.

Ja, die Empörung der letzten Zeit war sogar so groß, dass sich Herr Schweigekanzler Kurz dazu zu Wort gemeldet und gesagt hat, er duldet keinen schwammigen Umgang der FPÖ mit den Identitären. Gereicht hat ihm dann sozusagen als Distanzierung, dass Sie, Herr Strache, offenbar die identitären Kaderfiguren auf Twitter blockiert haben. Kanz­ler Kurz hat Ihnen dafür die Absolution erteilt.

Ja, das war erwartbar: Der schwarz-blaue Koalitionspakt zugunsten Ihrer Wahlkampffi­nanzierer, zugunsten einer Umverteilung von unten nach oben hat für die ÖVP und hat für Bundeskanzler Sebastian Kurz mehr Priorität als eine echte Trennlinie zu den Iden­titären. (Beifall bei der SPÖ.)

Weil es, wie Kollege Leichtfried schon gesagt hat, nicht tragbar ist, dass Sie, Herr Vize­kanzler, in den sozialen Medien zu einem Medium verlinken, das auch dafür bekannt ist, holocaustleugnende Artikel zu posten, stelle ich folgenden Antrag:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versa­gen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Vizekanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“


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*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Cox und Zadić.)

16.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat“

Begründung

Der Vizekanzler Heinz-Christian Strache ist als Vizekanzler auch Bundesminister für Öffentlichen Dienst und damit auch für Personalangelegenheiten im öffentlichen Dienst zuständig. Dabei zeigt sich, dass in dieser Gesetzgebungsperiode die Kabinette auf­geblasen und durch Paralleleinrichtungen, die sogenannten Generalsekretariate, noch ergänzt wurden. Parteipolitische Umfärbungen sind beinahe täglich auf der Tagesord­nung, Burschenschafter und ähnlich Denkende werden mit öffentlichen Funktionen ver­sorgt. Nunmehr wurde aber bekannt, dass in den Kabinetten auch Personen aufge­nommen wurden, die den Identitären nahestehen und von diesen beeinflusst werden.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache steht aber auch für das System des schlampigen Umganges bzw. der mangelnden Distanz zum Rechtsextremismus. Er ist als Parteivor­sitzender für die Ausrichtung der Parteilinie und die Mitgliederaufnahme in die FPÖ verantwortlich. Seit Regierungsantritt sind unfassbare und demokratiegefährdende, rechtsextreme Sachverhalte in Österreich bekannt geworden, die alle im mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit der FPÖ stehen. Nach der Selbstdefinition des Bundeskanzlers ist die rote Linie deutlich und mehrfach überschritten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Dem Vizekanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mahrer. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 145

16.29.51

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ja, es gab einige ganz klar zu verurteilende Vorkommnisse erst in den letzten Tagen.

Sie haben uns in den letzten Tagen beschäftigt, haben die Themenlandschaft überla­gert. Mögliche Verbindungen von FPÖ-Funktionären mit den Identitären und ein ab­scheulicher, nennen wir es Reim eines FPÖ-Vizebürgermeisters in Oberösterreich ha­ben eine Welle der Empörung hervorgerufen. Ich meine zu Recht und ich meine, eine deutliche Antwort der Bundesregierung und der Verantwortlichen war erforderlich.

Das ist auch geschehen, und zwar postwendend. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat, Frau Parteiobfrau Rendi-Wagner, Mut, Haltung und Durchsetzungsvermögen gerade auch an diesem Beispiel bewiesen, und Vizekanzler Strache hat Führungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein bewiesen, indem er sowohl die Abgrenzung zu den Identi­tären als auch die Klarstellung zu den untragbaren Aussagen und Ausdrücken des Vi­zebürgermeisters aus Oberösterreich getroffen hat. Das war richtig und das war not­wendig. Notwendig war aber auch die Konsequenz des Rücktritts des Vizebürgermeis­ters in Oberösterreich.

Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, sich wieder den wichtigen politischen Themen zu widmen – Arbeit gibt es ja genug –, aber die Empörung wird jetzt am Köcheln gehalten, das sehe ich auch an der heutigen Diskussion sehr deutlich. Man gibt sich sehr viel Mühe, den Generalverdacht zu manifestieren – mit großem Aufwand, und das ja nicht erst seit Tagen, sondern schon seit Wochen, seit Monaten, auf allen Kanälen und jetzt auch mit einer Dringlichen Anfrage. Damit ist für mich klar, es geht bei dieser Anfrage, meine Damen und Herren, lediglich um den Versuch, den neuerlichen Versuch, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben. Es geht um den Versuch, immer wieder darzustellen, dass die FPÖ nicht regierungsfähig sei. Ich vermute, meine Da­men und Herren, die SPÖ hat neben dem EU-Wahlkampf nur einen Grund dafür, und dieser Grund heißt schlicht und einfach Macht.

Damit komme ich zur Geschichte. Lernen Sie Geschichte!, dieses Zitat kennen wir von der Ikone der SPÖ, Bruno Kreisky. Diese Geschichte und die Rolle der SPÖ kennen wir auch aus den 1970er-Jahren und den 1980er-Jahren, aber auch ganz aktuell. Schauen wir uns das doch hinsichtlich der vorliegenden Medienberichte noch ein we­nig genauer an! Wie war denn das damals?

Die SPÖ hat mit ihren Gremien 1970 zugestimmt, dass die damalige Minderheitsregie­rung mit Duldung der FPÖ und Friedrich Peters gebildet worden ist. 1983 wurde auf dem SPÖ-Sonderparteitag gegen die FPÖ als deutschnationale Partei mit Querverbin­dungen zum Neonazismus gewettert, ehe die SPÖ-Gremien trotz vieler Kritik mit gro­ßer Mehrheit den Segen zum rot-blauen Bündnis gegeben haben. Übrigens, Sie wis­sen ja noch, wer damals Vizekanzler dieser Regierung war: der heute von Ihnen kriti­sierte ORF-Stiftungsrat Norbert Steger.

Die SPÖ war also damals gar nicht so heikel, wenn es um die Beurteilung der FPÖ ge­gangen ist. Auch die aktuelle Geschichte – die Beispiele haben wir teilweise schon gehört – zeigt uns: Wenn es um die Wiedererlangung oder um die Erhaltung der Macht geht, hat die SPÖ keine Berührungsängste mit der FPÖ.

Meine Damen und Herren! Die FPÖ und die Realität heute sind Gott sei Dank völlig anders. Es gibt ein klares Regierungsprogramm und es gibt im Gegensatz zur Zeit des Friedrich Peter und des Bruno Kreisky ein klares Bekenntnis des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers mit einer strikten Abgrenzung zu allen Formen des Extremismus,


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auch ganz klar und explizit zum Nationalsozialismus. Diese konsequente Abgrenzung zu allen Formen des Extremismus vermisse ich bei Teilen der Opposition, insbesonde­re auch bei der SPÖ.

Ich stelle Ihnen nur ein paar Fragen: Wo war denn der konzertierte nachhaltige Auf­schrei der SPÖ, als die Sozialistische Jugend vor Kurzem öffentlich den Massenmör­der Lenin verherrlicht und gemeinsam seinen Geburtstag gefeiert hat? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wo ist die Reaktion der SPÖ auf die unfassbare Entgleisung eines FSG-Personalver­treters und Wiener Bezirksrats, der Innenminister Herbert Kickl in einem YouTube-Vi­deo mit Adolf Hitler, dem Massenmörder, gleichsetzt?

Was hat sich die SPÖ gedacht, als kürzlich ein bekennender Linksextremer, der auch die extremen Gewalttaten in Frankreich wohlwollend befürwortet, ausgezeichnet wor­den ist? War das ein Irrtum?

Zu Peter Pilz, unter anderem auch: Wo ist denn die klare Abgrenzung zur Gewalt von Linksextremen? Ich erinnere mich noch sehr gut: Wo war denn damals die Dringliche Anfrage an den SPÖ-Bundeskanzler, als, ausgelöst vom Schwarzen Block und Teilen der Antifa, im Protest gegen den Akademikerball Teile der Wiener Innenstadt demoliert worden sind? (Abg. Plessl: Wann war das, Herr Kollege?) Wo waren Sie denn da? (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Wo waren Sie da? Warum haben Sie nichts gemacht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle haben die Möglichkeit, weiter zu het­zen, weiter zu spalten und auch zu versuchen, einen Keil zwischen ÖVP und FPÖ zu treiben – es wird Ihnen, und das verspreche ich Ihnen, nicht gelingen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Einigen wir uns also darauf: Wir alle, und ich hoffe, da kann ich für Sie alle sprechen, lehnen Extremismus jeglicher Art ab; sei es Linksextremismus, Rechtsextremismus oder religiös motivierter Extremismus! Unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, meine Damen und Herren – und das Bekenntnis ist da –, sind unantastbar. Diese Wer­te sind der Maßstab für unsere tägliche Arbeit. Unser Vizekanzler hat unsere volle Unterstützung, unser volles Vertrauen, und wir stehen zu dieser Regierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gude­nus. – Bitte. (Abg. Lettenbichler: Das hat jetzt sicher nichts mit Wien zu tun!)


16.36.50

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Damen und Herren auf der Ministerbank! Die Suppe scheint sehr dünn zu sein, Herr Kollege Leichtfried, wenn Sie von 20 Redeminuten, die Ihnen als Begründer zur Verfügung stehen, gerade 12 Minuten aufwenden und anscheinend immer den alten Kalauer vom Nazivergleich auf den Tisch bringen, sich nicht bewusst seiend, dass das im Endeffekt eine Verharmlosung des Nationalsozialismus darstellt. Herr Kollege Leichtfried, Sie bringen laufend den Nazivergleich, Sie bringen laufend die Nazikeule, aber in Wirklichkeit ist das ein leichtfertiger Umgang mit den Begriffen, die hier in den Raum gestellt werden. Sie verharmlosen damit in Wirklichkeit diverse Be­griffe immens, und das gilt es zu verurteilen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wann habe ich das ei­gentlich gesagt?)


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Für mich stellen sich nach den Reden von Leichtfried und Rendi-Wagner einige Fra­gen. Erstens: Wie tief kann man nur sinken? Zweitens: Wie nervös müssen Sie vor der EU-Wahl eigentlich sein, wenn man in Umfragen liest, dass die NEOS, obwohl sie viel schwächer vertreten sind, die SPÖ in der Stärke der Oppositionsarbeit schon längst überholt haben? Wie verzweifelt müssen Sie eigentlich sein, meine sehr geehrten Da­men und Herren?

Man kann nur eines zurückgeben: Si tacuisses! Sie haben auch heute eine wunder­bare Gelegenheit verpasst, einfach den Mund zu halten und zu schweigen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir kommen zum Thema Glaubwürdigkeit. Sie unterstellen uns laufend Nähe zu Extre­misten, zu Rechtsextremisten und dergleichen. Sprechen wir einmal zum Beispiel von Ihrer Nähe, liebe SPÖ, zu Linksextremisten – ist heute schon angeführt worden –, zu Antifa, von Randalen bei Balldemonstrationen und dergleichen! – Da schweigen Sie, da messen Sie mit zweierlei Maß. Es ist überhaupt Ihre Kunstfertigkeit, laufend mit zweierlei Maß zu messen und sich selbst nicht den Spiegel vorzuhalten, wo Ihre Nähe zu vermeintlichen Extremismen ist. Diese Nähe ist viel leichter nachzuweisen.

Beispiel: Nähe zum radikalen Islamismus. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zu Recht vor zwei bis drei Jahren, damals noch im Landtag, dem damaligen Landeshauptmann von Wien und Bürgermeister Häupl vorgeworfen (Abg. Leichtfried: Jetzt kommt schon wieder Wien!), er müsse sich zu Recht als Ziehvater des radikalen Islamismus in Wien bezeichnen lassen. So muss er sich zu Recht bezeichnen lassen. Es ist auch ganz klar nachweisbar anhand von Subventionen der Gemeinde Wien, die von der Mehrheit der SPÖ beschlossen wurden und weiterhin beschlossen werden, einerseits an radikal-islamistische Vereine, andererseits an linksextreme Vereine. Ich erinnere zum Beispiel an das Amerlinghaus.

Es gibt Vereine, die zur Weltrevolution aufgerufen haben, zur marxistischen, trotzkisti­schen Weltrevolution. (Abg. Rosenkranz: Das ist etwas für den Pilz!) – Da hört man wiederum nichts. Da werden Hunderte Millionen Euro jährlich an Steuergeldern hinaus­geschmissen, Geld, das Menschen hart erwirtschaften, um Ihre Flausen im Kopf zu fi­nanzieren. Das ist Ihnen keine Kritik wert, da gibt es keine Distanzierung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Reden wir von den täglichen Vorfällen, Herr Leichtfried! – Wo bleibt die Distanzierung, wo bleiben die Konsequenzen, wo bleiben die Rücktritte von diversen Personen, wenn die SPÖ täglich Facebook-Postings wie zum Beispiel heute: „Kreisky würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen würde, dass heute wieder Nazis im Parlament ein- und auskriechen“, von sich gibt?

Das ist das Einzige, was Sie können: dauernd Nazivergleiche und in Wirklichkeit ein Verharmlosen der Begriffe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle hier für unsere Fraktion eines ganz klar fest: Wir lehnen jede Form des Sozialismus ab, egal ob international oder natio­nal! – Eine vollkommen klare Sache, und damit haben Sie ein Problem. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihre Parteikollegin Julia Herr hat noch vor Kurzem das Regime in Venezuela hochge­lobt und hochgepriesen, ein Regime, das es trotz der Tatsache, dass Venezuela das erdölreichste Land der Welt ist, geschafft hat, Millionen von Menschen in die Armut zu befördern. Wenn das von Frau Julia Herr hochgepriesen wird, dann sieht man, wie sehr Sie hier mit zweierlei Maß messen.


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Wir haben mit Extremismus nichts am Hut. Wir stehen hinter unserem Vizekanzler
H.-C. Strache. Die Bundesregierung ist geeint, es passt kein Blatt Papier zwischen uns. Wir arbeiten Tag für Tag, Woche für Woche Schritt für Schritt weiter für die Anlie­gen der Bevölkerung und müssen Ihren Scherbenhaufen erst aufräumen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.


16.41.55

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler ist ja in China, daher darf ich vielleicht mit einer chinesischen Fabel beginnen. Ein Herrscher fragt sei­nen Minister: Vor wem muss man sich im Staat am meisten fürchten? Und der Minister sagt: Vor der Ratte in der Bildsäule!

Dazu muss man wissen, dass es in vielen chinesischen Orten üblich war, dem Geist des Ortes eine Bildsäule zu errichten, die wunderbar bemalt war, und diese Bildsäule wurde verehrt und geehrt.

Eines Tages hat sich in eine solche Bildsäule eine Ratte eingenistet. Jetzt stand man vor dem Problem, wie man die Ratte entfernen kann, denn man will ja nicht einer Ratte Ehrerbietung erweisen. Hätte man die Ratte durch Feuer vertreiben wollen, hätte man die Bildsäule anzünden müssen, dann wäre sie vernichtet gewesen. Hätte man die Ratte durch Wasser vertreiben wollen, hätte man die Bildsäule in Wasser tauchen müssen, und das hätte womöglich die Farben aufgelöst. So musste man die Ratte in der Bildsäule hinnehmen und konnte sie nicht entfernen.

Warum erzähle ich diese Fabel? – Weil die FPÖ in einer ähnlichen Situation ist. (Bun­desminister Hofer: Bitte kein Rattenvergleich!) Es ist heute schon gesagt worden: Die­ses Gedankengut, das die Identitären vertreten, das Extremisten vertreten, das ist Teil Ihrer DNA, Teil Ihrer Gründungsgeschichte. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeord­neten von SPÖ und JETZT.) Herr Klubobmann Rosenkranz hat heute darauf verwie­sen, dass Sie ja das Dritte Lager repräsentieren, dass Sie aus dem VdU, aus dem Ver­band der Unabhängigen, hervorgegangen sind. Also dieses Gedankengut ist nach wie vor vorhanden. (Abg. Rosenkranz: Kraus und Reimann!)

Wir haben das ja heute bei der Debatte über das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ganz deutlich gesehen, diese Stoßrichtung gegen die Ausländer. (Abg. Martin Graf: Verglei­chen Sie uns mit Ratten? Das ist ja unglaublich!) Herr Abgeordneter Amesbauer hat sich gerühmt, dass etwas dagegen unternommen wird, dass diese Menschen unser Sozialsystem ausnutzen. Die Stimmung, die Sie dadurch erzeugen, wird dann von manchen – Gott sei Dank nicht von allen – so verwendet, dass sie extrem werden, sol­che Pamphlete wie das Rattengedicht verfassen. Aber die Ursache sind diese Gedan­ken, die Sie auch vertreten, die Angst vor den Fremden, vor den Ausländern, die Sie schüren. Daher ist es schwer für Sie, sich davon zu trennen. Sie können sich distan­zieren, aber wenn Sie das wirklich mit der Wurzel ausreißen wollen, müssten Sie die Partei neu gründen, Herr Vizekanzler, sonst wird das nicht funktionieren! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Warum ist das für uns so gefährlich? – Da bin ich ganz bei dem, was Frau Klubobfrau Rendi-Wagner am Beginn gesagt hat: Grenzen werden immer weiter hinausgescho­ben, Unsagbares wird sagbar gemacht. Vielleicht haben manche von Ihnen Sebastian Haffner, „Geschichte eines Deutschen“, gelesen. Er beschreibt die Entwicklung in den 1930er-Jahren in Deutschland. Das war ganz ähnlich – ich hoffe nicht, dass wir je so


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weit kommen –, aber Sebastian Haffner schreibt, es wäre 1933 nicht möglich gewesen, so etwas wie die Reichspogromnacht zu machen. Die Deutschen wären dagegen auf­gestanden, wenn Synagogen zerstört worden wären, jüdische Geschäfte geplündert, Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben worden wären. 1938 hatte man sich schon an vieles gewöhnt.

Ich habe mir gedacht – jetzt, in unserer Situation, stellen wir uns das einmal vor, das liegt uns jetzt näher –: Was wäre denn gewesen, wenn vor zehn Jahren – damals war Frau Fekter Innenministerin – Frau Fekter gesagt hätte: Ich habe eine gute Idee: Be­nennen wir das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Ausreisezentrum um!? Was wäre die Reaktion gewesen? – Man hätte gesagt, sie hat den Verstand verloren, sie ist verrückt geworden, das kann sie ja nicht ernst meinen. Jetzt wird das vom Herrn Innenminister – er ist nicht mehr da – gesagt. Und? – Na ja, sagt er es halt. Wir gehen mit einem Achselzucken zur Tagesordnung über, denn es ist ein Baustein in dieser ge­samten Entwicklung, wo immer stärker Ängste geschürt werden, Abneigungen befeuert werden.

Das ist eben die Erzählung – und das muss ich beiden Regierungsparteien vorhalten –, die Erzählung, was auch die Essenz Ihres politischen Handelns ist, dass Sie bei wel­chem Thema auch immer bei den Ausländern ankommen, bei den Zuwanderern an­kommen, bei den Asylwerbern ankommen, damit Ängste schüren, damit Aversionen schüren und offenbar nicht überlegen, was das in der Bevölkerung bewirkt, welche Stimmung Sie damit erzeugen, nur damit Sie Stimmen bekommen, welcher Schaden das für die Gesellschaft ist (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ) – und diesen Preis zahlen wir alle.

Was dabei noch besonders störend ist – und das ist auch ein bisschen der Nachteil, wenn man diese Diskussionen hier im Parlament führen muss –: dass wir nicht über die wirklich wesentlichen, wichtigen, für unsere Zukunft ganz entscheidenden Dinge sprechen. Wann wurde hier im Parlament über die Auswirkungen der künstlichen Intel­ligenz debattiert? – Ich kann mich nicht erinnern. Das ist die größte Revolution, die überhaupt vorstellbar ist, auf die wir uns vorbereiten müssen, im Bildungssystem, ganz entscheidend in der Arbeitsmarktpolitik. Das wird unsere Lebensgrundlagen entschei­dend verändern. Was geschieht dazu? – Sehr, sehr wenig, kaum etwas. Das wäre aber wichtig, es wäre notwendig, alle Ressourcen, die intellektuellen, die materiellen, hinein­zustecken, damit wir dem gewachsen sind.

Daher ist es sehr zu bedauern, dass wir uns immer wieder mit diesen Themen be­schäftigen müssen, dass wir immer wieder hören müssen, Sie distanzieren sich von et­was, was eigentlich das Wesen Ihrer Partei ausmacht – denn dass das gefährlich ist, das ist offenkundig.

Ich schließe mit einem Zitat von Bertolt Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

16.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte.


16.50.41

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vize­kanzler! Geschätzte Ministerinnen und Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die ÖVP/FPÖ-Regierung ist seit gut 16 Monaten im Amt. Seither tanzen in beunruhigender Regelmäßigkeit rechtsextremistische, ausländerfeindliche und auch antisemitische Vorfälle aus der Reihe der FPÖ. Nicht, dass es diese nicht schon vorher


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gab, aber seitdem die FPÖ in der Regierung ist, hat sie eine besondere Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernommen.

Sie tun jetzt gerne so, als wären das nur Einzelfälle, doch das sind sie nicht. Das kann ich Ihnen anhand eines einfachen Rechenbeispiels veranschaulichen: Es gab seit der Regierungsbildung ungefähr 62 FPÖ-Einzelfälle. Das sind ungefähr 3,9 Einzelfälle im Monat, beinahe ein Einzelfall pro Woche. Wenn man jetzt im Wörterbuch unter Einzel­fall nachschlägt, findet man folgende Erklärung: Ein Einzelfall ist ein einmaliges Ereig­nis, ein einmaliger Vorfall. Diese Definition trifft aber auf diese Anzahl von widerlichen und rassistischen Ausfällen überhaupt nicht zu.

Und weil man, wie ich finde, sehr hohe Zahlen auch nicht besonders gut erfassen kann, habe ich mir gedacht, ich veranschauliche 62 Einzelfälle für Sie. „Der Standard“ hat sich die Mühe gemacht, diese zusammenzufassen, und ich habe mir erlaubt, diese in einer Rolle zusammenzufassen, um sie hier vorzuführen. Meine Damen und Herren, das alles sind Einzelfälle, Einzelfälle der FPÖ (einen Stoß mit Zeitungsartikeln be­druckte, aneinander geklebte DIN-A4-Zettel in die Höhe haltend, entfaltend und nach­einander auf den Boden gleiten lassend), alles, alles Einzelfälle. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Schafft es nun die FPÖ, sich von diesen extremen rechten Rändern auch wirklich glaubwürdig abzugrenzen? Die sogenannten Einzelfälle ziehen sich durch alle Ebenen, wohin wir schauen, ob Bund, Land oder Gemeinde, überall fallen FPÖ-Funktionäre oder FPÖ-Mitarbeiter mit rassistischen, fremdenfeindlichen, aber auch antisemitischen Äußerungen auf; zum Beispiel der Herr Innenminister, der Flüchtlinge konzentriert in Lagern unterbringen möchte, oder ein Landesrat Waldhäusl, der Flüchtlinge sonderbe­handeln möchte. Jeder, der ein Geschichtsbewusstsein hat, weiß, worauf Sonderbe­handlung abzielt.

Auch sonst sind FPÖ-Mitglieder und -Funktionäre in ihrer Ausdrucksweise nicht immer besonders zimperlich. (Abg. Rosenkranz: Dafür kommt der Herr Pilz aus dem Mäd­chenpensionat, nicht?!) So hat man zum Beispiel einer Grün-Politikerin eine Massen­vergewaltigung durch Flüchtlinge gewünscht. Manchmal tun sich auch erstaunliche ge­schichtliche Wissenslücken auf. Da wissen dann beispielsweise FPÖ-Funktionäre nicht, dass der Begriff Untermensch, den eine FPÖ-Funktionärin für Flüchtlinge ver­wendet hat, ein Begriff ist, der damals im Nationalsozialismus verwendet wurde. Das überrascht, denn die FPÖ betont immer wieder, dass sie Wert auf Tradition und Ge­schichtsbewusstsein legt.

Herr Vizekanzler Strache, ich möchte Ihnen aber schon zugestehen, dass Sie in den letzten 16 Monaten sehr wohl versucht haben, die FPÖ von den antisemitischen Posi­tionen so mancher zu distanzieren. Leider hat es irgendwie nicht gereicht, und es ist nicht so ganz gelungen, diese Verstrickungen von rechtsextremen Kreisen zur FPÖ zu kappen. Das haben auch die umfangreichen Enthüllungen der vergangenen Wochen über die umfangreichen Verstrickungen beispielsweise der Identitären Bewegung mit der FPÖ gezeigt. So ist FPÖ-Innenminister Kickl als Starredner vor dem rechtsextre­men Kongress der Verteidiger Europas aufgetreten. Prominente FPÖ-Anhänger haben den Identitären Unterkunft gegeben und ihnen ihre Räumlichkeiten zur Verfügung ge­stellt. Funktionäre und Abgeordnete der FPÖ marschieren bei Demonstrationen der Identitären. Der Grazer FPÖ-Bürgermeister hat es in seiner ersten öffentlichen Äuße­rung nicht einmal geschafft, sich von den Identitären zu distanzieren.

Lassen Sie mich festhalten: Diese Identitäre Bewegung, das sind keine harmlosen Spinner oder dergleichen, es handelt sich dabei um eine Organisation, gegen die ak-


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tuell die Staatsanwaltschaft wegen Terrorverdachts ermittelt, weil diese Identitäre Be­wegung Verbindungen zum rechtsextremistischen Neuseeland-Terroristen aufweist.

Auf eine Sache möchte ich bei der rechtsextremen Identitären Bewegung sehr wohl eingehen, nämlich auf ihre Ideologie. Diese Ideologie der Identitären Bewegung hat den rechtsextremen Neuseeland-Terroristen dazu motiviert, zu den Waffen zu greifen und auf Andersgläubige zu schießen. Diese zutiefst menschenverachtende Ideologie, der er gefolgt ist, ist die These vom großen Austausch. Diese Verschwörungstheorie geht davon aus – das möchte ich hier schon kurz erläutern –, dass irgendwelche ver­borgenen Mächte einen geheimen Plan verfolgen, die „weiße europäische Rasse“ – unter Anführungszeichen – gegen muslimische oder außereuropäische Einwanderer auszutauschen. Das wollte der Christchurch-Terrorist mit allen Mitteln verhindern.

Meine Damen und Herren! Der große Austausch ist die Basisideologie der rechtsextre­men Identitären. Sie verwenden diesen bei jeder ihrer Aktionen, warnen davor und mo­tivieren andere, sich gegen den großen Austausch zur Wehr zu setzen, veranschau­licht anhand dieses Plakats. (Die Rednerin hält ein Bild einer Demonstration von An­hängern der Identitären Bewegung, die ein Transparent mit der Aufschrift „Bald sind wir eine Minderheit im eigenen Land“ „Stoppt den Austausch“ vor sich hertragen, in die Höhe.)

Herr Vizekanzler! Sie haben in den vergangenen Wochen versucht, die FPÖ aus ihren tiefen Verstrickungen mit den Identitären zu lösen. Doch es ist zu wenig und vor allem nicht ausreichend und nicht glaubwürdig. Wenn Sie es aber mit dieser Distanzierung wirklich ernst meinen, Herr Vizekanzler, dann nutzen Sie doch heute die Möglichkeit und stellen Sie hier im Hohen Haus fest: Der große Austausch, diese absurde Ver­schwörungstheorie der Identitären, hat keinen Platz in der FPÖ und auch keinen Platz hier im Hohen Haus! (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Herr Vizekanzler, lassen Sie es, auch vor dem Hintergrund Ihres eingangs erwähnten Engagements, nicht zu, dass Anhänger dieser terroristischen Ideologie weiterhin in der FPÖ eine politische Heimat finden. Ich bringe heute einen Entschließungsantrag ein, der Ihnen allen, werte Abgeordnete, die Möglichkeit gibt, sich klar von dieser terroristi­schen Ideologie des großen Austausches zu distanzieren. Distanzieren Sie sich heute davon!

Deswegen stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Distan­zierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des ‚Großen Austausches‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um in­nerhalb ihres Wirkungsbereichs die Bevölkerung darüber zu informieren, dass es sich beim so genannten ‚großen Austausch‘ um eine rechtsextreme Verschwörungstheorie handelt, die in der österreichischen Gesellschaft und Politik keinen Platz hat.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

16.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, LL.M., Kolleginnen und Kollegen

betreffend Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des „Großen Austausches“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage in der 72. Sitzung

Begründung

Martin Lichtmesz, einer der Chefideologen der „Neuen Rechten“ im deutschsprachigen Raum, übersetzte die Hassschrift von Renaud Camus: „Revolte gegen den großen Austausch“ ins Deutsche. In Folge wurde der Slogan vom „großen Austausch“ zum Schlachtruf der Identitären Bewegung. 2014 starteten die Identitären eine große On­line-Kampagne dazu1. „Der große Austausch“ [im Original: „The Great Replacement“] war auch der Titel des Pamphlets, mit dem der Neuseeland-Terrorist seine Taten rechtfertigen wollte.

Hinter der Formulierung „Der große Austausch“ versteckt sich eine rechtsextremisti­sche Verschwörungstheorie, die behauptet, „dunkle Mächte“ planen die weiße „Rasse“/ die „weiße Bevölkerung Europas“ gegen muslimische oder außereuropäische Einwan­dererInnen auszutauschen. So käme es, gemäß der Theorie des „großen Austau­sches“ in absehbarer Zeit zu einem „Untergang Europas“ oder einem „Genozid“.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um in­nerhalb ihres Wirkungsbereichs die Bevölkerung darüber zu informieren, dass es sich beim so genannten ‚großen Austausch‘ um eine rechtsextreme Verschwörungstheorie handelt, die in der österreichischen Gesellschaft und Politik keinen Platz hat.“

1 https://www.identitaere-bewegung.at/der-grosse-austausch/

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte.


16.59.30

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die Kollegen und Kolleginnen – ich glaube, es haben von der Freiheitlichen Partei heute bei dieser Debatte nur Kollegen gesprochen – mit: Angriff ist die beste Verteidigung!, reagiert haben, ist nicht weiter überraschend.

Schon überraschend und jedenfalls sehr bedauerlich ist, dass die Kollegen von der ÖVP mit Ablenkung – reden wir über etwas anderes! – reagiert haben und ihnen leider heute in dieser Debatte zum Thema Umgang mit dem erstarkenden Rechtsextremis­mus in Österreich sehr wenig eingefallen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen möchte ich noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen und noch einmal herausarbeiten, worum es uns in dieser Debatte wirklich geht. Es gibt die Grup­pe der Identitären – eine rechtsextremistische Gruppe, die sich formiert, die wächst.


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Um auch den Zusehern und Zuseherinnen zu veranschaulichen, worum es hier geht: Das ist eine Gruppe, die davon spricht, den Krieg zu beginnen, den Kampf bis aufs Messer zu führen, und bei der bei Hausdurchsuchungen tatsächlich auch Waffen ge­funden wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weil in diesen Debatten dann immer wieder von Mei­nungsfreiheit gesprochen wird, muss man ganz klar festhalten – und das würde hier zum Grundkonsens gehören –: Das hat mit Meinung nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie finanziert sich diese Gruppe? – Diese Gruppe finanziert sich durch Spenden, wo­bei sich immer wieder herausstellt, dass Spender sich im FPÖ-Umfeld bewegen, dass sogar Persönlichkeiten, die bei der Freiheitlichen Partei aktiv politisch tätig sind, zu den Spendern zählen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das war schon immer problematisch, aber jetzt sind Sie Regierungspartei, und da beginnt das Problem wirklich dramatisch zu werden, ge­fährlich zu werden, denn die Verstrickungen, die sich hier auftun, ziehen sich bis in die Ministerien hinein. Herr Vizekanzler, Sie haben es in der Beantwortung so dargestellt, als ob Ihnen das nicht bekannt wäre: Das ist in den letzten Tagen alles öffentlich in den Medien dargestellt worden, und wir sind auch gerne bereit, Ihnen ein entsprechendes Dossier zukommen zu lassen, um Sie in dieser Angelegenheit zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was auch noch dazukommt und die Sache noch einmal dramatischer macht, ist, dass es hier nicht um irgendwelche Ministerien geht – es gibt an sich nicht irgendwelche Mi­nisterien, da sind wir uns schon einig –, sondern es geht, unter anderem, um die bei­den Ministerien, die für die Sicherheit in unserem Land zuständig sind, es geht um das Innenressort und um das Verteidigungsressort. Diese beiden möchte ich besonders herausstreichen, denn diesen beiden freiheitlichen Ministern unterstehen 80 000 be­waffnete Sicherheitskräfte und drei Geheimdienste in unserem Land. Über die freiheit­lichen Ministerbüros beginnen sich da rechtsextremistische Netzwerke einzuschleusen und auszubreiten. Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, dem müssen wir gemeinsam Einhalt gebieten, da sind Sie doch hof­fentlich noch dabei! (Beifall bei der SPÖ.)

An dieser Stelle kann ich Ihnen nicht ersparen, den Herrn Bundeskanzler in die Pflicht zu nehmen, denn es ist seine Verantwortung, es ist seine Vereinbarung mit dem Re­gierungspartner, welche Ministerien der Freiheitlichen Partei überantwortet wurden. Der Herr Bundeskanzler ist ein bisschen verärgert, er rümpft die Nase, aber ich weiß nicht, ob er wirklich den Ernst der Situation begreift. Wirkliche Konsequenzen hat er je­denfalls noch nicht gezogen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die roten Linien werden verschoben, das ist heute schon gesagt worden. Die Freiheit­liche Partei verschiebt die roten Linien, und die ÖVP legitimiert diese Verschiebung. – Dem müssen wir gemeinsam ein Ende setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.04


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


17.04.30

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Werter Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Hohes Haus! Verehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, das von Toleranz, Anstand und Respekt allen gegenüber geprägt ist – mit einer einzigen Ausnahme, nämlich


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wenn es darum geht, eine klare Linie zum Extremismus zu ziehen, egal ob linker, rech­ter oder religiöser Extremismus.

Extrem bleibt extrem, ist menschenverachtend und eine Bedrohung für unsere liberale Gesellschaft. Wir alle, die wir hier im Hohen Haus sitzen, treten dafür ein, unsere Wer­te gegenüber allen, die sie in Frage stellen, zu schützen – und da frage ich mich schon, warum manchmal mit zweierlei Maß gemessen wird. Sie reden von Ablenkung, ich re­de von Tatsachen. Das, was in der Bundesregierung als ehrenrührig empfunden wird, nämlich eine Koalition mit der FPÖ, wird im Burgenland, in meinem Heimatbundesland, hoch gelobt. Ich erinnere an lobende Worte des ehemaligen Landeshauptmannes Hans Niessl, der immer wieder die gute Zusammenarbeit mit der FPÖ gepriesen hat, und auch der jetzige Landeshauptmann ist mit dieser Zusammenarbeit höchst zufrie­den. – Wo ist da bitte der Unterschied? Dort, wo die SPÖ in der Opposition ist, ist es ehrenrührig, und dort, wo sie in der Regierung ist, ist alles in Ordnung? – Das muss mir einmal jemand erklären. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Zitat des Philosophen Rudolf Burger passt da ganz gut dazu: Immer, wenn die SPÖ nicht in der Regierung ist, bricht der Faschismus aus. – Nur im Burgenland ist es offensichtlich anders. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie haben heute mehrmals von Konsequenzen gesprochen – Konsequenzen, die von­seiten der Bundesregierung sehr wohl gezogen werden, die ich aber manchmal in ei­nem anderen Zusammenhang schmerzlich vermisse. Ich erinnere an ein Interview ei­nes SPÖ-Abgeordneten in Kärnten, der sich dazu verstiegen hat, zu sagen: „Da halte ich mich an Goebbels, der gesagt hat: Das Volk muss fühlen, wer das Sagen hat.“ – Das war an einem 16. Dezember, er hat dann kurzfristig das Mandat zurückgelegt. Der Landesparteivorstand hat am darauffolgenden 7. Jänner eine Empfehlung abgegeben, dass der Abgeordnete sein Mandat behält – großartige Leistung! – So viel zum Thema Konsequenzen. (Zwischenruf des Abg. Nehammer.)

Kommen wir zum Rechtsextremismus: Ich komme aus Eisenstadt. In Eisenstadt ist das Österreichische Jüdische Museum beheimatet, das klar dokumentiert, welch unglaubli­ches Verbrechen an unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern begangen wur­de. Ich war vor Kurzem mit dem Leiter des Museums, Johannes Reiss, und dem slo­wakischen Botschafter am jüdischen Friedhof, und da hat sich natürlich auch eine Dis­kussion rund um Extremismus und Rassismus ergeben. Wir waren uns ganz klar einig darüber, dass all das, was an Wissen in diesem Museum dokumentiert ist, an unsere Kinder und Kindeskinder weitergegeben werden muss. Das ist auch Auftrag unserer Bildungspolitik, denn wir haben es mit der letzten Generation derer zu tun, die Zeugnis von diesen Gräueltaten ablegen können.

Ich trete aber auch für ein klares Bekenntnis gegen linken Extremismus ein. Der Name der SJ-Vorsitzenden Julia Herr ist heute schon mehrmals gefallen, und ich darf daran erinnern, dass sie auf der Liste der Kandidaten zur EU-Wahl der SPÖ an sechster Stel­le steht (Zwischenruf der Abg. Kucharowits– eine Kandidatin, die als Vorbild Vene­zuela erwähnt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Welches Vorbild? Menschenverachtung? Verfolgung? – Da frage ich mich schon: Messen Sie da mit zweierlei Maß? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Viele von Ihnen hier im Saal und zu Hause können sich noch an die 1960er- und 1970er-Jahre erinnern, als es schick war, Che Guevara auf das Titelblatt der Schüler­zeitungen zu setzen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2019, und es gibt immer noch Men­schen, die ihn verehren und ihm eine Büste setzen, nämlich das Rote Wien. Che Gue­vara, der Commentatore (Abg. Krainer: Comandante! – Heiterkeit bei der SPÖ), der nicht nur im Guerillakrieg tätig, sondern auch ein Verehrer der Kulturrevolution Chinas war – eindeutig: Menschenverfolgung, Menschenverachtung und mehrfacher, hundert-


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facher Mord –, und diesen verehrt das Rote Wien? Darüber muss ich aber wirklich nachdenken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wissen Sie, ich lebe Toleranz, ich bin beim Roten Kreuz, und zu den Grundsätzen des Roten Kreuzes zählen Menschlichkeit und Neutralität. Wir machen keinen Unterschied nach Rasse, Nationalität, Religion oder Ethnie. Ich hoffe, dass wir alle hier in diesem Raum uns darüber klar sind, dass niemand hier einen Unterschied machen darf, denn was zählt, ist der Mensch, und wir alle sind dazu berufen, diese Menschenwürde zu schützen, egal von wem sie angegriffen wird, ob von religiösen Extremisten, von links oder von rechts. Darin sehe ich unsere Verpflichtung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Damit genau dieses Bewusstsein bewahrt und weitergegeben wird, darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Nehammer, MSc, Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung von Lehrmaterialien“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage in der 72. Sitzung des Natio­nalrates

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob im Rahmen der im österreichischen Bildungswesen zur Anwendung gelangenden Lehrmaterialen ausreichend vor totalitä­ren Schriften und allenfalls damit in Verbindung stehenden Verschwörungstheorien ge­warnt und über deren Ursachen und Wirkungen aufgeklärt wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.10


Präsidentin Doris Bures: Dieser Entschließungsantrag ist somit ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.10.45

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Kollegin Zadić, weil Sie vorhin mit Ihrer Liste versucht haben, zu zeigen, wie lang die Liste der Einzelfälle wäre: Ich habe sogar von der dritten Reihe aus gesehen, dass da vermeintliche Einzelfälle drauf waren  wie zum Beispiel der Fall Udo Landbauer , die keine sind. Oder haben Sie da irgendetwas ge­richtlich Anhängiges gefunden? (Oh-Rufe bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Wissen Sie, was aber im Vergleich dazu interessant wäre? Eine Liste der gestoppten gerichtlichen Verfahren gegen Ihren Kollegen Pilz. Da würde mich interessieren, wie lang diese Liste wäre. Das sollten wir uns bei Gelegenheit einmal anschauen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vielleicht auch noch eingangs, bevor ich dann zum Debattenthema komme, eine Infor­mation für die SPÖ, die Herr Landeshauptmann Doskozil gerade ausrichtet: Ein Nein zu Rot-Blau sei nicht Parteilinie, sagt er Ihrem Spitzenkandidaten Schieder  auch sehr interessant. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Also vielleicht sollten Sie sich eher mit sich selbst auseinandersetzen, bevor Sie hier interessante Dinge in den Raum stel­len. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Rosenkranz: Das ist ja der eigentliche Obmann!)


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Aber zurück zu einer Dringlichen Anfrage, die offenbar nicht einmal die Sozialdemokra­ten mehr interessiert, denn wenn man in deren lichte Reihen schaut, ist schon er­kennbar, dass es ein sehr, sehr polemischer Ansatz ist, der hier gewählt wurde. Ich werde mich der Angelegenheit aber trotzdem ernsthaft nähern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, der Anker, den Sie im Zuge dieser Anfrage setzen, reicht in eine Zeit, hinsichtlich derer wir uns alle hier im Haus einig sind, dass wir alles Erdenkliche tun müssen, damit eine solche nicht mehr wiederkommt  und verlassen Sie sich darauf, wir werden das auch tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist auch eine Zeit, die die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte darstellt, und da­raus müssen wir auch unsere Lehren ziehen  und auch das werden wir tun. Das möchte ich Ihnen aber genauso ans Herz legen, meine sehr geehrten Damen und Her­ren von der Sozialdemokratie, denn wenn Sie genau diese Zeit dazu heranziehen, poli­tische Polemik zu betreiben, die Gesellschaft spalten und schlussendlich ein Klima er­zeugen, das auch in Gewalt münden könnte, machen Sie sich selbst zu möglichen Er­füllungsgehilfen eines Systems, das Sie augenscheinlich ablehnen wollen.

Die Begründung der Anfrage geht sehr weit in die Geschichte zurück. Ich möchte nicht so weit in die Geschichte zurückgehen, weil dazu schon alles gesagt wurde. Was ich aber machen möchte, ist: Ich möchte mich mit den letzten 17 Monaten und dem in Ös­terreich entstandenen politischen Stil auseinandersetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie.

Frau Kollegin Rendi-Wagner, können Sie sich noch erinnern, als im Zuge der Diskus­sion zur Arbeitszeitflexibilisierung nicht nur Millionen von arbeitenden Menschen von Ihnen mit Unwahrheiten verunsichert wurden, sondern Sie und Ihre Genossen einen politischen Akt gesetzt haben, der mehr als bedenklich war? Frau Kollegin Rendi-Wag­ner, Ihre roten Gewerkschafter waren es, die Pflastersteine und Grabkerzen vor die Häuser unserer Abgeordneten gestellt haben. (Abg. Rosenkranz: Unerhört! Unerhört!) Wissen Sie eigentlich, was damit in den Familien angerichtet worden ist? Wissen Sie, was Sie bei Kindern angerichtet haben, die das vor dem Haus vorgefunden haben, die entsetzt ihre Eltern gefragt haben, was hier vonstattengeht? Frau Kollegin Rendi-Wag­ner, Sie können ganz gerne herschauen! (Ruf bei der FPÖ: Nein, da schämt man sich!) Das ist eine Sache, die Sie zu verantworten haben  Sie und Ihre Genossen von der Gewerkschaft. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Abg. Heinisch-Hosek mit zwei Fingern zuerst auf ihre Augen und dann auf den Redner deutend : Wir hören Sie ...!)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Ihre Gestik und Ihre Mimik zeigen, dass Sie nervös sind, und das ist auch gut so. (Abg. Heinisch-Hosek auf ihre Augen und auf ihre Ohren deutend : Ich muss Sie nicht anschauen, es reicht, wenn ich Sie höre!) Wissen Sie, warum? Es gab keine Konsequenzen nach diesen Handlungen. Die gab es nicht. Wis­sen Sie, was eine Woche später passiert ist, Frau Kollegin Heinisch-Hosek? Da haben linke Aktivisten ein Feuer am Dach des Verkehrsministeriums entzündet. Ist das die Art und Weise, wie Sie Politik machen wollen? Gab es da Konsequenzen aus Ihren Rei­hen? Ich kann mich nicht daran erinnern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Im Gegenteil! Sie haben rhetorisch aufgeschärft. Gewerkschafter aus Ihren Reihen sprechen davon, die Regierung zu stürzen, in Kärnten behauptet eine SPÖ-Politikerin, die Opposition gehöre überhaupt gleich in ein Flugzeug der Ethiopian Airlines, in das Katastrophenflugzeug, das abgestürzt ist, und der Sohn des von Ihnen geschätzten Landeshauptmannes von Kärnten bezeichnet Österreich als eine „Nazion“. (Abg. Hö­bart: Ein Wahnsinn! Das ist echt ein Wahnsinn!) Frau Kollegin Rendi-Wagner, das blieb konsequenzlos, obwohl Sie immer so gerne Konsequenzen sehen? Wissen Sie, was Sie gemacht haben? Es war nicht nur konsequenzlos, sondern dieser Herr Kaiser kandidiert jetzt sogar noch auf einem wählbaren Platz bei den Wahlen zum EU‑Par-


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lament. Das sind Ihre Konsequenzen, Frau Kollegin Rendi-Wagner! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Extremismus jeglicher Art, egal ob linker oder rechter, muss strikt abgelehnt werden, darin sind wir uns einig. Da darf man auch nicht auf einem Auge blind sein. Das bringt mich auch schon zu der Frage, wie die Parteiführung der SPÖ darauf reagiert, dass Hoffnungsträger der Sozialistischen Jugend – bis jetzt keine Konsequenzen! – in Wie­ner Neustadt bei Herrn Wittmann den Geburtstag von Lenin feiern, einem der größten kommunistischen Massenmörder, die die Welt je gesehen hat. Den feiern Sie und Ihre Jugend, Kollege Wittmann! (Abg. Wittmann: Ihre Partnerpartei tut das auch!) Ich bin gespannt, wie Sie das erklären werden. Ich habe dafür kein Verständnis und erwar­te auch Konsequenzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe vorhin vom politischen Klima in diesem Land gesprochen und möchte der Sache auf den Grund gehen, was dazu geführt hat, zum Beispiel zur Aberkennung der Menschlichkeit des politischen Gegners, wie es die SPÖ und ihre Vorfeldorganisationen dauernd machen, indem der VSStÖ zum Beispiel Aufkleber verteilt, auf denen zu lesen ist: Finde die rechte Sau! (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner. Abg. Rosenkranz: Unerhört!) Frau Kollegin, das steht auf Ihren Aufklebern drauf, und daneben ist ein farbentragender Student zu sehen. Finde die rechte Sau! Das ist Ihre Diktion, und ich möchte wissen, was Sie dazu sagen, Frau Kollegin Rendi-Wagner. (Abg. Rosenkranz: Menschenverachtend!) Was sagen Sie dazu? Das ist Menschenverachtung pur. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Ruf bei der FPÖ: Menschenhatz!)

Frau Kollegin, ist Ihnen klar, was Sie und Ihre Genossen mit all diesen Dingen, mit die­ser Agitation für eine Saat in Österreich ausgesät haben? Ist Ihnen klar, dass Ihre Ge­nossen von der SPÖ Langenzersdorf Bilder posten und noch dazu steht drunter: Yes, we Pam! –, auf denen man den Kanzler und den Vizekanzler dieser Republik in Hakenkreuzform abgebildet sieht. Ist Ihnen das klar? (Abg. Drozda: ... Karikatur ...!) Ist Ihnen auch klar, welches Bild Sie dadurch im Ausland über Österreich zeichnen? Über­nehmen Sie die Verantwortung dafür? Es stünde Ihnen zu. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.  Abg. Drozda: Das war auch im „Kurier“! Kennen Sie den?)

Am Ende führen genau diese Aktivitäten dazu, dass sich auch Journalisten radikalisie­ren, wie zum Beispiel Herr Klenk in einem Tweet gestern, den er zwar wieder gelöscht hat, in dem aber trotzdem stand, er fände es gut, wenn Vilimsky für seine Frechheiten gegenüber Wolf nochmals den Taser-Selbsttest macht, diesmal aber ohne Polizisten und ohne Auffangen.

Frau Kollegin Rendi-Wagner, das ist das Klima in der Gesellschaft, das Sie erzeugen. Ich möchte Ihnen daher am Ende meiner Ausführungen einen Spruch aus dem Talmud mitgeben, der gerade für die Sozialdemokratie sehr, sehr wichtig wäre. Beherzigen Sie ihn und handeln Sie auch danach: Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenruf der Abg. Erasim. Abg. Kuntzl: Das schreiben Sie sich sel­ber ins Stammbuch!)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Muna Duzdar. – Bitte.


17.19.18

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Ich habe jetzt


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sehr aufmerksam den Rednern, den Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP und der FPÖ zugehört. Sie haben über alles geredet, sie haben nur nicht zum Thema Rechts­extremismus und Umgang mit Rechtsextremismus gesprochen (Rufe bei der ÖVP: O ja! Abg. Haubner: Besser aufpassen!), und auch nicht über die politische Verantwor­tung derjenigen in diesem Land, die Rechtsextremismus salonfähig gemacht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Nehammer, ich habe heute ganz besonders hingehört und eben sehr aufmerk­sam zugehört. Eines ist bei Ihren Reden besonders auffällig (Ruf bei der ÖVP: Dass sie gut waren!): erstens einmal, dass sie sehr selten inhaltlich sind, sehr selten sachlich sind (Abg. Zarits: Was?!), und zweitens, dass sie sich ausschließlich dadurch aus­zeichnen, dass Sie die Sozialdemokratie verbal angreifen. (Beifall bei der SPÖ. Zwi­schenruf des Abg. Nehammer.)

Allein schon von Ihrer Körpersprache: Wenn Sie sich hier ans Rednerpult stellen, dre­hen Sie sich immer automatisch zu uns! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. Abg. Wö­ginger: Das seid ihr nicht gewöhnt!) Ich frage mich, warum, Kollege Nehammer, denn es geht heute nicht um die Sozialdemokratie; das ist einfach eine Themenverfehlung! (Beifall bei der SPÖ. Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)

Es geht um das Thema Rechtsextremismus und die politische Verantwortung des ös­terreichischen Bundeskanzlers – darum geht es. Daher würde ich Sie bitten, sich beim nächsten Mal das Thema der Dringlichen Anfrage genau anzuschauen! (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Sie heute von sich gegeben haben, war nämlich im Grunde genommen nichts anderes als ein reines Ablenkungsmanöver, und ich finde es bezeichnend, dass all die­se Vergleiche, die heute angeführt wurden, in Wirklichkeit nur dazu dienen, Ihre politi­sche Verantwortung zu verharmlosen und Dinge schönzureden und zu relativieren. Sie wollen sich nicht mit dieser politischen Verantwortung auseinandersetzen! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Wöginger: Jetzt hat’s das Röhrl komplett zerrissen!)

Wenn Sie, Herr Kollege Nehammer, sich heute hierherstellen und sagen, Bundeskanz­ler Sebastian Kurz ist so verantwortungsbewusst, immer, wenn eine rote Linie über­schritten wird, dann ist er der Erste, der darauf hinweist und das feststellt, dann stelle ich schon die Frage in den Raum: Haben Sie eigentlich nicht gewusst, wer die FPÖ ist? (Heiterkeit bei der ÖVP. Abg. Strasser: Was ist im Burgenland? Weiterer Ruf bei der ÖVP: Habt ihr mit Doskozil nicht gesprochen? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Hat der Bundeskanzler damals, als er diese Regierungsbeteiligung zustande gebracht hat, nicht gewusst, dass die FPÖ in Wirklichkeit seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten Beziehungen zu rechtsextremen Parteien (Abg. Rosenkranz: Zu wel­chem Thema sprechen Sie?), Naheverhältnisse zu einer rechtsextremen Szene hat?

Daher empfinde ich das als mehr als nur scheinheilig, das empfinde ich als Frotzelei, als Verhöhnung der Bevölkerung ... (Abg. Wöginger: Das ist ein Ordnungsruf! Abg. Schwarz: „Scheinheilig“ geht gar nicht! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich würde Sie bitten, den Ausdruck scheinheilig zurückzunehmen und dann in Ihrer Rede fortzufahren.


Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (fortsetzend): Gut, dann nehme ich den Begriff scheinheilig zurück und sage heuchlerisch. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Wöginger: Das ist ja noch ärger! Abg. Rosenkranz: „Zurück! du rettest den Freund nicht mehr“!)


Präsidentin Doris Bures: Diese Ausdrucksweise hatten wir heute schon mehrmals, wie Sie sehen können, wenn Sie sich die Stenographischen Protokolle zur Lektüre nehmen. Viel besser ist es nicht. Ich würde darum bitten, dass man sich jetzt am Ende


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dieser Debatte bei aller Emotionalität noch einmal darum bemüht, diese so zu führen, dass wir die Würde des Hauses nicht verletzen. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.


Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (fortsetzend): Es ist eine Verhöhnung der Bevöl­kerung, wenn die ÖVP, wenn die Türkisen, wenn Sebastian Kurz heute so tut, als ob er nie gewusst hätte, wer die FPÖ ist und welche Verbindungen und Verstrickungen die FPÖ zur rechtsextremen Szene hat. Es geht heute um nichts anderes als um die politi­sche Verantwortung, und er trägt diese politische Verantwortung. Sebastian Kurz trägt die politische Verantwortung, denn allein aus Machtgier, aus Machtbesessenheit hat er mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ rechtes, rechtspopulistisches, rechtsextremes Gedankengut in Österreich salonfähig gemacht (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Strache), und das soll man so beim Namen nennen.

Daher sage ich ganz klar und deutlich: Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dem Anse­hen Österreichs damit geschadet. Schämen Sie sich, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Haubner: Das ist ein Wahnsinn! Abg. Zarits: Das ist wirklich ein Wahnsinn! Abg. Wöginger: Das hat’s euch zerrissen heute, das Röhrl! Kollateral­schaden ...!)

17.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Efgani Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.24.59

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Kollegin Duzdar und KollegInnen aus den Reihen der SPÖ! Ihr Kampf gegen Rechtsextremismus in allen Ehren, aber Hand aufs Herz: Würden Sie genauso vehe­ment (Abg. Neubauer: Graue Wölfe!) gegen die Grauen Wölfe, die türkischen Rechts­extremisten, die unter anderem ein sehr willkommener Ansprechpartner Ihres SPÖ-Bürgermeisters in Linz sind, oder Leute, die aus einem islamistisch-nationalistischen Umfeld der Millî Görüş kommen und bei Ihnen Sprecherfunktionen und Gemeinderats­funktionen bekleiden, vorgehen, dann wäre das Ganze authentisch! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Sobotka: Hört, hört!)

Ich bin im Salzkammergut aufgewachsen, in Gmunden, und in den Neunzigerjahren war das wahrlich nicht lustig, wenn man da mit dunkler Hautfarbe und anderem Ausse­hen durch die Stadt gegangen ist und die Leute der rechtsextremen Vapo, die sich um Gottfried Küssel formiert haben, Lokalitäten in Gmunden in Besitz genommen haben und einfach Leute nach Aussehen angepöbelt und niedergeprügelt haben. Das ist nicht lustig! Das ist kein schönes Klima, das wünsche ich niemandem. Es kann aber nicht sein, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass man, wenn man für die Heimat eintritt, wenn man einen Patriotismus, einen gesunden Patriotismus an den Tag legt, wenn man Probleme benennt, die es zweifelsohne im Zusammenleben gibt, als Rassist, als Rechts­extremist und als islamophob abgestempelt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es steht mir nicht zu, als Mandatar ohne Fraktionszugehörigkeit in Richtung einer Par­tei eine Empfehlung abzugeben, aber ich erlaube es mir dennoch, insbesondere an die Mandatsträger der Freiheitlichen Partei, auf Gemeindeebene, auf Landesebene und teil­weise auch im Nationalrat: Dass wir heute diese Themen diskutieren, ist teilweise eige­nen Entgleisungen und Dummheiten geschuldet. Dass sich unser Herr Vizekanzler heute hierhersetzen muss und diese Thematik überhaupt aufs Tapet kommt, ist meiner Mei­nung nach wirklich entbehrlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)


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Nennen wir die Dinge beim Namen, wenn es Probleme gibt, aber diffamieren wir nicht Leute aufgrund ihrer Herkunft oder Religionszugehörigkeit oder ethnischen Abstam­mung! Es gilt, gemeinsam für Werte, für Haltungen einzutreten, und es ist wurscht, wer von wo abstammt, denn was zählt ist nicht die Herkunft, sondern das Verhalten, und für dieses ist jeder selbst verantwortlich. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.28


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Peter Witt­mann. – Bitte. (Rufe bei FPÖ und ÖVP: Nein! Jössas na! Der Lenin!)


17.28.42

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich kann bei der Rede von Frau Abgeordneter Griss anschließen: Ich glaube, dass das Problem, das sich darstellt, ist, dass sich durch diese vielen Einzelfälle die Grenzen verschieben und vieles toleriert wird, was vor Jahren nicht tolerierbar gewesen wäre.

Es geht mir nicht um diese Einzelfälle, die immer wieder aufkeimen und die man dann versucht, in den Griff zu kriegen, aber für mich ist es dann schon verwunderlich, dass ein Innenminister, ein Innenminister der Republik Österreich bei einer Kundgebung der Verteidiger Europas, die sich als Rechtsradikale bezeichnen und als solche auch ein­geladen haben, die auch Identitäre eingeladen haben, sagt, das sei seine Ideologie, die Ideologie seiner Partei.

Dann wird es gefährlich, denn dann trägt man diese Ideologie, die man bekämpfen will – ich will gar nicht abstreiten, dass Sie einiges versuchen –, in die Regierung, und dann lebt man sie hier, und auch die personelle Verschränkung in den einzelnen Minis­terien, die personelle Verschränkung in den Kabinetten ist ja das Gefährliche.

Ich habe mir die Mühe gemacht, einen Politikwissenschafter herauszusuchen, Law­rence Britt – den empfehle ich jedem und das ist wahrscheinlich für die ÖVP interes­sant –, der 14 Merkmale für rechtsradikale Regimes, von Hitler bis Pinochet, unter­sucht hat: zunächst starker und anhaltender Nationalismus – Sie können für sich selbst entscheiden, wie weit wir sind –, Missachtung der Menschenrechte – ich erinnere an die Sicherungshaft –, gemeinsames Feindbild wird geschaffen, Vorrang des Militärs (Abg. Gudenus: Rumänien!), Sexismus, kontrollierte Massenmedien – ich weiß schon, dass dieser Spiegel etwas schwierig ist, weil Sie bis jetzt zu allem Ja sagen konnten (Beifall bei SPÖ und NEOS) –, Fokussierung auf nationale Sicherheit (Abg. Martin Graf: Klingt ganz nach Chávez!), Verknüpfung von Staat und Religion, unternehmerische Macht wird unterstützt, gewerkschaftliche Macht wird unterdrückt, Missachtung von Intellek­tuellen und Geisteswissenschaften – Ihr Umgang mit den Künstlern (Beifall bei der SPÖ) –, Fokussierung auf Kriminalität und härtere Haftstrafen, Korruption und Vettern­wirtschaft.

Und jetzt (Zwischenrufe bei der ÖVP) überlegen Sie für sich selbst, wie weit wir sind! Ich glaube, wenn sich jeder diesen Spiegel vorhält, dann wird er draufkommen, dass wir dort einen ziemlich weiten Weg gegangen sind. Wir sind einen ziemlich weiten Weg gegangen und es kann mittlerweile ein Innenminister in dieser Republik sagen, er gehört dieser Ideologie an, die Sie versuchen, zu bekämpfen. Er sagt das von selbst, das können Sie im Fernsehen nachschauen, das gibt es auf YouTube alles noch. Das ist das Gefährliche. Und dann geht ein Spitzenkandidat bei der Europawahl her und bedroht einen Journalisten, weil er ihm nicht die Fragen stellt, die er gerne gehört hätte (Abg. Neubauer: Das hat Kern auch gemacht!), und sagt, er schmeißt ihn hinaus. – Was ist das für eine Einstellung, die man immer weiter hinaustreibt und in Wirklichkeit


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damit die Demokratie vorführt? Daher ist das der berechtigte Antrag, um Sie zu Kon­sequenzen zu bringen.

Ich bin der Meinung des Abgeordneten Rosenkranz (Abg. Rosenkranz: Ui, das ist ge­fährlich!) – es ist eine Frage des Wahlkampfes, aber wie naiv muss man denn sein, dass etwa bei der Niederösterreich-Wahl permanent von der ÖVP jemand vor den Vor­hang gezogen wird? Wie naiv muss man denn sein, dass man glaubt, das sind die So­zialdemokraten? Wie naiv muss man sein? (Beifall bei der SPÖ.) Die wissen genau, wer bei euch in den Kabinetten sitzt. Die werden bei der nächsten Wahl den Nächsten hervorzaubern. Das ist doch nicht unser Problem, das ist euer Problem, das ihr mit ih­nen habt, dass nämlich bei jedem Wahlkampf irgendjemand vor den Vorhang geholt wird. Und die Naivität, dass das irgendjemand anderer sein sollte, die bleibt Ihnen vor­behalten. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Rosenkranz: Der Peter Wittmann als Schutzpatron der SPÖ!)

17.32


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte.


17.33.10

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren hier und vor den Fernsehschirmen! Was wir hier heute gesehen haben, ist wirklich er­staunlich: Wir haben hier ein Gespenst an die Wand gemalt bekommen, jetzt zuletzt auch noch, als würde der Nationalsozialismus aufkeimen. Es ist unglaublich, was ich hier von mehreren Vertretern gehört habe. Auch Kollegin Griss, die an sich ja eigentlich sonst immer sehr vernünftig spricht, bringt ein Zitat, bei dem es darum geht, dass der Nationalsozialismus wieder kommt. Frau Kollegin Kuntzl spricht ohne Namensnennung davon, dass im Innenministerium Rechtsextremisten eingewandert sind, dass die ein Netzwerk gebildet haben und dass mehr oder weniger alle bewaffneten Kräfte in der Polizei dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind. (Abg. Rendi-Wagner: Das hat sie nicht gesagt!) – Aber Sie haben keinen Namen genannt, Sie haben hier alle ein Ge­spenst an die Wand gemalt (Abg. Rosenkranz: Ein Bild!), Sie haben hier ein Bild ge­malt, das überhaupt nicht der Realität entspricht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Kollege Wittmann stellt sich hierher und führt an, was zu einem rechtsextremen Staat führt. Es ist absurd, mit Verlaub gesagt. Wirklich, ich habe nicht geglaubt, dass ich mich heute noch zu Wort melden muss, weil ich gedacht habe, diese Diskussion könn­te ja eigentlich noch vernünftig ablaufen. Ich will hier jetzt auch nicht vorwerfen, was andere Parteien auch gemacht haben, gerade in Wiener Neustadt, indem ich mich hierherstelle und sage, ich zähle die 14 Punkte auf, wie Rechtsradikalismus oder ein rechtsradikaler Staat entsteht, und die eigene Jugend ehrt Lenin. (Abg. Wittmann: Das ist Ihre Partnerpartei!) Da brauche ich gar keine Stufen mehr, Lenin hat diese Stufen alle in einem übersprungen und Millionen Menschen umgebracht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Und Sie stellen sich hierher und glauben tatsächlich, dieses Bild an die Wand malen zu müssen.

Wir haben ganz klargemacht, dass wir jede Form von Extremismus ablehnen – linken, rechten und religiös motivierten. Der Vizekanzler hat es gemacht, er hat es auch in den letzten Jahren bewiesen, er hat auch bewiesen, wie er Demokratie sieht. Demokratie aber heißt immer auch, dass man auch die Meinung des anderen respektiert. Und dort, wo dann der Rechtsstaat einzuschreiten hat, dort, wo der Extremismus tatsächlich ge­fährlich wird, dort muss er auch einschreiten. Dafür ist aber nicht ein Journalist ver­antwortlich, dafür ist nicht irgendein privater Verein verantwortlich, dafür sind nicht


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selbsternannte Rechtsextremismusexperten verantwortlich, die üblicherweise selbst aus dem linksextremen Spektrum kommen, nachgewiesenermaßen. Die bestimmen nicht, was extrem im Sinne von verboten ist, sondern das entscheiden bei uns Gerichte und dafür haben wir den Rechtsstaat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben in Österreich eine der strengsten Gesetzgebungen der Welt, wenn es darum geht, nationalsozialistische Wiederbetätigung und Verhetzung zu verfolgen. Das haben wir, unser Rechtsstaat funktioniert, und ich nehme nicht an, dass das hier jemand infra­ge stellt. Was Sie in Wirklichkeit machen wollen, ist: Sie fordern für sich selbst Mei­nungsfreiheit ein, wollen sie aber anderen nicht gewähren. Das funktioniert in der De­mokratie nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie sprechen davon: Ja, wenn man diese Ideologie hat, dann wird es gefährlich, wenn man so eine Geisteshaltung hat, dann wird es gefährlich. – Das ist in Wirklichkeit die Art und Weise, wie Sie hier vorgehen – und das stört mich. Wenn Sie wirklich neutral sagen würden: Es ist absolut abzulehnen, dass man Menschen mit Tieren vergleicht!, gut, da bin ich Ihrer Meinung – ich finde das furchtbar, geschmacklos und letztklassig –, aber dann sagen Sie es und sagen Sie es allgemein und nicht nur auf eine Partei oder auf eine Gruppierung zeigend. Wenn Sie es allgemein sagen, dann können wir das ge­meinsam unterschreiben.

Das tun Sie nicht. Warum tun Sie es nicht? – Weil es hier ja um eine ganz andere De­batte geht. Es geht darum, eine erfolgreiche Regierung möglichst zu zerstören, und es geht darum, im Wahlkampf noch irgendwo Erfolg zu haben. Um nichts anderes geht es. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und wenn eine Abgeordnete Che Guevara nicht richtig bezeichnet, dann lachen Sie. Sie hat gerade festgehalten, dass der auch ein Massenmörder war, der von vielen aus der linken Szene immer wieder verehrt wurde. Dann lachen Sie, denn Sie kennen sich da so gut aus und stellen sogleich fest: Da ist die falsche Bezeichnung getroffen wor­den! – Sie merken nicht, wie unsensibel Sie hier in Wirklichkeit agieren. Sie zeigen mit dem Finger auf andere und sind völlig unsensibel, wenn es darum geht, auch diese Dinge zu benennen. (Abg. Lindner: Wer hat denn dieses Leiberl gehabt? Ihr Bundes­parteivorsitzender!)

Ich wollte hier nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern ich fordere nur ein, dass Sie das machen, was in einer Demokratie wichtig ist, nämlich dass man andere Meinungen zulässt. Die können durchaus auch so sein, dass sie vielleicht geschmack­los sind und uns auch nicht gefallen und wir uns als Partei auch davon abgrenzen, aber solange der Rechtsstaat nicht einschreitet, sind sie zulässig, und ich bin froh, dass es so ist, und das ist ein Zeichen für eine freie Gesellschaft. Ich hoffe nicht, dass hier jemand etwas anderes will, denn das wäre nämlich wirklich ein Schritt in eine to­talitäre Gesellschaft. Die wollen wir nicht, die haben Lenin und Konsorten vertreten. Das ist eine Geisteshaltung, die wir tatsächlich ablehnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.38.44


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die De­batte geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Leicht­fried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler“ Strache gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.


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Da zu solch einem Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für diesen Misstrauensantrag ausspre­chen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Za­dić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Distanzierung von der rechtsextremen Ver­schwörungstheorie des ‚Großen Austausches‘“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diese Entschließung aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Nehammer, Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung von Lehrmaterialien“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 71)

17.41.18Kurze Debatte: Steigende Treibhausgase im Verkehr


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie mit der Ordnungszahl 2898/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt; wir gehen gleich in die Debatte ein.

Ich erteile Herrn Klubobmann Mag. Bruno Rossmann das Wort. – Herr Klubobmann, Sie wissen, Ihre Einleitung darf 10 Minuten dauern. Bitte.


17.41.55

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, Themenwechsel, vom Rechtsextremismus zum erneuten Anstieg der Treibhausgas­emissionen im Verkehrsbereich.

Die aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes betreffend Treibhausgasbilanz zeigen für 2017 einen weiteren Anstieg der Treibhausgase. Dieser weitere Anstieg der Treib­hausgase hat dazu geführt, dass die im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Grenzwerte, die erlaubten Höchstwerte um etwa 5 Prozent überschritten worden sind. Einer der Haupttreiber bei den Emissionen von Treibhausgasen ist – das ist seit Langem be­kannt und nichts Neues – der Verkehrsbereich.

§ 3 Abs. 2 des Klimaschutzgesetzes schreibt auch vor, was bei Überschreitung der Höchstgrenzen von Treibhausgasemissionen zu passieren hat, dass nämlich auf Basis einer Evaluierung bereits gesetzter Maßnahmen umgehend weitere Verhandlungen über Maßnahmen zu führen sind. Ab Bekanntwerden der Überschreitung ist nach mei­nem Verständnis des Klimaschutzgesetzes eine sechsmonatige Frist dafür vorgese­hen.

Ich wollte nun vom Herrn Bundesminister für Verkehr in einer aktuellen Anfrage wis­sen, welche Sofortmaßnahmen er angesichts der desaströsen Treibhausgasbilanz ins Auge fassen und wann er ein Maßnahmenpaket vorlegen wird. Er antwortet zunächst einmal in epischer Breite, warum es zu einer starken Emission von Treibhausgasen im Verkehrsbereich gekommen ist. – Das war nicht meine Frage, Herr Verkehrsminister,


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das wissen wir selbst, das ist ausreichend dokumentiert. Ich wollte von Ihnen auch kei­ne Problembeschreibung haben, Herr Verkehrsminister, ich wollte von Ihnen problem­lösende Maßnahmen hinsichtlich Emissionen im Verkehrsbereich haben.

Schauen wir uns eine Kernpassage aus der Beantwortung der Fragen 1 bis 5 an, in der es um diese Sofortmaßnahmen geht. Da schreiben Sie uns: „Die nun zu erfolgende se­riöse Evaluierung der gesetzten Maßnahmen erfordert seine Zeit“ – ihre Zeit wohl – „und ist eine unabdingbare Voraussetzung für mögliche weitere Verhandlungen.“ – Na ja, dass die Evaluierungen seriös sein sollen, davon gehe ich wohl aus, sonst braucht man keine Evaluierungen zu machen.

Sie schreiben weiter: „Nach dieser Bewertung wird es die herausfordernde Aufgabe der Expertinnen und Experten aller am Prozess beteiligten Institutionen sein, für die politischen Entscheidungsträger Vorschläge für die notwendigen weiteren Schritte zur möglichen Umsetzung erforderlicher Sofortmaßnahmen vorzubereiten.“

Ja, jetzt stellt sich natürlich die Frage, und dahin gehend war ja auch die Anfrage ge­stellt, an welche Maßnahmen Sie denken. Mir ist schon klar, im Prozedere ist zunächst diese Evaluierung vorgesehen, dann sagen die Experten, welche Maßnahmen gesetzt werden sollen, und Sie entscheiden darüber. Es gibt aber beispielsweise den „Sach­standsbericht Mobilität“ des Umweltbundesamtes, da sitzen ja auch lauter Experten, die viel davon verstehen, dort werden 100 Maßnahmen genannt. Diese, Herr Minister; fallen nicht ausschließlich in Ihren Zuständigkeitsbereich, das ist schon richtig, aber aus diesen 100 Maßnahmen hätte es natürlich ein Potpourri von Maßnahmen gege­ben, die sehr wohl in Ihren Zuständigkeitsbereich fallen, und da hätte mich natürlich schon interessiert, welchen Maßnahmen Sie da nahetreten werden, denn dass es im Verkehrsbereich nicht fünf vor zwölf ist, sondern fünf nach zwölf, das wissen wir.

Meine Fragen an Sie: Sind diese Evaluierungen schon im Laufen? Welche Expertinnen und Experten, die Ihnen die Sofortmaßnahmen zusammenstellen werden, werden Sie heranziehen? Reicht es nicht, den Sachstandsbericht heranzuziehen? Wann werden wir erste substanzielle Schritte in Richtung einer Reduktion der Treibhausgase sehen?

Schamloser als Sie in dieser Anfragebeantwortung Ihre Untätigkeit offenlegen, geht es gar nicht mehr, Herr Minister. Wir wissen ja, dass in Ihrem Bereich bislang wenig pas­siert ist, dass sogar Kontraproduktives passiert ist, nämlich der Pilotversuch Tem­po 140. Auch dazu habe ich eine Frage gestellt, die Frage 9. Ich wollte von Ihnen wis­sen, ob Sie bereits vor Beginn der Testphase zu Tempo 140 wussten, dass die durch­schnittliche Geschwindigkeit auf dem dritten Fahrstreifen der Teststrecken bei über 140 km/h lag und ob das einen Einfluss auf Ihre Entscheidung für diesen Pilotversuch gehabt hat. – Und Sie, Herr Minister, antworten mir auf beide Fragen mit: „Nein.“

Das hat mich ehrlich gesagt schon verwundert. Warum hat mich das verwundert? – Es gibt ein Gutachten, und dieses Gutachten (ein Schriftstück in die Höhe haltend), nehme ich an, kennen Sie: ein Gutachten für die Asfinag, erstellt vom Ziviltechnikerbüro Nast Consulting. In diesem Gutachten ist auf Seite 13 nachzulesen, dass es sehr wohl Über­schreitungen des Tempolimits von 130 km/h gegeben hat, also auf den nunmehrigen Teststrecken Geschwindigkeiten von teilweise über 140, sogar 145 Kilometer pro Stun­de gefahren wurden.

Warum können Sie mir da, Herr Minister – das müssen Sie mir jetzt einmal erklären –, mit Nein antworten? Das Gutachten ist vom 30. Mai 2018. Wann ist der Testversuch auf den Pilotstrecken gestartet worden? – Im Juli 2018, Herr Minister. Also dieses Gut­achten war zeitlich eindeutig davor, daran können Sie nicht deuteln.


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Jetzt kann man Sie natürlich fragen: Warum antworten Sie mir mit Nein? Ist Ihnen das völlig egal gewesen? – Mag sein. Oder haben Sie dieses Gutachten ausschließlich deshalb erstellen lassen, weil Sie es brauchen, um einen Testversuch zu einer Erhö­hung von Tempo 130 zu machen, die im Verordnungswege geregelt werden kann? Wenn Sie – nach der Straßenverkehrsordnung – die Geschwindigkeit erhöhen wollen, dann brauchen Sie nämlich ein Verkehrsgutachten, das attestiert, dass dadurch der Verkehrsfluss begünstigt wird. Das steht auch in dem Gutachten drinnen – auch, sage ich –, aber es wird nicht begründet. Was ist denn das für ein Gutachten, Herr Minis­ter? – Das ist ein Gefälligkeitsgutachten, nichts anderes. Ich habe mich bei Experten und Expertinnen der TU schlaugemacht, und die sagen, der Verkehrsfluss wird durch eine Erhöhung des Tempolimits nicht erhöht, ganz im Gegenteil.

Das ist ja höchst obskur, was Sie mir da geantwortet haben, und das schreit geradezu nach einer Erklärung. Lassen Sie sich, Herr Minister, gute Argumente einfallen!

Dann würde mich noch interessieren: Warum haben nicht Sie diese Studie beauftragt? Warum wurde diese Studie von der Asfinag beauftragt? Wie viel hat diese Studie ge­kostet? War das nicht verschwendetes Steuergeld? – All das sind Fragen, auf die ich von Ihnen gerne eine Antwort hätte.

Ich fasse zusammen: Diese Anfragebeantwortung zu einem der größten Klimasünder­bereiche, dem Verkehrsbereich, bleibt inhaltlich extrem dürr, obwohl der Hut brennt. Noch einmal: Schamloser als mit dieser Anfragebeantwortung kann man seine eigene Untätigkeit nicht offenlegen.

Wenn Sie so weitermachen – das wissen Sie selber –, droht im Klimabereich ein De­saster. Es drohen Strafen in Milliardenhöhe, von 8 Milliarden Euro ist die Rede; und diese Strafen, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs zu zahlen ha­ben werden, Herr Verkehrsminister, werden Sie, wenn Sie nicht demnächst tätig wer­den, zu verantworten haben. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

17.51


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Hofer zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Minister, Sie wissen, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschrei­ten. Sie haben das Wort.


17.51.30

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin, ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Ich darf aber zunächst auf das Gutachten eingehen: Herr Rossmann, Sie müssen wissen, dass es betreffend ver­kehrspolizeiliche Verordnungen auf Autobahnen eine übliche Vorgangsweise ist, dass Gutachten von der Asfinag beauftragt werden. Das ist in allen Bereichen so und war auch hier so; „Gefälligkeitsgutachten“ weise ich wirklich auf das Schärfste zurück. Der Sachverständige unterliegt auch in diesem Fall einer erhöhten Haftung, deswegen bitte ich, jetzt keine Vorwürfe zu tätigen, die unhaltbar, unrichtig sind. (Abg. Rossmann: Warum hat er es nicht begründet?) – Was meinen Sie mit „begründet“? (Abg. Ross­mann: Dass der Verkehrsfluss erhöht wird, nur durch erhöhte Tempolimits ...!) – Es ist bei dieser Bestimmung das tatsächlich gefahrene Tempo kein Kriterium, sondern es geht um Fragen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs und Fragen der Ver­kehrssicherheit, Herr Rossmann.

Zweitens: Sie haben nach der Durchschnittsgeschwindigkeit gefragt. Bitte verwechseln Sie v85, v95 nicht mit der Durchschnittsgeschwindigkeit! Das sind völlig unterschiedliche Zahlen. v85 heißt, dass 85 Prozent der Autofahrer eine Geschwindigkeit unter diesem Wert fahren, v95, dass 95 Prozent unter diesem Wert sind.


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Die Zahlen sind folgendermaßen: Wir haben im Bereich der Durchschnittsgeschwindig­keit einen Wert, der weit unter 140 km/h liegt – wenn ich jetzt den Zettel noch finde (in seinen Unterlagen blätternd), dann werde ich Ihnen das gleich sagen. Es wäre für mich kein Kriterium gewesen, denn in Wirklichkeit wäre das sogar eine Bestätigung dessen gewesen, was ich vorhabe, nämlich dass 140 km/h eine Geschwindigkeit ist, die auch tatsächlich gefahren wird. Sie verwechseln v85, v95 mit der durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeit. Sie können auch nicht die Geschwindigkeit an ganz bestimmten ein­zelnen Tagen hernehmen und daraus den gesamten Durchschnitt errechnen. Das ist wirklich ein großer Unterschied, darauf möchte ich nachdrücklich hinweisen.

Das Gutachten zeigt, dass auf dem dritten Fahrstreifen im Bereich Niederösterreich, Einzeltagmessung, in Fahrtrichtung Walserberg von 5 Uhr bis 17 Uhr – da haben Sie recht – die Geschwindigkeit überwiegend bei 140 bis 145 km/h liegt; aber nicht der Durchschnitt, sondern überwiegend. In der anderen Fahrtrichtung, Wien-Auhof, lag sie bei 140 km/h, und im Bereich Oberösterreich liegt dieser Wert, den ich vorhin genannt habe, überwiegend bei 125 km/h. Wenn man nun die Messungen auf diesen beiden Teststrecken zusammennimmt und über die Werktage verteilt, bekommt man Ge­schwindigkeiten von 135 km/h bei der ersten Messung im Mai und von 137 km/h bei der zweiten Messung, die später durchgeführt worden ist. Das ist die Durchschnittsge­schwindigkeit.

Nun zu den Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Verkehr, die uns allen ein großes An­liegen sein müssen: Das Wesentlichste und Wichtigste, das wir bei allen anderen Maß­nahmen, die es im Rahmen des Individualverkehrs gibt, tun können, ist: Schiene, Schiene, Schiene, öffentlicher Verkehr. Dort erreicht man am meisten. Wir haben im Bereich Schiene einen Verkehrsträger, der in einem hohem Ausmaß elektrifiziert ist. Wir wollen bis 2030 die Elektrifizierung noch weiter, auf 85 Prozent, steigern. Das kos­tet natürlich viel Geld, aber es rechnet sich auch. Das Ziel ist, jede Strecke in Ös­terreich auch elektrisch betreiben zu können.

Wir sind in der Europäischen Union das Bahnland Nummer eins. Die Schweiz ist noch stärker, aber in der Europäischen Union sind wir hinsichtlich gefahrener Kilometer pro Person wirklich die Nummer eins. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir investieren alleine in die Schieneninfrastruktur 13,9 Milliarden Euro.

Jetzt fragen Sie: Warum ist das so hoch? – Schauen Sie sich einmal die Zahlen im Vergleich 2016/2017 an! Allein in diesem einen Jahr gibt es ein Plus von 3 Prozent. – Plus 3 Prozent! Warum? – Weil es immer mehr gefahrene Fahrzeugkilometer gibt, und weil wir unter dem Transit leiden. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Als kleines Land leiden wir massiv unter dem Transit.

Ich glaube, auch Sie waren dafür, dass wir Mitglied der Europäischen Union werden. Als Mitglied der Europäischen Union unterliegen wir gewissen Regeln. Wir können nicht einfach die Grenzen zumachen und sagen: Es darf kein Lkw und kein Pkw dieses Land durchqueren! Das können wir nicht, aber ich habe die Experten im Verkehrsmi­nisterium – und dort gibt es hervorragende Experten – gebeten, zu prüfen, welche Möglichkeiten wir europarechtlich haben, damit Transit auch stärker belastet wird.

Ein guter Freund von mir hat vor wenigen Wochen einen schwer kranken Kollegen aus Spanien mit einem VW-Bus nach Hause gebracht. Die Tagesmaut, die auf dieser Stre­cke in einzelnen Ländern zu bezahlen ist – 100 Euro und mehr –, ist wesentlich teurer als das, was Sie in Österreich bezahlen müssen, wenn Sie dieses Land queren. Das betrifft den Pkw-Verkehr und auch den Lkw-Verkehr. Das heißt, wir müssen darüber nachdenken, wie man maßvoll auch den Transit stärker zur Kassa bitten kann, damit wir Maßnahmen zur Dekarbonisierung auch in Österreich noch stärker finanzieren kön­nen.


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Aber noch einmal: Am wichtigsten ist die Schiene. Investitionen von 13,9 Milliarden Eu­ro in Schieneninfrastruktur in nur fünf Jahren, das ist der größte Betrag, der jemals in einem so kurzen Zeitraum investiert worden ist. – 13,9 Milliarden Euro! (Abg. Ross­mann: Und wie viel geht in den Straßenausbau?) – Beim Straußenausbau werden für Autobahnen, Schnellstraßen nicht jene Beträge ausgegeben, die wir in die Schiene investieren. Wir investieren noch dazu 700 Millionen Euro jährlich an Zuschüssen für den Personenverkehr und 100 Millionen Euro an Zuschüssen für den Güterverkehr.

Dazu kommt, dass wir gerade an einer Nahverkehrsunterstützung für Ballungszentren arbeiten, damit in diesen Bereichen auch die Städte abseits von Wien eine Unterstüt­zung erhalten. Bisher wurde Wien beim U-Bahn-Bau zu Recht unterstützt, weil es eine wichtige Maßnahme ist. Andere Städte als Wien, Linz, Graz und so weiter haben aber mittlerweile ähnliche Probleme – Stau, Stau, Stau. Man muss versuchen, die Autofah­rer vor der Stadtgrenze für den öffentlichen Verkehr zu begeistern, denn wer einmal im Auto sitzt, bleibt, das wissen wir, in den meisten Fällen auch im Auto sitzen. – So viel zum öffentlichen Verkehr, zur Schiene.

Zweitens, Individualverkehr: In diesem Bereich ist die Frage der Dekarbonisierung das große Thema. Wir haben im Bereich der Elektromobilität weitaus bessere Zulassungs­zahlen als das in Deutschland der Fall ist. Die Zahlen sind nicht ganz ähnlich, was die Bundesländer anbelangt; die besten Zahlen sehen wir in Vorarlberg, sehr viel bei Ein­familienhäusern, im ländlichen Raum. Nicht so tolle Zahlen ergeben sich in Wien; nicht weil die Wiener sich nicht für dekarbonisiertes Fahren begeistern würden, sondern wenn man in einem mehrgeschoßigen Haus lebt, findet man dort keine Stromtankstel­len vor. Das heißt, hier müssen wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass man auch dann, wenn nicht 100 Prozent der Mieter einverstanden sind, eine Stromtank­stelle errichten kann. Das betrifft die E-Mobilität.

Ich möchte auch unterstreichen, dass die Studie zu den Auswirkungen, Zahlen zur E-Mo­bilität in Österreich, die jetzt vorliegt, ein besseres Bild zeichnet als in Deutschland. Warum? – Weil der Anteil an erneuerbaren Energieträgern in Österreich wesentlich hö­her als jener in Deutschland ist. Wir decken viel über die Wasserkraft ab. Wir haben Windkraft, wir haben im Bereich der Wärme auch Geothermie, wir haben Biomasse, Solarthermie, Photovoltaik. Wir haben alles, damit sich dieses Land aus erneuerbaren Quellen versorgen kann. Der Grad an erneuerbarer Energie, der Anteil der erneuerba­ren Energie soll auch nicht nur im Strombereich weiter steigen.

Wenn Sie mich nach dem Verkehrsbereich fragen, sehe ich das Problem beim Elektro­auto in der Batterie. Wir haben keine europäische Batterieproduktion. Diese benötigen wir aber, wenn wir uns nicht in neue fatale Abhängigkeiten begeben wollen. Deswegen glaube ich, dass die Antwort nicht nur das E-Auto ist, sondern auch Wasserstoff. (Zwi­schenruf des Abg. Jarolim.) – Ja, aber das kann man nicht mit dem, was in China pro­duziert wird, vergleichen. – Deswegen glaube ich: Das E-Auto hat seine Berechtigung, es wird auch den Verbrennungsmotor weiter geben, aber mit E-Fuel betrieben. (Abg. Rossmann: Sofortmaßnahmen müssen ...!) – Herr Rossmann, das sind Maßnahmen, die ich dauernd unmittelbar setze! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Weiters setzen wir eine Wasserstoffstrategie um, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das Thema in Österreich Wasserstoff sein wird. Warum? – Weil wir aus den Überschüssen bei den Erneuerbaren, die es temporär gibt – aus der Windkraft im See­winkel zum Beispiel –, in die Elektrolyse gehen können, Wasserstoff erzeugen und speichern können und mit diesem Wasserstoff auch Fahrzeuge betreiben oder die Spitzen abdecken können, die jetzt die Gaskraftwerke im Bereich der normalen Strom­versorgung abzudecken haben. Das ist die große Chance beim Wasserstoff.


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Was ist eine weitere große Chance? – Ein erheblicher Teil des CO2-Aufkommens in Österreich kommt aus der Stahlproduktion. Warum? – Weil der Stahl, den wir in Öster­reich produzieren, im Rahmen einer basischen Erzeugungskette erzeugt wird, bei der viel an CO2 anfällt. Wenn wir CO2 mit Wasserstoff binden, erreichen wir eine Methani­sierung und können damit wiederum Verbrennungsmotoren CO2-neutral antreiben. Es gibt also viele, viele Maßnahmen, die wir setzen müssen, um die Dekarbonisierung in Österreich umzusetzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie in einigen Jahren in Österreich völlig andere Fahrzeugtypen auf unseren Straßen sehen werden, aber nicht – das möchte ich auch betonen –, weil alle Menschen jetzt so umweltbewegt sind, sondern weil sich die Tech­nik einfach weiterentwickelt und das Fahren mit einem Wasserstoffauto, mit einem Elektroauto bei dem Drehmoment, das man erzielt, auch vielen Menschen Freude macht.

Aber bitte machen wir jetzt eines nicht: den Diesel völlig zu verteufeln, denn auch der Bereich Diesel entwickelt sich weiter. Die CO2-Emissionen beim Diesel sind geringer als jene beim Verbrennungsmotor, und wir bauen hier in Österreich, in Steyr, den bes­ten Dieselmotor der Welt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger.


18.03.22

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht nur ein paar Sätze, Herr Kollege Rossmann, damit Sie sehen, dass wir sehr wohl ein Bewusstsein für die Situation haben: Der Verkehr macht laut der 2017er-Bilanz des Umweltbundesamtes 29 Prozent der österreichischen Treibhaus­gasemissionen aus. Das ist nach Industrie und Energieerzeugung der zweitgrößte Fak­tor. Andere Verursacher, wie zum Beispiel die Abfallwirtschaft, Gebäude oder auch die Landwirtschaft, haben im Zeitraum zwischen 1990 und 2017 eine Reduktion ihrer Emissionen verzeichnet, im Verkehr aber gibt es einen deutlichen Anstieg. – So weit die kurze Analyse dazu.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat Gott sei Dank schon sachlich präsentiert, welche Maßnahmen bereits getroffen wurden und worüber wir nachden­ken. Er hat, wie ich meine, auch schon sehr gut die wichtigsten Investitionen skizziert und aufgezeigt, dass das meiste Geld in die Bahn fließt. Das Thema Bahn, die Infra­struktur, aber auch ihr Betrieb sind für uns von entscheidender Bedeutung für die Zu­kunft der Verkehrspolitik und vor allem auch für einen möglichst emissionsfreien Ver­kehr.

Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Wenn wir in Wien ein Haus bauen, das in der Nähe einer U-Bahn-Station oder einer attraktiven Straßenbahnlinie ist, dann ist dort das Thema Auto bei den Kundinnen und Kunden, bei den Bewohnern nicht mehr so präsent, nicht mehr von so entscheidender Bedeutung wie in einer Lage in Wien, die am Stadtrand ist, wo sie diese entsprechende Verkehrsinfrastruktur nicht haben. Das bedeutet, Garagen stehen dort teilweise sogar leer, weil die Leute sagen: Ich habe ein öffentliches Verkehrsmittel, das für mich sehr attraktiv ist.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Bahn. Wenn Sie sich anschauen, wie viele Men­schen heute von Wien nach Linz oder Salzburg mit der Bahn fahren im Vergleich zu früher, dann sehen Sie, was es bringt, wenn wir hier viel Geld investieren.

Wenn Sie in die Zukunft blicken, Stichwort Ausbau der Südstrecke – Semmeringbasis­tunnel, Wien, Wiener Neustadt, Graz; an dieser Strecke lebt eine ähnliche Anzahl an


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Menschen –, dann macht mich das sehr optimistisch, dass wir auch auf dieser Strecke weiter bis Klagenfurt, Koralmtunnel oder, wie Sie immer gesagt haben, in vier Stunden nach Venedig fahren können. Daran sehen Sie, dass die Attraktivierung, der Ausbau der Bahn mit Sicherheit die wichtigste verkehrspolitische Maßnahme sein wird.

Herr Kollege Stöger, der, glaube ich, nach mir sprechen wird, hat dieses Verkehrsmittel ebenfalls sehr stark vorangetrieben, und ja, auch von dieser Bundesregierung werden Rekordsummen in das System Bahn investiert. Das ist sicherlich der wesentlichste Bei­trag.

Einen Unterschied betreffend unsere Herangehensweise, den ich kurz aufzeigen will, gibt es. Uns geht es nicht um eine Verbotspolitik, sondern wir wollen positive Anreize schaffen. Wenn wir Alternativen wie den öffentlichen Verkehr attraktivieren, dann wird das angenommen, ohne dass wir etwas anderes verbieten müssen, wie es teilweise in Wien passiert. Ich denke, das ist der richtige Weg.

Wir haben uns im Regierungsprogramm – der Herr Bundesminister hat es schon ange­sprochen – darauf geeinigt, diese Diskussion in einer gewissen Neutralität zu führen, was die zukünftigen Antriebstechnologien betrifft, also die Technologieneutralität. Unter uns sind, glaube ich, sehr wenige Techniker, und ich weiß nicht, wie viele wirklich ent­scheiden könnten, welche Technologie in den nächsten paar Jahren diejenige sein wird, die sich nachhaltig durchsetzt – eine Technologie, die umweltfreundlich, aber auch nutzerfreundlich ist. Ich denke, da haben wir noch ein Stück vor uns. Das ist eine sehr spannende Zeit, und wir werden in den nächsten Jahren sehen, welche dieser ver­schiedenen Antriebstechnologien sich durchsetzt.

Vielleicht noch eines vorweg, weil es schon erwähnt wurde: das Thema Schwerver­kehr, Lkws. Wir haben heute noch das Bundesstraßen-Mautgesetz auf der Tagesord­nung. Das ist zum Beispiel ein Punkt, zu dem man jetzt auch einen richtigen Schritt setzt. In diesem Bundesstraßen-Mautgesetz geht es unter anderem darum, wie hoch die Lkw-Maut, die eine fahrleistungsabhängige ist, für neue Antriebstechnologien sein kann. Der Herr Bundesminister wird die Möglichkeit haben, die Mautsätze für umwelt­freundliche Antriebstechnologien bei Lkws deutlich zu senken. Ich glaube, auch das ist ein kleiner, aber ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Mit solchen Schritten, auch mit vielen kleinen, sind wir optimistisch, dass wir in den nächsten Jahren in die richtige Richtung gehen und die Ziele erreichen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ja, dann bin ich beim Schlusssatz. Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass diese Debatte stattfindet, weil Bewusstsein ein ganz wesentlicher Punkt ist. Wenn wir öfter und möglichst sachlich darüber reden, schaffen wir einen Beitrag zur Bewusst­seinsbildung der österreichischen Bevölkerung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Stöger. In der Debatte jetzt: 5 Minuten Redezeit. – Bitte.


18.09.34

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung zur Frage 15 geschrieben, dass man zu emis­sionsvermindernden Effekten, vielfach auch indirekt, zum Beispiel durch Maßnahmen im Schienenbereich, etwas leisten kann und die Situation verbessert. Ich stimme dem voll zu.


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Mir gefällt auch, dass Herr Abgeordneter Ottenschläger hier so klar für den Ausbau der Schiene Stellung genommen hat. Ich frage mich aber, warum man beim Ausbauplan der ÖBB um 1,8 Milliarden Euro gekürzt hat. Der Ausbauplan der ÖBB sagt in Wirklich­keit: Ausbau der Strecken für Elektrifizierung. – Es wäre wichtig, da ehrlich zu sein und auch klar zu sagen, wann die Strecken ausgebaut werden. Bitte, fangen Sie morgen damit an! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Ich habe Ihnen vor Kurzem eine Petition für die Elektrifizierung der Gutensteinerbahn übergeben. Ich habe auch parlamentarische Anfragen dazu eingebracht, wann die restlichen Strecken ausgebaut und elektrifiziert werden. Ich glaube, das ist für eine nachhaltige Verkehrspolitik notwendig.

Ich möchte auch sagen, wer da dahintergestanden ist: Es war Präsidentin Bures in ih­rer Funktion als Verkehrsministerin, die dafür gekämpft hat, dass Geldmittel zur Verfü­gung stehen. Das ist gut so. Sie entlasten uns heute.

Einen Satz zur Antriebsform beim Pkw: Das ist eine Ablenkungsdebatte. – Die wirkli­che Debatte ist folgende: Beim Pkw ist das Problem der Raumbedarf, der Raumbedarf eines Fahrzeuges, insbesondere wenn es 23 Stunden am Tag steht. Wir brauchen an­dere Logistiksysteme, und das ist die wirkliche Auseinandersetzung.

Herr Bundesminister, wir haben Ihnen einiges vorgelegt, machen Sie da weiter! Sie si­gnalisieren das auch, aber die Sache mit Tempo 140 ist ganz ehrlich gesagt nur lä­cherlich – die Diskussion ist lächerlich! Ich sage Ihnen, wie ich es mache: Ich fahre sechsmal in der Woche die Strecke Linz–Wien. Ich fahre mehr als 200 km/h (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Hofer), ich schaue während des Fahrens auf das Handy, telefoniere damit und schaue beim Fenster hinaus. Wissen Sie, warum? – Ich fahre mit dem Zug, mit den ÖBB, klimafreundlich, elektrifiziert, und bin billiger und schneller. Das ist Verkehrspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


18.12.32

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Diese Kurzdebatte der Liste JETZT, die wir nun zur Treibhausgasbi­lanz 2017 führen, betrifft ja den Vorgänger, Bundesminister a. D. Leichtfried, unter dem es im Jahr 2017 circa 3,3 Prozent mehr an Treibhausgasen in diesem Bereich gege­ben hat.

Welche Maßnahmen setzt aber diese Bundesregierung und setzt Herr Bundesminister Hofer in diesem Bereich? – Zahlreiche Maßnahmen – ich kann es vorwegnehmen –, die natürlich von der Opposition, die immer mehr fordert, immer wieder kritisiert wer­den.

Nichtsdestotrotz: Bringen wir die Dinge auf den Punkt und sagen wir, was diese Bun­desregierung macht. Was macht diese Bundesregierung? – Die E-Mobilität wird geför­dert, es gibt den Masterplan Gehen und den Masterplan Radfahren. Das sind alles Maßnahmen, die auch im Sinne des Klimaschutzes und zur Reduktion des CO2-Aus­stoßes gefördert werden. Ein wesentlicher Faktor ist auch, dass wir die Busspur für E-Fahrzeuge geöffnet haben. Eine weitere Maßnahme ist die Aufhebung des IG-L-Hun­derters für E-Autos, mit der auch die E-Mobilität gefördert wird.

Was gibt diese Bundesregierung aus? – 72 Millionen Euro pro Jahr mehr in diesem Be­reich, um die E-Mobilität zu fördern. Nicht nur die E-Mobilität ist der Weg, sondern auch – der Herr Bundesminister hat es ausgeführt – der Wasserstoff. Generell sind al-


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ternative Antriebsformen der Weg dieser Bundesregierung, um die Reduktion der Treib­hausgasemissionen zu erreichen.

Die #mission 2030 ist auch so ein Thema. Es gibt in diesem Bereich wirklich ein Kon­zept, einen Plan, wie wir aus dieser Falle, die es aus Ihrer Sicht anscheinend gibt, he­rauskommen. Das heißt, dass wir im Klimaschutz auch nachhaltige Maßnahmen set­zen, wie eben mit dieser integrierten Klima- und Energiestrategie, die wir auf den Weg gebracht haben.

Der Herr Bundesminister hat auch die Schiene erwähnt. Die Schiene, der öffentliche Verkehr, ist ein wesentlicher Faktor in diesem Bereich – Schiene, Schiene, Schiene. Auch Herr Bundesminister außer Dienst Stöger hat sie erwähnt. Es ist lobenswert, wenn Sie die Chance haben, von Linz nach Wien die ÖBB zu nutzen. Nur eines dürfen wir nicht vergessen: Wir müssen auch auf den ländlichen Raum achten (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP); also ja zu all diesen Maßnahmen im öffentlichen Verkehr, aber auch den ländlichen Raum nicht außer Acht lassen und Politik mit Haus­verstand betreiben!

Wenn diese Bundesregiering in den nächsten fünf Jahren 13,9 Milliarden Euro nur im öffentlichen Verkehrsbereich ausgibt, dann ist das eine Leistung. Das ist eine Leistung, die auch wertzuschätzen und zu honorieren ist. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Wie der Herr Bundesminister erwähnt hat, gibt es zudem 700 Millionen Euro mehr für den Per­sonenverkehr. All das sind Maßnahmen, die diese Bundesregierung setzt, um den öf­fentlichen Verkehr nachdrücklich mit Leben zu erfüllen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich muss noch auf einen oder zwei Punkte betreffend Kollegen Rossmann eingehen, nämlich zu dem, was Sie wollen. Ich habe mir Ihr Programm angeschaut: Sie wollen das Tempolimit auf 100 reduzieren, Sie wollen eine Citymaut und Sie wollen eine CO2-Steuer. – Das wollen wir nicht. Ich sage Ihnen auch, warum: weil wir Politik mit den Menschen machen und nicht gegen die Menschen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.) Das ist unser Weg und das ist auch Politik mit Hausverstand. Die­sen Hausverstand nehmen wir als Anspruch für diese Maßnahmen und auch für un­seren politischen Weg. (Abg. Rossmann: Politik mit Sachverstand ist gefragt!)

Ich verstehe Sie. Wenn ich nur Ihre ehemalige Fraktion hernehme, der Sie angehört haben und die in Wien aktiv ist: Das Motto in Wien ist Stauen und Stauben, verkehrs­entlastende Maßnahmen werden nicht gesetzt. Das ist Ihr Weg. Man sieht ja, was da­raus geworden ist: Die Grünen sitzen nicht mehr hier im Nationalrat, was vielleicht auch den Grund darin hat, dass sie eine reine Verbotspartei sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.17


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


18.17.13

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Werte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Kollege Ot­tenschläger hat vorhin schon angesprochen, dass der Verkehr natürlich ein ganz be­sonderes Gewicht beim Thema CO2-Ausstoß oder generell beim Treibhausgasausstoß hat. Da müssen wir, glaube ich, schon genau hinschauen.

Sie haben auch angesprochen, wie das im Gesamtbild ausschaut, haben aber nicht angesprochen, wie stark der Anstieg seit 1990 gewesen ist, nämlich insgesamt um 67 Prozent. 67 Prozent mehr Treibhausgase wurden im Verkehr ausgestoßen. Wenn


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wir uns nur den kurzen Zeitraum von 2015 bis 2016 anschauen: Allein da waren es 4,2 Prozent.

Das heißt, wir haben da eine Thematik, bei der wir genau hinschauen müssen, weil es gerade für die nächste Generation schon auch eine Frage der Generationengerechtig­keit ist, wie wir mit unserem Planeten umgehen.

Einen großen Hauptfaktor in diesem Bereich bilden natürlich – das wurde auch schon von den Vorrednern angesprochen – die Lkw, der Schwerverkehr, der ganz viel aus­macht. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zurücklehnen und sagen: Ja, wir warten, bis etwas auf europäischer Ebene passiert, bis dort Maßnahmen getroffen wer­den. Wir müssen auch auf österreichischer Ebene aktiv werden und insbesondere auch Druck auf die Hersteller ausüben, schließlich waren sie ja diejenigen, die sich mit Manipulationen über die letzten Jahre hinweg durchaus Vorteile verschafft haben.

Es ist auch aus einem zweiten Grund, nämlich im Hinblick auf den Standort Österreich, sehr relevant, dass wir da aktiv auftreten und uns der Lobby gegenüber stark präsen­tieren: weil wir wissen, dass gerade in Österreich die Zulieferindustrie ein ganz wichti­ger Faktor ist. Wenn wir da negativ abschneiden, weil wir nicht mehr genug Innova­tionskraft in diesem Sektor haben und auch die Innovationszyklen nicht verkürzen kön­nen, ist das natürlich durchaus auch standortpolitisch und arbeitsplatzpolitisch zu hin­terfragen.

Was ist die Aufgabe von uns als Politiker? – Wir müssen geeignete Rahmenbedingun­gen schaffen und wirklich Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass CO2 und an­dere Treibhausgase reduziert werden. Diesbezüglich passiert halt auf der Ebene der Regierung momentan sehr wenig bis gar nichts.

Das Thema Verkehrsflüsse wurde schon angesprochen. Es gibt da ganz viele Möglich­keiten, das innovativ zu lösen, innovative Maßnahmen zu treffen, um den Verkehrs­fluss zu steuern beziehungsweise zu verbessern. Wir sind uns aber, glaube ich, hof­fentlich einig – bis auf den Herrn Minister und seine Studie, die, wie Kollege Rossmann schon gesagt hat, nicht ganz nachvollziehbar ist –, dass Tempo 140 nichts bringen wird. Es gibt genug Studien, die sagen, dass Tempo 140 nichts zur Verkehrsflussver­besserung beiträgt, sondern dass das Gegenteil der Fall ist; auch wenn man sich in diesem Zusammenhang das Thema Ausstoß anschaut, denn auch da bringt es genau gar nichts.

Dementsprechend ist Tempo 140 eher danebengegangen, wenn wir an die Treibhaus­gase denken.

Das zweite Thema, den Schwerverkehr, habe ich vorhin schon angesprochen. Ich glaube, dass es essenziell ist, dass wir endlich auf die Schiene kommen. Die Schweiz ist das große Beispiel. Sie haben auch angesprochen (in Richtung Bundesminister Ho­fer), dass das dort noch einmal besser funktioniert.

Wir müssen natürlich auch Maßnahmen ergreifen, nämlich einerseits zur Optimierung der Verladung, damit also die Verladung vom Lkw auf die Schiene besser funktioniert, und andererseits auch zum Ausbau der Kapazitäten, weil wir immer wieder an Kapa­zitätsgrenzen gelangen. Das ist Ihnen, glaube ich, sehr bekannt. Nur wenn das wirklich optimal funktioniert, werden die Frächter genug Anreize haben, auf die Schiene umzu­satteln und wirklich weg von den Lkws zu kommen.

Das dritte große Thema in diesem Zusammenhang ist natürlich immer die E-Mobilität. Auf der einen Seite müssen wir natürlich – das haben wir bereits angesprochen – die Bahnstrecken schneller ausbauen, weil wir genau wissen – ich komme selbst aus dem Kamptal –, dass die wunderschöne alte Diesellok halt nicht das Gelbe vom Ei ist, wie


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man sagen muss. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich die E-Mobilität fördern, um auch im Individualverkehr schneller zu werden. Wir müssen in dieser Hinsicht schauen, wie wir es schaffen, immer Netzstabilität mitziehen zu lassen. Aus unserer Sicht ist relativ klar, dass wir endlich Netzgebühren, Steuern und Abgaben für Spei­cherung abschaffen müssen, weil das langfristig auch die Netzstabilität und E-Mobilität stärken wird.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema Raumordnung, weil wir da über die letzten Jahrzehnte hinweg einfach massive Versäumnisse hatten. Wir müssen in einer modernen Raumordnung auch stärker auf das Thema Verkehr setzen, nämlich auch auf den öffentlichen Verkehr. Ich komme selbst aus einem kleinen Ort im Wald­viertel, durch den keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren, weil sich das bei 50 Einwoh­nern halt nicht auszahlt. Wir sehen, dass so etwas eine gewisse Schwierigkeit darstellt. Wir müssen die Raumordnung neu denken und in Zukunft besser aufgestellt sein.

All diese Dinge, Herr Kollege Ottenschläger, würden auch ohne Verbot gehen – weil Sie vorhin gesagt haben, Sie sind keine Verbotspartei; das sind wir auch nicht. Dem­entsprechend würde ich mir wünschen, dass Sie aktiv werden und nicht nur Einzelak­tionen wie den 140er, sondern wirklich nachhaltige Lösungen bringen, um betreffend das Thema Verkehr endlich ökologisch nachhaltig zu arbeiten und dabei an die nächs­te Generation zu denken. (Beifall bei den NEOS.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Klubobmann Dr. Wolfgang Zinggl zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.22.44

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Präsidentin! Herr Minister, Sie sind für den Verkehr verantwortlich. Verkehr bedeutet aber nicht nur, dass man möglichst schnell von A nach B kommt, sondern Verkehr bedeutet auch, dass Sie für die Veränderung des Klimas verantwortlich sind. Sie wissen, der Verkehr ist einer der Hauptverantwortlichen für die starke Belastung der Atmosphäre durch CO2-Ausstoß. Daher sind Sie als verantwortlicher Verkehrsminister auch dafür verantwortlich, diese CO2-Emissionen so gut es geht zu verringern.

Nun ist es so, dass wir unsere Ziele, die wir gemeinsam mit der Europäischen Union ausgemacht haben, so wie es aussieht nicht erreichen werden. Sämtliche Studien – ob in Ihrem Ministerium, ob in einem anderen Ministerium, ob außerhalb des Ministeriums vom Umweltbundesamt oder von wem auch immer – deuten darauf hin oder sagen uns ganz deutlich, so wie wir momentan agieren, werden wir diese Ziele schwer verfehlen. Der Verkehr wird zu einem Großteil mit daran schuld sein, weil wir nämlich nur mit dem Verkehr 5 Millionen Tonnen CO2 zu viel ausstoßen, um dieses Ziel, das ohnehin nicht ambitioniert genug ist, zu erreichen.

Diese Sorgen haben wir nun einfach, sodass wir uns gemeinsam überlegen, ob da nicht mehr drinnen ist, ob wir nicht mehr machen könnten und ob wir nicht mehr So­fortmaßnahmen angehen sollten. Die Anfrage des Kollegen Rossmann geht genau in diese Richtung. Sie antworten da schon sehr flapsig, muss ich sagen, wenn Sie zum Beispiel auf die Frage des Kollegen Rossmann, ob denn die 140 Stundenkilometer, die jetzt auf der Autobahn getestet werden, nicht ohnehin Durchschnittsgeschwindigkeit waren, mit „Nein“ antworten. Sie begründen uns das nun damit, dass die Durch­schnittsgeschwindigkeit 135 Stundenkilometer war und die überwiegend gefahrene Ge­schwindigkeit 145.

Wir wissen ja ohnehin, dass eine Durchschnittsgeschwindigkeit in dem Augenblick, in dem irgendeiner einmal abbremst, natürlich rapide sinkt. Überwiegend werden aber na-


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türlich mehr als 140 Stundenkilometer gefahren. Die Frage von Bruno Rossmann zielt doch darauf ab, zu erkennen, dass momentan schon so schnell gefahren wird, wie Sie es dort testen.

Die zweite Frage von ihm geht in die Richtung, was es an Sofortmaßnahmen gibt, die Sie zusätzlich zu den Maßnahmen, die Sie vielleicht schon machen, noch dringend umsetzen müssten. Da geben Sie eigentlich als Antwort, dass nun die Experten dran sind zu prüfen, dass das dann die Grundlagen für Verhandlungen sind und dass dann aufgrund der in den Verhandlungen erzielten Ergebnisse die Politik dran ist, zu überle­gen, was sie macht. Wenn wir auf das warten, brauchen wir noch sehr lange.

Wenn Sie nun hinsichtlich Sofortmaßnahmen sagen, die Wasserstoffautos sind etwas, worauf Sie setzen: Das ist keine Sofortmaßnahme! Das wissen Sie selbst auch, glaube ich, oder? – Mit einem Wort: Ich bin genauso wie Kollege Rossmann der Meinung, Sie nehmen das Thema nicht wirklich sehr ernst. Sie sind möglicherweise auch – weil Sie vielleicht weiterhin die Hoffnung haben, eines Tages Bundespräsident zu werden – nicht in der Lage, Maßnahmen zu setzen, die vielleicht wenig populär sind.

Es gibt solche Maßnahmen und die sind einfach in Zeiten wie diesen von den verant­wortlichen Politkern zu setzen. Das Umweltbundesamt hat 50 solcher Maßnahmen be­reits durchgeackert – was sie kosten, was sie bringen. Wenn viele von diesen Maßnah­men umgesetzt werden würden, wären wir in Summe unserem Ziel einen deutlichen Schritt näher. Natürlich aber sind ein paar Sachen ein bisschen unpopulär und kosten auch etwas. Wie Sie richtig gesagt haben, bringen sie aber à la longue auch etwas, rein wirtschaftlich gedacht würden sie sogar weniger kosten, weil wir ja Zertifikate kau­fen, Strafzahlungen in Kauf nehmen müssten und so weiter.

Ganz kurz noch zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Autobahnen: Mag sein, dass es, wenn wir 10 Stundenkilometer weniger als Höchstgeschwindigkeit fahren dürfen, vielleicht nicht den notwendigen Emissionsrückgang bringt. Die Studien des Umwelt­bundesamtes zeigen aber, dass es immerhin 10 Prozent Reduktion bringt. Das heißt, dass es zu einer Erhöhung von 10 Prozent käme, wenn wir 10 Stundenkilometer schneller fahren würden. Überlegen wir also, ob wir nicht statt 120 Stundenkilometer 110 auf der Autobahn fahren und damit alle gemeinsam einen Beitrag für die Umwelt leisten.

Sie als verantwortlicher Minister sollten mit der Höchstgeschwindigkeit nicht hinaufge­hen sondern hinuntergehen, weil auch in anderen Ländern wie in Belgien, Großbritan­nien, Irland, Norwegen oder Portugal langsamer gefahren wird und man sich trotzdem schnell bewegen kann – unabhängig davon, dass Bahnfahren natürlich noch günstiger wäre, wie Kollege Stöger gesagt hat. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Sie als Verantwortlicher für Verkehr sind verantwortlich für die Umwelt. Daran werden Sie gemessen. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

18.28.07Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über den 7. Punkt der Tages­ordnung wieder auf.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Köstinger und erteile Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich als Erstem das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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18.28.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr der biologischen Vielfalt, der Biodiversität, erklärt. Im Oktober 2010 hat in Nagoya in Japan die UNO-Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversität stattgefunden. Ich durfte damals als Umweltminister teilnehmen. Es war eine Zeit, in der es sehr viel Kritik an den internationalen, insbesondere an den UNO-Konferenzen gegeben hat.

Im Jahr 2009, wenige Monate davor, hat in Kopenhagen die UNO-Klimaschutzkonfe­renz unter riesigen Erwartungen stattgefunden. Die USA hatten mit Obama einen neu­en Regierungschef und es gab die Aussicht, dass die USA mehr für den Klimaschutz tun. Umso größer war dann die Enttäuschung, dass die USA nichts gemacht haben und dass mit China, Brasilien und Indien neue Player auf der Weltbühne waren, die ge­sagt haben, mit ihnen muss gescheit verhandelt werden, um ein Weltklimaschutzab­kommen zu erreichen.

Die Kopenhagen-Konferenz hat wenig Output gebracht. Damals war die Diskussion, welchen Sinn derartige UNO-Konferenzen haben, denn es gibt Einstimmigkeit, das heißt, alle 193 Mitgliedstaaten müssen zustimmen, und wenn nur ein Staat dagegen ist, kommt es nicht zu einem Abkommen.

Umso positiver war es dann – obwohl die Skepsis groß war –, dass in Nagoya ein ein­stimmiger Beschluss zustande gekommen ist, nämlich eine internationale Verpflichtung zu einem völkerrechtlichen Vertrag, eben zum Protokoll von Nagoya, in dem sich alle Vertragsstaaten dazu verpflichtet haben, Artenschutz zu betreiben und Biodiversität zu schützen. Die Ziele dieses internationalen Übereinkommens zur biologischen Vielfalt sind: erstens, die Biodiversität zu erhalten; zweitens, den Zugang zu genetischen Res­sourcen zu sichern; und drittens, eine gerechte Aufteilung zu gewährleisten, sodass auch jene profitieren, die eben nicht unbedingt einen unmittelbaren Vorteil daraus zie­hen.

Es wurde eine globale Strategie entwickelt und verabschiedet. Der größte Erfolg, wenn Sie so wollen, war das gemeinsame Ziel, den Verlust der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt zu reduzieren. Manche haben sogar von Stoppen gesprochen, was aber eigentlich aussichtslos ist. Ein weiterer Punkt war das klare Bekenntnis der Mitglied­staaten, Biodiversität zum Beispiel von Pflanzen als Wert in die Ökonomie aufzuneh­men, sodass Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung kein Widerspruch mehr sind.

Ein wichtiger Bereich des Protokolls ist das Access and Benefit Sharing und der ande­re ist ein strategischer Plan für Maßnahmen zum Schutz von Biodiversität. Beim Ac­cess and Benefit Sharing geht es um genetische Ressourcen. Pflanzen, Tiere, mikro­bielle Materialien enthalten genetische Ressourcen. Als Beispiel: In Regenwäldern kommen Pflanzen vor, die man wirtschaftlich für Arzneimittel, Kosmetika und Ähnliches nutzen kann. Der Deal dieses Paktes war, dass es Zugang zu diesen genetischen Ressourcen geben soll und aber nicht nur die Pharmafirmen daran verdienen sollen, sondern auch jenen Menschen Geld zukommt, die in der betreffenden Region leben, zum Beispiel indigenen Völkern. Mit dem Geld soll dann eben auch dort wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht werden. Das war ein großer Erfolg. Eine ähnliche Debatte ha­ben wir gestern geführt: Bei der Copyrightrichtlinie geht es in Wahrheit um den Schutz des Eigentums, und so geht es auch hierbei um den Schutz der natürlichen Ressour­cen und sehr wohl auch um die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit. Das war der eine Punkt.

Der andere Punkt war der strategische Plan. Unter dem Titel „Leben im Einklang mit der Natur“ haben sich die Staaten weltweit dazu verpflichtet, mehr terrestrische Schutz­gebiete einzurichten, also Schutzgebiete an Land, und mehr Meeresschutzgebiete, in


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den Küstengewässern, aber auch auf hoher See. Im Lauf der Jahre ist bei den Land­schutzgebieten und bei den Küstenschutzgebieten einiges geschehen, aber bei den Hochseegebieten weniger. Das heißt, da muss noch sehr, sehr viel getan werden.

Abschließend: Österreich hat in dem Zusammenhang während der EU-Ratspräsident­schaft etwas sehr Wichtiges unternommen und ein Verbot von Einwegplastik vorange­trieben. Das war ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik, das dort die Artenvielfalt gefährdet.

Es geht auch darum, in diesem Gesetz eine zuständige Behörde festzulegen. Dan­kenswerterweise fungiert in Österreich das BMNT als verantwortliche Behörde. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doris Margreiter. – Bitte.


18.33.39

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Her­ren! Wie wir gehört haben, werden mit diesem Bundesgesetz die aus dem Protokoll von Nagoya und der EU-Verordnung hervorgehenden Verbindlichkeiten auch in Öster­reich endlich umgesetzt. Wir von der Sozialdemokratie unterstützen das natürlich, da es etwas Gutes für die Menschen in diesem Land ist und Sinn macht. Konkret regelt das Gesetz, wie wir gehört haben, die Einhaltung der Ziele des Protokolls von Nagoya, nämlich den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile.

Bei Verstößen sind Sanktionen und Verwaltungsstrafen von bis zu 50 000 Euro vorge­sehen. Wichtig ist, dass das Umweltbundesamt der Verwaltung helfen und sie unter­stützen soll, und damit genau jenes Amt, dessen Sitz Sie trotz unterstützenswerter Vor­schläge des Landes Wien nach Niederösterreich verlegen möchten. Das ist wirklich fern von jeglicher Vernunft und das ist einmal mehr ein Zeichen von Wien-Bashing, wie ich meine. Wir haben das auch heute wieder mehrfach mitbekommen. An der Stelle möchte ich Ihnen daher noch einmal sagen, dass Wien heuer zum zehnten Mal in Fol­ge zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt wurde. Das lassen wir uns von Ihnen nicht schlechtreden, das haben sich die Wienerinnen und Wiener wirklich nicht ver­dient! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch einmal zum Protokoll selbst: Es wurde bereits im Juni 2018 im Nationalrat ein­stimmig beschlossen, da ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung drohte. Das war übrigens nicht das einzige im Themenfeld Umwelt und Klima. Ich bin froh, Frau Ministerin, dass wir heute die Möglichkeit haben, zu Umwelt- und Klima­schutz zu diskutieren. Wir tun das nämlich viel zu selten und zu wenig, und deshalb fordern immer mehr Menschen, aktiv und wirklich zu Recht nachhaltige Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz ein. Ich darf da auf die vielen engagierten Menschen, vor allem von Fridays for Future hinweisen, denn nicht nur uns als Sozialdemokratie, sondern auch vielen dieser engagierten Menschen geht das alles viel zu langsam und ihnen geschieht da viel zu wenig. Gesetzliche Neuerungen lassen auf sich warten, und es sind oftmals nur leere Worthülsen, allerdings schöne Worthülsen, und schwammige Ankündigungen, die übrig bleiben; Taten fehlen. Ich darf daran erinnern, dass die Sub­ventionen für Kohlekraftwerke in Europa immer noch höher sind als die Fördermittel für alle, wirklich alle erneuerbare Energie zusammen. In Österreich warten 200 bereits ge­nehmigte Windradprojekte auf Umsetzung.

Frau Ministerin! Ich frage mich: Wo bleiben die Taten? Am Montag, den 22. April war zum Beispiel der internationale Tag der Erde, und ich meine, dass die Erde sich wirk-


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lich wesentlich mehr Respekt und Wertschätzung verdient hätte. Es ist leider immer noch nicht möglich, dass wir Menschen uns auf einen anderen Planeten beamen, vor allem aber haben wir eine Verpflichtung und Verantwortung unseren Kindern und En­kelkindern gegenüber, dass wir ihnen eine lebenswerte Heimat hinterlassen. Daher möchte ich Sie wirklich auffordern, endlich Taten im Klima- und Umweltschutz zu set­zen. Uns ist das einfach zu wenig! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


18.37.18

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Frau Bundesminister! Der völkerrechtlich verbindliche Vertrag von Nagoya wurde im Oktober 2010 beschlossen. Österreich hat sich dazu verpflichtet und sich im Jahr 2018 diesem Protokoll auch angeschlossen. Ziel ist, eine Verbesserung im Zugang zu gene­tischen Ressourcen und eine ausgewogenere, bessere Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zu erreichen.

Österreich ist bei der Erhaltung der Biodiversität Vorreiter und hat hierzu eine 70-sei­tige Bioökonomiestrategie beschlossen, eines von vielen Leuchtturmprojekten der #mis­sion 2030, die damit umgesetzt wird.

Der bewusste Umgang mit natürlichen Ressourcen zählt zu den größten Herausforde­rungen, vor denen diese Bundesregierung steht und deren Bewältigung sie sich ver­schrieben hat. Wir verfolgen das Ziel, dass biogene Rohstoffe künftig effizienter und nachhaltiger verwendet werden. Wir müssen beim Energieverbrauch den Einsatz fossi­ler Rohstoffe reduzieren und sie gleichzeitig durch nachwachsende ersetzen.

Dazu braucht es aber natürlich auch Änderungen im Konsumverhalten. Das Konsum­verhalten ist auf eine ausgewogene Kreislaufwirtschaft auszurichten. Kreislaufwirt­schaft soll es auch in diesem Bereich geben. Dazu zählt die Nutzung der Biomasse. Wir haben es ja heute am Vormittag schon gehört, beim Gesetz betreffend die Bio­masse, das wir auf den Weg gebracht haben. Da hat es die SPÖ fast geschafft, die Biomassebetriebe am Altar zu besiegeln oder somit den Tod herbeizuführen. (Abg. Vogl: Das war jetzt nicht ganz Deutsch und nicht zu verstehen!)

Nicht nur das! Sie haben - - Sie wissen - - Sie verstehen schon, was ich meine, denn sonst würden Sie nicht so reagieren. (Abg. Vogl: Das kann man nicht verstehen, aber das macht nichts!) Sie haben es mit dieser Maßnahme, die Sie gesetzt haben, mit die­ser Ablehnung fast geschafft, die Biomassebetriebe zu zerstören. Es ist Ihnen aber nicht gelungen und wird Ihnen auch nicht gelingen. Insgesamt gibt es 133 000 Haus­halte, die keine Ökostrombefreiung erhalten hätten, die Sie mitgeopfert hätten. Das haben wir mit diesem Gesetz auch auf den Weg gebracht. In dem Sinn freut es mich, dass wir einen einstimmigen Beschluss zum Nagoyaabkommen fassen werden. – Dan­ke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.40


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


18.40.12

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich unterstützen wir genauso wie alle meine Vorredner und -rednerinnen das Nagoyaprotokoll, und wir sehen den Beschluss im Na­tionalrat, den mutmaßlich dann auch einstimmigen Beschluss im Nationalrat als wich­tiges Zeichen gegen den Missbrauch von genetischem Material und gegen Biopiraterie.


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Es steht jedoch auch ein großes Aber dahinter, denn man muss sich fragen: 2010 gab es die gemeinsame Beschlussfassung. Beim Konvent 2014 wurde das Nagoya-Proto­koll vonseiten der Europäischen Union angenommen, ratifiziert und es gab dann, eben­falls im Jahr 2014, auch eine entsprechende Verordnung. Österreich braucht dann noch fünf Jahre, um das Nagoyaprotokoll tatsächlich in ein Bundesgesetz zu gießen, und es braucht eine Mahnung vonseiten Brüssels, eine freundliche Erinnerung, um die­sen eineinhalbseitigen Gesetzestext zu erstellen. Ich frage mich schon: Was ist die Ur­sache dafür, dass diese und auch die vorangegangene Bundesregierung das Thema Biodiversität so wenig ernst genommen haben? Da gibt es zwei Punkte, die man da mit ansprechen muss.

Beim vorliegenden Gesetzentwurf, und das hat auch die Begutachtung wieder deutlich gezeigt, ist durchaus auf Schwächen betreffend die Frage, ob daraus möglicherweise Hindernisse für die Grundlagenforschung einerseits und die Evolutions- und Biodiversi­tätsforschung andererseits entstehen, hingewiesen worden. Wir wissen beispielsweise vom Naturhistorischen Museum, das die größte Forschungsinstitution in diesem Be­reich in Österreich ist, dass man dort durchaus Bedenken hat, ob der vorliegende Ge­setzentwurf, so wie er heute verabschiedet werden wird, der Wissenschaft auch wirk­lich jenen Raum lässt, um Forschung in Österreich auch in Zukunft gut betreiben zu können.

Der andere Punkt, und der erscheint mir mindestens genauso wesentlich, ist: Das Na­goyaprotokoll ist wesentliche Grundlage für Biodiversität in einem Bereich. Ja, aber wo bleiben all die anderen zwingend erforderlichen Maßnahmen für Biodiversität? Wir ha­ben in Österreich ein sehr zentrales Thema, nämlich wie überall auf der Welt das Ar­tensterben, das massive Artensterben und wie wir damit umgehen. Es hat verschiede­ne Facetten, einerseits die Facette des Klimawandels und andererseits die Facette der Landwirtschaftspolitik. Es stellt sich die Frage, wie wir mit unseren Grünflächen und un­seren Naturräumen umgehen.

Wer Biodiversität in Österreich schützen will, der muss den Klimawandel effektiv be­kämpfen. Wir haben in vorangegangenen Tagesordnungspunkten ganz klar herausge­hört, dass vonseiten der Regierung wirklich nur wenig effektive Maßnahmen im Bereich des Kampfes gegen den Klimawandel ins Treffen geführt werden können. Ich hatte heute schon die Gelegenheit, die Bundesministerin nach konkreten Maßnahmen zu fragen. Wir werden immer über Ziele, über ferne Ziele im Jahr 2030 informiert, aber da­rüber, was im Jahr 2019, 2020 und 2021 in Österreich geschehen soll, hören wir viel zu wenig.

Wer Biodiversität ernst meint und diese Biodiversität in Österreich wirklich schützen will, der muss für eine Reduktion des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln sorgen. In dem Bereich ist die Nachhaltigkeitsministerin mehr eine Ministerin der kon­ventionellen Landwirtschaft und weniger eine der Biodiversität.

Wer Biodiversität in Österreich schützen will, der muss etwas für Grün- und Natur­schutzflächen tun. Österreich bleibt Europameister bei der Verbauung und Versiege­lung von Flächen, es sind nach wie vor 12 Hektar pro Tag! Bereits vor 20 Jahren ha­ben sich Bundesregierungen zum Ziel gesetzt, diese Zahl – damals waren es noch über 20 Hektar – auf 2,5 Hektar zu reduzieren. Wenn wir Flächen verbauen, kommt Biodiversität jeden Tag erneut unter Druck.

Und zu guter Letzt: Wer Biodiversität in Österreich schützen will, der muss Diversifizie­rung im Anbau fördern und in der Folge natürlich auch beim Konsum. All das geschieht heute nicht.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 179

Wir haben also mit dem Nagoyaprotokoll ganz klar eine Säule, nämlich dort, wo es tatsächlich um Biopiraterie, um genetische Ressourcen gegangen ist; da beschließen wir heute einen Meilenstein der Weltgemeinschaft. Dort aber, wo wir in Österreich selbst Hand anlegen könnten, dort, wo wir tatsächlich Signale setzen könnten, wo wir einen Wandel zur Biodiversität im positiven Sinne erzielen könnten, da kommt von den Regierungsfraktionen nichts. Da bleibt die Mehrheit im Parlament stumm, und da wird nicht an die nächste Generation gedacht. Das muss sich ändern! – Vielen Dank. (Bei­fall bei den NEOS.)

18.45


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Köstinger zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.45.43

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Mit dem Bun­desgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Nagoyaprotokoll setzen wir einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der bereits mehrmals angesprochenen interna­tionalen Verpflichtung. Österreich ist bereits seit Oktober 2018 Vertragspartei des Pro­tokolls. Die konkrete Umsetzung war noch ausständig.

Mit dem vorliegenden Bundesgesetz werden diese Punkte nun für Österreich klar gere­gelt. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus wird die Aufgabe der zuständigen Behörde übernehmen. Wir können auch auf die Expertise des Umwelt­bundesamtes zurückgreifen, das betrifft insbesondere den Bereich der Kontrollen. Falls Sanktionen verhängt werden müssen, gelten die Bestimmungen des Verwaltungsstraf­gesetzes beziehungsweise des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes.

Grundsätzlich ist zwischen dem Zugang zu genetischen Ressourcen in Österreich und dem Zugang zu genetischen Ressourcen durch österreichische Akteure in anderen Ländern zu unterscheiden. Der Zugang in Österreich bleibt weiterhin frei und wird nicht zusätzlich geregelt; es gelten aber beispielsweise Bestimmungen des Naturschutzge­setzes. Beim Zugang durch österreichische Akteure, beispielsweise Forschungsinstitu­te, Sammlungen, Firmen und dergleichen in anderen Ländern, die nach dem Nagoya­protokoll den Zugang regulieren, gilt: Die Bestimmungen und Voraussetzungen des Herkunftslandes müssen eingehalten werden. Die zuständige Behörde in Österreich muss das regelmäßig kontrollieren und bei Verstößen eben auch für etwaige Sanktio­nen sorgen.

Ich darf versichern, dass wir die Umsetzung, insbesondere auch diesen Bereich der Kontrollen, so schlank und ressourceneffizient wie möglich gestalten werden, damit es für Nutzer von genetischen Ressourcen zu keinem erheblichen Mehraufwand kommt. Wir werden als nächsten Schritt alle relevanten österreichischen Akteure zu einer Ar­beitsgruppe einladen und freuen uns über Vorschläge, wie wir die konkrete Umsetzung effizient und vor allem auch praxistauglich gestalten können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Friedrich Ofen­auer. – Bitte.


18.48.10

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! „Dem Reiche der Natur und seiner Erforschung“


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steht am Naturhistorischen Museum als Widmung des damaligen Kaisers geschrieben. Das zeigt, dass Forschung und die Erforschung der Natur bereits in der Monarchie ei­nen hohen Stellenwert hatten. Das ist auch daran ersichtlich, dass die ältesten Expo­nate, die ältesten Bestände im Naturhistorischen Museum über 250 Jahre alt sind.

Das hat seinen Grund, denn unsere Erde ist voll von Leben, und es ist ein Wunder, dass diese Welt voller Leben im kalten und leeren Weltall existieren kann, und zwar von den seltenen Pflanzen im brasilianischen Urwald bis hin zu kleinen Fischen und den Krebsen in den Gewässern. Egal wohin wir blicken, überall ist Leben, zu Lande, im Wasser, in der Wüste oder in der Arktis. Überall haben es Organismen geschafft, sich durchzusetzen und kleine Nischen zu finden. Das macht sie nicht nur für die Wissen­schaft interessant, sondern auch für die Wirtschaft.

Dieser Forschungsdrang hatte und hat teilweise aber auch negative Folgen, denn es war leider lange Zeit Praxis, dass wichtige, interessante, seltene Pflanzen von weither geholt und dann zu Kosmetika, zu Medizin verarbeitet wurden. Es haben andere als diejenigen, die vor Ort über die Ressourcen verfügt haben, den Gewinn eingestreift. Und das, das muss man klar feststellen, ist sicherlich kein faires Miteinander. Mit einer solchen Praxis soll in Zukunft Schluss sein, Schluss mit Biopiraterie. Deshalb gibt es das Nagoyaprotokoll und seit Oktober 2014 auch die entsprechende Verordnung der EU dazu.

Auch Österreich ist, wie bereits angesprochen wurde, seit Oktober 2018 Vertragspartei dieses Nagoyaprotokolls, das den Zugang zu genetischen Ressourcen regelt. Es regelt die Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung der genetischen Ressourcen, aber auch des traditionellen Wissens. Mit diesem Gesetz, das wir heute einhellig beschließen werden, setzen wir die EU-Verordnung um. Es wird – endlich, kann man fast sagen – eine konkrete Zuständigkeit festgelegt, nämlich die Zuständigkeit des Bundesministe­riums für Nachhaltigkeit und Tourismus. Die Bundesministerin kann auch Durchfüh­rungsverordnungen erlassen, sie bedient sich auch des Umweltbundesamtes zur Erfül­lung dieser Aufgaben.

Das Gesetz legt auch Strafen und die Strafbarkeit fest. Es ergänzt damit die EU-Ver­ordnung, kann aber nichts anderes oder nichts Weitergehendes regeln als die EU-Ver­ordnung. Es wurde die Stellungnahme des Naturhistorischen Museums angesprochen, diese ist inhaltlich sehr wichtig und gut, doch muss man leider darauf hinweisen, dass wir nichts Weitergehendes regeln können als bereits in der EU-Verordnung geregelt ist, weil diese EU-Verordnung unmittelbar anwendbares Recht ist. So ist es beispielsweise nicht möglich, eine Ausnahme für nicht kommerzielle Nutzungen in diesem Gesetz zu regeln, weil das im Widerspruch zu dieser EU-Verordnung stehen würde.

Das Nagoyaprotokoll und die Umsetzung in diesem Gesetz, denke ich, sind ein wichti­ger Baustein auf dem Weg zu einem fairen und nachhaltigen Miteinander.

Es wurden immer wieder die Themen Biodiversität und Unterstützung des fairen Mit­einanders angesprochen: Ich denke, dass wir da als Konsumenten bei jedem Griff ins Regal, bei jedem Einkauf, den wir tätigen, die Macht haben, zu entscheiden, welche Produkte und wen wir unterstützen, ob wir fair gehandelte, fair produzierte Produkte oder andere Waren unterstützen.

Ich denke, wir sollten uns dieser Entscheidungsmöglichkeit, dieser Macht bewusst sein, und uns klar für fair gehandelte Produkte entscheiden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.52



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 181

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Johann Rädler zu Wort. – Bitte.


18.52.18

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zur Vollziehung des Nagoyaprotokolls wurde eigentlich alles gesagt. Was von der Rednerin der SPÖ an­gesprochen wurde, nämlich dass es sich hierbei vonseiten der Bundesregierung um Worthülsen handelt, muss zurückgewiesen werden.

In der vorigen Bundesregierung ist nämlich ein Streit darüber entstanden, wer auf ös­terreichischer Ebene zuständig sei. Österreich hat zwar 2018 mit 116 anderen Ver­tragsparteien dieses Protokoll unterzeichnet, aber die Zuständigkeit wurde nicht ge­klärt. Sie sollte beim Bundeskanzleramt liegen, wurde aber nicht vollzogen. (Abg. Haub­ner: Genau!) Diese Bundesregierung hat jetzt mit diesem Bundesgesetz klar diese Zuständigkeit geschaffen, nämlich dass das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und die Frau Bundesminister zuständig sind. Damit ist die Möglichkeit er­öffnet, bei der Vollziehung dieses Gesetzes Sanktionen einzuleiten. Das ist eine klare Ausrichtung der Bundesregierung, das sei auch einmal gesagt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Hammer: Bravo!)

Ich möchte aber doch noch ein paar Dinge richtigstellen: Frau Kollegin Duzdar, Sie und Frau Kollegin Kuntzl, die gerade nicht da ist, haben in der vorherigen Debatte ange­sprochen, dass diese Bundesregierung den Rechtsextremismus in die Ministerien tra­ge (Zwischenruf des Abg. Vogl) – ja, in die Ministerien trage. Frau Kollegin Duzdar, kennen Sie den Namen Kreisky? Ich weiß nicht, ob Sie ihn kennen, aber vielleicht ha­ben Sie auch seine Aussage gehört - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Wir sind bei Tagesordnungspunkt 7 und nicht beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich muss Sie daher unterbrechen, es sei denn, Sie stellen einen Bezug zur jetzigen De­batte her.


Abgeordneter Johann Rädler (fortsetzend): Ich werde den Bezug herstellen, nämlich zur Wahrheit. Die Frage ist die, ob man die hören - -


Präsidentin Doris Bures: Das wird zu wenig sein, Herr Abgeordneter. Ich ersuche Sie, zur Sache zu sprechen.


Abgeordneter Johann Rädler (fortsetzend): Ich möchte nur sagen: Der Rechtsextre­mismus wurde von der SPÖ und von der Kreisky-Regierung in die Ministerien hinein­getragen, mit sechs Nationalsozialisten als Regierungsmitglieder. Kennen Sie die Na­men Rösch, Weihs, Frühbauer, Moser und so weiter? Das darf ich ‑ ‑


Präsidentin Doris Bures: Jetzt rufe ich Sie ein zweites Mal auf, zur Sache zu kom­men, Herr Abgeordneter!


Abgeordneter Johann Rädler (fortsetzend): Das war zur Sache. (Allgemeine Heiter­keit.) Abschließend zum Kollegen Wittmann - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie stehen am Rednerpult und den Vor­sitz führe ich. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.) Daher würde ich Sie bitten, dass wir, so wie in der Geschäftsordnung vorgesehen, zur Sache reden. Es geht um das Nagoyaprotokoll. Bitte.


Abgeordneter Johann Rädler (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich nehme diese char­mante Aufforderung gerne zur Kenntnis. Ich hoffe, dass jetzt klargestellt ist, dass diese Bundesregierung dieses Gesetz vollzieht und es keine Worthülsen sind, wie vorher be­hauptet wurde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.55

18.55.40



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 182

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 544 der Beilagen.

Ich ersuche alle Damen und Herren Abgeordnete, die dem Gesetzentwurf zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem auch in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

18.56.188. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 715/A(E) der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endla­ger an Österreichs Grenzen,

über den Antrag 451/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern sowie

über den Antrag 660/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Nein zum Schrottreaktor – Stopp Mochovce (576 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager zu Wort. – Bitte.


18.57.16

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen heute einen Entschließungsantrag an die Regie­rung beschließen, der ein Allparteienantrag ist. Es ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig, dass gerade in der Thematik Atompolitik Österreich quer über alle Parteigrenzen an ei­nem Strang zieht und das ganz klare Nein der österreichischen Bevölkerung zu Atom­strom zum Ausdruck bringt.

Für Österreich haben wir diese Aufgabe schon gelöst. Kollege Rädler hat vorhin von Kreisky gesprochen – es gibt wahrscheinlich viele Denkmäler von Kreisky, aber das wahrscheinlich größte steht in Zwentendorf und ist das AKW Zwentendorf, das in Ös­terreich Gott sei Dank nie ans Netz gegangen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist aber nicht so, dass Atomenergie damals allgemein als Irrweg betrachtet wurde, vielmehr wurde Atomenergie damals europaweit, und zwar egal, aus welcher politi­schen Ecke, als die Technologie in der Energiewirtschaft gesehen. Daher hat sich im Bereich Atomkraft europaweit einiges entwickelt, sei es im Osten, sei es im Westen. Österreich ist mit der Aufgabe konfrontiert, nicht nur im eigenen Land dafür zu sorgen, dass das nicht zur Anwendung kommt, sondern vor allem auch auf unsere Nachbarn dahin gehend einzuwirken.

Der Bau von Mochovce 3 beängstigt viele unserer Bürger. Besorgnis erregt aber auch eine Frage, die zeigt, dass Atomtechnologie einfach nicht zukunftsfähig ist, nämlich die Frage der Endlager. Wir wollen, dass diese Endlager nicht in grenznahen Gebieten sind, und diesem unseren Anliegen wollen wir durch diesen Antrag noch Kraft verlei-


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hen. Wir wollen als österreichisches Parlament diesbezüglich an unsere Nachbarländer herantreten.

Die Frau Bundesministerin hat schon in vielen bilateralen Gesprächen gezeigt, dass sie da auf ihre Kolleginnen und Kollegen in Europa stark einwirkt. Wir müssen aber auch aufzeigen, wie es anders gehen kann. Da ist, glaube ich, die neue Reform bei uns betreffend den Ausbau der erneuerbaren Energie, die Entwicklung des Ökostroms, wie sie heute schon angesprochen wurde, ganz, ganz wichtig. Das sind die Schritte in die Zukunft einer verträglichen Energiewirtschaft und einer verträglichen Bereitstellung von Strom. Wir brauchen Strom, wir verbrauchen Strom, daher müssen wir uns auch Gedanken darüber machen, wie wir ihn produzieren können.

Wir müssen uns aber auch vor Augen führen, dass wir gerade in der Klimadebatte, wenn wir über CO2 und CO2-Emissionen sprechen, oft mit Ländern verglichen werden, die es nicht schaffen, aus dem Atomstrom auszusteigen. Ich finde, in diese Energie­rechnung müssen auch die Folgekosten von Atomstrom eingepreist werden. Dann wä­re Schweden wahrscheinlich kein Musterland mehr, Frankreich wäre weit hinten, einzig Deutschland hat den Ausstieg aus der Atomenergie bereits beschlossen und setzt ihn schrittweise um. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Wenn allerdings die Alternative zu Atomstrom Kohlestrom ist, dann ist das für die Um­welt wahrscheinlich auch nicht der beste Weg. Daher müssen wir in Europa weiterhin Schrittmacher sein und dem Ökostrom und dieser Energiewende den Weg bereiten, mit allen Möglichkeiten.

Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass wir heute die Verlängerung des Ökostromgeset­zes beschließen konnten, denn diese Betreiber brauchen Taten vonseiten der Politik, damit sie auch die Zuversicht haben, diesen Weg weiterzugehen. Es ist schade, dass wir beim Beschluss für den Ökostrom nicht alle Parteien dabeihatten. Das Erneuerba­ren-Ausbau-Gesetz ist gerade in Ausarbeitung, und da bitte ich alle Fraktionen, wieder Einigkeit zu zeigen. Ich hoffe, dass wir, so wie wir uns bei der Ablehnung der Atom­energie einig sind, auch bei der Frage des Ökostroms wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden, dass wir diesen positiven Zukunftsweg Österreichs für Euro­pa vorzeichnen und unseren Partnern in der Europäischen Union zeigen können, wie Energiewirtschaft umweltverträglich und zukunftsfit für die nächsten Generationen ge­staltet werden kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Feichtinger. – Bitte.


19.01.42

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Kollege Schmuckenschlager hat schon damit eingeleitet: Wir debattieren heute einen Allparteienantrag, der einmal mehr die österreichische Position zum Thema Atomkraft und Atommüll bekräftigt und unterstreicht.

Mehr als 40 Jahre nach der Volksabstimmung zu Zwentendorf – und hier sei mir eine Nebenbemerkung zum Kollegen Schmuckenschlager erlaubt (Ruf: Nein!): Bruno Kreis­ky hatte ja auch die Größe, diese Entscheidung des Volkes anstandslos anzuerkennen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) –, mehr als 30 Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl und acht Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima sind wir uns Fraktionsgrenzen überschreitend darin einig, dass Atomenergie keine Zukunftstechno­logie ist und Österreich konsequent an einer Zukunft der Energieversorgung auf Basis erneuerbarer und nachhaltiger Energien arbeiten muss.


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An dieser Stelle eine weitere Bemerkung zur Rede des Kollegen Schmuckenschlager: Wenn der Prozess zur Gesetzwerdung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes transpa­rent, offen und nachvollziehbar abläuft, sind wir gerne bereit, uns dabei zu beteiligen und sinnvollen Lösungen zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider teilen nicht alle Nachbarstaaten Österreichs die Ansicht Österreichs zur Atom­kraft und setzen nach wie vor auf den Ausbau bestehender Atomkraftwerke, auf die Laufzeitverlängerung alter und mit veralteter Technologie ausgestatteter Anlagen, set­zen zum Teil sogar auf die Neuerrichtung von Atomkraftwerken. Auch das Problem der Lagerung des angefallenen und in Zukunft anfallenden Atommülls bleibt weiterhin un­gelöst. Niemand kann heute sagen, wie ein sogenanntes Endlager konkret aussehen soll und was es leisten muss, um dauerhaft Sicherheit bieten zu können.

Im Lichte dessen hat die sozialdemokratische Fraktion bereits vor Monaten mehrere Anträge insbesondere zum AKW Mochovce und zu eventuell geplanten grenznahen Atommüllendlagern eingebracht. Es ist aus unserer Sicht daher äußerst begrüßens­wert, dass die Regierungsfraktionen ebenfalls einen eigenen Antrag eingebracht ha­ben, der dieselbe Zielrichtung hat. Nunmehr ist es uns gemeinsam gelungen, den vor­liegenden inhaltlich präzisierten und geschärften Antrag bereits im Umweltausschuss einstimmig zu beschließen, der die Bundesregierung ersucht, „alle diplomatischen und politischen Mittel auszuschöpfen, um Atomenergie in Europa zurückzudrängen und den Ausbau von erneuerbaren Energien europaweit voranzutreiben“.

Hierzu eine Bemerkung zu einer vorhin erfolgten Aussage der Frau Bundesministerin: Frau Bundesministerin, die Bundesregierung, nicht die sozialdemokratische Parla­mentsfraktion oder die Sozialdemokratische Partei, wird ersucht. Es ist also offensicht­lich die Meinung aller Parlamentsparteien, dass es primär und grundlegend im Verant­wortungsbereich der Bundesregierung liegt, da im zwischenstaatlichen Bereich auf Re­gierungsebene tätig zu werden. Das betrifft Sie, Frau Bundesministerin, das betrifft auch den Herrn Bundeskanzler.

Frau Bundesministerin, wir sind bei diesem Thema alle einer Meinung, wir sitzen alle im selben Boot. (Abg. Neubauer: Nicht immer!) Nutzen Sie diese Unterstützung, die­sen Common Sense! Treten Sie im Sinne aller Österreicherinnen und Österreicher ent­schieden, energisch und vor allem unmissverständlich für die Ziele und Inhalte dieses gemeinsam getragenen Antrags auf! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Riemer zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.05.43

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Bundesmi­nister! Herr Kollege Feichtinger! Nach solch schönen Worten und einem Allparteienan­trag hätten wir uns, glaube ich, die letzten ätzenden Worte noch ersparen können. Es ist dem Umweltausschuss tatsächlich gelungen, hier eine einheitliche Linie zu finden, nämlich mit den Anträgen von Schmuckenschlager und Rauch, dann natürlich von Feichtinger, dann natürlich auch von Androsch, und dass letztendlich auch Herr Ross­mann und Herr Bernhard da mitgetan haben, halte ich für etwas Positives. Das zeigt, dass wir zusammen etwas bewirken können, und das sollten wir auch in Zukunft ma­chen! Dann hätten wir uns heute den ganzen Blödsinn und viele Anschüttungen er­sparen können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Präambel sagt ja, glaube ich, alles aus: „Die Bundesregierung wird ersucht, alle di­plomatischen und politischen Mittel auszuschöpfen, um Atomenergie in Europa zurück­zudrängen und den Ausbau von erneuerbaren Energien europaweit voranzutreiben.“


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Das klingt natürlich alles sehr einfach. Die Frau Bundesminister hat heute schon bei der Fragestunde erklärt, was sie in Bezug auf Mochovce alles unternommen hat. Man kann immer fordern, aber bitte: Österreich kann in Österreich souverän agieren, so meint man, aber wenn es um Nachbarstaaten geht, muss man natürlich schon andere diplomatische Zielsetzungen ins Auge fassen.

Dass Mochovce vielleicht ein Problemfeld ist, dass natürlich Dukovany ein Problemfeld ist, dass Temelín ein Problemfeld ist, dass die Endlagerstätten ein Problem sind, das wissen wir. Wir kennen auch die Forderung, dass man dazu hydrologische und geolo­gische Gutachten braucht; auch die Wünsche, die Bevölkerung einzubinden, sind eh­renvoll, aber die Frage ist: Wer tut das dann alles? Also da gibt es schon sehr, sehr viele Dinge zu bedenken. Wenn man schon im kleinen Österreich merkt, wie schwer es oft ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, dann kann man sich vorstellen, wie schwer es ist, in ganz Europa in diesem Sinne vorzugehen.

Man muss aber der Frau Bundesminister Anerkennung für all das, was sie getan hat, aussprechen, dafür, dass sie sich bemüht. Das ist die eine Geschichte. Die zweite Ge­schichte ist, und das haben die Vorredner ja schon hervorragend dargelegt: Was uns gemeinsam bewegen sollte, ist, das Emotionale in den Vordergrund zu stellen, denn ich glaube, es kommt zu einer Renaissance der Atomenergie in Europa. Man redet zwar von Fukushima, und es ist noch gar nicht so lange her, dass wir Gedenkblogs für die Toten unterschrieben haben et cetera, aber was ist von der Fukushimakatastrophe eigentlich noch in Erinnerung geblieben? Redet noch jemand von verstrahlten Lebens­mitteln, von Menschen, die umgesiedelt worden sind, von Menschen, die ihre Heimat verloren haben? Niemand redet mehr davon!

Tschernobyl? Wer weiß überhaupt noch, was Tschernobyl ist? Das ist 33 Jahre her. Ich weiß, aus der Südsteiermark kommend, dass wir heute noch verstrahlte Gebiete haben. Die sind noch verstrahlt! Da sagt das Umweltamt: Bitte nur nicht zu viel Wild­bret essen!, die Schwammerlsucher sind angehalten, nicht zu viel zu essen. Jetzt kann man lachen, aber bitte, das ist 33 Jahre danach! Wir reden aber nicht von den 400 000 Leuten in der Ukraine, die abgesiedelt werden mussten, wir reden nicht von den 74 000 Menschen, die zu Invaliden geworden sind. Auch das gehört dazu.

Wenn wir heute darüber reden – ich weiß nicht, wie weit die Zeit vorgeschritten ist –, dann sollte man noch eines erwähnen: Österreich ist von vielen AKWs umgeben. Paks wurde ja erwähnt. Da wissen wir gar nicht, wie es mit den Ausbaustufen ausschaut, da tut sich einiges. Krško, das ist in meiner südsteirischen Heimat das nächstgelegene AKW, ist nur 100 Kilometer von der Landeshauptstadt Graz entfernt. Das ist nicht weit. Man sollte wissen, Krško ist noch immer eine Bedrohung, was ja auch das Umweltbun­desamt bestätigt hat, nämlich mit dem Hinweis auf den geplanten Ausbau. Slowenien bezieht zu 41 Prozent Atomstrom, da gehört auch Kroatien dazu, alle, die sich da be­teiligen. Also so ohne ist das nicht. Wie sollen die da aussteigen? Was bieten wir ihnen an, damit sie überhaupt aussteigen können? Das ist gar keine so einfache Geschichte.

Wir müssen für uns aber wissen, dass Krško auf einer Bebenlinie liegt. Da gibt es von Slowenien noch keine konkreten Vorschläge, was man eigentlich tut, wenn es zu ei­nem Beben kommt. Ich sollte mir da irgendwo eine Zahl vermerkt haben, ja: Seit 1990 hat es im Umkreis von 200 Kilometern von Krško 178 Erdbeben der Stärke 3,5 bis 5,7 gegeben. Würde es ein Beben wie das im Jahre 1640 mit einer Stärke von 7 geben, so einige Experten, dann würde dieses Atomkraftwerk nicht bestehen und nicht halten können. Das ist also schon eine Sache, 100 Kilometer von unserer Grenze entfernt! Von den Endlagern, wie Kollege Feichtinger gesagt hat, reden wir ja noch gar nicht. Das ist schon eine Geschichte!


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Dazu vielleicht noch Folgendes, damit man das weiß: Der Katastrophenschutz des Landes Steiermark sagt dazu, die Kaliumjodidvorsorge ist zu treffen, Informationen in Bezug auf Ernährung et cetera für die Bevölkerung sind auszugeben. Die sagen, es muss festgehalten werden, dass es bei einem erdbebenbedingten Störfall im Ausmaß, wie er in Fukushima stattgefunden hat, zu einem radioaktiven Fallout über der Steier­mark kommen könnte, dessen Folgen mit den Maßnahmen des herkömmlichen Kata­strophenschutzes nicht beherrschbar wären. – Na ja, ich glaube, das sagt genug.

Es gab natürlich – das sollte man sich anschauen – auch noch große Katastrophen nach Tschernobyl: in Frankreich, in Schweden, auch in Japan und in Pennsylvania, USA. Die Technik entwickelt sich weiter. Auch die Atomenergie hat sich in vielen Ländern des technischen Fortschritts bemächtigt. Ich weiß nicht, wie das in Zukunft weitergehen wird, aber ich hoffe, dass Österreich vor einer strahlenden Zukunft bewahrt bleibt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

19.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.


19.12.19

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Atomenergie ist leider noch immer kein Auslaufmodell, und insofern bin ich froh darü­ber, dass wir in der letzten Sitzung des Umweltausschusses einen Fünfparteienantrag zustande gebracht haben, in dem wir unser klares und entschiedenes Auftreten gegen die Atomkraft und gegen die Atommülllager an Österreichs Grenzen zum Ausdruck bringen.

Ich habe aber bereits in der Sitzung des Umweltausschusses angedeutet, dass mir die­ser Entschließungsantrag nicht weit genug geht, weil wir an unserer Grenze, in der Slo­wakei, ein Atomkraftwerk haben, Mochovce – wir kennen es alle –, das ja in Betrieb genommen werden soll. Die Sicherheitsrisiken sind enorm hoch. Es gibt furchterregen­de Berichte darüber, dass Druck erzeugt wird oder dass Schlampereien am Bau pas­sieren, was natürlich die sicherheitspolitischen Risiken erhöht. Die Betreiber wissen Bescheid und lassen aber trotzdem gewähren, weil Interesse daran besteht, dieses Kraftwerk so rasch wie möglich in Betrieb gehen zu lassen. In der „Kronen Zeitung“ war vor wenigen Tagen ja auch zu lesen, dass der Reaktor in Mochovce „so löchrig wie ein Schweizer Käse“ sei.

Es ist ja auch kein Zufall, dass die Landesklimaschutzreferenten in ihrer letzten Kon­ferenz beschlossen haben, dass in Mochovce ein unabhängiges Experten- und Exper­tinnenteam zum einen eine Überprüfung durchführen soll und dass zum anderen ein UVP-Verfahren unter Einbeziehung aller Nachbarstaaten, insbesondere auch der ös­terreichischen Öffentlichkeit, eingefordert werden soll. Aus diesem Grunde war das eine Motivation für mich, einen Entschließungsantrag zu schreiben und ihn gemeinsam mit der SPÖ, mit Kollegen Feichtinger, hier heute einzubringen. Dessen Ziel geht ge­nau in diese Richtung: Einerseits fordern wir eine erneute UVP-Prüfung, darüber hi­naus wollen wir aber auch einen Dialog, Frau Ministerin, mit der slowakischen Regie­rung und mit den Betreibern im Rahmen einer außerordentlichen, bilateralen Konsul­tation.

Warum wollen wir diesen Dialog, den Sie mit der Slowakei und mit den BetreiberInnen führen müssen? (Ruf bei der ÖVP: Das werden Sie uns jetzt gleich erklären!) – Weil es notwendig ist, dass mehr Transparenz geschaffen wird. Wir wollen die Offenlegung der Dokumente seit der UVP des Jahres 2009. Wir wollen schlicht und einfach wissen, was


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 187

dort Stand der Dinge ist. Wir wollen wissen, wie es bei Mochovce 3 und 4 ausschaut, was adaptiert worden ist, was die Schwächen sind, wo die Sicherheitsrisiken liegen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Sonder-Bilaterale mit der Slowakei zum AKW Mochovce und erneute Umweltverträglichkeitsprüfung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, vor der angekündigten Inbetriebnahme von Mochovce 3 und 4 im Rahmen einer außerordentlichen bilateralen Konsultation den Dialog mit der slo­wakischen Regierung und mit dem AKW-Betreiber zu suchen, sodass alle Dokumente über die zwischenzeitlichen Adaptierungen seit der Umweltverträglichkeitsprüfung von 2009 offengelegt werden. Zudem soll die Ministerin mit der slowakischen Regierung Gespräche aufnehmen, um ein erneutes Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren un­ter Einbeziehung der österreichischen Öffentlichkeit einzuleiten.“

*****

Ich lade Sie ein, meine Damen und Herren von den NEOS, von FPÖ und ÖVP, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Wir können damit unserer Bevölkerung mehr Si­cherheit geben, indem wir Schritte einleiten, die sicherstellen, dass Mochovce wirklich nur dann in Betrieb genommen wird, wenn die Sicherheitsrisiken minimiert werden können. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT.)

19.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sonder-Bilaterale mit der Slowakei zum AKW Mochovce und erneute Um­weltverträglichkeitsprüfung

eingebracht im Zuge der Beratungen zu TOP 8: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 715/A(E) der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares und entschiedenes Auftreten gegen Atom­kraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen,

über den Antrag 451/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern sowie

über den Antrag 660/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Nein zum Schrottreaktor - Stopp Mochovce (576 d.B.)


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Begründung

Bereits im September 2018 tauchten in slowakischen Medien Berichte über massive Baumängel beim AKW Mochovce auf. Der italienische Maschinenbauingenieur Mario Zadra, der am Bau des Kraftwerks beteiligt war, sprach in einem Interview mit der slo­wakischen Zeitung „Sme“ davon, dass unqualifizierte Arbeiter Schweißarbeiten durch­geführt hätten und teils Genehmigungen fehlten. Es sei auch Druck ausgeübt worden, die Anlage so schnell wie möglich fertigzustellen, egal, ob alles funktioniere oder nicht. Die Schlampereien hätten „ernsthafte Konsequenzen für die Sicherheit des Kraft­werks“, meinte er. Die Betreiber wüssten davon, würden aber nichts unternehmen (Zu­sammenfassung des Interviews laut Die Presse, https://diepresse.com/home/ausland/welt/
5498182/
Slowakei_Massive-Baumaengel-beim-AKW-Mochovce)

Im April 2019 wurden in österreichischen Medien ähnliche Vorwürfe laut. Der Reaktor sei „so löchrig wie ein Schweizer Käse“, berichtete die Kronenzeitung unter Berufung auf einen Whistleblower. Einer der Gründe: Tausende Bohrungen an den Wänden, re­sultierend aus Arbeiten, die für die seismische Nachrüstung notwendig gewesen seien. (Quelle: https://www.krone.at/1895800)

Fakt ist: Was bisher an Sicherheitschecks und Überprüfungen am AKW Mochovce durchgeführt wurde, ist nach derzeitigem Kenntnisstand ungenügend und garantiert die Sicherheit der Bevölkerung in der Umgebung des AKWs nicht – also auch nicht die der österreichischen Bevölkerung.

Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung für das mittlerweile 34 Jahre alte Kraftwerk von 2009 ist zwar gültig, aber es konnten in den bisherigen Kontakten mit dem Betreiber die folgenden technischen Adaptierungen nicht nachvollzogen werden. Zudem wurde die Prüfung 2010 einseitig beendet. Die österreichische Regierung hatte damals eine Protestnote deponiert. Eine Inbetriebnahme von Mochovce aufgrund alter Daten und einer technisch überholten, möglicherweise unvollständigen Prüfung wäre aber eine echte Bedrohung.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 hatte im Herbst 2018 in ihrer „Stellungnah­me über die Erfüllung der UVP-Bedingungen für das AKW Mochovce 3 und 4“ unter anderem festgestellt, dass die Umweltverträglichkeitserklärung von 2008 zum Teil des­halb vollkommen veraltet ist, „weil bei Fragen der Sicherheit Dokumente von 2003 an­geführt werden“.

Die LandesklimaschutzreferentInnenkonferenz hat bei ihrem letzten Zusammentreffen beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, sich dafür einzusetzen, dass die Bau­ausführung von Mochovce durch internationale Expertinnen und Experten überprüft werde, und dass ein erneutes Umweltverträglichkeitsverfahren unter Einbeziehung der österreichischen Öffentlichkeit eingefordert werde.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou­rismus, wird aufgefordert, vor der angekündigten Inbetriebnahme von Mochovce 3 und 4 im Rahmen einer außerordentlichen bilateralen Konsultation den Dialog mit der slowa­kischen Regierung und mit dem AKW-Betreiber zu suchen, sodass alle Dokumente über die zwischenzeitlichen Adaptierungen seit der Umweltverträglichkeitsprüfung von 2009 offengelegt werden. Zudem soll die Ministerin mit der slowakischen Regierung


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 189

Gespräche aufnehmen, um ein erneutes Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren un­ter Einbeziehung der österreichischen Öffentlichkeit einzuleiten.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­handlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.17.28

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! 41 Jahre ist es her, seit sich die österreichische Bevölkerung 1978 mit 50,5 Prozent gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf ausgesprochen hat. Das war damals eine weise Ent­scheidung der österreichischen Bevölkerung, denn damit wurden wir europaweit Vor­reiter bei diesem Thema. Wir wissen, es scheint zwar eine harmlose, billige Energie­form zu sein, aber sie kann große Auswirkungen haben und im Endeffekt sehr teuer werden.

Heuer jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 30. Mal (Abg. Rossmann: 33 Jah­re! Das war vor 33 Jahren!), und ich weiß noch ganz genau, damals war ein schöner Tag, und ich war draußen Steine klauben und wusste gar nicht, welche Atomkatastro­phe sich ereignet hatte.

Wenn ich nur an unsere grenznahen Atomkraftwerke denke – bei mir im Waldviertel ist Temelín in der Nähe – und daran, dass so etwas tagtäglich wieder passieren kann, stelle ich mir die Frage, ob wir ausreichend und schnell informiert werden und welchen großen Schaden so ein Unfall in unserem Land hinterlassen kann.

Wenn ich jetzt die tschechische Regierung hernehme, die noch immer auf der Suche nach Standorten für das Endmülllager ist – davon sind einige Standorte in Grenznähe, in der Nähe unserer niederösterreichischen Grenze –, so hat die Bevölkerung natürlich Sorge und fürchtet eine gesundheitliche Gefährdung. Wir haben in Niederösterreich schon eine Unterschriftensammlung gestartet, bei der 110 000 Menschen, die sich ge­gen den Ausbau des AKW Dukovany und gegen die Errichtung eines grenznahen Atom­mülllagers aussprechen, unterschrieben haben.

Daher gilt es natürlich auch, politisch Druck zu machen, damit wir bestens informiert sind. Ich möchte mich diesbezüglich natürlich auch ganz besonders bei unserer Frau Bundesministerin bedanken, die sich ja immer gegen die Atomenergie stellt und sich – auch in bilateralen Gesprächen – für die besondere Sicherheit der bestehenden Atom­kraftwerke einsetzt.

Ich finde es daher auch sehr gut, dass wir im Umweltausschuss einen gemeinsamen Antrag gestellt haben, denn gerade die Atomenergie und alles, was die Atomkraftwerke betrifft, ist eigentlich eine parteienübergreifende Sache. Wir alle sind dagegen, und da­her sollten wir uns da nicht politisch gegeneinander ausspielen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Laut Informationen der tschechischen Agentur für nukleare Abfallentsorgung verzögert sich die Standortsuche. Es gibt neun Standorte, davon hätten schon zwei ausgesucht werden sollen, das ist aber bis jetzt noch nicht passiert. Wir sehen, es herrscht diesbe­züglich wirklich Chaos, und daher bin ich der Meinung, wir brauchen einfach einen eu­ropaweiten Ausstieg aus der Atomenergie. Wir wollen auf keinen Fall ein Atommüllend­lager in Grenznähe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Wie gesagt, Österreich ist da Pionier allererster Stunde, auch die Verlängerung des Ökostromgesetzes, die wir heute beschlossen haben, hat uns gezeigt, dass wir im Be­reich der erneuerbaren Energien viel machen wollen. Nur die erneuerbare Energie kann für die Zukunft der richtige Schritt sein, damit wir keinen Atomstrom brauchen und nachhaltig auch weiterhin in der Sache fortfahren können.

Ich möchte mich zum Abschluss nochmals recht herzlich für das gemeinsame Vorge­hen bei diesem Thema bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Androsch. – Bitte.


19.21.51

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Werte Frau Präsidentin! Werte Regie­rungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Herr Kollege Riemer, du hast einen ganz wichtigen Satz gesagt: Wer redet noch darüber? – Das ist genau das Thema, wenn es um Atommüll geht, wenn es um Atomkraft geht. Wir müssen jede Gelegenheit nützen, um darüber zu re­den, und das war auch der Grund, warum unsere Fraktion entsprechende Anträge ein­gebracht hat, das ist auch der Grund, warum wir heute hier stehen und einen ge­meinsamen Antrag unterstützen. Es ist wichtig, dass wir über alle Parteigrenzen hin­weg über dieses Thema reden (Abg. Neubauer: Das war nicht immer so!), und es ist vor allem auch wichtig, dass wir dieses Thema gemeinsam über die Ländergrenzen tragen. Dass wir in Österreich atomfrei sind, das ist unbestritten, aber rund um uns pas­siert vieles.

Frau Bundesministerin, es geht gerade um die Atommüllendlager. Ich möchte Sie da­ran erinnern, es gibt in Europa und weltweit bereits Atommüllendlager, aber wir haben daraus gelernt. Ich erinnere an Kyschtym, wo der größte Atommüllendlagerunfall pas­siert ist, neben Tschernobyl und Fukushima der drittgrößte Atomunfall überhaupt in der Geschichte. Damals wurden 20 000 Quadratkilometer verseucht; daran erinnert sich heute niemand mehr.

Ich erinnere aber auch an viel nähere Ereignisse, das sind jene, die sich in Asse II be­ziehungsweise in Morsleben ereignet haben. Das sind Atommüllendlager, die Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre in Deutschland errichtet worden sind. Damals waren sich alle sicher, dass die Atommüllendlager ausreichen – sie werden ausrei­chen, um uns Jahrtausende davor zu schützen, verstrahlt zu werden oder dadurch in irgendeiner Form beeinträchtigt zu werden. Aber drei Jahrzehnte später hat man alle diese Sicherheitsprognosen revidieren müssen, weil man draufgekommen ist, dass ge­rade diese Atommüllendlager – obwohl man sie damals als sicher beschrieben hat – nicht funktionieren. Wenn man bedenkt, dass allein das Spaltprodukt Plutonium über 24 000 Jahre Halbwertszeit hat, dann bedeutet das, wir müssen uns betreffend die Atommüllendlager einem Thema stellen, wo es um ein ganz hohes Sicherheitsbedürf­nis der Menschen geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Tschechien bei der Ausweisung von Standorten so nah an Österreich heran­rückt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann – da dürfen Sie mir nicht böse sein – schreien wir nach einem Schutzkorridor, dann ist uns dieser wichtig, weil die Menschen diesseits und jenseits der Grenze große Sorge haben. Sie haben Sorge, in Zukunft noch sicher in ihrer Region leben zu können, sie haben Sorge, beeinträchtigt zu sein. Sie haben nicht nur vor der Endlagerung, sondern auch vor den Transporten bis zum Endlager Sorge.

Frau Bundesminister, Sie haben schon im Ausschuss zugesagt, sich intensiv dafür ein­zusetzen, und darum möchte ich Sie heute auch ersuchen. Ich ersuche Sie vor allem,


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den Druck zu erhöhen. Ich weiß, dass diplomatische Gespräche und Regierungsge­spräche auf dieser Ebene oft sehr schwierig sind, dass es oft schwierig ist, den Partner jenseits der Grenze davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, gewisse Standards ein­zuhalten, auch gewisse Zonen einzuhalten und nicht zu nah an die Grenze heranzu­rücken. Aber trotzdem: Man darf nicht aufgeben! Jedes Wort in diese Richtung, jede Tat in diese Richtung, ein Atommüllendlager in Grenznähe zu verhindern, ist ein Erfolg, den wir alle hier verzeichnen können, den Sie verzeichnen können, den wir als Ge­samtheit verzeichnen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich rufe Sie als Vertreterin der Bundesregierung daher auf, gemeinsam mit uns jede Chance, jede Gelegenheit zu nützen, tagtäglich über dieses Thema zu reden, die Men­schen zu informieren, Transparenz zu schaffen und dem tschechischen Partner, wenn es darum geht, Atommüllendlager zu errichten, ganz klar die Botschaft auszurichten: Du musst Transparenz gewährleisten, du musst Sicherheit gewährleisten und du musst Atommüllendlager errichten, die nicht an unserer Grenze stehen! – Das ist uns beson­ders wichtig.

Liebe Frau Kollegin Diesner-Wais, ich stimme Ihnen zu, da braucht es natürlich einen Schulterschluss, aber diesen muss man auch gemeinsam tragen und mit Tempo tra­gen, und bei diesem Thema waren Sie in Ihrer Region leider etwas zu langsam. (Beifall bei der SPÖ.) Ich danke dafür, dass es jetzt gelungen ist – Kollegin Diesner-Wais, du sitzt auch in diesem Ausschuss –, diesen Antrag gemeinsam zu entwickeln, ihn ge­meinsam zu tragen, weil wir eines brauchen: eine sichere Zukunft in unserem Öster­reich, in unserem Europa. Was wir nicht brauchen, ist unsichere Atomenergie. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nun hat sich die Frau Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Frau Bundesminister.


19.26.15

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich begrüße das gemein­same Auftreten aller Fraktionen gegen Atomkraft und vor allem auch gegen das Atom­müllendlager an Österreichs Grenze. Dafür darf ich mich auch sehr herzlich bei den Abgeordneten bedanken.

Kernenergie ist aus österreichischer Sicht keine nachhaltige Form der Energieversor­gung. Schon gar nicht unter dem Deckmantel des Klimaschutzes dürfen wir zulassen, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Nachbarländer Österreichs, die Atom­kraft weiter ausbauen und wieder Chancen sehen, ihre Energie dementsprechend her­zustellen. Des Weiteren werden sowohl das Verursacherprinzip als auch das Vorsor­geprinzip bei der Kernenergienutzung gröblich verletzt, das ist auch klar die Position der österreichischen Bundesregierung. Österreich ist überzeugt, dass eine CO2-Reduk­tion innerhalb der Energiesysteme ohne Kernenergie nicht nur möglich ist, sondern dass das vor allem auch der Weg sein muss, den wir in Zukunft gehen. Wir setzen auf erneuerbare Energieträger und wir setzen auch auf den Bereich der Energieeffizienz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bedauerlicherweise sehen das andere Länder nach wie vor nicht so, aber wir werden alles daran setzen, auch diese noch davon zu überzeugen. Vor allem – das ist uns wirklich ein besonderes Anliegen – muss europäisches, aber auch internationales Nu­klearrecht heute ständig für Verbesserungen der nuklearen Sicherheit sorgen. Wir sind uns bewusst, dass etwa in Mochovce Nachrüstungen erfolgten, aber wir sind auch der Meinung, dass diesbezüglich noch viel mehr getan werden muss.


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Österreich ist auch der Auffassung, dass für die Verlängerung der Betriebsdauer von Kernkraftwerken unbedingt eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden muss, da es sich um wesentliche Projektänderungen handelt. Wir haben diese Position bei jeder sich bietenden Gelegenheit deponiert, noch gibt es dazu leider keine europäische beziehungsweise internationale rechtliche Regelung, aber wir werden unermüdlich wei­ter daran arbeiten.

Noch ein Satz zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Rossmann und Feichtin­ger: Alles das, was Sie fordern, passiert bereits. Wir sind seit Monaten mit den Kolle­gen in der Slowakei und in Tschechien in Verbindung. Ich selbst bin nach Bratislava gefahren, habe noch einmal klar unsere Sicherheitsbedenken und die Baumängelbe­denken deponiert und fordere auch von meinem slowakischen Amtskollegen ein, dass die Reaktorblöcke drei und vier des Kernkraftwerkes Mochovce nicht in Betrieb ge­nommen werden dürfen. Auch ist ein Endlager in Grenznähe für Österreich nicht vor­stellbar und kann von uns nicht akzeptiert werden; auch das haben wir bereits deutlich gemacht.

Nicht nur ich bin tätig, sondern auch unser Bundeskanzler Sebastian Kurz hat auf Ebe­ne der Staats- und Regierungschefs bereits das Gespräch gesucht, und wir werden das in den nächsten Wochen noch weiter intensivieren. Wir verlangen Transparenz, wir verlangen Mitsprache bei Endlagerprojekten genauso wie bei der Verlängerung von bestehenden Kernkraftwerken; und beim Neubau sowieso.

Geschätzte Damen und Herren, die beste Maßnahme gegen Atomkraft ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, was wir heute mit diesem gemeinsamen Antrag hier im Hohen Haus zustande bringen, würde ich mir wirklich auch wünschen, wenn es darum geht, die erneuerbaren Energien auf die Überholspur zu bringen, sie wirklich gemeinsam auszubauen, ein kla­res Commitment abzugeben – egal, ob es um Biomasse, Photovoltaik, Windkraft oder Wasserkraft geht. Ich würde mir wünschen, dass wir alle gemeinsam hinter diesem Ziel stehen, in Österreich 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren.

Vielen herzlichen Dank für diesen Entschließungsantrag, der zeigt, dass Österreich in Atomfragen eine parteiübergreifende Linie vertritt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.30.45

Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Erlauben Sie mir, dass ich ganz kurz auf die Ausführungen der Kollegen Feichtinger und Androsch repli­ziere: Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Anträge, die Sie zum Thema Mochovce und zum Thema Atommüllendlager eingebracht haben. Es sei aber schon auch er­wähnt, dass die FPÖ, auch mit Beteiligung meiner Person, seit 2007 insgesamt neun Anträge dazu eingebracht hat, die jeweils von der SPÖ abgelehnt wurden. Das muss man leider auch dazusagen. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... der ÖVP, das muss man auch dazusagen!) Unabhängig davon wollen wir das gute Klima, das heute anlässlich dieses Antrags herrscht, nicht schmälern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Tatsache ist: Wir müssen es schaffen, den österreichischen Anti-AKW-Konsens in die EU zu tragen. Das ist das Entscheidende, was uns von diesem Parlament aus gelingen muss. Das muss Konsens sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir sind das nämlich jenen schuldig, die bereits 1978 die Weisheit gehabt haben, zu entscheiden, ob sie für Atomkraft oder gegen Atomkraft sind. Man


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hat sich gegen die Atomkraft entschieden. Das war gut so, und wir sind auch verpflich­tet, dieses Erbe weiterzutragen. Wir müssen den europaweiten Atomkraftausstieg vo­ranbringen. Wir dürfen auch die Super-GAUs von Tschernobyl, Fukushima und andere nicht vergessen.

Dazu kommt noch, dass wir ja eigentlich ohnehin jeden Tag an die Gefahren erinnert werden, die von der Atomkraft ausgehen. Wer liest nicht fast wöchentlich über einen Atomkraftstörfall in Temelín, in Dukovany, in Mochovce, in Krško oder in Paks? Nur: Wer reagiert darauf? Das ist das Erschütternde, dass viele das zur Kenntnis nehmen, als wäre nichts Großartiges passiert, und zur Tagesordnung übergehen. Auch das muss ins Bewusstsein der Menschen übergehen: Ein Störfall ist keine Lappalie! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Als ich im Jahre 2007 mit meinen Freunden von der Antiatomkraftbewegung in Oberös­terreich zum ersten Mal gegen das Atomkraftwerk Temelín geklagt habe, haben mich alle als Fantasten abgetan. Seit ich dem Anti-Atom-Komitee beigetreten bin, dem ich heute noch angehöre – und darauf bin ich stolz –, haben wir den Kampf nicht aufgege­ben. Auch die Klagen gegen Mochovce haben wir eingereicht, aber leider sind diese Klagen alle abgelehnt worden.

Es wird sich deshalb meine Einstellung nicht ändern, dass die Atomenergie keine sau­bere, keine sichere und keine kostengünstige Zukunftsstrategie sein kann. Es ist aber schon bezeichnend, dass kein einziger Vorredner das Grundübel angesprochen hat. Das Grundübel der Atompolitik in Europa ist und bleibt der Euratom-Vertrag; dessen müssen wir uns bewusst sein. Der Euratom-Vertrag ist jener Vertrag, der die Atom­kraftwerke eigentlich erst begünstigt, der die Erweiterung der Atomkraftwerke begüns­tigt, der die Laufzeitverlängerung von Schrottreaktoren begünstigt. Da, beim Euratom-Vertrag, müssen wir ansetzen, da müssen wir europaweit wirklich Flagge zeigen. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Es kann ja wohl nicht sein, dass wir diesen Vertrag mit unserem Steuergeld auch noch finanzieren, obwohl sich alle in diesem Haus gegen die Atomkraft aussprechen. Das ist ja ein Paradoxon der besonderen Güte. Wir sprechen uns gegen die Atomkraft aus, aber gleichzeitig - - (Abg. Plessl: Was sagt die ÖVP dazu?) – Lesen Sie das Regie­rungsprogramm, Herr Kollege, dann wissen Sie mehr! Das wäre vielleicht ein guter Hinweis; das wäre eine gute Lektüre, vielleicht heute Abend noch! (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Plessl.)

Wenn wir mit den Mitteln, mit denen heute die Atomkraft über den Euratom-Vertrag ge­sponsert wird, einen anderen Topf füllen, aus dem wir nämlich die Alternativenergie speisen, dann möchte ich sehen, wie lange der Euratom-Vertrag noch Gültigkeit haben kann, denn die Geldflut dorthin würde sehr rasch verebben. Es würde nur mehr der Topf für die Alternativenergien übrig bleiben. Das müssen wir schaffen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Plessl: Was sagt die ÖVP dazu?)

Wir haben vor zwei Jahren eine Unterschriftenliste angelegt. Wir haben hier im Hohen Haus einen Antrag gegen grenznahe Atomreaktoren eingebracht. Die SPÖ war dage­gen. Nichtsdestotrotz haben alleine in Oberösterreich und in Niederösterreich 600 Ge­meinden unterschrieben. 600 Gemeinden, das ist viel! Insgesamt haben bei dem Volksbegehren 751 000 Menschen unterschrieben. Da Sie in den letzten Tagen so gro­ßes Wehklagen darüber geäußert haben, wie diese Bundesregierung mit Volksbegeh­ren umgeht, darf ich Ihnen sagen, was Sie mit diesen 751 000 Unterschriften gemacht haben: Sie haben sie schubladisiert. Sie haben sie nicht einmal ignoriert. – Das ist die Realität Ihrer sozialistischen Politik! Dazu müssen Sie auch stehen, und nicht nur der Bundesregierung vorwerfen, dass sie etwas nicht tut, das Sie selber nicht machen! (Abg. Plessl: Sie machen ja nur Überschriften!)


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Wichtig wäre es also, dass die Republik Österreich in diesen Verfahren betreffend grenznahe Atomkraftwerke nicht mehr nur als Beteiligte angesehen wird; da helfen di­plomatische Beziehungen vielleicht etwas weiter. Solange wir aber bei solchen Verfah­ren betreffend Atomreaktoren und Schrottreaktoren keine Parteistellung erhalten, wer­den wir das Problem definitiv nicht lösen können. In diese Richtung müssen wir gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Gibt es keine AKWs, gibt es keine Atommüllendlager. In dem Sinn freue ich mich, dass der heutige Antrag seine Anerkennung findet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.37.19

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer­te Zuseherinnen und Zuseher! Im Oktober 2000 war ich genau neun Jahre alt. Es war im Oktober 2000, als mich mein Opa auf einen ganz besonderen Ausflug mitgenom­men hat, denn wir sind von seinem Bauernhof aus mit seinem Traktor circa 15 Kilome­ter weit an die oberösterreichisch-tschechische Grenze gefahren und haben dort mit Tausenden anderen gegen die Inbetriebnahme des AKW Temelín demonstriert. Diese Grenzblockade hat in etwa eine Woche gedauert, und die Abschlussveranstaltung war auch sehr erfolgreich, da waren nämlich aufgrund der vielen Störfälle, die es in Teme­lín gegeben hat, Zehntausende besorgte Bürgerinnen und Bürger.

Wir haben es schon gehört, morgen jährt sich der Super-GAU in Tschernobyl zum 33. Mal. Der Kampf gegen die Atomenergie ist aber immer noch aktuell. Das zeigt sich auch daran, dass wir heute mehrere Anträge verhandeln, und das zeigen auch die vie­len Initiativen, von denen wir heute gehört haben. Ich möchte kurz das Anti-Atom-Ko­mitee Freistadt lobend erwähnen und dem Anti-Atom-Komitee danken, denn das Anti-Atom-Komitee hat eine Resolution initiiert, die über 400 oberösterreichische Gemein­den unterzeichnet und auch 13 000 Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Unterschrift un­terstützt haben. Wir haben sie im vergangenen Herbst Frau Bundesminister Köstinger übergeben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Oberösterreich setzt den Weg der Antiatomenergiepolitik fort. Unsere oberösterreichi­sche Spitzenkandidatin für die EU-Wahl und Nationalratskollegin Angelika Winzig hat vor etwa zwei Wochen eine Onlinepetition gegen das Atommüllendlager an der tsche­chischen Grenze initiiert. (Ruf bei der SPÖ: Wo ist sie denn? Ich sehe sie gar nicht!) Ich lade Sie ein, liebe Zuseherinnen und Zuseher, dass auch Sie diese Petition online unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Es kann nämlich wirklich nicht sein, dass Tschechien seinen Atommüll an der oberösterreichisch-tsche­chischen Grenze ablädt. Dagegen kämpfen wir mit Vehemenz an.

Bis 2025 will Tschechien den Standort des Endlagers fixiert haben, und zwar in etwa 100 Kilometer von unserer Grenze entfernt. Das würde natürlich den Bezirk Freistadt, meinen Heimatbezirk, besonders betreffen. Sie müssen sich vorstellen, liebe Kollegen, das Endlager hat einen Lagerungszeitraum von etwa 800 000 Jahren. Ich glaube, kei­ner von uns hier herinnen kann und will verantworten, was in diesen 800 000 Jahren passieren wird, denn das betrifft nicht nur unsere Generation und die Generation un­serer Kinder, sondern zig Generationen nach uns.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie ein aktives Zeichen gegen die Atompolitik setzen wol­len, gegen ein Atommülllager, denn wir müssen bei diesem Thema wirklich an einem Strang ziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.40



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 195

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.40.41

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mi­nister! Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der ein Kleinkind, ein rot umrandetes, durchgestrichenes Strahlenwarnzeichen sowie der Text „Stopp Mochovce, Stopp Atomstrom“ zu sehen sind, auf das Rednerpult. – Ruf bei der ÖVP: Schön gebastelt heute!) Wir unterstützen natürlich ebenfalls den einhellig eingebrach­ten Abänderungsantrag, der inhaltlich alle übrigen Anträge zum Thema umfasst.

Ich denke, wir können uns noch an den Super-GAU in Tschernobyl und auch an jenen in Fukushima erinnern. Beide hätte es nicht einmal theoretisch geben dürfen, in der Praxis sind sie aber trotzdem passiert. Der GAU von Tschernobyl jährt sich im Ap­ril 2019 zum 33. Mal. Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch immer Gebiete in Ös­terreich, die erhöhte Radioaktivitätswerte aufweisen, und zwar einfach deshalb, weil damals die Windrichtung ungünstig für diese Gebiete gewesen ist und sich der radioak­tive Fallout entsprechend niedergeschlagen hat.

Ich möchte gar nicht daran denken, was wäre, wenn ein ähnlicher Super-GAU wie da­mals in Tschernobyl oder Fukushima in einem grenznahen Reaktor passiert; dann bräuchten wir über Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelproduktion, Biolandwirtschaft, Regionalität überhaupt nicht mehr zu sprechen. Des Weiteren ist auch klar, dass wir, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs, komplett für die finanziellen Kos­ten dieser Katastrophe aufkommen müssten, Kolleginnen und Kollegen.

Geschätzte Damen und Herren! Augenzeugenberichten und Medienberichten zufolge ist es so, dass es in Mochovce gravierendste Mängel vor allem beim Weiterbau des Reaktors drei gibt. Wir wissen, was das heißt, das AKW liegt circa 130 Kilometer Luft­linie von Österreichs Grenze entfernt. Von einigen Vorrednern wurde das bereits ange­sprochen. Es ist klar, da ist Gefahr im Verzug, da muss gehandelt werden! Ich fordere daher die österreichische Bundesregierung, allen voran unseren Bundeskanzler und auch Sie, Frau Umweltministerin Köstinger, auf, sehr zeitnahe zu handeln und Taten zu setzen, damit die Inbetriebnahme von Reaktor drei in Mochovce gestoppt wird. Ich fordere Sie auf, auch Taten dahin gehend zu setzen, dass eine internationale Exper­tenkommission der IAEO nicht nur Reaktor drei, sondern alle Reaktoren in Mochovce einer Überprüfung unterzieht.

Des Weiteren sehr wesentlich ist Folgendes: Im Zuge von UVP-Verfahren ist es ein­fach notwendig, dass Betreiber beziehungsweise Betreiberstaaten auch eine Berichts­pflicht an alle Nachbarstaaten haben, und – das wurde vorhin auch schon angespro­chen – die Nachbarstaaten müssen Parteienstellung bekommen, und zwar sowohl be­treffend Errichtung von AKWs als auch betreffend Um- und Zubauten.

Kolleginnen und Kollegen! Das Wesentlichste ist meiner Meinung nach, dass es eine Änderung des Primärrechtes in puncto Energie auf EU-Ebene geben muss. Betreffend Neuerrichtung von AKWs beziehungsweise auch betreffend Um- und Zubauten kann das Primärrecht nicht länger in nationaler Hand bleiben, sondern muss Gemeinschafts­recht der Europäischen Union werden. Erst dann haben wir die Chance, dass wir das, was vorhin schon angesprochen wurde, auch durchsetzen können.

Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? – Es geht einfach um die Sicherheit der Menschen in Österreich, in Europa. Frau Umweltministerin, ich würde Sie ersuchen, mir hierbei vielleicht auch Gehör zu schenken. Es geht letzten Endes, wie hier (auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel weisend) auch ersichtlich ist, um die Sicherheit der nächsten Generation, um die Sicherheit der Lebensmittelproduktion in Österreich. Wir brauchen einen nationalen Schulterschluss! Dieser Allparteienantrag zeigt, dass wir


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imstande sind, gegen AKW-Neubauten gemeinsam, über Parteigrenzen hinweg, aufzu­treten.

Kolleginnen und Kollegen! Das sicherste AKW ist das, das erst gar nicht errichtet wird. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Nehammer.)

19.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dönmez. – Bitte.


19.44.55

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass die Atomindustrie so stark ist und dass die Atomkraft eine Gefahr ist, weiß mittlerweile jeder. Der Aufschrei sollte nicht – unter Anführungs­zeichen – „nur“ dann kommen, wir sollten nicht nur dann in Unruhe geraten, wenn pro­blematische Atomkraftwerke an Österreichs Grenzen hochgefahren, in Betrieb genom­men oder Endlager errichtet werden. Das sollte uns nicht nur deswegen in Unruhe ver­setzen, weil es an Österreichs Grenzen passiert. Das ist ein bisschen ein sehr egoisti­scher Zugang.

Wir wissen, dass seit Fukushima tagtäglich Millionen Kubikmeter an verseuchtem Was­ser in die Weltmeere entsorgt werden. Sehr viele essen gerne Fisch, nehme ich einmal an: Es gelangt weit, weit weg vergiftetes Wasser in den Kreislauf der Meere, der Fi­sche, und letztendlich landet das ganze verseuchte Zeug auch auf unseren Tellern. Es ist daher längst überfällig, dass wir uns aus der Atomenergie zurückziehen, dass die Subventionen zurückgefahren werden, dass es Kostenwahrheit gibt. Ein großer Dank an die Frau Ministerin, die sich auch diesbezüglich einsetzt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir müssen die Diskussionen auch ehrlich führen. Wenn wir den Ausbau der Elektro­mobilität forcieren, dann werden wir auch Strom brauchen, damit die Teile dann fahren können – no na net. Wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien in diesem Tem­po vorantreiben, dann wird sich da eine riesengroße Lücke auftun. Daher ist es umso wichtiger, dass in einem Land wie Österreich noch mehr Gelder in Forschung und Ent­wicklung hineingepumpt werden und dass diese Technologie auch in Länder exportiert wird, die reichlich Sonne, Wind oder auch Wellenbewegungen, wie zum Beispiel im Ozean, haben.

Wir können mit einer vernünftigen Politik in diesem Bereich eine Brücke schlagen, damit unsere Wirtschaft etwas davon hat, damit Arbeitsplätze gesichert werden. Wir können damit auch andere Länder wie zum Beispiel die Türkei vor Fehlern bewahren. Die Türkei investiert jetzt Milliarden in eine russische Technologie, um Atomkraftwerke zu errichten, noch dazu in einem Erdbebengebiet. Was würde es bedeuten, wenn es dort einmal zu einem Störfall, zu einem Zwischenfall kommt? – Man ist heute mit dem Flugzeug in eineinhalb Stunden in der Türkei! Die Atomthematik, die Atomproblematik ist also nicht etwas, das nur bestimmte Nationalstaaten oder jene Länder betrifft, die so wie Österreich keine Atomkraftwerke und kein Atommüllendlager haben, deren Nach­barländer aber schon. Es ist ein globales Problem.

Wir sollten von diesem Denken wegkommen, dass uns alles, was sozusagen nicht in unserem Sichtfeld, nicht auf österreichischem Territorium oder auf jenem angrenzen­der Länder ist, nichts angeht, sondern wir müssen in diesem Zusammenhang global denken, global agieren. Darum ist es wichtig, dass wir eine Ministerin und einen Minis­ter haben, die sich massiv gegen den Ausbau der Atomkraft einsetzen. Herzlichen


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Dank dafür! Wir müssen aber, glaube ich, die Diskussionen ganz konsequent und hart führen, weil die Atomlobby eine sehr mächtige Lobby ist und sich nicht so leicht in die Knie zwingen lässt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.49

19.49.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 576 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „klares und entschiedenes Auftreten gegen Atom­kraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 72)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rossmann, Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonder-Bilaterale mit der Slowakei zum AKW Mochovce und erneute Umweltverträglichkeitsprüfung“.

Jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, nicht angenommen.

19.50.419. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60 (III-214/578 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 9. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.51.06

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Rechnungshof­präsidentin! Werte Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Es geht um den Bericht betreffend die Albertina; Überprüfungs­zeitraum war Mai bis Oktober 2017, der überprüfte Zeitraum umfasst die Geschäfts­jahre 2013 bis 2016. Bei dieser Überprüfung geht es im Speziellen um die Sammlung Essl; aus Sicht des Rechnungshofes ist die Leihgabe unwirtschaftlich.

Für die Zuseherinnen und Zuseher: Die Albertina erhält Werke durch Kauf, durch Schenkungen oder durch Leihgaben. Um diese spezielle Leihgabe ging es im Wesent­lichen, um die gesamte Leihgabe Essl. Der Rechnungshof beurteilte die Dauerleihgabe Essl als unwirtschaftlich. Das Bundeskanzleramt unter Bundesminister Drozda, SPÖ, vereinbarte mit der Albertina keine schriftlichen, öffentlich zugänglichen Verleihbedin­gungen. Zudem wurde Mitgliedern eines Vereins freier Eintritt gewährt, diese sind Gön­ner der Kunstszene, aber die Mittel, die zur Verfügung gestellt wurden, decken die Summe an entgangenen Eintrittsgeldern nicht; es fehlen 50 000 Euro. Weiters wurde vom Rechnungshof festgestellt, dass durchschnittlich 990 000 Euro für Werbung – groß­teils Plakatwerbung – ausgegeben wurden.

Besonders kritisierte der Rechnungshof, dass die Albertina von internationalen Gepflo­genheiten bei Dauerleihverträgen sprach; diese wurden aber nur bei zwei von 16 Dau­erleihverträgen eingehalten. Zudem konnte die Albertina zu diesen internationalen Ge­pflogenheiten nichts schriftlich vorlegen.


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Nun ist unser Kulturminister Gernot Blümel mit Herrn Karlheinz Essl in Verhandlung getreten, und es ist ihm gelungen, dass der Albertina 40 Prozent der Sammlung Essl geschenkt werden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Die Vertragsverhandlungen sind im Laufen, und der Vertrag wird baldmöglichst unterzeichnet. Außerdem wird sich Bundesminister Blümel dafür einsetzen, dass die Objekte der Sammlung Essl in Zu­kunft auch den Bundes- und den Landesmuseen zur Verfügung gestellt werden kön­nen.

Wenn wir in der Privatwirtschaft so arbeiten würden, wäre die österreichische Wirt­schaft schon längst am Abgrund; die meisten Menschen, die in der Privatwirtschaft an­gestellt sind, hätten keine Arbeit mehr und wären somit arbeitslos. Die jetzige Bundes­regierung macht es nicht so, wie es die SPÖ jahrzehntelang gemacht hat: Egal, was es kostet, es zahlt dann eh die zweite oder dritte Generation! Was geht es mich an? – Wir, die jetzige Bundesregierung, schauen darauf, dass wirtschaftlich gearbeitet und das Geld nicht zum Fenster hinausgeworfen wird. Erstmals seit über 60 Jahren haben wir der Schuldenpolitik ein Ende gesetzt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Das Nullde­fizit wurde 2018 erreicht, und es wird auch weiterhin konsequent am Schuldenabbau gearbeitet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Einwallner und Plessl.)

Wir sparen konsequent für unsere Kinder und Kindeskinder, wir schaffen eine deutliche Entlastung, wir beenden die Schuldenpolitik. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Greiner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.54.32

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Albertina ist das Thema. Wie kommt die Albertina zu Objekten? – Durch Kauf, unentgeltlich oder durch Dauerleihgaben. Der Rechnungshof hat festgestellt, diese Dauerleihgaben stellen im überprüften Zeitraum den höchsten Wertzugang dar. Für den Rechnungshof hat sich in Bezug auf Dauerleihgaben eine relevante Frage aufgetan, und es ist natürlich wichtig, zu wissen: Was ist eine Dauerleihgabe überhaupt? Woher kommt sie und unter wel­chen Bedingungen und wie lange soll sie als Dauerleihgabe wo sein?

Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass es keine durchgängig einheitlichen Verträge zu Dauerleihgaben gibt, nicht einmal zu allen Werken. Man spricht zwar von internationalen Gepflogenheiten, hat sich aber offensichtlich nicht wirklich daran gehal­ten. Die Empfehlung lautet daher ganz klar und deutlich, diese Vorgaben zu verschrift­lichen und Verträge einheitlich danach zu gestalten.

Es wurde schon kurz erwähnt: In der Albertina kann man die Sammlung Essl bestau­nen, die zu 40 Prozent als Schenkung zugegangen ist, zu 60 Prozent als Dauerleihga­be. Ich habe Herrn Bundesminister Blümel im Ausschuss gefragt, wie es mit den Ver­trägen zu diesen geschenkten Werken ausschaut, ob diese schon fertiggestellt sind. Er hat gesagt, Nein, sie befinden sich zurzeit in Ausarbeitung, aber er konnte mir leider keinen konkreten Zeitpunkt für die Fertigstellung nennen.

Der Rechnungshof hat naturgemäß auch die Marketingausgaben beleuchtet; diese be­tragen durchschnittlich 990 000 Euro. Man muss erwähnen, die Albertina arbeitet wirt­schaftlich sehr erfolgreich, erfreut sich eines regen Besucherzustroms, nichtsdestotrotz besteht im Bereich Marketing Handlungsbedarf. Warum? – Zwischen den einzelnen Bundesmuseen erfolgt keinerlei Abstimmung über die Strategie, darüber, wer welche Marketingtätigkeiten macht; da kann es dann natürlich auch nicht zu Synergien gekom­men sein und Sparpotenziale konnte man nicht ausschöpfen.


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Die im Ausschuss zu Gast gewesene wirtschaftliche Geschäftsführerin Landstetter hat uns gesagt, es gebe schon einen Marketingplan, es seien auch mehrere Abteilungen involviert; festhalten muss man dennoch: Es gibt diesbezüglich kein verschriftlichtes Dokument.

In den vergangenen Jahren hat der vorige Kulturminister Thomas Drozda einige positi­ve Dinge auf den Weg gebracht; er hat das Weißbuch betreffend Bundesmuseen in Auftrag gegeben – ein von Experten hochgeschätztes Werk mit sehr fundierten Re­formvorschlägen. Die hohe Qualität dieser Vorschläge hat auch Bundesminister Blümel im Ausschuss bestätigt; dennoch hat er einen eigenen Reformvorschlag eingebracht: Er will eine Service-GmbH gründen. Jetzt frage ich mich schon: Warum und wozu? Es wird nämlich einen eigenen Geschäftsführer, einen Generalsekretär geben, der ja auch etwas kostet.

Man kann davon ausgehen, dass diese Service-GmbH einen sechsstelligen Betrag kosten wird, und Minister Blümel betont ja immer, er arbeite auf Basis von Fakten, von Zahlen. Ich konnte die Zahlen nirgends erkennen, und ich habe ihn gefragt, welches Sparpotenzial, das er ja hervorhebt, er sich aufgrund dieser GmbH erwarte. Er hat ge­meint, es werden Einsparungen im einstelligen Millionenbereich sein. Jetzt frage ich Sie: Wie soll das gehen? – Einerseits Kosten in einer bestimmten Höhe und anderer­seits Einsparungen, die noch höher sein sollen, obwohl die Errichtung etwas kostet. Man darf gespannt sein!

Eine wesentliche Frage ist auch: Welches Pouvoir hat dieser Geschäftsführer, dieser Generalsekretär? Wie soll eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den Bundesmuseen ausschauen, wenn er den Direktoren der Bundesmuseen unterstellt ist?

Zusammenfassend darf ich festhalten: Die Albertina arbeitet erfolgreich, sie hat aber einen klaren kulturpolitischen Auftrag zu erfüllen. Möchte sie diesem auch in Zukunft entsprechend nachkommen, wird es sinnvoll sein, die genannten Empfehlungen des Rechnungshofes auch wirklich umzusetzen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber und Zinggl.)

19.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lintl. – Bitte schön.


19.59.00

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Der Rech­nungshof hat einerseits die Sammlungstätigkeit der Albertina geprüft – das Bewahren, Dokumentieren, Erforschen, die Vermittlung und die Präsentation der Sammlungsbe­stände; also die Kernaufgaben des Bundesmuseums. Andererseits wurden die Ent­wicklung des Vermögens, die Finanzierung, Erträge und Aufwendungen und deren Kon­trolle näher beurteilt.

Das Sammlungsvermögen ist im Prüfzeitraum um 95,77 Millionen Euro gewachsen, davon entfallen 71,42 Millionen Euro auf Dauerleihgaben – also eine sehr hohe Sum­me. Nicht zuletzt deshalb hat der Rechnungshof das Modell der Dauerleihgaben unter­sucht und empfiehlt der Albertina, nur solche Dauerleihgaben zu übernehmen, die ei­ne – ich zitiere –: „wirtschaftliche und zweckmäßige Ergänzung ihrer Sammlungen dar­stellen“.

Die Sammlung Batliner, die im Jahr 2007 als Dauerleihgabe übernommen wurde, er­füllt diese Anforderungen; ganz im Gegensatz zu der hinlänglich bekannten Sammlung Essl – nicht wirtschaftlich, lautet da der klare Befund. Die Anmietung eines zusätzli­chen Depots war erforderlich, eine jährliche öffentliche Förderung von 2,2 Millionen Eu-


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ro war notwendig. Ein krasser Gegensatz zur Sammlung Batliner: Da steht einer jähr­lichen öffentlichen Förderung von rund 200 000 Euro ein Erlös von 316 000 Euro ge­genüber. Für 47 Prozent aller Besucher ist nämlich sie das Hauptmotiv des Museums­besuchs. – Es geht also auch anders.

Unserer Meinung nach hinterfragt der Rechnungshof die hohen Marketingausgaben der Albertina in der Höhe von durchschnittlich 990 000 Euro zu Recht. Ein Großteil da­von geht für Plakatwerbung drauf, die Hälfte davon für eine einzige Firma. Der Rech­nungshof meint, dass eine öffentliche Ausschreibung derartiger Aufträge dringend ge­boten ist. Aus Sicht der FPÖ wäre ein einheitliches Marketingkonzept und ein gemein­samer Außenauftritt aller Bundesmuseen überhaupt zu begrüßen.

Neun der insgesamt 24 Empfehlungen des Rechnungshofes richten sich an das Bun­deskanzleramt. Der Rechnungshof empfiehlt sehr deutlich, Rahmenzielvereinbarungen mit der Albertina abzuschließen, den kulturpolitischen Auftrag der Bundesmuseen zu präzisieren und die Erreichung der vereinbarten Ziele dann auch zu überprüfen.

Herr Bundesminister Blümel hat im Ausschuss angekündigt, noch heuer Verhandlun­gen über eine neue Rahmenzielvereinbarung mit der Albertina zu führen. Er hat klarge­stellt, dass er sich bemüht, mit den Museen zu arbeiten und nicht gegen die Museen, und er hat sich ganz klar gegen eine Einmischung der Politik in die künstlerische Ge­staltung der Museen ausgesprochen. Das ist für uns von der FPÖ sehr wichtig, und Mi­nister Blümel hat da unser volles Vertrauen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Griss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.02.55

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Man könnte wirklich sagen, es ist alles gesagt worden, aber nicht von allen – also sage ich auch noch etwas zu diesem Rechnungshofbericht betreffend die Albertina: Das Interessante dabei ist, als dieser Rechnungshofbericht veröffentlicht wurde, der ja die Annahme dieser Dauerleihgabe der Sammlung Essl kritisiert hat, da stand der Rechnungshof selbst in der Kritik.

Manche haben es als eine Majestätsbeleidigung aufgefasst: Es gibt diese wunderbare Dauerleihgabe, und der Rechnungshof wagt, da eine Kritik vorzubringen! – Meines Er­achtens beruht das auf zwei ganz grundlegenden Missverständnissen. Das erste Miss­verständnis ist: Das ist die Aufgabe des Rechnungshofes. Er muss überprüfen, ob mit öffentlichem Gut sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig umgegangen wird. Das zwei­te Missverständnis ist: Kein Bereich ist sakrosankt, auch Kunst und Kultur nicht. Daher ist es richtig und wichtig, dass sich der Rechnungshof auch das kritisch angeschaut hat.

Und er hatte einiges zu beanstanden – wir haben es schon gehört –: die Gestaltung der Verträge über Dauerleihgaben; in nur zwei – von 16 Verträgen – wurde dieser Min­destinhalt auch wirklich aufgenommen. Der Rechnungshof hat beanstandet, dass die Albertina mit der Übernahme der Sammlung Essl als Dauerleihgabe von den Zuwen­dungen anderer abhängig gemacht wurde, weil sie die Kosten nicht aus eigenen Ein­nahmen abdecken konnte.

Ganz wesentlich ist aber: Der Rechnungshof hat beanstandet, dass eine klare Stra­tegie, ein klares Programm für die Sammlungspolitik der Bundesmuseen fehlt, dass das nicht koordiniert ist; dass es mit den einzelnen Museen keine Rahmenzielvereinba­rungen gibt, die auch wirklich überprüfbar sind, aufgrund derer man kontrollieren kann, ob gemacht wurde, was hätte gemacht werden sollen; dass man nicht festlegt, welche


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Aufgabe welches Museum hat – das ist ganz wesentlich –, wie die Sammlungspolitik ausschauen soll, wie das mit den Landesmuseen koordiniert wird, inwieweit, zum Bei­spiel von der Albertina, auch Dauerleihgaben an Landesmuseen abgegeben werden.

Daher treten NEOS dafür ein, dass eine Bundeskulturstiftung eingerichtet wird, die die Aktivitäten der Bundesmuseen koordiniert, ihre Sammlungspolitik und Anschaffungs­politik koordiniert und auch andere Aktivitäten der Bundesmuseen nach einer bestimm­ten Strategie ausrichtet. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.06.13

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Rech­nungshofpräsidentin! Ja, auch ich beziehe mich jetzt im Zusammenhang mit der Alber­tina nur auf Seite 20, auf der die Dauerleihgaben kritisiert werden beziehungsweise die Problematik der Dauerleihgaben besprochen wird.

Kurz zusammengefasst: Ein Bundesmuseum ist als staatliches Museum nicht dazu da, um Kunstwerke zu veredeln, und der Rechnungshof empfiehlt, dass der Bundesminis­ter beziehungsweise die Regierung insbesondere hinsichtlich Dauerleihgaben entspre­chende Richtlinien erarbeiten möge.

Ein Bundesmuseum ist eine Bildungseinrichtung und keine Waschmaschine. Das heißt also, wenn die Provenienz, die Herkunft der Bilder, der Kunstwerke nicht klar ist, ist es nicht Aufgabe des Museums, diese sauber zu waschen. Ein Bundesmuseum ist auch kein Durchlauferhitzer für private Kunstwerke. Das heißt also, dass der Wert nicht durch Präsentation, durch Katalognennungen und so weiter gesteigert werden muss. Ein Bundesmuseum ist auch keine Wärmeplatte, auf der private Kunstwerke sehr brav aufbewahrt werden, archiviert werden, gepflegt werden, versichert werden, restauriert werden. Ein Bundesmuseum ist auch keine Zentrifuge, mit der Fälschungen auf Kosten der Allgemeinheit von echten Kunstwerken unterschieden werden können, mit der also private Kunstwerke auf Kosten der Allgemeinheit von Fälschungen unterschieden wer­den können.

Zwei Beispiele dazu: Die Sammlung Batliner ist schon genannt worden. Ich wiederhole, was ich schon sehr oft gesagt habe, auch hier im Plenum vor vielen Jahren: Die Sammlung Batliner kommt von einem Rechtsanwalt. Herr Batliner ist ein Rechtsanwalt aus Liechtenstein, der sich mit Stiftungskonstruktionen für Drogendealer und Diktato­ren einen Namen gemacht hat, der in die Parteispendenaffäre der CDU verwickelt war, der Steuerhinterzieher berät und zum Beispiel in Liechtenstein auch zu einer Strafe von mehreren Millionen Franken verurteilt wurde, weil er eine demente Frau über den Tisch gezogen hat.

Dieser Mann hat der Albertina seine Sammlung als Dauerleihgabe gegeben, und jetzt ist die Frage: Wird da nicht Geld beziehungsweise Kunst sauber gewaschen? Immer­hin wurden bei 31 Prüfungen bislang sieben Fälschungen festgestellt. Es ist aber nicht so, dass da ein Gutachter kommt und sagt: Das ist eine Fälschung und das andere nicht!, sondern jedes einzelne Kunstwerk muss nach London und nach Zürich ge­schickt werden, und es dauert ungefähr drei Jahre, bis festgestellt wird: Fälschung oder nicht. Und wer zahlt das? – Das zahlt die Allgemeinheit, das zahlt das Museum, das zahlen wir.

Auf meine Frage an den Minister im Rechnungshofausschuss, wie viel das gekostet hat, hat dieser an die Geschäftsführerin der Albertina verwiesen; und die Geschäftsfüh­rerin – Frau Präsidentin Kraker, Sie sind Zeugin – hat gesagt, sie wird uns das noch be-


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kannt geben, weil sie es auch nicht genau weiß. Seither warte ich auf die Bekanntga­be; ich weiß noch immer nicht, was das gekostet hat – ist ja auch nicht so wichtig, es geht eh nur um unser Geld.

Die andere Sammlung, die ich nennen möchte, ist auch schon genannt worden, es ist die Dauerleihgabe Essl. – Ja, es stimmt, aus der Essl-Sammlung sind jene Werke, die eigentlich von Essl kommen, der Albertina geschenkt worden, aber 60 Prozent – das ist die Haselsteiner-Sammlung – sind immer noch Dauerleihgabe. Und auch da wird eine Veredelung vorgenommen, das heißt, wir als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen gemeinsam für den Erhalt, für die Versicherung, für die Lagerung, für die Be­werbung – mit einem Wort: für die Aufwertung – dieser Kunstsammlung, und irgend­wann einmal, wenn sie wertvoll genug sind, kann Herr Haselsteiner hergehen und ein­zelne Kunstwerke aus dieser Sammlung verkaufen.

Das heißt, das Bundesmuseum ist eine Art Verkaufsgalerie, und wir sind sozusagen die, die das alles finanzieren. Er hat überhaupt kein Risiko, das Risiko haben wir: Wir haben die Kosten, wir haben das Personal zu finanzieren, und er hat den Gewinn. Das ist der Effekt bei einer Dauerleihgabe, wenn es keine restriktiven Richtlinien dazu gibt.

Auf meine Frage an den Minister, ob solche Richtlinien – entsprechend der Empfeh­lung des Rechnungshofes – demnächst einmal erarbeitet werden, hat er zuerst lang herumgetan und dann gemeint: Das schauen wir uns einmal an! – Mit einem Wort: Das ist keine schlechte Kulturpolitik, das ist gar keine. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

20.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nun hat sich Frau Rechnungshofpräsidentin Kra­ker zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


20.11.42

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, der Rechnungshof prüft alle Bereiche; das letzte Mal hatten wir im Rechnungshofausschuss insbesondere Themen aus dem Kulturbereich auf der Tages­ordnung, das nächste Mal werden es Verkehrsthemen sein. Das heißt, wir prüfen alle Ressorts, wir prüfen darüber hinaus auch Länder und Gemeinden.

Die Albertina ist eine wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts; sie erlangte im Jahr 2000 eigene Rechtspersönlichkeit. Der Rechnungshof hat insbesondere die Geschäfts­jahre 2013 bis 2016 geprüft, und wir haben feststellen können, dass sich in wirtschaft­licher Hinsicht ein recht positives Bild ergibt, weil die Erträge die Aufwendungen ins­besondere in den Jahren 2015 und 2016 überstiegen und sich die Besucherzahlen er­höht haben.

Ein wesentlicher Punkt, und das wurde hier schon angesprochen, ist das Thema der Dauerleihgaben – die Sammlungen Batliner, Essl et cetera wurden schon genannt. Wir haben dem Bundeskanzleramt empfohlen, den Begriff der Dauerleihgabe verbindlich zu regeln, das wurde schon erwähnt. Bisher ist nicht definiert, was davon umfasst ist. Wesentlich ist, dass es nicht nur um die Dauer geht, sondern es ist auch auf andere Charakteristika eines Sammlungsgutes einzugehen, nämlich jene Merkmale, die diese Leihgaben von anderen, wie etwa nur temporäre Leihgaben, unterscheiden und die sie als Sammlungsgut eines Bundesmuseums qualifizieren.

Darüber hinaus hat die Albertina auch Mindestinhalte definiert, denen sie sich selbst verpflichtet fühlte, bei Dauerleihverträgen war es aber de facto so, dass diese nur in zwei von 16 neuen Dauerleihverträgen entsprechend vorkamen. Weiters spielt auch die Abhängigkeit von Drittmitteln eine Rolle. Der Rechnungshof hat auch eine Anfrage an das Icom gestellt, und nach dessen Aussage hat man ebenfalls Richtlinien für die Integration privater Sammlungsbestände in die Sammlungen der Bundesmuseen ange­regt.


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Des Weiteren haben wir moniert, dass schriftliche Verleihbedingungen der Albertina für andere Bundes- und Landesmuseen noch immer fehlen, damit Kunstwerke auch dort ausgestellt werden können; das ist noch offen.

Die Inventarisierung schreitet voran. Diesbezüglich wurde zugesagt, dass das bis 2020 gemacht wird.

Wesentlich erscheinen uns auch die Abstimmungsverpflichtungen zwischen den Bun­desmuseen, um eine transparente und effiziente Sammlungspolitik der Bundesmuseen zu gewährleisten, und wir glauben, dass es auch im Bereich Marketing – das machte 30 Prozent der Umsatzerlöse aus; ein Großteil davon entfällt auf die Plakatwerbung – gut wäre, wenn Bundesmuseen gemeinsam auftreten würden, um günstigere Konditio­nen zu erreichen und eine vergleichende Analyse zu machen. Wir haben auch ein Mar­ketingkonzept für die Albertina verlangt.

Wenn es jetzt darum geht, hinsichtlich Bundesmuseen Synergien zu erzielen, haben wir einen Punkt vorgeschlagen, nämlich eine gemeinsame Interne Revision der Bun­desmuseen. Auch das sollte beurteilt und genutzt werden.

Hinsichtlich Rahmenzielvereinbarung gab es Mängel; jetzt gibt es eine Rahmenzielver­einbarung. Wir sehen Rahmenzielvereinbarungen insbesondere als Maßstab, nämlich für die Beurteilung der Zielerreichung. Das fehlte bisher, aber wir legen Wert darauf, dass das zur Umsetzung gelangt. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Bei­fall.)

20.15

20.15.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Es ist nun niemand mehr dazu zu Wort gemeldet. Ich schließe somit die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-214 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die einstimmige Annahme.

20.15.5610. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungsho­fes betreffend BMB – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe Bund 2016/23 (III-11/579 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungsho­fes betreffend ART for ART Theaterservice GmbH – Reihe BUND 2018/51 (III-195/580 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Landesstudios des österreichischen Rundfunks; Follow-up-Überprü­fung – Reihe BUND 2017/44 (III-44/581 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nun gelangen wir zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.



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20.16.41

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Bei dieser Rechnungshofprüfung geht es um den ORF. Es geht um die Kostenstrukturen der Landesstudios, wie sie Personalressourcen genutzt haben und welche Synergieeffekte es gibt; das ist eine Follow-up-Überprüfung.

Im Ausschuss ist uns Generaldirektor Wrabetz als Auskunftsperson zur Verfügung ge­standen, und ich glaube, das hat dazu beigetragen, dass nicht nur der vorhergehende Rechnungshofbericht und die eingehende Follow-up-Überprüfung analysiert werden konnten, sondern uns auch über aktuelle Entwicklungen berichtet wurde.

Geprüft wurde im Zeitraum Februar/März 2017. Ausgehend vom Urbericht waren sie­ben Empfehlungen offen, von denen vier teilweise und drei überhaupt nicht umgesetzt wurden; aus der Follow-up-Überprüfung entstanden dann wiederum acht neue Emp­fehlungen.

Hinsichtlich Personal war es so, dass der ORF eigentlich keine Personalstruktur bezie­hungsweise keine Personalziele, sage ich, festgelegt hat und es keinen Zeithorizont betreffend Personalentwicklung gegeben hat. In zwei Bundesländern hat es durchaus Synergien gegeben, was die technische Leitung betrifft, zum Beispiel haben Tirol und Vorarlberg diesbezüglich zusammengearbeitet; in den anderen Landesstudios ist das unterblieben. Der Herr Generaldirektor hat uns aber Auskunft darüber gegeben, dass es auch in Kärnten und der Steiermark ab sofort eine Kooperation und Zusammenar­beit der technischen Leitung gibt und dass diese Leitungsposten in näherer Zukunft – bis zum Jahr 2021 – ja ohnehin abgeschafft werden.

Ein weiterer Bereich waren die Bundesländersendungen. Das sind von der Quote her, sage ich einmal, mit 1,1 Millionen Zusehern durchaus sehr beliebte Sendungen und auch, wie ich sage, Quotenbringer, aber auf der anderen Seite war die Kostenstruktur in den einzelnen Bundesländern sehr, sehr unterschiedlich. So, glaube ich, kann man schon feststellen, dass es da und dort exorbitante Kostensteigerungen gegeben hat, wenn man Kärnten, Steiermark, Vorarlberg und Wien da erwähnen darf. Im Zusam­menhang mit den Bundesländersendungen wurden insgesamt 33 Millionen Euro aus­gegeben, und es gibt dabei durchaus Unterschiede, die exorbitant sind. Natürlich brau­chen die Bundesländer Spielräume, und es hat da auch durchaus Erklärungen gege­ben, warum nicht alle Sendungen exakt gleich viel kosten können, und dass die Bun­desländerstudios auch unterschiedliche Zusatzaufgaben erfüllt haben.

Insgesamt, glaube ich, kann man diesen Rechnungshofbericht so beurteilen: Es wer­den derzeit Reformen durchgeführt, es besteht da aber durchaus noch weiterer Re­formbedarf, und es ist zu hoffen und zu wünschen, dass im Zuge der ORF-Reform auch die Empfehlungen des Rechnungshofs zur Gänze umgesetzt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kollross. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.20.04

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf vielleicht zu Beginn etwas zu den Ausführungen der Präsidentin des Rechnungs­hofes anmerken: Ich darf mich für die Übermittlung der Berichte, die Sie wieder ge­liefert haben, bedanken. Ich finde es schade, dass wir Ihre Arbeit und die Arbeit Ihrer Kolleginnen und Kollegen immer zu so später Stunde diskutieren, weil ich glaube, dass


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Sie wirklich wertvolle Arbeit für die Demokratie, für den Parlamentarismus, für die Re­publik leisten (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Eßl) und dass es wichtig wäre, dass wir das zu einer Zeit diskutieren, zu der die Bürgerinnen und Bürger auch noch die Möglichkeit hätten, zuzuhören. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eßl.) Ich glaube nämlich wirklich, dass Sie sehr gute Arbeit leisten. (Ruf bei der ÖVP: Hallo, hallo!)

Ich möchte ganz kurz zum Rechnungshofbericht betreffend Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz Stellung nehmen und dabei auf das Transparenzgesetz eingehen. Ich glaube nämlich, dass der Bericht des Rechnungshofes – wie all das, was auch wir hier immer wieder diskutiert haben – zeigt, dass betreffend Transparenzgesetz leider noch in vielen Fragen Verbesserungsbedarf besteht, auch wenn es gut gemeint war, und es in vielen Fragen, vor allen Dingen, wenn man es überschreitet, so etwas wie ein zahn­loser Tiger ist. Ich glaube, dass es deshalb wichtig wäre, dass wir uns das ansehen und zum Beispiel bessere Straf- und ganz einfach andere Sanktionsmöglichkeiten schaf­fen, wenn es um diesbezügliche Überschreitungen geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nur erwähnen, dass es ja auch von Kollegen Drozda einen Antrag gibt, der sich mit dem Transparenzgesetz beschäftigt. Die Regierungsfraktionen haben es ja lei­der nur der Mühe wert gefunden, obwohl es vorher geheißen hat: Nein, wir werden die Parteienförderung natürlich nicht erhöhen!, genau das Gegenteil zu machen; das Ein­zige, das verändert worden ist, ist eben, dass die Parteienförderung angehoben wurde.

Ich glaube aber, dass es in einer modernen Demokratie wichtig wäre, dass es auch Sanktionen gibt, wenn zum Beispiel auf der einen Seite eine Partei sagt: Wir dürfen nur 7 Millionen Euro für einen Wahlkampf ausgeben!, und auf der anderen Seite dann he­rauskommt, dass die Grenze um in Summe 6 Millionen Euro überschritten wurde. Wenn es dann heißt: Na ja, aber es muss eh ein bisschen Strafe gezahlt werden!, dann muss man sagen, dass man, wenn man 6 Millionen Euro zusätzlich ausgeben kann, die paar Tausend Euro, die man dann als Strafe zahlen muss, wahrscheinlich auch noch aus der Portokassa zahlen kann. (Abg. Plessl: Welche Partei war das?)

Ich glaube, dass es wichtig wäre, dass wir uns selbst endlich auch ein Stück ernster nehmen. Wir sind hier Gesetzgeber, wir sind hier diejenigen, die diskutieren und ent­scheiden, wie wir zusammenleben wollen, wie die Bevölkerung zusammenleben soll, wie sich unser Staat organisieren soll. Aus diesem Grund meine ich, dass wir dann aber bei uns anfangen sollten und uns selbst nicht ständig über das Gesetz stellen soll­ten, wenn es um unsere eigenen Gelder geht (Abg. Leichtfried: Gute Idee! Sehr gute Idee!), denn wenn es um die Mindestsicherung geht, haben wir ja auch kein Erbarmen, dann finden wir sehr schnell eine Lösung.

Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir darüber diskutieren, dass es eben Sanktions­möglichkeiten gibt und dass es vor allen Dingen auch eine Offenlegung von Spenden gibt. Ich glaube, wir sind leider auf einem Weg, den wir alle – oder zumindest viele – nicht wollen, nämlich dass diejenigen, die zahlen, dann auch die notwendigen Gesetze bekommen. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass Spenden hinkünftig offenge­legt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

20.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.23.58

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Ich schließe eigentlich bei den Ausführungen des Kollegen Kollross an, auch ich spreche zu diesem Bericht.


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Wenn man sieht – auch Sie haben es jetzt eingangs angesprochen –, welche Themen, welche verschiedenen, vielfältigen Themen der Rechnungshof in Summe abhandelt, muss man sagen, das ist eigentlich ein Kontrollkompetenzzentrum. Ich möchte aus­drücklich meinen Respekt ausdrücken, auch gegenüber Ihren Prüfern: Es ist wirklich sagenhaft, was da geliefert wird!

Nun zu diesem Bericht: Ich möchte jetzt wirklich bei den Ausführungen des Kollegen Kollross anschließen, und zwar nicht wegen des Transparenzgesetzes, sondern wegen des Parteiengesetzes – das war ja die Grundlage für diese Prüfung. Da ist es um die Meldung von Geschäften mit Beteiligungsunternehmen gegangen, die von Ministerien abgeschlossen worden sind. Da sind kleine Fehler passiert, in Summe nichts Tragi­sches, weil man da auch eine Missinterpretation des Gesetzes herauslesen konnte.

Wenn ich schon beim Parteiengesetz bin: Dieses regelt ja auch die Rechenschafts­pflicht der Parteiorganisationen, das geht hinunter bis in die kleinsten Ortschaften und Gemeinden, wo es halt Ortsorganisationen gibt; ich habe mir das jetzt extra ausge­druckt. Man muss ja immer davon ausgehen beziehungsweise ist das ja die Basis, dass wir – alle Parteienorganisationen! – dort sehr handgestrickte Leute, sage ich jetzt einmal, haben, die nicht unbedingt die großen Buchhalter sind. Welcher administrative Aufwand aber auf die zugekommen ist, darüber muss man einmal nachdenken.

Da (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend) gibt es einmal fünf Seiten – nein, noch mehr, das sind acht Seiten – allgemeine Basisinformationen; da geht es darum, was der Unterschied zwischen Spende, Sponsoring, Inserat et cetera ist. Dann gibt es fünf Seiten Detailinformation und Ausfüllhilfe. (Abg. Leichtfried: Also sind es jetzt fünf oder acht?)  Da sind es fünf; acht plus fünf. (Abg. Leichtfried: Also 13!) Und dann gibt es 18 Seiten mit den verschiedensten Meldungen, von den Kleinspenden, von 3 500 Eu­ro, bis hinauf zu 50 000 Euro, bis zu den unzulässigen Spenden et cetera. (Abg. Leicht­fried: Das wäre etwas für die ÖVP, das auszufüllen!)

Es ist – na ja, ich sage jetzt einmal so – für unsere einfachen Funktionäre ein Konglo­merat. Da muss er sich erst einmal durchtanken, obwohl es eigentlich logisch und nach­vollziehbar ist, dass man das alles natürlich buchhalterisch festhalten muss – klar! – und auch melden soll – das ist auch klar –; aber das ist eigentlich ein administrativer Wahn­sinn. (Abg. Wittmann: Was muss jetzt die ÖVP ausfüllen?)

Wenn ich mir dann überlege, dass wir es da, ich sage, mit bodenständigen Leuten zu tun haben, aber jetzt nicht unbedingt mit den gebildetsten Buchhaltern oder ausgebil­deten Buchhaltern, dann fällt mir auf, dass da und dort unsere Ortsorganisationen – ich rede da für alle Parteien – in ihren kleinen Gemeinden an gesellschaftspolitisch rele­vanten - - (Abg. Leichtfried: Ja, aber die ÖVP kommt mit 13 Seiten nicht aus! – Abg. Wittmann: Die ÖVP kommt mit 13 Seiten nicht aus!) – Geh, komm jetzt, Kollege Leichtfried, das ist mir wurscht, aber es geht trotzdem darum: Es gibt sie und fertig und aus. Damit zu tun haben die auch.

Diese Dinge sind also mit einem wirklich unverhältnismäßigen Aufwand behaftet, und deswegen überlegen sich Ortsorganisationen schon, ob sie gewisse Feste – weil die nicht mehr machen; die machen vielleicht ein Eisschießen, ein Preisschnapsen und ir­gendein kleines Fest – überhaupt noch machen sollen, wenn sie dann einmal im Jahr knapp 30 Seiten ausfüllen sollen. Es wäre darüber nachzudenken, ob man diese Sa­chen vereinfachen kann. Es wird ja auch für die übergeordneten Organisationen – Be­zirk und Land et cetera – nicht einfacher. (Abg. Leichtfried: Ja, aber für die ÖVP nicht!)

Ja, Kollege Leichtfried, das kannst du ja dann, wenn man wirklich einmal darüber dis­kutieren sollte, dort in den Verhandlungen einbringen. Das ist nicht das, worüber ich mit dir jetzt hier diskutiere. Dein persönliches Verhältnis zur ÖVP, das ist mir wiederum ganz gleich, aber ich weiß, dass es den Kollegen in den Gemeinden überall so geht


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und jeder damit herumzuwursteln hat. Vielleicht können wir da einmal Erleichterung schaffen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Griss zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.28.21

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas zum Bericht des Rech­nungshofes über die Prüfung der Art for Art Theaterservice GmbH sagen.

In diesem Bericht kritisiert der Rechnungshof einige Punkte, und diese Kritik reicht von der Verlängerung des Vertrags des Geschäftsführers der Art for Art Theaterservice GmbH ohne Ausschreibung über unterpreisige Aufträge und überpreisige Rechnungen bis zur Veräußerung von Immobilien, und damit möchte ich beginnen: mit diesem Immobilien­verkauf durch die Art for Art Theaterservice GmbH.

Sie erinnern sich ja noch: Das Burgtheater geriet in große finanzielle Schwierigkeiten, hatte Finanzbedarf durch einen Betriebsabgang von 40 Millionen Euro, und die Lösung war, dass man gesagt hat, die Art for Art Theaterservice GmbH muss Immobilien ver­kaufen: einen Teil des Hanuschhofs. Dieser Immobilienverkauf wurde mehr oder weni­ger unter der Hand abgewickelt, und das kritisiert der Rechnungshof.

Wie ist man vorgegangen? – Es gab keine öffentliche Ausschreibung, es wurde kein Makler eingeschaltet, es wurde nichts dokumentiert, es wurden Teile verkauft, und man hat eben den Erlös hereinbekommen, den man gebraucht hat. Das ist aber eher unge­wöhnlich, und das wurde auch dem Geschäftsführer der Art for Art Theaterservice GmbH vorgehalten. Und was war seine Antwort? – Die Antwort ist erstaunlich: Bei Lu­xusimmobilien drückt es den Preis, wenn man den Verkauf öffentlich abwickelt. – Das ist erstaunlich.

Es gab dann noch weitere Punkte, die auch ein eigenartiges Verständnis von Compli­ance gezeigt haben, also da ist Compliance wirklich ein Fremdwort: Es wurden Auf­träge unterpreisig hereingenommen, sodass die Aufwendungen nicht gedeckt waren, und die, die die Aufträge hereingenommen haben, hatten einen persönlichen Vorteil daraus. – Also Interessenkonflikte, die nicht gehen. Aber das wurde so gemacht. Die Begründung war: Ja, wir müssen für Auslastung sorgen. Der Theatermaler, um den es da in erster Linie ging, ist die Netrebko der Bühnenmalerei, und daher muss er auch die Möglichkeit dieser Zuverdienste haben.

Also das ist schon erstaunlich, weil es ein gewisses Selbstverständnis zeigt, das sich darin ausdrückt, dass für die Kunst gewisse profane Regeln einfach nicht gelten.

Der Vertrag des derzeitigen Geschäftsführers der Art for Art Theaterservice GmbH wird im September enden. Übrigens: Für dessen Gebrauch – eigentlich für den dienstlichen Gebrauch, aber er allein hat das Fahrzeug genützt – wurde ein Pick-up angeschafft, für den keine einzige Tankrechnung verbucht wurde. Es ist schon erstaunlich, dass je­mand, der ein Fahrzeug für dienstliche Zwecke nützt, den Treibstoff selber bezahlt. Al­so das sind schon erstaunliche Vorgänge. Wie gesagt, sein Vertrag wird im September enden, und Herr Bundesminister Blümel hat zugesichert, dass es eine Ausschreibung geben wird.

Hoffen wir, dass der neue Geschäftsführer die Empfehlungen, die der Rechnungshof hier ausspricht, auch tatsächlich berücksichtigen wird! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 208

20.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Großbau­er. – Bitte.


20.32.23

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an die Ausführungen meiner Kollegin Griss anschließen und auch auf den Rechnungshofbe­richt zur Art for Art Theaterservice GmbH eingehen und kurz dazu Stellung nehmen. Der Prüfungszeitraum war von November 2016 bis April 2017.

Vielleicht auch noch ganz kurz zur Erklärung für die Zuseherinnen und Zuseher: Die Art for Art Theaterservice GmbH ist in den Bereichen Bühnenbilder, Kostüme, Theater­requisiten tätig. Auch Kartenvertrieb, Bühnentechnik, Transport und Lagerung gehören zu ihren Aufgaben, sie erfüllt diese Rolle zu über 90 Prozent für die Institutionen der Bundestheater.

Insgesamt ist die Art for Art in die Bereiche Kostümwerkstätten, Dekorationswerkstät­ten, Gebäudetechnik sowie Kartenvertrieb aufgeteilt. Es wird dort wirklich großartiges Kunsthandwerk gepflegt und gelebt, dennoch hat der Rechnungshof in seiner ersten Prüfung, wohlgemerkt, bei der Art for Art grobe Problemfelder und Mängel herausgefil­tert. Meine Kollegin hat schon einige angesprochen.

Der Verkauf der Immobilie wurde schon erwähnt – traurig genug, dass das gemacht wurde, aber auch die Vorgangsweise, wie das gemacht wurde, ist massiv zu beanstan­den und zu hinterfragen.

Im operativen Unternehmensbereich waren vor allem auch die Personalkosten ein gro­ßes Thema. Die teilweise sehr hohen Individualzulagen, Honorarzahlungen sowie Be­lohnungen haben sich dann auch auf eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung der Art for Art ausgewirkt.

Um vielleicht noch das Beispiel zu vertiefen, das meine Kollegin Griss schon genannt hat: Dieser Dekorationswerkstättenleiter hat zwischen 2012 und 2017 während seiner Arbeitszeit mindestens 3 000 Stunden Theatermalerei gemacht, obwohl das nicht zu seinen Aufgaben gehörte, und zusätzlich zu seinem monatlichen Bezug sage und schreibe 379 000 Euro in diesem Zeitraum bekommen.

Genannt wurde auch schon, dass oftmals die vereinbarten Preise nicht die Kosten der erbrachten Leistungen gedeckt haben. Speziell im Bereich Dekorationswerkstätten wa­ren bei bestimmten Aufträgen nicht einmal die anteiligen direkten Personal-, Material- und Betriebskosten gedeckt.

Man sollte also wieder überprüfen, auch wenn dann eine neue Geschäftsführung kommt, ob die Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.35.32

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Auch ich möchte mich der Prüfung der Art for Art durch den Rechnungs­hof widmen. Art for Art ist in ihrem Bereich ein hervorragendes Beispiel für großartige Leistungen der Handwerkskunst in unserer Kulturstadt Wien.

Die Anregungen des Rechnungshofes betreffen vor allem die Organisationsform dieser Theaterservice GmbH, die Teil der Bundesbühnen ist. Diese hat natürlich auch Auswir­kungen auf die konzerninterne Preisstruktur. Art for Art orientiert sich mit ihren Preisen und Pauschalen an der Aufteilung der Basisabgeltung zwischen den drei Hauptbüh-


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nen: Burgtheater, Volksoper und Staatsoper, und nicht an der Abgeltung der tatsäch­lich erbrachten Leistungen. Daher ist in vielen Fällen dann auch keine Kostenwahrheit mehr gegeben.

Zur Auslastung: Dazu bedarf es sehr oft externer Bühnen als Auftraggeber. Das kriti­siert auch der Rechnungshof, dass die Preisgestaltung bei externen Aufträgen manch­mal so niedrig ist, dass oft nicht einmal die anteiligen Kosten für Personal und Material gedeckt sind. Gleichzeitig empfiehlt aber der Rechnungshof eine gleichmäßige Voll­auslastung der Werkstätten. In diesem Spannungsfeld operiert Art for Art.

Es ist klar, dass eine unterpreisige Auslastung – das wurde auch im Ausschuss disku­tiert – betriebswirtschaftlich gesehen besser ist als keine, sind doch in diesem Bereich naturgemäß auch immer Leerläufe vorhanden.

Zu den Personalkosten wird von Art for Art angemerkt, dass die Konstruktion der Kol­lektivverträge in bestimmten Bereichen oft Mehrkosten verursacht. Auch wenn man in Ungarn, in Bulgarien, in Rumänien oft billiger produzieren könnte, werden so Arbeits­plätze, hoch qualifizierte Arbeitsplätze in Österreich gesichert, und das ist sicher auch ein Erfolg für Art for Art.

Sowohl im Theater als auch im Fernsehen können die Österreicherinnen und Öster­reicher die Bühnenbilder von Art for Art sehen. Zu den großen Kunden zählen die Staatsoper, die Volksoper, alle Theater, die Festwochen, die Madrider Oper, der Life Ball und sämtliche Ballveranstaltungen, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Die Mitarbeiter von Art for Art haben aber auch das Neujahrskonzert 2019 mit ausgestaltet und auch das Designkonzept für das Konferenz- und Medienzentrum des EU-Ratsvor­sitzes 2018 ausgearbeitet. Ich denke, das zeigt sehr wohl die beachtliche künstlerische Arbeit von Art for Art. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lintl. – Bitte schön.


20.39.04

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich beziehe mich auf den Rechnungshofbericht zur Art for Art Theaterservice GmbH. Diese Einrichtung ist ja ei­gentlich eine tolle Sache, und wir können ihre Arbeit immer wieder erleben, wenn wir die Wiener Theater, die Oper besuchen, und, wie Kollegin Becher schon gesagt hat, auch im Fernsehen sehen.

Trotzdem hat der Rechnungshofbericht wirklich gravierende Kritikpunkte vorgebracht. Das sind die unklare Preispolitik im Zusammenhang mit dem Bundestheaterkonzern, der wettbewerbsverhindernde Umgang im Zusammenhang mit der Veräußerung von Immobilien, worauf Kollegin Griss schon eingegangen ist, und die oftmals intransparen­ten und zu hohen Personalkosten. Dabei hat die Art for Art Theaterservice GmbH 360 Mitarbeiter und betreibt die größten Dekorationswerkstätten in Österreich und ist der Ausstatter der berühmtesten und wichtigsten Theater in Österreich.

Es wird natürlich vom Rechnungshof kritisiert, dass im Zuge der Immobilienverkäufe nur eine mangelhafte Dokumentation gegeben war und dass es auch keine öffentliche Interessentensuche gegeben hat. Hätte man da professioneller agiert, dann hätte sich sicher ein höherer Ertrag erwirtschaften lassen.

Zu den Aufgaben von Art for Art gehören die Bereitstellung von Bühnenbildern, Kostü­men, Requisiten für Aufführungen, aber auch die Instandhaltung, die Lagerhaltung, der Transport und der Kartenvertrieb.


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Darüber hinaus gibt es auch Angebote für die Ausstattung von Opern-, Theater- und Ballettproduktionen sowie Filmen und Festivals für private Kunden. Es ist ein gutes Konzept, das auch andere mittelständische Unternehmen praktizieren, dass sie bei Auslastungsschwankungen und unproduktiven Stehzeiten solche privaten Serviceleis­tungen anbieten. Bedingt durch die Organisationsform der Art for Art von mehreren Schwester- und Miteigentümergesellschaften herrscht aber keine Kostenwahrheit, denn die Art for Art orientiert ihre verrechneten Preise an der Aufteilung der Basisab­geltung zwischen den Bühnen und nicht an den tatsächlich erbrachten Leistungen.

Wir befürworten hier konkret, wie vom Rechnungshof vorgeschlagen, die Evaluierung der Preisgestaltung und, auch ganz wichtig, die Erhebung der Kundenzufriedenheit.

Der Art-for-Art-Geschäftsführer Dr. Kirchberger hat uns in der letzten Sitzung des Rechnungshofausschusses dazu Informationen gegeben und hat auf meine Frage zu­gesichert, dass schon ein detaillierter Fragebogen ausgearbeitet wird, der diese Kun­denzufriedenheit hinterfragen soll. Dann können die angebotenen Leistungen konkret definiert werden und marktkonforme, kostendeckende Preise verlangt werden.

Zur Kritik des Rechnungshofes an den hohen Personalkosten darf aus unserer Sicht vonseiten von Art for Art nicht einfach nur mit theaterspezifischen Besonderheiten ar­gumentiert werden. Vielmehr sollten diese personalrechtlichen Sondervereinbarungen reduziert und normalen Standards angepasst werden.

Wir Freiheitliche bauen in dieser Hinsicht auch auf die bevorstehende organisatorische und strukturelle Optimierung durch Bundesminister Blümel, die er uns im Ausschuss zugesagt hat, und wir haben da volles Vertrauen zu ihm. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.43.15

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Aufgrund des seit dem Jahr 2012 geltenden Parteiengesetzes hat jede politische Partei dem Rechnungshof jährlich einen Rechenschaftsbericht zu übermitteln, und dieser Bericht muss auch eine Liste der sogenannten Beteiligungsunternehmen enthalten.

Was sind Beteiligungsunternehmen? – Das sind Unternehmen, an denen die politi­schen Parteien, ihr nahestehende Organisationen oder Gliederungen der politischen Parteien, die eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, mindestens 5 Prozent direkte Anteile oder 10 Prozent indirekte Anteile oder Stimmrechte halten.

Der Rechnungshof gibt diese Liste dieser Unternehmungen an jene Unternehmungen weiter, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, und diese sind dann aufge­fordert, die Rechtsgeschäfte, die mit diesen Beteiligungsunternehmen geschlossen werden, sowohl in der Gesamtsumme als auch im Detail dem Rechnungshof mitzu­teilen.

Was ist das Ziel dieses Parteiengesetzes? – Ziel ist es, hinsichtlich der Finanzierung aller politischen Parteien in Österreich die Transparenz zu erhöhen. Dabei sollen auch die geschäftlichen Tätigkeiten von Beteiligungsunternehmen der politischen Parteien mit der öffentlichen Hand beziehungsweise unter deren Einfluss stehenden Unterneh­men transparent gemacht werden. Entscheidend ist also die Transparenz der Geld­flüsse.

Konkret nun zu dem diskutierten Bericht: Es geht hier um die Überprüfung der abgege­benen Meldungen des Bildungsministeriums – wobei festzuhalten ist, dass diese Kritik-


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punkte bereits in Prüfberichten über Meldungen anderer Einrichtungen zu finden sind. Was hat da der Rechnungshof festgestellt? Ein paar darf ich herausgreifen: Vor allem geht es um den im Gesetz definierten Begriff abgeschlossenes Rechtsgeschäft. Laut Rechnungshof gibt es da Interpretationsspielräume, die zu unterschiedlichen Meldun­gen führen und die von der Sichtweise des Rechnungshofes abweichen. Auch bei der Definition des Begriffes Beteiligungsunternehmen kommt es laut diesem Bericht zu Unklarheiten.

Daraus schließt der Rechnungshof auf einen Handlungsbedarf des Gesetzgebers für die Präzisierung dieser Begrifflichkeiten. Dementgegen meint das zuständige Bundes­kanzleramt, dass die unterschiedlichen Auslegungen in der Praxis nicht dem Gesetzes­text geschuldet sind.

Wie auch immer, sehr geehrte Damen und Herren: Da aber auch Gemeinden betroffen sind, ist es mir als Bürgermeister wichtig, Klarheit wo auch immer herzustellen, damit alle geprüften Einrichtungen im Sinne der Transparenz richtige und vollständige Mel­dungen an den Rechnungshof machen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Knes. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.46.48

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsiden­tin! Als ich jetzt hier herausgekommen bin, habe ich gedacht, ich habe ein Déjà-vu: zur gleichen Zeit, vor einem Monat, auch Rechnungshofberichte; aber ich fühle mich sehr geehrt, bei zwei Präsidentinnen hier auch einen Datensatz dazu zu bringen. Vielen Dank dafür!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte natürlich auch Bezug auf den Rech­nungshofbericht betreffend ORF nehmen. Danke vielmals für diesen wirklich toll ausge­arbeiteten Bericht! Man muss sich aber sozusagen auch beim Ausschuss für die Aus­kunftspersonen bedanken, die uns zur Verfügung gestanden sind. Es wird dabei klar, was der ORF in diesem Bereich leistet.

Ich möchte hier an Kollegen Gahr anschließen, der auch gesagt hat, dass gewisse Punkte nicht oder nur teilweise umgesetzt worden sind. Von sieben Empfehlungen wurden wirklich nur vier teilweise umgesetzt, das ist richtig, und drei überhaupt nicht. Das hat aber natürlich mit der Struktur des ORF zu tun. Wenn man tiefer in die Materie des ORF hineingeht – das hat auch Generaldirektor Wrabetz als Auskunftsperson so gesagt –, dann wird klar, dass man nicht immer nur sagen kann, vier Bundesländer ha­ben um 165 000 Euro in drei Jahren auf der Produktionsseite überzogen. Das ist nicht einmal die Inflationsrate, wenn man es hochrechnet. Man muss auch darauf hinweisen, dass der ORF in allen Bundesländern verpflichtet ist, regionales Programm mit regio­nalen Inhalten zu senden. Ich glaube, das ist auch eine Verpflichtung allen Zuseherin­nen und Zusehern gegenüber.

Der ORF ist nicht nur dafür zuständig, herkömmliches Fernsehen, Filme, Sportsendun­gen, Politikbeiträge oder auch Dokumentationen zu senden, sondern er überträgt na­türlich auch Radioprogramm. Der Hörfunk ist in den Landesstudios ganz besonders wichtig, weil das Radioprogramm auch sehr beliebt ist. Wenn man die Einschaltquoten vergleicht, dann sieht man, dass „Bundesland heute“ und auch die Radiosendungen die „ZIB 2“ fast und die „ZIB 1“ sowieso übertreffen. Es ist also ein gutes Medium und auch gut brauchbar. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn man aber hergeht, die ORF-Reform kritisiert und solche Floskeln in den Raum wirft wie: Weg von der Gebührenfinanzierung hin zur staatlichen Finanzierung!, dann muss ich Ihnen schon sagen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, es bleibt das Gleiche, wenn es von der Finanzierung her gleich bleibt. Der Steuerzahler ist der Steuerzahler. Also den Sand in den Augen können Sie sich behalten, auf gut Deutsch! Nur muss man halt dazusagen, dass es dann fast ein Privatsender für politische Spiele wird. Das hat auch der Herr Generaldirektor gesagt: Wenn irgendwelche politischen Parteien hier glauben, sie können dann 200 oder 300 Millionen Euro abzweigen und sagen: ORF, du kommst jetzt mit diesen Gebühren aus!, dann wird das natürlich Auswirkungen auf die Sendungen und vor allem auf unsere Landesstudios haben, auf die eigentlich alle sehr, sehr stolz sind. Also das gebe ich nur zu bedenken.

Zwei Sätze noch zum Transparenzgesetz: Wolfgang Zanger sitzt hier – du hast gesagt, bei diesen 13 Seiten kennt sich keiner aus. Das mag vielleicht in deiner Partei so sein, aber ich kann dir vergewissern, bei uns läuft alles ganz gut ab und es sind alle fähig, diese 13 Seiten ordnungsgemäß auszufüllen und auch entsprechend einzutakten. Das wird die Frau Präsidentin auch bestätigen. (Beifall bei der SPÖ.) Da habt ihr wahr­scheinlich ein bisschen ein Strukturproblem.

Wenn wir vom Transparenzgesetz sprechen, sei es mir auch erlaubt, darauf hinzuwei­sen, dass es doch nicht so sein kann, dass man, wenn man um 6 Millionen Euro über­zieht oder wie die FPÖ um 3,6 Millionen Euro in einem Wahlkampf überzieht, mit mar­ginalen Strafen hinausgeht und dann auf der Straße noch lacht, auf den Rechnungshof zeigt und sagt, dieses Transparenzgesetz sei ein zahnloses Werk.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir haben es in der Hand – das wurde heute schon gesagt –, und dann müssen wir diese Gesetze verschärfen und auch die Strafen entsprechend erhöhen, damit diese Sachen in Zukunft nicht mehr passieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ames­bauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.50.51

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Der Rechnungshof überprüfte im Februar und März 2017 im Rahmen einer Follow-up-Überprüfung beim ORF die Umsetzung von insgesamt sieben Empfehlungen – das ha­ben wir schon gehört –, die er bei der vergangenen Gebarungsprüfung betreffend Lan­desstudios des Österreichischen Rundfunks im Jahr 2015 abgegeben hatte. Der ORF setzte von diesen sieben Empfehlungen vier teilweise und drei nicht um, also ist keine einzige Empfehlung zum Zeitpunkt dieser Follow-up-Überprüfung umgesetzt gewesen.

So wurde zum Beispiel die Empfehlung des Rechnungshofes hinsichtlich eines einheit­lichen Eingangsrechnungsablaufs nur teilweise umgesetzt, also der Ablauf der Abwick­lung vom Einlangen einer Eingangsrechnung bis zu deren Zahlung gemeinsam mit der ORF-Zentrale. Das wurde also von vielen Landesstudios nicht gemacht und da wurden Einsparungsmöglichkeiten und mögliche Synergieeffekte nicht genutzt.

Nicht umgesetzt hat der ORF auch die Empfehlung des Rechnungshofes, technische Leiter zu bestellen, die für mehrere Landesstudios zuständig sind. Es sind nach wie vor Tirol und Vorarlberg bundesweit die einzigen Landesstudios, die einen gemeinsamen technischen Leiter haben. Durch diese Nichtumsetzung wurden auch da Synergien lei­der nicht im möglichen Ausmaß genutzt.


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Ebenso offen blieb die Empfehlung des Rechnungshofes, Einsparungspotenziale von 3,1 Millionen Euro bei den Produktionskosten für die Sendungen „Kärnten heute“, „Steiermark heute“, „Vorarlberg heute“ und „Wien heute“ zu nutzen. Vielmehr stiegen die Produktionskosten dieser vier Sendungen von 2013 bis 2016 insgesamt um rund 165 000 Euro. Darüber hinaus erzielte der ORF auch bei den Produktionskosten aller neun „Bundesland heute“-Sendungen keine Einsparungen; diese belaufen sich insge­samt auf immerhin 33,16 Millionen Euro.

Besonders interessant ist – das habe ich auch herausgelesen –, dass die Produktions­kosten für „Steiermark heute“ um rund 1 Million Euro höher sind als jene für die Sen­dung „Oberösterreich heute“.

Wir haben schon gehört, dass die „Bundesland heute“-Sendungen beliebte Sendungen sind. Das ist so, ist auch richtig so, aber dennoch ist der ORF angehalten, auch da Potenziale zu nutzen und die Empfehlungen des Rechnungshofes ernst zu nehmen.

Ich bedanke mich beim Rechnungshof für die konsequente Überprüfung, für die Follow-up-Überprüfung, um da draufzuschauen und dem Gebührenzahler damit zu offenba­ren, ob die Empfehlungen umgesetzt werden, ob mit den Gebühren wirtschaftlich um­gegangen wird. Es hat im Ausschuss eine sehr interessante und angeregte Diskussion gegeben, auch mit Herrn Wrabetz. Das Problem bei diesen Rechnungshofberichten ist ja, dass wir immer in die Vergangenheit schauen und nicht auf dem aktuellen Stand der Umsetzungen sind. Ich hoffe aber schon, dass diese Botschaften im Zuge der ORF-Reform am Küniglberg gehört werden und dass auch entsprechend im Sinne der österreichischen Fernsehkonsumenten gehandelt wird. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Friedl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.54.28

Abgeordnete Klaudia Friedl (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Rech­nungshofpräsidentin! Geschätzte ZuseherInnen hier vor Ort und zu Hause vor den Fernsehern! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Fokus auch kurz auf den Österreichischen Rundfunk legen, genau genommen auf den Bericht des Rech­nungshofes bezüglich der Landesstudios des ORF.

Meine Kollegen und Vorredner haben ja im Wesentlichen schon darauf Bezug genom­men. Es geht um Einsparungspotenziale, unter anderem in Bezug auf geänderte Per­sonalstrukturen, Einsparungspotenziale bei Produktionskosten und dergleichen. Und es geht darum, inwieweit die bereits vom Rechnungshof formulierten Ziele eingehalten wurden beziehungsweise noch nicht umgesetzt sind.

Verbesserungen beziehungsweise Veränderungen, ob in der Personalstruktur oder der technischen Struktur, sind natürlich legitim und können definitiv zu mehr Effizienz füh­ren und letztendlich die erwünschten Einsparungen bringen.

Dass der ORF möglicherweise zu viel Geld verschlingt, das hören wir ja von Ihnen, das haben wir in der Vergangenheit von den jetzigen Regierungsparteien gehört. Eines darf man in der ganzen Diskussion, geschätzte Damen und Herren, Kolleginnen und Kolle­gen, jedoch nicht vergessen: dass die vielen Sendungen des ORF deshalb so gerne gesehen werden, weil sie sehr viel Sachliches, sehr viel Wissen, sehr viel Informa­tionen und eine große Vielfalt, vor allem auch aus unseren Bundesländern und aus un­seren Regionen, bringen, und weil keine Werbung gesendet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen aber auch, dass man gut funktionierende Strukturen natürlich auch kaputt­sparen kann, vor allem – wenn es um den öffentlichen Rundfunk geht – nämlich die


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Struktur, die für uns in Österreich die Pressefreiheit widerspiegelt. Ein fixer Bestandteil der Demokratie ist die Pressefreiheit, geschätzte Damen und Herren, und das bedeutet eine freie und unabhängige Berichterstattung in allen unseren Medien. Es geht darum, diese freie Berichterstattung zu erhalten. Gebühren sichern diese Pressefreiheit, und daher sind Einsparungspotenziale gut und notwendig, aber nicht alles.

Am Schluss meiner Ausführungen möchte ich sagen, dass wir dazu stehen, weiterhin Gebühren einzuheben, um in Österreich die Pressefreiheit und vor allem die Möglich­keit der ORF-Berichterstattung, wie sie bis dato ist, zu erhalten.

Sehr geschätzte Damen und Herren von den Regierungsparteien, Zwischenrufe und Äußerungen von EU-Spitzenkandidaten, in denen öffentlich Journalistinnen und Jour­nalisten gedroht wird, haben da auch keinen Platz. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte.


20.57.28

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsiden­tin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Auftritt von Herrn Vilimsky in der „Zeit im Bild“ ist, glaube ich, legendär, er spielt aber auch eine Rolle bei anderen Themen, nämlich wenn es um das Parteiengesetz geht. Deswegen ist es, glaube ich, gut, dass Herr Minister Hofer als Regierungskoordinator auch hier ist und das hautnah miterlebt.

Sie müssen sich vorstellen, wir diskutieren jetzt gerade das Parteiengesetz und Emp­fehlungen des Rechnungshofes, und ich hatte wirklich gedacht, dass man Empfehlun­gen des Rechnungshofes zum Parteiengesetz, zu Großspendern und zu Meldever­pflichtungen ernst nimmt und dass wir Ableitungen machen.

Stellen Sie sich vor, Herr Minister, Herr Vilimsky ist im Jänner zu den Medien gegan­gen und hat gesagt, „Milliardären, Industrie und großen Unternehmen soll es künftig verboten werden, sich in die Politik einzukaufen“. Das hat Herr Generalsekretär Vilims­ky gesagt. Damals hat man angenommen, dass ihm das, was Sebastian Kurz nicht nur im Wahlkampf aufgeführt hat, sozusagen zu bunt geworden ist, sondern Herr Vilimsky dürfte auch mitbekommen haben, wie das so in der Regierung abgeht, dass anschei­nend bei der ÖVP unter Sebastian Kurz das Geld, wenn es von den Großspendern kommt, überhaupt keine Rolle mehr spielt.

Wir alle haben es heute schon gehört: Da wird die Wahlkampfbudgetobergrenze mit 13 Millionen Euro übersprungen. Man weiß gar nicht, woher das Geld kommt. Wir alle haben uns doch im Wahlkampf gewundert, warum Menschen, für die Geld keine Rolle spielt, Sebastian Kurz so viel Geld geben. Ich verstehe, dass man für den Tierschutz, der mir selbst sehr am Herzen liegt, gerne Geld ausgibt; auch für Greenpeace oder das Rote Kreuz spendet doch jeder, aber doch bitte nicht für Sebastian Kurz. Das macht man doch nicht ohne Eigeninteresse, und auch Herr Vilimsky wird erkannt haben, dass das so nicht geht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Wir alle haben uns also gefragt, warum die Leute Sebastian Kurz so viel Geld geben, und Sebastian Kurz hat dann gesagt, weil die Leute nicht wissen, wohin damit, aber das hat gar nichts damit zu tun, dass sie Einfluss auf die Politik nehmen wollen. – Dann kommen wir aber darauf, dass ein ganz großer Teil aus dem Bereich der Immobilien­wirtschaft war. Jetzt haben wir den Salat, jetzt merken wir, dass die die Ersten sind, die profitieren, denen die Steuern geschenkt werden. Ein ganz großer Bereich war natür­lich auch der Bereich des großen Kapitals, waren die Leute, die wirklich ordentlich viel Geld haben, und die haben dann sofort die Steuerzuckerl bekommen. Jetzt reden wir


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von einer KÖSt-Senkung, jetzt reden wir von einer halben Milliarde Euro aus dem Ge­sundheitsbereich – es geht nicht um die kranken Leute, nein, die Großspender von Kurz ersparen sich dieses Geld.

Ich hatte wirklich gedacht, dass wir, wenn der Rechnungshof das Parteiengesetz zum Thema macht, doch daraus lernen und sagen, wir wollen keine amerikanischen Ver­hältnisse haben. (Beifall bei der SPÖ.) Sebastian Kurz soll mit dem Geld auskommen, das in Österreich für Parteien zur Verfügung steht. Hören wir doch bitte mit diesen Großspenden auf! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Heute hätten wir die Möglichkeit gehabt, dem einen Riegel vorzuschieben und zu sa­gen: Die Rechnungshofpräsidentin hat sich mit ihrem Team Gedanken darüber ge­macht, wir nehmen das alles ernst, machen heute Nägel mit Köpfen und sagen Nein zu diesen Großspendern!, aber gar nichts ist passiert. Deswegen bin ich persönlich so enttäuscht, dass in Wahrheit die FPÖ den eigenen Generalsekretär schlechtmacht. Vi­limsky soll eine EU-Wahl schlagen – wir alle wissen, dass er europaweit gar nichts zu melden hat –, und ihr signalisiert ihm jetzt, dass es in Wahrheit sogar euch wurscht ist, was er fordert. (Beifall bei der SPÖ.)

So geht es in Wahrheit nicht, und ich bitte Minister Hofer wirklich, dass er als Regie­rungskoordinator sagt: Sebastian Kurz, das mit den Großspendern, das geht doch auf keine Kuhhaut mehr, Schluss damit, scharfe Regeln für alle und strenge Gesetze in Österreich! – Das haben wir doch nicht notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

21.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Zanger. – Bitte.


21.00.54

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Keine Sorge, Philip! Es wäre zwar verlo­ckend, jetzt auf deine Ausführungen einzugehen, aber das mache ich nicht, nein.

Kollege Knes, du hast gesagt, 13 Seiten sind auszufüllen, aber es sind acht Seiten plus fünf Seiten plus 18 Seiten, also 31 Seiten, die abzuarbeiten sind. Jetzt könnte ich, wenn ich mich auf dein Niveau begeben würde, sagen: Wenn bei euch alle so rechnen können wie du, dann gute Nacht! – Das sage ich aber nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Es geht um einen unverhältnismäßig großen administrativen Aufwand für Leute, die alles ehrenamtlich machen – das sind eure genauso wie unsere, genauso wie die Kol­legen von der ÖVP oder von sonstigen Listen. Darum geht es, und ich bitte dafür um Verständnis. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Rechnungs­hofpräsidentin. Ich erteile es ihr.


21.01.50

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Herr Präsident! Hohes Haus! Zur Debatte standen jetzt drei Berichte, und zwar betreffend Meldeverpflichtungen ge­mäß Parteiengesetz am Beispiel des Bildungsministeriums, Art for Art Theaterser­vice GmbH und Follow-up-Überprüfung der Landesstudios des ORF.

Bei den Meldeverpflichtungen gemäß Parteiengesetz geht es um die Meldeverpflich­tungen der der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträger hinsichtlich der Rechtsgeschäfte mit Beteiligungsunternehmen von politischen Parteien und Beteili­gungsunternehmen, an denen Parteien 5 Prozent direkt oder 10 Prozent indirekt An­teile haben. Der Rechnungshof hat in diesem Zusammenhang bereits vier Berichte ge-


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macht, auf unterschiedlicher Ebene, nämlich bei einem Ministerium, auf Landesebene, in einer Gemeinde und bei einer Gesellschaft.

Es ging uns darum, noch einmal zu überprüfen, ob diese Meldeverpflichtungen eine Aussagekraft haben, wie ihnen nachgekommen wird, weil wir anlässlich der Meldung oder der Abfrage nicht prüfen können, wie das mit der Realität übereinstimmt.

Wir haben am Beispiel des Bildungsministeriums eine Diskrepanz zur Meldung in dem Jahr festgestellt, eine Diskrepanz hinsichtlich der gemeldeten und der tatsächlich ge­flossenen Zahlungen. Eine der Ursachen dafür, die wir gesehen haben, war unserer Meinung nach eine unklare Regelung im Gesetz. Das Bundeskanzleramt ist anderer Auffassung, aber Faktum ist, dass es eben unterschiedliche Auffassungen gibt, und das sollte man einer Klärung zuführen.

In Summe geht es darum, dass das Parteiengesetz 2012 stark dem Ziel der Transpa­renz und der Erhöhung der Transparenz verpflichtet war. Diese Abfrageverpflichtungen kommen dem nur unzureichend nach und in Wirklichkeit können wir nicht Rückschlüs­se über Art und Angemessenheit der Rechtsgeschäfte durchführen. Deshalb sind das Schwachstellen, die wir schon öfter aufgezeigt haben, und es liegt natürlich am Natio­nalrat, bei diesen Schwachstellen nachzubessern und dem Transparenzgedanken nach­zukommen.

Der zweite Bericht betrifft die Tochtergesellschaft der Bundestheater-Holding und von drei Bühnengesellschaften, die Art for Art Theaterservice GmbH. Die haben wir erstmals überprüft; im Jahr 1999 wurde sie gegründet. Es wurde schon besprochen, dass die Immobilientransaktionen ein Kritikpunkt waren, es ging um ein Volumen von 45,79 Millionen Euro – in Wirklichkeit wurden die natürlich getätigt –, und die Gewinne waren an den Bundestheaterkonzern auszuschütten. Die Art for Art trug damit we­sentlich zum wirtschaftlichen Überleben auch des Bundestheaterkonzerns bei. Einer­seits haben wir unzureichende Dokumentation sowie keine öffentliche Interessenten­suche festgestellt. Andererseits wiesen wir darauf hin, dass es eine Einmalaktion war.

Insgesamt wurde auch die sonstige wirtschaftliche Gebarung dieser Gesellschaft ge­prüft. Da haben wir insbesondere zwei Punkte kritisiert: Es gibt historisch gewachsene Situationen, Preisgestaltung der Art for Art und Personalaufwendungen. In der Preisgestaltung gibt es einen Teil, bei dem Leistungen die Kosten nicht deckten, und einen anderen Teil, bei dem die Leistungen die Kosten überdeckten. Bei den konzern­externen Aufträgen wurden bei 76 Prozent der Umsatzerlöse der Dekorationswerkstät­ten nicht kostendeckende Preise angeboten. Diesbezüglich verlangen wir kalkulatori­sche Grundlagen und kostenwahre Verrechnung.

Zum Personalaufwand: 11 Prozent des Personalaufwands sind auf gewisse Überzah­lungen, Belohnungen und Individualzulagen zurückzuführen, dafür muss es natürlich Kriterien geben. Es gibt auch Theaterferien, die sich auf die Produktionskosten und auf die Kostensituation natürlich gleichfalls nicht positiv auswirken.

Compliance wurde angesprochen – Interessenkonflikte mit dem Leiter der Dekorations­werkstatt.

Was den ORF betrifft, war das eine Follow-up-Überprüfung einer Prüfung aus dem Jahr 2015. Ich weise darauf hin, dass es auch ein Nachfrageverfahren dazu gibt, das ebenfalls auf unserer Homepage öffentlich einsehbar ist. Zwei Punkte sind offen: dass regelmäßig – wie in unseren Empfehlungen – die Produktionskosten der Sendungen „Bundesland heute“ evaluiert werden sollten. Da gibt es sehr unterschiedliche Einfluss­faktoren, einerseits die Kostenunterschiede bei der Produktion und andererseits auch die Erfolgskennzahlen, das sind der Marktanteil und die Durchschnittsreichweite; und das Thema der technischen Leiterinnen und Leiter, auch diese Empfehlung, ist noch offen, also wie man da Synergien ausschöpfen kann.


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Ich bedanke mich dafür, dass Sie meinen Prüferinnen und Prüfern hier anerkennende Worte entgegengebracht haben, ich werde es ihnen ausrichten. – Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

21.07

21.07.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen werde.

Tagesordnungspunkt 10: Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012.

Wer damit einverstanden ist, also die Zustimmung zur Kenntnisnahme gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 11: Bericht betreffend Art for Art Theaterservice GmbH.

Wer ist dafür? – Auch einstimmig.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Rechnungshofausschusses be­treffend Landesstudios des österreichischen Rundfunks; Follow-up-Überprüfung, III-44 der Beilagen.

Wer nimmt diesen Bericht zur Kenntnis? – Auch einstimmig zur Kenntnis genom­men. – Danke schön.

21.07.5013. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (562 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (567 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (559 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (568 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 13 und 14, die unter einem debattiert werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stöger. Ich darf ihm das Wort erteilen.


21.08.26

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens: Dem Bundesstraßen-Mautgesetz werden wir wie auch im Ausschuss die Zustimmung ertei­len, auch dem Vertrag betreffend die Luftfahrt.

Zweitens: Zur Änderung der Straßenverkehrsordnung merken wir an, dass das eine vertane Chance ist.

Herr Bundesminister! Wir haben Sie schon in der Sitzung des Verkehrsausschusses darauf hingewiesen, dass in dieser StVO-Novelle etwas Entscheidendes fehlt: Wo sind die angekündigten Nachbesserungen für die Verkehrssicherheit? – Sie haben beim Lkw-Sicherheitsgipfel angekündigt, dass es eine Verordnungsermächtigung für die Gemein­den geben soll, um Abbiegeverbote für Lkws ohne Abbiegeassistent an gefährlichen Kreuzungen zu erlassen. Warum geben Sie den Gemeinden nicht diese Möglichkeit? (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir haben es satt, zu warten! Es geht um eine nachhaltige Verkehrspolitik. Sie haben heute im ORF gesagt, nachdem der ÖAMTC gemeint hat, es gibt schon gute Abbiege­systeme, das ist gut so. Wenn das gut ist, dann führen wir sie ein.

Deshalb haben wir einen Antrag vorbereitet, den ich nun verlese:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abbie­geverbote für LKWs ohne Abbiegeassistenten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, eine Novelle der Straßenverkehrsordnung 1960 vorzulegen, wonach Gemeinden zur Erlas­sung von Abbiegeverboten für Lastkraftwagen ohne Abbiegeassistenzsysteme er­mächtigt werden.“

*****

Ich glaube, das wäre ein Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit. Es ist deutlich geworden, dass das gerade im städtischen Raum als auch im ländlichen Raum die Verkehrssi­cherheit massiv verbessert. (Beifall bei der SPÖ.)

Geben Sie der Verkehrssicherheit eine Chance und stimmen Sie unserem Entschlie­ßungsantrag zu! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

21.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé,

Genossinnen und Genossen

betreffend Abbiegeverbote für LKWs ohne Abbiegeassistenten

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage 559 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenver­kehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (568 d.B.) TOP 14

Rechtsabbiegende LKWs stellen im innerstädtischen Bereich für RadfahrerInnen und FußgängerInnen eine erhebliche Gefährdung dar. Dem Stand der Technik entspre­chende Assistenzsysteme können im direkten Umfeld des LKWs ungeschützte Ver­kehrsteil-nehmerInnen erkennen und den Fahrer warnen. Die deutsche Unfallfor­schung der Versicherer (UDV) geht davon aus, dass etwa ein Drittel der im Straßen­verkehr getöteten RadfahrerInnen bei Abbiegeunfällen ums Leben kommen.

In Wien verstarb ein 9-jähriger Bub, nachdem er von einem LKW-Fahrer im toten Win­kel übersehen wurde. Generell verunglücken eine hohe Anzahl von FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen durch Kollissionen mit LKWs im Kreuzungsbereich. Im Jahr 2017, dem aktuellsten Jahr, das von der Statistik Austria ausgewertet wurde, kamen neun Menschen in solchen Unfallsituationen ums Leben. In den fünf Jahren davor bewegte sich diese Zahl zwischen 14 und 21 Todesopfern.

Bereits seit dem Jahre 2011 gibt es die technische Möglichkeit des Einbaus eines Ab­biegeassistenten für LKWs. Diese Abbiegeassistenzsysteme können erheblich zur Ver-


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besserung der Verkehrssicherheit im Straßenverkehr beitragen und Unfälle zwischen rechtsabbiegenden LKWs und ungeschützten VerkehrsteilnehmerInnen verhindern.

Bereits im Jahre 2017 wurde im Verkehrsministerium das Testprojekt „Mobil-Eye“ ge­startet, in dem LKWs mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet wurden. In diesem Test war ein Sensor, der ein Warnsignal abgibt, in die LKWs installiert. Dieses Projekt wurde auch durch die Wirtschaftskammer begleitet.

Eine Studie aus dem Jahr 2011, die vom Gesamtverband der Deutschen Versiche­rungs-wirtschaft in Auftrag gegeben wurde, ergab, dass – bezogen auf alle Unfälle zwi­schen LKWs und RadfahrerInnen und FußgängerInnen – fast die Hälfte mit Hilfe eines Abbiegeassistenten vermeidbar gewesen wäre.

Im Rahmen des Sicherheitsgipfels des Verkehrsministeriums am 19. Februar 2019 wurde als Ergebnis eine Optimierung der Straßenverkehrsordnung angekündigt. Kon­kret wurde ausgeführt, dass Gemeinden eine Verordnungsermächtigung für Abbiege­verbote für LKWs an gefährlichen Kreuzungen erhalten sollen und die Bestimmung des § 96 StVO entsprechend novelliert werden soll. Nunmehr liegt die 31. Straßenverkehrs­novelle auf, doch die entsprechende, angekündigte Regelung fehlt gänzlich in dieser Novelle.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, eine Novelle der Straßenverkehrsordnung 1960 vorzulegen, wonach Gemeinden zur Erlas­sung von Abbiegeverboten für Lastkraftwagen ohne Abbiegeassistenzsysteme er­mächtigt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. (Abg. Hafenecker schüttelt vernei­nend den Kopf.) – Herr Kollege Hafenecker! Nicht? (Abg. Hafenecker: Nein!) – Dann gehen wir in der Rednerliste weiter. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Plessl: Ich glaub’, der war nicht vorbereitet!)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Walter Bacher. – Bitte.


21.11.23

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzesänderung betreffend Bundesstraßen-Mautgesetz werden wir zustimmen, einerseits aus umweltpolitischer Sicht und ande­rerseits auch aus datenschutzrechtlicher Sicht. Das ist für mich ein wesentlicher Punkt, denn es muss ausgeschlossen sein, dass aus den gesammelten Daten von zeitabhän­giger Maut zum Beispiel Bewegungsprofile erstellt werden können. Die Speicherung von Bilddaten ist in diesem Zusammenhang unzulässig, und die Speicherung der Da­ten erfolgt pseudonymisiert im Sinne des Art. 4 Z 5 der Datenschutz-Grundverordnung.

Um die Möglichkeit allfälliger Rückschlüsse auf das Mobilitätsverhalten von Personen wirksam auszuschließen, erfolgt die Verarbeitung der Daten in einer Form, die keinerlei Rückschlüsse auf den Ort und den Zeitpunkt der Erfassung ermöglicht. Auch die zuläs-


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sige Speicherdauer wurde mit einem Jahr so gewählt, dass einerseits eine effiziente Bearbeitung möglich ist und andererseits einer Minimierung der Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung Rechnung getragen wurde.

Es scheint in die richtige Richtung zu gehen. Man wird aber speziell die technische Entwicklung im Auge behalten müssen, zu sensibel ist der Bereich der personenbezo­genen Daten. Leider haben uns die letzten Monate und die Diskussionen in diesem Haus gezeigt, dass die Regierung oftmals ihre eigene Interpretation von Datenschutz hat, oder besser gesagt, es wurde des Öfteren dem gläsernen Menschen Tür und Tor geöffnet. Deshalb mahne ich zur Vorsicht im Hinblick auf die Frage, was daraus ge­macht wird.

Wie gesagt, wir werden zustimmen, nicht zuletzt auch deshalb, weil mit dieser Ände­rung auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird. Wir können nicht ge­nug unternehmen, um unsere Umwelt und unser Umfeld zu schützen. Schließlich ist vor allem Österreich ein Land, das von seiner intakten Umwelt lebt. Dass umwelt­freundliche Lkw-Mautsysteme begünstigt werden, kann nur positiv bewertet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Abbiegeassistenten hat Kollege Stöger schon gesprochen. Es ist schade, dass das in diesem Haus bis jetzt noch keine Zustimmung gefunden hat.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit heute aber auch bei Kollegen Franz Hörl be­danken. Im Herbst habe ich krankheitshalber leider gefehlt, und Kollege Antoni hat von diesem Rednerpult aus zu Franz Hörl gesagt, er soll sozusagen den Vorschlag seines Klubobmanns August Wöginger aufnehmen und der langjährigen Forderung der Seil­bahner, die Karenzzeiten anzurechnen, endlich zustimmen. Franz Hörl hat dann hier vom Rednerpult aus gesagt, er steht dem nicht nach, er wird es mit mir umsetzen. Er hat heute Wort gehalten, und dafür ein herzliches Danke! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Unter Seilbahnern gilt halt noch der Handschlag. Umso mehr freut es mich auch, dass mit Karl Schmidhofer ein weiterer Seilbahner hier im Hohen Haus ist. Und die paar Zehntel, die das Ganze mehr gekostet hat, weil ich den Abschluss nach oben getrieben habe, die wirst du, lieber Franz, mir verzeihen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das wär schon ein würdiger Abschluss, glaub’ ich!)

21.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschlä­ger. – Bitte.


21.14.40

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Weil die Seilbahnwirtschaft ge­rade Thema war, möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Seilbahnwirt­schaft, die in den vergangenen Monaten hier in Österreich einen tollen Job geleistet haben und sehr viel dazu beigetragen haben, dass dieser Tourismusstandort wirklich gut funktioniert, Danke sagen. – An dieser Stelle ein herzliches Danke dafür! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren die Novelle der Straßenverkehrsord­nung. Ich möchte einen Aspekt hervorheben, und zwar geht es unter anderem auch darum, dass wir die Rahmenbedingungen für die sogenannten Elektroscooter neu defi­nieren. Uns geht es um ein respektvolles Miteinander aller Verkehrsteilnehmer und nicht um ein Gegeneinander-Ausspielen, wie es teilweise leider in Wien passiert.

Wir brauchen da ganz klare Spielregeln, denn wie Sie wissen haben wir gerade hier in Wien – wenn Sie heute vor die Tür gehen, werden Sie es sehen – ein modernes neu­es, auch positiv zu sehendes Verkehrsmittel, nämlich diese Scooter, diese Leihscooter.


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Wir brauchen für die Verkehrssicherheit einerseits Rahmenbedingungen, auf der an­deren Seite aber auch, und das möchte ich an dieser Stelle betonen, klare Spielregeln, sodass man sich auskennt.

Um es eindeutig zu sagen: Wir setzen den Elektroscooter mit dem Fahrrad gleich. Das heißt, die Spielregeln sind die gleichen – und das bedeutet auch, dass wir versuchen wollen, Ordnung in das System zu bringen. Da geht es unter anderem auch um die Be­nutzung des Gehsteiges – Sie kennen das möglicherweise, wenn Sie zu Fuß in der Stadt unterwegs sind. Fußgänger sind für uns klarerweise die schützenswertesten Ver­kehrsteilnehmer, doch wir stehen vor der Situation, dass solche E-Scooter leider teil­weise kreuz und quer am Gehsteig liegen beziehungsweise nicht dort benutzt werden, wo sie hingehören, nämlich auf dem Fahrradweg oder auf der Fahrbahn.

Mit dieser Novelle stellen wir klar, wie diese Geräte zu benutzen sind, und wollen auch – in diesem Fall vor allem der Stadt Wien – sozusagen eine Handhabe und eine klare Vorgabe geben, damit wir Ordnung in dieses teilweise, muss man sagen, Chaos bringen. Sie alle wissen ja, es werden weitere Anbieter viele Scooter aufstellen. Wir müssen daher entsprechende Rahmenbedingungen dafür schaffen, sodass sich die Nutzer auskennen, aber auch die Anbieter entsprechende Vorgaben haben.

An dieser Stelle richtet sich mein Appell an die Wiener Stadtpolitik, dass man dafür Sorge trägt, dass diese Gesetze auch entsprechend eingehalten werden, sodass vor allem die Fußgängerinnen und Fußgänger entsprechend geschützt werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich an dieser Stelle erwähnen möchte, ist, dass wir etwas für die sogenannte Citylogistik tun, nämlich – Sie kennen das – die sogenannten Lastenfahrräder, Lastenfahrzeuge, die auch sehr, sehr positiv für die Feinverteilung der Güter, die in der Stadt transportiert werden, sind. So schaffen wir jetzt die Regelung, dass auch in Ladezonen künftig entsprechende Ladetätigkeit mit diesen Fahrzeugen erfolgen kann. Auch das ist ein Beitrag für die moderne Mobilität in dieser Stadt. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesminister Ho­fer. – Bitte.


21.18.46

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Frage der E-Scooter in der Stadt können wir alle feststellen, dass diese E-Scooter innerhalb von kurzer Zeit das Stadtbild in Wien völlig verändert haben. Ich habe in den letzten Tagen festgestellt, dass es auch Städte gibt, wo man noch kaum E-Scooter sieht. Ich war in Slowenien mit dem E-Scooter unterwegs und war dort in der gesamten Stadt der Einzige, der damit unterwegs war, was jedoch auf großes Interesse gestoßen ist.

Ich glaube einfach, dass diese Entwicklung weitergehen wird und dass wir in den nächsten Jahren ganz, ganz viele neue Fahrzeuge auch dieses und eines ähnlichen Typs sehen werden.

Die Überlegung war: Wie gehen wir damit um?, denn es ist auch eine Sicherheitsfrage. Die erste Überlegung, die wir hatten, war, dass wir zulassen, dass diese Scooter im Schritttempo auf dem Gehsteig fahren. Nur wissen wir alle, dass sich wohl nicht jeder daran halten wird und dass die Leidtragenden wiederum die Fußgängerinnen und Fuß­gänger gewesen wären. Daher einfach eine Gleichstellung mit dem Fahrrad: Alles, was für das Fahrrad gilt, gilt auch für den E-Scooter.


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Zum zweiten Thema, dem Bundesstraßen-Mautgesetz: Ich glaube, es war wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass dekarbonisierte Fahrzeuge auch entlastet werden – im Rah­men der Möglichkeiten, die wir vorgeben –, weil ich auch glaube, dass die Entwicklung, die hier voranschreitet – Brennstoffzellen werden in der Großfertigung günstiger, das Netz an E-Tankstellen wird dichter werden, wir werden auch Wasserstofftankstellen vermehrt anbieten, LNG spielt eine Rolle, wenngleich nicht im Rahmen des gegen­ständlichen Themas –, die geringere Belastung und vor allem der dekarbonisierte Ver­kehr uns in den nächsten Jahren noch weiter beschäftigen werden.

Mautaufsichtsorgane werden neue Möglichkeiten erhalten. Wenn man jetzt jemanden erwischt und sieht, dass diese Person in der Vergangenheit schon einmal Maut geprellt hat oder dass mit diesem Fahrzeug Maut geprellt wurde, so bestehen da neue Mög­lichkeiten für die Mautaufsichtsorgane.

Damit bin ich bei einem Thema, das vorher angesprochen worden ist, nämlich bei der Frage: Wie sieht es mit den Maßnahmen Rechtsabbiegeverbote und Abbiegeassisten­ten aus? – Wir schicken die 32. Novelle der StVO bereits am Montag in Begutachtung. Darin sind diese Maßnahmen vorgesehen, und wir gehen bei den Maßnahmen, bei den Möglichkeiten für die Gemeinden noch über das hinaus, was ursprünglich nach dem Lkw-Gipfel angedacht war. Das heißt, die Gemeinden werden sehr weitreichende Möglichkeiten erhalten, auch über ganze Gebiete hinweg Rechtsabbiegeverbote zu er­lassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das etwas sein wird – neben den Förderun­gen, die wir vorsehen –, das dazu beiträgt, dass die Verkehrssicherheit weiter erhöht wird.

Also bitte um Verständnis! Bereits am Montag geht es mit der Begutachtung los, und wenn der Prozess so gestaltet ist, wie ich mir das wünsche, könnten wir noch vor dem Sommer ein Inkrafttreten des Gesetzes bewerkstelligen. Damit hätten wir die Ziele, die uns allen so wichtig sind, auch gemeinsam erreicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Erasim. – Bitte. (Abg. Yılmaz: Die erste Frau überhaupt in dieser Debatte! Nur Männer!)


21.22.40

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Werte ZuseherInnen! Ich werde mich in mei­nen Ausführungen mit dem Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung geän­dert wird, beschäftigen und noch einmal kurz zusammenfassen, was dieses Gesetz vorsieht.

Es beinhaltet ja mehrere kleinere Punkte. Es regelt unter anderem die Benutzungs­möglichkeit der Rettungsgasse auch durch Leichenwägen – eine Regelung, die bei ge­nauem Hinsehen auch als sinnvoll betrachtet werden kann und die von uns auch die Zustimmung erhalten würde, wäre sie nicht Teil dieses Gesamtkonvoluts.

Dieses beinhaltet auch die Ausnahme der Pferde des Kollegen Kickl vom verordneten Reitverbot. Da wir diesem Gesamtthema negativ gegenüberstehen, sehen wir das auch in diesem Gesetzestext als nicht unterstützenswert.

In dieser Novelle wird auch der Versuch unternommen, Klein- und Miniroller, die ange­sprochenen E-Scooter, näher zu definieren, Leistungsgrenzen zu definieren und für dieses geänderte Verkehrsgeschehen rechtliche Klarstellungen zu treffen. Der Fokus bei meiner eben getätigten Aussage liegt eher auf dem Wort Versuch, denn Klarheit wurde aus unserer Sicht in diesem Bereich nicht geschaffen. Uns Sozialdemokraten liegt das Thema Verkehrssicherheit besonders am Herzen, doch die eben erwähnten geplanten Regelungen für Scooter erscheinen uns kaum exekutierbar und mit den gan­zen Grenzwerten auch sehr schwierig zu kommunizieren.


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Was auch zur Gänze fehlt – da darf ich ergänzend zu den Ausführungen meines Kol­legen Alois Stöger sprechen –, sind die angekündigten Verkehrssicherheitsmaßnah­men für Lkws. Die versprochene Verordnungsermächtigung betreffend Abbiegeverbote fehlt gänzlich. Sie haben gerade erwähnt, dass das in Begutachtung geht. Wir finden es schade, dass das nicht schon jetzt passiert ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich, da das jetzt ziemlich untergegangen ist, noch ein paar Worte, wenn auch schon zu später Stunde, zur Frage Ihrer Glaubwürdigkeit, Herr Minister Hofer, und zur Glaubwürdigkeit der FPÖ verlieren. Sie haben, medial in­szeniert, einer Gruppe von Kindern versichert, alles dafür zu tun, dass verpflichtende Abbiegeassistenten für alle Lkws implementiert werden – etwas, was ich Ihnen auch abgenommen habe. Danach gab es einen Sicherheitsgipfel, auch mit einer Fülle von Ankündigungen, jedoch gepaart mit der Erkenntnis, dass es ohne EU in diesem Be­reich Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt.

Was jedoch mein großes Problem ist, betrifft Ihren Parteikollegen und Ihre Parteikol­legen auf EU-Ebene. Dort tut sich nämlich diesbezüglich etwas, nämlich dass ab En­de 2021 nur mehr Lkws mit eingebautem Abbiegeassistenten genehmigt werden. Wir müssen aber feststellen, dass Ihre Partei, Ihr EU-Spitzenkandidat genau dieser Wei­chenstellung auf EU-Ebene nicht einmal zugestimmt hat!

Da müssen Sie dann schon die Frage verstehen, wie glaubwürdig die Aussagen von Ihnen als Person, von Ihnen als Partei sein sollen, und müssen sich auch die Frage gefallen lassen: Wie rechtfertigen Sie diese Vorgehensweise Ihrer Parteikollegen auf EU-Ebene gegenüber den Kindern, denen Sie ein Versprechen gegeben haben, und wie rechtfertigen Sie das gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern, denen Sie im Wort sind? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


21.26.43

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Herr Minister! Werte BesucherInnen auf der Galerie! In den Tagesord­nungspunkten, die Gegenstand dieser Debatte sind, sind mehrere Themen verpackt. Ich möchte ganz kurz zum Bundesstraßen-Mautgesetz sprechen.

Dazu können wir sagen, dass wir es grundsätzlich positiv finden, insbesondere auch dass man hier natürlich schon sehr weit in die Zukunft blickt, nämlich auf Lkws mit Elektroantrieb oder Wasserstoffantrieb, wobei natürlich sehr positiv ist, dass wir diese in die niedrigste Mautklasse nehmen wollen, insbesondere wenn man auch das Thema Klimaschutz, das ja auch schon in der Kurzdebatte Thema war, näher betrachtet.

Ein Punkt, der hier noch nicht angesprochen wurde und den ich gerne ansprechen würde, weil er im Ausschuss ebenfalls Thema war, ist die digitale Vignette. Die meisten von Ihnen werden wissen, dass es bei der digitalen Vignette ja so ist, dass diese erst 18 Tage nach Kauf die Gültigkeit erlangt. Wir haben immer wieder kritisiert, dass es da nicht zu einer Verbesserung kommt, weil wir glauben, dass man diese Prozesse, die zu einer Erleichterung für den Endverbraucher führen sollen, auch beschleunigen kann.

Ja, wir wissen, warum das so ist, nämlich aufgrund der 14 Tage Rücktrittsrecht bei On­linekauf beziehungsweise der drei Tage für den Postversand, die eingerechnet werden.

Wir glauben aber trotzdem, dass es nicht zeitgemäß ist, dass man so lange braucht, um diese Vignette in die Gültigkeit zu bekommen, weil am Ende des Tages der End­konsument davon nichts hat, ja sogar einen Nachteil davon hat, weil er eben nicht so­fort mit seinem Auto auf den österreichischen Autobahnen fahren kann.


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Wir glauben, dass es hier dringend eine Gesetzesänderung braucht, und verstehen auch nicht ganz, warum das BMVIT nicht schon bei der Einführung darüber nachge­dacht hat, wie es diesen Prozess handhaben will. Am Ende des Tages ist das nämlich alles andere als ein moderner Zugang und zeigt, wie schlecht man auch mit Digitalisie­rung umgehen kann.

Weiters haben wir noch das Thema der Straßenverkehrsnovelle. Dazu wurde schon sehr viel gesagt. Ich finde es – das möchte ich auch an dieser Stelle sagen – sehr posi­tiv, dass damit gleich der nächste Schritt kommt, denn das wäre auch eine Frage von mir gewesen, wie Sie mit dem Rechtsabbiegeassistenten umgehen. Dass dann so schnell auch etwas passiert, ist, finde ich, positiv zu erwähnen. Ansonsten ist es, glau­be ich, sehr wichtig, dass wir eine Regelung haben, was das Thema E-Scooter und da­rüber hinaus auch weitere Möglichkeiten, die es in der Mobilität in Zukunft geben wird, betrifft. Wir wissen nicht, was morgen kommt, das geht ja rasend schnell.

Wir haben auch immer wieder besprochen, dass es hier eine klare Gleichstellung mit dem Fahrrad gibt. Unser Problem ist dabei ein bisschen, und das haben wir auch im Ausschuss schon angemerkt, dass natürlich auch unterschiedlich zu werten ist, ob man sich im Innenstadtbereich oder im Randbereich von Städten befindet, weil natür­lich die Verkehrsflächen andere sind und uns dadurch andere Möglichkeiten gegeben werden.

Wir glauben, dass man da noch ein bisschen nachschärfen kann, wahrscheinlich auch ein bisschen schauen muss, wie sich das entwickelt, weil wir natürlich auf die unter­schiedlichen Gegebenheiten eingehen wollen und glauben, dass das sinnvoll ist. Dem­entsprechend werden wir dem heute zustimmen, aber bitten auch da um die Bereit­schaft, in Zukunft noch nachzuschärfen, wo es notwendig ist. (Beifall bei den NEOS.)

21.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Unter­rainer. – Bitte.


21.30.07

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Gale­rie und vor den Bildschirmen! Der vorliegenden Änderung der Straßenverkehrsordnung können wir als SPÖ – wie wir heute schon von meinen Kollegen gehört haben – nicht zustimmen. Wir stimmen nicht zu, weil wesentliche Regelungen zur Erhöhung der Ver­kehrssicherheit unserer Einschätzung nach nicht beinhaltet sind.

Mit elektrisch betriebenen Klein- und Minirollern setzt sich die Regierung sehr, sehr ge­nau auseinander. Eine Auseinandersetzung damit ist natürlich wichtig und richtig; das ist schon richtig. Wird ein derartiger Fokus auf einen Bereich gelegt, der in der Ausfüh­rung wohl kaum, schwer oder fast nicht exekutierbar ist, dann erweckt das den Ein­druck, dass man von anderen, vielleicht wichtigeren Dingen ablenken will, von wirklich wesentlichen Dingen, von Regelungen, die die Sicherheit im Straßenverkehr tatsäch­lich erhöhen würden.

Dazu gehört – schon viel diskutiert – der Lkw-Abbiegeassistent. Das ist ein Thema, welches nicht oft genug betont werden kann, schließlich müssen nach wie vor sehr vie­le junge Menschen das Leben lassen, weil es offensichtlich nicht wirklich im Interesse der Regierung ist, den Abbiegeassistenten verpflichtend einzuführen. Was dahinter­steckt, was das Kalkül ist – ich weiß es wirklich nicht.

Wenn es darum geht, die Sicherheit zu erhöhen, sollten wir uns als Volksvertreter und Volksvertreterinnen in diesem Haus einer ernsthaften Diskussion zur Korrektur der Ge­setze zur Erhöhung der Sicherheit wirklich nicht verschließen. Die Ernsthaftigkeit ver-


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kommt aber bei diesem Thema leider oft zur Unglaubwürdigkeit, denn beim Sicher­heitsgipfel, der abgehalten wurde, wurde die Gefahr abbiegender Lkws ganz klar be­handelt, und es wurde klargestellt, worum es geht. Bei diesem Gipfel waren Eltern da, es waren Kinder da, es war die Politik da, es waren Experten da, und alle haben ge­meint, es geht um die Sicherheit. Dort und auch im Ausschuss hat es deinerseits, Herr Minister Hofer, dann geheißen, dass es da auf EU-Ebene eine Regelung geben muss, da könne man in Österreich alleine leider keine gesetzliche Regelung beschließen.

Du als Minister hast eine Einführung sehr wohl befürwortet, und das glaube ich dir auch. Ich glaube dir, dass es dir wichtig ist, denn die Aktivität auf EU-Ebene hast du dann auch begrüßt, und vor allen Dingen ist das unter dem Gesichtspunkt, dass der Regierung auf nationaler Ebene quasi die Hände gebunden sind, ja wirklich etwas, wo­rin ich dir beistimme. Nur haben wir jetzt gehört, dass sich die Freiheitlichen auf EU-Ebene bei dieser Gesetzesabstimmung enthalten und somit eigentlich nicht für die Si­cherheit gestimmt haben; aber nicht nur das: In diesem Paket auf EU-Ebene wurden auch andere wesentliche Maßnahmen, die den Herstellern vorschreiben, zum Beispiel Alkoholwegfahrsperren und Sensoren zur Müdigkeitserkennung einzubauen, mitbe­schlossen. Alle diese Maßnahmen können Leben retten, diese Maßnahmen verhin­dern, dass Unschuldige verletzt oder im schlimmsten Fall auch getötet werden.

Die Frage: Abbiegeassistent ja oder nein?, ist nach wie vor offen, auch wenn es jetzt vielleicht in die richtige Richtung geht. Wir sind für mehr Sicherheit, für den Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen und wir sind deshalb auch für den verpflichtenden Abbiegeassistenten, und zwar so schnell wie nur irgend möglich, denn diese gesetzliche Regelung würde wirklich Tote im Straßenverkehr ver­hindern.

Dass es andererseits zu einer extra Gesetzesregelung für die freie Fahrt von Bestat­tungsunternehmen in der Rettungsgasse und auf den Busspuren kommt, zeigt, wo der Fokus dieser Regierung liegt. Es liegt mir fern, zu sagen, dass freie Fahrt für Bestat­tungsunternehmen nicht diskutiert werden sollte oder gar lächerlich sei; das liegt mir wirklich fern. Es rangiert nur in meiner persönlichen Prioritätenliste im Gegensatz zum lebensrettenden Abbiegeassistenten unter ferner liefen, auf der Regierungsseite, so scheint es allerdings, leider vor dem Schutz von Menschenleben. Da können wir als SPÖ nicht mit. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pew­ny. – Bitte.


21.34.03

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mautprellerei ist kein Kavaliersdelikt. Um solch ein Delikt ahnden zu können, bedarf es natürlich Gesetzen, die eine solche Handlung zulassen. Auf der bisherigen Rechtsgrundlage war es der Asfinag aber leider nicht möglich, ausländische Mautpreller zu bestrafen. Diese sind zwar elektronisch er­fasst worden, sind dann aber einfach ohne zu zahlen weitergefahren. Wenn dann so ein Fahrzeug Wochen später neuerlich auftaucht, hat es der Asfinag beziehungsweise dem Bund nichts genützt, weil die Behörde die Daten nicht speichern durfte.

Während Deutschland im Gegensatz zu Österreich nur ausländische Autofahrer zur Kasse bittet, haben deutsche Staatsbürger einen De-facto-Freifahrtschein auf unseren Autobahnen, und das zulasten des österreichischen Staates. Das wird sich mit der Re­form des Mautstraßengesetzes nun endlich ändern. Die Mautaufsichtsorgane sind zukünftig befugt, Ersatzmauten einzuheben. Autofahrer können Wochen oder Monate nach dem Fahren ohne gültige Vignette zur Kasse gebeten werden, wenn sie von einer


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Überwachungskamera gefilmt wurden und zwischenzeitlich auch keine Ersatzmaut gezahlt haben. So bleibt die öffentliche Hand zukünftig nicht mehr auf dem Schaden sitzen. Gleichzeitig wird der Verwaltungsaufwand reduziert, indem Fahrzeugdaten pseu­doanonymisiert gespeichert und Befugnisse von Mautaufsehern erweitert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie wissen, ist fast immer, wenn wir vom Verkehr sprechen, auch der Umweltschutz ein Thema. Deshalb sieht das Regierungs­programm auch vor, die moderne, emissionsarme Mobilität durch Anreize zu fördern. Durch die Änderung des Mautstraßengesetzes erhalten umweltfreundliche Lkw mit ei­nem Elektro- oder Wasserstoffantrieb ab 2020 einen eigenen günstigeren Tarif. Da­durch wird für die Wirtschaft ein Anreiz geschaffen, wieder zusätzlich in den Umwelt­schutz zu investieren.

Auch neue Trends bringen den Bedarf nach neuen Regelungen mit sich. Wer in den letzten Monaten in Wien unterwegs war, hat bestimmt schon bemerkt, dass Gehsteige zunehmend von zurückgelassenen Miet-E-Rollern blockiert werden. Mit derzeit sechs Anbietern in Österreich, welche über 10 000 Vehikel vermieten, erfreuen sich die E-Rol­ler immer größerer Beliebtheit. Leider wird aber die Unfallgefahr häufig unterschätzt.

So gab es innerhalb von drei Monaten allein in Wien 200 E-Roller-Unfälle. Viele E-Rol­ler-Fahrer fahren leider viel zu schnell in die Kreuzungsbereiche ein, oft sind gefährli­che Kopfverletzungen die Folge. Aus Gründen der Sicherheit unterliegen E-Roller da­her zukünftig den gleichen Regelungen wie Fahrräder. E-Roller dürfen nur mehr auf Radfahranlagen benützt werden, Gehsteige und Gehwege sind für diese Gefährte ta­bu. Wie auch für Fahrradfahrer wird für E-Roller-Fahrer eine Alkoholgrenze von 0,8 Pro­mille gelten, und das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung wird zukünftig auch auf Elektrorollern verboten sein. Auch die Ausrüstungsvorschriften für E-Roller werden je­nen von Fahrrädern angepasst.

Damit, meine Damen und Herren, kommt der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nach, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer so gut wie möglich zu gewährleisten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lai­mer. – Bitte.


21.37.51

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Wir behandeln heute mit der 31. StVO-Novelle unter anderem auch die berittene Polizei, ein sogenanntes Steckenpferd des Innenministers, der nur allzu gerne Bilder aus den 1920er- und 1930er-Jahren heraufbeschwören möchte und sie wahrscheinlich schon in einigen Köpfen erzeugt hat. (Zwischenrufe der Abgeordneten Herbert und Hafen­ecker.) Das allgemeine Reitverbot gilt mit dieser Novelle natürlich nicht mehr für Poli­zisten als Reiter von Dienstpferden. Was aber mit dieser Regierung nicht möglich ist, ist eine fortschrittliche Sicherheitspolitik auf Österreichs Straßen.

Somit komme ich auch zur verpflichtenden Einführung eines Abbiegeassistenten für Lkw. Es gab neun Todesopfer im Jahr 2017, jüngst ein neunjähriger Bub in Wien, der von einem Lastwagen im toten Winkel übersehen wurde – ein unsagbares Leid für Fahrer und Opfer, das in Zukunft verhindert werden muss, meine Damen und Herren. Ein toter Winkel beim Abbiegen darf im Jahr 2019 nicht mehr zum Tod von Menschen führen, überhaupt dann, wenn wir davon ausgehen, dass in wenigen Jahren selbstfah­rende Autos unsere Straßen frequentieren.

Während Sie, Herr Minister, den Abbiegeassistenten für Lkw auf die europäische Ebe­ne verlagern und sozusagen aus Österreich ausgegliedert haben – Stichwort Vertrags-


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verletzungsverfahren –, handelt Ihr Parteifreund und Abgeordneter zum Europäischen Parlament Vilimsky wieder einmal gegen alle Vernunft und stimmt im EU-Parlament gegen den Abbiegeassistenten für Lkw ab 2022. (Abg. Belakowitsch: Das stimmt nicht! Wie oft werden Sie das jetzt noch wiederholen?) Es ist schon schlimm genug, weitere drei Jahre an Sicherheit zu verlieren, und Herr Vilimsky ist gleich a priori dage­gen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die technischen Möglichkeiten eines Abbiegeassistenten sind vorhanden, allein der politische Wille dieser Regierung fehlt, und die FPÖ in Brüssel handelt, wie sie handelt: gegen Sicherheit, gegen die schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteil­nehmer, nämlich gegen die Fußgänger und vor allem gegen die Kinder im Straßenver­kehr.

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratie sagt Ja zum verpflichtenden Abbiege­assistenten für Lkw, um zukünftiges Leid so weit wie möglich zu minimieren und zu vermeiden. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wenn Österreich international in den Schlagzeilen ist, weil es den Abbiegeassistenten für Lkw einführt, dann wäre das ein positiver Aspekt abseits aller rechtlichen Differenzen und Dissonanzen.

Der Sicherheit Vorrang geben! Den Abbiegeassistenten jetzt! Menschenleben retten! Besser mit Abbiegeassistenten in den internationalen Schlagzeilen zu sein als mit Rat­tengedichten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Werner Herbert gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


21.41.02

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollege Laimer hat in seinen Ausführungen gerade angegeben, die berittene Polizei wäre ein Steckenpferd des Innenministers, um die 1920er- und 1930er-Jahre wieder hervorzuru­fen. (Abg. Wittmann: ... Pferd rechts abbiegen!)

Ich darf tatsächlich berichtigen: Die berittene Polizei ist internationaler Polizeistandard in der polizeilichen Arbeit und in vielen Ländern der Welt ein wichtiges und wertvolles Hilfsmittel der Polizei. Ich darf damit die von Kollegen Laimer hervorgerufenen Assozia­tionen zurückweisen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Holt den Heinzl wieder! – Abg. Hafenecker: Holt den Heinzl wieder, ist gescheiter! – Abg. Wittmann: ... ein Pferd biegt rechts ab? – Abg. Hafen­ecker: Überall!)

21.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.


21.41.43

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­te Damen und Herren! Auch ich möchte die 31. Novelle der Straßenverkehrsordnung ansprechen, zumindest jene Punkte, die heute noch nicht angesprochen wurden.

Wir haben ja schon sehr ausführlich gehört, wo die E-Scooter künftig fahren dürfen und dass es eine Gleichstellung mit Fahrrädern gibt. Wie gesagt, einige Punkte darf ich noch ergänzen. Für mich ist wichtig, dass für den ländlichen Raum die Möglichkeit ge­schaffen wurde, etwa beim Befahren von Gehsteigen Ausnahmeregelungen zu imple­mentieren, dort, wo es Sinn macht und wo es für die Verkehrssicherheit auch zulässig ist.

Ein paar Punkte noch zu den einheitlichen Mindestanforderungen an die Sicherheits­ausrüstung: Natürlich müssen E-Scooter auch mit einer wirksamen Bremsvorrichtung


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ausgestattet sein. E-Scooter brauchen auch Rückstrahler oder Rückstrahlfolien, die nach vorne weiß, nach hinten rot und zur Seite gelb wirken. Bei Dunkelheit und schlechter Sicht ist zusätzlich natürlich auch eine entsprechende Lichtanlage vorzuse­hen, wobei das Licht nach vorne weiß und nach hinten rot zu leuchten hat.

Wichtig ist – und das ist das Ziel dieser StVO-Novelle –, einfach für alle Verkehrsteil­nehmer mehr Sicherheit zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurde in dieser Novelle auch festgelegt, dass Kinder unter zwölf Jahren, die nicht im Besitz eines Radfahraus­weises sind, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur noch unter Aufsicht einer Per­son, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, mit Minirollern fahren dürfen; ausgenommen davon sind Wohnstraßen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass mit dieser Novelle die Rolle der
E-Scooter im Verkehr klar geregelt wird. Sehr geehrter Herr Bundesminister, danke für die Initiative dafür. Es ist, wie gesagt, ein wichtiger Beitrag für die Verkehrssicherheit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kumpitsch. – Entschuldigung, zuerst kommt die tatsächliche Berichtigung durch Abgeordneten Jenewein. – Bitte.


21.44.35

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Laimer hat in seinem Redebeitrag gesagt, dass der Abgeordnete Harald Vilimsky gegen den Abbiegeassistenten gestimmt hat. (Abg. Krainer: Nein? – Abg. Witt­mann: Hat er dagegengestimmt?) Ich berichtige tatsächlich: Im zuständigen Aus­schuss im Europäischen Parlament, im Verbraucherausschuss, wo der Abbiegeassis­tent singulär zur Abstimmung gestanden ist, hat der freiheitliche Abgeordnete Mayer selbstverständlich dafür gestimmt.

Im Plenum des Europäischen Parlaments (Abg. Wittmann: Also hat er dagegenge­stimmt!), wo es einen Sammelbericht über verschiedenste Initiativen des Europäischen Parlaments gegeben hat und wo es nicht möglich war, singulär über den Abbiegeas­sistenten abzustimmen, gab es keine Gegenstimme der FPÖ, sondern eine Enthaltung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt gelangt Abgeordneter Kumpitsch zu Wort. – Bitte.


21.45.37

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Liebe Kolle­gen! Da der Abbiegeassistent Thema war, obwohl er nicht auf der Tagesordnung steht, möchte ich mich jetzt doch der Tagesordnung zuwenden und über die Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes sprechen.

Kollege Pewny hat das Regierungsprogramm schon angesprochen, in dem im Kapitel Verkehr und Infrastruktur die Umsetzung von Maßnahmen für eine moderne und emis­sionsarme Mobilität und im Kapitel Umwelt die Schaffung von Anreizimpulsen für Fahr­zeuge mit emissionsfreien Antriebsarten vorgesehen ist. In der Umsetzung dieses An­liegens wird das Mautgesetz dahin gehend geändert, dass es bei der Festsetzung der fahrleistungsabhängigen Mauttarife zu einer Anlastung der Infrastrukturkosten kommt und diese gefördert werden, was konkret bedeutet, dass für Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb oder mit einem Wasserstoffbrennstoffzellenantrieb eine eigene Tarif-


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gruppe geschaffen wird, für die dann der niedrigste Tarif festgesetzt wird. Das ist ein Bereich.

Ein weiterer Bereich legt fest, dass künftig Kraftfahrzeuge mit drei Rädern, die bisher bei der Vignettenpreisbildung als mehrspurige Fahrzeuge gegolten haben, nunmehr als einspurige Kraftfahrzeuge gelten und natürlich auch bei der Bemautung günstiger sind. Wenn Sie sich nun fragen, warum, und dabei vielleicht an irgendwelche Harley-Da­vidson-Trikes oder an Chopper denken, die in den Siebzigerjahren über den Bildschirm gelaufen sind, dann ist es nicht ganz richtig, denn die Gruppe, an die da gedacht ist, betrifft Fahrzeuge, Motorräder mit zwei Vorderrädern.

Es ist so, dass immer mehr Motorradhersteller, wie zum Beispiel Piaggio, Celera oder auch Yamaha, diese Fahrzeuge anbieten. Diese besitzen einige spezielle Vorteile, zum Beispiel kann man das Fahrzeug direkt abstellen, das bleibt so stehen, es gibt eine Anfahrhilfe; es hat aber einen ganz besonderen Vorteil: Man kann es in weiten Berei­chen mit dem Führerschein der Klasse B, also mit dem Autoführerschein, fahren.

Ich glaube, dass das natürlich eine Motivation für junge Verkehrsteilnehmer und auch für Autofahrer ist, auf diese Motorräder umzusteigen und damit natürlich zum Beispiel dazu beizutragen, im Stadtverkehr nicht für mehr Stau zu sorgen, sondern für Entlas­tung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, Umweltschutz und emissionsarme Mobilität sind eben keine Lippenbekenntnisse der Regierung und auch nicht des Ver­kehrsministers, im Gegenteil: Sie sind ein Beweis dafür, dass die Regierung hält, was sie verspricht.

Noch ganz kurz an die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ und von JETZT, die ehe­maligen Grünen: Es geht auch ohne neue Steuern, es geht auch ohne Verbote, und das ist gut so. Ich bin überzeugt, dass viele Verkehrsteilnehmer diese Anreize, die die Bundesregierung setzt, auch annehmen werden und es so zu mehr Umweltschutz und sanfter Mobilität kommt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hörl. – Bitte.


21.49.48

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber Walter Bacher, herzlichen Dank für dieses Lob! Ich bedanke mich bei dir stell­vertretend für alle Seilbahnmitarbeiter, mit denen wir gemeinsam eine wunderbare Sai­son hinlegen konnten.

Ich sehe, bei den Sozialdemokraten sind auch in den mittleren Reihen praxis- sowie berufsbezogenes Arbeiten und Hausverstand zu finden (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ); Muchitsch sitzt ja auch weiter hinten. Jedenfalls herzlichen Dank dafür – und ich freue mich, dass du dich darüber freust, dass du einen guten Vertrag abgeschlos­sen hast –, das motiviert meine Mitarbeiter und wir können in Richtung der nächsten Saison gehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Herr Bundesminister, ich möchte zum Bundesstraßen-Mautgesetz nicht mehr alles wie­derholen. Es kommt zu einer Verwaltungsvereinfachung, die Klarstellung mit den Rä­dern ist gerade angesprochen worden und es kommen effizientere Kontrollen für Maut­preller und die Vignettenmuffel können sofort abkassiert werden und weiterfahren.

Was mich besonders freut, ist die Lösung mit Hausverstand für die E-Scooter. In mei­ner Gemeinde gibt es eine große Durchzugsstraße, dort kann dann der Bürgermeister hergehen und sagen, sie dürfen auf dem Gehsteig fahren, damit sie nicht auf der Straße überfahren werden. Was mich natürlich am meisten interessiert, ist die eigene


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Mautklasse für Lkws mit Elektro- und Wasserstoffantrieben. Natürlich hätte man sich diese Regelung auch für Fahrzeuge mit Gasantrieben gewünscht, aber ich denke, dass dies der richtige Weg ist.

Um zu zeigen, wie schwer und zäh die Umstellung auf CO2-freie Verkehrsmittel ist, möchte ich ein paar Fakten darstellen. In Österreich gibt es derzeit fünf Wasserstoff­tankstellen, eine in Innsbruck, eine in Linz, eine in Graz, zwei in Wien. Insgesamt gibt es sage und schreibe 24 wasserstoffbetriebene Automodelle, nämlich von Hyundai und Toyota. Für Interessierte an Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb gibt es vom 1. bis zum 6. Mai in Innsbruck im Green Energy Center Probefahrten und so weiter. Das kann ich nur empfehlen.

Herr Minister, Sie wissen, dass ich die Zillertalbahn, eine Schmalspurbahn, die von Jenbach nach Mayrhofen führt, auf Elektroantrieb auf Wasserstoffbasis umstellen möchte. Damit wäre das tourismusintensivste Alpental mit einem modernen wasser­stoffbetriebenen Zugsystem erschlossen – 900 000 Liter Diesel, 2,4 Millionen Kilo­gramm CO2 könnten gespart werden. Der grüne Strom für diesen Wasserstoffantrieb käme aus dem hinteren Zillertal. Dort wird von der Verbund AG ein Viertel des Tiroler Stromes erzeugt; und die Zillertalbahn würde davon nur 1 Prozent brauchen. Mit der künftig mit Wasserstoff betriebenen Eisenbahn als Backbone, als Rückgrat, möchten wir das tourismusintensivste Tal auf eine CO2-neutrale Region umstellen – angefangen bei den Öffis bis hinauf zu den Pistenraupen. Das wäre das Projekt, aber was ich jetzt erlebe, Herr Minister, das hat nichts mit Innovationsfreudigkeit zu tun.

Ich erlebe Ihre Unterstützung, auch die Unterstützung durch Frau Bundesminister Kös­tinger – einen herzlichen Dank dafür, und ich fühle mich auch gut bei Ihnen aufgeho­ben –, aber auf der Beamtenebene herrscht das alte Denken des Verkehrsministeri­ums vor: Die Haftung wird zum Land Tirol, vom Land Tirol wieder zurück oder gar zum Schweizer Zuglieferanten geschoben. So kann es ehrlich nicht gehen. (Beifall bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Die Republik beziehungsweise die Bundesminister haben all die Verträge von Kyoto über Paris bis Katowice unterschrieben, daher ist auch, denke ich, die Republik und nicht das Land Tirol dahin gehend verpflichtet. Leider kann das Zillertal das aufgrund dieser günstigen Verkehrsverträge, die wir eingehen müssen, wirtschaftlich nicht stem­men. Wir brauchen für diese neuen Züge, die natürlich alle Prototypen sind, eine Be­gleitung. Wir haben das Projekt Hytrain im Klima- und Energiefonds eingereicht. In die­sem Projekt möchten wir mit den Partnern FEN-Systems in Innsbruck, der Techni­schen Universität in Graz, Magna, OMV, Molinari Rail und so weiter die Produktion des Antriebsstrangs begleiten.

Wir möchten mitreden, welche Brennstoffzellen, welche Wasserstofftanks verbaut wer­den, wie Betankungszeiten ausschauen müssen, wie die Wasserstoffreinheit zu sein hat. Wir möchten auch Klimaanlagen, das Energiemanagement und das alles kontrol­lieren. Das bedingt natürlich, dass wir mit dieser wissenschaftlichen Begleitung ständig in Lieferungen und in Haftungen eingreifen. Genau da setzt das Beamtendenken ein und es wird gesagt: So geht das nicht! – Deshalb brauchen wir Sie, damit Sie uns da helfen.

Es wird eine Kunst sein, einen flexiblen Weg zu finden, der Innovation, neue Technik und Kontrolle zulässt, auch das Know-how für Österreich sicherstellt und gleichzeitig die Lieferverpflichtung und Haftung der Erzeugerfirma aufrechthält. Das ist eine große Herausforderung. Dazu brauchen wir Sie, Herr Bundesminister, dazu braucht es eine politische Entscheidung, denn auf der Beamtenebene komme ich leider nicht mehr wei­ter. – Herzlichen Dank und Gratulation zu dieser Novelle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.54



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung, 25. April 2019 / Seite 231

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lin­der. – Bitte.


21.54.37

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Änderungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes: Ich glaube, es ist der richtige Weg, dass man Investitionen durch Steu­ererleichterungen anreizt. In dem Fall geht der Weg in die Richtung, dass man sagt, schadstoffarme Kraftfahrzeuge bekommen bei der Maut Ermäßigungen. Die Regierung hat sich diesem Weg verschrieben. Ich glaube, auch beim Verkehr ist das der richtige Weg.

Das Zweite, was mich sehr freut, sind die erweiterten Befugnisse der Mautaufsichtsor­gane. War es bisher nicht möglich, diejenigen, die sich die Maut ersparen wollten, im Nachhinein zu erwischen, ist es mit der neuen gesetzlichen Regelung und mit den neuen technischen Möglichkeiten jetzt sehr wohl möglich, diese Mautabgabe auch im Nachhinein einzuheben.

Ich denke, das hat sich unter den ausländischen Verkehrsteilnehmern, unter den Lkw-Fahrern herumgesprochen. Früher hat man sich das ein bisschen zum Hobby ge­macht. Ich kenne da ein schönes Beispiel: Früher war es speziell mit den Italienern, die gewusst haben, dass sie, wenn sie von einer Radarkontrolle erwischt werden, nicht zu bezahlen brauchen, so, dass sie es sich teilweise zum Sport gemacht haben, durch unser Tal extra schnell durchzufahren – vorbei an den fixen Radarstationen. Seit es das internationale Abkommen gibt, wissen sie, dass sie Strafe zahlen, und die Übertretun­gen halten sich in Grenzen. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Die Mautflucht, die mich aber sehr belastet – und deshalb habe ich mich auch zu Wort gemeldet –, ist vielleicht kein absolutes Bundesthema. Unser Tal, das Gegendtal ist ein Paralleltal zum Drautal mit der A 10. Viele Lkw-Fahrer fahren in Treffen ab und durch unser schmales Tal durch, um sich die Autobahnmaut zu sparen, speziell auch, weil im Drautal Gewichtsbeschränkungen gelten. Wir Bürgermeister des Gegendtales kämpfen jetzt schon seit über fünf Jahren darum, dass wir endlich auch bei uns ein Fahrverbot erreichen. Diesbezüglich möchte ich die Kollegen von der SPÖ aus Kärnten auffordern und bitten, bei der Landesregierung dafür einzutreten, für uns Stimmung zu machen, dass es uns endlich gelingt, das Gegendtal von den Mautflüchtlingen zu befreien, die wirklich nur durchfahren, weil sie Angst vor den Gewichtsbeschränkungen haben und weil sie sich die Maut sparen wollen. Liebe Kollegen aus Kärnten, ich hoffe, dass ihr uns unterstützt, damit wir das endlich erreichen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.


21.57.20

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich nehme Bezug auf das Bundes­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung geändert wird. Es werden da mehrere Paragrafen geändert, aber ich möchte nur einige davon beleuchten.

Unter anderem werden die Begriffsbestimmungen geändert: Zum Beispiel werden beim Begriff Fahrzeug die Mini- und die Kleinroller inkludiert, es wird auch eine Änderung vorgenommen, wonach auch Fahrräder unter gewissen Umständen Lastfahrzeuge sein können.


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Ein für mich ganz wichtiger Paragraf, der geändert wird, ist § 44b, wo Vereinfachung und Bürokratieabbau vorgenommen werden, nämlich was die Meldepflichten bei un­aufschiebbaren Verkehrsbeschränkungen durch Organe des Straßenerhalters betrifft. Es wird auch § 46 geändert. Da wird eine Ergänzung der Regelungen darüber, wer die Rettungsgasse benützen darf, geschaffen.

Letztendlich darf ich noch § 88 erwähnen, in dem es um die E-Scooter geht, das ist heute schon mehrfach diskutiert worden, weshalb ich mich auch da kurzfassen kann. Es geht grundsätzlich darum, eine Gleichstellung mit dem Fahrrad vorzunehmen. Die gleichen Verhaltensregeln, die auch für Fahrradbenützer gelten, sind einzuhalten. Die Ausrüstung wird gleich geregelt. Es handelt sich da um Miniroller, die nicht mehr als 25 Stundenkilometer Bauartgeschwindigkeit haben dürfen und keine Leistung von mehr als 600 Watt aufweisen dürfen.

Warum ist es wichtig, dass das jetzt geändert wird? – Es gibt mittlerweile sehr, sehr viele private Nutzer von solchen E-Scootern und es gibt mittlerweile auch sechs Anbie­ter mit circa 6 000 bis 10 000 Rollern, die vermietet werden. Es ist eine neue Situation. Es ist eine neue Herausforderung, und diese Regierung – vor allem Minister Hofer – hat diesbezüglich rasch reagiert. So macht man das, meine Damen und Herren!

Wir wollen mehr Sicherheit, wir wollen mehr Klarheit mit einfachen Regeln. Mit dieser Gesetzesänderung sorgt Herr Minister Hofer dafür. Ich darf mich herzlich dafür bedan­ken. – Stimmen Sie dem Gesetz zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.59

22.00.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich lasse nun über die Tagesordnungspunkte 13 und 14 getrennt abstimmen.

Zuerst zum Tagesordnungspunkt 13: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird.

Wer dafür ist, den ersuche ich um Zustimmung. – Das ist einstimmig.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die in dritter Lesung dem Bundesstraßen-Mautgesetz zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig.

Zum Tagesordnungspunkt 14: Entwurf der 31. Novelle der Straßenverkehrsordnung samt Titel und Eingang in 559 der Beilagen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dafür ist, das auch in dritter Lesung anzunehmen, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist das gleiche Stimmverhalten, das ist mit Mehrheit angenommen.

Ich komme nun zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abbiegeverbote für LKWs ohne Abbiegeassistenten“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

22.01.3615. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (511 d.B.): Proto­koll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftver-


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kehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Eu­ropäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (569 d.B.)

22.01.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 15.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es liegt keine Wortmeldung vor.

Ich komme daher gleich zur Abstimmung.

Wer dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 511 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.

22.02.3716. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (502 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (577 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 16.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


22.03.02

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Werte Gäste auf der Galerie! Ja, der weltweite Wettbewerbsdruck, der insbesondere um Innovation und Technologie herrscht, hat zu dieser Novelle ge­führt. Dazu muss man sagen, dass die Entwicklung der österreichischen Patentanmel­dungen in den letzten Jahren sehr positiv ist. Es gab insgesamt 2 291 Anmeldungen von Patenten aus Österreich auf europäischer Ebene. Damit sind wir im europäischen Vergleich am siebten Platz, wenn wir das relativ pro Einwohner rechnen. Wir liegen bei 260 Patentanmeldungen pro einer Million Einwohner. Das zeigt durchaus auch eine positive Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich.

Trotzdem muss man sagen, dass es wichtig ist, dass immer wieder gute Ideen geboren werden. Wir sind in vielen Bereichen sehr innovativ. Ich spreche beispielsweise das Thema Weltraum und die TU Graz, die da immer wieder ganz besonders tolle Arbeit leistet, an. Genau diese Dinge verlaufen aber auch immer wieder im Sand, weil da ex­trem viel Bürokratie herrscht und dadurch viele Innovationen verhindert werden – umso positiver ist diese Novelle aus unserer Sicht zu sehen. Das zeigt auch der durchaus positive Zuspruch, den es in den Stellungnahmen diesbezüglich gegeben hat.

Wir haben allerdings kritisiert – und das haben wir auch im Ausschuss kritisiert –, dass FH-Studierende bei den Qualifikationsvoraussetzungen gegenüber Uniabsolventen, also gegenüber Absolventen normaler Universitäten, nicht gleichgestellt sind.

An dieser Stelle muss ich auch sagen, dass die Ausschusszusammenarbeit sehr kons­truktiv war. Wir haben die letzten Wochen sehr intensiv darüber beraten und auch ver­glichen, was irgendwo auf europäischer Ebene anders funktioniert und was man da­raus mitnehmen kann. Wir sind da nach wie vor auch in einem sehr guten Dialog. Des­wegen haben wir uns auch dazu entschlossen, dem heute hier zuzustimmen und dies­bezüglich auch noch weitere gemeinsame Schritte zu machen.

Wir müssen natürlich genau abwägen, wie das in anderen europäischen Ländern ge­handhabt wird. Wenn wir in den Norden schauen, sehen wir, dass insbesondere die


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nordischen Staaten aus unserer Sicht da sehr positiv unterwegs sind und sehr gute Standards haben. Das spricht auch sehr dafür, wie das Thema dort abgewogen wird. Das erkennt man auch daran, dass dort auch sehr viel Innovation stattfindet.

Insbesondere deswegen stehen wir dem, was in den letzten Wochen passiert ist, sehr positiv gegenüber, hoffen, dass wir diesbezüglich auch weiter positiv zusammenarbei­ten können, und werden dem heute zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


22.05.51

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Meine Damen und Herren, ich habe einen Traum. Auch wenn es schon zu späterer Stunde ist, darf ich Ihnen diesen Traum kurz näherbringen. Mein Traum ist, dass wir Österreich unter die Top-Drei-Innovationsstandorte bringen. Momentan sind wir die Nummer sie­ben. Wir haben also noch ein paar Schritte vor uns. Es wird aber nun an uns liegen, ei­ne ambitionierte FTI-Strategie zu erarbeiten, mit der wir meinem Traum hoffentlich bald ein paar Schritte näher kommen.

Warum ist denn so ein starker Innovationsstandort für uns wichtig? – Sie kennen wahr­scheinlich die Antwort: Es sind die Innovationen, es sind die exzellenten Ideen, die dann in der Folge unternehmerisch umgesetzt werden, die die Wertschöpfung generie­ren, die Arbeitsplätze schaffen und damit natürlich unseren Wohlstand sichern. Um die­sen und unseren Innovationsstandort auch wirklich nachhaltig zu sichern beziehungs­weise zu stärken, brauchen wir ein starkes Patentrecht. Es ist quasi ein wesentlicher Schutz und ein wesentlicher Faktor für den Erfolg unseres Wirtschaftsstandortes.

Unser eigenes Unternehmen hat im letzten Jahr 54 Patente angemeldet. Darauf sind wir, muss ich ganz ehrlich sagen, nicht nur stolz, sondern wir sehen das als ganz es­senzielles Backbone für eine nachhaltige Technologieführerschaft. Und das gilt nicht nur für uns, sondern es ist erwiesen, dass IP-affine Unternehmen oder Branchen, also jene mit vielen Patentanmeldungen, einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftsleistung er­bringen. Knapp ein Drittel der Beschäftigten arbeitet in diesen Bereichen. 41 Prozent unseres BIPs werden in diesen Sektoren erzeugt. Unternehmen mit einem starken IP-Recht beziehungsweise vielen Patentanmeldungen haben das Sechsfache an Mitar­beitern; sie erzielen im Durchschnitt einen um 30 Prozent höheren Umsatz pro Mitar­beiter und zahlen um 20 Prozent höhere Löhne. Daher möchte ich an dieser Stelle diesen IP-intensiven Branchen und Unternehmen auch einmal ganz herzlich dazu gra­tulieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Einen wesentlichen Beitrag zu einem erfolgreichen Patentsystem leistet auch das ös­terreichische Patentamt. Ich möchte Präsidentin Karepova in Vertretung für das ganze Patentamt hier dafür ganz herzlich danken.

Als Dritten im Bund – neben den Unternehmen und neben dem Patentamt – haben wir die Patentanwälte mit einer ganz wesentlichen Stellung. Sie vertreten ihre Mandanten vor dem Patentamt, vor den Gerichten, vor den Verwaltungsbehörden und sind somit ganz wichtige Partner für all jene, die ein Schutzrecht anmelden möchten. Sie sind es, die als Schnittstelle zwischen Technik und Recht wichtige Impulse dahin gehend ge­ben, ob eine Erfindung neu und vor allem auch schutzwürdig ist.

Die Anforderungen, die es für die Ausübung dieser Tätigkeit braucht, bedürfen jedoch einer klaren Regelung. Das ist auch im internationalen Kontext so zu sehen. Genau


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darum geht es auch in dieser Gesetzesnovelle. Neben ihrer fachlichen Ausbildung im technischen Bereich ist es für Patentanwälte ganz wichtig, auch komplexe juristische Sachverhalte zu interpretieren. Wir regeln daher, dass es in Zukunft eben notwendig ist, neben einer naturwissenschaftlichen Ausbildung auch ein rechtswissenschaftliches Studium zu absolvieren, um für die Patentanwaltsprüfung zugelassen zu werden. Ne­ben 210 ECTS-Punkten im technischen Bereich wird es in Zukunft notwendig sein, 60 ECTS-Punkte im juristischen Bereich zu absolvieren. Damit werden wir es auch ermöglichen, dass in Zukunft unsere Patentanwälte vor dem europäischen Patentge­richt vertreten dürfen. Das ist, glaube ich, essenziell, denn immer mehr Patente werden auch europäisch und international angemeldet.

Einen Punkt, den ich nicht außer Acht lassen möchte, da es ein wesentlicher Punkt auf dem Weg zur Entbürokratisierung ist, ist jener, dass es in Zukunft auch eine Verwal­tungsaufwandsreduktion geben soll.

Meine Damen und Herren! Unser Ziel muss es sein, Österreich in Europa immer stär­ker in seiner Kernkompetenz als verlässlichen und attraktiven Technologiestandort zu positionieren und vor allem auch zu vermarkten. Wir müssen nicht nur die bestehenden Innovationstätigkeiten verstärken, sondern wir müssen auch neue ins Land holen und Forschungsstandorte hier lukrieren. Österreich soll zum Technologiemagneten mit in­ternationaler Strahlkraft werden – auch das ist Teil meines Traumes –, und ein exzel­lentes Patentsystem mit gut ausgebildeten Patentanwälten ist dafür eine wichtige Stell­schraube, an der wir, glaube ich, heute sehr erfolgreich gedreht haben. Nun freue ich mich auf die Erarbeitung einer hoffentlich erfolgreichen FTI-Strategie. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ham­merschmid. – Bitte.


22.10.55

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir alle beschwören hier an dieser Stelle im Hohen Haus immer wieder den Ausbau und die Verteidigung der Wett­bewerbsfähigkeit unseres Landes, und wir alle sind uns, glaube ich, darin einig, dass die Verteidigung und der Ausbau unserer Wettbewerbsfähigkeit ganz, ganz stark über Wissenschaft, über Forschung und Entwicklung passieren müssen, denn genau diese Bereiche sind es, die die Innovationsmotoren für unsere Wirtschaft und für unsere Ge­sellschaft sind. Dies untermauert eindrücklich auch die FTI-Strategie, und ich gehe da­von aus, dass die neue das auch tun wird und dass man wieder alles daransetzen wird, dass wir zu den Innovationstreibern, den Innovationsleadern und Frontrunnern in­ternational wirklich aufschließen.

Forschung, Entwicklung und Wissenschaft sind naturgemäß Kernbereiche, die auch im Universitätsgesetz und im Hochschulgesetz gesetzlich verankert sind und die an die­sen Instituten stattfinden, aber Forschung, Entwicklung und Wissenschaft sind auch Bereiche, die im Unternehmerischen ganz, ganz essenziell sind. Innovation – wir ha­ben es heute auch schon gehört – definiert sich über Erfolg am Markt und ist für Unter­nehmen ganz, ganz zentral, um überleben zu können, und da braucht es Forschung und Entwicklung.

Die Wettbewerbsfähigkeit im technologisch-naturwissenschaftlichen Bereich, aber auch in der Kreativwirtschaft darf man auf gar keinen Fall vergessen, und diese Wettbe­werbsfähigkeit sichert man über den Schutz geistigen Eigentums, über Patente, über Gebrauchsmuster, über Marken, über Copyrights und vieles mehr.


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Da ich selbst lange mit technologieorientierten Start-ups gearbeitet habe, möchte ich erwähnen, dass diese Patente für die Start-ups im Technologiebereich, im Forschungs­bereich überlebenswichtig sind, denn sie sind zu Beginn das einzig bewertbare Asset, das diese Unternehmen haben. Sie sind oft sehr forschungslastig, haben noch nichts zu verkaufen, das heißt, der Wert, den sie haben, ist ihr geistiges Eigentum, und das gilt es entsprechend zu sichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Umso wichtiger ist es, dass Patentanmeldungen so formuliert sind und so breit for­muliert sind, dass die Neuheit, die Erfindung per se und die gewerbliche Anwendbar­keit auch entsprechend gut geschützt werden, denn Mitbewerber schlafen nicht. Insbe­sondere große Unternehmen, internationale Konzerne haben die Finanzkraft und wis­sen um die Wichtigkeit von Patenten, wissen, dass sie schlecht formulierte Patente von Start-ups und kleinen Unternehmen jederzeit anfechten können, und bringen kleine Unternehmen dadurch ganz, ganz schnell an den Rand ihrer Überlebensfähigkeit. So­mit ist die Formulierung von Patenten ein ganz wichtiger Baustein, und dafür braucht es exzellent ausgebildete Patentanwältinnen und Patentanwälte.

Die Novelle hat meine Kollegin und Vorrednerin Theresia Niss ja schon ausführlich er­örtert. Es ist wirklich wichtig, dass wir die beiden Standbeine, eine fundierte technologi­sche, naturwissenschaftliche Ausbildung kombiniert mit rechtlicher, rechtswissenschaft­licher Ausbildung, hier quasi festschreiben, normieren. Das wird uns jedenfalls einen weiteren Qualitätssprung bringen.

Zum Schluss möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Technische Universität mitt­lerweile unter den Top Ten der Patentanmelder in Österreich ist. Das heißt, österrei­chische Universitäten haben den Wert von Patenten und geistigem Eigentum sehr wohl erkannt und arbeiten damit; nicht nur ihre Start-ups arbeiten damit, sondern auch die Universitäten. Helfen wir ihnen, wir alle brauchen ein starkes Patentrecht, um die Wett­bewerbsfähigkeit und das geistige Eigentum, das hier made in Austria entwickelt wur­de, auch entsprechend zu schützen! – Vielen Dank, wir sind dabei! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dei­mek. – Bitte.


22.15.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute eine Novelle des Patentanwaltsgeset­zes beschließen. Es ist, glaube ich, nicht unbedingt leicht, zu wissen, aber doch sehr eminent wichtig für unsere Wirtschaft, welchen Wert Patente haben. Wir machen in den klassischen Industriebundesländern – aber nicht nur – einen Großteil, und ich be­haupte, zumindest die Hälfte unseres Umsatzes in der Industrie und auch im Gewerbe mit neuen Produkten, die direkt oder indirekt an diesen Patenten, am Patentwesen dran­hängen.

Wer macht jetzt die Patente? – Gut, wir haben Forschung und Innovation, Entwicklung in den Betrieben, aber zwischen der Forschung, zwischen dem neu Gefundenen und dem Patent ist es doch noch ein weiter Weg, und auf diesem wird das Unternehmen von einem Patentanwalt begleitet. Genau deswegen ist es so wichtig, eine gute Aus­bildung zu haben, eine entsprechende Praxis, bevor die jeweilige Person auch wirklich ihre Funktion ausübt.

Die Änderungen, die wir heute beschließen, möchte ich ganz kurz in drei Punkten zu­sammenfassen.

Erstens, Formelles: Das betrifft zum Beispiel die Erweiterung der Gesellschaftsformen; es kommt die GmbH & Co KG dazu. Die Ausbildung wurde schon erwähnt; statt juris-


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tischer Praxis kommen wirklich 60 ECTS-Punkte juridisches Studium zu einem techni­schen Studium, und in der Praxis erfolgt eine entsprechende Kürzung, weil wir ja das Studium der Rechtswissenschaften dabeihaben.

Was ist aber dann doch noch wichtig? Das möchte ich ganz besonders hervorstrei­chen: die Prüfung. Wenn ich mir eine Ausarbeitung des Patentamts ansehe, die freund­licherweise vom Ministerium zur Verfügung gestellt wurde, und da sehe, dass in etwa die Hälfte der Absolventen die Prüfung nicht bestanden hat, dann wird klar: Den Beruf des Patentanwaltes zu ergreifen ist keine „Kleinigkeit“ – unter Anführungszeichen –, wie ein technisches Studium schon per se keine Kleinigkeit ist.

Das ist eine sehr, sehr besondere, wichtige und schwierige Angelegenheit, und da wol­len wir unsere Betriebe unterstützen. Wir wollen dafür sorgen, dass das Patentwesen auch wirklich gut angewendet wird. Meine Vorrednerin hat schon erwähnt, wie. Nicht nur für Start-ups, sondern auch für andere Firmen gilt: Man patentiert eine Erneuerung, aber man muss nicht patentieren. Es gibt auch die Möglichkeit der bloßen Publikation, um dem Konkurrenten nicht eine Gegenanmeldung zu ermöglichen, um ihm diese zu verwehren. Es gibt die Möglichkeit der Schattenpatente, der Umgehungen, der Nicht­patentanmeldung der eigentlichen Erfindung, aber das Abdecken des Innovationsbe­reichs rund um diese Innovation mit Patenten, die dann de facto von der Firma nicht genützt werden.

Ein guter Patentanwalt kann da seinen Klienten unterstützen, ein schlechter wird es eher nicht können. Ich hoffe, mit diesem Gesetz wird es für viele leichter. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hofer. – Bitte.


22.18.42

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Österreich ist ein Land der For­schung, der Entwicklung. Wir haben steigende Forschungsinvestitionen zu vermer­ken – Gott sei Dank, das wird in Zukunft noch mehr werden –, aber es geht darum, das, was in der Forschung und in der Entwicklung an Ergebnissen vorliegt, auch in die Wirtschaft und dann auch in das tägliche Leben zu bringen, und dazu brauchen wir ei­nen guten Patentschutz.

Wir haben bereits gehört, wie schwierig es ist, Patentanwalt zu werden, die Prüfung zu bestehen. Zwei Bereiche sind von besonderer Bedeutung: Der erste Bereich ist das Patentamt – wobei der Begriff Amt für das Patentamt eigentlich nicht sehr passend ist; ich kann nur sagen, besuchen Sie das Patentamt, das ist eine hochmoderne, innova­tive Einrichtung mit einer Präsidentin, die über alle Parteigrenzen hinweg größtes An­sehen und größte Anerkennung genießt, die wirklich tolle Arbeit leistet –, und der zwei­te Bereich ist das Wirken der Patentanwälte.

Kernstück der Novelle ist das Vorhaben, die hohen Ausbildungsstandards im interna­tionalen Vergleich zu erfüllen, das heißt, auch den rechtlichen Bereich mitabzudecken. Das ist notwendig, wenn wir in diesem Vergleich bestehen wollen. Wir haben darauf geachtet, dass die Gesamtzeit nicht noch weiter erhöht wird, indem im Bereich der vor­beruflichen Ausbildung keine zusätzlichen Hürden gelegt worden sind und die Praxis­zeiten auch verkürzt worden sind. Wir haben ebenso vorgesehen, dass auch Teile, die an Fachhochschulen absolviert worden sind, mitberücksichtigt werden können.

Insgesamt glaube ich – und das sieht man auch an der von den Vorrednerinnen und Vorrednern bekundeten Zustimmung –, dass wir auf einem sehr, sehr guten Weg sind.


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Ich sage nur noch einmal: Der Patentschutz wird für uns in Zukunft noch weiter an Be­deutung gewinnen, denn wir sind ein Land, in dem es sehr, sehr viele Patentanmeldun­gen gibt. Wir haben – das darf ich noch erwähnen – 12 000 Patentanmeldungen von Österreicherinnen und Österreichern weltweit. Wir sind damit in Europa auf dem sechs­ten Platz und weltweit auf dem elften Platz. Darauf kann man auch wirklich stolz sein, wenn man sieht, welche Innovationskraft in diesem Land besteht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie der Abg. Cox.)

22.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Him­melbauer. – Bitte.


22.21.50

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir schon gehört haben, debattieren wir heute das Patentanwaltsgesetz. Meine Kollegin Theresia Niss hat die wichtigsten Punkte, vor allem die Verbesserungen und die Aufwertung, die sich dadurch auch für die Berufs­gruppe der Patentanwältinnen und Patentanwälte ergeben, schon erläutert.

Nur kurz zusammengefasst noch einmal: Es geht darum, eine Vergleichbarkeit herzu­stellen, indem wir das Ausbildungssystem auf das bekannte ECTS-System umstel­len. Eingeführt werden rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 60 ECTS. Dadurch kommt es aber nicht zu einer Erhöhung der Ausbildungszeit. Ganz im Gegenteil, die Praxiszeit wird um ein Jahr verkürzt. Und es kommt auch zu einer Verwaltungsvereinfachung hinsichtlich der Patentanwaltsprüfung. Insgesamt ist es ein sehr gutes Gesetz, das, wie ich vernommen habe, heute auch breite Zustimmung fin­den wird.

Ich darf in diesem Rahmen den Patentanwältinnen und Patentanwälten ein ganz herzli­ches Danke aussprechen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag in diesem Land. Sie leis­ten einen Beitrag dazu, dass Erfindungen und Ideen geschützt werden und dass die Erfinderinnen und Erfinder selbst auch zu ihrem Recht kommen.

Nicht außer Acht lassen möchte ich aber auch die wichtige Funktion des Österreichi­schen Patentamts. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie gut dieses Patentamt or­ganisiert werden kann, aufgestellt werden kann, wie gut auch die Ansprache der For­scherInnen, der Erfinderinnen und Erfinder umgesetzt werden kann und wie auch sinn­volle Kooperationen mit Dritten eingegangen werden können.

Wen ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen möchte, sind die Fernsehformate, aber auch die lokalen Zeitungen, die immer wieder dafür sorgen, dass unsere lokalen Erfinderinnen und Erfinder vor den Vorhang geholt werden, die, die ein Problem sehen und dafür auch eine Lösung anbieten möchten.

Ich habe erst vor Kurzem gemeinsam mit dem Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff an ei­ner Schülerdiskussion in Hollabrunn teilgenommen, und dort haben wir auch angeführt, dass es viele Weltmarktführer in Österreich gibt. Einige davon kennt man – KTM, Red Bull, Fischer, Doppelmayr –, aber viele andere, die vielleicht in Nischen tätig sind, sind eigentlich gänzlich unbekannt. Diese Weltmarktführer sind nicht nur in der großen Stadt zu Hause, sondern in vielen unserer Regionen vor Ort, beispielsweise in meiner Heimat im Weinviertel: Audio Tuning, die Weltmarktführer im Bereich der Plattenspieler sind, oder Kotányi, die im Weinviertel im Bereich der Gewürze tätig sind, oder auch die Firma Haas, die Weltmarktführer im Bereich der Keks- und Waffelmaschinen sind.

Diese Nischenunternehmen sind gut für uns als Region, als Standort, sind wichtig für Arbeitsplätze und bieten auch eine Belebung für die Region. Ihnen allen ist gemein, dass sie in Innovation, in Forschung und Entwicklung investieren, und eines ist klar:


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Wir als Politik, als Bundesregierung, als Regierungsparteien wollen sie auch in Zukunft bei ihrer Forschungstätigkeit unterstützen und wollen sie dabei unterstützen, ihre Er­findungen und ihre Ideen zu schützen.

In diesem Sinne und abschließend darf ich den Erfinderinnen und Erfindern in unserem Land einen herzlichen Dank aussprechen, ein Dankeschön für ihre Ideen, die Grundla­ge bieten für aufstrebende Unternehmen, für Arbeitsplätze und damit auch für Wohl­stand in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ba­cher. – Bitte.


22.25.37

Abgeordneter Walter Bacher (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dieser Novelle zustimmen, letztendlich auch deshalb, weil damit österreichische Patentanwälte im europäischen und interna­tionalen Wettbewerb besser bestehen können. Damit die Konkurrenzfähigkeit erhalten bleibt, muss man auch die Ausbildung auf einem hohen Niveau sicherstellen. Deshalb stimmen wir zu. Wir sind froh, dass die Ausbildung an der Universität angesiedelt bleibt.

Das Betätigungsfeld der Patentanwälte ist vielseitig, das wurde von den Vorrednern schon mehrfach ausgeführt. Es ist ein Beruf, bei dem einerseits ein umfassendes tech­nisch-naturwissenschaftliches Wissen und andererseits natürlich auch ein fundiertes rechtlich-theoretisches Wissen notwendig ist. Qualität hat da Priorität und sichert auch den internationalen Bestand des Berufes. Damit wird es möglich sein, am zukünftigen europäischen Patentgericht Vertretungen zu übernehmen.

Ich denke, wir sind Teil Europas, und diese Novelle bringt uns auf dem Gebiet des Pa­tentanwaltes auch innerhalb von Europa Wettbewerbsfähigkeit – eine Gesetzesände­rung, der wir auf jeden Fall zustimmen können! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

22.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Chris­toph Stark. – Bitte.


22.27.02

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Liebe noch verbliebene Zuschauer, Zuhörer auf der Galerie und zu Hause! Ich gestehe sehr offen, dass ich Sie nach 13,5 Stunden und als achter Redner zum Patentanwaltsgesetz wahrscheinlich emotional nicht mehr berühren werde (allgemeine Heiterkeit) und wahrscheinlich auch nicht mehr für das Thema begeistern werde (Abg. Kassegger: Das kommt drauf an, was jetzt kommt!), aber ich werde mein Bestes geben, liebe Kollegen! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte, wir machen die Welle.

Bevor ich auf das Thema eingehe, möchte ich aber noch einen meiner Gedanken zum Thema Haltung preisgeben. Heute haben wir sehr viel über politische Haltungen ge­hört. Die ÖVP/FPÖ-Koalition wurde am 15. Oktober 2017 mehrheitlich für eine Haltung gewählt, und das Programm, das daraus entstanden ist, wird jetzt konsequent abge­arbeitet, was mittlerweile hin und wieder auch zu Gegenhaltungen führt, die zum Teil verständlich sind, zum Teil weniger, wie etwa beim Ökostromgesetz. Ich freue mich aber, dass ich jetzt zu einem Thema sprechen darf, zu dem es anscheinend eine ge­meinschaftliche Haltung, eine positive Haltung gibt, nämlich zum Patentanwaltsgesetz. Ich verspreche auch, dass ich meine Redezeit angesichts der fortgeschrittenen Stunde wahrscheinlich nicht mehr ausnutzen werde.


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Es wurden eigentlich alle Punkte erwähnt. Einen Punkt zu unterstreichen ist mir noch wichtig, nämlich: Wir sprechen immer von notwendigen Rahmenbedingungen, die For­schung und Wirtschaft brauchen. Das Patentanwaltsgesetz ist genauso ein Mosaik­stein für diese Rahmenbedingungen, die ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit für Menschen, die Patente entwickeln, geben, und die Patentanwälte sind auch ein Ga­rant dafür, dass diese Rechtssicherheit für die Forscherinnen und Forscher, für Unter­nehmerinnen und Unternehmer auch gewährleistet wird.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn dieses Patentanwaltsgesetz hier heute auf neue Beine gestellt wird und wir wieder einen neuen Mosaikstein in diese guten Rahmenbe­dingungen investieren können.

Mit der neuen FTI-Strategie, Herr Minister, denke ich, dass wir diesen guten Weg fort­setzen werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen angesichts der nur noch wenig ver­bleibenden Rednerinnen und Redner einen schönen restlichen Abend. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucha­rowits. – Bitte.


22.29.32

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich halte es ebenso wie meine Vorrednerinnen und Vorredner für richtig, die Ausbildung von Pa­tentanwältInnen zu aktualisieren und auf neue Füße zu stellen.

Künftig ist, wir haben es schon gehört, neben dem naturwissenschaftlichen Studium auch das Absolvieren von Lehrveranstaltungen im rechtswissenschaftlichen Bereich ein Ausbildungserfordernis. Ich denke, das ist wichtig, damit die PatentanwältInnen noch fitter im Job sind und den europäischen und internationalen Entwicklungen auch wirklich gerecht werden. Wir unterstützen die Novelle.

Ich möchte jetzt noch kurz ausführen – auch wenn es spät ist –, was es sehr überspitzt formuliert eigentlich braucht, damit Patentanwältinnen und Patentanwälte einen Job haben. Was braucht es davor? – Es braucht motivierte, kreative, wissbegierige Men­schen. Es braucht Forscherinnen und Forscher. Wie schaffen wir, dass wir noch mehr Menschen in die Forschung bringen, noch mehr Menschen in die Entwicklung bringen, in die Technik bringen? – Ich denke, das beginnt ganz früh, schon in ganz jungen Jah­ren. Sie wissen, Kinder sind ungemein wissbegierig, neugierig, möchten etwas entde­cken, und das sollte man auch im Kindergarten und in den Schulen unterstützen und fördern. Es gibt genügend sehr motivierte und engagierte Pädagoginnen und Pädago­gen, die Angebote haben und Angebote schaffen. Wir wissen aber alle, dass das be­stehende System nicht immer so ist, dass man ausprobieren, scheitern und wieder ausprobieren darf.

Deshalb, glaube ich, ist es ganz, ganz wichtig, gerade Kinder zu motivieren, dass sie experimentieren, dass sie ausprobieren und forschen dürfen, und dass ihnen diese Wissbegier nicht vorzeitig abgedreht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Im zweiten Bereich ist es zentral, dass man noch mehr Menschen motiviert, auch den Beruf Forscherin oder Forscher zu wählen – gerade am heutigen Girls’ Day. Sie wissen alle, es gehen immer noch weniger Mädchen in die Technik und die Naturwissenschaft. Da sind wir als Politiker und als Gesellschaft immer noch gefordert, Mädchen und Frauen zu motivieren, zum Beispiel ein Mint-Fach zu studieren, in die Forschung zu gehen.


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Drittens braucht es aber, wenn man sich dafür entscheidet, gute Rahmenbedingungen, gute Arbeitsbedingungen, gute Bezahlungen. Wir wissen alle, oftmals sind junge For­scherInnen mit Kettenverträgen konfrontiert, sie arbeiten in prekärer Beschäftigung – und davon kann niemand leben.

Das heißt, wir haben viel zu tun. Herr Minister, ich darf Sie auffordern, gemeinsam mit Ihren RegierungskollegInnen einiges auf die Füße zu bekommen, damit die wichtigste Ressource, nämlich Bildung, Wissenschaft und Forschung, garantiert bleibt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.32

22.32.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Tagesordnung ist - - Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Tagesordnung ist noch nicht erschöpft, vielleicht wir, aber es dauert nicht mehr lange.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf des Patentanwaltsgesetzes samt Titel und Eingang in 502 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Ich komme gleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, den bitte ich ebenfalls um ein Zeichen. – Das ist das gleiche Stimmverhalten, ebenfalls einstimmig.

22.33.1417. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert werden (675/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 17. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Ich darf der Antragstellerin das Wort erteilen. – Bitte.


22.33.37

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier in unserem Parlament sieben Ständige Unterausschüsse, von denen zwei der Geheimhaltungspflicht und dem Geheimhaltungsschutz unterliegen. Verstöße dahin gehend werden mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.

Zur Überprüfung der Maßnahmen zum Schutz von verfassungsrechtlichen Einrichtun­gen und ihrer Handlungsfähigkeit wählt der Ausschuss für innere Angelegenheiten sei­nen Unterausschuss. Gleichzeitig ist der Unterausschuss des Landesverteidigungs­ausschusses für die Kontrolle des Abwehramtes und des Heeresnachrichtenamtes zu­ständig.

Gerade im Bereich des militärischen Nachrichtendienstes gibt es gegenwärtig Entwick­lungen, die eine schon lang diskutierte Verschärfung der parlamentarischen Kontrolle notwendig machen. Vom 15.1. bis 26.2. ging das Wehrrechtsänderungsgesetz in Be­gutachtung, wobei mit dieser Sammelnovelle unter anderem das Militärbefugnisgesetz geändert werden soll, mit dem Ziel, die Kompetenzen der militärischen Nachrichten­dienste auszubauen und diese im Einklang mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung auch umzugestalten. Insbesondere wird dort daran ge­dacht, eine neue Organisationseinheit für Informationsbeschaffung einzurichten. Die


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Planstellen selbst sollen bereits vor dem 1. Juli dieses Jahres ausgeschrieben werden. In einer Anfragebeantwortung wurde aber auch bekannt, dass die völlige Neuaus­schreibung aller Organisationseinheiten möglich sein kann.

Das bisherige Bundesamt soll in Richtung eines echten Geheimdienstes weiterentwi­ckelt werden, aber schon in der letzten Gesetzgebungsperiode wurde die Kritik laut, dass die Kontrolle der beiden Ständigen Unterausschüsse – für Inneres und für Lan­desverteidigung – ineffizient ist.

Zu überlegen und zu diskutieren sind folgende Punkte: Kann sich der Minister in einem geheimen Ausschuss auch noch darauf berufen, dass die nationale Sicherheit ge­fährdet ist? Wie schaut es mit einem Recht auf Akteneinsicht aus? Wie schaut es mit Auskunftspersonen aus? Kann man die befragen? Eine Umbenennung würde ich auch vorschlagen, für die sperrigen zwei Titel wäre dann Kontrollausschuss für Inneres und Landesverteidigung die einfachere Variante. Zuletzt stellt sich die Frage des Rechts­schutzbeauftragten, wobei man eventuell eine Ansiedlung im Parlament andenken könnte, damit die Unabhängigkeit vom Minister gegeben ist, aber auch die Hinzuzie­hung aller Rechtsschutzbeamten; da wäre zum Beispiel auch das Justizressort mitein­zubinden.

Lassen Sie uns das im Geschäftsordnungsausschuss diskutieren! Starten wir die Dis­kussion darüber, damit wir auch dieses Gesetz ändern können! (Beifall bei der SPÖ.)

22.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lindinger. – Bitte.


22.36.51

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zum Antrag der Kollegin Lue­ger: Es sind ja bereits mehrere Anträge zu diesem Thema eingebracht worden, und ich kann Ihnen versichern und lade Sie alle ein, dass wir alle Anträge gemeinsam durch­schauen und überarbeiten, damit wir zum besten Ergebnis kommen.

Lassen Sie mich bitte festhalten, dass es im Regierungsprogramm dieser Regierung unter dem Untertitel „Effizientes Krisen- und Katastrophenschutzmanagement für Ös­terreich schaffen“ einen besonderen Punkt gibt, der genau das anspricht, nämlich die „Weiterentwicklung des Ständigen Unterausschusses des Innenausschusses zu einem interdisziplinären Ausschuss zu staatspolitischen Sicherheitsfragen“. Diese Bundesre­gierung hat schon in den letzten eineinhalb Jahren bewiesen, dass sie im Sinne Öster­reichs arbeitet und Maßnahmen auch dementsprechend umsetzt.

Ich kann versichern, dass wir für die Zukunft dafür sorgen, einen effizienten Staats­schutz zu verbessern, der auch dementsprechend parlamentarisch geprüft wird, um auch im Notfall kraftvoll und rasch für eine noch bessere Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher agieren zu können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Plessl. – Bitte.


22.38.10

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erste Lesung zum Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsord­nung des Nationalrates geändert werden soll, das ist ein Punkt, bei dem wir der An­sicht sind, dass eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle durchgeführt werden sollte.


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Anlass war das Wehrrechtsänderungsgesetz, das eben am 15. Jänner 2019 hier zur Begutachtung eingebracht worden ist; diese hat am 26. Februar 2019 geendet. Mit der Sammelnovelle soll das Militärbefugnisgesetz geändert werden. Wir sind der Meinung, dass man, wenn auf der einen Seite Maßnahmen für die Nachrichtendienste zur Verfü­gung gestellt werden, auf der anderen Seite auch den Rechtsschutz, die parlamentari­sche Kontrolle weiterentwickeln sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch zwei, drei Problembereiche ansprechen: Auf der einen Seite hat der Minister in den Unterausschüssen immer re­lativ einfach mitteilen können, dass er keine Auskunft geben könne, wenn nationales Interesse gefährdet gewesen ist. Das gehört ein bisschen aktualisiert, sodass nur mehr der Schutz der Sicherheit von Menschen diese Möglichkeit zulässt. Auf der anderen Seite geht es um Akteneinsicht, Befragung von Auskunftspersonen und in diesem Be­reich vor allem um die Aufgabe des Rechtsschutzbeauftragten. Der Rechtsschutzbe­auftragte ist einerseits für gewisse Maßnahmen zuständig, die er im Vorfeld genehmigt, sodass sie überhaupt durchgeführt werden können, und andererseits soll er auch für uns, für das Parlament eine Kontrolle durchführen und auch einen dementsprechenden Bericht legen.

Vielleicht noch ein Ansatz: Wir sollten auch dafür sorgen, dass wir dem Rechtsschutz­beauftragten, dem Senat oder der Gruppierung – wie immer das dann heißt – auch entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen. Es sollte nicht das Ministerium, das geprüft wird, die Ressourcen und das Budget zur Verfügung stellen, sondern das Par­lament. Das wäre, glaube ich, der richtige Ansatz, um diesbezüglich eine ordentliche Kontrolle durchführen zu lassen.

Gehen wir in uns und diskutieren wir das im Geschäftsordnungsausschuss! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schrangl. – Bitte.


22.40.24

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Rosenkranz: Das ist die letzte gute Rede des heutigen Tages!) – Danke schön. Ich glaube, dass in diesem Haus ein Grundkonsens dahin gehend herrscht, dass wir die Unterausschüsse reformieren müssen, dass wir dort etwas verändern werden und diese anpassen müssen.

Interessanterweise – muss ich sagen – kommt dieser Antrag aber von der Partei, die das zehn Jahre lang in Regierungsverantwortung hätte machen können. Auch beim letzten Tagesordnungspunkt war es so, dass ihr mit den guten Vorschlägen kommt, seitdem ihr nicht mehr in der Regierung seid.

Grundsätzlich möchte ich dazu sagen, dass wir darüber sicher diskutieren werden. Ich glaube aber, dass wir zuerst noch die Reformen in den Geheimdiensten abwarten werden, und danach können wir uns gerne im Geschäftsordnungsausschuss darüber unterhalten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.41

22.41.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet, daher schließe ich die Debatte.

Ich weise den Antrag 675/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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Ich möchte mich auch im Namen meiner beiden Präsidentenkolleginnen ganz herzlich für die wirklich sehr hochstehenden Diskussionen in den vergangenen zwei Tagen be­danken und auch dafür, dass dementsprechend das gesamte Parlament einen guten Eindruck in der Öffentlichkeit hinterlassen hat, trotz der auch kontroversen Positionen, die die einzelnen Abgeordneten eingenommen haben. – Herzlichen Dank für dieses große Engagement im Sinne des Parlamentarismus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.42.03Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gerstl, Stefan, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsaus­schuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tier­schutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebens­mittelversorgung und die Forschung geändert wird, 110 der Beilagen, eine Frist bis 14. Mai 2019 zu setzen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

22.42.42Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung Selbständige Anträge eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.43 Uhr ein; das ist sofort im An­schluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.43.09Schluss der Sitzung: 22.43 Uhr

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