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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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37. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 10. Juli 2014

 

 


Stenographisches Protokoll

37. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode                 Donnerstag, 10. Juli 2014

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. Juli 2014: 9.06 – 17.38 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Kündigung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäolo­gischen Erbes

2. Punkt: Bericht über den Antrag 419/A(E) der Abgeordneten Mag. Christine Mutto­nen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Bemühungen der österreichischen Bundesregierung im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative Nr. 18/BI: „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“

6. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinba­rung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungs­angebots

7. Punkt: Bericht über den Antrag 517/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

8. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der bisherige Vereinbarungen über den Ausbau ganztägiger Schulformen geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührenge­setz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz und die Insolvenzordnung geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2014 – EO-Nov. 2014)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Jugendge­richtsgesetz 1988, das Suchtmittelgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Ge­schworenen- und Schöffengesetz 1990, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebühren­anspruchsgesetz geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014)

11. Punkt: Bericht über den Antrag 465/A der Abgeordneten Otto Pendl, August Wö­ginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­bezügegesetz und das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz geändert werden

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Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 15

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 36

Fragestunde (4.)

Europa, Integration und Äußeres .............................................................................. 15

Dr. Josef Cap (44/M); Dr. Andreas F. Karlsböck

Claudia Durchschlag (37/M); Tanja Windbüchler-Souschill, Christoph Hagen

Dr. Johannes Hübner (40/M)

Tanja Windbüchler-Souschill (42/M); Dr. Nikolaus Scherak, Dr. Franz-Joseph Huainigg

Dr. Jessi Lintl (47/M); Anton Heinzl, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller

Mag. Christoph Vavrik (48/M); Hannes Weninger

Mag. Christine Muttonen (45/M)

Dr. Angelika Winzig (38/M); Dr. Susanne Winter

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (41/M)

Mag. Alev Korun (43/M)

Mag. Gisela Wurm (46/M)

Gabriel Obernosterer (39/M)

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 34

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (133 d.B.): Kündigung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäologischen Erbes (252 d.B.)                    36

Redner/Rednerinnen:

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 36

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 36

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ........................................................................................... 37

Claudia Durchschlag ................................................................................................... 37

Genehmigung des Staatsvertrages in 252 d.B. ............................................................. 38

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 419/A(E) der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Bemühungen der österreichischen Bundesregierung im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen (253 d.B.) ........................................................................................................................ 38


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 3

Redner/Rednerinnen:

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 38

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 39

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 40

Tanja Windbüchler-Souschill ...................................................................................... 41

Dr. Jessi Lintl ................................................................................................................ 42

Mag. Christoph Vavrik ................................................................................................. 42

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 44

Anton Heinzl ................................................................................................................. 44

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 45

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 253 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die Bemühungen der österreichischen Bundesregierung im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen (E 37) ...................................................................................................... 47

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (183 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geän­dert wird (257 d.B.) ....................... 47

Redner/Rednerinnen:

Otto Pendl ..................................................................................................................... 47

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 48

Christian Lausch .......................................................................................................... 49

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 50

Dr. Johannes Jarolim .................................................................................................. 51

Annahme des Gesetzentwurfes in 257 d.B. .................................................................. 51

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (185 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (258 d.B.) ............................................................ 52

Redner/Rednerinnen:

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 52

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 53

Dr. Georg Vetter ........................................................................................................... 53

Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................................................... 54

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ........................................................................................... 55

Mag. Nikolaus Alm ....................................................................................................... 56

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ..................................................................... 57

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 58

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 60

Elisabeth Hakel ............................................................................................................. 61

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 62

Annahme des Gesetzentwurfes in 258 d.B. .................................................................. 63

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über die Bürgerinitiative Nr. 18/BI: „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ (196 d.B.) ........................................................................................................................ 64

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber .................................................................................................. 64

Franz Kirchgatterer ...................................................................................................... 67

Christoph Hagen .......................................................................................................... 67

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................................................. 69

Mag. Alev Korun ........................................................................................................... 70

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................... 71

Nurten Yilmaz ............................................................................................................... 73


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 4

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................. 74

Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 75

Entschließungsantrag der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Verschleierung des Gesichtes – Ablehnung .........................................  65, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Tanja Wind­büchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanktionen gegen Ugan­da – Ablehnung ......  72, 76

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 196 d.B. ....................................................... 76

6. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung ge­mäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsan­gebots (254 d.B.) ................................................... 76

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Georg Strasser ............................................................................................. 76

Angela Lueger .............................................................................................................. 77

Anneliese Kitzmüller .................................................................................................... 78

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 82

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 84

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 85

Claudia Durchschlag ................................................................................................... 90

Katharina Kucharowits ................................................................................................ 92

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin ...................................................... 93

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 94

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 96

Nikolaus Prinz ............................................................................................................... 98

Cornelia Ecker .............................................................................................................. 99

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 100

Wolfgang Knes ........................................................................................................... 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ergänzendes Familienmaßnahmenpaket zur 15a-Verein­barung über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots – Ableh­nung ..............................................................  80, 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ehestmögliche Verabschiedung eines bun­deseinheitlichen Qualitätsrahmens für elementarpädagogische Einrichtungen – Ab­lehnung ............................................  87, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Etappenplan zum Rechtsanspruch auf Kin­derbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr – Ablehnung  89, 102

Genehmigung der Vereinbarung in 254 d.B. ................................................................ 101

7. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 517/A der Abgeord­neten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geän­dert wird (255 d.B.) ................................. 102

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 102

Angela Lueger ............................................................................................................ 103

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 103


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 5

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................... 104

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 105

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 106

Daniela Holzinger, BA ................................................................................................ 107

Rupert Doppler ........................................................................................................... 107

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 108

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 108

Annahme des Gesetzentwurfes in 255 d.B. ................................................................ 109

8. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (199 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der bisherige Vereinba­rungen über den Ausbau ganztägiger Schulformen geändert werden (256 d.B.) ......................................................................................................... 109

Redner/Rednerinnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 110

Asdin El Habbassi, BA .............................................................................................. 110

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 111

Dr. Harald Walser ..............................................................................................  115, 125

Mag. Dr. Matthias Strolz ............................................................................................ 117

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek .......................................................... 119

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 120

Marianne Gusenbauer-Jäger .................................................................................... 121

Daniela Holzinger, BA ................................................................................................ 122

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 122

Elmar Mayer ................................................................................................................ 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulerhaltungspflicht – Ablehnung ....................................................................  114, 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend zeitgemäße Ferienregelung – Ablehnung ...........................................................  118, 126

Genehmigung der Vereinbarung in 256 d.B. ................................................................ 126

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (180 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz und die Insolvenzordnung geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2014 – EO-Nov. 2014) (202 d.B.)    ............................................................................................................................. 126

Redner/Rednerinnen:

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 126

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 127

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 128

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ............................................................................ 129

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 130

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 130

Annahme des Gesetzentwurfes in 202 d.B. ................................................................ 131

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (181 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsge­setz 1988, das Suchtmittelgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Geschwo­renen- und Schöffengesetz 1990, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebühren­anspruchsgesetz geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014) (203 d.B.)         ............................................................................................................................. 132

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 132

Mag. Michaela Steinacker ......................................................................................... 135


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 6

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 137

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 139

Dr. Georg Vetter ......................................................................................................... 141

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ............................................................................ 143

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 145

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 148

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 150

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 152

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 152

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend vollen Kostenersatz bei Freispruch im Straf­verfahren – Ablehnung .  144, 154

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Micha­ela Steinacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung einer opfer­gerechten Abwicklung des Mandatsverfahrens – Annahme (E 38) ...................................................................................................................  151, 154

Annahme des Gesetzentwurfes in 203 d.B. ................................................................ 153

11. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 465/A der Ab­geordneten Otto Pendl, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Parlamentsmit­arbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz geändert werden (259 d.B.)    ............................................................................................................................. 154

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 154

Otto Pendl ................................................................................................................... 155

Mag. Harald Stefan (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 157

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 157

August Wöginger ....................................................................................................... 159

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 161

August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 161

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 162

Michael Pock ............................................................................................................... 163

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 163

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 164

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 165

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 166

Annahme des Gesetzentwurfes in 259 d.B. ................................................................ 167

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Gesetzes zum Elternentfremdungssyndrom = Parental Alienation Syndrom (PAS) (572/A)(E)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Verschleierung des Gesichtes (573/A)(E)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Verschleierung des Gesichtes (574/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gutsange­stelltengesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz geändert wird (575/A)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 7

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend zeitgemäße Ferienre­gelung (576/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufschulung für Fahrprüfung von Automatik- auf Schaltgetriebe (577/A)(E)

Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kfz-Kontrollen an Ost­grenzen (578/A)(E)

Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitband-Leerverrohrung bei Tiefbaumaßnahmen (579/A)(E)

Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer gelben Mittellinie auf Straßen (580/A)(E)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend den vollen Kostenersatz bei Freispruch im Strafverfahren (581/A)(E)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Moderni­sierung des Jugendstrafrechts (582/A)(E)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend sexuelle Gewalt gegen Frauen (583/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird (584/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines akustischen Warnsignales für elektrisch betriebene Fahrzeuge (585/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zur Kriminalisierung von Sparvereinen (586/A)(E)

Hannes Weninger, Johann Höfinger, Werner Neubauer, Matthias Köchl, Michael Pock, Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zukunft ohne Atom­kraft – Den europaweiten AKW-Ausstieg voranbringen! (587/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Pensions­kassenregelungen im Ressortbereich (2077/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst betreffend Pensionskassenregelungen im Ressort­bereich (2078/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integra­tion und Äußeres betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2079/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2080/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2081/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Ju­gend betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2082/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 8

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2083/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2084/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2085/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2086/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Pensionskassenregelungen im Res­sortbereich (2087/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Pensionskassenregelungen im Ressortbereich (2088/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Inneres betreffend Ehrung eines inhaftierten linksextremen Demonstrationsteil­nehmers (2089/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Schwärzungen im Handbuch zum FPG (2090/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Europa, Integration und Äußeres betreffend Hausdurchsuchungen bei der Bewe­gung „Süd-Tiroler Freiheit“ (2091/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Inneres betreffend Kontrolle der Aufenthaltstitel in Massenquartier in Wien-Ot­takring (2092/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Entschädigungen nach dem Verbrechensopfergesetz für Betroffene des Kinderheimskandals in Wien (2093/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Kosten der Initiative „VOR SORGEN“ (2094/J)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Bio-Fracking in Österreich (2095/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend Gesundheitsgefährdung durch giftige Kabinenluft in Flugzeugen (2096/J)

Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Familientourismus in Österreich (2097/J)

Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Familientourismus in Österreich (2098/J)

Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Risiken frühkindlicher Krippenbetreuung (2099/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Strafen fürs Schulschwänzen (2100/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 9

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Güterverkehr auf der Schiene – Maßnahmen zur Verbesserung (2101/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Gesundheit betreffend Arbeitsgruppe E-Zigarette (2102/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der VAEB aus Immobilien und Liegenschaften (2103/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der SVB aus Immobilien und Liegenschaften (2104/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der SVA aus Immobilien und Liegenschaften (2105/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der PVA aus Immobilien und Liegenschaften (2106/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der BVA aus Immobilien und Liegenschaften (2107/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der BKK aus Immobilien und Liegenschaften (2108/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der AUVA aus Immobilien und Liegenschaften (2109/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der BGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2110/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der OÖGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2111/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der NÖGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2112/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der WGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2113/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der KGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2114/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der StGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2115/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der SGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2116/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der TGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2117/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Einnahmen der VGKK aus Immobilien und Liegenschaften (2118/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend die Katastrophenschutzpläne der Länder (2119/J)

Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Salafisten Hassprediger (2120/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 10

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend Vorbereitung auf den Krisenfall Blackout (2121/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Vorbereitung auf den Krisenfall Blackout (2122/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Vorbereitung auf den Krisenfall Blackout (2123/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Flüchtlinge aus Syrien in Sattelschlepper (2124/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Unfälle auf Bahnübergang in Muttendorf (2125/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend mangelhafte Rotation im Auswärtigen Dienst (2126/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend kolportierte Lohnsteuerbefreiung von Lehrern der Vienna International School (2127/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Intervention von VN-Generalsekretär Ban Ki-moon zugunsten der Vienna International School und Millionengeschenk des BMEIA (2128/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend umweltgerechte Bundesheerübungen (2129/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Rückkehr österreichischer Kämpfer aus Syrien oder dem Irak (2130/J)

Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Situation der Jagd in Öster­reich (2131/J)

Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend Situation der Jagd in Österreich (2132/J)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Stilllegung der Alouette III und deren Folgen (2133/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Datenschutz, Volksregisterzählungen und EUSTAT (2134/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Zweckmäßigkeit technischer Tele­kommunikationsüberwachung (2135/J)

Brigitte Jank, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frau­en betreffend Maturieren in der Muttersprache im Prüfungsgebiet „Lebende Fremd­sprache“ (2136/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gentechnik und TTIP (2137/J)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Baustellenkonzentration im Sommer auf A 12 und A 13 (2138/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 11

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Verkehrsauskunft Österreich (2139/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Personalsituation bei der Agrarmarkt Austria (2140/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Personalsituation bei der Agrarmarkt Austria Marketing (2141/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kilometergeld (2142/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend schwarzen Hautkrebs (2143/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Gesundheitsgefährdung durch giftige Ka­binenluft in Flugzeugen (2144/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Planstellen für Justizwachebeamte (2145/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend: Massenaufgriffe von illegalen Fremden legen zwei Polizeiinspektionen in Leoben lahm (2146/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Finanzen betreffend illegalen Zigarettenverkauf auf dem Donauinselfest 2014 (2147/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst betreffend verdeckte Förderung eines SPÖ-Unternehmens durch das BMKKVöD? (2148/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend „Golden Handshakes“ für das scheidende BIFIE-Direktorium (2149/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Ministerreserve (2150/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Frauen in Wissenschaft und Forschung (2151/J)

Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend fremde Militärhubschrauber über Niederösterreich und Stö­rung des Luftverkehrs (2152/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integra­tion und Äußeres betreffend fremde Militärhubschrauber über Niederösterreich und Störung des Luftverkehrs (2153/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend fremde Militärhubschrauber über Niederösterreich und Stö­rung des Luftverkehrs (2154/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend befremdlichen Wissensstand über Forschungs­aufträge von Militärbehörden (2155/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 12

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ausfall von Lüftung und Notsys­temen in südoststeirischen Schweinemastbetrieben (2156/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Couchsurfing (2157/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Vernachlässigung der Begabtenförderung an Wiener Volks­schulen und fatale Bildungspolitik der SPÖ Wien (2158/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft betreffend roten Zinshausbesitzer und Beschäftigung einer du­biosen Firma (2159/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schlichtungsverfahren betreffend Zinshaus Hartmanngasse 12, 1050 Wien (2160/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Fuhrpark der ÖBB und erforderli­che Reparaturen (2161/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausfälle im GSMR-Funk (2162/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Gesundheit betreffend österreichisches Brustkrebs-Früherkennungsprogramm (2163/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Gesundheit betreffend Aufträge für die Agentur „ikp“ im Zuge des österreichi­schen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms (2164/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Gesundheit betreffend sinnlose, teure Inserate der SVA (2165/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend sinnlose, teure Inserate der SVA (2166/J)

Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend Verschreibung von AD(H)S-Medikamenten an Kinder und Jugendliche (2167/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend psychischen Druck auf Pflege- und Betreuungspersonal (2168/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend psychischen Druck auf Pflege- und Betreuungs­personal (2169/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Schmieraktionen in der Gedenkstätte Mauthausen (2170/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Schmieraktionen in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (2171/J)

Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Umsetzung der vom Nationalrat am 5. Juli 2013 einstimmig be-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 13

schlossenen Entschließung betreffend Schwerpunkt zur politischen Bildung anlässlich der Befreiung von NS-Terror und des Endes des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren (2172/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Schutz des Bodensees vor Fracking (2173/J)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung und Frauen betreffend „Computerarbeitsplätze an österreichischen Schulen“ (2174/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend „Beantwortung der parlamentarischen Anfrage zu den ,dubiosen Importen von Schweinefleisch, dubiosen Zahlen der Statistik Austria und der dubiosen Kennzeich­nung von Schweinefleisch in Österreich‘ – 1386/J“ (2175/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend „Beantwortung der parlamentarischen Anfrage zu den ,dubiosen Importen von Schweinefleisch, dubiosen Zahlen der Statistik Austria und der dubiosen Kennzeich­nung von Schweinefleisch in Österreich‘ – 1386/J“ (2176/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Beantwortung der parlamen­tarischen Anfrage zu den ,dubiosen Importen von Schweinefleisch, dubiosen Zahlen der Statistik Austria und der dubiosen Kennzeichnung von Schweinefleisch in Öster­reich‘ – 1386/J“ (2177/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend: Sparvereine unter Terrorismusverdacht? (2178/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst betreffend Rundfunkgebühren-Föderalismus in Ös­terreich (2179/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Strafverfahren – Sozialbetrug im Jahr 2013“ (2180/J)

Dr. Karlheinz Töchterle, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung und Frauen betreffend Umsetzung der Pädagog/innenbildung NEU – Personal an Pädagogischen Hochschulen (2181/J)

Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Bundesgesetz über Sanierungsmaßnahmen für die Hypo Alpe-Adria-Bank In­ternational AG (2182/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend neue Berufsgruppen der Gesundheits- und Krankenpflege (2183/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend Umsetzungsstand der Vorhaben der Gesundheitsreform (2184/J)

*****

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates betreffend „Kuverts der Parlamentsdirektion“ (6/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (1352/AB zu 1776/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen (1353/AB zu 1671/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (1332/AB zu 1638/J) (Zu 1332/AB zu 1638/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 15

09.06.25Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Einen schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich eröffne die 37. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 34. und 35. Sitzung vom 8. Juli 2014 sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Präsidentin Mag. Prammer, Bayr, Mag. Groiß, Ing. Hackl, Peter Wurm und Zanger.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Fragestunde auf ORF 2 bis 10.15 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der deutlich über 19.40 Uhr hinausgeht, zeitversetzt ab 23.30 Uhr gesendet wird.

09.07.18Fragestunde

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen – dort, wo Herr Kollege Cap bereits steht –, die Beantwortung durch den Bundesminister für Europa, Integration und Äuße­res vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfragen soll maximal 2 Minuten, jene der Zusatzfragen maximal 1 Minute dauern, Herr Bundesminister. Ich werde jeweils kurz vor Ende der jeweiligen Redezeit darauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Dr. Cap. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Minister, in meiner Frage, die Ihnen auch schriftlich vorliegt, schwingt ja auch eine positive Grundeinschätzung dessen mit, dass Gespräche mit Russland stattgefunden haben. Das ist nicht ganz unkritisiert geblieben, wie auch der Besuch, mit dem meiner Meinung nach völlig richtigen Ziel, dass es zu einer Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit kommt.

Meine Frage lautet:

44/M

„Planen Sie weitere Gespräche mit Russland und der Ukraine, um weiter im Rahmen einer aktiven Außenpolitik“ – die ich für notwendig und richtig erachte, und dieses akti­ve Element ist eben auch Teil Ihrer Außenpolitik – „zu einer Perspektive, die Frieden und Stabilität gewährleistet, beizutragen?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 16

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, war es uns möglich, im Rahmen des Europa­ratsvorsitzes zwei Mal in die Ukraine zu reisen und auch in Wien eine Konferenz durchzuführen, bei der sowohl die Ukraine als auch Russland an einem Tisch saßen. Das war, glaube ich, ein erster positiver Schritt.

Mittlerweile haben die Verhandlungen ein anderes Format, sind auf eine andere Ebene gehoben worden. Es finden Gespräche zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich statt, und es gibt eine Kontaktgruppe unter der Federführung der OSZE, wo die Ukraine und Russland an einen Tisch geholt worden sind. Insofern gibt es mittlerweile Gott sei Dank diese direkten Gesprächskanäle, die es vor einigen Mo­naten in diesem Konflikt so noch nicht gab.

Wir werden von österreichischer Seite sicherlich weiterhin mit beiden Seiten in Kontakt bleiben, da wir der Meinung sind, dass es für eine Lösung in diesem Konflikt nicht nur die Ukraine, sondern sicherlich auch die russische Seite braucht.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Damit stellt sich aber – auch in Fortsetzung die­ser Problematik – natürlich auch die Frage, ob es für Sie so etwas wie ein Gesamtkon­zept gibt. Bei allen kritischen Anmerkungen, die man gegenüber der russischen Innen- und Außenpolitik haben könnte beziehungsweise auch hat, ein Europa ohne Russland ist meiner Meinung nach nicht vorstellbar, ohne wirtschaftliche und politische Einbezie­hung.

Gibt es da ein Gesamtkonzept, das sich sozusagen über die Ukraine-Problematik hi­naus erstreckt, wird an einem Projekt gearbeitet, das auch für Österreich wichtig ist, friedenspolitisch und auch in jeder anderen Beziehung?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Wir sind aus österreichischer Perspektive definitiv der Meinung, dass es nicht nur eine Einbezie­hung Russlands in die Gespräche braucht, sondern dass es eine langfristige Lösung nach dem Konflikt braucht. Neben all der Tagespolitik, neben all den notwendigen Sanktionen braucht es, wie ich glaube und wie Sie richtig sagen, auch eine darüber hi­nausgehende Vision.

Wir sind der Meinung, dass es langfristig so etwas wie eine Freihandelszone mit Russ­land geben sollte, nicht nur weil es für Russland positiv wäre oder weil es für die Euro­päische Union positiv wäre, sondern vor allem weil es meiner Ansicht nach eine Chan­ce ist, dafür zu sorgen, dass Länder wie die Ukraine, aber auch Moldau, Georgien oder Armenien nicht vor eine Zerreißprobe gestellt werden. Diese Länder sind derzeit in der Situation, dass sie sich zwischen der Annäherung an die Europäische Union und dem Modell einer Eurasischen Zollunion entscheiden müssen. Ich glaube, das sollte nicht im Widerspruch stehen, sondern man sollte daran arbeiten, wie man diesen Ländern insbesondere in der wirtschaftlichen Kooperation ermöglichen kann, dass sie näher an die Europäische Union heranrücken und gleichzeitig eine starke regionale Partnerschaft mit Russland wahren können. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)

Das ist unser Konzept, das natürlich nach wie vor Zukunftsmusik ist, da wir gerade in der Phase eines Konflikts sind. Ich glaube aber, gerade in einem Konflikt braucht es auch längerfristige Visionen. Und ich bin froh darüber, dass es einige Länder in der Eu­ropäischen Union gibt, die das ähnlich sehen, und dass es daher mittlerweile, was zum Beispiel das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine betrifft, einige Länder gibt, die die Idee unterstützt haben, dass dieses auch mit Russland besprochen werden muss. Diese Konsultationen finden mittlerweile statt, und das ist, denke ich, gut so.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 17

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Also wir stimmen da vollkommen zu, ein Europa ohne Russland ist nicht denkbar und möglich; das muss auch das Ziel sein. Jetzt sind wir allerdings bei der Ukraine: Die Ukraine hat sich entscheiden müssen, sie hat sich für den sogenannten Westen entschieden, obwohl Russland ziemlich viele wirtschaftliche Vorteile angeboten hätte – in Form des Assoziierungsabkommens mit der Eurasischen Union, spezialisierte Preise in Bezug auf Gaslieferungen und andere Vorteile.

Die Erwartungshaltung der Menschen in der Ukraine – ich habe mir das vor Ort auch selber anschauen können – gegenüber der EU ist jetzt entsprechend hoch. Das bedeu­tet, dass sie sich – vereinfacht gesagt – jetzt erwarten, dass die EU – finanziell – das Füllhorn über sie ausschüttet. Die Erwartungshaltung diesbezüglich ist groß.

Die Frage, die sich stellt, ist: Wie viel Geld wird die EU in die Hand nehmen müssen, um an der Basis eine gewisse Abdeckung zu erreichen? Mittelfristig steht natürlich auch die Frage im Raum, wie viel die EU wird beitragen müssen. Wir haben gesehen, dass wir das natürlich nicht heben können – wir haben Zypern, wir haben Griechenland und viele andere Dinge zu schultern –, die Enttäuschung wird also groß sein.

Wie werden Sie dieser Enttäuschung vorbeugen, beziehungsweise welche Zahlen lie­gen auf dem Tisch, was wird finanzieller Natur gebraucht?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Herr Abge­ordneter, ich glaube, wir sollten alles tun, um nicht diese Entweder-oder-Entscheidung für die Ukraine zu verstärken. Insofern würde ich nicht sagen, dass die Ukraine sich für den Westen entschieden hat, sondern ganz im Gegenteil: Präsident Poroschenko ar­beitet gemeinsam mit Russland an einem Friedensplan, es gibt Konsultationen und Gespräche der Europäischen Union, Russlands und der Ukraine, was die Auswirkun­gen eines Assoziierungsabkommens auf Russland betrifft.

Es gibt da also durchaus positive Signale, nicht in Richtung Entweder-oder, sondern in Richtung Sowohl-als-auch. Und das muss die Zielsetzung sein, insbesondere auch die wirtschaftliche Zielsetzung, denn es gibt nicht nur eine enge Verwobenheit der Ukraine mit der europäischen Wirtschaft, sondern vor allem auch eine enge Verwobenheit mit der russischen Wirtschaft.

Das Füllhorn wird definitiv nicht die Lösung sein, aber es gibt Unterstützung durch die Europäische Union; das wissen Sie. Da ist uns nur bekannt, was derzeit in einem ers­ten Maßnahmenpaket bereits beschlossen wurde; die Gelder, die beschlossen wurden, sind derzeit vor allem Kredite in Richtung der Ukraine.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 2. Anfrage, jener von Frau Abgeordneter Durchschlag. – Bitte.

 


Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bun­desminister! Österreich als eine Art extraterritoriale Wahlkampfzone – diesen Eindruck konnte man vor einigen Wochen durchaus gewinnen, und das hat auch für einige Irrita­tionen gesorgt.

Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister, lautet:

37/M

„Was halten Sie als Integrations- und Außenminister von Veranstaltungen eines Regie­rungschefs in unserem Land wie jene anlässlich des privaten Besuchs von PM Erdo­gan in Wien, der für große Unruhe gesorgt hat?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 18

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Guten Mor­gen, Frau Abgeordnete! Dass ein Regierungschef, ein Regierungsmitglied bei offiziel­len Auslandsbesuchen immer wieder auch Staatsbürger seines Landes trifft, die im Ausland leben, ist grundsätzliches etwas Normales; normalerweise findet das im Rah­men von offiziellen Besuchen statt. In diesem Fall war es leider Gottes anders, da Pre­mierminister Erdoğan nicht nach Österreich gekommen ist, um den Bundespräsidenten oder den Bundeskanzler zu treffen, sondern ausschließlich, um eine Rede vor Türken und Österreichern mit türkischen Wurzeln zu halten. Insofern haben wir das von An­fang an sehr kritisch gesehen. Wir waren der Meinung, dass die Gefahr besteht, dass er den Wahlkampf nach Österreich tragen könnte. Im Nachhinein können wir ganz klar sagen, dass es auch sehr eindeutig so war.

Premierminister Erdoğan hat ganz eindeutig den Wahlkampf nach Österreich getragen, er hat ganz eindeutig durch seinen Auftritt hier auch für Unruhe gesorgt, und darum war es mir nicht nur als Außen-, sondern vor allem auch als Integrationsminister wich­tig, schon zuvor sehr klare Worte zu finden. Ich habe versucht, ihm auch in einem per­sönlichen Gespräch noch einmal zu erklären, warum wir solche Veranstaltungen sehr kritisch sehen und warum er unserer Meinung nach der Integration da auch geschadet hat.

Zur Integration: Es ist insbesondere für Österreicher mit türkischen Wurzeln oftmals ei­ne Herausforderung, sich in Österreich heimisch zu fühlen, damit umzugehen, dass sie verschiedene Identitäten in sich vereinen. Da ist es alles andere als hilfreich, wenn ein türkischer Politiker darauf beharrt, dass sich Österreicher mit türkischen Wurzeln als Türken fühlen sollen, da ist es alles andere als hilfreich, wenn 15 000 Menschen mit türkischen Fahnen in Wien zusammenkommen, weil das schlicht und ergreifend wieder zu einer Emotionalisierung dieses Themas führt.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Claudia Durchschlag: Es gab auch ähnliche Auftritte und Reden in Deutschland. Meine Frage ist daher:

Wie beurteilen Sie diese Auftritte des Premierministers Erdoğan in unserem Nachbar­land Deutschland im Vergleich zu seinem Auftritt in Wien?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Wenn man sich beide Reden anschaut, kann man wahrscheinlich durchaus sagen, dass die Wort­wahl in Wien etwas vorsichtiger war als in Deutschland. Es waren, wenn man positive Elemente in der Rede finden möchte, Aussagen dabei wie: Lernt Deutsch und integriert euch in Österreich! Es waren aber aus unserer Sicht durchaus auch Provokationen da­bei, wie zum Beispiel die Aussage, dass die Türken in Österreich Nachfahren von wichtigen Akteuren der Türkenbelagerungen sind. Insofern sehen wir die Rede sehr, sehr kritisch, auch wenn man vielleicht sagen kann, dass sie etwas vorsichtiger als die Rede in Deutschland war.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Windbüchler-Sou­schill.

 


Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Nicht nur der Besuch des türkischen Regierungschefs Erdoğan war in al­ler Munde, sondern auch der russische Präsident Putin war zu Gast, eingeladen zu ei­nem Staats- und Arbeitsbesuch. Am Rande dieses Besuchs kam es zum Abschluss des Deals zwischen Gazprom und OMV betreffend South Stream, eine neue Pipeline rund um die Ukraine. Aus meiner Sicht verfestigt das ganz klar die Gasabhängigkeit zwischen Russland, Österreich und der Europäischen Union.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 19

Herr Minister, die Energiewende bedeutet viel, viel mehr; sie bedeutet nicht, neue We­ge für das Gas zu finden, sondern ganz klar gegen Atomkraftwerke aufzutreten, gegen fossile Energieträger aufzutreten.

Welche Initiativen setzen Sie, um tatsächlich die Energiewende einzuleiten und den Klimawandel weltweit zu stoppen? (Abg. Strache:  Außenminister  Energiewende!)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Frau Abge­ordnete! Im Rahmen unserer Möglichkeiten und jedes Mal, wenn das Thema Energie im Kreis der Außenminister diskutiert wird – Sie sind natürlich darüber im Bilde, dass das nicht ständig der Fall ist, aber das Thema Energie steht immer wieder auch bei den Außenministern auf der Tagesordnung –, setzen wir uns selbstverständlich für die österreichische Position und insbesondere für die Stärkung von nachhaltigen Energie­quellen ein.

Man muss, wenn man über South Stream spricht, klar festhalten, dass das nicht dazu führt, andere Energiequellen neben dem Gas zu erschließen, aber es führt durchaus zu einer neuen Energieroute.

Insbesondere wenn wir uns den Konflikt in der Ukraine vor Augen führen, dann, so meine ich, sollte uns doch bewusst sein, dass wir mehreres brauchen. Wir brauchen ei­nerseits unterschiedliche Energiequellen, vor allem um in der Zukunft eine größere Un­abhängigkeit von Öl und Gas zu erlangen. Wir brauchen aber auch unterschiedliche Routen der Energie, um eine größere Unabhängigkeit, was den Weg betrifft, erreichen zu können. Insofern sehe ich das Projekt durchaus positiv und kann Ihnen nur sagen, dass wir da alles andere als alleine dastehen. Es gibt fünf Staaten, die sich ganz pro­aktiv positiv für dieses Projekt ausgesprochen haben, und es gibt andere Staaten, die von diesem Projekt nicht betroffen sind, aber die durchaus sehr viel Verständnis für dieses Projekt haben und es durchaus positiv sehen.

Insofern teile ich Ihre Einschätzung, wir sollten in Europa von der Atomenergie weg­kommen. Wenn wir das wollen, dann braucht es insbesondere eine Vielzahl an Ener­giequellen und auch eine Vielzahl an Routen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hagen.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Außenminister, Sie haben klare Worte betreffend den Erdoğan-Besuch gefunden, was ich ja auch sehr lobend hervor­gehoben habe. Ich habe auch im Außenpolitischen Ausschuss hervorgehoben, dass ich mir das von einem Mitglied der Bundesregierung erwarte.

Jetzt meine Frage: Wie schauen Ihre klaren Worte und klaren Schritte als Migrations­minister beziehungsweise Integrationsminister in Sachen „syrische Freiheitskämpfer“ – unter Anführungszeichen –, die von Österreich dort hinuntergehen, es sind meistens Asylwerber, aber auch Migranten, aus?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Da gibt es Gott sei Dank nicht nur klare Worte, sondern auch klare Schritte. Der Justizminister, die Innenministerin und ich als Außenminister haben gemeinsam in dieser Frage ein Maßnahmenpaket geschnürt. Sie haben völlig recht, wenn Sie das Thema ansprechen, Herr Abgeordneter, weil die sogenannten Foreign Fighters natürlich eine extreme Be­drohung sind, was die Sicherheit betrifft, nicht nur die Sicherheit in Syrien und anderen Ländern, wo diese Menschen in den Kampfeinsatz ziehen, sondern insbesondere ist auch unsere Sicherheit bedroht, wenn diese Personen nach Österreich zurückkom­men.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 20

Es gibt ganz unterschiedliche Personen, die sich leider Gottes dazu hinreißen lassen, Asylwerber anscheinend genauso wie österreichische Staatsbürger und auch Perso­nen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft. Wir haben diesbezüglich ganz be­wusst ein Maßnahmenpaket geschnürt.

Mir ist ganz wichtig festzuhalten, dass diese Taten auch in Österreich strafbar sind, selbst wenn sie im Ausland stattfinden. Ähnlich wie beim Kindesmissbrauch, der auch in Österreich strafbar ist, wenn er in Thailand stattfindet, ist es auch in diesem Fall. Wenn jemand im Ausland als Kämpfer tätig ist und nach Österreich zurückkommt, dann stellt er eine Sicherheitsbedrohung dar und dann muss sich derjenige in Öster­reich auch vor den österreichischen Gerichten verantworten.

Es gibt unterschiedliche rechtliche Möglichkeiten. Asylwerbern kann selbstverständlich der Asyltitel aberkannt werden, und das ist auch gut so. Bei Personen, die schon hier geboren sind und österreichische Staatsbürger sind, tun wir uns da natürlich wesentlich schwerer, aber es muss selbstverständlich strafrechtliche Konsequenzen geben. Des­halb war es uns auch wichtig, dieses Maßnahmenpaket zu schnüren.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Die 3. Anfrage wird von Herrn Abgeordnetem Dr. Hübner gestellt. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Mi­nister! Ich bleibe bei der Türkei. Es gibt ja seit 30. Mai Presseberichte in Österreich da­rüber, dass offenbar ein großer Teil jener Türken, die die österreichische Staatsbürger­schaft erlangen und ihre eigene vorab zurücklegen mussten, unmittelbar nach Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft die türkische wieder beantragen und ohne Probleme erhalten. Das ist natürlich nach österreichischem Recht illegal und müsste zur Aberkennung der erlangten österreichischen Staatsbürgerschaft führen.

Nach Auskunft der österreichischen Behörden gibt es aber große Probleme, Informa­tionen darüber zu erhalten, wer diese Personen sind, die die türkische Staatsbürger­schaft wiedererlangen. – So weit, so schlecht.

Es wäre den türkischen Behörden natürlich ein Leichtes, Auskunft darüber zu geben, welche Personen mit Österreichbezug, das heißt Personen, die in Österreich wohnhaft sind, oder Personen, die über türkische Konsulate in Österreich Anträge stellen, da die Betroffenen sind.

Meine Frage daher: Was werden Sie auf diplomatischem Wege tun, um von der Türki­schen Republik Auskunft darüber zu erhalten, welche Personen nach Zurücklegung der türkischen Staatsbürgerschaft diese wieder beantragen?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 40/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Initiativen werden Sie gegenüber der Republik Türkei setzen, um die Daten von österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgern zu erhalten?“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Herr Abge­ordneter! Wie Sie wissen, sind Staatsbürgerschaftsangelegenheiten in der Gesetzge­bung Bundesangelegenheit, in der Vollziehung Landessache. Wir sind davon über­zeugt, dass die Länder die entsprechenden strengen Regeln in der Vollziehung auch zu hundert Prozent einhalten.


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Was wir auf Ebene des Außenministeriums tun können, ist, im Gespräch mit Vertretern der Türkei einerseits unsere Rechtslage kundzutun und andererseits auch dazu aufzu­fordern, es zu unterlassen, österreichischen Staatsbürgern eine türkische Staatsbür­gerschaft, sozusagen eine Doppelstaatsbürgerschaft, zu verleihen. Das ist in der Ver­gangenheit geschehen. Aufgrund der jüngst genannten Fälle, die uns dann leider Got­tes niemals übermittelt werden konnten, also aufgrund dieser Behauptungen haben wir selbstverständlich auch die außenpolitischen Konsultationen auf Ebene des Politischen Direktors mit der Türkei dazu genutzt, um die Türkei noch einmal über unsere Rechts­lage zu informieren und um sie noch einmal aufzufordern, uns die entsprechenden In­formationen zu liefern.

Wenn Sie Einzelfälle kennen, dann bitte ich, diese selbstverständlich bekanntzugeben, denn wenn ein österreichischer Staatsbürger eine andere Staatsbürgerschaft annimmt, dann wird ihm per Bescheid automatisch seine österreichische Staatsbürgerschaft ab­erkannt. Hier geht es, wie Sie richtig sagen, darum, dass es leider Gottes anscheinend immer wieder in Einzelfällen die Informationen darüber nicht gibt, aber wir sehen Gott sei Dank, dass unser System insoweit funktioniert, als es in der Vergangenheit jedes Jahr auch Aberkennungen von Staatsbürgerschaften genau aus diesem Grund gege­ben hat.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Minister! Ich glaube, wir können ja beide davon ausgehen, dass der Türkei die Rechtslage in Österreich bekannt und be­wusst ist, zumindest den Behörden in der Türkei, die sich mit Staatsbürgerschaftsver­leihungen befassen, und den Konsulaten, die auf dem Boden der Republik Österreich ansässig sind. Das heißt, die Information der Türkei über die Rechtslage in Österreich wird wohl nicht reichen, auch nicht die Aufforderung, Eingriffe in die österreichische Rechtsordnung zu unterlassen.

Die Bundesländer, die mit der Vollziehung beauftragt sind, werden es auch schwer ha­ben, in der Türkei Auskunft zu erlangen.

Jetzt geht es hier nicht um Einzelfälle, sondern wenn man den Medienberichten auch aus der Türkei vertrauen darf, dann geht es um Zehntausende Fälle. Türkische Statis­tiken sprechen davon, dass mindestens die Hälfte aller Türken, die die Staatsbürger­schaft zurückgelegt haben, um Österreicher zu werden, danach die türkische wieder­erlangt haben. Es geht also um Zehntausende Fälle, Dunkelziffer 40 000 bis 80 000, Riesenfälle von illegalem Behalten der österreichischen Staatsbürgerschaft bezie­hungsweise Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft mit einem Vorbehalt, der illegal ist.

Also noch einmal meine Frage: Was konkret werden Sie tun, um die notwendigen In­formationen von der Türkei über eine derartige Rückerlangung der Staatsbürgerschaft zu erhalten, um hier in Österreich entsprechende Konsequenzen ziehen zu können?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Ich kann Ih­nen noch einmal eine Antwort auf eine ähnliche Frage geben. Wir haben die Konsulta­tionen auf Ebene des Politischen Direktors dafür verwendet. Ich werde das Thema selbstverständlich bei allen meinen politischen Gesprächen mit Vertretern der Türkei auch ansprechen.

Was die Dunkelziffer betrifft, möchte ich mich jetzt nicht mit Ihnen auf einen Streit über diese angebliche Zahl einlassen. Ich kann Ihnen nur sagen, unser Problem ist, dass wir allen Medienberichten und allen Schätzungen stets nachgegangen sind und leider Got­tes immer die Auskunft bekommen haben, dass es weder ein Gutachten noch irgend-


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eine Anstrengung vorher gegeben hat, um eine Zahl ermitteln oder schätzen zu kön­nen.

Alle Medien, die bis jetzt darüber geschrieben und die wir gefragt haben, ob es Grund­lagen für diese Schätzungen oder Annahmen gibt, haben uns leider Gottes weder die­se Grundlagen noch diese Schätzungen irgendwie erklären können. Insofern, glaube ich, sollten wir sehr vorsichtig sein, wenn wir uns da mit den Zahlen ständig nach oben treiben lassen. Wenn Sie Indizien dafür haben, sind wir dankbar, weil das natürlich un­sere Gesprächsbasis mit der Türkei sehr stark erleichtert. Wir würden uns bei der Durchsetzung wesentlich leichter tun, wenn wir irgendwelche Anhaltspunkte dafür hät­ten, dass diese Zahlen stimmen könnten.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zur 4. Anfrage, gestellt von Frau Abgeord­neter Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Die Hochwasserkatastrophe in Bosnien-Herzegowina und Serbien, Ebola, die Epide­mie jetzt in Westafrika, die drohende Hungerkatastrophe im Südsudan, ein sehr emo­tionaler Brief von Monsignore Landau von der Caritas an uns Abgeordnete mit dem Hinweis und einem Foto eines leidenden Kindes aus dem Senegal – wir sind eigentlich täglich mit Krisen und Katastrophen beschäftigt und auch konfrontiert. Zurzeit stehen bloß 5 Millionen € pro Jahr zur Verfügung, um Menschenleben zu retten. Es gibt klare Bekenntnisse dazu, dass SPÖ und ÖVP diesen Betrag von 5 Millionen auf 15 Millio­nen € aufstocken möchten.

Wann wird es endlich so weit sein?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 42/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann werden die versprochenen 15 Millionen € für die Aufstockung der Humanitären Hilfe endlich bereitgestellt?“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Abgeordnete! Ich finde es sehr positiv, dass in Anbetracht der zahlreichen Kri­sen, mit denen wir konfrontiert sind, im Regierungsprogramm der Vorsatz gefasst wur­de, den Auslandskatastrophenfonds auf 20 Millionen € aufzustocken. Wie Sie wissen, ist leider Gottes die Budgetsituation so angespannt, dass diese Aufstockung bisher nicht möglich war. Insofern müssen wir derzeit weiterhin mit den 5 Millionen € arbeiten. Sobald sich die Budgetsituation verbessert, wird es hoffentlich auch die Möglichkeit ge­ben, das Regierungsprogramm insofern umzusetzen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Der Auslandskatastrophenfonds ist eingerichtet worden, um tatsächlich Menschenleben zu retten. Jetzt geht es um 15 Millionen €. Das sind eigentlich Peanuts im Vergleich zu anderen großen, notwendi­gen Ausgaben. Es gibt die Möglichkeit, Rücklagen teilaufzulösen, und viele Ministerien tun das auch.

Meine Frage ist: Warum können Sie die Rücklagen nicht so auflösen, dass die 15 Mil­lionen € für den Auslandskatastrophenfonds bereitgestellt werden können?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr


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Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr ge­ehrte Frau Abgeordnete, Sie kennen die Antwort, Sie haben mir diese Frage schon mehrfach gestellt. Ich darf sie daher wieder einmal aufs Neue beantworten.

Es gibt die Möglichkeit, Rücklagen in der vorgegebenen Höhe in jedem Ressort aufzu­lösen. Die Möglichkeiten, die wir eingeräumt bekommen haben, Rücklagen aufzulösen, haben wir in diesem Jahr, aber auch im Budget des nächsten Jahres voll und ganz ausgeschöpft. Wir haben im Außenministerium Rücklagen. Wenn wir die Möglichkeit bekommen, mehr an Rücklagen aufzulösen, dann werden wir das tun. Wie Sie aber wissen, erhöht das Auflösen von Rücklagen das strukturelle Defizit. Insofern kann je­des Ressort nur in begrenztem Ausmaß Rücklagen auflösen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Scherak.

 


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Wenn wir schon bei den finanziellen Mitteln sind, würde mich interessieren – ich habe Sie im Menschenrechtsausschuss auch schon gefragt –, wie Sie dazu stehen, dass man eventuell finanzielle Mittel aufgrund der Situation in Uganda einschränkt. Sie haben sehr ablehnend reagiert, was ich auch verstehe.

Wenn man schon keine Möglichkeit hat, über Kürzung der Mittel für Entwicklungszu­sammenarbeit und so weiter Maßnahmen zu setzen, würde mich interessieren, welche Schritte Sie als offizielles Österreich angesichts der Lage in Uganda, die immer heftiger wird, wo noch massivere Menschenrechtsverletzungen stattfinden, setzen wollen, um ein klares Zeichen auch dahin gehend zu setzen, dass wir diese Menschenrechtsver­letzungen sehen und auch entsprechend ablehnen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Wir spre­chen Menschenrechtsverletzungen stets an und nutzen unsere politischen Kontakte auch immer dazu, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen und auf diese Län­der einzuwirken. Insbesondere in Ländern, in denen wir Entwicklungszusammenarbeit betreiben, haben wir oft wesentlich bessere Möglichkeiten, proaktiv einzuwirken und auch unsere Standards zu erklären und den Ländern nahezulegen.

Als du mich letztens im Ausschuss gefragt hast, ob es sinnvoll wäre, in diesem Fall die Entwicklungshilfe zu streichen, habe ich insbesondere deshalb ablehnend reagiert, weil oftmals die Bevölkerung eines Landes auch unter Menschenrechtsverletzungen sehr stark leidet, aber nicht in der Lage ist, sich gegen die Menschenrechtsverletzungen zur Wehr zu setzen, und es oftmals auch gar nicht in der Hand hat, ob das jeweilige Re­gime oder die jeweilige politische Führung diese Menschenrechtsverletzungen begeht oder nicht.

Wenn man dann Entwicklungshilfegelder streicht, dann ist das natürlich eine legitime Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen, die man durchaus in Erwägung ziehen kann. Man muss sich aber meiner Meinung nach vorher sehr genau anschauen, wel­che Projekte davon betroffen wären und welche Projekte nicht mehr stattfinden wür­den. Insbesondere wenn wir in Bereichen der Trinkwasserversorgung oder in Bildungs­projekten tätig sind, dann bin ich der Meinung, dass eine Streichung der Entwicklungs­zusammenarbeitsgelder aufgrund von Menschenrechtsverletzungen oftmals eine Sank­tion für die Falschen wäre.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Huainigg.

 


Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Ös­terreich ist ja im Falle von Katastrophen hilfsbereit. Wir werden oft auch als Spenden­weltmeister bezeichnet. Auch der Staat hilft.


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Meine Frage wäre: Welche Projekte wurden aus Mitteln des Auslandskatastrophen­fonds bei der Hochwasserkatastrophe in Serbien und Bosnien unterstützt?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter, wir haben uns ganz bewusst entschieden, in Serbien und Bos­nien tätig zu werden, einerseits weil die Flutkatastrophe ein verheerendes Ausmaß an Schäden ausgelöst hat, und zum Zweiten, weil die Region nicht nur geographisch, son­dern auch menschlich und wirtschaftlich gesehen eine starke Nahebeziehung zu Öster­reich hat. Als Bundesregierung haben wir uns ganz bewusst entschieden, die Mittel des Auslandskatastrophenfonds zu verwenden, insbesondere um Wiederaufbauprojek­te zu unterstützen. Es geht hier konkret um eine Million Euro: 500 000 € für Serbien und 500 000 € für Bosnien-Herzegowina.

Wir haben darüber hinaus aber auch unsere europäischen Kontakte genutzt, um uns für diese Länder einzusetzen, bei der Kommissarin Georgieva, beim Kommissar Füle und auch beim Kommissar Gio Hahn, die allesamt Möglichkeiten haben, aus ihren Budgets in diesen Ländern tätig zu werden.

Ganz besonders erfreulich ist aus meiner Sicht auch, dass es in Österreich nicht nur staatliche Hilfe gibt, sondern dass insbesondere die Bevölkerung ganz massiv geholfen hat, einerseits durch Spendenaktionen, „Nachbar in Not“ ist gestartet worden, wo sehr viele konkrete Projekte vor Ort unterstützt werden, andererseits auch durch direkte Hil­feleistungen. Es gab sehr, sehr viele Österreicher, insbesondere mit Migrationshinter­grund, die auch Sachspenden gesammelt und den Betroffenen vor Ort gebracht haben.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 5. Anfrage. Sie wird von der Frau Abge­ordneten Dr. Lintl gestellt. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! In den primärrechtlichen Grundlagen Artikel 3 Abs. 3 des EU-Vertrages ist zu lesen: Ziel der EU im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes ist unter an­derem die Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts.

Jetzt plant der deutsche Verkehrsminister eine Pkw-Maut für Ausländer. Deutsche Staatsbürger sollen diese im Wege der Kfz-Steuer refundiert bekommen. Österreichi­sche Pendler, vor allem in der Grenzregion, sind dadurch besonders beeinträchtigt.

Ist es aus Ihrer Sicht EU-vertragskonform, dass deutsche Staatsbürger ihre Maut von der Kfz-Steuer abgezogen bekommen? – Aus unserer Sicht ist dies eine eklatante Un­gleichbehandlung und widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.

Meine Frage lautet:

47/M

„Wie werden Sie sich in Zukunft angesichts der bevorstehenden Herausforderungen – wie z.B. aktuell der Einführung einer Autobahnmaut für Ausländer in Deutschland – für die Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts in Europa und damit für ein ,Zusammenwachsen Europas‘ einsetzen?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Abgeordnete, ich sehe das genauso wie Sie. Für ein Zusammenrücken inner­halb Europas braucht es insbesondere Mobilität und die Möglichkeit des Austausches über die Grenzen hinweg. Alles, was da die Mobilität einschränkt oder behindert, ist si­cherlich nicht im Sinne der Europäischen Union und des europäischen Gedankens. Wir


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stehen daher dieser deutschen Idee oder diesem deutschen Gesetz nicht nur sehr kri­tisch gegenüber, sondern wir prüfen natürlich auch sehr genau, ob es europarechts­konform ist oder nicht. Und wenn wir die Chance sehen, dass es nicht europarechts­konform ist, dann werden wir selbstverständlich auch die europäischen Institutionen damit befassen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (STRONACH): Sollte das als EU-konform angesehen werden, wann bekommen die österreichischen Autofahrer, die ohnehin überproportio­nal zur Kasse gebeten werden, die Kosten für die Autobahnmaut im Wege der Kfz-Steuer ersetzt so wie die deutschen Staatsbürger? Würde dies nicht dem Grundsatz der Reziprozität entsprechen?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Ein Außen­minister ist für vieles zuständig, in diesem Fall sehe ich aber keine Zuständigkeit. Der­zeit versuchen wir als Bundesregierung festzustellen, ob das Gesetz europarechtskon­form ist oder nicht. Wenn wir der Meinung sind, dass es eine Chance gibt, gegen die­ses Gesetz vorzugehen, werden wir das im Rahmen unserer Möglichkeiten in der Eu­ropäischen Union tun. Alles Weitere liegt nicht in unserem Zuständigkeitsbereich.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Heinzl.

 


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Außenminister, ich möchte Sie fragen: Welche Schritte werden Sie setzen, um andere Länder, wie zum Beispiel die Niederlande, für eine Klage gegen diese wirklich unsinnige deutsche Autobahn­maut zu gewinnen? Und: Wie werden Sie dazu beitragen, dass statt dieser unsinnigen Idee einer Autobahnmaut für Ausländer wirklich Investitionen in transeuropäische Ver­kehrsnetze erfolgen?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Da die Nie­derlande selbst auch betroffen sind und schon angemeldet haben, dass sie eine Klage in Erwägung ziehen, glaube ich, braucht es da nicht allzu viel Überzeugungsarbeit. Aber selbstverständlich werden die Verkehrsministerin und ich uns hier sehr eng mit den Ländern abstimmen, die auch betroffen sind, insbesondere mit den Niederlanden, und versuchen zu prüfen, ob es Sinn macht, gegen dieses Gesetz vorzugehen, oder ob die Chancen sehr gering sind.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Pfurtscheller.

 


Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Herr Minister, wir Tiroler sind ja bekannt dafür, dass wir uns für die Europaregion Tirol/Südtirol/Trentino sehr engagieren und uns da sehr einbringen. Gerade in den letzten Monaten hat dieser Gedanke der überregionalen Zusammen­arbeit bei uns große Fahrt aufgenommen. Nun wurde am Ende des vergangenen Jah­res von der Europäischen Union beschlossen, eine Alpenraumstrategie auszuarbeiten, die bis Juni 2015 vorliegen soll.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für die künftige Alpenraumstrategie, den wirtschaft­lichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in Europa zu fördern?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, Herr Bundesministe


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r.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Ich bin der Meinung, dass insbesondere im Bereich der Wirtschaft, aber auch im Bereich des Tou­rismus die Alpenraumstrategie, aber auch die Euregio eine große Chance insbesonde­re für Tirol bieten. Ich sehe es sehr positiv, dass im Rahmen der Euregio Landeshaupt­mann Platter seinen Vorsitz sehr intensiv ausübt und sehr stark den Kontakt in dieser Region sucht. Wir merken auch anhand von Meinungsumfragen, dass es schon mehr Bewusstsein für diese Europaregion Tirol gibt.

Im Bereich der Alpenraumstrategie gibt es unserer Meinung nach für Österreich die Möglichkeit, insbesondere wirtschaftlich davon zu profitieren.

Derzeit gibt es erste Vorarbeiten auf europäischer Ebene dazu. Es hat eine Sitzung un­ter der Leitung von Kommissar Gio Hahn in Brüssel gegeben, an der ich auch selbst teilgenommen habe, mit der Zielsetzung, dass diese Alpenraumstrategie nicht nur eine theoretische Strategie bleibt, sondern auch zum Leben erweckt wird.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 6. Anfrage, die von Herrn Abgeordnetem Mag. Vavrik an den Herrn Bundesminister gerichtet wird. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Guten Morgen, Herr Minister! Zur Fra­ge der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit: Es ist schon heute Früh die ange­spannte budgetäre Lage angesprochen worden. Weil die Regierung sich entschlossen hat, nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen, musste die bilaterale EZA 2014 leider auf dem schon sehr niedrigen Niveau gehalten werden, und sie wird nächstes Jahr um 17 Millionen € gekürzt – entgegen dem ausdrücklichen Ziel im Regierungsprogramm.

In dieser Situation ist, glaube ich, eine ganz scharfe Prioritätensetzung der Projekte be­sonders wichtig. Meine Frage an Sie, Herr Minister, wenn man sich die verschiedenen Ziele anschaut – das sind Menschenrechtsziele, Ausbau von Demokratie und Rechts­staatlichkeit, vielleicht auch wirtschaftliche Ziele, politische Ziele; ich denke an die Nä­he gewisser Länder zu Österreich –:

Wie setzen Sie die Prioritäten, welche dieser Ziele werden prioritär herangezogen, um die Schwerpunkte der EZA festzulegen?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 48/M, hat folgenden Wortlaut:

„Aufgrund der Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit ist eine stärke­re Prioritätensetzung in der Entwicklungshilfe notwendig geworden: Wie würden Sie die Kriterien wirtschaftlicher Nutzen, Menschenrechte, geographische Nähe, Vermeidung unmittelbaren Leidens und Konfliktvermeidung bei der Vergabe von Entwicklungshilfe­mitteln gewichten?“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Wie Sie vollkommen richtig sagen, Herr Abgeordneter, ist es notwendig, bei den Entwicklungs­zusammenarbeitsgeldern, insbesondere bei den Geldern, die im Außenministerium und in der ADA abgewickelt werden – das sind 13 bis 18 Prozent der gesamtstaatli­chen Entwicklungszusammenarbeitsgelder –, eine Gesamtstrategie zu haben und ins­besondere auch Prioritätensetzungen vorzunehmen.

Eine Prioritätensetzung, die wir schon innerhalb der ersten sechs Monate vorgenom­men haben, ist, dass wir uns dazu entschieden haben, unseren außenpolitischen Schwerpunkt, den Westbalkan, auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit stattfinden zu lassen. Wir haben uns daher entschieden, dass wir die Gelder für die Region verdoppeln, und haben das bereits auch durchgeführt.


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Abgesehen davon glaube ich, dass es ganz entscheidend ist, in der Entwicklungszu­sammenarbeit auf drei Bereiche zu fokussieren.

Das Erste, und das ist der Ansatz, der selbstverständlich über allem steht, ist, dass wir eine solidarische Verpflichtung gegenüber den Menschen haben, die in ärmeren Ge­bieten leben als in Österreich.

Zum Zweiten glaube ich, dass es durchaus Sinn macht, auch sicherheits- und migra­tionspolitische Ansätze im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit stärker Platz grei­fen zu lassen.

Und zum Dritten bin ich der Meinung, dass es, gerade wenn öffentliche Budgets ge­ringer werden, wenn dem Staat weniger Geld zur Verfügung steht, um tätig zu werden, und wenn auch die Entwicklungszusammenarbeit unter Spardruck leidet, umso wichti­ger ist, auch private Kanäle zu nutzen. Insofern ist ein dritter Punkt, der uns in unserer strategischen Arbeit wichtig ist, die Förderung von Wirtschaftspartnerschaften, weil wir über unsere budgetären Grenzen hinweg in der Kooperation mit Unternehmen Projekte umsetzen können, die wir alleine nicht umsetzen könnten.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Minister, Sie haben jetzt als erste Priorität den Westbalkan genannt. Können Sie vielleicht ein bisschen näher aus­führen, welche Rolle in Zukunft Albanien spielen wird, auch im Hinblick auf den EU-Kandidatenstatus?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Albanien ist meiner Meinung nach in den letzten Jahren schwierige und notwendige Reformen an­gegangen und hat sie teilweise auch durchgesetzt. Wir haben uns vor Kurzem bei ei­nem Besuch in Albanien auch selbst davon überzeugen können, dass diese Be­mühungen wirklich sehr intensiv vorangetrieben werden, und sind daher der Meinung, dass es sinnvoll ist, dass Albanien den Kandidatenstatus erhält. Wir haben uns daher auch dafür eingesetzt, haben einen Brief an die Europäische Kommission verfasst und haben auch die Unterstützung von insgesamt 15 anderen Staaten erhalten, um uns für Albanien einzusetzen. Die Entscheidung für Albanien war dann Gott sei Dank im letz­ten Rat eine positive.

Ich möchte festhalten, dass das nicht nur im Interesse Albaniens ist, sondern insbeson­dere auch in unserem ureigenen österreichischen Interesse, wenn sich die Region und auch das Land Albanien positiv entwickeln. Ob es dort Stabilität gibt oder nicht, ist ganz entscheidend für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere öffentliche Sicherheit in Österreich. Ich hoffe, dass diese Entscheidung des Kandidatenstatus von Albanien richtig verstanden wird, als das, was es sein soll, nämlich als Reformmotor für die Fort­setzung der wichtigen Reformschritte im Land.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Weninger.

 


Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Bundesminister, wir haben im Arbeits­programm der Bundesregierung vereinbart, eine Gesamtstrategie Entwicklungszusam­menarbeit zu entwickeln. Die soll gemeinsam mit den Ministerien, dem Parlament, NGOs und Sozialpartnern entwickelt werden. Meine Frage ist:

Wann kann man damit rechnen, dass diese Arbeit begonnen wird?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Die Arbeit ist schon begonnen worden, Herr Abgeordneter. Wir sind auch gerade dabei, mit dem


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Parlament, aber auch mit den NGOs und anderen Stakeholdern Kontakt aufzunehmen, weil uns ganz wichtig ist, hier alle Beteiligten einzubinden. Abgeschlossen soll das Pro­jekt Ende 2015 sein. Es handelt sich um ein Drei-Jahres-Programm, das dann ab 2016 zu laufen beginnen würde.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 7. Anfrage, gestellt von Frau Abgeordne­ter Mag. Muttonen. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Minister! Wir werden in diesen Tagen Zeugen einer erschreckenden Eskalationsspirale zwischen Israel und Palästina. Fast stündlich hört man Meldungen von neuen zahlreichen Verletzten und auch Toten.

Meine Frage lautet:

45/M

„Welche Schritte wollen Sie innerhalb der EU setzen, um gemeinsam der gegenwärti­gen Eskalationsspirale zwischen Israel und den Palästinensern entgegenwirken zu kön­nen?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Die Euro­päische Union hat zu Recht beim Rat der Außenminister am 22. Juli das Thema Israel, palästinensische Gebiete und diesen Konflikt ganz nach oben auf die Tagesordnung gesetzt. Es braucht hier eine klare Linie der Europäischen Union. Was wir bisher getan haben, ist, dass wir ganz klar die Raketenbeschüsse durch die Hamas verurteilt haben und auf der anderen Seite Israel dazu aufgefordert haben, das berechtigte Sicher­heitsinteresse und auch das Recht auf Selbstverteidigung mit Augenmaß und verhält­nismäßig wahrzunehmen.

Ich glaube, dass es ganz entscheidend ist, beide Seiten dazu aufzurufen, dass die Ge­waltspirale nicht weiter vorangetrieben wird. Meiner Meinung nach ist es vollkommen richtig, dass die Europäische Union dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt hat.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Minister, glauben Sie, dass in ei­ner Änderung der Siedlungspolitik ein Schlüssel für die Lösung des Nahostkonflikts lie­gen könnte?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Ich glaube, dass die Lösung des Nahostkonflikts sicherlich in Verhandlungen und nicht in einer mi­litärischen Auseinandersetzung liegt. Insofern glaube ich, dass ganz entscheidend ist, dass es hier wieder zu einer Befriedung der aktuellen Situation kommt, dass alle Par­teien an den Verhandlungstisch zurückkehren. Dass die Siedlungspolitik ein Thema bei den Verhandlungen ist, ist ganz klar. Es gab hier auch Pläne, was einen potentiellen Gebietstausch betrifft. Die österreichische Haltung ist hier ganz klar: Wir setzen uns für die Zweistaatenlösung ein. Und was die Zweistaatenlösung betrifft, ist natürlich die Siedlungspolitik hinderlich, insofern ist sie zu Recht auch stets ein Thema der Verhand­lungen.

Aber ich möchte noch einmal betonen, die Verhandlungen sind der richtige Weg, wo die Siedlungspolitik auch besprochen werden muss, auf keinen Fall ist es diese militä­rische Auseinandersetzung.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 8. Anfrage, gestellt von Frau Abgeord­neter Dr. Winzig. – Bitte.

 



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Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage – Sie haben das vorhin schon kurz angeschnitten –:

38/M

„Wie kann die EU die betreffend die Ukraine-Krise immer angesprochene Politik des ,sowohl als auch‘ anstatt eines ,entweder oder‘ umsetzen?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Abgeordnete, ich glaube, das Sowohl-als-auch kann man insbesondere dann umsetzen, wenn man Gesprächskanäle zu beiden Seiten offen hält und wenn man Länder wie die Ukraine nicht in eine Entweder-oder-Entscheidung drängt.

Insofern sehe ich es sehr positiv, dass die Kontaktgruppe mittlerweile zustande gekom­men ist und mit beiden Seiten über einen Waffenstillstand verhandelt wird. Noch ent­scheidender wird aber sein, dass es eine Langfristvision gibt, wie insbesondere eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit beiden Seiten, mit Russland und der Europäischen Union, stattfinden kann. Und das ist auch Gott sei Dank insofern schon Thema in der Europäischen Union, als es auch Gespräche zu den Auswirkungen des Assoziierungs­abkommens mit Russland gibt. Ich glaube, das ist ein erster vorsichtiger, aber wichtiger Schritt in diese Richtung.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Wie beurteilen Sie die Rolle des neuen uk­rainischen Präsidenten Poroschenko im Friedensprozess?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Poro­schenko hat die Wahl sehr beeindruckend und eindeutig gewonnen. Ich glaube, dass er die Möglichkeit hat, die Ukraine zu einen und eine sehr besonnene Politik zu ma­chen. Insbesondere dass er gleich nach seiner Wahl einen Friedensplan vorgelegt hat, dass er auch einen einseitigen Waffenstillstand zunächst gestartet hat, dass er ver­sucht hat, im Hintergrund mit Russland zu verhandeln, das alles sind doch sehr posi­tive Signale, und die sollte man meiner Meinung nach auch sehr stark schätzen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Winter.

 


Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minis­ter! Entweder oder: Erinnern Sie sich bitte an den Mai dieses Jahres, da hat es bereits die Ukraine-Krise, Krim-Krise und die Sperrung von Konten russischer Staatsbürger in Österreich gegeben. Just in dem Augenblick wurde von Russland, von Präsident Putin, quasi ein Importverbot gegen zirka 15 österreichische Firmen verhängt. Da sind auch steirische Firmen darunter.

Jetzt meine Frage an Sie: Haben Sie jemals daran gedacht, diplomatische Beziehun­gen diesbezüglich aufzunehmen, beziehungsweise war es Ihnen vielleicht sogar an­lässlich des Besuches von Präsident Putin möglich, dieses wirtschaftliche Problemthe­ma anzusprechen?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Ich bin in Kontakt mit einem der betroffenen Unternehmen und kenne daher die Situation, die ja bei allen Unternehmen gleich ist, sehr, sehr genau. Es gibt, wie Sie sicherlich wissen, auch schon Gespräche mit Russland zu diesem Thema. Die für dieses Thema zustän-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 30

digen Beamten sind in Kontakt mit der russischen Seite und arbeiten gerade an einer Lösung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man den Zusammenhang mit der Ukraine-Krise in die­ser Frage wirklich herstellen kann, da wir innerhalb der Europäischen Union doch als eines der Länder bekannt sind, die stets dazu aufgerufen haben, den Kontakt mit Russland aufrechtzuerhalten, und auch als eines der Länder innerhalb der Europäi­schen Union bekannt sind, die, insbesondere was Wirtschaftssanktionen betrifft, stets eher skeptisch und zurückhaltend waren.

Ich kann Ihnen nur sagen, ja, es gibt Gespräche auf Beamtenebene, um dieses Pro­blem aus der Welt zu schaffen. Ich kenne das Thema, bin in Kontakt mit einem betrof­fenen Unternehmen und weiß daher, dass es für uns notwendig ist, hier eine Lösung zu finden. Den Zusammenhang mit der Ukraine-Krise herzustellen, das halte ich für ge­wagt.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 9. Anfrage, gestellt von Frau Abgeord­neter Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister, Sie wissen, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das französische Burka-Verbot de facto bestätigt, weil eben keine Diskriminierung einer religiösen Gruppe vorliegt. Viel eher, glaube ich, muss man auch darüber einmal nach­denken, ob es nicht die Frauen sind, die hier diskriminiert werden, vor allem wenn sie gezwungen werden, die Burka zu tragen.

In diesem Zusammenhang meine Frage an Sie:

41/M

„Welche Initiativen werden Sie anlässlich der positiven Entscheidung des EGMR zum Burka-Verbot auf europäischer Ebene als logische Weiterführung der bisherigen Anti­diskriminierungspolitik der Europäischen Union in Aussicht nehmen?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Die beste Antidiskriminierungspolitik, Frau Abgeordnete, ist eine erfolgreiche Integrationspolitik.

Zu Ihrer Frage die Burka betreffend kann ich nur sagen, dass die Burka aus meiner Sicht definitiv integrationshinderlich ist. Wenn eine Frau dazu gezwungen wird, die Bur­ka zu tragen, dann ist das definitiv nicht mit unseren Gesetzen in Einklang zu bringen und dann ist das auch definitiv abzulehnen.

Was ein Burka-Verbot betrifft, bin ich der Meinung, dass wir keine künstlichen Debatten in Österreich brauchen. Wir haben eine sehr, sehr geringe Zahl an Burka-Trägerinnen. Wenn wir uns die Burka-Trägerinnen in Österreich anschauen, dann merken wir, dass die meisten dieser Burka-Trägerinnen Touristinnen sind, meistens aus Saudi-Arabien, die in Zell am See und am Kohlmarkt sehr, sehr viel Geld in Österreich ausgeben.

Wir stehen vor großen Herausforderungen in der Integration. Wir haben sehr, sehr vie­le Jugendliche, die die Schule abbrechen, ohne auch nur einen Hauptschulabschluss zu haben; bei Migranten ist der Prozentsatz deutlich höher. Wir haben die Heraus­forderung, dass viele Kinder beim Volksschuleintritt noch nicht gut genug Deutsch kön­nen, um dem Unterricht folgen zu können. Und wir haben die Situation, dass es immer wieder auch junge Menschen gibt, die hin- und hergerissen sind und die verschiedenen Identitäten, die sie in sich tragen, nicht ganz unter einen Hut bringen können bezie­hungsweise sich hier in Österreich nicht heimisch fühlen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 31

Es gibt also nach wie vor zahlreiche Herausforderungen im Integrationsbereich. Und ich glaube, es ist wichtig, auf die wesentlichen Herausforderungen zu fokussieren. Das sind insbesondere der Erwerb der deutschen Sprache, das Sich-Einbringen in die ös­terreichische Gesellschaft, in das Erwerbsleben, aber auch in den Freiwilligenbereich, und das ist der Respekt vor Österreich und vor österreichischen Werthaltungen.

Das steht im Zentrum unserer Arbeit, weil es auch dazu führt, dass wir in der Inte­gration vorankommen. Alles andere sind Nebenschauplätze, über die man zwar disku­tieren kann, aber mit einem Burka-Verbot werden wir in Österreich die Integration nicht lösen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben jetzt sehr viel über Integration gesprochen. Sie haben auch angesprochen, dass Sie natürlich gegen die Diskriminierung von Frauen sind. – Das haben Sie ja, glaube ich, im ersten Satz beantwortet. Ich anerkenne auch, dass in Österreich versucht wird, an der Beseitigung von Diskriminierung zu arbeiten.

Gleichzeitig wird jetzt aber auf EU-Ebene versucht, eine Behörde einzurichten, die sich zum Ziel gesetzt hat, kleinere Parteien zu diskriminieren, nämlich die sogenannte Ideo­logiebehörde. Es soll Parteienförderung nur mehr dann ausbezahlt werden, wenn die Partei den Grundwerten der Europäischen Union entspricht. Das heißt, die National­staaten werden eigentlich ihres Urteils beraubt, denn wenn eine Partei in einem Na­tionalstaat zugelassen wird, dann ist davon auszugehen, dass sie den Grundwerten dieses Mitgliedstaates entspricht.

Es soll offensichtlich ideologisch geprüft werden, ob Parteien genehm sind oder nicht. Man hat auch fast den Eindruck, die EU möchte keine Opposition. In diesem Zusam­menhang meine Frage, Herr Bundesminister:

Werden Sie sich gegen diese Diskriminierungsbehörde einsetzen? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das in dieser Form nicht kommt?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Ich glaube, dass jede funktionierende Demokratie eine starke Opposition braucht. Ich bin der Mei­nung, dass sich Parteien und politisch tätige Personen ganz klar an die Gesetze und an das Strafrecht zu halten haben, dass wir aber keine Ideologiekontrolle brauchen be­ziehungsweise, ganz im Gegenteil, dass es für eine Demokratie befruchtend ist, ein möglichst breites Spektrum an politischen Meinungen und Ideologien zu haben. Diese „Diskriminierungsbehörde“, wie Sie es genannt haben, kenne ich so nicht, aber ich kann mir das gerne im Detail anschauen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur 10. Anfrage, gestellt von Frau Abge­ordneter Mag. Korun. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Einen schönen guten Morgen! In Österreich gibt es ja leider seit Jahren eine Diskriminierung von Inländern und Inländerinnen bei Ehen und Familienzusammenführungen. Österrei­chische Staatsbürger werden anders, nämlich schlechter, behandelt als andere EU-Staatsangehörige, wenn sie mit einem Nicht-EU-Bürger beziehungsweise einer Nicht-EU-Bürgerin verheiratet sind.

Konkret ist es so, dass zum Beispiel höhere Einkommenserfordernisse gelten oder dass der Antrag auf Familienzusammenführung nicht in Österreich gestellt werden darf, selbst wenn der betreffende Ehepartner seit Jahren hier lebt und gut integriert ist.

Daher möchte ich Sie in Ihrer Funktion als Integrationsminister Folgendes fragen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 32

43/M

„Warum werden gut integrierte und teilweise seit Jahren hier lebende Familienange­hörige von ÖsterreicherInnen gesetzlich schikaniert, nur weil diese (ÖsterreicherInnen) noch nicht im EU-Ausland gearbeitet haben?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Abgeordnete, es wird hier niemand „gesetzlich schikaniert“. Sie haben aber recht, es bestehen derzeit, je nachdem, ob die Freizügigkeit innerhalb der Europäi­schen Union bereits ausgeübt wurde oder nicht, unterschiedliche Bestimmungen. Es greift jeweils das EU- oder das nationale österreichische Recht, und da gibt es Unter­schiede. Für den Fall, dass ein Freizügigkeitstatbestand zur Anwendung kommt, gelten die Personen als begünstigte Drittstaatsangehörige, und Angehörige von Österreichern kommen im Normalfall nicht in den Genuss der durch die Richtlinie eingeräumten Rechte. Für diese nicht begünstigten Familienangehörigen kommen die nationalen Vorschriften des Fremdenpolizeigesetzes zur Anwendung.

Wir sind da bereits tätig geworden. In Österreich wurden für nationale Visa durch die Gleichstellung im Konsulargebührengesetz bereits Maßnahmen ergriffen. Wir haben im nationalen Recht Angehörige von Österreichern von der Visagebühr befreit. Das war eine erste Handlung. Derzeit wird in Brüssel an der Gleichstellung auch für Schengen-Visa gearbeitet. Die Arbeiten befinden sich da erst in einem Anfangsstadium, das BMEIA tut aber sein Möglichstes, um eine gemeinsame europäische Lösung zur Ver­besserung der Situation zu finden und bis dahin die betroffenen Personen in den kon­kreten Einzelfällen bestmöglich zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Herr Bundesminister, danke für die Zusatz­info. Sie haben im Prinzip die Rechtslage dargestellt und geben auch zu beziehungs­weise konstatieren auch, dass es bei dieser Materie eine Ungleichbehandlung und eine Schlechterstellung von österreichischen Staatsangehörigen gibt.

Erleichterungen bei der Visagebühr lösen das Problem allerdings nicht, wie Sie selber wissen. Die Familienangehörigen dürfen weiterhin nicht im Inland den Antrag stellen, auch wenn sie seit Jahren hier leben.

Wir haben leider Hunderte Fälle von österreichischen Kindern, die jahrelang auf einen Elternteil verzichten müssen, weil die Gesetzeslage so ist, wie ich und auch Sie das dargestellt haben.

Was wollen Sie konkret tun, um diesen Hunderten Kindern den anderen Elternteil wie­der zurückzugeben, sodass sie mit beiden Elternteilen aufwachsen können?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Frau Abge­ordnete, wie vorhin schon gesagt, wird in Brüssel derzeit an der Gleichstellung auch für Schengen-Visa gearbeitet. Insofern gibt es hier Arbeiten auf europäischer Ebene, und wie auch schon angesprochen stehen wir als Ministerium selbstverständlich für jeden Einzelfall zur Verfügung, der an uns herangetragen wird.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur 11. Anfrage, gestellt von Frau Ab­geordneter Mag. Wurm. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! „König Fußball“ regiert momentan die Welt. Südamerika steht im Fokus sehr vieler Zuschauer und anderer Interessierter.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 33

Während der österreichischen Präsidentschaft in der Europäischen Union hat Öster­reich einen Schwerpunkt auf die Kontakte mit Südamerika, mit Lateinamerika gelegt. In der Zwischenzeit gab es relativ viel an Kontakten, wirtschaftliche Beziehungen wurden verstärkt, bi-regionale Beziehungen wurden ausgebaut, wirtschaftliche Delegationen ha­ben in Südamerika Platz gefunden, viele Exporte gingen in diese Länder.

Meine Frage an Sie:

46/M

„Was sind die von Ihnen geplanten Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik in Lateinamerika?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Abgeordnete, wir werden die Kontakte, die da aufgebaut worden sind, selbst­verständlich weiterhin nutzen. Wir sind in einem regelmäßigen politischen Dialog mit Mexiko, Brasilien, Argentinien, Peru und Chile.

Was Kuba betrifft, werden wir den 2006 begonnenen politischen Dialog, in dem insbe­sondere über die unbefriedigende Menschenrechtssituation gesprochen wird, im Herbst dieses Jahres fortsetzen.

Ich darf Ihnen auch mitteilen – und ich glaube, das ist ein sehr positives Signal –, dass derzeit auch Vorbereitungen für den nächsten Gipfel der EU und der lateinamerikani­schen und karibischen Staaten im Frühjahr 2015 stattfinden. Dabei werden wir vor al­lem aus österreichischer Perspektive die Themen Menschenrechte, Frauenfragen und die Förderung von Demokratie einbringen.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zur 12. und letzten Anfrage, jener von Herrn Abgeordnetem Obernosterer. – Bitte.

 


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Grüß Gott, Herr Bundesminister! Sie er­leben ja momentan eine sehr intensive Zeit als Außenminister, ob das die Vorkomm­nisse in Europa oder in der restlichen Welt betrifft. Ihr diplomatisches Geschick und Ihr Gespür, verbunden mit der Fähigkeit, trotzdem die Position Österreichs klar zu erken­nen zu geben, tut Österreich und auch der österreichischen Wirtschaft gut.

Meine Frage lautet:

39/M

„Was konkret kann Österreich tun beziehungsweise was haben Sie konkret in Umset­zung Ihrer außenpolitischen Priorisierung des Westbalkans unternommen?“

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter, ich glaube, Österreich kann insbesondere in seinem geplanten Schwerpunkt, dem Westbalkan, sehr stark tätig sein.

Wir haben in den ersten Wochen im Außenministerium erleben müssen, dass neben den geplanten Schwerpunkten immer wieder auch ungeplante Schwerpunkte sehr viel Engagement einfordern können, wir fokussieren aber trotzdem sehr stark auf unseren außenpolitischen Schwerpunkt, den Westbalkan. Ich habe meine erste Reise ganz be­wusst auch als Zeichen für die Region nach Kroatien gemacht. Wir haben seither eini­ge Schritte in Unterstützung dieser Region setzen können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 34

Ein Erfolg war sicherlich die Verleihung des Kandidatenstatus an Albanien, aber auch die Westbalkan-Konferenz, die wir in Wien gemeinsam mit dem Erweiterungskommis­sar Füle durchführen konnten, hat der Region sicherlich auch ein Stück Hoffnung gege­ben, was die Annäherung an die Europäische Union betrifft.

Wir haben uns aber ganz bewusst auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit dazu entschieden, in dieser Region einen Schwerpunkt zu setzen, und haben die Mittel für die Region verdoppelt. Wir versuchen also, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die wir im Außenministerium haben, um in dieser Region weiterhin sehr stark tätig zu sein, da wir wissen, dass es unmittelbare Auswirkungen auf Österreich hat, wie diese Re­gion dasteht und ob es dort Stabilität und Sicherheit gibt oder nicht.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Bundesminister, Österreich ist ein Exportland. Wir wissen, von 10 € Umsatz gehen 6 € in den Export. Für die österreichi­sche Wirtschaft ist natürlich die Rechtssicherheit und auch die Absicherung der finan­ziellen Lage sehr wichtig. Ganz besonders aufgrund der Ereignisse am Westbalkan ist die Rechtssicherheit für Investitionen sehr wichtig.

Wie kann man die Wirtschaft dabei unterstützen?

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Wir unter­stützen ganz bewusst die Reformbemühungen in diesen Ländern, nicht nur, weil es gut für die Länder selbst ist, sondern auch in unserem ureigenen Interesse. Es gibt zahl­reiche österreichische Investitionen am Westbalkan, und da ist die Rechtssicherheit, wie du angesprochen hast, ganz zentral.

Wir setzen uns daher innerhalb der Europäischen Union für eine Beitrittsperspektive dieser Länder ein, weil eine Annäherung an die Europäischen Union oftmals der stärks-
te Reformmotor für diese Länder ist.

Zum Zweiten versuchen wir, auch mit unseren eigenen Möglichkeiten tätig zu werden. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit werden Gelder für die Förderung der Rechtsstaatlichkeit verwendet, aber auch in Kooperation mit dem Justizminister oder der Innenministerin gelingt es uns immer wieder, bei Twinning-Projekten oder auch bei anderen Projekten tätig zu werden, um die Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern zu fördern und um unsere Standards auch in diese Länder zu tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Herr Bundesminister. Es sind alle Fragen zum Auf­ruf gelangt und beantwortet worden.

Ich erkläre die Fragestunde damit für beendet.

10.12.32Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Karlheinz Kopf: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs.4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 1352/AB und 1353/AB

Beilagen zur Anfragebeantwortung: Zu 1332/AB


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B. Zuweisungen:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 561/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Reduktion der GIS Gebühren für sehbeeinträchtigen Menschen“

Antrag 562/A(E) der Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ein harmonisiertes Pensionssystem für alle Dienstnehmer in Österreich - egal, ob sie privat angestellt, öffentlich bedienstet oder Funktionär sind“

Antrag 563/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz - BGStG), BGBl. I Nr. 82/2005, geändert wird

Bautenausschuss:

Antrag 571/A(E) der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verzinsung von Eigenmitteln gemeinnütziger Wohnbauträger

Familienausschuss:

Antrag 565/A(E) der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ausreichende Berücksichtigung der unbezahlten Familienarbeit für Pensions­höhe

Gesundheitsausschuss:

Antrag 567/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Mag. Helene Jarmer, Dr. Mar­cus Franz, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend GuKG-Novelle für den Behindertenbereich

Antrag 568/A(E) der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Anonymisierter Fragebogen vor Schwangerschaftsabbruch“

Umweltausschuss:

Antrag 566/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ausstieg aus der Kohleverstromung

Unterrichtsausschuss:

Antrag 564/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ergänzung des Lehrplanes der Bildungsanstalten für Kinderpädagogik

Verfassungsausschuss:

Antrag 569/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Wahlrecht für in Österreich lebende Wohn- und UnionsbürgerInnen

Verkehrsausschuss:

Antrag 570/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Einheitliche Investitionsförderung von rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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Redezeitbeschränkung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 95, FPÖ 88, Grüne 74 sowie Team Stronach und NEOS je 39 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so beschlossen.

10.13.181. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (133 d.B.): Kündigung des Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäologi­schen Erbes (252 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


10.13.46

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Ich darf aus der Regierungsvorlage, die zur Debatte vorliegt, zitieren. Darin heißt es:

 „Am 16. Februar 1992 wurde das (revidierte) Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes in Valetta unterzeichnet und hat zum Ziel, das archäologi­sche Erbe als Quelle gemeinsamer europäischer Erinnerung und als Instrument für his­torische und wissenschaftliche Studien zu schützen.“

Weiter unten heißt es: „Es wird beabsichtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst das revidierte Abkommen zu unterzeichnen und zu ratifizieren, wofür jedoch eine Kündigung des Abkommens aus 1969 erforderlich ist.“

Es geht also in dieser Regierungsvorlage nur darum, ein internationales Übereinkom­men zu kündigen, das durch ein neues ersetzt und abgelöst wird. Inhaltlich geht es um das europäische archäologische Erbe. Meine Damen und Herren, ich denke, das ist ei­ne Konsensmaterie, ein vernünftiges Abkommen, das hier geschlossen wird, und ich ersuche Sie alle um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

10.15


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


10.15.18

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Kollege Amon schon ausgeführt hat: Es geht hier um die Kündigung eines internationalen Übereinkommens, das durch ein neues ersetzt wird, ausgearbeitet vom Kulturausschuss des Europarates. Das ist ein wichtiges Ab­kommen, damit auch künftige Generationen die Möglichkeit haben – ich möchte nicht sagen: in historischen Erinnerungen zu schwelgen –, die eigenen Wurzeln zu erken­nen.

Warum wir dieses nun schon in die Jahre gekommene Übereinkommen kündigen, hat Kollege Amon ausgeführt. Es liegt ein revidiertes Übereinkommen vor. Dieses Überein-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 37

kommen, das wir heute hier kündigen, hatte einen sogenannten Vorbehalt, weil zu die­ser Zeit in Österreich noch keine Ausführungsgesetze beschlossen wurden.

In den letzten Jahren wurden hier im Parlament Restitutionsgesetze erlassen. Daher werden wir, wenn das neue, revidierte Übereinkommen, das seit 1995 in verschiede­nen europäischen Ländern in Kraft ist, hier im Hohen Haus ratifiziert wird, keinen Vor­behalt mehr brauchen, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.)

10.16


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herrn Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


10.16.57

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es wurde das Wesentliche zu diesem Punkt schon gesagt. Eine Konvention wird aufgekündigt, um eine andere in Kraft treten lassen zu können. Da geht es um die Verbesserung des Schutzes archäologischer Funde, keine Frage.

Was sind die interessanten Punkte? – Auf der einen Seite, dass das Ergraben selbst noch nicht alles ist. Die historischen Artefakte und Kulturgüter müssen ja auch kontex­tualisiert werden, wissenschaftlich eingeordnet werden und entsprechend fachkundlich bewahrt werden. Das wird dadurch besser abgesichert.

Das Zweite: Optionale Fundstätten müssen in allen Raumplanungen, Architekturpla­nungen et cetera berücksichtigt werden.

Das sind die wesentlichen Änderungen, so wie ich sie erfasst habe. In Österreich funk­tioniert das ja ohnehin im Allgemeinen, auch ohne große gesetzliche oder konven­tionelle Vorgaben. Allerdings ist im Regierungsprogramm auch vorgesehen, das Denk­malschutzgesetz zu novellieren, und daher ist es gut, dass diese Dinge jetzt be­schlossen werden, um das dann auch dementsprechend gesetzlich abzusichern und zu berücksichtigen.

Meine Kritik bezieht sich jedoch erstens darauf, dass das nicht im Kulturausschuss ver­handelt worden ist, und zweitens, Herr Minister, möchte ich Sie dazu noch etwas fragen: Die Konvention liegt seit 22 Jahren auf, und seit 19 Jahren kann man sie, glau­be ich, auch ratifizieren. Sie können nichts dafür, bei Ihnen geschieht es ja jetzt, aber vielleicht können Sie uns irgendeinen sachdienlichen Hinweis geben, warum das bis jetzt so lange hat warten müssen. Da ja ohnehin immer alle Parteien dafür waren, wür­de mich das interessieren. Sonst habe ich dazu nicht zu sagen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.18


Präsident Karlheinz Kopf: Vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


10.19.00

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Auf den ersten Blick und aufs erste Lesen er­scheint ein Tagesordnungspunkt, bei dem es um die Kündigung eines Abkommens zum Schutz des archäologischen Erbes geht, zumindest ein bisschen eigenartig. Wenn man dann allerdings genauer nachfragt und die Auskunft erhält, es geht nur um die Kündigung, damit man einen neuen Vertrag ratifizieren kann, der schließlich bereits seit 1992 in Kraft ist, dann ist man beruhigt.

Es bleibt dann noch die Frage – und die hat Herr Kollege Zinggl ja schon gestellt –: Warum so spät? Aber: Warum auch immer, sich diesem Thema zu widmen, ist sicher wichtig. Wir haben ein hochwertiges und wichtiges archäologisches Erbe, und es geht – das ist auch schon gesagt worden –, darum, Geschichte zu bewahren und For­schung zu ermöglichen.


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Was wird sich ändern? Was wird anders werden? – Nicht extrem viel, weil wir in der Praxis zum Teil schon den Forderungen entsprochen haben, die in Valletta erhoben worden sind.

Es gibt jetzt schon eine sehr gute Vernetzung verschiedener Behörden zur Sicherung des archäologischen Erbes. Beispielsweise besteht bereits jetzt die Verpflichtung, dass im Rahmen der UVP vor Inanspruchnahme großer Bauvorhaben umweltrelevante Fra­gen auf der einen Seite zu klären sind, aber auch eventuelle archäologische Fundstel­len miteinzubeziehen sind. So quasi, theoretischerweise, wenn jemand eine Brücke über die Enns bauen will und die Straße in die A 1 münden soll, dann muss sicherge­stellt werden, dass bei den Planungen auf die Zivilstadt Lauriacum und alle eventuell noch vorhandenen und noch nicht freigelegten Fundstellen Rücksicht genommen wer­den wird.

Das funktioniert jetzt schon sehr gut, das heißt, es wird auch so bleiben. Es ist eine sehr positive Beschlussfassung, die wir heute vornehmen, die eben nicht Selbstzweck ist, sondern es geht im Sinne des Geschichtsverständnisses dieser und späterer Gene­rationen einfach um die Frage, dass das ein Gebot der Fairness ist. Dies ist sicherzu­stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.21

10.20.57

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 133 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.21.342. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 419/A(E) der Abge­ordneten Mag. Christine Muttonen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Bemühungen der österreichischen Bundesregierung im Be­reich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen (253 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr KIubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


10.22.05

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich halte diesen Antrag, den Kollegin Muttonen und ich eingebracht haben, deshalb für so wichtig, weil wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen müs­sen, welche Riesensummen an Geld im Bereich der Atomwaffen gebunden sind. Allein die USA geben für Kernwaffen weit mehr aus – nur für Kernwaffen –, als wir an Jah­resbudget zur Verfügung haben. Wir haben unser Jahresbudget ja erst vor Kurzem be­schlossen. Wenn man dann in Richtung Entwicklungsländer wie etwa Pakistan blickt, dann merkt man eigentlich, welcher Irrsinn heute noch auf der Tagesordnung steht: hungernde Menschen einerseits, andererseits Milliarden für Atomwaffen.

Daher ist es wichtig, dass Österreich immer wieder Initiativen setzt, unser Außenres­sort ist diesbezüglich auch sehr aktiv. Österreich gehört innerhalb der Staatengemein-


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schaft zu jenen Ländern, die ihr Hauptaugenmerk auf den Kampf gegen die Atom­waffen legen. Atomwaffen sind eine Kategorie für sich, nicht vergleichbar mit anderen Massenvernichtungswaffen. Wenn Atomwaffen zur Anwendung kommen, töten sie einfach alles. Das, was Atomwaffen an Schaden anrichten, bleibt auf Jahrzehnte sicht­bar. Daher ist es wichtig, Initiativen zu setzen, und Österreich ist da sehr aktiv.

Das Entscheidende für mich ist es, weil man nicht von heute auf morgen weltweit alle Atomwaffen wird beseitigen können, konkrete Schritte zu setzen, und zu solchen kon­kreten Schritten zählt eben die Schaffung von Zonen, die atomwaffenfrei sind. Die Bun­desregierung hat mit Norwegen und Mexiko Partner, mit denen sie sich gemeinsam dafür einsetzt, tatsächlich Fortschritte zu erzielen. Es gibt immer wieder Konferenzen, die wir unterstützen, um zu Fortschritten zu kommen. Eine derartige Konferenz wird auch am 8. und 9. Dezember bei uns in Wien stattfinden; in Oslo und in Mexiko waren bereits solche Konferenzen.

Der entscheidende Punkt ist, dass man diesen Kampf nicht aufgibt, dass wir alles dafür tun, wenn es auch mühsam ist, Fortschritte zu erreichen, denn das Leid, das Atom­waffen verursachen, ist mit keinem anderen Leid vergleichbar. Ich bitte daher – um meine Redezeit kurzzuhalten – alle Fraktionen, diesem Antrag ihre Unterstützung zu geben. Es sollte ein gemeinsamer Kampf sein, der von allen Fraktionen hier im Parla­ment unterstützt wird. Ich hoffe, dass uns auch möglichst viele Staaten weltweit in die­sem Kampf gegen die Nuklearwaffen unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

10.25


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


10.25.56

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Bereits seit 1968 gibt es den Atomwaffensperrvertrag. In diesem Vertrag verzichten die atomwaffenfreien Staaten darauf, Kernwaffen anzu­schaffen. Als Gegenleistung haben die Atomwaffenstaaten versprochen, sich auf einen Prozess zur vollständigen Vernichtung der eigenen Arsenale zu einigen. Es sind jetzt beinahe 50 Jahre vergangen seit der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages, 25 Jahre seit Beendigung des Kalten Krieges, 69 Jahre seit den furchtbaren Explo­sionen in Hiroshima und Nagasaki – und noch immer haben die Atomwaffenstaaten ih­ren Teil des Vertrages nicht erfüllt, noch immer werden Atomwaffenbestände moderni­siert und nicht zerstört, noch immer ist die atomare Abschreckung Teil der NATO-Doktrin und noch immer halten die Atommächte rund 2 000 Atomraketen auf hoher Alarmstufe bereit, die sie in wenigen Minuten abfeuern könnten. Auch die Gefahr einer nuklearen Explosion, ausgelöst durch den Staat oder durch Terroristen, absichtlich oder durch Unfall, ist nicht geringer, sondern eher größer geworden.

Norwegen, Mexiko und Österreich haben jetzt gemeinsam eine neue Initiative angesto­ßen, die international als enorm wichtig angesehen wird. Es gibt Konferenzen vor allem auch zu den humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen, die riesigen Zu­spruch gefunden haben. Sie klären nicht nur weltweit öffentlich über die gewaltigen Ge­fahren auf, sondern sie verpassen der festgefahrenen Abrüstungsdebatte auch eine neue Dynamik vor allem mit Hilfe der Zivilgesellschaft und erhöhen damit den Druck auf die Atomwaffenstaaten, sich endlich zu bewegen.

Dieser neue Schwung und dieser neue Druck müssen erhalten bleiben. Daher ist es auch so wichtig, dass diese Konferenz, die im Dezember in Wien stattfinden wird, ein Erfolg wird. Es ist wichtig, dass das Parlament ein eindeutiges Signal und, wenn mög­lich, ein einstimmiges Zeichen setzt. Dadurch machen wir deutlich, dass die Regierung,


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wenn sie sich für diesen Bereich einsetzt, die volle Rückendeckung des Parlaments hat, und wir unterstützen unsere zuständigen Diplomaten, die hervorragende Arbeit leisten, mit unserer gemeinsamen Kraft und Energie. Ich glaube, das kann international durchaus viel bewirken. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


10.28.52

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich kann Kollegen Lopatka und natürlich auch Kollegin Mut­tonen nur vollinhaltlich zustimmen. Was die beiden sagen, ist alles richtig, moralisch gefragt und auch sinnvoll. Das zeigt mir auch, dass sie diesen Antrag offenbar nicht formuliert haben, Gott sei Dank nicht formuliert haben. Wir werden zwar zustimmen, aber es sind Formulierungen darin zu finden, die fast zynisch sind. So zum Beispiel – bitte zuhören! – „Der Nutzen von Atomwaffen steht () in keinem Verhältnis zu den () Gefahren und Risiken.“

Was bitte ist der „Nutzen“ von Atomwaffen? Der Nutzen, dass man möglichst rasch und billig Massen von Menschen, nicht diskriminiert, töten kann? (Zwischenruf der Abg. Muttonen.) Warum müssen wir in einem Beschluss unseres Nationalrates vom „Nut­zen“ der Atomenergie reden? (Abg. Lopatka: Das ist eine unglückliche Formulierung, ja!) – Das ist wahrlich eine unglückliche Formulierung. Ich ersuche daher, vielleicht in einer Blitzaktion dieses Wort noch aus dem Antrag zu entfernen, dann wäre mir viel wohler.

Das Zweite: Zonen frei von Massenvernichtungswaffen. Auch das ist eine etwas zyni­sche Sache. Ich weiß, das ist ein Lieblingswort der Atommächte. Damit kann man sich von der Nichteinhaltung der 50 oder 55 Jahre alten Verpflichtungen ein bisschen da­vonstehlen.

Haltet den Dieb! Machen wir eine atomwaffenfreie Zone in Mittelamerika oder auf der arabischen Halbinsel, aber reden wir nicht! – Das halte ich für problematisch, dass wir dieses Argumentarium der Atomwaffenfans übernehmen. Da wäre meiner Ansicht nach Handlungsbedarf gegeben. Ich glaube, dass dieser Punkt 2 gestrichen werden sollte, denn das ist kein Fortschritt, sondern ein Weg, über die wahren Dinge nicht zu sprechen und den Atommächten, allen voran den USA, die Möglichkeit zu geben, vom eigenen Fehlverhalten abzulenken. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eines sollte natürlich auch nicht unerwähnt bleiben, eine wichtige Sache, die wir uns wenigstens bewusst machen sollten: Eine der größten, eigentlich die größte Atomla­gerzone weltweit ist Europa, und zwar das Gebiet der Europäischen Union. Es gibt zwei Länder, die selbst produzieren und modernisieren, nämlich Frankreich und Eng­land, vor allem Frankreich, und es gibt das größte Lager amerikanischer Atomwaffen, nämlich unseren Nachbarstaat, die Bundesrepublik Deutschland. Das weltweit dritt­größte atomare Massenvernichtungsarsenal befindet sich außerhalb des Zugriffs der Europäischen Union und natürlich außerhalb des Zugriffs der deutschen Regierung auf deutschem Gebiet.

All diese Dinge sollten wir berücksichtigen. Ich meine, es gibt genügend Handlungs­bedarf vor unserer eigenen Tür, wenige hundert Kilometer vor unseren großen Bevöl­kerungszentralen (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen), und weniger in atom­waffenfreien Zonen in Gebieten, wo ohnehin niemand Atomwaffen hat, sie niemand herstellen will und auch nicht herstellen kann.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 41

Wir werden also zustimmen, ersuchen aber, zumindest die zynische Formulierung vom „Nutzen der Atomwaffen“ aus dem Antrag zu entfernen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


10.32.16

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Friedenspolitik aktiv zu betreiben ist mit Sicherheit eine schwierige Herausforderung, weil es um einen allumfassenden Ansatz gehen muss. Es geht nicht nur um die Debatte, wie denn tatsächlich Nuklearwaffen abgerüstet werden können und wie denn tatsächlich ein nuklearer Frieden im militärischen Sinn herbei­geführt werden kann. Es geht auch darum, wie denn soziale Gerechtigkeit tatsächlich umgesetzt werden kann, wie denn der Nord-Süd-Dialog wirklich vonstattengehen kann, wie es denn möglich werden kann, Energie nicht atomar zu beziehen und ohne die zi­vile Nutzung von Atomenergie tatsächlich den Klimawandel einzuleiten. Das heißt, Friedenspolitik aus einem allumfassenden Blickwinkel gesehen ist auch die Aufgabe der Regierung. Der vorliegende Antrag ist mit Sicherheit ein richtiger Schritt in die rich­tige Richtung.

Das Außenministerium ist schon seit Jahren sehr bemüht, all das, was die Abrüstung und die nukleare Waffenproduktion und -industrie anlangt, im militärischen Sinn, nicht nur zu thematisieren, sondern tatsächlich auch zu verhindern und abzubauen. Es gibt seit Jahren gute diplomatische Beziehungen. Ich glaube, dass auch die Konferenz im Dezember eine sehr gute Möglichkeit ist, Österreich wieder in die Mitte zu rücken, frie­denspolitisch in die Mitte zu rücken, als neutrales Land in die Mitte zu rücken, und zu sagen: Wir sind tatsächlich der richtige Ort, um das alles zu diskutieren.

Dennoch muss gesagt werden, dass es in der Friedenspolitik und auch in der Gemein­samen Außenpolitik nicht nur um Nuklearwaffen gehen kann, sondern auch um alle möglichen Formen der Waffenproduktion, der Rüstungsindustrie und auch des Rüs­tungsexportes. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Minenproblematik in Bosnien-Herzegowina noch lange nicht gelöst ist. Gerade nach den Überschwemmungen und dem Hochwasser haben sich die Minenstandorte verändert, befinden sich auch irgend­wo im Wald, wo Familien, wo auch Kinder Brennholz für ihr Zuhause, Brennholz für die Kochstelle sammeln. Es ist extremst gefährlich, die Situation in Bosnien-Herzegowina in Bezug auf die Minen so zu belassen, wie sie ist. Ich rufe Sie einmal mehr auf, in die­sem Sinne tatsächlich noch mehr aktiv zu werden, auch das österreichische Bundes­heer in seinem Auslandseinsatz zu unterstützen, finanziell zu unterstützen, die Men­schen dort zu unterstützen, damit die Minen in Bosnien-Herzegowina endlich geräumt werden. Das ist zwanzig Jahre nach Kriegsende endlich Gebot der Stunde. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sehr gut herausgearbeitet, finde ich – und ich freue mich auch schon auf die Rückmel­dungen des Ministers selbst –, ist, und das steht ganz klar in der Entschließung, dass sich Österreich, die Bundesregierung, der Außenminister gegenüber der NATO und deren Mitgliedstaaten ganz klar dafür auszusprechen haben, dass die nukleare Ab­schreckung aus der NATO-Doktrin gestrichen wird. Das kann ich nur zu 100 Prozent unterstreichen. Das ist eine hervorragende Forderung und wahrscheinlich auch ein hervorragender Weg für das Außenministerium, friedenspolitisch tatsächlich Akzente setzen zu können. Ich denke, das Parlament wird Sie, Herr Außenminister, unter­stützen, keine Frage, aber ich frage mich, wie Sie das dann bewerkstelligen wollen, ob Sie dann in jedem bilateralen Gespräch tatsächlich darauf hinweisen werden; Sie wis­sen genau, Europa besteht fast nur aus NATO-Ländern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 42

Ich denke, es ist wichtig, die Aufrüstung der NATO-Länder, auch die Aufrüstung in Richtung des geografisch liegenden Ostens ganz klar anzusprechen und ganz klar he­rausstreichen zu lassen, dass die nukleare Abschreckung im Jahr 2014 tatsächlich nichts mehr verloren hat. (Beifall bei den Grünen.)

10.36


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


10.36.30

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Die in diesem Antrag genannten Bemühungen um die Abrüstung und die Nichtverbreitung von Kernwaffen sind vorbehaltlos zu unter­stützen. Früher waren es zwei Großmächte, die einander gegenüberstanden, heute ha­ben wir eine beachtliche Anzahl von Gruppierungen mit unterschiedlichen Motiven, von denen eine aktuelle Bedrohung ausgeht. Sie alle versuchen, in den Besitz von Kern­waffen beziehungsweise Kernwaffentechnologie zu gelangen. Wir müssen verhindern, dass Kernwaffen in die Hände von Terroristen oder religiösen Fanatikern gelangen. Das kann nur durch die konsequente Umsetzung und die damit verbundene Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde geschehen. Das Entstehen neuer Atom­mächte muss um jeden Preis verhindert werden. (Beifall beim Team Stronach.)

Der erste Atomsperrvertrag wurde 1968 unterzeichnet. Jetzt ist es höchste Zeit, dass diese Bestrebungen nach mehr als 45 Jahren endlich umgesetzt werden. Wir hoffen, dass damit die Bedrohung durch Kernwaffen für uns und für die nachfolgenden Gene­rationen endlich ein Ende findet. Deshalb müssen wir uns konsequent und zielstrebig dafür einsetzen, dass die Einhaltung des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages und die Verhandlungen für ein Verbotsabkommen vorangetrieben werden. Denn mit jeder An­wendung nuklearer Technologien steigt die Gefahr, dass dieses Wissen in die falschen Hände gerät. Die Folgen wären für uns alle undenkbar.

Insbesondere das Spannungsfeld im Nahen Osten und im Mittleren Osten beobachten wir mit großer Sorge. Dort muss dafür gesorgt werden, dass eine atomwaffenfreie Zo­ne eingeführt wird. Die Schaffung von kern- und massenvernichtungswaffenfreien Zo­nen ist maßgeblich wichtig für den Friedensprozess und muss deshalb unter der Füh­rung unvoreingenommener Vermittler aufgerollt werden.

Aus diesen Aspekten unterstützen wir den Antrag und sind zuversichtlich, dass so wie im Ausschuss auch alle anderen Parteien hier im Hause das Gleiche tun. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Heinzl.)

10.38


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


10.39.03

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Hypo-Zahler und Hypo-Zahlerinnen auf den Zuschauerrängen und vor den Bildschirmen! SPÖ/ÖVP bringen einen Entschließungsantrag zu – ich zitiere – den „Bemühungen der österreichischen Bundesregierung im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen“. Darin enthalten ist unter anderem die Aufforde­rung, die Regierung möge doch bitte die NATO davon überzeugen, der Verteidigungs­doktrin der nuklearen Abschreckung abzuschwören.

Na ja, es bleibt dahingestellt, wie Österreich als Nicht-NATO-Mitglied und angesichts seiner allgemeinen Kompetenz in militärischen Fragen da erfolgreich sein wird. Ich wünsche Ihnen, Herr Minister, viel Erfolg. Aber vielleicht hat Österreich aufgrund seiner de facto fast vollständigen Abrüstung als Folge des finanziellen Aushungerns des Bun­desheeres in Sachen Abrüstung eine gewisse Glaubwürdigkeit.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 43

Na gut – nukleare Abrüstung ist natürlich zu befürworten. Sogar die traditionellen Nu­klearmächte bekennen sich zur nuklearen Abrüstung, auch wenn sie es nur sehr zö­gerlich umsetzen. NEOS wird daher selbstverständlich den Antrag unterstützen.

Es bleibt aber schon der Eindruck, dass solche No-na-Anträge eher als Ablenkung von der Weigerung dieser Regierung dienen, Taten zu setzen – Taten, die im Einflussbe­reich Österreichs liegen, im Gegensatz zu den von der Realität vollkommen abgeho­benen Vorstellungen über den Einfluss Österreichs auf die NATO-Militärdoktrin oder unsere Schützenhilfe für den US-Steuerzahler, der ja so sehr unter den US-Ausgaben leidet. – Wir sollten besser unseren eigenen Haushalt kontrollieren!

Das reiht sich ein bisschen nach dem Garnelen-no-na-Antrag ein, den wir gestern be­sprochen haben. Was passiert da? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da wird im Ausschuss ein Antrag für Initiativen zur Abschaffung der Todesstrafe im Iran blockiert, da wird die vollständige Umsetzung – in Österreich, wohlgemerkt – der Kinderrechtskonvention ab­gewürgt, da wird ein Antrag betreffend die massiven Menschenrechtsverletzungen in Russland schubladisiert – wir wollen ja unseren Freund Putin nicht vor den Kopf sto­ßen –, und dann am Ende wird hier lang und breit über die Notwendigkeit einer Initia­tive debattiert, der Sklaverei auf Fischkuttern in thailändischen Gewässern ein Ende zu setzen.

Ein paar Tage später kommt dieser No-na-Antrag ins Plenum, er wird diskutiert und natürlich einstimmig angenommen. Alle gehen mit dem Gefühl nach Hause, Österreich hat hier einen wichtigen Schritt in Sachen Umsetzung der Menschenrechte gesetzt (Abg. Heinzl: Hat es ja auch, Herr Kollege!)  nicht in Österreich oder nicht im Umfeld von Österreich, aber weit weg in Fernost, risikolos, belanglos, nutzlos.

Ähnlich ist es vielleicht auch mit diesem Antrag: hehre Worte, Konferenzen, alles Mög­liche. Wie steht es aber mit den Taten Österreichs?  Ich möchte auf die Ukraine zu­rückkommen, die auch im Antrag erwähnt wird. Es ist interessant, die Ukraine ist näm­lich ein Fall der vollständigen nuklearen Abrüstung. Die Ukraine hat nach dem Zerfall der Sowjetunion das drittgrößte Lager an Atomwaffen geerbt. Und die Ukraine hat die­ses Lager freiwillig zum Teil zerstört oder an Russland geschickt, im Gegenzug für die Garantie der territorialen Integrität, vereinbart im Budapester Memorandum von Russ­land, Großbritannien und den USA.

Und was ist passiert?  Die Krim wird annektiert, Sewastopol wird annektiert, und Ös­terreich hofiert Herrn Putin durch einen großen Staatsbesuch. Das sind die Schritte, die Österreich setzt. Das ist schon bedenklich, denn die Möchtegern-Nuklearmächte ha­ben sich das genau angeschaut und werden sich ihren Teil dazu denken, wie viel wert solche Verträge, Konferenzen sind, wenn dann die Tatsachen ganz anders ausschau­en und dieselben Länder, wie Österreich, die darauf pochen, doch beschwichtigend agieren und es eigentlich praktisch akzeptieren.

Trotzdem möchte ich eines erwähnen: Dieser Antrag hat eine kleine Chance, nicht ganz zahnlos zu sein. Herr Minister, es finden heute noch in Wien die Verhandlungen, bis zum 20. Juli, zwischen den P5+1-Staaten und dem Iran eben über das Atompoten­zial Irans statt. Man weiß noch nicht, wie sie ausgehen werden. Höchstwahrscheinlich wird die Frist verlängert. Höchstwahrscheinlich wird es dazu kommen, dass die Ver­handlungen um weitere sechs Monate verlängert werden. Und da wird es ganz interes­sant sein, wie Österreich handelt.

Ich appelliere hier an die österreichische Regierung, die richtigen Taten zu setzen be­ziehungsweise auch die richtigen Unterlassungen! Insbesondere glaube ich, dass es, solange es kein Abkommen zwischen dem Iran und den P5+1-Mächten gibt, nicht an­gemessen wäre, den Herrn Bundespräsidenten nach Teheran zu schicken.  Danke vielmals. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Köchl und Franz.)

10.44



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 44

Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


10.45.02

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Herr Kollege Vavrik, nur noch einmal zur Erinnerung: Es gab keinen „Gar­nelen-Antrag“ hier im Haus, sondern es ging um die Ächtung von Menschenhandel und Sklaverei. Und ich finde das eigentlich zynisch, wie Sie das dargestellt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich möchte noch etwas sagen: Ich sehe das nicht so, dass derartige Anträge keine Wir­kung entfalten können. Ich erinnere mich sehr gut, im Jahr 1995 stellte bei einer Frage­stunde an den damaligen Außenminister Wolfgang Schüssel die SPÖ-Abgeordnete Irm­traut Karlsson die Frage, wie es denn Österreich mit den Anti-Personen-Minen hand­habe. Und der Außenminister sprach sich damals, zugegebenermaßen für einige sehr überraschend, für eine völlige Ächtung von Anti-Personen-Minen auch im Bereich des österreichischen Bundesheeres, denn auch Österreich verfügte über derartige Waffen, aus.

Das Ergebnis war, dass wir dann ein Bundesgesetz über das Verbot von Anti-Perso­nen-Minen hier im Haus verhandelt haben, das das strengste Anti-Personen-Minen-Gesetz der Welt wurde und die Grundlage für den internationalen Ottawa-Vertrag bot, der von österreichischer Seite massiv vorangetrieben wurde und dem unzählige Staa­ten der Welt beigetreten sind.

Ich glaube daher, dass es nicht ausreicht, einfach zu sagen: Es hat keinen Sinn, wir können auf der internationalen Weltbühne nichts bewegen und deswegen kümmern wir uns gleich gar nicht darum! Ich glaube, das Gegenteil muss der Fall sein. Wir müssen uns einmischen, und das gilt natürlich auch hier für den Bereich der Atomwaffen! Das ist unzweifelhaft so. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Steinbichler.)

Dass diese Waffen im Gegensatz zu chemischen und biologischen Waffen keine derar­tige internationale Ächtung erfahren haben, liegt natürlich daran, dass die Großmächte über derartige große Waffenarsenale verfügen. Der einzige Nutzen, den man aus die­sen Arsenalen ableiten kann, ist möglicherweise die Abschreckung, aber die Formulie­rung ist dennoch unglücklich. Deshalb wird auch da bereits an einer Abänderung ge­arbeitet.

Insgesamt halte ich es für notwendig, dass sich auch ein Land, das vielleicht macht­politisch nicht im Zentrum der Weltpolitik steht, aber dennoch hohe Glaubwürdigkeit bei der Verteidigung der Menschenrechte und der Friedenspolitik hat, selbstverständlich gegen die Verbreitung, gegen die Verwendung und gegen den Besitz von Atomwaffen ausspricht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


10.47.42

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Am 16. Juli 1945, also vor fast 69 Jahren, wurde in den USA die erste Atombombe im Rahmen des sogenannten Trinity-Projekts gezündet. Die neue Waffe gefiel, vor allem den Militärs, und nur vier Wochen später wurden Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben völlig vernichtet. Die Druckwelle von „Little Boy“ zerstörte in Hiroshima alle Gebäude im Umkreis von zwei Kilometern. Die Hitze des Feuerballs verbrannte Menschen bei lebendigem Leib zu Staub. Zehntausende leiden bis heute an den Folgen der Strahlung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 45

Die Sprengkraft der Bombe von Hiroshima war eigentlich gering, im Vergleich zu der Sprengkraft anderer Bomben, die in den Jahren und Jahrzehnten danach gebaut wur­den. Berechnungen, sehr geehrte Damen und Herren, gehen davon aus, dass es um die 50 Atombomben wie in Hiroshima bräuchte, um die Menschheit und sämtliche Pflanzen und Tiere durch einen nuklearen Winter auszurotten. Derzeit gibt es weltweit mindestens 17 000 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Man braucht aber nicht von den schlimmsten möglichen Szenarien eines Atomkrieges auszugehen, um sich darüber im Klaren zu sein, dass eigentlich jede Atomwaffe eine zu viel ist und eine reale Gefahr für die gesamte Menschheit darstellt. Die humanitären Auswirkungen einer einzelnen Ex­plosion wären verheerend. Hunderttausende, ja sogar Millionen Menschen wären da­von betroffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Sorge, dass ein Atomsprengkopf in falsche Hände gerät, ist aus meiner Sicht nicht die einzige Gefahr. Technische Syste­me können versagen. Es kann zu einem Unfall kommen, oder Überwachungssysteme reagieren einfach falsch und fehlerhaft und melden zum Beispiel den Erstschlag des Gegners, der nie stattgefunden hat.

So wie es schon geschehen ist: Ich möchte daran erinnern, was 1983 in der UdSSR passiert ist. Damals hat sich der diensthabende russische Offizier Stanislaw Petrow entschieden, den Warnungen des Computers nicht zu vertrauen. Wenn seine Ent­scheidung damals anders gelautet hätte, säßen wir alle, wie ich meine, heute nicht hier.

Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen, wo die Menschheit in den letzten 69 Jahren knapp an einer nuklearen Vernichtung vorbeigeschrammt ist; und in Bezug auf Atom­waffen gibt es sicherheitspolitisch nur eine richtige Antwort, und ich glaube, da sind wir uns hier in diesem Hohen Haus alle einig, und die Antwort lautet: Sofortige, totale und bedingungslose Abrüstung!

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist ein Land, das berechtigterweise sogar der zivilen Nutzung von Atomkraft ablehnend gegenübersteht, und hat diese Haltung international immer aktiv vertreten. Wir sind mit dieser wichtigen Botschaft nicht allein. Herr Kollege von den NEOS, auch Norwegen und Mexiko zum Beispiel sind stark be­müht, dass die Bedingungen des Atomwaffensperrvertrages aus dem Jahr 1970 end­lich von allen Staaten akzeptiert und umgesetzt werden.

Das Engagement Österreichs, in Kooperation mit den beiden anderen genannten Staa­ten, der Abrüstungsdebatte wieder neuen Auftrieb und Antrieb zu verleihen, ist aus­drücklich zu begrüßen. Sehr geehrte Damen und Herren, die für Dezember angekün­digte Konferenz zu den humanitären Folgen von Atomwaffen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer atomfreien und hoffentlich friedlicheren Welt. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Diesner-Wais.)

10.51


Präsident Karlheinz Kopf: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: Herr Ab­geordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


10.52.11

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann mich gut erinnern: Othmar Karas als Jugendvorsitzender, ich als Jugendvorsitzender, wir haben bei der großen Friedensdemonstration in Wien gesprochen, vor 70 000 Teilnehmerin­nen und Teilnehmern. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das war am Höhepunkt des Kalten Krieges, als es darum ging, das Wettrüsten zu beenden, als die Amerikaner Pershing 2 und Cruise Missiles stationieren wollten und auch stationiert haben und die Sowjet­union damals SS 20. Die Bedrohung ging damals auch von der nuklearen Bestückung der Raketen, von den Unterseebooten aus.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 46

Europa war damals im Zentrum, und Österreich war im absoluten Zentrum dieses Kon­fliktes und dieser Konfrontation. Und wenn es hier zu einer nuklearen Auseinander­setzung gekommen wäre, hätte das zur totalen Vernichtung nicht nur Österreichs, son­dern des europäischen Raumes auf beiden Seiten geführt. Deswegen hat es diese Friedensbewegung in vielen, vielen europäischen Ländern gegeben, auch in der dama­ligen DDR, „Schwerter zu Pflugscharen“, auch in der Sowjetunion und natürlich dann auch in Deutschland mit den Großdemonstrationen in Bonn. Dies auch deshalb, weil dort, vor allem in den beiden deutschen Staaten, zum damaligen Zeitpunkt der Kern­punkt der Stationierung dieser nuklearen Waffen war.

Deswegen ist es so berechtigt, dafür einzutreten, dass es zu dieser Abrüstung, zu die­ser Ächtung, zu dieser Folge von Konferenzen kommt, weil Ressourcen vergeudet werden, weil es in Wahrheit zu Kosten kommt, die zulasten von sozialen Investitionen und ökologischen Investitionen und so weiter gehen, und weil das ein ungeheures Risi­kopotenzial ist, mit Folgen, die weit über Generationen hinausgehen.

Europa ist nach wie vor ein Lager von Nuklearwaffen. Es ist jetzt aber so, dass es aufgrund der Verbreitung natürlich auch um Pakistan, den Nahen Osten geht, wo jetzt aktuell dieses Thema ein konkretes ist, weil es darum geht, dass diese atomwaffenfreie Zone in einem der explosivsten Gebiete zu erkämpfen versucht wird. Es geht natürlich auch, wie schon gesagt, um Pakistan, selbstverständlich aber auch um Europa, denn hier leben wir – global wäre das natürlich am allerbesten.

Jetzt möchte ich auf einen Satz in dem Entschließungsantrag eingehen. Das ist übri­gens auch der Grund, warum wir so sensibel waren, was die Sprache in diesem Kon­flikt Ukraine, Zentraleuropa, Russland, USA betroffen hat: weil das teilweise wieder diese Kalte-Kriegs-Rhetorik hatte, die wir nicht brauchen, da diese dann zum Schluss wieder zum Wettrüsten und zur Stationierung von Atomraketen in Europa führt, die dann auch aufeinander gerichtet sind. Das kommt nämlich noch dazu, und deswegen dieses Engagement.

Der Satz steht in der Begründung zu diesem Entschließungsantrag, er wird jetzt nicht beschlossen. Zu Recht hat der Abgeordnete Hübner hier, neben mehreren anderen Punkten, sehr klug darauf hingewiesen, weil es, glaube ich, auch wichtig ist, dass wir uns dessen bewusst sind. Wir hatten es auch im Außenpolitischen Ausschuss, da hat es nicht zu dieser Debatte geführt, aber deswegen gibt es ja die Plenardiskussionen, dass man das eben dann hier erörtert.

Dieser Satz lautet folgendermaßen: „Der Nutzen von Atomwaffen steht damit in keinem Verhältnis zu den enormen Gefahren und Risiken.“ Dieser Satz ist ein Satz, der ge­meint hat, dass der sogenannte militärische Nutzen in keinem Verhältnis dazu steht – in einer zugegeben etwas populären Formulierung. Man hätte das mit Sicherheit an­ders formulieren können, aber es ist garantiert nicht so gemeint, dass Nuklearwaffen überhaupt irgendeinen Nutzen haben, sondern das ist ein behaupteter Nutzen von Militärs, gemeinsam mit der Nuklearindustrie, die das wollen, aus den verschiedensten Motiven und Gründen  die von uns natürlich abzulehnen sind, das ist ja überhaupt kei­ne Frage. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Team Stro­nach.)

Das bitte auch zu Protokoll zu geben, dass das auch wirklich die Meinung aller 183 Ab­geordneten hier ist!

Ich schließe damit, weil der Abgeordnete Heinzl auf etwas hingewiesen hat, worüber diese Nutzendebatte geführt wurde, nämlich auf Hiroshima und Nagasaki – genau das war es, Hiroshima und Nagasaki –: Da hat es dann geheißen, dass der Nutzen dessen, dass dort Hunderttausende gestorben sind, Hunderttausende Kollateralschäden hat-
ten, wie das so zynisch heißt, die über Generationen gegangen sind, gewesen sei, dass der Krieg früher aus war und man damit Menschenleben gerettet habe.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 47

Das ist die Nutzendebatte, und das ist damit gemeint, nämlich kritisch gemeint, dass dies damals in der Form hier geführt wurde und es nicht wenige gegeben hat in Euro­pa, die dazu entweder nichts gesagt haben oder das teilweise halt als Teil dieses Kampfes gegen Japan und gegen den Hitlerfaschismus und so weiter verstanden ha­ben. Albert Camus hat das damals kritisiert und andere, die sich da engagiert haben, in Widerstandsschriften, Zeitungen und Magazinen. (Präsident Hofer übernimmt den Vor­sitz.)

Das ist, was man problematisieren soll: Dass es absolut keinen wie immer gearteten Nutzen gibt und dass es Zeit wird, dass wir diesen Weg fortsetzen, den die Friedens­bewegungen begonnen haben, die über Jahrzehnte zurückreichen. Das war ja nicht nur in den achtziger Jahren oder in den siebziger Jahren, sondern geht weit, weit zu­rück. Ich glaube, es ist aktueller denn je, dass wir diesen Weg fortsetzen, und ich bitte darum, dass das ganze Haus hier dem auch zustimmt! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.57

10.57.20

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 253 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend die Bemühungen der österreichischen Bun­desregierung im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 37.)

10.58.003. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (183 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Personalvertretungsgesetz geändert wird (257 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


10.58.21

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es geht um eine Novelle zu einem Gesetz, das die Ver­tretungsrechte der öffentlich Bediensteten auf Bundesebene regelt. Lassen Sie mich gleich zu Beginn, weil es, glaube ich, zumindest ein-, zweimal im Jahr dazugehört, den öffentlichen Bediensteten sehr herzlich meinen und den Dank meiner Fraktion ausspre­chen, denn für uns ist alles eine Selbstverständlichkeit, und ich glaube, es gehört auch dazu, dass wir uns einmal bei unseren Bediensteten bedanken. Herzlichen Dank! (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Davon sind nur einige organisatorische Maßnahmen betroffen, es wurde wieder sozial­partnerschaftlich ausverhandelt. Herr Bundesminister, ich darf mich bei dir und bei dei­nen Kolleginnen und Kollegen für die rasche, effiziente und schon lange währende gu­te Zusammenarbeit sehr herzlich bedanken, geht es ja hier auch um Verwaltungsver­einfachungen, praktikable Lösungen, die vor allem Entscheidungen nach der Regie­rungsbildung und das neue Bundesministeriengesetz mit sich gebracht haben.

Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass wir hier auch eine rasche Lösung hinsicht­lich des Vorsitzenden der Personalvertretungs-Aufsichtskommission herbeigeführt ha­ben. Das sind lauter Konsensmaterien, und ich bin froh, dass wir ein zeitgemäßes, gu­tes Bundespersonalvertretungsgesetz wieder auf den Letztstand bringen können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 48

Ich darf Sie alle einladen, für diese Kolleginnen und Kollegen das notwendige Rüst­zeug gesetzlicher Natur hier mitzutragen, weil ich wirklich die Meinung vertrete: Einer der wesentlichsten Gründe der Stabilität, aber, wenn Sie so wollen, auch der Attraktivi­tät unserer Heimat als Wirtschaftsstandort ist ein gut funktionierender, qualitativ hoch­stehender öffentlicher Dienst. Unsere Kolleginnen und Kollegen leisten beispielhaft gu­te Arbeit. Daher noch einmal meinen herzlichen Dank dafür und an Sie die Einladung: Geben Sie dieser Novelle Ihre Zustimmung! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten der ÖVP.)

11.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


11.00.33

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Ich kann mich diesem Dank nur anschließen, ich darf aber zusätzlich auch noch hervorheben, dass mir als Verfassungssprecher ganz wichtig ist, dass wir mit dieser Novelle nunmehr das passive Wahlalter bei der Personalvertre­tungswahl von 19 auf 15 senken und damit noch mehr Menschen die Möglichkeit ge­ben, sich zu beteiligen, und auch noch mehr Menschen die Möglichkeit geben, sich auch für andere Menschen einzusetzen – einer der wichtigsten Punkte in der Demokra­tie.

Darin sind wir nun Vorreiter im öffentlichen Dienst, dass man schon mit 15 auch als Personalvertreter gewählt werden kann. Dafür auch ein besonderes Danke an die Ge­werkschaft Öffentlicher Dienst und an den Kanzleramtsminister, der das in diesen Ver­handlungen ermöglicht hat. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte mich des Weiteren aber auch für die vorausschauende Haltung in der Ge­werkschaft Öffentlicher Dienst bedanken, dass man zum Beispiel – was wir mit dieser Novelle auch machen – die Zahl der Zentralausschüsse im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft von zwei auf einen verringert, indem wir nämlich den Zentral­ausschuss für das Umweltressort mit jenem des Ressorts für Land- und Forstwirtschaft zusammenführen und somit auch die Freistellung einer Person einsparen. Damit gibt es auch noch eine Einsparung für den öffentlichen Dienst und gleichzeitig eine effekti­vere, einheitliche Vertretung beim zuständigen Minister Rupprechter. Auch hier also: mehr Effizienz, schlankere Struktur. Das ist aus meiner Sicht ganz besonders zu be­grüßen.

Ich möchte mich aber auch noch ganz besonders bedanken beim Kanzleramtsminister, dass bei der Aufgaben- und Deregulierungskommission nicht nur die Vertreter des öf­fentlichen Dienstes von der Arbeitgeberseite mit einbezogen werden, sondern dass wir auch die Arbeitnehmer mit einbeziehen. Es ist mir nämlich wichtig, dass wir hier im Haus nicht nur Aufgaben beschließen, sondern auch immer darauf achten, dass un­sere Beamten auch in die Lage versetzt werden, die Aufgaben, deren Erfüllung wir von ihnen erwarten, auch umzusetzen.

Auch da gilt es den guten Kompromiss zu finden, gemeinsam von Dienstnehmerseite und Dienstgeberseite eine entsprechende Aufgabenbestimmung und Deregulierung durchzuführen. Dass das gemeinsam durchgeführt wird, dass wir das ohne Kämpfe austragen können und versuchen, gemeinsam, getragen von einem positiven Willen, für Österreich und für die Republik das Beste zu erreichen, ist etwas, was uns allen Grund gibt, auf unseren öffentlichen Dienst, auf unsere öffentliche Verwaltung sehr stolz zu sein. (Beifall bei der ÖVP.)

11.03



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 49

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


11.03.49

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist etwas Schönes, wenn sich hier die Regierungsfraktionen selbst auf die Schulter klopfen, sich loben und einmal nicht streiten. Ja, es ist der Abänderungsantrag Pendl, Mag. Gerstl zu unterstützen. Es wurden hier kluge Straffungen vorgenommen. Gut ist auch, dass einmal geregelt ist, dass bei der Personalvertretungsaufsichtsbehör­de der Vorsitzende gewisse Befugnisse bekommt, dass nicht der ganze Senat einbe­rufen werden und tagen muss. (Abg. Pendl: Das ist ja gescheit!) – Das ist absolut ge­scheit, Genosse Pendl, ganz richtig. (Abg. Pendl: Du bist am richtigen Weg!)

Gescheit wäre aber auch der Abänderungsantrag von uns gewesen. Wenn man schon repariert, wenn man schon strafft, wenn man schon evaluiert – was eine gute Sache ist, wir tragen das mit –, dann wäre es auch gut gewesen, unseren Abänderungsan­trag, der im Ausschuss von Rot und Schwarz abgelehnt wurde, zu unterstützen. Da wäre es darum gegangen, dass ein Fachausschuss des Militärischen Immobilien Ma­nagement Zentrums wegfallen könnte, nicht mehr notwendig ist, weil das einfach keine Dienstbehörde mehr ist. Kollege Pendl hat sich dazu im Ausschuss in einer für uns unverständlichen Weise geäußert. Verstanden haben wir das eigentlich alle nicht. Es war viel Blabla. (Zwischenruf des Abg. Pendl.) Nicht einmal du, glaube ich, hast es wirklich verstanden, denn diese Äußerungen, die du da vorgebracht hast, die waren weder Fisch noch Fleisch. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Pendl: Na, dann sag wenigs­tens, die FPÖ wollte !)

Nein, wir wollen keinen Vorteil haben, wir wollen nur: Wenn evaluiert wird, wenn ge­strafft wird, dann gescheit, dann sollen wir das auf allen Ebenen machen – da sind wir absolut dabei, da sind wir ein verlässlicher Partner –, aber nicht nach dem Motto: Wo es den Regierungsparteien passt, da machen wir es, und wenn die Opposition etwas Kluges einbringt, dann ist das einfach nicht gut, dann lehnen wir das einfach im Vorfeld ab.

Das ist nicht gut, da verliert man an Glaubwürdigkeit, Kollege Pendl. Das wäre nicht notwendig gewesen. Dort ist keine Dienstbehörde mehr, somit braucht man keinen Fachausschuss mehr. So einfach ist das Spiel. Und wenn man das nicht einsehen will und sagt, das muss man nicht, da könnte man noch mehr und man versteht einfach nicht, warum dieser Abänderungsantrag kommt, dann ist das einfach nicht ehrlich und dann geht natürlich viel verloren.

Aber wir sind bereit für Reformen, für Strukturänderungen. Wir tragen den Abände­rungsantrag von Rot und Schwarz, von Pendl und Mag. Gerstl mit (Abg. Pendl: Bra­vo!), finden das klug, aber, wie gesagt, es wäre halt nicht schlecht, dabei ein bisschen über den Tellerrand zu schauen, das ein bisschen globaler zu sehen (Abg. Pendl: Wir wissen ja eh alle hier, um was es geht! Was soll denn das?) und nicht einfach nur zu sagen, was von Rot und Schwarz kommt, ist gut und was von den Oppositionsparteien kommt, das lehnen wir halt einmal schlicht und einfach ab, darüber machen wir uns nicht viele Gedanken. – Das ist schade. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Sinne hat man aber auch die Möglichkeit, diesen Abänderungsantrag, den wir im Ausschuss eingebracht haben – vielleicht bringen wir ihn wieder einmal ein –, zu überdenken, und dann wird man an Glaubwürdigkeit gewinnen. Wenn man das nicht macht, dann ist das wirklich schade. Da kann man sich noch so oft hier herstellen und sich bei den öffentlich Bediensteten bedanken. Ja, die leisten gute Arbeit, die leisten hervorragende Arbeit – trotz dieser Bundesregierung, das muss man auch immer wieder sagen. Wenn man den Sparstift, den Rotstift angesetzt hat, dann hat es nämlich


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meistens den öffentlichen Dienst getroffen. Und man muss sagen, die Motivation ist eine gute, die Arbeitsleistung ist eine gute – trotz dieser Bundesregierung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


11.07.33

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit dem Positiven – es wurde schon erwähnt –, der Senkung des aktiven und passiven Wahlalters. Etwas, das mir als Demokratiesprecherin und uns Grünen für alle Wahlen immer ein Anliegen war, ist hiermit durchgeführt. Das freut uns.

Zweiter positiver Punkt: Die Tatsache, dass personalvertretungsrechtliche Eingaben an den Bundesverwaltungsgerichtshof gebührenbefreit sind, freut uns auch. Das war uns auch ein Anliegen bei Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit letztes Jahr, dass da für die Rechtsschutz Suchenden keine zusätzlichen Hürden, seien es finanzielle oder verfahrensrechtliche, existieren. Dass hier eine Gebührenbefreiung stattfindet, ist durch­aus positiv.

Jetzt komme ich zum kritischen Teil. Und ich möchte vorweg sagen – ich habe das auch schon im Ausschuss gesagt –: Wir haben zugestimmt, wir werden auch jetzt zu­stimmen, aber leicht tun wir uns dabei nicht, und ich erkläre auch, warum.

Was nämlich mit diesem Gesetz auch passiert, ist, dass zum einen das Bundesminis­teriengesetz nachvollzogen wird, das wir schon bei seiner Einführung kritisiert haben, nämlich die Aufteilung der Ministerien, die Ressortaufteilung. Zum einen – Sie wissen es – gibt es kein eigenständiges Wissenschaftsministerium. Das halten wir nach wie vor für einen absolut problematischen, schwerwiegenden Fehler dieser Regierung.

Zum Zweiten gibt es nach wie vor – und meine Kollegin Christiane Brunner sagt das, glaube ich, seit sechs Jahren am Ende jeder Rede – kein eigenständiges Umweltminis­terium, wie wir das fordern, sondern es gibt nach wie vor ein Ministerium, in dem Land­wirtschaft und Umwelt zusammengelegt sind. (Abg. Fekter: Das ist gut so! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und jeder Mensch, der diese Perspektiven Landwirtschaft und Umwelt auch nur irgendwie ehrlich nachvollziehen kann, muss doch sagen, dass das nicht miteinander vereinbar ist. (Abg. Fekter: Nur weil ihr die Bauern nicht mögt!)

Und was geschieht jetzt mit diesem Gesetz, Frau Ministerin a.D. Fekter? – Es werden im Landwirtschafts- und Umweltministerium die Zentralausschüsse zu einem gemacht. Früher gab es einen Zentralausschuss für die Umweltabteilung und einen Zentralaus­schuss für den Landwirtschaftsbereich. Zu Ihrer Information: Im Landwirtschaftsbereich sind zirka 1 000 MitarbeiterInnen tätig, im Umweltbereich 300 MitarbeiterInnen. Da muss man nicht besonders inside sein in der Politik, um sich vorstellen zu können, wie die Wahlpräferenzen auch bei Personalvertretungswahlen von diesen beiden Gruppen ausschauen. Die sind nicht unbedingt deckungsgleich. Und ich muss hier auch nicht sagen, wer ungefähr in welche Richtung tendiert. (Abg. Rädler: Oh ja! – Weitere Rufe bei der ÖVP: Sagen Sie es uns!)

Aber dieses zahlenmäßige Ungleichgewicht könnte schon zu einem Problem führen, denn: Wozu führt das? – Wir haben jetzt einen Zentralausschuss, für den gewählt wird. Es werden 300 Mitarbeiter und 1 000 Mitarbeiter sozusagen zusammengelegt, was die Personalvertretung betrifft. Was das für die Mehrheitsverhältnisse und dann vor allem auch für die Repräsentativität dieser 300 MitarbeiterInnen bedeutet, können Sie sich vorstellen, und das ist natürlich scharf zu kritisieren.

Dass Sie das gut finden, kann ich mir vorstellen, denn Sie gehören nämlich zu der Gruppe, die die 1 000 Personen am ehesten ansprechen. Aber es gibt eben auch die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 51

300 Personen, die hier immer unabhängige Listen gewählt haben, weil sie sich eben nicht unter diese Landwirtschaftsknute der ÖVP stellen wollten. (Beifall bei den Grü­nen.)

Und das ist tatsächlich ein Problem. Da dieses Gesetz aber auch positive Teile bein­haltet, werden wir schweren Herzens zustimmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Pendl: Aber von der Systematik, vom Gesetz her, ist das auch okay!)

11.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


11.11.07

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal unterstreichen, was das Wesentli­che dieses Gesetzes ist. Kollege Pendl hat es hier angedeutet, aber in seiner beschei­denen Art und Weise, glaube ich, nicht so, wie es dem Gesetz wirklich entspricht. In Fachkreisen wird nämlich von einer epochalen Gesetzgebung gesprochen, und das müssen wir, glaube ich, auch hier zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren. Ich habe die Verhandlungen verfolgen dürfen, und es ist sehr oft an der Kippe gestanden, diese Verhandlungen erfolgreich durchzubringen. Und man muss sagen, Kollege Gerstl und Kollege Pendl haben es letztlich zustande gebracht, unter der wohlwollen­den Begleitung des Herrn Bundesministers Ostermayer, dass wir hier und heute dieses Gesetz verabschieden können. Das ist keine Selbstverständlichkeit, daher möchte ich das hier ausdrücklich erwähnen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rädler.)

Die Gebührenbefreiung ist schon angesprochen worden, das ist wichtig.

Herr Kollege Lausch, ich bin ja an sich immer dafür, dass wir sinnvoll über die Frage, wie der öffentliche Dienst bestmöglich unterstützt werden kann, diskutieren. Aber wenn ich Ihren Parteiobmann, den Kollegen Strache, höre, der permanent davon spricht, dass der öffentliche Dienst eingeschränkt werden soll (Ruf bei der FPÖ: Wann sagt er das? – Das haben nur Sie gehört!) – wir haben zu viele Beamte und so weiter –, dann verstehe ich Ihre heutigen Erklärungen hier nicht ganz.

Wenn Sie das, was Sie heute gesagt haben, auch Ihrem Parteiobmann so beibringen, dass er das zukünftig unterstützt, dann hat diese Diskussion einen großen zusätzlichen Wert. (Abg. Walter Rosenkranz: Herr Jarolim, wo haben Sie denn diese Sachen her! Zitieren Sie einmal richtig! Was sind das für Nebelgranaten?!) Und ich bin auch nicht ganz sicher, ob der Antrag von Ihnen im Ausschuss überhaupt richtig eingebracht wor­den ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: Herr Jarolim, woher haben Sie das?)

11.12

11.12.20

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 257 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 52

11.13.304. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (185 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird (258 d.B.)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


11.13.46

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir Freiheitlichen werden heute dieser Novelle zum ORF-Gesetz nicht zustimmen.

Es geht hier um die Summe von etwa 8 Millionen €, die für die Filmförderung einge­setzt werden sollen. Wenn der ORF, meine Damen und Herren, 8 Millionen € zur Ver­fügung hat, dann kann es in Zeiten wie diesen nur eine Forderung geben, nämlich die Gebühren zu senken! (Beifall bei der FPÖ.)

Das kann nur ein kleiner Beitrag sein zur Diskussion über die Frage, ob die Qualität un­seres öffentlichen Rundfunks die Einhebung von Zwangsgebühren überhaupt rechtfer­tigt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte, um einige Schalmeientöne vonseiten meiner Nachredner vielleicht im Vorhinein schon zu beantworten, sagen, dass wir damit nicht die Filmförderung in ihrer Gesamtheit abwürgen wollen. Wir alle sind froh darüber, wenn ein guter österreichischer Film produziert wird, und wir freuen uns auch, wenn er internationalen Anklang findet. Es geht aber darum, das Förderwesen in seiner Ge­samtheit und in diesem Zusammenhang im Besonderen das Förderwesen des Filmes neu aufzustellen und zu überprüfen, in welcher Form das noch gerechtfertigt ist. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Ich konnte im Ausschuss, Herr Bundesminister, schon die Forderung nach mehr Trans­parenz und nach mehr Sparsamkeit im Förderwesen insgesamt erheben. Und ich konnte Sie auch daran erinnern, dass die Vorgängerin des jetzigen Finanzministers, Fekter, schon im Jahre 2012 gefordert hat, dass das gesamte Förderwesen der Repu­blik, das damals vom WIFO mit 20 Milliarden in etwa festgestellt worden ist, zu durch­forsten und Doppel- und Mehrgleisigkeiten zu beseitigen sind. Auch Ihre Bundesregie­rung, Herr Bundesminister, hat schon angekündigt, das tun zu wollen. Das gesamte Förderwesen – 20 Milliarden, bei einem Gesamtbudget von 75 Milliarden, das ist ja kei­ne kleine Summe –, 20 Milliarden Gesamtförderungen müssen endlich einmal über­prüft werden im Sinne der Sparsamkeit der Budgetierung unserer Republik. (Beifall bei der FPÖ.)

Und jetzt tut sich, Herr Bundesminister, mit der Filmförderung ein ideales Fenster auf, um das vorzuexerzieren. In der Filmförderung haben wir nicht nur diese Förderung durch den ORF, sondern auch eine durch Ministerien, durch die Bundesländer. Wir ha­ben das Österreichische Filminstitut, den Filmfonds Wien, den Fernsehfonds des RTR – um nur einige Bereiche zu nennen, die den Film fördern. Und ich darf Sie auch daran erinnern, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, dass Sie im Rahmen der Budgetbegleitgesetze auch ein Filmstandortgesetz beschlossen haben, ein Filmstand­ortgesetz, das Sie zum Anlass nehmen sollten, diesen einen Bereich der Filmförderung neu zu regeln.

Nehmen Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, diese Filmförderung zum Anlass, um Ihren Sparwillen als Bundesregierung zu dokumentieren und auch der Bevölkerung klarzumachen, dass die Bundesregierung bei ihren Orchideenthemen zu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 53

erst beginnt und erst dann bei den Einsparungen im Bildungsbereich und bei den Pen­sionen ansetzt. Sie sollten endlich einmal eine glaubwürdige Finanzpolitik betreiben, meine Damen und Herren, auch im Bereich der Förderungen, und hier bei der Filmför­derung sollten Sie beginnen! – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

11.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann. – Bitte.

 


11.17.30

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Ich möchte gleich auf die Ausführungen meines Vorredners Bezug nehmen. Die Kunst- und Kulturförderung in Österreich als Orchideenthema zu bezeichnen, halte ich für ein starkes Stück, denn wir sind eigentlich auf unser Kunst- und Kulturleben besonders stolz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es hat nicht nur Auswirkungen auf den Tourismus, es hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung in der Welt, es hat nicht nur Auswirkungen auf das Image unse­res Landes (Abg. Fekter: Auf die Arbeitsplätze!), sondern Kunst und Kultur gehören zu jenen Dingen, mit denen Österreich verbunden wird. Das ist jener Wert, den es in der Welt zu verteidigen gilt. Damit wird Österreich auf alle Fälle verbunden! Und die Kunst- und Kulturförderung als Orchideenthema zu bezeichnen, das kann nur jemandem ein­fallen, der zu diesem Land nicht steht (Abg. Stefan: Geh, bitte!) und zu den Eigenhei­ten dieses Landes! Wir haben eben einen ganz besonderen Kulturanteil, einen ganz besonderen Kunstanteil.

Und wenn der ORF als Filmproduzent seinem Kulturauftrag nachkommen will und muss (Abg. Walter Rosenkranz: Muss! Muss, weil es die Politik will!), dann muss er eben auch Geld zu Verfügung stellen für diesen Kulturauftrag, für diesen Auftrag an die Filmwirtschaft, an den österreichischen Film, der einer der effizientesten Wirtschafts­zweige ist, weil er nämlich bei dem geringen Aufwand, den wir haben, Oscar-Preisträ­ger hervorbringt, Gewinner bei den Filmfestspielen von Cannes hervorbringt. Das ist im Verhältnis zum Einsatz, den Österreich für den Film im Vergleich zu anderen Ländern zur Verfügung stellt, die effizienteste Industrie, die wir haben. Und es ist auch eine Zu­kunftsindustrie, weil die Kreativindustrie ganz einfach eine gute Entwicklung nimmt und auch Arbeitsplätze schafft. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Selbstverständnis der Identität Österreichs aufzugeben, das würde ich für einen gravierenden Fehler halten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Vetter. – Bitte.

 


11.20.03

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (STRONACH): Grüß Gott, Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es meiner Ansicht nach nur vordergründig um die Förderung des österreichischen Films; dahinter steht eine Aus­einandersetzung, ja, ich würde sogar sagen, ein Machtkampf zwischen der Republik und dem ORF.

Der gebührenfinanzierte ORF hat zu wenig Gebühren, sagt er selbst. Er möchte auch Steuergeld haben, er möchte viele Millionen an Steuergeld haben. Das sagt er natür­lich nicht so offen, sondern was er sagt, ist, er möchte eine Refundierung, eine Gebüh­renrefundierung, und meint damit, jene, die befreit sind, hätten ja auch zahlen sollen, und dieses Geld will er jetzt vom Steuerzahler, also von Gebührenzahlern, die sowieso schon einmal gezahlt haben.

Wenn jetzt die Republik sagt: Hallo, wir haben kein Geld, wir können dir nichts geben und wir wollen dir auch nichts geben!, dann sagt der ORF: Na, dann müssen wir spa-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 54

ren, das erzählen wir den Leuten, und dann werdet ihr schon sehen, ihr lieben Politi­ker! – Daher spart der ORF beim Film. Daraufhin sagt die Politik: Na, beim Film kann man eigentlich nicht sparen, daher müssen wir Politiker jetzt gesetzlich eingreifen und sagen: So, jetzt musst du den Film fördern! – Und das steht heute an als Endpunkt ei­nes Kampfes zwischen Staat und ORF. (Abg. Walter Rosenkranz: ... Parteizentrale ORF!)

Wenn wir, meine Damen und Herren, beginnen, das Budget des ORF zu portionieren, dann haben wir alle möglichen Felder, wo wir weitermachen können. Das nächste Mal wird die Volksmusik nicht gesendet, und wir machen ein Gesetz, damit wir die Volks­musik fördern, und so weiter und so fort.

Ich könnte übrigens auch ein negatives Beispiel geben: Wir könnten dem ORF auch verbieten, dass er gewisse Dinge macht. Ein völlig abstruses, aus der Luft gegriffenes Beispiel wäre zum Beispiel, wenn man dem ORF verbieten würde, irgendwelche Neo­nazis zu bezahlen und diese zu Parteiveranstaltungen mitzunehmen. Diesbezüglich könnte man auch ein extra Gesetz machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ sowie der Abgeordneten Rädler und Schönegger.)

Wir haben hier ein ORF-Gesetz mit 40 Seiten, wenn man es aus dem RIS ausdruckt, und 19 Punkten – sage und schreibe 19 Punkte! – im öffentlich-rechtlichen Kernauf­trag. Das ist reguliert wie kaum etwas anderes.

Meine Damen und Herren! Diese Filmförderung zu beschließen hieße, ein Mehr an Re­gulierung, ein Mehr an Staatseinfluss zu schaffen. Der Weg muss aber genau in die andere Richtung gehen! Der Weg muss gehen in Richtung: Weg mit dem Staatsein­fluss! Weg mit dem Parteieneinfluss! Weg mit Steuergeldern! Weg mit der Gebührenfi­nanzierung!

In diese Richtung muss es gehen. Konsequent gedacht muss man daher gegen das heutige Gesetz stimmen, für einen unabhängigen ORF. Die gleichen Marktbedingun­gen, wie sie alle anderen Medienunternehmen haben, sollten auch für den ORF gelten. Beginnen wir hier bei diesem Punkt! – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach so­wie des Abg. Lausch.)

11.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Dr. Karl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.23.25

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Leistung des ORF von 8 Millionen € jährlich für den österreichischen Film ist ja nichts Neues. Durch das Film/Fernseh-Abkommen 2011 hat der ORF die Produktion österreichischer Kinofilme bereits unterstützt und dafür schon von 2011 bis 2013 jährlich 8 Millionen € zur Verfü­gung gestellt. Damit wurde eine seit 1981 existierende, wirklich erfolgreiche Koopera­tion zwischen dem ORF und dem Österreichischen Filminstitut fortgesetzt.

Nunmehr soll der ORF durch die vorliegende Änderung des ORF-Gesetzes gesetzlich verpflichtet werden, österreichische Filmproduktionen beziehungsweise internationale Koproduktionen mit heimischer Beteiligung weiter zu fördern. Als Zielvorgabe sind da­her auch weiterhin 8 Millionen € jährlich vorgesehen. Sollte der ORF aber in einem Jahr weniger als diese 8 Millionen € zum Film/Fernseh-Abkommen beisteuern, dann wäre die Gebührentochter GIS verpflichtet, den Differenzbetrag von der Rundfunkge­bühr einzubehalten und auf ein Sperrkonto zu überweisen.

Damit soll der ORF ganz einfach motiviert werden, weiterhin zur Herstellung österrei­chischer Filme und damit auch zum Erfolg des Film/Fernseh-Abkommens beizutragen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 55

Dass es sich lohnt, österreichische Filmproduktionen beziehungsweise internationale Koproduktionen mit heimischer Beteiligung zu fördern, steht angesichts der österrei­chischen Filmerfolge eigentlich außer Zweifel.

Den wohl größten Erfolg eines österreichischen Films konnten wir im Jahr 2008 feiern, als der Film „Die Fälscher“ von Regisseur Stefan Ruzowitzky als bester fremdsprachi­ger Film mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

Die höchste Auszeichnung des weltweit renommierten Filmfestivals in Cannes gewann im Jahr 2009 Österreichs Regie-Aushängeschild Michael Haneke. Er bekam die Gol­dene Palme für sein Meisterwerk „Das weiße Band“. Daneben gewann der Film auch noch weitere Preise.

Viele weitere Beispiele für den Erfolg österreichischer Filme ließen sich noch nennen.

Es gilt aber auch zu berücksichtigen, dass die österreichischen Filmproduktionen einen großen wirtschaftlichen Mehrwert haben. Die gesamte Kreativwirtschaft macht in Ös­terreich 4 Prozent des BIP aus.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass zur Unterstützung der österreichischen Filmwirt­schaft bei der erfolgreichen Umsetzung von nationalen und internationalen Filmproduk­tionen erst vor Kurzem das Filmstandortgesetz erlassen wurde, das am 13. Juni 2014 in Kraft getreten ist. Damit wurde das seit 2010 bestehende Förderungsprogramm „Filmstandort Österreich“ gesetzlich verankert.

Wie schon in den Materialien zum Filmstandortgesetz festgehalten wurde, ist aufgrund der langen Vorlaufzeiten bei der Umsetzung von Filmproduktionen Planungssicherheit in Bezug auf die Finanzierung von Produktionen ein wesentlicher Faktor für eine nach­haltige Entwicklung Österreichs als Filmproduktionsstandort.

So wie das Filmstandortgesetz die Rahmenbedingungen für die Filmförderung in Ös­terreich weiter verbessert und die Planungssicherheit für die betroffene Branche durch die Verankerung einer wichtigen zusätzlichen Säule im österreichischen Filmförde­rungssystem gewährleisten soll, wird auch die vorliegende Änderung des ORF-Geset­zes zu einer Verbesserung der österreichischen Filmförderlandschaft und Filmwirt­schaft beitragen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Dr. Zinggl. – Bitte.

 


11.27.27

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Mei­ne Damen und Herren! Wie kommt es zu diesem Gesetz, mit dem tatsächlich in die Geschäftsführung des ORF eingegriffen wird? – Der ORF hat bislang Gelder aus dem Bundesbudget zurückerhalten, die ihm durch Gebührenbefreiungen entgangen sind. Das muss nicht sein; das war sicher eine freiwillige, aber eine notwendige Leistung, um das Funktionieren des ORF nicht zu gefährden.

Das ist heuer nicht mehr der Fall. Offenbar war die Berichterstattung über die Regie­rung vor der Wahl, also vor ungefähr einem Jahr, doch zu neutral und zu objektiv, also hat die Regierung mit Disziplinierungsmaßnahmen reagiert.

Interessant daran ist vielleicht, dass auch bis jetzt Bedingungen an die Refundierung geknüpft waren, aber dass diese Bedingungen sehr sinnvoll waren, etwa der Erhalt des Radio-Symphonieorchesters oder die Einrichtung von Spartenkanälen. Jetzt gibt es keine – zumindest in der Öffentlichkeit bekannten – Bedingungen, die Gebührenrefun­dierung wird einfach eingestellt. Daraufhin dreht dann der ORF den Spieß um und droht mit der Einstellung beispielsweise des Bachmann-Preises, auch mit der Reduk-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 56

tion der Finanzierung des musikprotokolls beim steirischen herbst und zuletzt und schließlich doch sehr vehement mit der Reduktion von Filmförderungen – alles Kultur­belange.

Es ist schon auch ganz interessant, welche Wildwestspiele da abgehen, denn die Re­gierung setzt dem ORF die Schrotflinte an, indem diese wichtigen Millionenbeträge nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, und umgekehrt nimmt der ORF die Kultur als Geisel. Das ist schon sehr eigenartig.

Als Kultursprecher bin ich da jetzt selbstverständlich in der Verteidigungsposition der Kultur und des Films. Daher unterstützen wir auch dieses Gesetz, um die Filmproduk­tion in Österreich weiter zu sichern. Allerdings möchte ich nicht verheimlichen, dass die Sicherung des Kulturauftrages zunächst einmal erste Aufgabe des Staates und dem­entsprechend auch des Ministeriums für Kultur wäre. Und wenn da zusätzliche Gelder aus dem ORF-Budget für den Film fließen, dann sind das ja letztendlich Gelder aus den Gebühren und damit eigentlich auch indirekt Steuergelder, die allerdings keiner Progression unterliegen. Insofern ist das dem Staat, der im Moment ganz eindeutig zu wenig Geld hat, willkommen, à la longue gesehen müsste man sich aber schon überle­gen, ob diese Spiele notwendig sind.

Der ORF braucht die Gelder, braucht die Refundierung, um seinen Betrieb aufrechter­halten zu können, und es ist nicht richtig, ihn in solche Schwierigkeiten zu bringen. Es ist umgekehrt unnötig gewesen, die Kultur als Geisel zu nehmen. Es sind ganz unnö­tige Kindergartenspielereien, die da täglich sicher auf Kosten von Menschen im Kultur­betrieb greifen, die es dringend notwendig haben, dass ihnen diese Spielereien erspart bleiben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alm. – Bitte.

 


11.31.13

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Wir sind hier im Begriff, ein Problem zu lösen, das es für den ORF gar nicht geben sollte. Dass wir hier zum ORF-Gesetz debattieren, ist keine Lösung für ein Problem, das ist das Problem, und deswegen möchte ich in dieser Diskussion zwei Dinge unter­scheiden.

Zum einen gibt es die Förderungen. Selbstverständlich begrüßen wir es als Bürge­rinnen und Bürger, wenn der ORF mehr Mittel für die Film- und Fernsehfilmproduktio­nen aufwendet, und die Zweckwidmung der Gelder scheint da ein logischer Schritt zu sein, aber es ist genau der gleiche logische Kurzschluss, der bei der Festplattenabga­be und bei der Musikquote angewendet wird. Der finanzielle Beitrag des ORF zum Film/Fernseh-Abkommen ist nichts anderes als eine Wirtschaftsförderung. Damit wird ein versagender Markt gestützt. Ohne den Beitrag zum Film/Fernseh-Abkommen, den der ORF aber anscheinend gar nicht freiwillig leistet, würde es diese Produktionen nämlich gar nicht geben.

Das erweckt den Eindruck, dass der ORF eine Förderstelle ist. Der ORF ist aber keine Drehscheibe für Fördermittel, sondern ein öffentlich-rechtliches Medienhaus, und För­derungen sind kein Instrument zur inhaltlichen Gestaltung.

Als abwickelnde Förderstelle ist der ORF jedenfalls ungeeignet, weil seine Aufgabe, das Programm nach der Logik eines modernen Medienhauses zu gestalten, nicht not­wendigerweise mit den Förderkriterien übereinstimmen muss. Sie erwecken damit nämlich allerlei Begehrlichkeiten. Nachvollziehbare Forderungen werden von allen möglichen Seiten kommen: Sport, Religion, Kultur können mit derselben Logik An­spruch auf Medialität und Förderungen anmelden – es sei denn, sie sind ohnehin expli-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 57

zit im ORF-Gesetz berücksichtigt, wie zum Beispiel der Herrenfußball im § 4b Abs. 4 Ziffer 2 ORF-Gesetz.

Was inhaltlich im ORF geschieht, soll nicht im ORF-Gesetz geregelt werden. Das ORF-Gesetz sollte nur Leitlinie für den öffentlich-rechtlichen Auftrag sein. Dementsprechend ist der richtige Ort für eine Debatte über Inhalte nicht der Verfassungsausschuss oder das Parlament, sondern ein Gremium für Public Value.

Das ist das eigentliche Problem: die Verbindung von Politik und ORF. Es fällt nieman­dem mehr auf, weil alle schon so daran gewöhnt sind, aber die Politik – und eigentlich auch wir tun das jetzt – greift dauernd, permanent steuernd in den ORF ein. Mit gro­ßem Aufwand wird ein Stiftungsrat, wird ein Publikumsrat parteipolitisch eingefärbt, und das außerdem nur in Rot und Schwarz, obwohl das die derzeitigen Mehrheitsverhält­nisse hier im Parlament gar nicht mehr widerspiegelt. (Abg. Rädler – mit ausgebreite­ten Armen nach links und rechts weisend –: Hallo!)

Schlimm genug, dass hier versucht wird, den ORF von der Spitze aus zu steuern und den ORF nicht in die Selbstverantwortung zu entlassen, und wenn er nicht spurt, wird sogar noch mit Gesetzen, wie wir jetzt eines beschließen wollen – oder eben nicht be­schließen wollen –, eingegriffen. Dass sich der ORF aber nicht so einfach fügen will, ist auch nachvollziehbar. Die 8 Millionen € waren an die Gebührenrefundierung gekoppelt, und wenn es keine Refundierung mehr gibt, dann gibt es eben auch keinen verpflich­tenden Beitrag mehr zum Film/Fernseh-Abkommen. Diese Koppelung mag politisch wünschenswert sein, sie entspricht aber nicht der Vorstellung – unserer Vorstellung – eines öffentlich-rechtlichen Medienhauses.

Wir wollen ein modernes Medienhaus, das sich auch moderner Instrumente bedienen kann – Social Media, Applikationen –, wir wollen, dass der ORF eigenverantwortlich wirtschaften kann, das heißt unter anderem, dass er die notwendige Flexibilität hat, auch seine Infrastruktur und seinen Personalstand zu verkleinern, wenn sie nicht mehr zeitgemäß sind, und wir wollen vor allem, dass der ORF im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Auftrags das Programm eigenständig gestaltet.

Das Privileg, Gebühren einzuheben, ist für uns auch keine fixe Größe. Dementspre­chend könnten wir endlich einmal Überlegungen anstellen, hier ein Opt-out-Modell zur GIS zu etablieren.

Zusammenfassend: Die Frage der Förderung von Film- und Fernsehproduktionen ist eine Frage, die zufriedenstellend und mit Planungshorizont gelöst werden muss. Eine politische Förderverpflichtung für den ORF ist bei richtigem Ziel aber der falsche Weg. Eine Einmischung der Politik ins operative Geschäft des ORF über den Weg der Ge­setzgebung lehnen wir jedenfalls ab. (Beifall bei den NEOS.)

11.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.35.27

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt die Neigung, manchmal Dinge in etwas hineinzugeheimnissen, die nicht drinnen stecken – auch nicht in diesem Gesetz drinnen stecken. Es geht eigentlich um eine ganz einfache Fra­ge, nämlich um die Entscheidungsfrage: Will man in Zukunft den österreichischen Film oder will man ihn nicht?

Jetzt kann man natürlich die Position vertreten, man will ihn nicht, und sagt: Wir wollen die Filmförderung aber nicht grundsätzlich infrage stellen. – Die Filmförderung infrage zu stellen heißt natürlich, man will ihn nicht, weil nun einmal in Europa, in unseren


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Breiten Film üblicherweise – insbesondere dann, wenn es ein künstlerischer, zeitkriti­scher, auch sozialkritischer Film ist – nur mit Förderung funktioniert.

Damit aber die Förderung funktioniert – in Österreich auf der Bundesebene über das Österreichische Filminstitut mit 20 Millionen € –, braucht es Co-Financiers. Da der ORF nach wie vor gerade auch in diesem Bereich eine bedeutende Stellung hat, ist es wich­tig, wie viel Geld der ORF in die Kofinanzierung, in das Film/Fernseh-Abkommen steckt, denn nur dann, wenn dort ausreichend Geld hineingesteckt wird, ist es auch möglich, über die öffentliche Hand – also in unserem Fall der Bundesebene über das Österreichische Filminstitut – zu finanzieren.

Die einfache Frage lautet also: Wollen wir auch in Zukunft österreichischen Film haben, ja oder nein? – Meine Antwort ist eine ganz klare, sie lautet: Ja! Und weil sie so klar ist und weil ich möchte, dass auch in Zukunft ein Erfolg – von Vorrednerinnen und Vor­rednern wurde der Erfolg des österreichischen Films der vergangenen Jahre bei inter­nationalen Filmfestivals, beim Publikum, auch bei der Oscar-Verleihung schon er­wähnt – erzielt wird, habe ich überlegt: Wie können wir sicherstellen, dass die Filmför­derung auch tatsächlich ankommt, dass sie entsprechend eingesetzt werden kann?

Da das eine Förderung ist, da wir theoretisch auch im Thema Beihilfenrecht sind, braucht es sozusagen die privaten Financiers, und der „private Financier“ – das kann man unter Anführungszeichen setzen oder nicht – ist der ORF; die anderen Rundfunk­anstalten sind nicht entsprechend aktiv.

Und da wir verhindern wollten, dass es dort einen Einbruch gibt, war die Überlegung: Dürfen wir hier in Form eines Gesetzes eingreifen? Die Unabhängigkeit des ORF steht ja immer auch verfassungsrechtlich darüber. Ich hätte nie und nimmer die Absicht, dass wir sozusagen generell per Gesetz die Budgetverteilung et cetera des ORF re­geln. Aber aufgrund dieser beihilfenrechtlichen Thematik und weil wir überzeugt sind beziehungsweise weil ich überzeugt bin, dass der österreichische Film geschützt und unterstützt gehört, bin ich der Meinung und sind wir der Meinung, dass wir diesen Ein­griff – diesen einmaligen Eingriff – vornehmen können.

Es würde wenig nützen, wenn wir – was wir tun – dagegen ankämpfen, dass beispiels­weise beim TTIP, also bei dem in Diskussion befindlichen Freihandelsabkommen zwi­schen den Vereinigten Staaten und Europa, der audiovisuelle Bereich, insbesondere der Filmförderungsbereich, aber auch andere kulturelle Bereiche jedenfalls ausgenom­men werden, weil wir davon überzeugt sind, dass im gegenteiligen Fall gerade das, was europäische Kultur ausmacht, was österreichische Kultur ausmacht, gefährdet wäre.

Das Schützen ist das eine, das Unterstützen ist das andere. Und daher noch einmal: Wer den österreichischen Film will und wer will, dass er auch in Zukunft so erfolgreich ist, sollte auch diese Gesetzesvorlage unterstützen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


11.40.07

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich kann einfach manche Ausführungen nicht nachvollziehen, denn es gibt in der Bewertung der Arbeit von Unternehmungen letztlich ja auch Parameter. Und wenn, wie hier schon mehrfach erwähnt wurde, der ORF an österreichischen Filmen, die letztlich prämiert werden – mit Goldenen Palmen, mit Os­cars, mit sonstigen Awards –, wesentlich mitwirkt, dann ist das einfach ein Parameter. Und wenn das Unternehmen ORF es schafft, nach mehreren – zugegeben: nicht sehr erfolgreichen – Anläufen den Song Contest zu gewinnen, und damit Österreich in ei­nem Jahr ein riesiges Schaufenster für 100 Millionen, 200 Millionen, 300 Millionen Zu­seher sein kann mit einer gigantischen Umwegrentabilität, dann ist das ein Parameter.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 59

In manchen Reden aber hat sich das so angehört, als wäre das Unternehmen jetzt gerade tief in den roten Zahlen, als hätte es schon seit Langem nichts mehr gewonnen, als würde die Filmförderung für irgendwelche Pornos verschwendet und sonst etwas. Ich verstehe das nicht!

Ich verstehe es deswegen nicht, weil wir hier im Haus auf die österreichische Verfas­sung vereidigt wurden. Wir, und das ist die Basis, bekennen uns als Österreicherinnen und Österreicher, und wir befinden uns in einem Wettbewerb, der nicht gering ist. Wir befinden uns im deutschsprachigen Raum zum Beispiel im Wettbewerb mit dem gro­ßen Wirtschaftsraum Deutschland und seinen unzähligen Fernsehanstalten, mit einem Öffentlich-Rechtlichen, der dort weit mehr Möglichkeiten hat als der ORF. Wir befinden uns aber auch im Wettbewerb mit privaten deutschen Unternehmungen. Und global befinden wir uns in einem Wettbewerb überhaupt mit Unternehmungen in anderen Län­dern bis hin zu Unternehmen im Internet.

Es geht um die alte Diskussion: Wie kann sich die gesamte österreichische Medien­landschaft gegenüber dem Machtanspruch einzelner Unternehmen im Internet – und da muss ich vor allem Google erwähnen – durchsetzen? Das ist doch die entschei­dende Frage.

Und wenn man dann den einzelnen Rednern zuhört, dann denkt man, manche sehen über die eigenen Karotten nicht hinaus. Das ist doch unfassbar! In Wirklichkeit ist das unösterreichisch.

Wenn heute hier gesagt wird, was richtig ist: Schauen wir uns die 20 Milliarden Förde­rungen an, aber fangen wir beim erfolgreichsten Teil, bei der Filmförderung an!, dann ist das Masochismus, aber nicht Politik.

Was Sie, Herr Kollege (in Richtung des Abg. Vetter), wollen, weiß ich gar nicht. Sie wollen „Frank TV“ oder was? Das ist überhaupt etwas anderes, darauf möchte ich mich gar nicht einlassen. Wenn Sie das dann als einziger Zuschauer genießen wollen, ist das Ihre Sache. Aber das, glaube ich, ist doch eines der Grundelemente, über das wir jetzt hier diskutieren sollten.

Und wenn der ORF Gebühren- und Werbeeinnahmen hat, dann steckt eine genaue Überlegung dahinter. Das ist alles geregelt. Ich habe unzählige Verhandlungen mitge­macht, wo das alles immer geregelt wurde, der Zugang zum Netz, zu den sozialen Netzwerken, und zwar immer in Übereinstimmung mit den österreichischen Printme­dien, mit den privaten elektronischen Medien, weil wir uns natürlich zu dem dualen System bekennen, weil das ja auch – nicht alle, aber zum größten Teil – österrei­chische Medien sind. Das ist die Grundlinie. Und der ORF braucht sowohl das Werbe­geld als auch die Gebühreneinnahmen.

Jetzt kommt etwas dazu: Dem ORF wurde damals von der Politik ein Gutteil der Ge­bühreneinnahmen weggenommen, das ist sehr viel, weil das immer mehr wurde, ein Gutteil der Gebühreneinnahmen. Und das fehlt natürlich. Es heißt, der ORF muss schwarze Zahlen schreiben, er muss aber gleichzeitig auch schauen, dass der Film flo­riert. Schauen Sie sich die Arbeitsbedingungen einzelner Redaktionen an! Trotz die-
ser schwierigen Arbeitsbedingungen, trotz dieser Einsparungen ist der ORF – Ö1, Ö3,
all die Fernsehkanäle – konkurrenzfähig und gehört zu den Unternehmungen mit den höchsten Einschaltquoten; auch solch ein Parameter.

Alle machen mit. In jeder Zeitung kann man über das Quotenranking nachlesen, dem sich der ORF zu stellen hat. Wir alle wollen das. Und wenn wir das wollen, dann müs­sen wir auch schauen, dass es Werbeeinnahmen gibt, müssen wir auch schauen, dass es attraktive Filme gibt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 60

Was ist „Kommissar Rex“? Ist das nichts, oder was? – Das ist auch irgendwie österrei­chisch. Aber es gibt auch andere vergleichbare Filme. Es kann nicht immer nur Dinge geben, die man als kulturelle Produktionen zu bezeichnen hat.

Und wenn man haben möchte, dass sich die österreichische Kulturidentität weiterent­wickelt, sich behauptet im großen deutschsprachigen Raum, in Europa, ja weltweit, dann muss man dafür sorgen, dass es dieses Unternehmen gibt und dass es auch die Unterstützung der Politik hat und nicht durch die Politik behindert wird.

Herr Kollege Bösch, meist sind Ihre Aussagen durchaus richtig, aber heute kann ich nur den Kopf schütteln. Ich frage mich, was da dahintersteckt. Ich habe immer ge­glaubt, dass Sie Teil einer Heimatpartei sind. Aber das, was Sie heute hier ausgeführt haben und wie Sie den ORF dargestellt haben, hat mit Heimat nichts zu tun. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.

Sie sagen einfach: Ich bin ein Oppositionspolitiker, wir stierln da ... (Abg. Neubauer: Was hat das mit Heimat zu tun?!) – Ich weiß, Sie müssen ihn verteidigen, aber ich muss ihn jetzt trotzdem kritisieren, weil er so gesprochen hat. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Dann sagen Sie ihm in der nächsten Klubsitzung, dass er eine andere Rede halten soll, nämlich eine österreichische Rede, dass er sich daran orientiert, wenn er zu einer Frage der Kulturpolitik und zum ORF spricht, und keine, die zeigt, dass er über seinen Karottenteller nicht hinaussieht. Das ärgert mich.

Sie wissen, ich gehöre zu jenen, die gerne mit Ihnen diskutieren, und ich bin für den Dialog mit Ihnen, so ist das nicht, aber die heutige Rede war nicht in Ordnung. In die­sem Bereich herumzustierln und Vermutungen anzustellen, die nicht zutreffen – und das alles dort, wo wir am erfolgreichsten sind, und wir sind stolz auf Haneke und an­dere; wir sind stolz darauf! (Abg. Bösch: Hat niemand bestritten, Herr Cap!) –, das ist, finde ich, ein starkes Stück, und das kann man wirklich nicht goutieren! (Beifall bei der SPÖ.)

11.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Ber­lakovich. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.45.44

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Cap, „Kommissar Rex“ ist eine zutiefst österreichi­sche Serie, überhaupt wenn die Wurstsemmeln ins Spiel kommen. Da fühlt man sich richtig heimisch.

Aber im Ernst: „Amour“, „Das weiße Band“, „Das finstere Tal“, „Die Fälscher“, „Darwin’s Nightmare“ – diese Liste ließe sich fortsetzen – sind eine Reihe von enorm erfolgrei­chen österreichischen Filmproduktionen, die internationale Erfolge einheimsen. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein österreichischer Film einen Oscar bekommt – das ist mittlerweile zweimal geschehen (Abg. Hübner: Was ist an „Amour“ österreichisch?) –, die Goldene Palme von Cannes, den Europäischen Filmpreis, Deutschen Filmpreis, Bayerischen Filmpreis. Es muss uns stolz machen, dass wir derart kreative Persönlich­keiten in unserem Land haben, die imstande sind, ihre Genialität einzusetzen, um inter­national erfolgreich zu sein.

Vor Jahrzehnten haben wir alle mit scheelen Augen nach Frankreich geschaut zum französischen Film, aber auch zum italienischen, spanischen, ganz zu schweigen von der US-amerikanischen Filmindustrie. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Da ist es schon beachtlich, dass das kleine Österreich da mitspielen kann, mit Persönlichkeiten, die kreativ sind und die derartige international erfolgreiche Filme produzieren. Das ist der Kreativität dieser Leute zu verdanken. Aber letztendlich hat auch die Konzeption des Film-/Fernseh-Abkommens einen gewissen Anteil an diese Erfolgsgeschichte.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 61

Immerhin ist der ORF, bei all den Für und Wider, die hier diskutiert werden – man kann dem, was einzelne Redner hier gesagt haben, viel abgewinnen; man muss das auch kritisch hinterleuchten –, doch ein zentraler Partner der österreichischen Filmwirtschaft. Seit über 33 Jahren werden Film- und Fernsehproduktionen vom ORF finanziell unter­stützt. Und die Bilanz ist doch eine sehr beachtliche, denn in diesen 33 Jahren wurden da rund 150 Millionen € investiert und sage und schreibe rund 600 Filmproduktionen fi­nanziell unterstützt. Trotz Sparzwängen ist es dem ORF gelungen, diese finanzielle Unterstützung seit Bestehen dieses Film-/Fernseh-Abkommens zu verfünffachen. Das ist beachtlich, und dafür muss man den ORF wirklich loben.

Pro Jahr werden rund 30 bis 40 derartige Filmprojekte seitens des ORF ermöglicht, und der ORF bietet auch eine Verbreitungsplattform. So hatte der Film „Der Bockerer“ über eine Million Zuseher und der Film „Die Fälscher“ an die 950 000 Zuseher. Dies zeigt, dass der ORF nicht nur hinsichtlich der finanziellen Unterstützung für den Film wichtig ist, sondern auch für die Verbreitung von Filmen, durchaus auch zeithistorisch kritischer Filme. Und 100 Prozent der Mittel dieses Abkommens fließen in österreichi­sche Filmproduktionen. Ich halte das für sinnvoll.

Es wurde erwähnt, warum es notwendig war, dieses Abkommen zu verlängern: weil es eben 2013 ausgelaufen wäre. Ziel muss es sein, dass die finanziellen Mittel auch für die kommenden Jahre gesichert sind. Wichtig ist, dass die österreichischen Filme­macher, die Regisseure, die Filmwirtschaft eine Perspektive bekommen und sozusa­gen nicht verdorren. Die haben ja schon einen Hilferuf gestartet, weil da natürlich auch Arbeitsplätze, österreichische Arbeitsplätze dranhängen, was man bei all der Kreativi­tät, die notwendig und begrüßenswert ist, auch erwähnen muss.

Es war wichtig, dass der Filmstandort Österreich eine Unterstützung erhält. Bundesmi­nister Mitterlehner hat ein Filmfördermodell entwickelt, wo man sieht, dass die Zahl der Projekte, die hier unterstützt werden, gesteigert und auch die Inlandswertschöpfung er­höht wird. Die Zahlen sind sehr erfreulich, und das zeigt auch, dass der Filmstandort Österreich eine Perspektive hat, dass wir eine Filmproduktionswirtschaft brauchen, dass wir Künstler unterstützen wollen, die ihre Kreativität hier einbringen. Daher wer­den wir zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 


11.49.47

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben es schon gehört: Wir können auf den österreichischen Film stolz sein! Wir be­kommen Preise in Cannes, Berlin und Hollywood. Filmfestivals wie die Diagonale, die Viennale oder Crossing Europe in Linz sind weit über die österreichischen Grenzen hi­naus bekannt und etabliert.

Viele der erfolgreichen Kinofilme, Fernsehfilme und Dokumentationen könnten ohne fi­nanzielle Unterstützung des ORF gar nicht produziert werden, denn ein Großteil der Filmförderungen kann nämlich nur dann abgeholt werden, wenn es auch eine klare Zu­sage vonseiten des ORF gibt, diese mitzufinanzieren.

Dies ist auch im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrages, den der ORF zu erfüllen hat. § 4 Abs. 1 lautet wie folgt:

„Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner gemäß § 3 verbreite­ten Programme und Angebote zu sorgen für“ – und dann unter Punkt 6 –

„die angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstleri­schen und kreativen Produktion“.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 62

Schon seit Längerem wird dieser Auftrag vonseiten des ORF nicht mehr zur vollsten Zufriedenheit erfüllt, sei es im Bereich der Musik, wenn es darum geht, den Anteil ös­terreichischer MusikerInnen im Radio zu erhöhen, oder wenn es eben darum geht, ös­terreichische Film- und Fernsehproduktionen finanziell zu ermöglichen.

Diese Nichteinhaltung der finanziellen Unterstützung traf und trifft die Filmwirtschaft in beträchtlichem Ausmaß; eine Branche, in die nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, son­dern auch als kulturstiftende und arbeitsplatzfördernde Institution im Interesse Öster­reichs investiert werden muss.

Aus diesem Grund haben wir vonseiten der Politik einen wichtigen Schritt gesetzt, nämlich die gesetzliche Verankerung des Film-/Fernseh-Abkommens.

Was bedeutet das? – Für den Fall, dass der Betrag des ORF im Zusammenhang mit dem Film-/Fernseh-Abkommen unter das bisherige Volumen von 8 Millionen sinkt, soll im Wege einer gesetzlichen Anordnung das dem ORF von der GIS zu überweisende – da es von der GIS auch eingehoben wird – Programmentgelt um den auf 8 Millionen fehlenden Betrag reduziert werden. Der Differenzbetrag ist direkt dem Sperrkonto zu­zuweisen. Dieser vorerst kleine Schritt ist notwendig, da der ORF seinen Verpflichtun­gen nicht freiwillig nachgekommen ist.

Die Aufgabe der Politik ist es zu kontrollieren, nicht aber, sich in das Programm einzu­mischen, sondern zu kontrollieren, ob der ORF seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie oben erwähnt, nachkommt. Wir werden das in Zukunft genauso detailliert beobach­ten wie in der Vergangenheit.

Im Bereich der Filmwirtschaft ist der ORF noch lange nicht dort, wo er eigentlich sein sollte. Wir sprechen von einer Investitionssumme in der Höhe von 100 Millionen, die notwendig wäre. Die gesetzliche Verankerung des Film-/Fernseh-Abkommens kann daher nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein.

Auch im Bereich der Musik beziehungsweise betreffend den Anteil österreichischer MusikerInnen im TV und Radio muss – wenn ich mir die Daten von Ö3 und Radio Wien anschaue, ist das klar – noch einiges geschehen. Sollte das nicht auf Basis einer Selbstverpflichtung funktionieren, wird es wohl wieder erforderlich sein, diesen Auftrag gesetzlich zu verankern. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


11.53.12

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bun­desminister! Was haben wir jetzt gerade gehört? – Wir haben Preise gewonnen. – Das ist ja faszinierend. Der ORF muss den SPÖ-öffentlichen Auftrag des ORF entspre­chend kontrollieren, und das Ganze am besten mit Gesetz.

Worum es uns geht: Wir verpflichten diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk per Gesetz dazu: Du musst uns diese Budgetmittel geben, die wir, damit wir sagen können, wir ha­ben ein Einsparungsziel erreicht und so weiter, nicht hineinschreiben, die wir aber im Kulturbudget brauchen! – Wir schreiben sie nicht ins Budget, was nicht im Sinne der Transparenz ist, sondern drücken das jetzt dem ORF auf das Auge! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen eines nicht – nur, damit die Verständnisfragen geklärt werden –: dass diese 8 Millionen, die jetzt, wenn wir nicht zustimmen würden, beim ORF frei würden – der ORF hat bei Beschlussfassung um diese 8 Millionen selbstverständlich weniger zur Verfügung, um zum Beispiel die Bürger bei den GIS-Gebühren zu entlasten –, im Kul­turressort eingeparkt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 63

Wir wollen nicht diese verschiedensten Töpfchen, wo man dann verschleiern kann. Wir wollen Transparenz. Und jetzt geht es darum, ein System zu einem Gesetz zu machen.

Wenn Sie schon Leute gesetzlich verpflichten wollen, warum machen Sie dann nicht gleich für die Hypo-Gläubiger auch noch ein Gesetz, mit dem Sie sagen, sie sollen sich für den österreichischen Film einsetzen? (Beifall bei der FPÖ.) Warum kommen denn nicht die Millionäre endlich einmal dran, eine Millionärsfilmabgabe für Österreich, die gerecht wäre, da ja durch die Filme die Schlösser am Wörthersee oder sonst wo noch viel besser zu verkaufen sind, wenn Hunderttausende in der ganzen Welt diese Lie­genschaften sehen? – Nein, es geht um etwas ganz anderes.

Und wenn Sie, Kollege Cap – ich diskutiere wirklich gerne mit Ihnen –, und Ihre Partei, die ich eher in den Bereich der Multikulti-Apostel einordnen würde, über Heimat und österreichische Identität in Richtung FPÖ sprechen, muss ich sagen: Das ist nicht das Terrain!

Sie haben da jetzt ein gewisses Kopfschütteln gehabt, weil ich gesagt habe, dass ich das bei Ihnen zurechtrücken muss – ohne da ein Wortspiel mit dem Nationalratspräsi­denten betreiben zu wollen, denn das darf man ja nicht, und da möchte ich nicht falsch verstanden werden.

Worum es uns geht: Der österreichische Film ist wichtig.

Herr Bundesminister! Ich verstehe Sie nicht, wenn Sie hier, logisch denkend – so schätze ich Sie ein, und das hat sich ja seit gestern nicht geändert –, allen Ernstes sa­gen: Wer gegen diese 8 Millionen ist, ist gegen den österreichischen Film! Das be­deutet ja zum Beispiel nicht, dass diese 20 Millionen, die Sie als Filmförderung über das Österreichische Filminstitut abwickeln, weg sind.

Und wollen Sie allen Ernstes auch sagen, dass das, was angesprochen wurde  (Zwischenbemerkung von Bundesminister Ostermayer.)

Kollege Berlakovich hat gerade von der Genialität, von der Kreativität gesprochen, von diesen österreichischen Stärken, die auch in unserer Identität enthalten sind. Wenn wir diesem Gesetz, diesen 8 Millionen nicht zustimmen, verliert dann Herr Haneke auf ein­mal seine Genialität, fällt ihm dann künstlerisch nichts mehr ein, dann ist alles dahin? – All das sind doch nur Ausreden.

Frau Kollegin Hakel, freuen Sie sich weiterhin darüber, dass wir sehr wertvolle Preise gewinnen und hohe Auszeichnungen. Das erinnert mich an „Wir sind Papst“. Und sollte Deutschland am Sonntag gewinnen und Weltmeister werden, dann sind eigentlich wir Weltmeister, denn schließlich haben wir ja in Córdoba 3:2 gewonnen. Wir sind Welt­meister! (Beifall bei der FPÖ.)

11.56

11.56.33

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. (Zwischenruf des Abg. Krai­ner.) – Bitte? (Abg. Krainer: Das war ein Zwischenruf, den können Sie dann nachle­sen!)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 258 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 64

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

11.57.175. Punkt

Bericht die Ausschusses für Menschenrechte über die Bürgerinitiative Nr. 18/BI: „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Isla­mophobie sowie gegen Homophobie“ (196 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gartelgruber. – Bitte.

 


11.57.45

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Lassen Sie mich, da wir jetzt über die Bürgerinitiative gegen Rassismus und gegen Menschen­feindlichkeit diskutieren, eingangs festhalten: Mir ist es sehr wichtig, Brücken für ein gutes Miteinander zu bauen. Zu diesem Brückenbau gehört aber auch, dass sich all je­ne Menschen, die zu uns kommen, bei uns integrieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie müssen nicht ihre Kultur aufgeben, aber die Kultur unseres Landes tolerieren und akzeptieren. Dazu gehört auch das Verlangen unsererseits, dass Menschen in der Öffentlichkeit unverschleiert auftreten. Wir wollen unseren Mitmenschen ins Gesicht schauen!

Herr Minister, wir haben gestern eine Fragestunde gehabt, und Sie haben mir im Rah­men dieser darin recht gegeben, dass wir in Österreich gerade beim Thema Integration große Probleme haben. Oft werden Frauen auch in Österreich gezwungen, die Burka zu tragen. Wir haben auch darüber gesprochen, dass Ehrenmorde, Zwangsverheira­tungen und sogar Beschneidungen in Österreich traurige Realität sind. Und Sie haben zugegeben, dass hier effektive Maßnahmen gesetzt werden müssen.

Wir müssen auch ein Symbol setzen. Ich glaube, dass die Burka ein starkes Symbol darstellt und auch ein Zeichen für eine muslimische Parallelgesellschaft in Österreich ist. Wer eine Burka trägt, lehnt symbolisch unsere Staatsform ab und auch ein gedeih­liches Miteinander. Vor allem aber, und ich stelle hier diese Frage: Wie sind Integration und Interaktion möglich, wenn eine Person das Gesicht verschleiert hat?

Die Burka schränkt nicht nur die Bewegungs- und Kommunikationsfreiheit der Trägerin massiv ein, sondern ein Zusammenleben und ein Gedankenaustausch sind nicht mög­lich. Für mich stellt die Burka auch ein bewegliches Frauengefängnis und ein Symbol der Unterdrückung der Frau dar. Es geht mir nicht darum, in fremde Kulturen einzu­greifen, sondern hier unsere Kultur festzulegen. Das ist ein legitimes Mittel unserer Ge­sellschaft und unseres Staates. (Beifall bei der FPÖ.)

Frankreich hat da sehr selbstsicher und selbstbewusst seine Spielregeln aufgestellt. Es hat verboten, in der Öffentlichkeit das Gesicht zu verschleiern. Der Europäische Ge­richtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass es sich hiebei um keine Diskriminie­rung handelt. Das verstößt nicht gegen den Schutz des Privatlebens und nicht gegen den Schutz der Religionsfreiheit.

Ich glaube, es wird auch Zeit, hier in Österreich solch ein Zeichen zu setzen. Daher stelle ich folgenden Antrag:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 65

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Mag. Gernot Darmann und weiterer Abgeord­neter betreffend Verbot der Verschleierung des Gesichtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regie­rungsvorlage betreffend ein Verbot der Verschleierung des Gesichtes im öffentlichen Raum nach französischem Vorbild zuzuleiten.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Mag. Gernot Darmann und weiterer Abgeord­neter betreffend Verbot der Verschleierung des Gesichtes

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Menschen­rechte über die Bürgerinitiative Nr. 18/BI: "Kampf gegen Rassismus und Menschen­feindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie" (196 d.B.), am 10.07.2014 zu TOP 5.

Mit Erkenntnis vom 1.7.2014 hat der EGMR das Gesetz der Republik Frankreich vom 11. Oktober 2010 betreffend „Das Verbot der Verschleierung des Gesichtes im öffentli­chen Raum“ für menschenrechtskonform erkannt.

Der wesentliche Inhalt dieses Gesetzes ist, dass – abgesehen von gesetzlich festge­legten Ausnahmen – keine Person im öffentlichen Raum eine Kleidung tragen darf, die ihr Gesicht verbirgt.

Von Bedeutung ist dieses Erkenntnis vor allem für die Problematik islamischer Ver­schleierung, zumal das Verfahren auf die Beschwerde einer Burkaträgerin zurückgeht.

Der Islam kennt keine Gleichberechtigung von Mann und Frau: In weiten, konserva­tiven Kreisen der islamischen Zuwanderungsgesellschaft herrscht gar die Meinung vor, dass Frauen Menschen zweiter Klasse seien. Eines der vielen Instrumente der Unter­drückung von Frauen ist die Burka. Sie schränkt zum einen die Bewegungs- und Kom­munikationsfreiheit der Trägerin massiv ein und schafft erschwerte Bedingungen im alltäglichen Leben. Zum anderen wird etwa das Tragen der Ganzkörperverschleierung als Symbol der vollständigen Unterwerfung gegenüber dem Mann verstanden und wer­den Frauen, die die Burka tragen, als unselbstständig wahrgenommen. Dies führt un­weigerlich zu teilweise schwer überwindbaren Hindernissen bei der Arbeitssuche, da in der Berufswelt oft individuelle Verantwortung gefordert wird.

Auch jene Frauenrechtlerinnen, die selbst dem islamischen Zuwanderungsmilieu ent­springen, kritisieren die Burka als Symbol der Unterdrückung von Frauen im Islam. Zu dieser Erkenntnis sind auch schon Regierungen der säkularen, islamisch geprägten Staaten gekommen. So besteht etwa in der Türkei ein Verbot der Ganzkörperver­schleierung. Hingegen besteht in den Staaten, in denen die Menschen- und Frauen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 66

rechte auf schwachen Beinen stehen, sogar eine Pflicht für Frauen, sich vollständig zu verhüllen.

Die Vollverschleierung schadet dem Zusammenleben in einer Gesellschaft, weil das Gesicht bei der Interaktion zwischen Menschen eine wichtige Rolle spielt. Besonders hervorzuheben ist, dass kein religiöser Zwang im Islam besteht, eine vollständige Ver­schleierung zu tragen, so stellt ein Verbot keinen Bruch mit der Religionsfreiheit in Ös­terreich, sondern einen Bruch mit der kulturell motivierten Unterdrückung der Frau dar.

Auch in der SPÖ gab es schon die Forderung des Verbotes der Burka. Die ehemalige Ministerin für Frauenangelegenheiten und öffentlichen Dienst Heinisch-Hosek sagte in der Pressestunde am 6.6.2010 folgendes:

„Ich möchte jetzt nicht darüber diskutieren, ob die Burka als religiöses Motiv betrachtet wird oder als Motiv der Unterdrückung. Ich neige zu Zweiterem. Nicht, dass wir die Burka instrumentalisieren dürfen, um hier religiösen Fundamentalismus irgendwie das Wort zu reden. Aber wichtig ist doch, dass zwischen Kopftuch Tragen und einer Ganz­körperverhüllung doch noch ein Unterschied ist. Und ich glaube, dass im öffentlichen Raum in Österreich, in öffentlichen Gebäuden, wo man sich ausweisen muss, wo man sein Gesicht herzeigen soll, es eine Grenze für mich gibt und das ist die Ganzkörper­verhüllung. Und daher spreche ich mich gegen den Gesichtsschleier aus.“

Jetzt hat der EGMR, nachdem eine Muslimin gegen das Burka-Verbot in Frankreich geklagt hat, dieses für rechtens erkannt.

In der Onlineausgabe vom 1.7.2014 der Tageszeitung „DiePresse“ ist folgender Artikel zu lesen:

„Eine Muslimin klagte gegen das Verbot, weil sie sich diskriminiert fühlt. Der Europäi­sche Gerichtshof für Menschenrechte sieht keine Grundrechtsverletzung.

01.07.2014 11:32 (DiePresse.com)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Burka-Verbot in Frankreich für rechtens erklärt. Das Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit stelle keine Grundrechtsverletzung dar, urteilten die Richter am Dienstag in Straßburg. Gegen das Gesetz hatte eine junge Muslimin geklagt, die sich diskriminiert fühlt. Für die Regierung verstößt die Burka gegen die Gleichberechtigung.

Das Verbot, das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verschleiern, gilt seit April 2011. Das Gesetz verbietet jede Art der Vermummung in der Öffentlichkeit, also auch die muslimi­sche Vollverschleierung. Es wird mit einer Geldstrafe von 150 Euro sanktioniert. Gegen das Urteil ist keine Berufung möglich.“

In folgenden Ländern Europas gibt es ein Burka-Verbot:

Als erstes europäisches Land hat Frankreich im April 2011 das Tragen von Vollschlei­ern oder Burkas in der Öffentlichkeit verboten. Bei Verstößen droht eine Geldstrafe von bis zu 150 Euro. Außerdem können Trägerinnen zum Besuch eines Kurses in Staats­bürgerkunde verurteilt werden.

Auch in Belgien gilt ein Verbot. Eingeführt wurde es im Juli 2011. Wer in Belgien sein Gesicht im öffentlichen Leben so verhüllt, dass er nicht mehr zu identifizieren ist, muss mit Strafen zwischen 15 und 25 Euro oder bis zu sieben Tagen Gefängnis rechnen.

In der Schweiz stimmte im Kanton Tessin die Bevölkerung mehrheitlich für ein Burka­verbot.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 67

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regie­rungsvorlage betreffend ein Verbot der Verschleierung des Gesichtes im öffentlichen Raum nach französischem Vorbild zuzuleiten.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 


12.01.39

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mei­ne Damen und Herren! Hohes Haus! Dem Inhalt dieser Bürgerinitiative gilt es besonde­re Aufmerksamkeit zu widmen. Hohe Arbeitslosigkeit fördert Radikalisierung. In unse­rem Land, in Österreich war im vorigen Jahrhundert in den zwanziger und dreißiger Jahren die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Wie ist es den Menschen damals gegangen? Wie haben sie die sehr hohe Arbeitslosigkeit verspürt?

Aus Erzählungen weiß ich, dass es Menschen gab, die drei Tage zu einer Baustelle unterwegs waren und hofften, dort Arbeit zu finden. Sie kamen enttäuscht ohne Geld zu den Familien zurück. Es gab Monate ohne Fleisch oder Wurst. Die Kinder hatten im Winter bei viel Schnee weder Stiefel noch Schuhe, sondern Holzpantoffel. Aus dieser Zeit kenne ich ein Bild, das mir vor Augen ist, ein Foto eines Mannes mit einem Schild in der Hand, darauf geschrieben stand: Ich nehme jede Arbeit an. – Das war furchtbar entwürdigend.

Die heutige Bundesregierung nimmt Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit nicht in Kauf. Im Gegenteil: Das oberste Ziel dieser Bundesregierung sind hohe Beschäftigung und Ausbildungsgarantie für junge Menschen! Dies ist auch die Voraussetzung für die Vermeidung von Rassismus und Diskriminierung.

Meine Damen und Herren! Rassismus und Diskriminierung sind weltweite Phänomene und erfordern gemeinsame Lösungen. Rassismus und Diskriminierung von Minderhei­ten trifft die Roma in Europa am stärksten. Ich möchte die Forderung unterstreichen, einen EU-Kommissär einzusetzen, der sich mit den Fragen und Problemstellungen der Minderheiten, insbesondere der Roma beschäftigt.

In Österreich sind die Roma seit 20 Jahren eine anerkannte Volksgruppe. Die österrei­chische Roma-Strategie der Bundesregierung umfasst die Schwerpunkte Bildung, Be­schäftigung, Gesundheit und Wohnen.

Meine Damen und Herren! Wer nicht blind ist, erkennt und sieht die rechtsextremen Aktivitäten in unserem Land, in Österreich. Sie sind eine Herausforderung für alle De­mokratinnen und Demokraten. Die menschenrechtsbezogenen Bildungsmaßnahmen gilt es zu verstärken und auszubauen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.05.00

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich mit dieser Bürgerinitiative sehr ge­nau auseinandergesetzt und habe ein bisschen überlegt, was die Forderungen, die da­rin enthalten sind, für Auswirkungen auf die Politik, auf die Gesellschaft und was weiß


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ich alles haben. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass da teilweise Wunschvorstel­lungen drinnen stehen. Manche Punkte sind durchaus berechtigt, aber manche Punkte sind schon sehr weit hergeholt. Ich muss Ihnen sagen: Die sind nicht umsetzbar oder sind teilweise schon erledigt.

Ich komme zum Punkt, es wird da gefordert: „Die Sensibilisierung von PolizistInnen, RichterInnen, LehrerInnen und anderen auf Anzeichen von Rassismus, Menschen­feindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie und Homophobie und die Vermittlung von Kenntnissen, wie solche aufgezeigt und beendet werden ().“

Wenn ich das lese, so möchte ich Ihnen eines sagen: Ich bin im Zivilberuf Polizeibeam­ter, und ich kann Ihnen mitteilen, dass wir sehr wohl sensibilisiert werden. Das findet schon statt, also braucht es da diese Forderung nicht wirklich. (Beifall beim Team Stro­nach.)

Mir geht es auch etwas zu weit, wenn ich da drinnen lese: „Die Personalstruktur im öf­fentlichen Dienst soll das gesamte gesellschaftliche Spektrum in all seiner Vielfalt und Diversität widerspiegeln.“

Meine Damen und Herren! Wenn ich das jetzt umlege – bleiben wir wieder beim Poli­zeiberuf! –, wenn ich Migranten habe und die einfach die Aufnahmeprüfung nicht schaffen, dann kann ich, wenn ich 20 Prozent Migranten in meinem Bundesland habe, nicht hergehen und 20 Prozent migrantische Polizisten aufnehmen, denn das wäre dann eine Bevorzugung gegenüber denjenigen, die diese Prüfung bestehen oder die Chance haben, in den Polizeidienst hineinzukommen. Und die würden diese von die­sen Plätzen verdrängen, die sie sich erarbeitet haben und die sie auch zu Recht be­kommen würden. Dieser Punkt geht absolut zu weit. (Beifall beim Team Stronach so­wie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn wir noch weitergehen, finden wir da drinnen: „Neue, offensive Wege in der Be­werbung ().“ – Sie wollen, dass die NGOs aufgebläht und finanziell unterstützt wer­den. Wir haben ohnehin die Situation, dass uns hinten und vorne das Geld in diesem Staat Österreich nicht reicht. Jeder sagt zu Recht, Steuern runter. Aber wie wollen Sie das finanzieren?

Wenn ich dann von einem ehemaligen Botschafter höre – ich darf seinen Namen nicht nennen, sonst bekommt er Probleme –, wenn er mir sagt, wir haben im Asylbereich und im NGO-Bereich mittlerweile bereits in Österreich zirka 100 000 Beschäftigte, die nur von der öffentlichen Hand leben, meine Damen und Herren, dann wissen wir, dass das alles Steuergeld ist. Und wenn man hier noch mehr aufblähen will, dann wissen wir, wohin die Reise geht. Wenn ich dann auch noch von diesem Botschafter höre, dass wir in Österreich Asylgründe annehmen, die international gar nicht mehr herange­zogen werden, dann muss ich mich schon fragen, ob hier eine Asyl- oder NGO-Indus­trie aufgezogen werden soll.

Ich kann diese Bürgerinitiative leider nicht unterstützen, weil viel zu viele Punkte drinnen sind, die für mich nicht nachvollziehbar sind. (Beifall beim Team Stronach.)

Jetzt zu den Entschließungsanträgen; einer wurde schon eingebracht, einer wird noch eingebracht werden. Zum Antrag betreffend Burka-Verbot. Meine Damen und Herren! Das kann man durchaus unterstützen, das hat auch seine guten Gründe. Ich möchte die Grünen daran erinnern: Euer Bundesrat, Herr Dönmez – ein durchaus gescheiter Bursch, ich habe ihn kennengelernt, sehr sympathisch – sagt selber, dass das ein Pro­blem ist, das die Sozialbezieherquote fördert. Wenn man eine Burka trägt, kann man nicht am Arbeitsplatz bestehen, kann man nicht arbeiten, dann bezieht man Arbeits­losengeld beziehungsweise Sozialhilfe. Also wenn selbst Herr Dönmez dagegen ist – und den sehe ich als gut integrierten und sehr gescheiten Burschen –, dann kann man


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diesen Antrag nur unterstützen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Antrag der Grünen, der noch betreffend Sanktionen gegen Uganda eingebracht wird, hat seine Berechtigung, meine Damen und Herren. Nur weil man „geschlechtlich anders gepolt“ ist – unter Anführungszeichen –, kann man nicht zu lebenslanger Haft verurteilt werden – eben nur aus diesem Grunde. Das ist ein Antrag, den wir auch un­terstützen werden.

Aber, wie gesagt, diese Bürgerinitiative geht zu weit, diese können wir nur ablehnen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Hübner.)

12.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

 


12.09.33

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Bürgerinitiative „Kampf gegen Rassismus und Men­schenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ ist zu­erst im Petitionsausschuss eingelangt. Der Petitionsausschuss hat sich intensiv mit dieser Bürgerinitiative befasst und dann entschieden, dass diese Initiative an den Men­schenrechtsausschuss weitergeleitet wird.

Vom Menschenrechtsausschuss wurden zur Bearbeitung dieser Initiative umfassend Stellungnahmen aus den einzelnen Ministerien eingeholt, um herauszufinden, inwie­weit die Forderungen dieser Initiative in den österreichischen Gesetzen bereits umge­setzt wurden. Dabei ist er zum Schluss gelangt, dass in der österreichischen Rechts­ordnung bereits sehr umfassende Normen hinsichtlich der Verhinderung und Bekämp­fung von Diskriminierung, von Rassismus, von Antisemitismus und zum Schutz davor umgesetzt wurden, aber kein Gesetz kann verhindern, dass es doch immer wieder zu einzelnen Vorfällen kommt.

Solche Vorfälle sind natürlich striktest abzulehnen und zu ahnden, aber noch ein neues Gesetz zu erlassen, ist hier nicht die richtige Lösung. Wir haben daher umfassend recherchiert: Wir haben in der Verfassung ein Sachlichkeitsgebot und auch ein Diskri­minierungsverbot im Art. 7. Weiters sind in der Bundesverfassung internationale Über­einkommen zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung umgesetzt. Wir kennen in unserer Verfassung den Art. 14 MRK Diskriminierungsverbot. Zudem haben wir so­wohl auf einfachgesetzlicher Ebene im Bund und in den Ländern als auch im Hinblick auf verfassungsgesetzliche Landesebenen Regelungen hinsichtlich der Vermeidung jeglicher Form von Diskriminierung. Wir haben auch den Nationalen Aktionsplan für In­tegration, und in den Lehrplänen ist sowohl die politische als auch die antidiskriminie­rende Bildung vorgesehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Menschenrechtsausschuss ist somit zur Auffassung gelangt, dass die Notwendigkeit weiterer gesetzlichen Regelungen nicht gegeben ist, weil bereits ein sehr umfassender gesetzlicher Schutz besteht. Nichtsdes­totrotz müssen wir uns jedoch bemühen, dass diese Gesetze auch entsprechend um­gesetzt werden.

Ich komme nun zum Burka-Verbot. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir ha­ben ein Vermummungsverbot im Hinblick auf Versammlungen. (Abg. Neubauer: Das ist noch nie geahndet worden!) Hinsichtlich des Burka-Verbotes hat sich meine Frak­tion intensiv mit der Frage befasst, inwieweit so eine Lösung, wie Frankreich sie hat, auch bei uns gerechtfertigt wäre.

Im österreichischen Straßenbild ist die Burka nicht wirklich Alltag. Ganz im Gegenteil! Man sieht sie sehr selten. (Abg. Kickl: Da, wo Sie wohnen, vielleicht nicht!) Ich kenne


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nur einen Ort in Österreich, wo man sehr häufig auf die Burka trifft – und das ist Zell am See. (Abg. Meinl-Reisinger: Hallstatt! – Abg. Walter Rosenkranz: Jetzt haben wir schon zwei Orte!)

Zell am See lebt vom Tourismus aus arabischen Ländern. Diese Gäste kommen gerne zu uns. Diese Gäste lassen sehr viel Geld da und diese Gäste schaffen im Pinzgau auch Arbeitsplätze. (Abg. Neubauer: Jetzt ist es eine Geldfrage! Unglaublich! – Abg. Gartelgruber: Ich glaube es nicht! – Abg. Kickl: Unglaublich! Meine Güte!) Ich möchte sie nicht vertreiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. Ruf bei der FPÖ: Fürs Geld zieht die Frau Fekter sogar die Burka an!)

12.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. – Bitte.

 


12.14.02

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf der Gale­rie und Zuschauer vor den Bildschirmen! Ich möchte mich eingangs ganz, ganz herz­lich bei den Initiatoren und Initiatorinnen dieser Bürgerinitiative bedanken, die mit vol­lem Text Bürgerinitiative betreffend „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlich­keit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ heißt.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich viele Bürger und Bürgerinnen, viele Menschen, die in Österreich leben, zusammengetan und sich Gedanken gemacht haben und für eine Gleichbehandlung aller in Österreich lebender Menschen und gegen die Diskrimi­nierung und Marginalisierung von Menschen und Menschengruppen eintreten.

Auch im Menschenrechtsausschuss haben wir uns in einer längeren Diskussion mit die­sen Problembereichen, nämlich Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus und Homo­phobie beschäftigt, und wir werden heute diese Bürgerinitiative gemeinsam zur Kennt­nis nehmen.

Es ist mir aber ein Anliegen, dass es nicht bei einer bloßen Zurkenntnisnahme auf dem Papier oder bei ein paar Gesprächen bleibt, sondern dass wir die Anliegen insofern zur Kenntnis nehmen, indem wir gemeinsam aktiv gegen Diskriminierung und Ausgren­zung vorgehen. Die Adressaten und Adressatinnen dieser Bürgerinitiative, werte Kolle­ginnen und Kollegen, sind nämlich wir alle, die gesamte Bundesregierung mit allen Bundesministern und Bundesministerinnen.

Das heißt, es ist absolut nicht damit getan, nickend ja, ja zu sagen und dass wir das zur Kenntnis nehmen werden und einfach mit ein paar Reden hier im Parlament be­handeln, sondern was die Bürger und Bürgerinnen, die diese Initiative gestartet haben, wollen, ist, dass wir als Politiker und Politikerinnen aktiv dagegen vorgehen. Da gibt es – da widerspreche ich Ihnen gerne, Kollegin Fekter – durchaus auch Lücken in un­seren Gesetzen. Sie mögen im Vergleich zu manch anderen Ländern, wo es weitaus weniger an gesetzgeberischen Maßnahmen gegen Diskriminierung gibt, gut sein, aber besser zu sein als ein paar andere Länder, vielleicht auch besser als viele andere Län­der, ist nicht genug und bedeutet auch nicht automatisch, dass beispielsweise Lesben und Schwule, Juden und Jüdinnen, Moslems und andere von Diskriminierung be­troffene Gruppen auf Augenhöhe behandelt werden würden oder dass überhaupt keine Diskriminierung stattfinden würde.

Ich nehme hier beispielsweise ein konkretes Beispiel heraus: Lassen Sie uns den Na­tionalen Aktionsplan für Integration anschauen! Dort findet sich interessanterweise we­der das Wort „Rassismus“ noch das Wort „Antirassismus“, dort ist Diskriminierung kein Thema und Antidiskriminierung kein Anliegen.


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Alle Experten und Expertinnen sind sich aber einig, dass die sogenannte Integration beziehungsweise die Inklusion, das Hereinnehmen von Menschen, das Integrieren von Menschen in eine Gesamtgesellschaft ohne Gespräche auf Augenhöhe, ohne Gleich­berechtigung, ohne Chancengleichheit und ohne Maßnahmen gegen Diskriminierung gar nicht geht. Hier gibt es mehr als genug zu tun, weil, um bei dem konkreten Beispiel zu bleiben, der NAP für Integration Diskriminierungserfahrungen von vielen Menschen einfach ignoriert.

Nun ein letztes Wort zur sogenannten Burka. Es ist bekannt, dass ich mit Außenmi­nister und Integrationsminister Kurz selten einer Meinung bin, dazu teile ich allerdings seine Meinung und seine Einschätzung (Ruf bei der FPÖ: Wie schön!), dass wir in Ös­terreich keine künstliche und keine populistische Debatte brauchen, die kein einziges Problem einer betroffenen Frau lösen würde.

Wir brauchen echte Maßnahmen für echte und gelebte Chancengleichheit. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort. – Bitte.

 


12.18.38

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Ich will jetzt gar nicht auf die Debatte eingehen, ob die gesetzlichen Regelungen ausreichen oder ob noch etwas zu tun ist. – Ich glaube, da kann man geteilter Meinung sein. Ich denke, dass das Wesentliche, womit sich diese Bürgerinitiative beschäftigt, ist, dass sie teilweise Umsetzungen oder zusätzliche Sensibilisierungen vorschlägt und Fragen aufwirft, ob das nicht im Lehrplan noch stärker betont werden sollte. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt.

Ich finde es großartig, dass aus der Bevölkerung heraus so eine Bürgerinitiative kommt. Ich glaube, dass zum Beispiel eine zusätzliche Sensibilisierung in Bezug auf Polizisten – Herr Kollege Hagen, Sie haben das bereits angesprochen – nicht schaden kann!

Ein weiterer Punkt, den ich ganz wichtig finde, ist die Umsetzung dienstrechtlicher Kon­sequenzen, welche zwar im Gesetz verankert sind, wo sich aber doch die Frage stellt, wie diese Konsequenzen angewendet werden. Leider Gottes gab es in den letzten Jahren viele Situationen, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, die darauf folgenden Konsequenzen waren jedoch nicht jene, die ich mir gewünscht hätte. Nämlich ein klares Zeichen, dass das nicht gehen kann! (Abg. Fekter: Stimmt ja nicht!) Ich finde es richtig, dass die Bürgerinitiative das anspricht, und hier stellt sich die Frage, ob wir das nicht stärker umsetzen sollten.

Zur Frau Kollegin Gartelgruber: Ja, jetzt hat der EGMR dieses Urteil gemacht. Das Ur­teil kann man genau lesen. Da geht es einerseits um die Situation in Frankreich. Da steht drin, dass das in der Situation aus der Sicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verhältnismäßig ist, weil es ums Zusammenleben geht.

Ich bin auch der Meinung, dass wir diese Problematik in Österreich so nicht haben. Zu­sätzlich bin ich der Meinung: Solange es nicht um Zwang geht und Frauen dazu ge­zwungen werden, die Burka zu tragen, glaube ich, dass man sich, wenn das die Frage ist (Zwischenruf der Abg. Gartelgruber), frei dazu entscheiden kann. Da glaube ich sehr wohl, dass das ohne Weiteres in Ordnung ist. Die Frage ist, wenn ich das generell verbieten würde, was das für Konsequenzen hätte, dass nämlich Frauen, die eine Burka tragen, sich möglicherweise gar nicht mehr in den öffentlichen Raum trauen. Da bin ich doch davon überzeugt, dass ein Burka-Verbot in Österreich keinen Sinn ma­chen würde.


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Ich möchte noch ganz kurz sagen, wieso wir den Entschließungsantrag im Zusam­menhang mit dieser Bürgerinitiative einbringen werden. Die Bürgerinitiative setzt sich damit auseinander, dass Diskriminierung und Feindlichkeit gegenüber homosexuellen Menschen thematisiert werden soll. Wir haben momentan in Uganda dahin gehend ein äußerst rigides Regime, und das verschlimmert sich von Woche zu Woche. Ich glaube, dass wir dahin gehend etwas tun sollen. Es gibt lebenslange Haftstrafen für Homose­xuelle, die ihrer Sexualität nachkommen.

Ich glaube nicht, dass das sein kann. Deswegen bringe ich hiermit folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Alev Ko­run, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanktionen gegen Uganda

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, wird aufgefordert, sich auf internationaler und UN-Ebene dafür einzusetzen, dass die Menschenrechtsverletzungen gegenüber LGBTIs in Uganda schärfstens ver­urteilt werden. Im Speziellen soll sich der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres dafür einsetzen, dass den Betroffenen in Uganda mit Unterstützung und Ein­bindung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres und der ADA (Austrian Development Agency) Rechtsberatung zur Verfügung gestellt wird.‘“

*****

(Beifall bei NEOS und Grünen.)

12.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Tanja Windbüchler-Souschill, Mag.a Alev Ko­run, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanktionen gegen Uganda,

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über die Bürgerinitiative Nr. 18/BI: „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlich­keit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ (196 d.B.).

Seit Jahresbeginn gilt in Uganda eines der schärfsten Gesetze gegen homosexuelle Personen weltweit. Ugandas Präsident Yoweri Museveni ließ im Februar ein Gesetz in Kraft setzen, das lebenslange Haftstrafen für Homosexuelle zulässt und Zeugen ver­pflichtet, Homosexuelle bei den Behörden zu denunzieren. Zunächst sah eine Geset­zesvorlage sogar die Verhängung der Todesstrafe gegen Homosexuelle vor – aufgrund internationalen Drucks kam das Gesetz aber in dieser Form nicht zustande. Bereits im Mai mussten zwei Männer auf Grundlage dieses neuen Gesetzes vor Gericht. Einige europäische Länder setzten aufgrund der Verabschiedung dieses Anti-Homosexuellen-Gesetzes ihre Hilfszahlungen für Uganda aus (Niederlande, Norwegen, Dänemark), wo­von sich der ugandische Regierungssprecher Ofwono Opondo unbeeindruckt zeigte.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 73

Zu „schweren homosexuellen Handlungen“ im Sinne dieses Gesetzes gehört unter an­derem wiederholter Geschlechtsverkehr zwischen homosexuellen Erwachsenen. Zu­dem wird jede Propagierung von Homosexualität verboten und Bürger werden dazu angehalten, Homosexuelle bei den Behörden anzuzeigen. Ein erstes homosexuelles Vergehen wird mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet.

Die Ablehnung von Homosexualität durch einige Menschen kann niemals die Verlet­zung fundamentaler Menschenrechte anderer rechtfertigen. Es handelt sich daher um einen eindeutigen Bruch der Menschenrechte.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, wird aufgefordert, sich auf internationaler und UN-Ebene dafür einzusetzen, dass die Menschenrechtsverletzungen gegenüber LGBTIs in Uganda schärfstens ver­urteilt werden. Im Speziellen soll sich der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres dafür einsetzen, dass den Betroffenen in Uganda mit Unterstützung und Einbindung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres und der ADA (Austrian Development Agency) Rechtsberatung zur Verfügung gestellt wird.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Yilmaz.

 


12.21.43

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Bürgerinitiative stehe ich eigentlich sehr positiv ge­genüber. Es gibt jedoch in den Forderungen einige juristische Fehleinschätzungen.

Was Rassismus betrifft, ist ethnische Herkunft bereits jetzt umfassend vor Diskriminie­rung geschützt, sowohl in der Arbeitswelt als auch im privaten Bereich. Anders ist es jedoch bei Religion, sexueller Orientierung und Weltanschauung: Diese sind nur in der Arbeitswelt geschützt. Hier haben wir, glaube ich, Handlungsbedarf, da sollten wir uns dieses Themas ernsthaft annehmen. Ich möchte den UnterzeichnerInnen und Unter­stützerInnen dieser Bürgerinitiative ausrichten, dass die Botschaft angekommen ist. Es ist es wert, unsere Gesetze und den Diskriminierungsschutz in unseren Gesetzen wei­terzuentwickeln.

Was die Forderung einer Bundesstiftung für aktive Menschen- und Grundrechtsarbeit betrifft, möchte ich anmerken, dass durch die Erweiterung der Zuständigkeit der Volks­anwaltschaft auf die OPCAT-Umsetzung – OPCAT ist das optionale Protokoll zum Übereinkommen gegen Folter – diese zu einer echten Menschenrechtseinrichtung ge­worden ist. Ich muss Ihnen hier wahrscheinlich nicht lang und breit erklären, was für ei­ne wichtige Arbeit die Volksanwaltschaft in unserem Staat tut und dass sie alle ihre Aufgaben sehr ernst nimmt. Sie wird auch diese neue Aufgabe – was seit zirka einein­halb Jahren der Fall ist – sehr ernst nehmen.

Burka: Die FPÖ hat ihre Kernkompetenzen um ein Thema erweitert, dank dieser EGMR-Entscheidung. Sie macht sich nämlich große Sorgen um die Diskriminierung von Bur­ka-Trägerinnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in dieser Republik wirklich genug Proble­me. Wir müssen nicht die Probleme anderer Länder nach Österreich importieren. (Abg.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 74

Kickl: Man sollte das nicht bagatellisieren! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Blei­ben wir mit den Burka-Trägerinnen im Dialog, damit wir ihnen helfen können! Es macht keinen Sinn, ein Verbot auszusprechen und die Menschen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Dann gibt es überhaupt keinen Dialog mehr. Wir haben die Aufgabe, auch diese Frauen zu stärken, damit sie auch die Burka nicht mehr tragen müssen.

Für mich ist das Tragen einer Burka auch eine Diskriminierung. Gerade Sie, die Sie es nicht einmal aushalten, in der österreichischen Bundeshymne das Wort „Töchter“ zu hören, machen sich Sorgen (Abg. Kickl: Um das geht es ja gar nicht!) um die paar Burka-Trägerinnen in unserem Land! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Wir wehren uns nur gegen dieses zeitgeistige Herumdoktern! – Weitere Zwischenrufe.)

12.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Ofen­auer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.25.22

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Unterstützer der Bürgerinitiative „Kampf gegen Menschenfeindlichkeit, Antisemitis­mus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ sehen eine Radikalisierung der Ge­sellschaft, die dazu führe, dagegen aufzustehen, gegen diese Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und so weiter. Sie sprechen sich deshalb unter anderem für ein bun­desweites Antidiskriminierungsgesetz aus und fordern zahlreiche Maßnahmen zur Ver­besserung der Situation. Es wurde bereits angesprochen, dass diese Bürgerinitiative ein gutes Beispiel für den Umgang mit Bürgerinitiativen ist. Diese ist über die Behand­lung im Petitionsausschuss und dann im Menschenrechtsausschuss hierher ins Ple­num gelangt.

Lassen Sie mich zuvor aber kurz über das Thema Meinungsfreiheit und Antidiskrimi­nierung im Zusammenhang mit Demonstrationen sprechen. Wenn Menschen demons­trieren, dann ist das ein Ausdruck der Meinungsfreiheit, wie das in einer Demokratie möglich sein muss. Dagegen gibt es nichts zu sagen, im Gegenteil, das ist sogar sehr wünschenswert. Allerdings ist es die Frage, wie und auf welche Art und Weise dies ge­schieht.

Es scheint tatsächlich eine Radikalisierung vor sich zu gehen, wie man sieht, wenn man die Ausschreitungen der letzten Demonstrationen betrachtet. Es geht da nicht um eine einseitige Radikalisierung, sondern um eine Radikalisierung von links und rechts der Mitte. Ich bin der Meinung, Pflastersteine werfen, Mistkübel anzünden, Schaufens­ter einschlagen, das ist nicht die Art von Meinungsfreiheit, wie ich sie verstehe. Auf ra­dikale Art, auf diese Art und Weise wird sicherlich keine Verbesserung von Situationen, egal wo, erreicht – im Gegenteil!

Zu den Forderungen der Bürgerinitiative: Es wurde bereits angesprochen, dass die Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten seit jeher ein Prinzip in der öster­reichischen Politik ist. Hervorheben möchte ich noch einmal das Diskriminierungsver­bot in Art. 7 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz und den Art. 2 des Staatsgrundgeset­zes aus 1867, wo bereits normiert ist, dass alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind. Darüber hinaus arbeitet Österreich mit allen internationalen und regionalen Men­schenrechtsüberwachungsorganen zusammen.

Bereits angesprochen wurde auch der Nationale Aktionsplan für Integration unseres Außenministers Sebastian Kurz. Darin werden zahlreiche Maßnahmen zur Bekämp­fung von Rassismus gesetzt. Es sollen zum Beispiel die Maßnahmen von Ländern, Ge­meinden, Städten, Sozialpartnern und dem Bund gebündelt werden. Opfer von Rassis­mus und Diskriminierung sollen über ihre Rechte, über Beschwerde- und Rechts-


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schutzmöglichkeiten informiert werden. In den Schulen soll es verstärkt Initiativen und Workshops zur Gewaltprävention, zum Konfliktmanagement und auch gegen Mobbing bei Kindern und Jugendlichen geben. Ich bin auch der Meinung: Bevor wieder ein Ge­setz gemacht wird, sollten wir ganz einfach die Maßnahmen, die es bereits gibt, um­setzen.

Unter den Forderungen der Bürgerinitiative findet sich auch eine Verpflichtung zur fun­dierten Menschenrechtsausbildung für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Auch dazu sieht die Dienstrechts-Novelle für Bundesbedienstete bereits scharfe Konsequen­zen für den Fall von Menschenrechtsverletzungen vor.

Meine Damen und Herren! Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, jede Form von Diskriminierung, aber auch Extremismus sind zu verurteilen. Gleichzeitig fürchte ich aber, dass man Einstellungen nicht per Gesetz ganz einfach löschen kann. Wie erläutert, haben wir bereits umfangreiche Bestimmungen in unserer Rechtsord­nung, die Schutz vor Diskriminierung gewährleisten. Ich plädiere daher für mehr Auf­klärung, für mehr Bewusstseinsbildung. Wenn die Bürgerinitiative davon spricht, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, dann müssen wir genau darauf aufbauen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Dara­bos. – Bitte.

 


12.29.14

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Man wird immer wieder überrascht in diesem Hohen Haus. Ich habe eigentlich geglaubt, dass es keine zwei Meinungen geben kann zu diesem An­trag, zu dieser Initiative der Bürger, denn die hier festgelegten Forderungen und Fest­stellungen sind aus meiner Sicht zu 100 Prozent zu unterstützen. Forderungen gegen Rassismus, Intoleranz, Menschenfeindlichkeit hier zu verurteilen, das müsste doch für dieses Hohe Haus eine Latte sein, über die alle Fraktionen hinüberspringen können. Diskriminierungen aufgrund von Hautfarbe, Religion, Weltanschauung oder sexueller Orientierung und das Aufhetzen von Menschen haben in einer offenen, demokrati­schen Gesellschaft einfach nichts verloren! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich habe zwar gesagt, dass ich überrascht bin, aber wirklich überrascht bin ich nicht. Herr Abgeordneter Hagen vom Team Stronach, wo geht dieser Antrag zu weit? Das müssen Sie mir erklären! Wo geht dieser Antrag zu weit? (Abg. Hagen: Habe ich Ihnen erklärt! Wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie es! Sie hätten mir zuhören müssen!)

Von Ihnen bin ich überrascht, von den Freiheitlichen weniger. Das ist immer das glei­che Muster: Man kann Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Homo­phobie nicht mittragen und versucht, auf ein anderes Thema abzulenken, hier auf ein Burka-Verbot. Warum können Sie nicht über Ihren Schatten springen? – Ich habe hier bei Ihnen ein Contra, Sie werden offensichtlich gegen diesen Antrag stimmen. Und ich finde ... (Abg. Höbart: Frau Heinisch-Hosek hat das auch gefordert!)

Ja, aber warum? – Wir reden jetzt hier über diesen Antrag der Bürgerinitiative, und Sie versuchen abzulenken (Zwischenrufe bei der FPÖ) und sozusagen Ihre politische Ein­stellung, die Sie haben, nämlich eine fremdenfeindliche (Beifall bei SPÖ und Grünen), eine, die für die Diskriminierung oder gegen ein Diskriminierungsverbot von Homose­xuellen ist, aufzutreten, und damit versuchen Sie, sich hier vorbeizuschwindeln.

Ich sage als Sozialdemokrat: Wir stehen zu hundert Prozent hinter dem Antrag! (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Dieser Antrag bietet für uns auch einen neuen Impuls, nämlich den Impuls, dass wir – wie das meine Vorrednerin von der sozialdemokratischen Frak-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 76

tion schon angesprochen hat; und diesen Impuls werden wir auch weitertragen – bei den Parametern Religion, sexuelle Orientierung und Weltanschauung das jetzt schon umfassende Diskriminierungsschutzgesetz, das sich jetzt nur auf die Arbeitswelt be­schränkt, ausweiten sollten. Das sollte auch ein Anstoß dieser Initiative sein. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Abschließend: Wir stehen hinter diesem Anliegen zu 100 Prozent, und ich würde mir wünschen, dass das gesamte österreichische Parlament hinter dieser Bürgerinitiative steht. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.31

12.31.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Menschen­rechte, seinen Bericht 196 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot der Verschleierung des Gesichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Scherak, Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanktionen gegen Uganda.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

12.32.566. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsange­bots (254 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.33.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Einleitend darf ich mich bei den Mitgliedern des Familienausschusses für die konstruktive Zusammenarbeit recht herzlich bedanken, auch wenn die Diskus­sion manchmal kontroversiell ist. Für das gute Gesprächsklima herzlichen Dank!

Es ist ein gutes Jahr für die Familien, für die Kinder, für die Mütter und für die Väter in Österreich: Im Juli 2014 tritt die Erhöhung der Familienbeihilfe in Kraft, eine längst überfällige Maßnahme, und die Erhöhung der Familienbeihilfe wird 2016 und 2018 fort­geschrieben. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Heute, am 10. Juli 2014, werden 305 Millionen € auf den Weg gebracht, um die Kinder­betreuungseinrichtungen in Österreich weiter auszubauen. Es werden damit 30 000 neue


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Kinderbetreuungsplätze geschaffen. Ich bin voller Zuversicht und voller Hoffnung, dass die österreichischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dass die Ländervertreter, die Mandatarinnen und Mandatare in den Ländern von der ÖVP, der SPÖ, den Grünen und dem Team Stronach diese Möglichkeiten, diese Chancen nützen werden und sich im Dialog mit unseren Familien diesem Projekt widmen werden. Es werden Kindergär­ten ausgebaut, es werden Kinderkrippen ausgebaut, und es wird die Möglichkeit ge­schaffen werden, die Tageseltern besser als bis jetzt in dieses System einzubringen.

Wir haben heute ein Paket zur Abstimmung vorliegen, das ein großes Anreizsystem und auch ein Kontrollsystem in sich trägt. Denn nur dann, wenn bessere Qualität gelie­fert wird, bekommt man aus diesem von den Ländern und den Bundesvertretern aus­gehandelten Paket mehr Geld.

Ich darf schon aktuell aus dem Umland von Wien berichten: Im Bahnhof Tullnerfeld wird ein Pendlerkindergarten geschaffen. Das ist ein gemeindeübergreifendes Projekt. Das heißt, in den Ländern, in den Gemeinden sind jetzt schon die Vorbereitungen ge­troffen, um dieses Geld abholen zu können. Dafür sage ich heute schon ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Es liegt in diesem Jahr aber auch noch einiges vor uns. Im Herbst werden die Bera­tungen rund um das Kinderbetreuungsgeld gestartet. Auch hier ist unsere Forderung, dass es gelingt, mehr Flexibilität für die Kinder und für die Familien an den Tag zu le­gen. Und: Wir haben natürlich auch große Erwartungen an die Arbeitsgruppe, die sich der Steuerreform widmen wird. Auch da ist es ein Muss, dass mehr für die Kinder, für die Familien mit Kindern herausschaut. Steuerliche Anreize müssen gesetzt werden.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, zufriedene Kinder, zufriedene Eltern zu schaf­fen, die in einem wohlwollenden gesellschaftlichen Klima, mit ausreichenden finanziel­len Mitteln ausgestattet, aufwachsen können. Ich kann Ihnen versichern, wir geben un­ser Bestes, um dieses Ziel zu erreichen, und ich ersuche Sie ganz einfach um Ihre Mit­arbeit und Ihre Unterstützung. – Danke schön und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


12.37.31

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wer­te KollegInnen! Diese Artikel-15a-Vereinbarung, die wir heute hier beschließen, ist ein weiterer Schritt zur besseren Vereinbarkeit für Familien.

Der Bund hat seit 2008 jeweils 15 Millionen € in die Hand genommen. Das heißt, seit 2008 haben wir 100 Millionen in den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen inves­tiert. Bis 2017 nehmen wir 305 Millionen für den Ausbau her. Das heißt, wir investieren allein heuer schon mehr als in den letzten sieben Jahren zusammen! Das Ziel – das hat mein Kollege auch schon angesprochen – ist ganz einfach, 30 000 zusätzliche Kin­derbetreuungsplätze zu schaffen.

Frau Kollegin Kitzmüller! Weil Sie auch heute wieder einen Antrag wegen der Wahl­freiheit einbringen: Wahlfreiheit gibt es für uns Sozialdemokraten nur da, wo ich eine breite Basis habe, aus der ich auch wählen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Diese Basis braucht man ganz einfach mit dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrich­tungen; ein zusätzlicher Aspekt wäre jetzt die institutionelle und die betriebliche Kin­derbetreuungseinrichtung. Der Ausbau der Förderung für die Tageseltern ist ein weite­rer Punkt. Es bleibt die Entscheidung jedes Einzelnen, wie er sich dann weiter ent­scheidet. (Abg. Kitzmüller: Wenn die Familien ...!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 78

Schwerpunkt soll es aber trotzdem weiter bleiben, den Ausbau bei unter Dreijährigen weiter zu forcieren, damit wir es schaffen, bis 2017 das Barcelona-Ziel der 33 Prozent zu erreichen. Das ist aber nicht das Ende der Fahnenstange, dann haben wir 33 Pro­zent erreicht. Es gibt aber auch die Forderung, die nun auch seitens der Kollegin Meinl-Reisinger da ist, die Forderung letztendlich nach einem Rechtsanspruch für das erste Lebensjahr des Kindes, hinter der wir auch stehen, die jetzt aber ganz einfach zu früh gegriffen ist. Sie ist zu früh gegriffen, denn wenn wir jetzt sagen, wir haben 33 Prozent mit dem Ausbau geschafft, dann brauchen wir bis zum Jahr 2018 – das haben wir auch im Ausschuss so besprochen – auch noch die Ausbildung und die Ausbildungsstätten für die Pädagoginnen und Pädagogen.

Aber ich denke mir, dass wir in diesem Bereich schon sehr weit gekommen sind. Denn auch in Artikel 1 dieser Vereinbarung steht das erste Mal – und das ist eine Diskussion, die vor Jahren nicht möglich gewesen wäre – „Kinderbildungseinrichtungen“ und nicht mehr „Betreuungseinrichtungen“. Und das ist schon einmal ein sehr, sehr wichtiger As­pekt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Verhandlungen zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung waren sehr schwierig, waren auch sehr kontroversiell, und die Länder haben dann auch noch zusätzlich eine Runde eingefordert, um ihre Forderungen noch einmal genau disponieren zu können. Und ja, es gibt auch noch einiges, was uns noch nicht recht ist. Wir wollen auch nicht, dass es Bundesländer gibt, wo der Kindergarten mehr als fünf Wochen geschlossen ist, obwohl es nur fünf Wochen gesetzlichen Urlaubsanspruch gibt. In Vorarlberg zum Beispiel ha­ben Kindergärten bis zu acht Wochen geschlossen. Das ist wirklich ein Drama für die Eltern, und da müssen wir dranbleiben. Das ist jetzt einerseits mit der Anreizfinanzie­rung, die die Frau Ministerin bietet, etwas besser. Aber da können wir uns nicht ausru­hen und müssen schauen, dass diese fünf Wochen auch für die Eltern eine praktikable Variante ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Qualitätskriterien müssen vereinheitlicht werden. Das ist jetzt in Artikel 10 etwas konkreter festgestellt als zuvor, aber wir müssen weiter daran arbeiten. Wir wünschen uns nach wie vor, dass alle finanziellen Mittel, die nicht abgeholt werden, zweckgebun­den werden und für die weitere Ausbildung von heilpädagogischen Kräften, von son­derpädagogischen Kräften und für das Stützpersonal, das wir in den Kindergärten ganz dringend brauchen, verwendet werden können. Denn dann hätte diese finanzielle Auf­wendung auch ihren Sinn. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


12.42.05

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minis­ter im Stau! Schönen guten Tag, liebes Hohes Haus! Werte Kollegen! Wir Freiheitliche haben im Ausschuss dieser Artikel-15a-Vereinbarung zugestimmt, werden natürlich auch heute zustimmen, logischerweise wohl wissend, dass das nur ein geringer Teil ist, um tatsächlich die Wahlfreiheit für die Familien, für die Eltern zu verbessern. Denn hier haben wir eine Säule, von der wir sagen, die staatliche Betreuung ist notwendig, um Wahlfreiheit zu gewähren und um tatsächlich den Eltern die Möglichkeit zu geben, ihrem Beruf nachzugehen – egal, ob Vater oder Mutter –, aber, um tatsächlich die Fa­milien zu unterstützen und hier Wahlfreiheit zu bekommen, müssen wir im gleichen Ausmaß auch die innerfamiliäre Betreuung der Kinder fördern. (Beifall bei der FPÖ so­wie der Abg. Fekter.)

In dieser Artikel-15a-Vereinbarung fördern wir ja schon – was auch ein guter Ansatz ist – eine breitere Unterstützung der Tagesmütter, Tagesväter, und zwar durch Investi­tionskostenzuschüsse bei Neuschaffung von Betreuungsangeboten oder durch Zu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 79

schüsse zur Ausbildung von Hilfspersonal oder auch durch Zuschüsse zu Lohnkosten zur Anstellung zusätzlicher Tagesmütter und -väter für maximal drei Jahre. Das sind ja schon die ersten Schritte, bei denen wir sagen, das ist so in Ordnung.

Aber kein Plus ohne ein Minus, und dazu auch einige Kritikpunkte, die ich hier anbrin­gen möchte: Wenn wir den Fokus auf die Betreuung und auf den Ausbau der Be­treuung der unter dreijährigen Kinder richten, haben wir noch immer nicht den Ausbau der Unterstützung der Eltern von unter dreijährigen Kindern gefördert, die sich even­tuell entscheiden, zu Hause zu bleiben – ohne jetzt einen Vater oder eine Mutter bevor­zugen zu wollen, weil ein Vater meiner Meinung nach das genauso gut machen kann wie eine Mutter. Das ist gar kein Problem.

Aber wir haben hier keine Wahlfreiheit, denn wir haben noch immer nicht den Ausbau dahingehend, dass die Möglichkeit besteht, wirklich drei Jahre zu Hause zu bleiben. Es gibt zwei Jahre Kündigungsschutz, zweieinhalb Jahre können die Mutter oder der Vater zu Hause bleiben – aber wo ist denn das fehlende halbe Jahr? – Das fällt durch den Rost. Dieses halbe Jahr gibt es nicht als Schutz. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann haben wir noch das halbe Jahr, in dem der Vater gehen muss. An sich hört sich das nicht schlecht an, aber was tun da Alleinverdienerinnen, die sich auch entscheiden wollen, drei Jahre zu Hause zu bleiben? – Egal, ob das jetzt gewollt wird oder nicht, kann ich nicht drei Jahre allein in Anspruch nehmen. Wir haben hier keine Wahlfreiheit. Diese Zuschüsse gibt es nur für den Ausbau der Betreuung für die unter Dreijährigen. Damit wird das Pferd von hinten aufgezäumt.

Wenn wir uns den Qualitätsrahmen anschauen, von dem Sie auch immer wieder ge­sprochen haben, der dann in drei Jahren beschlossen sein soll: Was spricht logisch da­für, dass man jetzt eine Artikel-15a-Vereinbarung trifft und erst in drei Jahren den Qua­litätsrahmen dazu einführt? Das ist ja unlogisch! Anstatt das gleichzeitig zu machen und zu sagen, ich habe eine Artikel-15a-Vereinbarung, da gibt es einen Qualitätsrah­men, der dazu geltend gemacht werden muss, der beschlossen werden muss, wird dieser erst in drei Jahren eingeführt, anstatt davon abhängig zu machen, ob jemand ei­nen Zuschuss bekommt oder nicht. Wir fangen das Ganze hier falsch an.

Dann die Kinderbetreuung: Logischerweise ist sie ein Schwerpunkt, der auch uns sehr wichtig erscheint, aber, wie schon gesagt, wir haben auch hier im Ausschuss eine Aus­schussfeststellung eingereicht und treffen wollen, beschließen wollen, und zwar des­halb, weil wir hier eben die Wahlfreiheit haben wollen. Diese Wahlfreiheit habe ich aber nicht, wenn ich das ganze Geld nur in die staatliche Betreuung stecke und die inner­familiäre außen vor lasse. (Beifall bei der FPÖ.) Sei es jetzt die Wahlfreiheit mit all die­sen Punkten, die wir hier haben, mit der Berücksichtigung der Karenzzeiten, mit Be­rücksichtigung der unbedingten Aufteilung – die wir nicht haben wollen, weil das keine Wahlfreiheit bedeutet.

Aus diesem Grund bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Kitzmül­ler und weiterer Abgeordneter betreffend ergänzendes Familienmaßnahmenpaket zur 15a-Vereinbarung über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots ein, der aufgrund seiner Länge schon verteilt worden ist.

Die Probleme sind bekannt, ein paar Punkte möchte ich dazu noch anmerken. Wenn wir die Berücksichtigung von Kinderbetreuungszeiten und Elternkarenz in den Kollek­tivverträgen fordern, um diese Lücken bei den Versicherungszeiten zu schließen, kann ich nur darauf hinweisen, dass das auch von Oberösterreich gefordert wird – wieder einmal als Vorreiterland –, von Landeshauptmann Pühringer am 3. Mai 2013. Auch das ist noch nicht geschehen. (Abg. Königsberger-Ludwig: Das stimmt nicht!)  Sicher stimmt das.


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Dann haben wir auch, wie zuvor schon gesagt, bei diesem dreijährigen Karenzmodell keine Wahlfreiheit, wenn ein Elternteil sechs Monate gehen kann, der andere Elternteil 30 Monate. Wir haben hier nicht die Gleichheit bei den Ansprüchen, sei es jetzt Ka­renzgeld, seien es Versicherungszeiten, seien es Kinderbetreuungsgeldbezieher und so weiter.

Dann wissen wir auch, dass meistens bei der Pensionsberechnung der Frauen, die sich für Kinder entschieden haben und zu Hause bleiben, ein eklatanter Missstand bei den Pensionszeiten besteht. Und um das anzupassen, haben wir in diesem Antrag als Punkt 11 die Forderung, dass diese Zeiten besser angerechnet werden.

Diese Ausschussfeststellung zielt genau darauf ab, dass es wirklich eine Wahlfreiheit gibt, dass sich die Eltern tatsächlich für ein bestimmtes Modell entscheiden können – ob sie das Kind in irgendeine staatliche Einrichtung geben, um es dort betreuen und er­ziehen zu lassen, oder ob ein Elternteil zu Hause bleiben will oder beide oder wie auch immer, in welcher Konstellation auch immer. Diese Entscheidungsfreiheit hat man nicht, wenn alles, was an finanziellen Mitteln zur Verfügung steht, in die Betreuungs­möglichkeiten für unter Dreijährige gesteckt wird. Wobei für mich das dann auch noch der falscher Ansatz ist, um tatsächlich eine Wahlfreiheit für die Eltern zu haben. Viel­mehr müssen Maßnahmen gesetzt werden, damit der Elternteil, der zu Hause bleibt, durch eine gänzliche Unterbrechung der Erwerbstätigkeit oder durch Teilzeitarbeit kei­nen Nachteil für die Pensionsanrechnungszeit hat, nur weil er sich für innerfamiliäre Kinderbetreuung entscheidet.

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat eines Freiburger Wissenschaftlers beenden, das zu diesem Punkt sehr treffend ist:

„Ein Staat, der Eltern nicht ausreichende Möglichkeiten einräumt, sich in der frühen Le­bensphase ihrer Kinder intensiv um diese zu kümmern, zahlt später einen hohen Preis – in Form einer Zunahme psychischer, insbesondere depressiver Störungen und anderer Stresskrankheiten. Es ist dringend geboten, dass wir mit Blick auf das Kindes­wohl“ – und das Kindeswohl möchte ich hier ganz groß geschrieben haben – „() Ideologien, die flächendeckende, immer frühere und länger dauernde außerfamiliäre Betreuung fordern, hinterfragen. Dies hat primär nichts mit Konservatismus oder Res­tauration zu tun.“

Im Sinne der tatsächlichen Wahlfreiheit und zum Wohl unserer Kinder, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, meinem Antrag, unserem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der soeben eingebrachte Antrag wurde in den Kern­punkten erläutert, ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller und weiterer Abgeordneter betreffend ergän­zendes Familienmaßnahmenpaket zur 15a Vereinbarung über den Ausbau des institu­tionellen Kinderbetreuungsangebots

eingebracht in der 37. Sitzung des Nationalrates am 10. Juli 2014 im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 6: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvor­lage (187 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreu­ungsangebots (254 d.B.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 81

Mit der gegenständlichen 15 a Vereinbarung wird der Ausbau des institutionellen Kin­derbetreuungsangebots weiter forciert.

Der Ausbau und die Investitionen in zusätzliche Kinderbetreuungsplätze kann jedoch nur einen Teil jener notwendigen Maßnahmen darstellen, die eine echte Wahlfreiheit der Eltern, ob sie sich für eine Fremdbetreuung oder eine innerfamiliäre Betreuung ih­rer Kinder entscheiden, gewährleisten.

Weiterhin sind Eltern unter anderem in materieller, versicherungsrechtlicher, arbeits­rechtlicher oder pensionsrechtlicher Hinsicht mit Nachteilen konfrontiert, wenn sie in Folge der innerfamiliären Betreuung ihrer Kinder entweder nicht oder nur Teilzeit arbei­ten.

Die Beschlussfassung der geänderten Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots sollte daher zum Anlass ge­nommen werden, die zweite "Säule" der Kinderbetreuung, nämlich jene der innerfamili­ären Betreuung durch die Eltern, entsprechend zu stärken und die nach wie vor be­stehenden Benachteiligungen in diesem Bereich zu verringern bzw. zu beseitigen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Maßnahmen und Schritte zu setzen bzw. dem Nationalrat Regierungsvorlagen zuzuleiten, die geeignet sind, nach­stehende Forderungen im Sinne der Beseitigung der bestehenden Benachteiligungen von Müttern und Vätern, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder in den ersten Lebens­jahren ganz oder teilweise selbst zu betreuen, umzusetzen:

1. Es sollen seitens der Bundesregierung mit den Sozialpartnern Gespräche dahinge­hend geführt werden, dass in den Kollektivverträgen die Zeiten der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch Zeiten der Kinderbetreuung bei der Gehaltseinstufung mit ein­berechnet werden.

2. Weiters sollen seitens der Bundesregierung mit den Sozialpartnern Gespräche da­hingehend geführt werden, dass Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen sowie die Zeiten der Kinderbetreuung für das kollektivvertragliche Vorrücken mit berücksichtigt werden.

3. Die steuerliche Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung soll insbesondere durch eine Ausdehnung der Altersgrenze verbessert wer­den.

4. Die derzeit bestehende Zuverdienstgrenze bei Inanspruchnahme des Kinderbetreu­ungsgeldes soll abgeschafft werden.

5. Es sollen entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, die einerseits eine umfas­sende Aufklärung und Information der Familien über die im Rahmen der Arbeitnehmer­veranlagung bestehenden Möglichkeiten der Geltendmachung von Kinderbetreuungs­kosten, des Kinderfreibetrages etc. gewährleisten und andererseits eine anwender­freundliche, lesbare und verständliche Gestaltung der dafür erforderlichen Formulare sicherstellen.

6. Die Familienbeihilfe sowie das Kinderbetreuungsgeld sollen jährlich automatisch an die Inflation angepasst werden.

7. Der Anspruch auf den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes soll auf generell drei Jah­re ausgeweitet und die bestehende Teilungsregelung abgeschafft werden.


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8. Die arbeitsrechtliche Karenzzeit von derzeit zwei Jahren soll in Analogie zur maxi­malen Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes auf drei Jahre ausgedehnt werden.

9. Der Versicherungsschutz für alle Kinderbetreuungsgeldbezieher soll auf drei Jahre ausgedehnt werden.

10. Das Kinderbetreuungsgeld soll auch bei Mehrlingsgeburten für das zweite und je­des weitere Kind in voller Höhe ausbezahlt werden.

11. Als Zeiten für die Pensionsversicherung sollen fünf volle Jahre Kindererziehungs­zeit pro Kind unabhängig vom Altersunterschied der Kinder angerechnet werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


12.50.55

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Präsident! Ich begrüße Sie, Frau Ministerin! Ich finde ja, dass man sich heute schon freuen kann. Damit beginnen wir Oppositionsparteien nicht oft – ich sage es heute schon zum zweiten Mal –, aber ich freue mich heute wirklich.

Heute wird Geld in die Hand genommen, nicht wenig Geld, sondern viel, viel mehr Geld als in den letzten Jahren, um in Kinderbildung zu investieren. Jetzt bin ich schon beim zweiten Thema: Wir haben erstmals eine Artikel-15a-Vereinbarung, in der von Kinderbildungs- und nicht von Kinderbetreuungseinrichtungen die Rede ist. Etwas, das wir Grüne seit Jahren – also schon seit lange vor meiner Zeit – fordern und das jetzt endlich auch langsam zumindest einmal niedergeschrieben wird.

Das ist (Abg. Lueger: Positiv!) sehr positiv – genau –, aber da endet jetzt langsam die Freude auch schon, denn niederschreiben reicht halt nicht. Um wirklich Kinderbildungs­einrichtungen ausreichend mit den entsprechenden Ressourcen und Rahmenbedin­gungen zu unterstützen, müssen wir mehr tun. Und vor diesem Hintergrund finde ich es sehr bedauerlich, dass auch in dieser Artikel-15a-Vereinbarung wieder davon Ab­stand genommen wurde, verbindliche, verpflichtende Qualitätsstandards festzuschrei­ben. (Beifall bei den Grünen.)

Nicht weil ich jetzt Grundmisstrauen gegenüber den Trägerinnen und Trägern oder den Einrichtungen habe, sondern weil ich regelmäßig Rückmeldungen bekomme, aus allen möglichen Bundesländern, wo haarsträubende Fälle zutage kommen. Es gibt Gemein­den in Oberösterreich, wo Eltern Petitionen unterschreiben müssen, damit die Nachmit­tagszeiten ausgeweitet werden. (Abg. Steinbichler: Wo sind denn die?!) – Im Ennstal. – Ganz viele Eltern unterschreiben, dann wird das ausgeweitet, dann kommt ein paar Monate später irgendjemand wieder drauf, dass man das eigentlich wieder einschränken könnte. Dann müssen diese Eltern wieder auf die Barrikaden gehen und dann auch noch sich selbst erklären, warum sie als Alleinerziehende nicht ausreichend Unterstützung bekommen, wenn der Kindergarten von 8 Uhr bis 11.30 Uhr offen hat und damit nicht einmal eine Teilzeittätigkeit, geschweige denn eine Vollzeittätigkeit ver­einbar ist.

Solange wir solche E-Mails bekommen, solange es Eltern gibt  (Abg. Hammer: Das sind Einzelfälle!) – Das sind eben keine Einzelfälle. Wo leben Sie denn? Bitte gehen Sie hinaus auf die Straße, jetzt gerade in den Ferien, nicht in Wien, sondern vielleicht in Ihrem Bundesland, gehen Sie hinaus und fragen Sie die Eltern, wie es Ihnen mit den Schließtagen, mit den eingeschränkten Öffnungszeiten geht! Das ist ein Problem! Das ist ein Problem für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber das ist natürlich auch ein bildungspolitisches Problem. (Beifall bei den Grünen.)


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Wenn wir von einer Bildungseinrichtung sprechen, dann steht das allen Kindern zu und dann darf es nicht von der Postleitzahl und vom Wohlwollen und der ideologischen Ein­stellung des Bürgermeisters und Gemeinderates abhängen, ob diese Bildungseinrich­tung in diesem Ort, in dieser Gemeinde, in diesem Dorf vorhanden oder nicht vor­handen ist. (Abg. Steinbichler: Das sind so alte Feindbilder!) – Das sind überhaupt keine Feindbilder, das ist die Realität.

Ich habe mit Ihnen vor Kurzem im ORF wieder diskutieren dürfen – das ist der zweite Grund, warum man sich heute nicht nur freuen darf. Das eine ist, dass wir heute hier diese Artikel-15a-Vereinbarung unter Dach und Fach bringen, aber das andere ist doch, dass es immer noch Menschen wie Sie und andere gibt und auch die FPÖ, die absolute Retropolitik in der Familienpolitik verlangen, denen es nicht wichtig ist, dass alle Kinder die gleichen Bildungschancen bekommen, sondern die nur darauf abzie­len  (Abg. Neubauer: Unsinn! – Abg. Steinbichler: Das sind Unterstellungen!) – Das sind keine Unterstellungen, ich nehme Sie beim Wort, und das, was Sie im ORF in Dis­kussionen verbraten, das nehme ich einmal ernst. Wenn Sie es zurücknehmen wollen, dann können Sie das in Ihrer Rede gerne tun.

Also, Frau Ministerin, was dringend notwendig ist, sind verpflichtende Qualitätsstan­dards. Wenn wir die nicht auf Ebene der Artikel-15a-Vereinbarungen schaffen – und das schaffen wir anscheinend nicht –, dann machen wir es auf die Weise, die wir for­dern, die aber auch die NEOS heute in einem Antrag wieder niederlegen, nämlich in ei­nem Bundesrahmengesetz, in dem diese verpflichtenden Standards drinnen stehen, und zwar nicht nur für die Krippen und Kindergärten, sondern auch für die Tageseltern. Natürlich ist es erfreulich, dass hier auch in die Tageseltern verstärkt investiert wird – die sind ganz wichtig, in verschiedenen Regionen sogar die Haupteinrichtung –, aber dass es immer noch Tagesmütter und Tagesväter gibt, die um 2,40 € pro Stunde arbei­ten, das kann doch niemand hier wollen, das kann doch niemand hier unterstützen, und da brauchen wir dringend Regelungen, die das hintanstellen.

Ich habe schon den Antrag der NEOS angesprochen, der erfreulicherweise vieles ver­eint, was wir auch schon in Anträgen niedergeschrieben haben, daher werden wir ihn auch unterstützen. Auch über den Stufenplan Richtung Rechtsanspruch müssen wir sprechen – also eine geplante, gezielte Vorgangsweise, wie wir zu ausreichendem Personal kommen, ab wann es möglich ist, wirklich Bildungseinrichtungen zu haben, die ausreichend Öffnungszeiten haben, aber darüber habe ich mich schon ausreichend ausgelassen. Wie schaut es aus mit dem Rechtsanspruch? Ab wann ist es möglich, dass alle gehen können und nicht müssen, um das hier auch noch einmal zu sagen, gehen können, wenn sie es brauchen? – Dazu braucht es wirklich strategischeres Vor­gehen als im Moment.

Ein spannender Aspekt – und das ist halt österreichisch – ist schon Folgendes: Der Bund nimmt jetzt extrem viel Geld in die Hand – erfreulicherweise –, was ich mich aber schon lange frage – und nicht nur ich, sondern auch der Rechnungshof –, ist: Wenn der Bund so viel Geld in die Hand nimmt (Abg. Strasser: Wissen Sie, wie viel Geld die Länder in die Hand nehmen?!) – gleich –, warum gehen wir dann nicht den konsequen­ten Schritt und sagen, wir fühlen uns dafür zuständig und machen Bildung zur Bundes­kompetenz? Das haben wir schon mehrfach hier beantragt, und nicht nur wir, sondern auch die NEOS, und sogar die SPÖ, als sie noch in Opposition war. In den Diskus­sionen stimmen Sie auch alle zu, nur den Schritt gehen wir nicht. Wir sind Bundesge­setzgeber, wir sind Bundesverfassungsgesetzgeber, wir können das, also machen wir es doch einfach! (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Noch einmal: Wir sind hier nicht in einer akademischen Diskussion, wir sind leider schon in einer ideologischen Diskussion, aber Sie wissen ganz genau, da draußen sind die Kinder, denen Bildungschancen verwehrt werden, da draußen sind die Eltern, de-


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nen Vereinbarkeitsmöglichkeiten verwehrt werden. Und in diese Richtung müssen wir noch viel tun. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

12.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


12.57.37

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders ge­schätzte Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Wir werden selbstver­ständlich dieser Artikel-15a-Vereinbarung zustimmen. Ich darf aber ganz besonders auch bei den Vorrednerinnen und Vorrednern anschließen, weil Frau Kollegin Kitzmül­ler ganz gezielt auch auf die Wahlfreiheit hingewiesen hat.

Aber zunächst – aufgrund der Vorrede von Frau Kollegin Musiol –: 17 Jahre lang war ich in Aurach am Hongar Kindergarten-, Schul- und Sportreferent. Das ist vielleicht der Unterschied, und deshalb habe ich mir erlaubt, dir auch Feindbilder zu unterstellen. Wenn wir wissen – und ich möchte hier ganz gezielt und dezidiert den Dank an alle KindergartenpädagogInnen, an alle KinderkrippenmitarbeiterInnen und -pädagogInnen, aber ganz besonders auch an alle Eltern und Bürgermeister aussprechen –, mit wel­cher Innigkeit und mit welcher Zähigkeit da für das Wohl der Kinder gearbeitet wird, mit welchem Nachdruck, dann sollten wir hier nicht ein Feindbild zeichnen oder eine Si­tuation darstellen, die es vielleicht in Einzelfällen gibt. (Beifall beim Team Stronach.)

Frau Kollegin, ich weiß ganz gut, wie es auf dem Land zugeht. Ich habe mir gestern er­laubt, da unten mit einer Polizeibeamtin zu sprechen: zwei Kinder, um 6 Uhr verlässt sie das Haus, die Kinderkrippenmitarbeiterin ist zu spät gekommen, um das Kind zu holen. Sie hätte sehr wohl Interesse an Wahlfreiheit, wenn aus der Familie jemand die Betreuung machen könnte und dafür auch ein Entgelt bekommt, und vielleicht auch mit dieser Herzlichkeit und Innigkeit und mit dieser Wärme, die man so jungen Tschap­perln – wenn man sie so nennen darf – auch zukommen lassen sollte, damit sie später einmal „g’standen“ ins Leben gehen können. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen nicht immer urbanen und ländlichen Raum auseinanderzudividieren, die Problematik ist ziemlich gleich. Ich erlaube mir einen vielleicht weit zurückliegenden Vergleich mit den Schichtarbeiterbussen, aus der Zeit, als ich noch junger Gemeinde­rat war, bei uns bei der Chemiefaser Lenzing. Mit lauter modernen Zeitregelungen, Ar­beitszeitregelungen haben wir es geschafft, dass der Schichtarbeiterbus leer war und die Gemeinde um Zuschüsse gebeten wurde, weil es keinen wirtschaftlichen Einsatz mehr gegeben hat.

Das Problem trifft uns natürlich auch jetzt bei der Kinderbetreuung, und umso schwie­riger ist es mit diesen ganzen Gleitzeitregelungen. Wie soll man denn da öffentliche Institutionen betreiben? Welche Öffnungszeiten müssen denn diese haben, um allen Wünschen gerecht zu werden? Das eine ist der Wunsch, und das andere ist die Real­ität. (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf der Abg. Musiol.)

Frau Kollegen, das ist das Problem. Da bleiben deine Vorurteile wieder bestehen. Schenk mir bitte ganz kurz deine Aufmerksamkeit, denn das ist wichtig. Wie immer wird die Wahrheit in der Mitte liegen. Wir können nicht alles verordnen und schon gar nicht verstaatlichen. Deshalb, glaube ich, wäre diese Wahlfreiheit so wichtig, dass wir die­se Möglichkeiten, diese Freiräume schaffen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Musiol.)

Ich komme dann beim nächstfolgenden Punkt, in dem es um den Familienlastenaus­gleich geht, darauf zu sprechen, dass wir auch die finanziellen Möglichkeiten schaffen. Was da für die Länder gegeben wird, ist sinnvoll, ein erster Schritt, es ist aber noch


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lange nicht ausreichend dafür, dass die Familien wirklich den Spielraum haben, sich zu einem weiteren oder zumindest einem Kind zu entschließen. Das ist die Realität. (Bei­fall beim Team Stronach. – Abg. Schatz: Ich verstehe Sie inhaltlich nicht! Wenn be­schlossen , zwischen was und was kann ich wählen?)

Kein Problem, Frau Kollegin, Sie können sich gerne zu Wort melden. Das können wir gerne ausdiskutieren. Ich habe dann alle Zeit der Welt für Sie!

Ich kann Folgendes sagen: Wir sehen an den vergangenen Regelungen, zum Beispiel bezüglich Anrechnung der Kindererziehungszeiten, dass für die Familien nicht alles op­timal gelaufen ist. Deshalb haben wir da Nachholbedarf, und deshalb sind wir alle ge­fordert, zum Wohle unserer Kinder und nicht für einzelne Meinungen, wobei jedes Schicksal wichtig ist, die größtmögliche Trefferquote zu erzielen. Dafür bitte ich um Zu­sammenarbeit. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

13.01


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.01.52

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer! Ich bin eigentlich ganz froh, dass zwischen Frau Kollegin Musiol und mir Kollege Steinbich­ler gesprochen hat. Ich würde auch gerne das, was bei Ihrer beziehungsweise deiner Rede, Herr Kollege, reingerufen wurde, hier wiederholen.

Ich meine, wo gibt es wirklich eine Wahlfreiheit, wenn die Kinderbetreuungseinrich­tung – sagen wir einmal – zwölf Wochen im Jahr zuhat? (Abg. Gisela Wurm: Oder noch länger!) Wo gibt es da eine Wahlfreiheit? Wissen Sie übrigens, dass knapp die Hälfte aller Kindertagesheime in Vorarlberg maximal 40 Wochen im Jahr geöffnet sind? Das heißt, zwölf Wochen im Jahr ist da geschlossen. Und jetzt sagen Sie mir bitte, wo ist da die Wahlfreiheit? Da geht sich keine Berufstätigkeit daneben aus, und das ist wirklich nicht das Ziel, das wir hier erreichen sollten.

Ich komme zur 15a-Vereinbarung: Das Ziel des Ausbaus der Kinderbetreuung – ich möchte dazu auch sagen, ich glaube, es ist ein guter Tag heute –, teilen wir uneinge­schränkt. Wir glauben, dass die Investitionen in die Dienstleistungen, in die Betreu­ungseinrichtungen tatsächlich ein familienpolitischer Meilenstein sind. Ich freue mich auch sehr, dass das Wort „Bildungseinrichtung“ zum ersten Mal in diesem Zusammen­hang verankert ist. Ich halte das für ganz essenziell, um hier auch einen Paradigmen­wechsel einzuläuten.

Wir haben im Ausschuss nicht zugestimmt, weil wir eine Reihe von Kritikpunkten an dieser Vereinbarung haben. Ich sage Ihnen aber, dass ich heute zustimmen werde, weil ich das prinzipielle Ziel teile. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte aber dennoch zu diesen Kritikpunkten etwas sagen, Frau Kollegin Musiol hat es bereits angesprochen: Auch der Rechnungshof hat ja zu dieser Regierungsvor­lage, zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung eine Stellungnahme abgegeben, und diese Stellungnahme ist durchaus saftig, wenn man sie sich durchliest.

Ich erinnere daran, dass der Rechnungshof auch die alte Vereinbarung zum Ausbau der Kinderbetreuung der Null- bis Sechsjährigen und auch die Gratiskindergarten-Ver­einbarung durchleuchtet und da wesentliche Kritikpunkte angebracht hat. Zusammen­fassend hat der Rechnungshof dazu gesagt, er habe das Gefühl, dass diese Verein­barung so geschnitzt sei, dass es nur ja keine Rückforderungsansprüche an die Länder geben könne. Auch in dieser Artikel-15a-Vereinbarung ist in Wirklichkeit nichts anderes festgeschrieben.


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Der Kofinanzierungsanteil der Länder ist deutlich gesunken, das halte ich für extrem problematisch. Für noch problematischer halte ich – und das zeigt der Rechnungshof auch auf –, dass private Investitionen, also Investitionen von privaten Betreuungsein­richtungs- oder Bildungseinrichtungsträgern in den Kofinanzierungsanteil der Länder hineingerechnet werden. Das ist meiner Meinung nach eine echte Trickserei in diesem Zusammenhang.

Der Qualitätsanreiz ist meiner Meinung nach viel zu gering. Es ist freiwillig, die Länder können das freiwillig machen, bekommen mehr Geld, wenn sie in eine höhere Qualität investieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Durchschlag und Strasser.)

Aber, Frau Kollegin – darauf habe ich im Ausschuss auch deutlich hingewiesen, und auch Frau Kollegin Musiol hat es getan –, wenn der Bund bitte so viel Geld in die Hand nimmt, und es wird so viel Geld wie noch nie in die Hand genommen, um in die Kin­derbetreuung zu investieren, dann wäre das die Chance gewesen, das ein für alle Mal zu regeln. (Abg. Strasser: Länderausgleich pro Jahr!) – Lassen Sie mich ausreden!

Wenn es nicht geht, über diese Artikel-15a-Vereinbarung eine stärkere Verpflichtung zu machen, festzulegen, dass der Qualitätsrahmenplan 2016 nicht wieder nur als Soll kommt – wobei wir einfach nicht glauben, dass das passieren wird –, dann glauben wir – und deshalb bringe ich heute auch wieder einen Antrag ein, „und täglich grüßt das Murmeltier“ –, dass es tatsächlich der richtige Weg ist, hier über einen bundesein­heitlichen Qualitätsrahmen für elementarpädagogische Einrichtungen zu sprechen, al­so über ein Bundesgesetz.

Ich habe auch im Ausschuss darauf hingewiesen, wir haben diese Kompetenzkompe­tenz. Daher bringe ich heute folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend ehestmögliche Verab­schiedung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens für elementarpädagogische Ein­richtungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, und insbesondere die Bundesministerin für Familien und Ju­gend, werden aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Entwurf für einen bun­deseinheitlichen und verbindlichen Qualitätsrahmen für elementarpädagogische Bil­dungseinrichtungen vorzulegen, bei dessen Erstellung insbesondere der von der Platt­form EduCare erarbeitete Vorschlag Berücksichtigung finden soll.“

*****

Es gibt nämlich von dieser ganz großartigen Plattform einen mehr oder weniger ferti­gen Entwurf eines Bundesrahmengesetzes.

Frau Kollegin Lueger, Sie haben richtig gesagt, wir können jetzt noch keinen Rechts­anspruch für einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr machen – das habe ich verstanden, das haben wir auch im Ausschuss diskutiert –, aber wir haben jetzt die Möglichkeit, einen Etappenplan festzulegen. Das ist ein politisches Ziel, und ich glaube, es wäre gut, sich einmal auf dieses Ziel zu einigen, deshalb bringe ich heu­te folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend Etappenplan zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 87

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Familien und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Etappenplan vorzulegen, der die Umsetzung folgender Ziele bis spätestens 2024 vorsieht:

Erfüllung des Barcelona-Ziels von 33 % Betreuungsquote der 0- bis 3-Jährigen,

Reduktion der Jahresschließwochen auf ein Maximum von 25 Tagen pro Kindergarten­jahr im gesamten Bundesgebiet,

Umsetzung eines höchst zulässigen Pädagog_innen-Kind-Schlüssels von 1:3 für die
0- bis 2-Jährigen, von 1:5 für die 2- bis 3-Jährigen, von 1:8 für die 3- bis 6-Jährigen und von 1:4 für Tageseltern, die noch nicht schulpflichtige Kinder betreuen,

Umsetzung einer höchst zulässigen Gruppengröße von 6 Kindern bei den 0- bis 2-Jäh­rigen, von 12 Kindern bei den 2- bis 3-Jährigen, von 20 Kindern bei den 3- bis 6-Jähri­gen und von 5 (gleichzeitig anwesenden) Kindern in Tageselternbetreuung,

Etablierung einer Ausbildung auf tertiärem Niveau für die Tätigkeit als Elementarpäda­gog_in und Umgestaltung der Bundesbildungsanstalten für Kindergartenpädagogik zu Berufsbildenden Höheren Schulen als Basis für alle Berufe im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich,

signifikante Erhöhung des Männeranteils in der Elementarpädagogik,

Verankerung und Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

13.08


Präsident Karlheinz Kopf: Die von Frau Abgeordneter Meinl-Reisinger soeben einge­brachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Ver­handlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend ehestmögliche Verabschiedung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen für elementarpädagogi­sche Einrichtungen

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 6 – Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Än­derung der Vereinbarung gemäß 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kin­derbetreuungsangebots

Dem Umstand, dass an das Hort- und Kindergartenwesen aufgrund der verfassungs­rechtlichen Kompetenzverteilung (Gesetzgebung und Vollziehung liegen bei den Bun­desländern) regional unterschiedliche Qualitätsstandards angelegt werden, versuchen Familienminister_innen seit Jahren unter Ankündigung eines sogenannten Bundesrah­mengesetzes/Qualitätsrahmens beizukommen. Obwohl verschiedene Kräfte aus Politik und Zivilgesellschaft ein solches Instrument zur Gewährleistung bundesweit einheitli­cher und verbindlicher Qualitätsstandards in der Elementarpädagogik begrüßt und sich konstruktiv in die Diskussion um seine Ausgestaltung eingebracht haben, konnte die-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 88

ses Vorhaben bislang aber nicht umgesetzt werden. Im Arbeitsprogramm der Bundes­regierung 2013-2018 findet sich daher einmal mehr das Vorhaben der „Schaffung ei­nes bundesweiten Qualitätsrahmens für die elementarpädagogischen Einrichtungen bis 2016“ (S. 24).

Wider Erwarten findet ein weiterführendes Bekenntnis zu einheitlichen Qualitätsstan­dards aber in der neuen 15a-Vereinbarung betreffend den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots keinen Niederschlag. Hier verweist man sogar dezidiert auf den angestrebten Empfehlungscharakter des Instruments: „Die Vertragsparteien kom­men überein, zur Sicherung der Betreuungsqualität in Kinderbildungs- und –betreu­ungsangeboten bundesweite Empfehlungen über Mindeststandards in der Kinderbe­treuung zu erarbeiten. Hierfür soll ein bundesweiter Qualitätsrahmen für die elementar­pädagogischen Einrichtungen bis 2016 entwickelt werden.“

Angesichts der regional höchst unterschiedlichen Standards (bspw. in Hinblick auf Öff­nungszeiten, Gruppengrößen und Betreuungsschlüssel), die an elementarpädagogi­sche Einrichtungen angelegt werden, ist die Umsetzung eines verbindlichen, bundes­einheitlichen Qualitätsrahmens dringend erforderlich.

Hierzu liegt mit dem Entwurf der Plattform EduCare (http://bundesrahmengesetz.info/
Bundesrahmengesetzvorschlag2013.pdf) auch bereits eine hochwertige Arbeitsgrund­lage vor, die die Ausgangsbasis für weiterführende Diskussionen im Hohen Haus und den ehestmöglichen Beschluss bundeseinheitlicher Qualitätsstandards darstellen könn­te. Dieser Vorschlag umfasst alle wesentlichen Standards, die in diesem Zusammen­hang zu setzen sind, nämlich:

die Definition des Bildungsauftrags von elementaren Bildungseinrichtungen

(Fokus auf „Förderung der Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit jedes Kindes und seiner Fähigkeit zum Leben in der Gemeinschaft“ in Ergänzung zum familiären Rah­men),

Standards für die Qualitätssicherung

(Qualifikationsfestlegung für die einzelnen Berufsfelder; einheitliche, österreichweit gül­tige Ausbildungserfordernisse für Elementarpädagog_innen (auf tertiärem Niveau) so­wie für Assistent_innen im pädagogischen Bereich; Erfordernis der Fortbildung für Ele­mentarpädagog_innen und Tageseltern im Umfang von mindestens drei Tagen jähr­lich; Etablierung von Instrumenten der Einzel- und Teamsupervision; Entwicklung und Evaluation von Maßnahmen zur Mitarbeiter_innen-Entwicklung; Kooperation mit Exper­t_innen und Berater_innen aus fachnahen Bereichen (z.B. Psycholog_innen, Inklu­sions- und Heilpädagog_innen, Sozialarbeiter_innen, Kinderärzt_innen) in jeder ele­mentaren Bildungseinrichtung; Evaluation der Einhaltung der Bestimmungen durch un­abhängige Kontrollgremien mit entsprechender Sanktionsfolgen bei Zuwiderhandeln),

die Festlegung von Rahmenbedingungen für die elementare Bildung

(Festlegung eines altersgerechten Pädagog_innen-Kind-Schlüssels (1:3 für 0- bis 2-Jäh­rige, 1:5 für 2- bis 3-Jährige, 1:8 für 3- bis 6-Jährige, 1:4 (inkl. eigener Kinder) für Ta­geseltern, die nicht-schulpflichtige Kinder betreuen); Festlegung eines 50 %igen Anteils von Elementarpädagog_innen am Gesamtpersonal pro Gruppe; Etablierung einheitli­cher und altersgerechter maximaler Gruppengrößen (max. 6 Kinder in Gruppen für 0- bis 2-Jährige, max. 12 Kinder in Gruppen für 2- bis 3-Jährige, max. 20 Kinder in Gruppen für 3- bis 6-Jährige, max. 5 gleichzeitig anwesende Kinder unter 10 Jahren bei tagesel­terlicher Betreuung (davon max. 50 % unter 2 Jahren) sowie Anpassung der Kinder­höchstzahl pro Gruppe auf den individuellen Unterstützungsbedarf von Kindern mit Be­hinderung); Festlegung von Ausbildungserfordernissen für leitende Funktionen im Be­reich der elementaren Bildung (auf tertiärem Niveau); Schaffung von Rahmenbedin-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 89

gungen, die inklusive Bildung ermöglichen; Etablierung von Jahresschließzeiten, die das Höchstausmaß von 25 Werktagen nicht übersteigen dürfen; Verankerung zeitlicher Ressourcen von mindestens 20 % der Dienstzeit für mittelbare Tätigkeiten im Sinne der pädagogischen Vor- und Nachbereitung; einheitliche Festlegung der räumlichen und ausstattungsmäßigen Mindestanforderungen, die an elementare Bildungseinrich­tungen zu stellen sind),

Verpflichtungen für elementare Bildungseinrichtungen in Hinblick auf das Eingehen von Bildungspartnerschaften

(regelmäßige Information und Kooperationsmöglichkeiten mit Eltern bzw. Obsorgebe­rechtigten, Kooperationen mit anderen Bildungseinrichtungen u.a. mit Blick auf einen dem Kindeswohl entsprechenden Übergang zur Grundschule; Zusammenarbeit mit der außerschulischen Kindergruppenarbeit sowie anderen Freizeit- und Bildungseinrichtun­gen für Kinder und Obsorgeberechtigte) sowie die

Festlegung von Bedingungen für die Vergabe öffentlicher Mittel an Träger von elemen­taren Bildungseinrichtungen

(Regelung der Vergabe von öffentlichen Mitteln in Form von Leistungsverträgen; Gleich­behandlung von privaten gemeinnützigen und öffentlichen Trägerorganisationen).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, und insbesondere die Bundesministerin für Familien und Ju­gend, werden aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Entwurf für einen bun­deseinheitlichen und verbindlichen Qualitätsrahmen für elementarpädagogische Bil­dungseinrichtungen vorzulegen, bei dessen Erstellung insbesondere der von der Platt­form EduCare erarbeitete Vorschlag Berücksichtigung finden soll.“

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend Etappenplan zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 6 – Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Än­derung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots (254 d.B.)

Als erster Bildungsinstitution im Leben eines Kindes sollte elementarpädagogischen Einrichtungen naturgemäß besonderes Augenmerk zukommen. Die verfassungsrechtli­che Kompetenzlage in der Frage des Hort- und Kindergartenwesens und die damit ein­hergehenden langwierigen Verhandlungen über die finanzielle Lastenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bremsen das Reformtempo in diesem Bereich jedoch oft aus.

Umso notwendiger erscheint die Festlegung verbindlicher Ziele, um neben dem quanti­tativen Ausbau des Betreuungs- und Bildungsangebots die qualitative Dimension (im Sinne der Gewährleistung einer altersgerechten Betreuung und Förderung nach wis­senschaftlich anerkannten pädagogischen Standards) nicht aus den Augen zu verlie-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 90

ren. Um Maßnahmen wie eine verpflichtende Senkung des Betreuungsschlüssels und die Verankerung eines Rechtsanspruchs auf einen qualitätsvollen Kinderbetreuungs­platz ab dem 1. Lebensjahr, die aus finanziellen und personellen Gründen nicht umge­hend umsetzbar sind, auf Schiene zu bringen, müssen schließlich schon heute ent­sprechende Rahmenbedingungen geschaffen und Ressourcen gebunden werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Familien und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Etappenplan vorzulegen, der die Umsetzung folgender Ziele bis spätestens 2024 vorsieht:

Erfüllung des Barcelona-Ziels von 33 % Betreuungsquote der 0- bis 3-Jährigen,

Reduktion der Jahresschließwochen auf ein Maximum von 25 Tagen pro Kindergarten­jahr im gesamten Bundesgebiet,

Umsetzung eines höchst zulässigen Pädagog_innen-Kind-Schlüssels von 1:3 für die 0- bis 2-Jährigen, von 1:5 für die 2- bis 3-Jährigen, von 1:8 für die 3- bis 6-Jährigen und von
1:4 für Tageseltern, die noch nicht schulpflichtige Kinder betreuen,

Umsetzung einer höchst zulässigen Gruppengröße von 6 Kindern bei den 0- bis 2-Jäh­rigen, von 12 Kindern bei den 2- bis 3-Jährigen, von 20 Kindern bei den 3- bis 6-Jähri­gen und von 5 (gleichzeitig anwesenden) Kindern in Tageselternbetreuung,

Etablierung einer Ausbildung auf tertiärem Niveau für die Tätigkeit als Elementarpäda­gog_in und Umgestaltung der Bundesbildungsanstalten für Kindergartenpädagogik zu Berufsbildenden Höheren Schulen als Basis für alle Berufe im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich,

signifikante Erhöhung des Männeranteils in der Elementarpädagogik,

Verankerung und Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


13.08.22

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige Beschluss setzt neue Maßstäbe in der außerhäuslichen Kinderbetreuung in Österreich. 305 Millionen € nimmt der Bund zusätzlich in die Hand, um den Ländern ei­nen Anreiz zu geben, ausreichend Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung zu stellen – ausreichend oder, anders ausgedrückt, bedarfsgerecht.

Auch wenn Kollege Walser in der letzten Sitzung des Familienausschusses über das Wort „bedarfsgerecht“ gesagt hat, er könne es nicht mehr hören, es sei ein Unwort oder so ähnlich, ist es in der Realität genau das, was wir brauchen. Wir brauchen An­gebote in dem Maß, in dem Familien sie brauchen, und nicht in dem Maß, in dem wir wollen, dass die Familien diese Angebote in Anspruch nehmen. (Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen.)

Da sind wir bei einem Knackpunkt, der in den Verhandlungen bereits aufgetaucht ist, nämlich bei den Standards, für die bundeseinheitliche Lösungen gefordert werden, wo-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 91

bei auch die Ausschüttung der Mittel daran geknüpft werden soll. Bei diesen Standards geht es, wie schon erwähnt wurde, in erster Linie um Öffnungszeiten – wie viele Stun­den täglich und wie viele Wochen im Jahr offen ist.

Dass es da durchaus noch Nachschärfbedarf gibt, ist ja keine Frage, aber das ist ir­gendwie ein Work in progress. Betreffend diese Parameter ist es, in einem Land, das derartig unterschiedlich strukturiert ist wie Österreich, nicht sinnvoll, alles über einen Kamm zu scheren. Es wird da sehr oft, das zeigt sich in der Praxis, im urbanen Raum etwas anderes nötig sein als im ländlichen Raum. Auch wenn es manche vielleicht nicht zur Kenntnis nehmen wollen, es gibt unterschiedliche Haltungen zu den Fragen: Wie viel Zeit widme ich meiner Familie? Wie viel Zeit widme ich meinem Beruf? Und: Wer macht in meiner Familie was? Das ist etwas, das sich Familien alleine ausma­chen, und da haben wir uns als Staat auch nicht einzumischen. Da gibt es einfach un­terschiedliche Zugänge. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mir in der Zwischenzeit kurz den Antrag der Kollegin Kitzmüller angeschaut. Da sind einige Punkte dabei, die wir mittragen können. Ich sage aber auch zum Punkt 7, betreffend Ausweitung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld und Abschaffung der Teilungsregelung – darüber haben wir ja auch im Ausschuss gesprochen –: Ich bin in sehr gutem Kontakt zum Beispiel mit dem Verein „Alleinerziehend“ – Sie argumentie­ren ja auch mit den Alleinerziehenden –, und dort sagt man mir, dass man praktisch keine Alleinerziehenden kenne, die mit einem Kinderbetreuungsgeld drei Jahre aus­kommen würden. Sie brauchen schlicht und einfach das, was sie erarbeiten, um ein or­dentliches Einkommen zu haben. Darum macht es überhaupt gar keinen Sinn, das auf drei Jahre auszuweiten. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Ich finde es sehr begrüßenswert, dass es jetzt gelungen ist, sich auf eine gemeinsame Position zu Mindeststandards zu einigen, dass diese erarbeitet werden und bis 2016 auch evaluiert werden sollen.

Und weil das so ein bisschen im Raum gestanden ist: Meiner Wahrnehmung nach sind Gemeinden und Länder sehr, sehr stark an ordentlicher Kinderbetreuung interessiert, allein schon deshalb, weil in der öffentlichen Wahrnehmung die Gemeinden für die Kin­derbetreuung zuständig sind. Eltern, Familien denken, dass nicht der Bund zuständig ist, sondern dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zuständig sind. Das heißt, Gemeinden, die keine ordentliche und ausreichende Kinderbetreuung zur Verfügung stellen, werden von Wählerinnen und Wählern schlicht und einfach abgestraft, wenn sie es nicht tun. Daher haben sie ein sehr hohes Interesse daran. Dass das immer noch nicht perfekt ist, ist auch keine Frage.

Es gibt aber, das sage ich zu Kollegin Musiol, eine ganz aktuelle Umfrage zur Zufrie­denheit der Eltern in Oberösterreich mit der Kinderbetreuung, und da wurde extrem ho­he Zufriedenheit festgestellt. Nun gebe ich Ihnen recht, es gibt sicher Gemeinden, wo es einfach noch nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte (Abg. Musiol nickt zu­stimmend), aber ich sage Ihnen: Bei uns in Oberösterreich – Kollege Prinz wird noch darauf eingehen – sind die Gemeinden jährlich aufgefordert, den Kinderbetreuungsbe­darf abzufragen und müssen sich auch danach ausrichten. Dass es nicht immer ganz einfach ist, Örtlichkeiten zu finden, schnell zu bauen, was auch immer, wissen wir, aber es wird daran gearbeitet.

Ich will damit sagen: Länder und Gemeinden sind durchaus intensiv mit einem bedarfs­gerechten Ausbau beschäftigt, und die Mittel, die der Bund dafür zur Verfügung stellt – das sind zum Beispiel für Oberösterreich pro Jahr 17 Millionen € –, sind eine sehr posi­tive Unterstützung. Das Land Oberösterreich beispielsweise gibt pro Jahr 190 Millio­nen € für die Kinderbetreuung aus und die Gemeinden in etwa noch einmal so viel.

Daher ein Dankeschön an die Frau Ministerin für diese Anschubfinanzierung! Ein gro­ßes Dankeschön auch für die Einbeziehung der Länder und das Commitment, das ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 92

funden wurde! Erst durch das Commitment – darauf hat schon Frau Kollegin Lueger hingewiesen – wird es möglich sein, dass die Gemeinden und Länder sich die Mittel, die bereitstehen, auch abholen und dass es denen zugutekommt, die es brauchen, nämlich den Familien. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Knes.)

13.13


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Kucharowits zu Wort. – Bitte.

 


13.13.42

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her hier im Haus oder vor den TV-Geräten! Ich würde gerne auf meine Vorrednerin Kol­legin Durchschlag eingehen.

Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Da muss ich dem Kollegen Walser recht geben, der im Ausschuss gemeint hat, „bedarfsorientiert“ sei das Unwort des Jahres 2014. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Das Angebot bestimmt die Nachfrage, das ist unser Zu­gang.

Frau Kollegin Kitzmüller, wir sind noch bei keiner Wahlfreiheit, weil es eben nicht genü­gend Plätze gibt. (Abg. Kitzmüller: Eben!) Es können sich vorwiegend Frauen nicht beides wählen, so wie es auch unser Zugang wäre, sondern wir brauchen einfach noch mehr Kinderbetreuungsplätze. (Abg. Kitzmüller: Davon reden wir ja!) Und ich finde es eigentlich sehr, sehr traurig, dass wir im Jahr 2014 immer noch über die Wichtigkeit und Bedeutung von Kinderbildungseinrichtungen diskutieren müssen und auch Über­zeugungsarbeit leisten müssen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Warum das so ist, das frage ich mich immer wieder, denn eigentlich wollen doch alle Fraktionen hier im Haus das Wohl der Eltern und Kinder und wollen vor allem Kinder und Eltern unterstützen. Manche Argumente stellen wirklich einen Widerspruch dar, wenn es darum geht, Eltern und Kinder zu unterstützen. Ich komme mir bei manchen PolitikerInnen wirklich vor wie stecken geblieben im letzten Jahrhundert.

Aber heute setzen wir einen wesentlichen und wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es werden 305 Millionen € in die Hand genommen, um in die Kinderbildung zu inves­tieren. Vor allem für die Kleinsten und ihre Eltern ist das ganz besonders wichtig, denn Sie wissen alle, und es ist auch von der Kollegin Musiol schon skizziert worden: Es gibt die Realität, dass es für Kinder ab dem dritten Lebensjahr oder ab zweieinhalb Jahren zwar einen Kindergarten gibt, aber der ist nur von 8 bis 13 Uhr geöffnet. Deshalb sind auch der Ausbau und der finanzielle Anreiz für längere Öffnungszeiten von ganz, ganz großer Bedeutung.

Nicht verhehlen möchte ich aber an dieser Stelle, dass das Prozedere dieser 15a-Ver­einbarung nicht das Gelbe vom Ei war. Es hat alles ein bisserl mit einem Schnell­schuss begonnen. Gelder und deren Verteilung sowie die Finanzierungsanteile, Kofi­nanzierungen und Anschubfinanzierungen wurden vorgestellt.

Schnell, zumindest nach meiner Empfindung, wurde dann in die Begutachtung gegan­gen. Dabei hatten wir in der SPÖ gewaltige Bauchschmerzen, und das hätten wir auch so nicht hingenommen – Stichwort Schließtage: kein Anreiz für Qualitätskriterien und so weiter.

Aber, und das ist für heute das Wesentliche, vor allem für die Kinder und ihre Eltern: Wir konnten wesentliche Verbesserungen einarbeiten, weil wir gemeinsam mit den Bundesländern und mit Interessenvertreterinnen und -vertretern dafür gekämpft haben und auch überzeugen konnten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 93

Deshalb: Dieses Volumen für den Ausbau von Kinderbildungseinrichtungen gab es noch nie. Deshalb heißen wir diese Vereinbarungen auch gut und freuen uns, dass dies heute, anders als im Ausschuss, von allen Fraktionen unterstützt werden wird. Wir können auf einem guten Fundament bauen, und ich bitte die Länder und Gemeinden, die Gelder wirklich abzuholen, auszubauen, Öffnungszeiten anzubieten, weniger Schließ­tage anzubieten.

Schließen möchte ich mit meiner eigenen Vision zu diesem Thema: Irgendwann einmal diskutieren wir nicht mehr über die Sinnhaftigkeit und Wichtigkeit von Kinderbildungs­einrichtungen. Irgendwann einmal geht es um keine Öffnungszeiten und Schließtage mehr, auch nicht mehr darum, ob man auf dem Land oder in der Stadt zu Hause ist. Ir­gendwann einmal sind Väter und Mütter gleichermaßen in Karenz und der bezahlte Pa­pa-Monat Realität.

Überzeugen wir gemeinsam und arbeiten wir auch in diese Richtung, damit aus „ir­gendwann“ heute wird! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.17


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Bundesministerin Karmasin zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


13.17.33

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte ZuseherInnen an den Fernsehschirmen! Für mich ist das ein großer Tag, aber nicht nur für mich, sondern vor allem für die Familien in Österreich und die Kinder, die in den Genuss kommen, in den nächsten Jahren mehr Möglichkeiten der Kinder- und Bildungseinrichtungen vorzufin­den.

Diese Artikel-15a-Vereinbarung ist, wie Sie selber bereits wiederholt haben, die größte Ausbauoffensive des Bundes, die es zu diesem Thema jemals gab. Die Mittel wurden im Vergleich zur letzten 15a-Vereinbarung versechsfacht. Das ist also ein ganz starkes Bekenntnis dieser Bundesregierung zu diesem Thema, um einerseits Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für die Null- bis Dreijährigen zu verstärken und zum anderen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stärken.

Da muss ich vielen Vorrednern recht geben: Da haben wir durchaus noch einen Weg zu gehen, der in manchen Bereichen im Moment unbefriedigend ist. Was die Anzahl der Plätze für Null- bis Dreijährige betrifft, haben wir deswegen auch so viele Mittel in die Hand genommen, um da etwas zu verändern. Wir liegen bei rund 23 Prozent Be­treuungsrate und wollen mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung analog dem Barcelona-Ziel auf mindestens 33 Prozent kommen, was mit diesen Mitteln realistisch ist. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Investitionen in die Qualität, also Absenken des Betreuungsschlüssels auf 1:4 bei den null- bis dreijährigen beziehungsweise 1:10 bei den größeren, bis sechs­jährigen Kindern wird besonders unterlegt, gestützt und gefördert. Das ist natürlich ein besonderer Anreiz, in diesem Bereich etwas zu verändern.

Zum Dritten geht es natürlich um die Öffnungszeiten, die, ja, in vielen Bereichen noch nicht so sind, wie wir uns wünschen würden. Deswegen gibt es die stärkste Förderung bei einer Öffnungszeit, die sowohl über den Tag als auch über das Jahr hin mit einer Ganztagsberufstätigkeit vereinbar ist, nämlich nach den sogenannten VIF-Kriterien.

Das wird mit dem höchsten Anteil gefördert werden. Aber es werden andere Regionen und Gemeinden nicht ausgeschlossen, die aus welchen Gründen auch immer diesen Bedarf eben nicht haben. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir die höchste Förderung mit 47 Jahreswochen haben, andere deswegen aber nicht ausschließen.


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Ein Wort noch, weil immer sehr verkürzt gesagt wird, wenn wir diese Öffnungszeiten nicht haben, sei Berufstätigkeit nicht möglich: Das ist in vielen Fällen sicher richtig, aber in anderen Fällen gibt es noch Großeltern, die sich eigentlich auch gerne um Kin­der kümmern, und man darf nicht vergessen, dass es vielleicht auch Väter gibt, die sich auch um Kinder kümmern, auch einmal an einem Nachmittag. Meine Vision ist, dass wir nicht ausschließlich auf außerhäusliche Betreuungseinrichtungen zurückgreifen müssen, sondern es eben auch über partnerschaftliche Modelle versuchen (Zwischen­ruf der Abg. Lueger), in denen Männer und Frauen in einem bestimmten Zeitraum glei­chermaßen Teilzeitmöglichkeiten beanspruchen und sich zu Hause um die Kinder küm­mern können, wenn sie das möchten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Grossmann.)

Ein Thema möchte ich noch ansprechen: die privaten Investitionen, die in die Kofinan­zierung aufgenommen werden. – Ich verstehe überhaupt nicht, warum das kritisch sein soll, ganz im Gegenteil: Seien wir doch froh, wenn Private in diesem Bereich inves­tieren wollen, damit bleibt mehr Geld für die Gemeinden übrig! Ich verstehe überhaupt nicht, warum Private davon ausgeschlossen werden sollen, ganz im Gegenteil: Man sollte sie besonders belohnen und weiter unterstützen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abge­ordneten der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Letztendlich geben die Länder und Gemeinden in diesem Bereich 2 Milliarden € im Jahr aus, also ist jede Unterstützung von privater Seite, die einen zusätzlichen Platz er­möglicht, mehr als willkommen.

Ein Wort auch noch zu den Kofinanzierungsschlüsseln: Wir haben da eine verbesserte Situation im Vergleich zur letzten Artikel-15a-Vereinbarung, verbessert dahin gehend, dass mehr Plätze entstehen können. Der Kofinanzierungsanteil fällt jetzt von 50 Pro­zent auf 35 Prozent. Dazu ist anzumerken, dass es auch Artikel-15a-Vereinbarungen wie etwa jene betreffend außerschulische Nachmittagsbetreuung gibt, die überhaupt keine Kofinanzierung beinhalten. So gesehen ist es gut, dass es diese Kofinanzierung gibt, allerdings im abgesenkten Ausmaß, um es letztendlich den Ländern zu ermögli­chen, mehr in Kinderbetreuung zu investieren, und sie in diesem Bereich nicht komplett abzuhalten.

Zusammenfassend ist zu sagen, der Bund investiert sehr viel Geld in diesem Bereich. Es ist noch sehr viel zu tun. Studieren wir kurz die Zahlen: Etwas mehr als die Hälfte der Einrichtungen in Österreich haben mehr als neun Stunden pro Tag offen – das ist jedenfalls zu wenig, das muss mehr werden. Genauso haben wir zu wenig Plätze für die Null- bis Dreijährigen, und eine Jahresöffnungszeit von 47 Wochen hat nicht einmal jede zweite Einrichtung.

Es gibt also viel zu tun, aber es gibt viele Mittel, und daher bin ich sehr optimistisch und zuversichtlich, dass wir in vier Jahren hier stehen werden und über eine Erfolgsbilanz berichten können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.22


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Frau Bundesministerin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


13.22.57

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Debatte ist so verlaufen, wie zu erwarten war. Ich möchte einmal auf etwas Grundsätzliches eingehen: Herr Abgeordneter Matznetter – ist er wieder da? – hat sich durch einen Zwischenruf positioniert, er hat behauptet, dass unser Antrag vorgestrig sei. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ah, da ist er! Ich weise darauf hin, dass darin Forde­rungen enthalten sind, die im Regierungsprogramm stehen.


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Es ist dann auch gesagt worden, das sei „Retropolitik“ – Frau Abgeordnete Musiol, Sie haben das doch so gesagt –, und Frau Kucharowits, Sie haben gesagt, Sie möchten nicht schon wieder da stehen und über Vorstellungen aus dem vorigen Jahrhundert sprechen. (Abg. Schieder: Vorvoriges!) Dieser Vorwurf des Vorgestrigen, diese Sicht­weise stimmt nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Das Konzept, das Sie anstreben – wenn ich es jetzt auch einmal auf den Punkt bringen darf –, hat es ohnehin schon gegeben: Vollzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile und Kind­heit in Institutionen, das hat die DDR perfekt verwirklicht. Dort gab es das bereits: eine hundertprozentige Erwerbsquote von Frauen, Bildungseinrichtungen, wie Sie das nen­nen, vom Säuglingsalter an, man hatte übrigens 104 Prozent der Kinderbetreuungs­plätze im Verhältnis zur Geburtenrate. – Das gab es schon!

Es geht nicht um retro und modern. – Was ist übrigens „modern“? – Modern ist morgen gestrig. (Heiterkeit des Abg. Steinbichler.) Man muss versuchen, Dinge zu machen, die sachgerecht und bedarfsgerecht sind. (Abg. Grossmann: Kindgerecht!) Das, was wir sagen, ist nicht retro, sondern es ist ein Konzept, das in wesentlichen Punkten mit Ihrem Konzept nicht harmoniert, allerdings – und das werde ich ausführen –: Im Rah­men unseres Konzepts ist Ihres auch möglich, denn unser Konzept heißt Wahlfreiheit. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Wir versteifen uns nicht. Was Sie wollen – egalitäre Gleichstellung von Frauen und Män­nern auf dem Arbeitsmarkt, Vollzeiterwerbstätigkeit und deswegen Institutionenkind­heit –, das ist auch in unserem Konzept möglich; unser Konzept ist in Ihrem Konzept aber natürlich nicht möglich. Und das möchte ich jetzt doch kurz ausführen.

Worum geht es vor allem? – Es geht um den Stellenwert, den man der Familie in der Gesellschaft zubilligt. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Wir billigen der Familie einen zentralen Stellenwert zu, und zwar in dem Sinn, dass sie eine Institution ist, die dem Staat vorausgeht (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter), die für sich einen großen Bereich an Autonomie beanspruchen kann – deswegen auch unser Misstrauen gegenüber diesen Einmischungsversuchen.

Familie ist ein autonomer Raum, in dem der Staat erst dann etwas zu suchen hat, wenn Fehlentwicklungen es rechtfertigen. (Abg. Lueger: Aber die Rahmenbedingun­gen müssen stimmen!) Bis dahin gilt: Ein Mann und eine Frau haben sich gegenseitig das Versprechen gegeben, auf Dauer zusammen zu sein und für die gemeinsamen Kinder zu sorgen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.) Und es gibt das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder, und deswegen: Wahlfreiheit! (Abg. Lue­ger: Aber das schließt ja keiner aus!)

Sie, Frau Abgeordnete Lueger, haben zum Beispiel im Ausschuss Wahlfreiheit definiert als die Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen Institutionen außerhalb der Familie zu entscheiden. Sie haben gesagt, in Ihren Vorstellungen gebe es Wahlfreiheit: Tages­eltern oder Kinderkrippen. – Nein, das ist nicht Wahlfreiheit! (Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Abg. Lueger: Zurück an den Herd!) Wahlfreiheit heißt natürlich vor al­lem, sich zu entscheiden: Erziehe ich die Kinder – wir reden da von den Kleinstkin­dern – vor allem in der Familie, dann muss die Gesellschaft diese Leistung abgelten und möglich machen (Beifall bei der FPÖ), das muss ohne ökonomischen Druck funk­tionieren, oder entlastet der Staat die Familie und übernimmt diese Aufgabe selber?

Wir sind eindeutig für die erste Möglichkeit, wobei – wir stimmen diesem Antrag übri­gens zu – wir niemanden daran hindern, die zweite Möglichkeit zu wählen. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Lueger.) Aber diese Freiheit, dass Familien sich vor allem selbst organisieren, halten wir für ein ganz zentrales Recht in einem liberalen, freiheitlichen Rechtsstaat. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das heißt aber natürlich auch  (Zwischenrufe der Abgeordneten Königsberger-Lud­wig und Matznetter.) – Sie arbeiten zunehmend in diese Richtung. (Abg. Matznetter: Traditionelle türkische Familien !) Es gibt ja diesen Paradigmenwechsel in der Fami­lienpolitik, den die Bundesrepublik schon vollzogen hat – wir werden eine Enquete ha­ben, in der das alles auch deutlich ausgesprochen werden kann (Ruf bei der SPÖ: Sie verstehen absolut nichts! Sie verstehen nichts!) –: weg von der Wahlfreiheit und dem Lastenausgleich – das braucht es eben auch dringend –, hin zu der Gleichstellungs­politik und der Institutionenkindheit. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) Das muss man im Kern schon so sehen, wobei Wahlfreiheit dann eben keine Rolle mehr spielt.

Frau Abgeordnete Kuntzl, Sie haben im Ausschuss gesagt – und Sie haben damit recht –, man könne einer Frau unter heutigen Umständen nicht empfehlen, für längere Zeit aus dem Beruf auszuscheiden und die Erziehung eines Kindes für sich selbst zu beanspruchen. Da haben Sie schon recht, aber wir sind der Meinung: Ändern wir die Umstände, und verzichten wir darauf, das Verhalten der Menschen zu regeln! Ändern wir die Umstände, schaffen wir wirkliche Wahlfreiheit ohne ökonomischen Druck, und machen wir mehrere Modelle möglich!

Auch das Barcelona-Ziel, Frau Ministerin, hat nichts mit Frauen- oder Familienpolitik zu tun, das muss man auch einmal deutlich aussprechen. Das Barcelona-Ziel ist ein Be­schluss, der nicht im Familienausschuss, nicht einmal im Frauenausschuss oder Gleich­stellungsausschuss, sondern natürlich im Wirtschaftsausschuss zustande gekommen ist. Ich verstehe den Wunsch der Wirtschaft, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu haben, sehr sozial veranlagte und fleißige Frauen – darauf will man nicht so leicht verzichten –, aber beim Barcelona-Ziel geht es vor allem auch darum, Mütter möglichst früh wieder in die Erwerbstätigkeit zu bringen.

Ich bin der Meinung – wir sind der Meinung –, es muss möglich sein, die Erwerbstä­tigkeit eine Zeit lang zurückzustellen, denn es gibt ja auch verschiedene Ansichten zum Kindeswohl. Wir diskutieren hier immer alles Mögliche, aber eines diskutieren wir wirk­lich nie: Kindeswohl.

Frau Abgeordnete Musiol, welche Bildungseinrichtung passt für ein sechs Monate altes Kind? (Zwischenruf der Abg. Musiol.) – Für Null- bis Dreijährige, das haben Sie selber auch gesagt! Das muss man doch auch einmal vernünftig sehen, jeder weiß, was so kleine Kinder vor allem brauchen (Abg. Musiol: Ja!): Stabilität (Abg. Musiol: Ja!), Si­cherheit (Abg. Musiol: Ja!), und wenn sie sich ausdrücken könnten, würden sie sagen: die Eltern. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Musiol.)

Ich glaube, dass wir eine reiche Gesellschaft sind, dass wir es uns leisten können, jun­ge Eltern eine Zeit lang für diese so wichtige Aufgabe freizustellen.

Noch einmal: Kehren Sie bitte wieder zur Wahlfreiheit zurück! Das macht Ihre Vor­schläge realistisch, das gibt aber auch den Eltern, also vor allem jenen, die davon be­troffen sind, und auch den Kindern die Möglichkeit, ein Modell zu wählen, das ihnen entspricht. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach. – Abg. Matznetter: Jetzt haben wir schon beide kennengelernt !)

13.29


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


13.30.03

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ja, es hat sich sehr viel geändert in Österreich! Wenn ich die Diskussion von heute mit dem vergleiche, worüber wir vor fünf, vor zehn Jahren noch diskutieren mussten, dann ist es – das muss ich ganz deutlich sagen – eine Wohltat, weil niemand


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mehr bestreitet, dass es sich um Bildungseinrichtungen, nicht nur um Betreuungsein­richtungen handelt, wenn wir Kinder bis zum sechsten Lebensjahr in Kindergärten ge­ben. Das war, wie gesagt, früher nicht so. Es hat sich auch hier insgesamt etwas ver­bessert, und ich habe mir gedacht: Super, da kann man positiv beginnen! – Und dann kam Barbara Rosenkranz. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Ab­geordneten von SPÖ und NEOS.)

Frau Rosenkranz, wie kann im Jahr 2014 jemand im österreichischen Parlament, in ei­ner österreichischen Volksvertretung auf den Gedanken kommen, den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen mit Zuständen in der DDR zu vergleichen?! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS sowie der Abg. Pfurtscheller. – Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Steinhauser:  kein Argument hat!) Das ist jenseitig und war innerhalb dieser wohltuenden Diskussion – leider nicht erstmals – ein weiterer Tiefpunkt!

Aber genug damit, ich glaube, wir haben heute wirklich einen schönen Tag! (Zwischen­ruf des Abg. Höbart.) Ich darf daran erinnern – es ist schon von mehreren Vorrednern erwähnt worden –, dass wir mehr Geld investieren. (Zwischenruf des Abg. Steinbich­ler.) Ich darf aber Folgendes schon auch kritisch anmerken, Frau Ministerin – im Aus­schuss haben Sie das noch angezweifelt –: Es ist genau ein Jahr her, dass im Minister­rat ein Beschluss gefasst worden ist, dass wir nicht 305 Millionen €, sondern 400 Millio­nen € investieren; wir haben jetzt deutlich weniger. Im Regierungsprogramm waren noch 350 Millionen € vorgesehen. – Also ich bin froh, dass wir den Gesetzesbeschluss heute fassen, denn zu Weihnachten hätten wir wahrscheinlich noch einmal 100 Millio­nen € oder zumindest 50 Millionen € weniger gehabt, wenn es in dieser Geschwindig­keit weitergegangen wäre.

Lassen Sie mich auch ein Wort zur Wahlfreiheit sagen! Ich bin stolzer Großvater eines in­zwischen fast eineinhalb Jahre alten Enkels, und ich höre von meiner Schwiegertoch­ter, ich höre von meinem Sohn, wie er sich in der Kita super entwickelt, wie er sich freut, wie er lernt, wie er von anderen Kindern lernt – motorisch, sprachlich –, wie Kinder von Kindern lernen und wie gut ihnen das tut. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Ich bin froh darüber, dass es diese Kinderbetreuungseinrichtung, diese Kita gibt und dass es völlig problemlos war, dass mein Sohn und meine Schwiegertochter einen sol­chen Platz gefunden haben. (Abg. Strasser: So ist Vorarlberg!) – Er lebt in Hamburg. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Strasser.) Er lebt in Hamburg, Herr Kollege; der Zwischenruf ist leider etwas zu früh gekommen. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Genau darauf wollte ich nämlich hinaus: Es ist eben nicht Vorarlberg, denn in Vorarl­berg wäre es nicht möglich gewesen. Immer mehr Menschen erkennen aber, wie not­wendig es ist, und immer mehr wissen, dass sie im September mit einem Kreuzchen für die Grünen einen wesentlichen Schritt in diese Richtung machen können (Abg. Steinbichler: Großfamilie ! – Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig), denn da sind Landtagswahlen und da werden wir dieses Thema aufgreifen – nicht aufregen, Herr Kollege, es ist doch nicht so schlimm!

Kinderbetreuungseinrichtungen, Kitas sind eine ganz tolle Sache, sind für die Kinder etwas Tolles, und niemand bezweifelt, dass es Wahlfreiheit geben soll. Es kommt doch niemand auf die Idee, dass wir hier Eltern zwangsbeglücken. Sie zeichnen das Bild – insbesondere Sie, Frau Rosenkranz – von weinenden Müttern, denen der böse Staat die Kinder von der Brust reißt – absurde Vorstellung! (Abg. Barbara Rosenkranz: Sie müssen sich’s leisten können!)

Natürlich können Eltern entscheiden, natürlich wollen wir, dass Eltern entscheiden, wo­hin die Reise geht; es darf nur nicht von der Postleitzahl abhängen, ob Kinderbetreu-


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ung möglich ist oder nicht, und es darf, bitte, auch nicht vom Staat abhängen. Das ist der entscheidende Punkt! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich darf Ihnen – vor allem den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP – vorlesen, was Christoph Leitl sagt: „Ich finde es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass es in Öster­reich vom Geburtsort eines Kindes abhängt, welche Qualität der Kindergarten in zu­mutbarer Entfernung hat und zu welchem Preis diese angeboten wird.“ – Dem ist nichts hinzuzufügen, das ist genau das Thema!

Lassen Sie mich abschließend noch auf einen Aspekt hinweisen: Wenn wir die Bedeu­tung des Kindergartens so betonen, dann müssen wir auch die Bedeutung der Kinder­gartenpädagogInnen stärker in den Fokus stellen, dann müssen wir ihre Ausbildung verbessern. Es kann nicht sein, dass wir weiterhin in ein veraltetes System investie­ren – und ein solches haben wir in Österreich!

Die Ausbildungsstätten für KindergartenpädagogInnen erfüllen heute nicht mehr ihre eigentliche Funktion. Die „Presse“ hat jüngst von einer Maturafeier einer BAKIP-Klasse berichtet, da sind gerade noch zwei von 25 Absolventinnen anschließend in den Kin­dergarten gegangen. Wir verlangen derzeit von 14-Jährigen – meistens Mädchen und nicht Buben –, dass sie diese Berufswahl treffen; das ist viel zu früh.

In Wien hat man beispielsweise an der BAKIP 21 einen in meinen Augen zukunftswei­senden Schritt gemacht. Man bietet die KindergartenpädagogInnenausbildung nur noch nach der Matura, als Kolleg an; das Ergebnis ist: Die Frauen, die sich mit 18, 19, 20 Jahren entschließen, diesen Beruf zu ergreifen, diese Ausbildung zu machen, blei­ben dann auch im Beruf. Das ist volkswirtschaftlich wesentlich sinnvoller und natürlich auch für die Betroffenen wesentlich sinnvoller, weil sie die Entscheidung zu einem spä­teren Zeitpunkt treffen können. (Abg. Steinbichler: Widersprüchlich!)

Wenn wir uns dann auch noch einigen, dass wir diese KindergartenpädagogInnenaus­bildung verbessern und dass wir sie etwas länger machen, als sie derzeit ist, dann hät­ten wir, wie ich glaube, den nächsten großen Schritt gemacht. Wir Grünen wären gerne mit dabei, wir predigen Ihnen das seit Jahren!

Was heute erfolgt, ist ein Schritt, den wir vor fünf, vor zehn Jahren gefordert haben. Ich hoffe, bis zur Verbesserung der Ausbildung von KindergartenpädagogInnen dauert es nicht so lange. Ich hoffe, den nächsten Schritt machen wir früher. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

13.36


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


13.37.02

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über die Artikel-15a-Vereinbarung betreffend den Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung diskutieren, ist einerseits positiv, dass es einen einstimmigen Beschluss geben wird. Andererseits möchte ich – wenn man ein bisschen Revue passieren lässt, was schon alles gesagt wurde und dass immer wieder festgehalten wird, wo man noch mehr bräuchte, was noch fehlt und wo es mangelt – schon vorweg festhalten, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, die betreffend die Unterstützung der Familien und Kinder – einerseits im finanziellen Bereich, andererseits auch im Sachleistungsbereich – keinen internationalen Vergleich zu scheuen brauchen. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Österreich ist wirklich vor­bildlich, und dies weltweit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Kinderbetreuung muss sich letztlich daran orientieren, was die Familien tatsächlich brauchen. Was ist das Beste für die Kinder und für die Familie? – Das ist individuell na­türlich sehr unterschiedlich. Ich glaube, Kinderbetreuung soll vor allem Familien, das, was in den Familien gemacht werden kann, ergänzen. Das ist der springende Punkt – zumindest für mich persönlich –: dass Kinderbetreuung die Familien entsprechend er­gänzt. (Abg. Kitzmüller: Ja, genau! !)

Natürlich ist ein gewisser Unterschied, ob man eher im städtischen Bereich oder eher in einer ländlichen Region zu Hause ist, daher ist das Wort „Bedarfsorientierung“ kein Unwort, sondern trifft es in Wirklichkeit sehr gut. Es ist unsere Pflicht, uns an den Be­dürfnissen der Familien und Kinder zu orientieren.

Meine Damen und Herren! Es wird in den Gemeinden und in den Ländern sehr intensiv an sehr guten Lösungen gearbeitet. Ich glaube, es gibt in fast allen Bundesländern, in den Gemeinden immer wieder Bedarfserhebungen, damit entsprechend den Bedürfnis­sen, bedarfsorientiert Kinderbetreuung angeboten werden kann. Es ist Faktum, dass nicht alles, was angeboten wird, von der Bevölkerung auch angenommen wird, zum Beispiel Kinderbetreuung in den Ferien: Es wird gemeindeübergreifend zusammenge­arbeitet, aber es gibt durchaus Beispiele, wo das letztlich daran scheitert – auch wenn mehrere Gemeinden das in den Sommerferien anbieten –, dass es keinen Bedarf gibt. Und es hilft halt einmal nichts: Für ein, zwei Kinder kann man das letztlich nicht anbie­ten. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Da die Kosten vorhin Thema waren – ich will jetzt keine Vergleiche mit Wien oder an­deren Bundesländern anstellen –: Faktum ist, dass in Oberösterreich beispielsweise ab dem 30. Lebensmonat der Kindergarten grundsätzlich gratis ist – er ist nicht umsonst –, das wird gratis zur Verfügung gestellt. Natürlich ist grundsätzlich positiv, was dort ge­macht wird, aber es ist auch wertvoll, wenn die Kinder zum Beispiel am Nachmittag zu Hause sind, wenn das halt dort und da vielleicht nur ein Vormittagskindergarten ist, weil es den Bedarf an Nachmittagsbetreuung gar nicht gibt. Und es ist legitim, wenn eine Familie ihr Kind erst im letzten und vorletzten Jahr vor dem Schulbeginn in den Kindergarten schickt.

Schauen wir uns Oberösterreich an: Kinderbetreuungsbonus. Die Familien, die ihr drei- und vierjähriges Kind zu Hause betreuen, bekommen den Kinderbetreuungsbonus. Das ist, glaube ich, eine wichtige Geschichte.

Herr Kollege Walser, ich habe nicht den Eindruck, dass Kinder – egal, ob 7 Monate, 15 Monate oder 23 Monate – nur in staatlichen Betreuungseinrichtungen, oder wie im­mer sie organisiert sind, etwas lernen können. Ich meine, dass auch das sehr wichtig ist, was die Kinder zu Hause an Geborgenheit und Nestwärme bekommen, aber letzt­lich auch im Umgang und in der Weiterentwicklung. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist schon wichtig – da wiederhole ich mich jetzt –, dass das, was wir anbieten, die Familien entsprechend ergänzen soll. Beides ist notwendig: das, was in den Familien geschieht, und natürlich brauchen wir entsprechende Kinder­betreuungsangebote. Wir sind da auf einem guten Weg. Und mit dem heutigen Be­schluss wird dieser weiter verbessert. (Beifall bei der ÖVP.)

13.41


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.

 


13.41.12

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie! Kinderbetreuung bedeutet nichts anderes als Chancengleichheit. Das Angebot an Kin­derbetreuung auszuweiten ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr gesellschaftliche


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Fairness. Es freut mich als Sozialdemokratin besonders, es ist mir auch ein Herzens­anliegen, da Gleichheit einen Grundwert der Sozialdemokratie darstellt. Betreuungsein­richtungen sind Bildungseinrichtungen. Dies ist somit eine wichtige Investition in die Zukunft, denn nichts anderes sind unsere Kinder.

Als Mutter von zwei Kindern kenne ich die Herausforderungen, welche mit Kinderbe­treuung und Fulltime-Job verbunden sind.

Und nun zu Ihren Ausführungen, Frau Rosenkranz und Frau Kitzmüller. Mein jüngster Sohn ist bereits mit zwei Jahren in eine öffentliche Kinderbetreuung gegangen. Es hat ihm einen Riesenspaß gemacht, er hat sehr, sehr viel davon profitiert und hat sicher keine psychische Störung davongetragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung richtig und zielführend. Mich freut es, dass da 305 Millionen € investiert werden. Dabei freut es mich besonders, dass bis 2016 ein bundesweiter Rahmen gesetzt wird, um Qualität und Betreuung nicht nur auszubauen, sondern auch zu verbessern. Erfreulich ist auch, dass das hier im Haus so eine große Basis, so eine große Übereinstimmung gefunden hat.

An dieser Stelle möchte ich alle Landeshauptleute, alle Ressortzuständigen in den Bundesländern auffordern, dass sie diese Gelder auch wirklich abholen. Ich als Salz­burgerin muss sagen, Salzburg hat diese Gelder oft liegen gelassen, und das finde ich einfach ganz, ganz schade für unsere Familien (Zwischenrufe bei der FPÖ), denn dies bedeutet Chancengleichheit für Mütter und Väter vor allem in den ländlichen Regionen und Gemeinden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte.

 


13.43.18

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher vor den Fernsehschirmen! Bereits im ersten Halbjahr haben wir mit wichtigen Maßnahmen im Familienbereich gestartet: Erhöhung der Familienbeihilfe um 828 Millionen €, künftige Auszahlung der Familien­beihilfe monatlich. Der Zuschlag für behinderte Kinder wurde auf 150 € erhöht, und auch der Mehrkindzuschlag ist geblieben. Außerdem bleibt das Schulstartgeld in Höhe von 100 € erhalten, das am Schulanfang auch wieder wichtig wird.

Worum geht es heute? – Es startet die größte Ausbauoffensive, die es in Österreich je gegeben hat. Schwerpunkt ist der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, der Betreu­ungsplätze für Kinder bis drei Jahre. Es wurde heute vom Familiensprecher schon ein­mal betont: 30 000 neue Betreuungsplätze werden in den nächsten vier Jahren ge­schaffen.

Immerhin – die Frau Minister hat es schon angesprochen, und ich halte das für eine große, bedeutende Sache – geben Länder und Gemeinden jährlich 2 Milliarden € für Kinderbetreuung aus. Das ist im Vergleich zu diesem Betrag, den wir heute beschlie­ßen, eine beträchtliche Summe.

Eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung verbessert natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade im ländlichen Bereich ist das von sehr großer Bedeutung.

Da ich selbst Bürgermeisterin bin, weiß ich diesen heutigen Beschluss ganz besonders zu schätzen. Wir machen ein gemeindeübergreifendes Projekt, zehn Gemeinden, die mit diesem Projekt starten. Wir werden uns die Personalkosten teilen. Und ich glaube, viele Familien werden mit einem Schlag von diesem Projekt profitieren.

Da heute schon von Bedarfsorientierung gesprochen wurde, darf ich noch einmal ganz kurz auf Folgendes hinweisen: Ich weiß, die Bürgermeister werden immer gescholten,


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dass es keine Nachmittagsbetreuung gibt. Ich mache selbst zweimal im Jahr eine Be­darfserhebung. Wenn sich niemand anmeldet und nachmittags keine Kinderbetreuung braucht, dann werde ich diese als Bürgermeister nicht anbieten. Oder wenn nur ein Kind betreut werden soll, dann werde ich eben eine Tagesmutter in Anspruch nehmen. Ich glaube, das wird jeder verstehen, nur wird das leider immer eher negativ kolportiert.

In erster Linie verbessern wir die Lebensqualität vieler Jungfamilien.

Ich darf abschließend noch einmal betonen: Die ÖVP ist eine Familienpartei und star­ker Partner für unsere Familien. Wir tragen dem Wert der Familie in der Gesellschaft Rechnung. Wir sind für unsere Familien da, und Österreich ist mit dem heutigen Tag wieder ein Stück familienfreundlicher geworden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46


Präsident Karlheinz Kopf: Vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.

 


13.46.36

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als vorerst letzter Redner möchte ich hier eventuell eine Brücke bauen, und zwar zu allen Fraktionen, und mich recht herz­lich dafür bedanken, dass es heute zu einem Meilenstein in der Familienpolitik kommt. Ich glaube, das zeichnet auch Österreich aus, wenn gerade in dieser Frage sehr, sehr viel Geld in die Hand genommen wird, aber vor allem auch der ländliche Raum, sprich ländliche Bezirke und Gemeinden, unterstützt wird, was sich in Zukunft in den Öff­nungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen und vor allem in der Betreuung unse­rer Kinder niederschlagen wird.

Wichtig ist aber auch, dass wir in Zukunft auf die Bedürfnisse von Müttern und Vätern, die außerhalb Wiens wohnen, eingehen, was die Öffnungszeiten der Kinderbetreu­ungsstätten betrifft, denn im ländlichen Raum ist es aufgrund längerer Anfahrtswege zur Arbeit und vieler anderer Dinge oft schwieriger als in Ballungszentren wie zum Bei­spiel Wien.

Es ist aber auch wichtig, zu erwähnen, dass mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung we­sentliche Schritte gesetzt werden. Dieser liegt auch ein Stufenplan – ich möchte das so quasi als Masterplan bezeichnen – für die nächsten vier Jahre zugrunde. Enthalten ist auch eine Staffelung, was die Förderungen der Länder und Kommunen anbelangt, wo ich wirklich hoffe, dass das auch abgeholt wird, sprich genau gekoppelt ist mit dem, was ich eingangs gesagt habe, nämlich mit den Öffnungszeiten und dem Angebot von Kinderbetreuungsstätten.

Zum Schluss kommend: Danke, und ich gehe von einem einstimmigen Beschluss aus. Wir müssten den heutigen Tag eigentlich als Familienfeiertag bezeichnen, Frau Minis­terin, und bitte nicht den 1. Mai. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.48

13.48.20

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht offensichtlich kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, dem Ab­schluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungs­gesetz in 187 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ergänzendes Familienmaßnahmenpa-


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ket zur 15a-Vereinbarung über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsange­bots.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend ehestmögliche Verabschiedung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens für elementarpädagogische Einrichtungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend Etappenplan zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

13.50.167. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 517/A der Abgeordneten Dipl.-
Ing. Georg Strasser, Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (255 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


13.50.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Vorsitzender! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf mich recht herzlich für den einstimmig gefassten Beschluss beim vorigen Tagesordnungs­punkt bedanken – ein Zeichen dafür, dass unsere Frau Bundesminister in der Lage war, ein Paket zu schnüren, das auf breite Zustimmung gestoßen und durchaus ein Vorzeigeprojekt für dieses Hohe Haus ist.

Meine Damen und Herren, als Bürgermeister kenne ich die schwierige Situation der Familien, in denen behinderte Menschen zu Hause sind, die finanzielle Situation, die soziale Situation und auch die persönliche Situation. Als Bürgermeister pflege ich auch eine intensive Zusammenarbeit mit den sozialen Organisationen, die sich um diese be­hinderten Menschen kümmern, der Caritas, dem Hilfswerk und der Lebenshilfe. Und ich weiß, dass diese Organisationen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Organisationen vieles leisten und bei ihrer Arbeit im Dienste unserer sozialen Verant­wortung und im Dienste der Verantwortung von uns allen die Grenzen ihrer Leistungs­fähigkeit überschreiten.

Heute beschließen wir das Rückkehrrecht für behinderte Menschen in die erhöhte Fa­milienbeihilfe. Und ich möchte anfügen, im Sozialausschuss wurde auch festgelegt, dass es parallel dazu ein Rückkehrrecht in die Waisenpension gibt. Wir schaffen damit Vertrauen bei den Menschen mit Behinderung und bei deren Familien und ermöglichen es somit diesen Menschen, den Versuch zu starten, auf dem Arbeitsmarkt einen Platz zu finden. Und wir geben damit den Sozialorganisationen, die mit diesen Menschen zu­sammenarbeiten, ein Werkzeug in die Hand, das diese Menschen ermutigt, den Schritt in Richtung Arbeitsmarkt zu wagen.


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Ich weiß aus meiner Region, dass es viele Talente gibt, dass diese Menschen viel Hu­mor haben und sehr viel Lebensfreude in sich tragen. Und ich sehe diesen Beschluss als ein wichtiges Zeichen, dass wir für diese Menschen heute eine große Verantwor­tung übernehmen. – In diesem Sinne danke schön und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


13.53.22

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir sind gemäß Artikel 27 der Menschrechtskonvention für behinderte Menschen verpflichtet, diese zu unterstützen und in das Arbeitsleben zu integrieren. Und ich denke mir, dass das ein guter Ansatz ist, den wir jetzt mit der Frau Ministerin gemeinsam beschlossen haben.

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen, denn so ist es bis dato abgelaufen. Stellen Sie sich vor, Sie kennen einen Menschen mit Behinderung, der zu Hause ist und sich auf dem ersten Arbeitsmarkt bewirbt, leider an diesem Versuch, dort zu arbeiten, schei­tert und wieder in eine betreute Werkstatt zurückgeht. Für den behinderten Menschen war bis dato nicht klar, dass er weiter die erhöhte Familienbeihilfe bekommt. Für diesen Menschen war auch nicht klar, dass er seine Einstufung als Behinderter in gleichem Maß wieder hat, sondern er musste neu bewertet werden. Das heißt, ich habe jene Menschen, die bereits Nachteile im tatsächlichen Leben haben, Menschen mit Behin­derung, noch zusätzlich dadurch verunsichert, dass nicht sicher war, dass sie zu ihren Rechten kommen.

Mit dieser FLAG-Novelle haben wir das jetzt saniert. Und es ist wirklich ein großes Dankeschön an den Verein Lebenshilfe zu sagen, der da schon jahrelang kämpft, und an unsere Behindertensprecherin von der SPÖ, Ulli Königsberger-Ludwig. Vielen, vie­len Dank für deinen jahrelangen Einsatz, den du hier geleistet hast! Wir haben es jetzt geschafft, dass wir speziell Menschen mit Behinderungen, die diesen Schritt wagen, in die erste Arbeitswelt zu gehen, nicht bestrafen, sondern dabei unterstützen und ihnen aber auch die Gewissheit geben, dass sie dann bei Einstellung bei der Anerkennung ihrer Behinderung keine Nachteile haben und die erhöhte Familienbeihilfe auch weiter bekommen können. – Ein recht herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 


13.55.34

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Diesem Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlasten­ausgleichsgesetz geändert wird, haben wir schon im Ausschuss zugestimmt, er be­kommt auch heute unsere Zustimmung.

Inhaltsmäßig haben meine zwei Vorredner bereits das Wesentlichste erwähnt und aus­geführt. Die Problematik wurde bereits im Begutachtungsverfahren zur letzten FLAG-Novelle in einer Stellungnahme genauer angesprochen, so zum Beispiel in der Stel­lungnahme der Lebenshilfe Österreich oder auch in jener des Sozialministeriums. Ge­nau mit diesem Rückkehrecht in die erhöhte Familienbeihilfe wird der Anreiz ge­schaffen, den Versuch ins Berufsleben zu wagen. Derzeit befinden sich rund 20 000 Men­schen mit Behinderung in einer Werkstätte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder junge Mensch mit Behinderung sollte, wenn möglich und wenn sie oder er dies wünscht, die Chance erhalten, sich im Rah-


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men einer Berufstätigkeit zu bewähren. Und wenn dies nicht klappt, dann sollten da­raus auch keine Nachteile entstehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.57


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Jar­mer. – Bitte.

 


13.57.10

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte KollegInnen und werte ZuseherInnen zu Hause! Das Thema, das wir heute hier behandeln, ist wirklich eine sehr gute Sache. Und ich freue mich, dass die Regierungsparteien ein Anliegen, das ich schon lange habe, auch umgesetzt haben. Es geht darum, dass Menschen mit Behinderungen, die normalerweise im dritten Ar­beitsmarkt tätig sind, die Chance, den Anreiz bekommen, im ersten Arbeitsmarkt ein­mal zu schnuppern. Viele Menschen waren einfach in Sorge, wenn sie im ersten Ar­beitsmarkt tätig sind, dass sie nicht mehr zurückkommen können. Und so haben sie die Chance, das wirklich auszuprobieren, und somit die Chance auf ein normales Arbeits­leben, so wie es andere Menschen auch haben. Das ist also ein sehr wichtiger Schritt.

Aber wir sind in dieser Thematik noch nicht am Ende, wir haben noch sehr viel zu tun, so wie es die Kollegin auch schon gesagt hat. Die Menschen im dritten Arbeitsmarkt sind üblicherweise in geschützten Werkstätten. Nur damit Sie es wissen: Es gibt den Nationalen Aktionsplan, und Maßnahme 179 schreibt fest, dass die Menschen mit Be­hinderungen in den dritten Arbeitsmarkt, aber auch in unser Sozialsystem integriert werden. Und diese Maßnahme beinhaltet auch eine Umsetzung bis 2015. Und daran möchte ich die beiden Regierungsparteien wirklich erinnern: 2015! Wir haben nicht mehr sehr viel Zeit für diese Umsetzung, damit diese Menschen auch ins Sozialversi­cherungssystem Eingang finden.

Bisher wurde als einziger Schritt für die Menschen in den geschützten Werkstätten er­reicht, dass sie unfallversichert sind. Aber sie haben keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, sie haben keinen Anspruch auf eine eigene Pension. Das heißt, das, was diese Men­schen bekommen, ist Taschengeld in einer monatlichen Höhe von zirka 50 bis viel­leicht 100 €.

Aber wenn sie einmal eine Woche lang krank sind, dann zieht man das von ihrem Ta­schengeld ab, und ich denke, das ist kein Leben für diese Menschen, wenn sie da­durch von ihren Familien abhängig werden.

Auch dürfen wir nicht vergessen, was geschützte Werkstätte bedeutet. Sehr oft sind in den geschützten Werkstätten die Menschen in der Produktion tätig, das heißt, sie be­liefern oft große Firmen. Man darf also nicht davon ausgehen, dass Menschen am drit­ten Arbeitsmarkt nicht produktionsfähig wären. Das, was ich mir erwarte, ist, dass wir eine Lösung für Menschen mit Behinderungen, die in geschützten Werkstätten tätig sind, finden, dass sie im normalen Sozialversicherungssystem drinnen sind.

Es soll normal werden, dass Menschen mit Behinderungen auch am ersten Arbeits­markt Fuß fassen. Das heißt, ich erwarte mir hier gute Ideen. Ich erwarte mir gute Projektförderungen. In Salzburg etwa gibt es ein sehr gutes Projekt, wo man Menschen mit Behinderungen eine spezielle Ausbildung anbietet, dass sie als Küchengehilfen am ersten Arbeitsmarkt arbeiten können, oder bei IKEA, wo auch immer. Es geht darum, dass man wirklich spezielle Schulungen anbietet, um die Menschen im ersten Arbeits­markt zu integrieren.

Ich möchte ein Beispiel aus Amerika bringen: Starbucks. Starbucks beschäftigt Men­schen mit Down-Syndrom, sogar im Service. Das heißt, sie sind nicht irgendwo in der


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Küche versteckt, sondern man zeigt sie öffentlich, und dadurch erscheinen sie auch in der Gesellschaft als Selbstverständlichkeit.

Für mich ist ganz wichtig die Bildung. Wir brauchen den Kindergarten. Wir brauchen die Schule. Wir brauchen die inklusive Bildung, dass alle Menschen von klein auf ge­wohnt sind, mit Menschen mit Behinderungen umzugehen. So schaffen wir die Mög­lichkeit, dass es auch in der Arbeitswelt eine Selbstverständlichkeit ist, Menschen mit Behinderungen als Arbeitskollegen und -kolleginnen zu haben.

Ich danke abschließend noch einmal meinen KollegInnen hier und blicke hoffnungsfroh in die Zukunft. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

14.02


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


14.02.39

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Kolleginnen und Kollegen und Zuseher an den Fernsehge­räten und auf der Galerie! Ich habe beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt ange­merkt, dass ich noch zum Familienlastenausgleichsfonds bezüglich Mittelverwendung etwas sagen werde, bevor ich zum positiven Aspekt der verstärkten Unterstützung von Behinderten komme.

Wir haben eine ganz gewaltige Veränderung im Familienlastenausgleichsfonds: Von 1970 bis 2010 ist die Verwendung für die Familienbeihilfe um 43,9 Prozent gesunken. Das sagt nicht nur etwas aus über die sinkenden Geburtenraten, sondern auch über die Veränderung bei der Verwendung der Mittel des Fonds. Das ist ein wesentlicher Ansatzpunkt.

Weil vorhin gesagt wurde, dass sehr viel Geld von dieser Bundesregierung für die Familien aufgewendet wird – danke dafür –: Wir müssen aber auch sehen, wie weit die Familien zurückhinken. 13 Jahre hat es keine Inflationsabgeltung bei der Familienbei­hilfe gegeben. Das heißt, es gibt von Haus aus einen Rückstand, einen Kaufkraftver­lust von 36 Prozent. Es fehlen 36 Prozent an Kaufkraft in den ländlichen Regionen. All das Geld, das man den Familien, den KMUs, den EPUs nicht gibt, fehlt im ländlichen Raum draußen. (Abg. Hammer: Das ist ein bisschen eine Mischmaschrede, Leo!) Das führt zu einer Ausdünnung des ländlichen Raumes und zu einer zusätzlichen Belas­tung der Familien, weil sie dadurch, dass sie nicht so viel an öffentlichem Verkehr am Land haben, mit ihren privaten Autos fahren müssen und dadurch wieder betroffen sind von der Erhöhung der motorbezogenen Familiensteuer. (Abg. Hammer: Versiche­rungssteuer! – Heiterkeit.)

Aber jetzt zum vorliegenden Tagesordnungspunkt. Das ist zu unterstützen. Wir wissen auch um diese wertvolle Arbeit, die vor Ort geleistet wird. Es ist von den Vorrednern zum Teil schon angesprochen worden: vom Hilfswerk, von der Lebenshilfe, wo wir uns täglich überzeugen können, wenn die Busse die Betroffenen von zu Hause abholen, wie die umsorgt werden, wie die ordentlich unterstützt werden. Ich darf an dieser Stelle auch einen Dank richten an die vielen ehrenamtlichen Vereine und Organisationen und Clubs (Beifall beim Team Stronach), die besonders viel Geld aus Erlösen ihrer Veran­staltungen für Einrichtungen im Behindertenbereich, für Projekte im Behindertenbe­reich spenden. Ich bin da selber auch beteiligt. Ich darf als Beispiele nennen, neben den ehrenamtlichen, die Kiwanis-Clubs, die Lions-Clubs, die Rotarier, die auch sehr viel Geld in diesen Bereich investiere


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n.

Einen ganz besonderen Dank auch an die vielen Firmen, die Aufträge an diese ge­schützten Werkstätten vergeben, damit diese Werkstätten auch eine Sinnhaftigkeit, ei­ne Wirtschaftlichkeit kriegen, an die Firmen, die immer wieder, wie es gerade von mei­ner Vorrednerin angesprochen wurde, in die Produktion investieren, Aufträge, Ferti­gungsaufträge an diese Werkstätten vergeben. Ich glaube, das ist so wesentlich, so wichtig, dass wir diesen Leuten auch das Gefühl der Wertschätzung in Form von Ge­braucht-Werden geben. Dafür auch ein aufrichtiges Dankeschön. (Beifall beim Team Stronach.)

Selbstverständlich wird auch das Team Stronach diesem Antrag zustimmen. (Beifall beim Team Stronach.)

14.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

 


14.06.30

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Es ist das prioritäre Ziel der Behindertenpolitik, dass Menschen mit einer Behinderung am ersten Arbeitsmarkt arbeiten können, ihre Leistung erbringen können, dass sie nicht in geschützten Werkstätten bleiben müssen. Viele haben sich den Schritt überlegt, aus der geschützten Werkstatt hinauszugehen in die freie Wirtschaft, aber sie haben Angst gehabt, dass ihnen die Sozialleistungen wie die erhöhte Familienbeihilfe oder die Waisenpension verloren gehen, wenn sie scheitern, wenn dieser Arbeitsver­such nicht klappt und sie wieder in den geschützten Bereich zurückkehren müssen.

Mit dieser neuen Regelung wird klargestellt, dass es die Sicherheit gibt, wenn ein Ar­beitsversuch scheitert, dass sie weiterhin die erhöhte Familienbeihilfe bekommen. Dan­ke, Frau Ministerin, dass Sie hier eine wichtige Rechtssicherheit geschaffen haben!

Meine Damen und Herren! Heute steht auch auf der Tagesordnung eine Novelle zum ParlamentsmitarbeiterInnengesetz, wo auch eine Erhöhung der Gehälter für die parla­mentarischen Mitarbeiter zur Diskussion steht. Das Gesetz wurde 1992 beschlossen, seither gibt es parlamentarische Mitarbeiter. Im Laufe dieser langen Zeit hat es nur ein­mal eine kleine Erhöhung gegeben, 2005, also das ist schon fast zehn Jahre her.

In diesen vielen Jahren haben sich das Profil und der Aufgabenbereich der Politiker, aber auch jener der Mitarbeiter wesentlich gewandelt. Es gibt mehr Bürgerkontakt, es kommen viele Mails, die man beantworten muss. Es ist vermehrt Öffentlichkeitsarbeit zu machen, die Presseaussendungen werden zahlreicher, und natürlich müssen auch die sozialen Medien entsprechend betreut werden. Man ist durch die Vernetzung mehr gefordert, die Informationen einzuordnen und auch entsprechend aufzuarbeiten.

Das ist eine wertvolle Arbeit der parlamentarischen Mitarbeiter, und ich möchte mich stellvertretend für alle parlamentarischen Mitarbeiter bei meinen Mitarbeiterinnen, die sich einen Job teilen, bei Linda Exenberger und Evelyn Pammer für ihre wertvolle Ar­beit bedanken.

Speziell bei mir wird deutlich, was es an zusätzlichem Engagement braucht. Wenn ich zum Beispiel eine Internetsprechstunde halte, dann sitzt Evelyn Pammer am Computer und schreibt, weil ich selbst nicht schreiben kann. Oder: Da ich auch schlecht sehe, liest sie mir Gesetzestexte vor. Oder: Wenn ich zu einem Termin gehe, muss man viel organisieren, muss man schauen: Wie ist es dort mit der Barrierefreiheit, wie kann man da am besten hinkommen, gibt es eine Steckdose für das Beatmungsgerät? Zwischen­durch piepst das Gerät, es gibt einen Notfall, eine Assistentin schaut, was los ist, und die Mitarbeiterin bebeutelt mich einstweilen, gibt mir Luft und rettet mir so ganz ne­benbei das Leben. Auch jetzt brauche ich sie, wenn ich wieder mit dem Rollstuhl zu meinem Platz hinauffahre.

Ich denke, dass ich meine politische Arbeit nicht machen könnte ohne diese Mitarbeiter und dieses ihr Engagement. Ich glaube, dass sich auch die anderen parlamentarischen Mitarbeiter in ihrem Bereich auf ihre Weise entsprechend engagieren, und dafür möch­te ich mich bedanken. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)


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Ich hoffe auch, dass wir das Gesetz heute einstimmig beschließen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.13


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hol­zinger. – Bitte.

 


14.14.17

Abgeordnete Daniela Holzinger, BA (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Besuche­rInnen auf der Galerie! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger, die via Fernsehen oder In­ternet dabei sind! Sehr geehrte KollegInnen! Ich freue mich, dass mit dem vorliegenden Antrag, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz aus 1967 geändert werden soll, eine wesentliche Verbesserung für Menschen mit Beeinträchtigung erreicht werden kann.

Für Menschen mit Behinderungen gibt es verschiedenste Beschäftigungsangebote. Wie wir bereits gehört haben, gehen derzeit rund 20 000 Menschen mit schweren Be­hinderungen einer Tätigkeit im Rahmen der Sozial- und Behindertenhilfe nach – dazu zählen Tagesheimstätten, fähigkeitsorientierte Arbeit und, und, und –, wofür diese be­troffenen Personen aber lediglich ein kleines Taschengeld erhalten.

Der Artikel 27 der UN-Konvention bekräftigt jedoch im Übereinkommen über die Rech­te von Menschen mit Beeinträchtigungen, dass es das Recht von Menschen mit höchs­tem Unterstützungsbedarf ist, ihren Lebensunterhalt auf dem Arbeitsmarkt selbst ver­dienen zu können. Unternehmen aber genau diese Menschen, die als nicht selbster­haltungsfähig eingestuft werden, einen Arbeitsversuch auf dem offenen Arbeitsmarkt, so gehen sie das Risiko ein, dass die Transferleistung, die sie erhalten, die erhöhte Fa­milienbeihilfe, verlorengehen kann.

Diese Einschränkung in der Durchlässigkeit vom dritten hin zum ersten Arbeitsmarkt und die Sorge um den Verlust dieser Familienbeihilfe sind meiner Meinung nach ein er­heblicher Hinderungsgrund für diese Menschen. Obwohl diese eine enorme Leistungs­bereitschaft mitbringen und arbeiten wollen, ihre Leistung erbringen wollen und ihre Kraft investieren wollen, trauen sich viele dann nicht drüber.

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung soll eine Klarstellung dahin gehend vorgenom­men werden, dass die Familienbeihilfe auch nach einem gescheiterten Arbeitsversuch wieder aufleben kann.

Wie unsere Behindertensprecherin Ulli Königsberger-Ludwig gestern schon bei der No­velle des Bundesbehindertengesetzes zum Punkt Wiederauszahlung der Waisenrente gesagt hat: Arbeit erhöht den Selbstwert und die Selbstbestimmung, und die Aufgabe einer Politik für Menschen mit Beeinträchtigung muss es sein, diese Menschen best­möglich dabei zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Ich freue mich deshalb sehr über die einstimmige Unterstützung im Ausschuss und bitte auch hier um ein starkes Zeichen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

14.16


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


14.16.44

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit diesem Antrag zum Familienlastenaus­gleichsgesetz soll Rechtssicherheit für behinderte Menschen in Bezug auf die Zuwen­dung von erhöhter Familienbeihilfe geschaffen werden – eine sehr wichtige und richtige Angelegenheit für unsere Mitmenschen mit einer Behinderung. (Beifall bei der FPÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss schon bedenken, wie schwer es für die betroffenen Mitmenschen ist, eine geeignete Arbeit auf dem offenen Arbeits­markt zu finden, sehr oft ist das nur mit größter Bemühung und Anstrengung möglich. Man muss aber auch bedenken, welch große und beschwerliche Wegstrecken vor al­lem im ländlichen Raum von den betroffenen Mitmenschen oft zurückgelegt werden müssen, um eine geeignete Arbeit zu finden. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es ganz, ganz wichtig, dass diese Angelegenheit endlich mit einer Rechtssicherheit untermauert ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


14.18.03

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Zum gegenständlichen Tagesord­nungspunkt wurde von den Vorrednern schon sehr viel gesagt. Ich glaube, es ist un­bestritten, dass es unser aller Ziel sein muss, Menschen mit Beeinträchtigungen so gut es geht in den Arbeitsmarkt einzugliedern beziehungsweise nach ihren Fähigkeiten zu fördern und zu unterstützen. Und diese gesetzliche Präzisierung, die notwendig war, um die erhöhte Familienbeihilfe nach einem gescheiterten Arbeitsversuch wieder aufle­ben lassen zu können, war wichtig und richtig.

Abschließend möchte ich noch sagen, wie konstruktiv und positiv sich die Zusammen­arbeit im Familienbereich in der letzten Zeit gestaltet hat. Ich glaube, es war ein wich­tiges Zeichen, wieder ein Familienministerium einzurichten, mit der Frau Ministerin Kar­masin an der Spitze. Wir haben gleich zu Beginn der Periode eine Problemstellung zufriedenstellend gelöst, und ich möchte zusammenfassend noch einmal darauf hin­weisen, was alles in den letzten Monaten schon gelungen ist.

Das sind: die Familienbeihilfenerhöhung – es wurde angesprochen –, mit der Zusage, das in den nächsten Jahren noch einmal zu machen; das Paket zur Kinderbetreuung, welches wir gerade beim letzten Tagesordnungspunkt finalisiert haben; der Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung. Und es muss vor allem im Steuerbereich das Ziel der nächsten Monate sein, an der Entlastung der Familien dranzubleiben, weil die Fa­milien nur dann, wenn sie auch die entsprechenden finanziellen Mittel haben, die Wahl­freiheit, die sie brauchen, auch wirklich leben können. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Daran werden wir arbeiten, vor allem unsere Fraktion, und ich bin überzeugt davon, dass wir auch da Positives bewirken können. (Beifall bei der ÖVP.)

14.19


Präsident Karlheinz Kopf: Die vorläufig letzte Wortmeldung dazu kommt von Frau Abgeordneter Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


14.20.02

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher an den Fernsehschirmen! Ich möchte mich als Behindertensprecherin der SPÖ herzlich für die große Bereitschaft bedanken, diesem Antrag heute einstimmig zuzustimmen, wie ich überhaupt betonen möchte, dass hier im Hohen Haus, wenn es um die Rechte und um die Anliegen von Menschen mit Behinderungen geht, sehr oft große Überein­stimmung vorhanden ist.

Das zeigt wohl, dass uns allen, unabhängig davon, in welcher Fraktion wir tätig sind, die Anliegen dieser Menschen tatsächlich wichtig sind. Auch dafür möchte ich mich


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herzlich bedanken, denn auch das ist nicht selbstverständlich. Es gelingt uns dadurch oft, mit Sechs-Parteien-Anträgen zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen beizutragen. Dafür ein herzliches Dankeschön an Sie alle, die Sie mit uns gemeinsam hier im Parlament daran arbeiten! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum heutigen Antrag wurde schon sehr viel gesagt. Es gibt das Rückkehrrecht zur Fa­milienbeihilfe, und gestern wurde auch das Rückkehrrecht in die Waisenpension nach einem gescheiterten Arbeitsversuch beschlossen. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger und wirklich hervorragender Schritt, den wir heute gemeinsam beschließen. Wir kön­nen sehr stolz darauf sein, dass dieser Beschluss heute gefällt wird.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben, namentlich bei Frau Kollegin Lueger, bei Herrn Kollegen Strasser und bei Herrn Kollegen Huainigg, denn wir alle haben im Vorfeld viel daran gearbeitet, dass dieser Beschluss heute gefasst werden kann. Euch allen ein Dankeschön.

Ich möchte aber einmal mehr betonen, wie wichtig es ist, dass nicht nur unsere Be­reitschaft zur Hilfe für und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen besteht, sondern dass diese Bereitschaft auch von der Wirtschaft kommen muss, indem sie je­nen Menschen auch tatsächlich Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt.

Wir wissen, dass die Einstellungspflicht leider nur zu einem sehr geringen Teil tatsäch­lich erfüllt wird, und ich möchte einmal mehr meinen Appell an die Wirtschaft richten: Fassen Sie sich ein Herz und stellen Sie Menschen mit Behinderungen in Ihren Betrie­ben ein! Sie werden sehen – Kollegin Holzinger hat es schon gesagt –, Sie erhalten leistungswillige, leistungsbereite Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich denke, für eine inklusive Gesellschaft ist es ein wichtiger Schritt, zu zeigen, dass diese Menschen auch etwas leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Schaffen wir also gemeinsam Arbeitsplätze am ersten Arbeitsmarkt, dann müssen wir uns auch irgendwann einmal vielleicht nicht mehr über Taschengeld in Werkstätten un­terhalten! Das wäre heute mein Appell, auch an die Wirtschaft. Ein herzliches Danke an alle, die diesen Antrag heute mit uns gemeinsam beschließen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.22

14.22.20

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 255 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen. – Das ist wiederum Einstim­migkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

14.22.598. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (199 d.B.): Ver­einbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der bisherige Vereinbarungen über den Ausbau ganztägiger Schulformen geändert werden (256 d.B.)

 



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Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


14.23.28

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Bund-Länder-Vereinbarung, mit der die bestehende Vereinbarung über den Ausbau ganztägiger Schulformen geän­dert wird, erfüllt ja, wie wir wissen, mehrere Funktionen.

Es geht darum, den zügigen Ausbau ganztägiger Schulformen weiter zu forcieren, da­mit Schulkinder am Nachmittag nicht sich selbst, dem Fernseher oder der PlayStation überlassen sind, sondern pädagogisch betreut gemeinsam spielen, gemeinsam lernen, gemeinsam essen können. Gleichzeitig wird damit aber auch ein wichtiger Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile geleistet.

Es wird jedoch gerade mit dieser geänderten Vereinbarung noch ein Effekt erzielt, nämlich dass der Konsolidierungsbeitrag, der vom Finanzminister auch dem Bundes­ministerium für Bildung abverlangt wird, aufgebracht werden kann, ohne dass im Klas­senzimmer gespart werden muss – das war mir, das war Ihnen allen, das war uns allen ein großes Anliegen –, und dass die Gesamtsumme für ganztägige Schulformen damit auch gleich bleibt.

Sie kennen die Details der Vereinbarung. Es geht um eine Verschiebung der Mittel, aber die Gesamtsumme bleibt gleich. Damit gelingt es uns auch, das Angebot an ganz­tägigen Schulformen weiter zu erhöhen.

Es wurde heute schon sehr viel von Wahlfreiheit et cetera gesprochen. Ich meine: Für Wahlfreiheit braucht es immer auch eine Wahlmöglichkeit, und genau diese wollen wir gemeinsam schaffen. – Vielen herzlichen Dank der Ministerin für diese gelungene Vereinbarung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.25


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter El Habbassi. – Bitte.

 


14.25.43

Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle werden im Wahlkampf oder vielleicht auch jetzt, wenn Sie in den Gemeinden unterwegs sind und mit den Menschen spre­chen, immer wieder hören, dass Leute, die arbeiten, die vielleicht pendeln, die sich ger­ne um ihre Kinder kümmern wollen, aber vielleicht aus beruflichen oder anderen Grün­den nicht die Möglichkeit haben, einen großen Bedarf an Betreuungsplätzen haben, wo ihre Kinder auch gut aufgehoben und an einem sicheren Ort sind, sodass sie die Mög­lichkeit haben, sich zu entfalten, zu lernen und dabei unterstützt zu werden. All das soll, kann und muss durch eine Ganztagsbetreuung erfüllt werden.

Die Menschen machen sich sehr viele Gedanken darüber, und ich glaube, es ist wich­tig – wir haben uns ja im Regierungsübereinkommen dazu committed –, dass wir im Bildungsbereich Antworten auf die offenen Fragen suchen, die sich an der Maxime ori­entieren, immer das Bestmögliche für das Kindeswohl zu garantieren.

Trotz allem glauben wir aber, dass es auch die Wahlfreiheit für Eltern geben muss, das Angebot einer Tagesbetreuung wahrzunehmen. Es ist, glaube ich, gut und richtig, dass es dieses Commitment gibt, insgesamt bis zum Ende dieser Legislaturperiode, also bis 2018/2019 200 000 Ganztagsbetreuungsplätze zu schaffen, die Betreuungsquote auf 30 Prozent zu erhöhen, damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern und die Familien dabei zu unterstützen, eine bestmögliche Ausbildung zu bekommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 111

In diesem Sinne hat sich die Frau Ministerin trotz des Konsolidierungsbedarfs und trotz der knappen finanziellen Mittel dafür entschieden, diese Mittel weiter zur Verfügung zu stellen und an dem Ziel festzuhalten, dass die Regierung sich diesbezüglich gesetzt hat. Ich glaube, das ist gut und richtig, und darum bin ich froh, dass es da eine Eini­gung gegeben hat, die eine Umsetzung dieser Ziele zumindest bis zum Ende dieser Legislaturperiode vorsieht. Auch wenn jetzt die Mittel verschoben werden, ist es, glau­be ich, gut, daran festzuhalten und das trotzdem durchzuziehen.

Uns ist immer wichtig gewesen, dass es Wahlfreiheit gibt, und diese Wahlfreiheit setzt, wie Frau Kollegin Grossmann schon gesagt hat, auch eine Wahlmöglichkeit voraus. Diese wird hiermit geschaffen, und ich glaube, in diesem Sinne ist es eine gute Eini­gung und sehr zu begrüßen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ)

14.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hauser. – Bitte.

 


14.28.47

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Wort des Tages ist heute „Wahlfreiheit“. Frau Kollegin Grossmann, Sie haben festgestellt, dass es für die Wahlfreiheit ein Angebot benötigt. Das ist richtig, aber für die Wahlfreiheit benötigt es auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Familien, die sich vielfach das Le­ben nicht leisten können, weil das Einkommen zum Auskommen nicht reicht. Aufgrund dessen sind die institutionelle Kinderbetreuung wie auch die Ganztagsschule natürlich notwendige Angebote.

Wenn man die Statistiken – etwas die Statistik Austria, 2012 – bemüht, sieht man fol­gende Fakten: Das mittlere Jahreseinkommen von Frauen liegt bei 15 221 €, das sind 1 268 € pro Monat. Bei den Männern liegt es höher, nämlich bei 22 374 €. Das sind in etwa 1 865 € pro Monat. Damit ist klargestellt: Mit dem Medianeinkommen, mit einem mittleren Einkommen von 1 268 € bei den Frauen, kann man nicht auskommen. Damit ist die effektive Wahlfreiheit aus unserer Sicht ja überhaupt nicht gegeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wahlfreiheit setzt voraus, dass man tatsächlich über die notwendige finanzielle Aus­stattung verfügt, um sagen zu können: Ich habe auch die Chance, wenn ich es will – und das ist ein hohes Gut und ein wertvolles Recht –, meine Kinder im Rahmen des Familienverbandes zu Hause zu betreuen. Wir sind daher aufgefordert, auch im Parla­ment, einmal darüber nachzudenken, was wir tun können, um dieser Wahlfreiheit tat­sächlich zum Durchbruch zu verhelfen. Das möchte ich laut und deutlich sagen, denn alles andere ist eine Scheindebatte, die nie zum Ziel führen kann, weil nämlich die fi­nanzielle Grundausstattung vieler Familien nicht da ist, und das ist bedenklich.

Wir stehen vor der Urlaubszeit. Wenn wir in den Medien lesen müssen, dass sich viele Familien keinen Urlaub leisten können, dann soll uns das bitte allen zu denken geben. Viele Familien leben auch deswegen an der Armutsgrenze, weil sie eben Kinder ha­ben – deswegen sind sie ja Familien! –, und auch das soll uns nachdenklich stimmen. Deswegen müssen wir uns bei diesem Punkt einmal eminent anstrengen und eine tat­sächliche und wirkliche Wahlfreiheit einführen.

Wir sind selbstverständlich froh darüber, dass heute sowohl bei der institutionellen Kin­derbetreuung als auch bei der Ganztagsschule richtige und wichtige Schritte gesetzt wurden, weil diese Bildungseinrichtungen notwendig sind, weil eben beide Elternteile arbeiten gehen müssen. Sie haben ja nicht die Wahlfreiheit, sondern sie müssen arbei­ten gehen, um mit dem Geld beider Elternteile über die Runden zu kommen. Damit hat die Gesellschaft die Verpflichtung, die Kinder zu betreuen.


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Wir sind über jeden Cent froh, der in Richtung Familien fließt, aber Österreich ist kei­nesfalls Familienweltmeister. In einem Artikel im heutigen „Standard“ hält der Katholi­sche Familienverband richtigerweise fest, dass die Anpassung, die wir einführen – po­sitiv, sage ich dazu! –, die Teuerung der letzten Jahre nicht abdeckt. Faktum ist auch, dass wir OECD-weit mit unseren familienpolitischen Leistungen nur mehr an 15. Stelle liegen. Wir sind also nicht der Familienweltmeister, der wir gerne wären. Das sollte je­doch unser Ziel sein, und an der Erreichung dieses Zieles müssen wir noch sehr stark arbeiten.

Nun zum Ausbau ganztägiger Schulformen: Diesen Leitfaden (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), der für die Gemeinden, für die Schulerhalter erstellt wurde, haben wir als Schulerhalter gar nicht bekommen. Ich als Bürgermeister bin im Zuge der Ausschussdebatte jetzt am Dienstag im Unterrichtsausschuss draufgekommen, dass es diesen Leitfaden überhaupt gibt. Auch das ist für mich bezeichnend: wie man ei­gentlich mit Gemeinden, mit einem wesentlichen Partner umgeht.

Wenn man so die ersten Seiten aufschlägt, dann sieht man auch, wie in einem Leitfa­den mit diesem Thema umgegangen wird. Da steht, „Bund und Länder“ haben sich auf dieses und jenes geeinigt. Mir ist schon klar, bei einer Artikel-15a-Vereinbarung kann es nur um eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gehen, aber in einem Leitfa­den, der ja nicht juristisch auf Punkt und Beistrich genau sein muss, sollte zumindest auch drinnen stehen, dass es auch eine Einigung beziehungsweise eine Vereinbarung mit den Gemeinden gegeben hat.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man die Gemeinden intensiv eingebunden hat, ansonsten wäre wahrscheinlich die Zustimmung so nicht da gewesen. Wieso nicht? – Das war nämlich auch das Problem, wieso die Gelder in der Vergangenheit nicht abgeholt wurden: Die Gelder wurden deswegen nicht abgeholt, weil die Gemein­den nicht über die notwendigen Finanzmittel verfügen.

Was geschieht momentan? – Der Bund stellt bis zum Jahr 2018/2019 400 Millionen € für den Ausbau der Ganztagsbetreuungseinrichtungen zur Verfügung. Die Zugriffsmög­lichkeit auf viele Gelder, die in der Vergangenheit, also 2013/2014, nicht abgeholt wur­den, wurde in die Zukunft verschoben, weil eben der wesentliche Partner – sprich: die Gemeinden – nicht die notwendigen Eigenfinanzierungsmittel hatte, um auf diese Gel­der zuzugreifen. Das ist der springende Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn ich mir jetzt als betroffener Bürgermeister diesen Leitfaden durchlese, kommt die Einstellung der Verhandlungspartner – Bund und Länder – den Gemeinden gegenüber voll und klar zum Ausdruck.

Ich zitiere aus diesem Leitfaden:

„Die Zweckzuschüsse des Bundes haben den Charakter einer Anschubfinanzierung. Die Länder werden die Mittel, die sie aufgrund eines Verteilungsschlüssels erhalten, unter den Gemeinden aufteilen.“ – So weit, so gut. „Dabei sind bei den Ausgaben für Infrastruktur und Personal Höchstgrenzen einzuhalten. Entstehen“ – und jetzt kommt dieser lapidare Satz – „darüber hinaus Kosten, sorgen die Schulerhalter für deren Be­deckung.“ Punkt, Amen, Pause.

So wird das einfach dort festgestellt. Damit sind wir genau bei dieser Thematik und Problematik, die ich hier intensiv ansprechen möchte.

Anschubfinanzierung – notwendig, richtig und wichtig. Noch einmal: Auch die Ganz­tagsbetreuung, wie von mir eingangs erwähnt, ist notwendig und wichtig, weil es eben gesellschaftspolitisch mittlerweile leider vielfach notwendig ist, dass beide Elternteile arbeiten müssen und deswegen natürlich auch die Kinder die Möglichkeit haben müs­sen, am Nachmittag betreut zu werden.


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Man bekommt jetzt 9 000 € pro Gruppe für die schulische Tagesbetreuung und maxi­mal 55 000 € Infrastrukturkostenzuschuss pro Gruppe, und es ist dezidiert und genau festgehalten, wofür das Geld eingesetzt werden kann. Der Rechnungshof hat ja nicht zu Unrecht kritisiert, dass die Länder bei der Finanzierung außen vor gelassen werden. Voraussetzung der Länderbeteiligung ist ja nur, dass sie ihre bisherigen Zusagen nicht reduzieren. Hier steht jedoch mit keinem Satz, dass sich die Länder an dieser Ak­tion des Bundes in irgendeiner Art und Weise finanziell beteiligen. Beteiligen tun sich hingegen die Gemeinden, die zwar im Wesentlichen in diese Gespräche nicht einge­bunden waren, die aber mit dem Bund dieses Programm in den nächsten Jahren um­setzen müssen.

Dann ist genau definiert, wofür das Geld verwendet werden kann – und umgekehrt auch, wofür nicht –, nämlich für „die Schaffung und Adaptierung von Speisesälen und Küchen“, „die Schaffung und Adaptierung von Spielplätzen“ und so weiter.

Die Anschubfinanzierung beträgt 55 000 €. Wie soll man mit diesem Geld als Kom­mune auskommen?! Was darf nämlich mit dem Geld nicht finanziert werden? – Das steht dezidiert in dieser Vereinbarung drinnen, und das ist der springende Punkt, weil nämlich genau das der Bereich der Gemeinden ist. Die Gemeinden schlucken diese Kosten zur Gänze.

Nicht gefördert werden darf „die Generalsanierung des gesamten Schulgebäudes“ – lo­gisch, ist mir schon klar, Gemeindeangelegenheit –, „die Sanierung des Turnsaals“ –Gemeindeangelegenheit, darf mit diesen Mitteln nicht finanziert werden –, „die An­schaffung von Verwaltungsinfrastruktur“ – Gemeindeangelegenheit zu hundert Pro­zent –, „die Ausstattung aller Klassenräume mit Beamern“ et cetera, technisches Equipment – Gemeindeangelegenheit –, „die Bezahlung von Betriebskosten (z. B. Strom, Telefon, Heizung)“ – Gemeindeangelegenheit! Ich könnte noch ergänzen: Mitar­beiter, Reinigungspersonal – Gemeindeangelegenheit! Und so weiter und so fort.

Wenn ich mir die Zahlen aus unserem Budget anschaue – ich bin jetzt schon in Schwung, und das wollte ich schon längst einmal vorbringen –: Wir sind eine kleine Gemeinde, im Tourismus tätig, nicht unbedingt die ärmste Gemeinde in Tirol. Noch ein­mal: Bildung kostet, das ist mir schon klar, aber nichts für ungut, dass ich die Zahlen einfach aus dem Budget vortrage. Uns kostet: Volksschule – 40 000 €, Neue Mittel­schule – 179 000 €; und das neben der Palette an anderen Tätigkeiten, die die Ge­meinde zu finanzieren hat. Die vorschulische Erziehung kostet uns allein an Personal­kosten 75 000 €. Da bekommen wir einen Personalkostenzuschuss von 32 000 €. In Summe: Unterricht, Gruppe 2, kameralistisches Budget, Einnahmen unserer Gemeinde über Förderungen et cetera – 138 700 €, Ausgaben – 389 400 €. Das ergibt in dieser Gruppe einen Abgang von 250 700 €, den die Gemeinde St. Jakob allein in diesem Jahr zu tragen hat.

Noch einmal: Auch wenn Bildung wahnsinnig viel wert ist, ich als studierter Wirtschafts­pädagoge absolut bereit bin, in den Bildungsbereich zu investieren – selbst wenn man, so sagt man bei uns in Tirol, jemanden auf den Kopf stellt, wenn im Sack nichts drin ist, kann auch nichts herausfallen! Deswegen, Frau Minister, sind wir  (Abg. Mayer: Die­se Rede solltest du im Landtag halten!) – Da muss, Entschuldigung, die Frau Minister und der Bund, der da wirklich großzügig  (Abg. Mayer: Das ist der Landeszentralis­mus, den wir haben! Du jammerst an der falschen Stelle!) – Nein, nein, ich jammere nicht. (Abg. Walter Rosenkranz: Also das Parlament kann nie die falsche Stelle sein!)

Ich stelle fest: Wenn der Bund großzügig Mittel zur Verfügung stellt, was grundsätzlich zu begrüßen ist, dann, Herr Kollege Mayer, sollte man im Zuge einer 15a-Vereinbarung darauf schauen, dass natürlich auch die Länder finanziell miteingebunden werden, um zum Beispiel die Gemeinden zu entlasten. Also das ist nicht die Schuld des Gerald Hauser, ich war ja bei den Verhandlungen nicht dabei. Ich hätte das schon längst ge-


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tan, weil nämlich der Rechnungshof mehrmals in seinen Berichten eingefordert hat, end­lich einmal einen aufgabengerechten Finanzausgleich durchzuführen. Das ist wirklich höchst an der Zeit, höchst an der Zeit! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist grundsätzlich überhaupt nicht einsichtig, wieso die Gemeinden mit unterschiedli­cher finanzieller Kraft Schulerhalter sind und somit auch mit unterschiedlicher Finanz­kraft in etwa gleiche Bildungsstandards gewährleisten sollen. Das ist so ohne weiteres nicht möglich, das wissen Sie ganz genau. Darüber muss man diskutieren. Ich werde heute diesbezüglich auch noch einen Entschließungsantrag einbringen, weil es uns einfach darum geht, dass man über diese Thematik, einen aufgabenbezogenen Fi­nanzausgleich durchzuführen, endlich einmal reden muss.

Wir sind verpflichtet, endlich einmal darüber zu sprechen. Es muss doch jedem klar sein, dass, wenn man über Kinder, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, über den Ausbau von Ganztagsschulen spricht, alle Partner – alle Partner! – gleichberechtigt am Tisch zu sitzen haben. Welcher Partner ist nicht gleichberechtigt am Tisch geses­sen? – Die Gemeinden! Wenn ich mir die Aussagen von Herrn Gemeindeverbandsprä­sidenten Mödlhammer in den Gemeindezeitungen, beim Städtebund und so weiter an­schaue, dann lese ich andere Sachen heraus. Er sagt, stopp, die Gemeinden seien nicht mehr in der Lage, zusätzliche Mittel aufzubringen. Es wird Gunstgemeinden ge­ben, aber im Schnitt sind die Gemeinden nicht mehr in der Lage, zusätzliche Mittel auf­zubringen.

Und noch einmal: Das war auch der Grund dafür, dass die im letzten Jahr zur Ver­fügung gestellten Mittel nicht abgeholt werden konnten.

Unterm Strich: Engagement des Bundes – großzügig, das muss man einmal feststel­len. Wir wollen wirklich die Wahlfreiheit, die derzeit nicht gegeben ist, nur damit das noch einmal festgehalten und festgestellt ist. Die Länder sind finanziell überhaupt nicht oder zumindest viel zu wenig eingebunden. Und der dritte Partner, die Gemeinden, sind nicht gleichberechtigte Partner am Verhandlungstisch.

Deshalb bringe ich jetzt auch folgenden Antrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulerhaltungs­pflicht

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die zuständige Bundesministerin für Bildung und Frauen werden aufgefordert, ehestmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit dem Ziel, die Gemeinden von der Schulerhaltungspflicht zu entbinden.“

*****

Das ist ein schwieriges Unterfangen, das ist uns klar, aber diese Debatte ist zu füh­ren. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.43


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Hauser eingebrach­te Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hauser, Dr. Rosenkranz und weiterer Abgeordneter betreffend Schulerhaltungspflicht


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 115

eingebracht in der 37. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 10. Juli 2014 im Zuge der Behandlung von TOP 8, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungs­vorlage (199 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der bisherige Vereinba­rungen über den Ausbau ganztägiger Schulformen geändert werden (256 d.B.)

In der vorliegenden Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der bisherige Vereinba­rungen über den Ausbau ganztägiger Schulformen geändert werden (199 dB), stellt der Bund den Ländern für die entsprechenden Aufwendungen der jeweiligen Schulerhalter zum Ausbau der schulischen Tagesbetreuung jährlich Mittel zur Verfügung. Sowohl in der Regierungsvorlage als auch im diesbezüglichen „Leitfaden für Schulerhalter“ wer­den als Vertragspartner nur die Länder genannt. Tatsächlich sind aber die Schulerhal­ter, die am meisten davon betroffen sind, die Gemeinden. Diese tragen die größte fi­nanzielle Last im Pflichtschulbereich, sind aber budgetär bereits vielfach an der Grenze der Belastbarkeit angelangt.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die zuständige Bundesministerin für Bildung und Frauen werden aufgefordert, ehestmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit dem Ziel, die Gemeinden von der Schulerhaltungspflicht zu entbinden.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


14.44.00

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich staune, Herr Kollege Hauser, Ihr Entschließungsantrag schneidet sehr, sehr tief in die österrei­chische Realverfassung mit hinein. Sie wissen, was das bedeutet? – Das bedeutet, dass die Gemeinden künftig natürlich auch kein Mitspracherecht mehr haben. Ich wer­de mir anschauen, wie Sie und Ihre Kollegen darauf reagieren, wenn wir plötzlich die Schulen – das Liebkind vieler Gemeinden, zum Glück; leider gibt es in manchen Ge­meinden auch andere Zustände – komplett aus der Gemeindeverantwortung entlas­sen. Das schaue ich mir an, was Sie dann machen.

Sie können mit uns gerne darüber diskutieren, denn ich glaube auch, wir sollten neue Strukturen finden. Ich aber würde die Gemeinden in diesem Zusammenhang aus vie­lerlei Gründen eher stärker in die Verantwortung nehmen. Engagierte Bürgermeister beispielsweise würden eventuell Schulen, Sportflächen und so weiter während der Fe­rien offenhalten, wenn sie denn die alleinige Zuständigkeit hätten. Das ist derzeit bei Bundesschulen oder bei Landesschulen eben nicht der Fall, das wäre nur bei Gemein­deschulen möglich. (Abg. Walter Rosenkranz: Wenn die Gemeinden aber kein Geld haben! Engagierte Bürgermeister ohne Geld!) Natürlich sind wir für kreative Ideen durch­aus offen. Diskutieren wir das, denn derzeit ist die Situation unbefriedigend!

Das, was wir heute machen, ist nichts anderes als die Reparatur einer verpfuschten Regelung aus der Vergangenheit. Das zeigt sich schon allein daran, dass sehr, sehr viele Gelder von den Gemeinden nicht abgeholt werden konnten. Ich glaube, Kollege Hauser hat durchaus berechtigt auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die einzelne Bür­germeister hatten. Er hat darauf hingewiesen, dass es eben sehr schwierig ist, sich in diesem bürokratischen Dickicht zurechtzufinden. Daran ist das bisher gescheitert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 116

Wir stimmen dieser Reparatur zu, weil sie verhindert, dass Herr Spindelegger diese für die Schulen vorgesehenen 50 Millionen € für die Hypo Alpe-Adria kassiert. Darum stim­men wir zu, das ist für uns der wesentliche Punkt. (Beifall bei den Grünen.)

Nicht zustimmen werden wir aber dann, wenn wir erneut Regelungen schaffen, und diesbezüglich, Frau Ministerin, war Ihre Erklärung im Ausschuss für mich nicht befriedi­gend. Wie können Sie garantieren, dass das Geld künftig auch wirklich abgeholt wird?

Ich anerkenne, dass Schritte nach vorne gemacht worden sind, dass Sie versuchen, die Gemeinden in Zugzwang zu bringen. Das ist der richtige Schritt, da bin ich durch­aus bei Ihnen, aber das ist noch viel zu wenig. Wenn ich etwa von diesem Leitfaden höre, der den Bürgermeistern noch nicht einmal bekannt ist, dann habe ich auch große Bedenken, ob wir diesen Schritt auch tatsächlich setzen können.

Lassen Sie mich vielleicht noch ein paar Worte darüber verlieren, warum wir die Ganz­tagsschulen unbedingt ausbauen müssen. Für viele Schülerinnen und Schüler, gerade jetzt in den Ferien, für viele Lehrkräfte dürfte das nicht unbedingt eine Frohbotschaft sein, weil sie vom bestehenden Schulsystem ausgehen und sagen: Nein, nicht am Nachmittag auch noch diesen Stress! – Durchaus verständlich, das kann ich nachvoll­ziehen. Was wir daher tun müssen, ist, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, ein Gesamt­konzept, das eine Entlastung aller Beteiligten beinhaltet, denn Schule ist derzeit Stress, am stärksten leider für die Kinder. Daher müssen wir ein System entwickeln, das eben ganztägige Formen – Unterrichts-, Betreuungs-, Erholungsformen – in der Schule vor­sieht.

Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass das gar so neu nicht ist. Die meisten älteren Semester hier in diesem Hohen Haus haben noch erlebt, dass die Volksschule am Vor­mittag und am Nachmittag stattgefunden hat, außer Mittwoch und Samstag. Früher war das eigentlich selbstverständlich. Was wir natürlich nicht mehr wollen, ist diese Pause zu Mittag. Was wir wollen, ist eine Schule, in der sich Lehrerinnen und Lehrer mit den Kindern ganztags beschäftigen, eine Schule, in der man sich gemeinsam austauschen kann, in der man gemeinsam mittagessen kann, in der Lernen nicht darauf reduziert wird, wo es angeblich stattfindet, nämlich in diesen 50-Minuten-Einheiten, weil wir eben aus der Hirnforschung wissen, dass Lernen ein Prozess ist, der sich über längere Pha­sen abspielt.

Wir reden immer wieder von Schulen mit verschränktem Unterricht, also von Schulen, in denen sich Unterrichtsphasen mit Erholungsphasen und individuellen Lernphasen abwechseln. Was wir aber in Wirklichkeit bräuchten, wären Schulen, die von diesem starren Stundensystem wegkommen, Schulen, in denen man projektorientiert unter­richtet, Schulen, in denen Kinder forschend lernen und sich entwickeln können und nicht in der einen Stunde Physik- und in der anderen Geographie-Unterricht haben, weil das alles nichts miteinander zu tun hat. (Beifall bei den Grünen.)

Davon müssen wir wegkommen, denn Kinder haben ein Recht darauf, dass wir ihre Talente fördern. Wir dürfen nicht immer nur an jene Kinder denken, die zusätzlichen Unterstützungsbedarf haben, an Kinder mit Lernschwächen, denn ich kann Ihnen als Lehrer berichten, dass hochbegabte Kinder mindestens das gleich große Problem be­deuten, weil sie in diesem System zu wenig gefordert und zu wenig gefördert werden, das aber wollen.

Langer Rede kurzer Sinn, und ich glaube, auch den Beitrag des Kollegen Hauser könnte man auf diesen Punkt bringen: Wir brauchen mehr Verantwortung dort, wo sie hingehört, vor Ort, wir brauchen mehr Schulautonomie, wir müssen die Schulpartner an den Standorten in die Situation bringen, dass sie selbst entscheiden können.

Ich darf abschließend an eine Umfrage der Volkshilfe erinnern: In Österreich sind in­zwischen 55 Prozent für die verschränkte Ganztagsschule, 72 Prozent sind für flächen­deckende Sozialarbeit, allen ist klar, wir brauchen mehr Geld in den sogenannten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 117

Brennpunktschulen. – Gehen wir diese Probleme an, diskutieren wir das, machen wir eine Gesamtlösung! Dazu gehört aber an erster Stelle die Klarheit, dass wir Kinder nicht mehr im Alter von neuneinhalb Jahren trennen können, sondern dass wir eine ge­meinsame Schule aller mit individuellen Förderungsmöglichkeiten bis zum 14. Lebens­jahr der Kinder brauchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.50


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


14.51.05

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Frau Ministerin, wir werden bei dieser Vorlage, wie angekündigt, mitgehen, es ist sinnvoll. Wir sind für den Ausbau der ganztägigen Schulformen. Ich glaube, das ist eine wichti­ge Antwort auf den Wandel der Gesellschaft, Vereinbarkeit Familie/Beruf, aber auch ei­ne Chance, wie Kollege Walser auch geschildert hat, eine Chance, weitere Räume zu eröffnen für ein kindgerechteres Lernen als heute. Wir müssen einfach die Schule als System und als Riesendisziplinierungsmaschine, die sie heute immer noch ist, mit ei­ner Art militärischen Logik organisiert, in unsere heutige Zeit führen. Die nun vorlie­gende Vereinbarung ist ein kleiner Schritt, und daher steht für uns völlig außer Streit, dass es sinnvoll ist, da mitzugehen.

Der kleine Schritt soll in die Richtung eines großen gemeinsamen Bildes führen. Das wäre auch meine große Sehnsucht und, wie ich glaube, die Suchspannung ganz, ganz vieler Menschen in diesem Land, dass wir ein gemeinsames großes Bild schaffen, wo­hin die Reise für das österreichische Schulsystem geht. Ich glaube, wir haben es noch nicht ganz, dieses große gemeinsame Bild, aber es zeichnen sich erste Konturen ab, wo wir in Zukunft über sämtliche Fraktionen hinweg Gemeinsamkeiten finden können.

Sie kennen auch mein Lieblingsthema, nämlich jenes der Autonomie. Ich glaube, dass mehr Verantwortung und damit auch mehr Freiheit, Gestaltungsspielraum für die Schu­len vor Ort, für die konstruktiven Kräfte vor Ort tatsächlich der Schlüssel für einen Quantensprung sein könnten. Damit einhergehen würde natürlich auch, verpflichtend auf eine gemeinsame mittlere Reife, dass man die Trennung im Alter von neuneinhalb Jahren abschafft, weil sie obsolet ist. Keine Trennung in zwei Töpfchen, das halte ich für ganz wichtig. Und es gibt noch viele andere Schrauben, an denen man im Rahmen dieser Reform drehen kann.

Ich warte natürlich auf Ihr Autonomiepaket, das Sie angekündigt haben. Sie haben uns auch eingeladen, unsere Ideen einzubringen. Das werden wir in den nächsten Wochen machen, und dann schauen wir, was in den nächsten Monaten möglich ist.

Ein kleiner Schritt scheint mir auch die Änderung der Ferienordnung zu sein, ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, auch da müssen wir einfach im 21. Jahrhundert ankom­men. Die langen Sommerferien beispielsweise sind ein Relikt einer Agrargesellschaft. Ich bin ein Bergbauernbub, ich weiß, was ich im Sommer gemacht habe, nämlich heu­en, und das war auch sehr funktional für unsere Familien, die neun Wochen in den Bergen. Aber ich bin nicht die Mehrheit, glaube ich, meine Kindheit ist nicht die Norm, selbst geheut wird heute nicht mehr so wie vor 20 Jahren. Das ist mit den Maschinen in einigen Tagen ratzfatz erledigt.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend zeitgemäße Ferienrege­lung


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 118

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass das Schulzeitgesetz im Sinne einer zeitgemäßen Ferienregelung so rasch wie möglich geändert wird, wobei folgende fünf Maßnahmen jedenfalls zu berücksichtigen sind:

Kürzung der Sommerferien auf sieben Wochen;

Einführung von Herbstferien (eine Woche) rund um den 26. Oktober;

Die Winterferien sollen im Sinne einer besseren Planbarkeit immer volle Kalenderwo­chen umfassen;

Wegfall der ,zusätzlichen Feiertage‘ Oster- und Pfingstdienstag;

Schüler-/Elternautonome Tage statt schulautonome Tage.“

*****

Das ist unser Wunsch und auch ein Mosaikstein in diesem großen gemeinsamen Bild. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir jedes Mosaikteilchen, das wir jetzt setzen, so set­zen, dass wir dieses große gemeinsame Bild, das wir erahnen, damit auch bauen kön­nen. Das ist mir ganz wichtig, dass wir uns dieses Bild nicht verbauen, und unter dieser Prämisse halte ich eben auch kleine Schritte für gelungen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.55


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Klubobmann Strolz eingebrachte Entschlie­ßungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend zeitgemäße Ferienregelung

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 8 - Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (199 d.B.): Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der bisherige Vereinbarungen über den Ausbau ganztägiger Schulformen geändert werden (256 d.B)

Im europäischen Gesamtvergleich befinden sich Bildungssysteme, die vorrangig in Form von Halbtagsschulen organisiert sind, in einer Ausnahmeposition. Dies betrifft et­wa Österreich und Deutschland. Für den Bildungserfolg erschwerend hinzu kommt in Österreich die antiquierte Ferienordnung, die sich immer noch an einer Agrargesell­schaft orientiert und entsprechend die Erntezeiten berücksichtigt, die für Schülerinnen und Schüler längst keine Relevanz mehr haben.

Wenn man das Bundesgesetz über die Unterrichtszeit an den im Schulorganisations­gesetz geregelten Schularten (Schulzeitgesetz 1985) einmal entwirrt hat, so kommt man auf folgende derzeitige Ferienregelung:

Eine Woche Semesterferien, gefolgt von zehn Tage Osterferien (zwischen den Semes­terferien und dem Palmsonntags-Wochenende liegen nicht einmal sechs Wochen Un­terricht), dann folgen Staatsfeiertag (1. Mai), Christi Himmelfahrt (9. Mai), Pfingsten (18. bis 21. Mai) und Fronleichnam (30. Mai) - das macht insgesamt 26 Ferientage von Februar bis Ende Juni, die schulautonomen Tage (vier an Volks- und Hauptschulen,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 119

fünf Tage an weiterführenden Schulen pro Jahr) noch gar nicht inkludiert. Schließlich kommen zwei Monate Sommerferien (neun Wochen), dann zwei Wochen Weihnachts­ferien, Landesfeiertage, 2. November.

Von 365 Tagen ist in Österreich nur an 185 Tagen Schule. Der Lernstoff verteilt sich bedingt durch Zeiten, in denen praktisch nicht unterrichtet, sondern nur beaufsichtigt wird, noch ungünstiger: nach Schulstart durch mangelnde Stundenpläne, vor Schul­ende nach der Notenkonferenz, vor den Ferien, usw.

Zahlreiche Länder haben deutlich kürzere Ferien als Österreich: Spitzenreiter ist Süd­korea mit 204 Schultagen. PISA-Musterschüler Finnland hat an 187 Tagen im Jahr Un­terricht. Weniger Schultage als Österreich haben vor allem südeuropäische Länder.

Internationaler Vergleich der Schultage: Südkorea 204, Dänemark und Mexiko 200, Australien 198, Finnland 187, Österreich 185, Spanien 176, Portugal 172, Italien 167.

Bildungsexperte und Buchautor ("Nie mehr Schule") Andreas Salcher ärgert sich: "Je­der zweite Tag des Jahres ist bereits unterrichtsfrei. Die Lehrer und Schüler gehen eben nicht gern in die Schule. Das muss sich ändern!" In den verbleibenden Unter­richtszeiten sei der Stress für die Schüler_innen viel zu groß, ist Salcher überzeugt.

Für die Eltern ist die Situation ebenfalls belastend. Sie sind gefordert, weil die Schü­ler_innen nur mit vielen Hausübungen oder mit privater Nachhilfe das Lernziel errei­chen. Und sie müssen für Ferienzeiten aufgrund beruflicher Unvereinbarkeit oftmals ei­ne kostspielige Kinderbetreuung organisieren. Die Kosten für zugekaufte Betreuung der Ferienzeit belastet Familien zunehmend, vor allem Alleinerziehende.

Es braucht dringend ein moderneres, den Bedürfnissen der Schüler_innen und Eltern angepasstes Schulzeitgesetz, deshalb stellen die unterfertigten Abgeordneten folgen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass das Schulzeitgesetz im Sinne einer zeitgemäßen Ferienregelung so rasch wie möglich geändert wird, wobei folgende fünf Maßnahmen jedenfalls zu berücksichtigen sind:

Kürzung der Sommerferien auf sieben Wochen;

Einführung von Herbstferien (eine Woche) rund um den 26. Oktober;

Die Winterferien sollen im Sinne einer besseren Planbarkeit immer volle Kalenderwo­chen umfassen;

Wegfall der „zusätzlichen Feiertage“ Oster- und Pfingstdienstag;

Schüler-/Elternautonome Tage statt schulautonome Tage.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Bundesministerin Heinisch-Ho­sek. – Bitte.

 


14.55.26

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Ich möchte mich aus gegebenem Anlass schon vorweg bedanken, weil alle Redner/Rednerinnen, die sich jetzt in dieser wichtigen pädagogischen Debatte


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 120

zu Wort gemeldet haben, die ganztägigen Schulformen und deren Vorteile für unsere Schülerinnen und Schüler – zum Besten gegeben, wollte ich gerade sagen – themati­siert haben. Es ist, glaube ich, wichtig, diese Debatte in einem Ganzen, das noch kein großes Ganzes ist, aber aus vielen Teilen besteht, zu sehen, als eine Debatte, in der wir uns schrittweise annähern können. Auch die Unterstützung dieser Maßnahme, die­ser Verschiebung von 50 Millionen €, damit das heuer vorgegebene Sparziel erreicht werden kann, ist mit ein Grund, dass diese Debatte jetzt so positiv ist, egal, ob die Wahlmöglichkeiten noch eingeschränkt sind oder für die meisten Familien schon zur Gänze gegeben sind. Das ist regional noch sehr unterschiedlich, das ist richtig.

Ich weiß, dass ein aufgabenorientierter Finanzausgleich Thema nicht nur beim Ge­meindetag, sondern auch auf dem Städtetag war. Das verlangt, die nächsten Finanz­ausgleichsverhandlungen 2016 in eine Richtung zu bringen, dass alle etwas davon haben. Die Belastung der Gemeinden auf der einen Seite sind mir sehr wohl bewusst, aber dass der Bund nicht zur Gänze die Kosten übernehmen kann, wird auch jedem und jeder hier klar sein. Die Anstoßfinanzierung in einer sehr beachtlichen Höhe wurde ja von allen, die sich dazu geäußert haben, wohlwollend zur Kenntnis genommen und artikuliert.

Daher bleibt mir nur ein großes Dankeschön für das Verständnis der Verschiebung der 50 Millionen für heuer, aber auch mein großes Entgegenkommen und Bekenntnis da­zu, dass die Eigenverantwortung am Standort gestärkt werden wird, weil es notwendig ist, auch indexbasierte Ressourcenverteilung miteinzubeziehen und zu schauen, wel­cher Standort, welche Region, welcher Stadtteil mehr und welcher vielleicht ein biss­chen weniger braucht, damit für alle Kinder in diesem Land der Weg in eine gute und zukunftsweisende wie auch immer geartete Richtung, sei es Lehre, sei es weiterfüh­rende Schule, geebnet werden kann.

Das wollte ich von meiner Seite noch zur Kenntnis gebracht haben. Ich freue mich auf die Bildungsreise im Oktober. Wir sind dabei, neue Wege zu gehen, von den Besten auch zu lernen. Es ist nicht alles eins zu eins übertragbar auf Österreich, das ist keine Frage, aber gute Beispiele mitzunehmen, um gemeinsam nächste Schritte zu setzen, ist unser aller Ansinnen – und dafür ein großes Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Frau Bundesministerin.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


14.58.38

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Wir haben vorhin von der Frau Ministerin gehört, dass es bei dieser Abänderung der Artikel-15a-Vereinbarung um die Verschiebung der Mittel in der Höhe von 50 Millionen € geht, die eben von den Ländern in den Jahren 2011 und 2012 nicht abgeholt worden sind.

Wesentlich dabei ist, dass der Bund Mittel zur Verfügung stellt, welche sowohl für Per­sonalkosten im Freizeitbereich als auch für infrastrukturelle Maßnahmen im Zusam­menhang mit der schulischen Tagesbetreuung zu verwenden sind. Das ist wichtig und richtig, denn kein Kind darf oder soll auf der Strecke bleiben. Vor allem die Qualitäts­verbesserungen bei der Infrastruktur sollen auch dazu beitragen, dass unsere Schü­lerinnen und Schüler sich in der Schule wohlfühlen und auch gerne hingehen. Ich spre­che da vor allem die Schaffung beziehungsweise die Adaptierung von Gruppenräu-
men, von Spielplätzen und ähnlichen Außenanlagen, die Anschaffung von Einrichtungs­gegenständen, aber auch die Schaffung beziehungsweise Adaptierung von Küchen und Speisesälen an. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 121

Äußerst begrüßenswert finde ich, dass der Ausbau ganztägiger Schulformen massiv vorangetrieben wird und dass die Bundesregierung in den nächsten Jahren, wie ge­plant, zusätzlich 400 Millionen € investiert. Festzuhalten ist auch, dass gerade in die­sem Bereich kein Cent eingespart wird.

Der Bedarf an Betreuungsplätzen ist hoch. Dem wird aber entsprechend Rechnung ge­tragen, und die Eltern brauchen sich auch in Zukunft keine Sorgen zu machen um die Betreuung ihrer Kinder, da von der Politik sehr wohl die entsprechenden Rahmenbe­dingungen dafür geschaffen werden.

Persönlich würde es mich noch freuen, wenn es zukünftig mehr Klassen mit ver­schränktem Unterricht geben und diese Form eine breite Akzeptanz finden würde, denn zurzeit sind nur ein geringer Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler in Klas­sen mit verschränktem Unterricht.

Ich komme zum Schluss noch ganz kurz zu Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Walser. Ich glaube, dass wir sehr wohl auf einer Linie sind. Ich bin mir auch als Pädagogin si­cher, dass wir da noch eine Gesamtlösung brauchen. Ich bin mir aber auch sicher, dass das Ganze noch auszubauen ist, und wenn wir gemeinsam unsere Kräfte bün­deln, werden wir sicher eine akzeptable Lösung für unsere Schülerinnen und Schüler, aber auch für unsere Pädagoginnen und Pädagogen finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Gusenbauer-Jäger. – Bitte.

 


15.01.35

Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Vorab möchte ich einmal sagen, dass es mich freut, dass es eine Zustimmung aller Fraktionen gibt. Das zeigt mir einfach, dass es einen vernünf­tigen Zugang hier im Haus zur Zukunft unserer Kinder und zum Thema Bildung gibt.

Mittel, aus vielen Gründen heute und hier schon diskutiert, die eben von den Ländern nicht abgeholt worden sind, werden durch diesen Antrag der Ganztagesbetreuung zu­geführt. Als Bürgermeisterin – Herr Hauser, auch ich bin Bürgermeisterin – freut mich besonders die Tatsache, dass diese Mittel auch für die Infrastruktur eingesetzt werden können, denn dort brauchen wir sie tatsächlich auch. Die Gemeinden haben, wie schon erwähnt, natürlich nicht alles zur Verfügung, was sie da einsetzen und investieren möchten. Aber ich bin froh über diese Mittel, die wir nun zur Verfügung gestellt bekom­men.

Es ist mir auch als langjähriger Pädagogin und, wie schon erwähnt, als Bürgermeisterin ein Anliegen, den Kindern in der Schule ein Wohlgefühl zu geben. Wie wir alle wissen, hat die Umgebung, in der wir uns befinden, großen Einfluss darauf, wie wir unsere Ta­lente ausschöpfen können. Die Umgebung beeinflusst uns sehr. Das heißt also, dass wir den Kindern einen adäquaten und positiven Lernraum geben sollen, der sie positiv beeinflusst. Wir, die Politik, die Pädagogen und auch die Eltern, müssen dafür Sorge tragen, dass wir in einer ordentlichen Lernumgebung den Kindern das Lernen ermögli­chen und ihre Neugierde und ihre individuelle Entfaltung fördern, denn dem müssen wir Raum geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist also eine begrüßenswerte Maßnahme, die wir mit diesem Antrag setzen. Die Än­derung der Vereinbarung bedeutet sinnvolle Flexibilität in einem essenziell wichtigen Bereich, nämlich jenem der Zukunft unserer Kinder. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 122

15.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Holzinger. – Bitte.

 


15.03.57

Abgeordnete Daniela Holzinger, BA (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Besuche­rInnen auf der Galerie! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger, die via Fernsehen oder Internet dabei sind! Sehr geehrte KollegInnen! Sehr geehrte Frau Minister! Die vorlie­gende Regierungsvorlage zur Novelle der Vereinbarung mit den Ländern über den Ausbau ganztägiger Schulformen sieht vor, dass die vom Bund zur Verfügung gestell­ten Mittel, die in den letzten Jahren von den Ländern nicht im vollen Umfang ausge­nutzt worden sind, selbstverständlich zweckgebunden, bis spätestens Ende des Unter­richtsjahres 2018/2019 übertragen werden sollen.

Hinsichtlich dieser nicht ausgeschöpften Beiträge soll somit eine Verschiebung der für die Jahre 2014 und 2015 vorgesehenen Auszahlungen in die Jahre 2017 und 2018 er­folgen. Warum? – Um die Sparvorgaben des Finanzministers, die leider unverständli­cherweise auch vor dem wichtigen Bereich Bildung nicht Halt gemacht haben, für 2014 erfüllen zu können.

Die Gesamthöhe des vom Bund den Ländern zur Verfügung gestellten Beitrages bleibt aber in voller Höhe erhalten, und so können bis zum Jahr 2018 rund 400 Millionen € zusätzliche Offensivmittel in den Ausbau der Ganztagsschulen investiert werden. Das konnte durch den Einsatz unserer Bildungsministerin erreicht werden. – Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Sorge der Opposition, die im Ausschuss und jetzt auch vom Kollegen Walser er­wähnt worden ist, dass die Mittel, die verschoben worden sind, nach 2017 und 2018 womöglich im Budget nicht ausreichend zur Verfügung stehen werden, wurde ebenfalls im Ausschuss diskutiert und auch entkräftet, weil ja der Bundesfinanzrahmen bis 2018 beschlossen worden ist und somit praktisch die Gelder gesichert sind.

Weshalb ist das so wichtig für uns, der Ausbau der Ganztagsschulen? – Ziel der Aus­bauoffensive ist es allgemein, bis zum Ende des Unterrichtsjahres 2018/19 über 200 000 Plätze im Bereich schulischer Tagesbetreuung zur Verfügung stellen zu kön­nen; denn in einer zunehmend heterogenen Gesellschaft und in Zeiten, in denen oft­mals beide Eltern einer Beschäftigung nachgehen, entsprechen qualitativ hochwertige und flexible ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote den heutigen Bedürfnissen und Ansprüchen, die diese Eltern an eine moderne Infrastruktur im Bildungsbereich stellen.

Zum Kollegen Hauser: Zusätzlich nimmt auch das Interesse der Bürgermeister zu – wie man vor Kurzem im „Standard“ lesen konnte –, weil sich die Ganztagsschulen als Standortfaktor für Betriebsansiedelungen herausgestellt haben. Es ist also nicht nur eine Frage der Mittel, die eventuell nicht zur Verfügung stehen, sondern eine Frage des politischen Willens, denn dann kommen die Mittel ganz alleine in Form von Kom­munalsteuereinnahmen.

Es freut mich, dass im Ausschuss die Regierungsvorlage einstimmig angenommen worden ist, und ich ersuche auch jetzt um ein starkes Signal zur wichtigen Ausbauof­fensive, die wir hiermit setzen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


15.07.01

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich muss mich zu Wort melden, weil hier ein Entschließungsantrag der NEOS vorliegt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es geht zwar an sich um die Nachmittags-, um die Ganz­tagsbetreuung, eine Artikel-15a-Vereinbarung, aber der Entschließungsantrag hat mit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 123

der Reform der Ferienregelung zu tun. Also ich muss dem Präsidium das Kompliment ausdrücken, dass hier äußerste Großzügigkeit hinsichtlich der Zulassung des Themas gewährt wird.

Es ist ein wichtiges Thema, und wir stehen ja am Beginn der Ferien – an dieser Stelle an alle Schülerinnen und Schüler: Schöne und erholsame Ferien!

Aber ich muss zum Inhalt, nämlich zu unserer Ablehnung etwas sagen. Wir haben uns im Ausschuss darauf verständigt, aus unserer Sicht, dass wir für Änderungen in der Ferienregelung zu haben sind, weil es tatsächlich so ist, dass diese langen Sommer­ferien Eltern, vor allem von kleineren Kindern, vor große Probleme stellen, wie sie das handhaben und organisieren sollen, ohne eine teure Ferienbetreuung und Ähnliches.

Jetzt ist dieser Entschließungsantrag sehr detailliert gefasst. Der erste Punkt lautet: „Kürzung der Sommerferien auf sieben Wochen“ – für alle Schüler.

Das kann ich mir in einer Volksschule auch aus pädagogischen Gründen durchaus sinnvoll vorstellen, aber bitte, liebe NEOS, was machen wir denn mit den HTL-Schü­lern, die einen Monat in den Sommerferien auf Praxis gehen müssen? Was machen wir mit den Schülern und Schülerinnen – damit es auch für Sie besser hinuntergeht –, die in einer Fremdenverkehrsschule sind, die bis zu zwei Monate Praxis machen müs­sen in einem Jahr? Zwar beginnen dort bereits im Juni die offiziellen Ferien, aber der Antrag ist trotzdem einfach nicht durchdacht.

Es muss einfach eine Ferienregelung geben, die die Bedürfnisse der Eltern berücksich­tigt, logischerweise, aber in erster Linie müssen wir die Bedürfnisse der Schulkinder in pädagogischer Hinsicht im Auge haben. Da gibt es durchaus ernst zu nehmende Stu­dien dazu, wie es zu machen ist.

Über alle anderen Dinge kann man sehr wohl sprechen, also zum Beispiel über – unter Anführungszeichen – „Oster- und Pfingst-Dienstage“. Selbst Kardinal Schönborn hat gesagt, aus kirchlicher Hinsicht ist für diese Tage keine Notwendigkeit gegeben. Das heißt, da gibt es sehr viele Punkte, wo man seriös diskutieren kann, aber einem An­trag, der derartig präzise und genau sagt, es muss jedenfalls eine Kürzung der Som­merferien auf sieben Wochen berücksichtigt werden, dem kann man aus sachlichen Gründen in diesem Punkt schon alleine nicht zustimmen – wiewohl wir der Meinung wären, dass die Ferienregelung sehr wohl anders und zeitgemäßer gemacht werden muss.

Die Begründung alleine, zu sagen, wir sind jetzt keine Agrargesellschaft mehr und da­her muss die Erntezeit für die Kinder nicht mehr zur Verfügung stehen, also die Kinder brauchen im Sommer nicht mehr mit Sense und Sichel am Feld zu sein, ist zu wenig. Das mag zwar entwicklungshistorisch richtig sein, aber der einzige Punkt ist es nicht. Es geht darum, dass eigentlich auch berufstätige Eltern Schwierigkeiten haben, die Kinderbetreuung während der langen Sommerferien sicherzustellen. Der Tourismus sagt zum Beispiel: Ja, Herbstferien wären etwas Sinnvolles.

Eine andere Frage ist, was die „Winterferien“ sind. Hier heißt es: „Die Winterferien sol­len im Sinne einer besseren Planbarkeit immer volle Kalenderwochen umfassen.“ – Ich kenne die Weihnachtsferien und die Semesterferien. Was sind jetzt die Winterferien? Semesterferien sind immer eine ganze Woche, und die Weihnachtsferien richten sich halt in Österreich – und ich hoffe, es bleibt auch so – danach, dass Weihnachten eben immer an einem 24. Dezember ist. Da kann man nicht sagen, welcher Wochentag das jetzt sein muss.

Das heißt, da sind Unwägbarkeiten drinnen, die es bedauerlich machen, dass einem sinnvollen Anliegen in einem Entschließungsantrag von uns nicht zugestimmt werden kann. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Grossmann.)

15.10



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 124

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


15.11.01

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Frau Ministerin! Herr Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Das ist jetzt wirklich ein bisschen in eine andere Richtung gelaufen. Ich glaube auch, dass die Schulzeitregelung geändert gehört. Da ist auch die Frau Mi­nisterin sehr offen für alle Änderungen, die auch pädagogisch sinnvoll und wertvoll sind. Die Bremsklötze liegen, das werden wir dann feststellen, dort im Bereich der El­ternschaft und zum Teil der Schülerschaft, nicht so sehr bei der Verwaltung oder bei uns selber. Da müssen wir uns zusammenraufen, aber möglichst auch alle einbinden.

Zum Zweiten: Zum Thema, der Kollege Hauser ist da. Sie wissen ja, was der Finanz­ausgleich ist, Sie wissen auch, welchen Teil des Finanzausgleiches Sie für diesen Be­reich bekommen, als Gemeinde. – Nur damit das klargestellt ist, auch dass Sie be­stimmte Verantwortungen haben. Es geht um einen Teil der Gelder, der jetzt übrig ist.

Das ist ein Kompliment, das ich dem Ministerium und der Beamtenschaft im Ministe­rium aussprechen muss, nämlich weil wir hier endlich eine 15a-Vereinbarung geschaf­fen haben, wo nicht die Länder Gelder einfach einsetzen können. Ich erlebe das jetzt als Rechnungshofsprecher: Das ist im Pflegebereich so, es ist im Gesundheitsbereich so, es ist im Sicherheitsbereich so, dass einfach Gelder zur Verfügung gestellt werden, aber es ist nicht mehr nachvollziehbar, wie sie tatsächlich eingesetzt werden. Das heißt, das, was wir wollen, wenn wir den Ländern und Gemeinden Geld zur Verfügung stellen, kommt dann nicht zielgerichtet an.

Und diese 15a-Vereinbarung hat ziemlich eng gefasste Eckdaten, damit man nicht das Geld einfach für bereits bestehende Einrichtungen hernehmen kann, sondern tatsäch­lich neue Einrichtungen schaffen muss. Das soll im wahrsten Sinne des Worte eine An­schubfinanzierung sein. Ich bedaure es auch, dass das Geld nicht abgerufen wurde, aber es ist für mich durchaus verständlich, dass es nicht so ist, weil es zielgerichtet ein­gesetzt werden muss. Mir ist lieber, es werden bestimmte Gelder nicht eingesetzt, als sie werden falsch oder zum falschen Zweck eingesetzt.

Daher glaube ich, es ist richtig und gut, dass Sie diesen Weg gewählt haben, Ihren Bei­trag zur Budgetsanierung zu leisten, und die Gelder sind nicht verloren.

Ein wichtiger Aspekt ist, das wurde von meinen Vorrednern schon sehr ausdrücklich und klar dargestellt, dass es unser Ziel ist und bleibt, dass kein Kind auf der Strecke bleiben soll! (Beifall bei der SPÖ.) Und dazu gehört auch eine entsprechende Ganz­tagsbetreuung.

Ich hätte mich am Morgen schon gerne eingemischt in die Debatte über die Kleinkind­betreuung, denn tatsächlich ist der Hauptschlüssel, wenn wir für die Zukunft das Beste tun wollen, die Frühförderung zu verbessern. Dort ist der Schlüssel, auch für Kinder, die aus sozial schwächeren Familien kommen. Dort beginnt die Ungleichheit. Dort la­den sie jenen Rucksack auf, den sie in unserem Schulsystem nicht mehr abladen können. Den ziehen sie mit, genauso wie diese Nachteile, die sie als Junge, als kleine Kinder haben, weil sie diese Förderung nicht bekommen haben.

Daher ist es für uns entscheidend – ich hoffe für uns alle, aber ganz besonders für uns Sozialdemokraten –, die beste Frühförderung möglichst allen, den Kleinsten der Kleins­ten, egal, wie dick die Geldtasche der Eltern ist, zukommen zu lassen. Das ist der ent­scheidende Schritt, und daher müssen wir das auch, glaube ich, möglichst alle gemein­sam unterstützen. Es freut mich, dass das auch gemeinsam getragen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es kommt auch dazu, weil das immer wieder gesagt wird – der Kollege Hauser hat schon recht, und ich teile viele Ansichten, auch von Vertretern der freiheitlichen Frak-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 125

tion –, dass auch wir der Meinung sind, dort, wo die Eltern die Möglichkeit haben, sel­ber für eine optimale Betreuung ihrer Kinder zu sorgen, sollen sie es auch tun können. Aber bei all jenen, die das nicht haben oder, ich sage nur eines dazu, die es auch nicht können – ich sage Ihnen, die es auch nicht können, das sage ich als langjähriger Leh­rer und auch als Vater, der aus einer entsprechenden Gegend kommt und weiß, wovon er spricht –, da bleiben Kinder mit den gleichen Talenten auf der Strecke, nur weil sie nicht dieselben Voraussetzungen von zu Hause aus haben.

Da können wir einen Beitrag leisten, dass diese Talente nicht verloren gehen. Und da­zu zählt eben auch eine gute Frühförderung, eine Ganztagsbetreuung an einer Schule. Diese Möglichkeiten müssen wir schaffen, dass diese Förderung qualitätsvoll und best­möglich ist.

Zum Schluss vielleicht noch ein Satz, den zu sagen mir nicht unwichtig ist – besonders an die Kollegen von der ÖVP gerichtet –: Ich komme aus einem Bundesland, und auch im Nachbarbundesland ist das so, das sich vehement für die gemeinsame Schule ein­setzt. Wissen Sie, wenn man sparen will und trotzdem das Beste für die Schule he­rausholen, dann gibt es eine Möglichkeit: Schauen wir, dass es nicht mehr für die 10- bis 14-Jährigen drei verschiedene Schulen gibt – die Sonderschule, die Neue Mittel­schule oder Hauptschule oder die AHS-Unterstufe. Jede hat eigene Inspektoren – für Religion, für Turnen, für Pflichtschulen, für AHS, für alles Mögliche –, auch eigene Ver­waltungsebenen bis hinauf zum Ministerium.

Wenn wir es schaffen, diese Gelder, die hier weit verstreut sind, auf Bund und Länder und Gemeinden verteilt, in eine gemeinsame Schule, die die Talente der Schüler för­dert, der begabten wie auch jener, die eine Förderung brauchen, zu investieren, dann haben wir ein effizientes Schulsystem, wir haben die beste Bildung für unsere Kinder, die wir brauchen. Und das ist nun einmal die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jäh­rigen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


15.16.18

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich habe mich noch einmal wegen des Entschließungsantrages der NEOS, des Kollegen Strolz zu Wort gemeldet. Es freut mich jetzt aber, nach der Rede des Kolle­gen Mayer noch einmal ans Pult gehen zu können, um mich zu bedanken. Seit vielen, vielen Jahren haben wir Grüne das Motto: Kein Kind zurücklassen! Die Sozialdemo­kraten haben das jetzt ein bisschen modifiziert: Kein Kind darf auf der Strecke blei­ben! – Ist uns auch recht, Herr Kollege. Setzen wir es um, machen wir Maßnahmen, machen wir die große Schulreform! Da brauchen wir Sie, da brauchen wir aber na­türlich vor allem auch Sie von der ÖVP. Wir wären jedenfalls gerne mit dabei.

Jetzt aber zum Antrag der NEOS: Ich meine, so ruck zuck geht das bitte nicht! Wir können nicht einem Entschließungsantrag zustimmen, der radikal in die jetzige Rege­lung hineingreift, der überhaupt nicht berücksichtigt, welche Folgewirkungen das hätte. Ich meine, Kollege Rosenkranz hat ja auf einiges schon hingewiesen, ich belasse es einmal beim letzten Punkt: „Schüler-/Elternautonome Tage statt schulautonome Tage.“

Das steht so da, ohne irgendeine weitere Erklärung. Das würde also bedeuten, jeder Schüler kann sich individuell aussuchen, wann er zu Hause bleiben möchte und wann nicht, wahrscheinlich fünf Tage im Jahr. – Ja, nicht wenige werden vielleicht Schular­beitentage dafür vorsehen, um zu Hause zu bleiben. Das, glaube ich, ist kein Schritt, wie wir unser Schulsystem weiterentwickeln. Ich glaube, dazu brauchen wir eine gründ­liche Diskussion.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 126

Die SchülerInnen sind jetzt in den Ferien, diese Diskussion muss geführt werden. Die jetzige Ferienregelung stammt in den Grundzügen aus der Zeit Maria Theresias, ist über 250 Jahre alt. Also da haben wir Handlungsbedarf, aber bitte machen wir das nach pädagogischen Gesichtspunkten, nach einer gründlichen Diskussion und überle­gen wir uns alle Verzweigungen und Verästelungen, in die diese veränderte Ferienre­gelung dann eingreift! So, wie das vorliegt, können wir dem leider nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.18

15.18.20

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG in 199 der Bei­lagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulerhaltungspflicht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend zeitgemäße Ferienregelung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

15.19.479. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (180 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Exekutionsordnung, das Vollzugsgebührengesetz, das Rechts­pflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz und die Insolvenzordnung geändert werden (Exekutionsordnungs-Novelle 2014 – EO-Nov. 2014) (202 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bitte.

 


15.20.07

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Exekutionsordnung regelt das Zwangsvollstreckungsverfahren, also die zwangsweise Durchsetzung einer Verpflichtung, zum Beispiel gerichtliche Pfändungen.

Mit der vorliegenden Novelle der Exekutionsordnung ist ein weiterer Reformschritt auf dem Gebiet des Exekutionsrechts gelungen. Gleichzeitig werden das Vollzugsgebüh­rengesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz sowie die Insolvenz­ordnung geändert. Es ist eine Anpassung, die zum einen Anregungen aus der Praxis berücksichtigt, zum anderen aber auch die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Ich möchte in aller gebotenen Kürze die fünf wesentlichen Punkte dieser Novelle her­vorheben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 127

Zum einen stärken wir die Rechte prozessunfähiger Personen in Zwangsversteige­rungsverfahren. Ein Beispiel aus der bisherigen Exekutionsordnung: Wenn die Woh­nung eines prozessunfähigen Schuldners versteigert wurde, konnte der Zuschlag an­schließend nicht mehr angefochten werden. Im Hinblick auf das besondere Schutzbe­dürfnis prozessunfähiger Personen soll daher unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Wohnungserwerbers nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen die Aufhebung des Zuschlags erreicht werden können.

Zum Zweiten soll es im Verfahren über die Aufschiebung der Exekution rechtliches Ge­hör für den betreibenden Gläubiger geben, und auch das Rekursverfahren soll wieder zweiseitig gestaltet werden.

Zum Dritten bedeutet diese Novelle der Exekutionsordnung Verbesserungen bei Strei­tigkeiten über den Unterhalt von Kindern. Bei Streitigkeiten über exekutionsrechtliche Einwendungen gegen Unterhaltsansprüche oder gegen die Exekutionsbewilligung hat nach derzeitiger Rechtslage jenes Gericht zu entscheiden, bei dem die Exekution be­antragt wurde. Das Exekutionsgericht hat im sogenannten streitigen Verfahren durch einen Richterspruch zu entscheiden.

Da es in diesem Rahmen aber oft auch zu einer Neubemessung des Unterhalts kom­men kann, ist es zweckmäßiger, dass in Unterhaltssachen immer jenes Gericht über exekutionsrechtliche Einsprüche verhandelt und entscheidet, welches für das konkrete Verfahren zuständig ist. Das bedeutet, dass also künftig beim Kindesunterhalt im Ver­fahren außer Streitsachen durch einen Rechtspfleger entschieden wird. Damit wird auf jeden Fall der familienrechtliche Aspekt verstärkt in den Vordergrund gestellt.

Letztlich geht es auch um Änderungen beim Vollzugsgebührengesetz. Diese Änderung sieht konkret vor, dass einzelne Vergütungen der Gerichtsvollzieher geringfügig erhöht werden, und zwar deshalb, weil für die Gerichtsvollzieher diese Vergütungen ein Teil des Gehaltes sind und in den letzten Jahren nicht angepasst wurden, weshalb hier ei­ne Änderung notwendig war. Damit wird sicherlich auch die Qualität der Gerichtsvoll­zieher und der Arbeit der Gerichtsvollzieher gewährleistet.

Ausgeglichen werden diese Vergütungen durch die Erhöhung der Vollzugsgebühren. Gleichzeitig möchte ich aber auch betonen, dass es sich bei dieser Erhöhung um eine Indexanpassung handelt und die Erhöhung nicht darüber hinaus geht. Diese Gebühren sollen die jeweilige Leistung, eben das Eintreiben einer ausständigen Leistung decken, was sicherlich eine gute und faire Lösung ist.

Zum Fünften setzen wir Maßnahmen gegen unzulässige Bieterabsprachen bei Zwangs­versteigerungen. Das war konkret eine Anregung aus der Richterschaft. Es sollen un­zulässige Bieterabsprachen bei Zwangsversteigerungen durch diese neue Regelung beendet werden. Die Änderung sieht vor, dass künftig Richter eine Ordnungsstrafe in der Höhe von bis zu 10 000 € verhängen können, wenn es Vereinbarungen gibt, dass potenzielle Bieter zum Beispiel bei Versteigerungen nicht erscheinen oder im Vorhinein vereinbart wird, dass nur bis zu einem gewissen Betrag mitgesteigert wird.

Meine Damen und Herren! In Summe ist uns mit der Änderung der Exekutionsordnung ein wichtiger Reformschritt gelungen. Darüber hinaus freut es mich, dass diese Novelle breite Unterstützung findet. Das ist, denke ich, ein gutes Zeichen der Zusammenarbeit und vor allem im Justizbereich notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

15.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.24.25

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Leitmotiv dieser Exekutionsordnungs-Novelle war


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 128

es, die Effizienz der Forderungseintreibung und in bestimmten Bereichen auch den Rechtsschutz zu verbessern sowie zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Republik Österreich umzusetzen.

Wichtige Punkte hat ja mein Kollege Ofenauer schon im Überblick erläutert, und ich als Wohnbausprecherin meiner Partei möchte zwei Bereiche nochmals hervorheben, die mich besonders freuen: Einerseits, dass in Bezug auf die Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Zehentner gegen Öster­reich eine eindeutige Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention repa­riert wird. Da geht es eben um diese Versteigerungssache, die schon erwähnt wurde, dass künftig die verpflichtete Partei unter bestimmten Voraussetzungen auch den Zuschlag aufheben wird können, wenn eine Wohnung von prozessunfähigen Personen versteigert wird. – Ich denke, das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt, der hier repariert wird.

Bedeutsam aus der Perspektive meiner politischen Betätigung erscheinen mir auch die Maßnahmen gegen unzulässige Bieterabsprachen bei Liegenschaftsversteigerungen. Der Richter hat ja hier jetzt schon bestimmte Möglichkeiten: den Versteigerungstermin zu bestimmen, die Versteigerung zu leiten. Er ist befugt, unerlaubte Verabredungen, Einschüchterungen und so weiter hintanzuhalten. Aber es gibt eben auch Absprachen, die während der Versteigerung stattfinden, und es ist nicht zu unterschätzen, dass die­se Bieterabsprachen sich sehr oft auch als nachteilig für die Verpflichteten und für die Gläubiger darstellen.

Die bereits genannte Regelung, die in Zukunft gültig sein wird, sieht vor, dass Abspra­chen, die während der Versteigerung getroffen werden, ungültig sein sollen und dass es in Zukunft auch Ordnungsstrafen bis zu 10 000 € geben wird beziehungsweise dass solche möglich sein werden.

Ich denke, das ist eine sehr gute Novelle, die in sehr vielen Bereichen Verbesserungen bringen wird, und wir werden ihr sehr gerne zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Steinacker.)

15.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. – Bitte.

 


15.26.57

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon aufgezählt, was sich alles ändert. Das klingt immer alles sehr trocken, was wir hier beschließen. Ich möchte deshalb auch für die Zuseher an den Fernsehgeräten einmal den praktischen Anlassfall hinter solchen Entscheidungen schildern, damit klar ist, dass das, was so trocken klingt, oft ganz konkrete Auswirkungen hat.

Wir stärken heute die Rechte von prozessunfähigen Personen im Exekutionsverfahren. Was war der Anlassfall? – Der Anlassfall war eine Dame, die psychisch beeinträchtigt war, die krank war und Schulden hatte, und zwar Schulden in der Höhe von rund 7 000 € bei einem Installateur, und aus diesem Grund wurde ihre Wohnung versteigert und sie wurde zwangsgeräumt. Am Ende hat sich herausgestellt, dass diese Dame offensichtlich gar nicht mehr in der Lage war, ihre vermögensrechtlichen Angelegen­heiten zu ordnen, dass sie eigentlich eine Sachwalterin gebraucht hätte, aber diese Sachwalterin nicht bestellt wurde. Die Auswirkung für die Betroffene, die sich gar nicht „wehren“ konnte – unter Anführungszeichen –, war, dass sie ihre Wohnung verloren hat.

Diese Betroffene ist dann zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegangen, und dieser hat die Rechte der prozessunfähigen Personen dann dahin gehend ge-


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stärkt, dass er gesagt hat, diese Personen brauchen natürlich Rechte in einem Fall, in dem später zutage tritt, dass sie nicht in der Lage waren, ihre Rechtsgeschäfte zu be­sorgen.

Das setzt heute das Parlament um, indem es die Rechte dieser betroffenen Personen stärkt, indem eben jetzt klar ist: Wenn Personen prozessunfähig sind, dann können diese auch noch später im Exekutionsverfahren eine Aufschiebung erlangen und spä­ter eine Aufhebung des Zuschlags bei einer Zwangsversteigerung erreichen. – Klingt trocken, hat aber für die Betroffenen wichtige und praktische Auswirkungen.

Herr Minister! Die Beschäftigung mit dem Exekutionsverfahren war für mich aber auch ein Anlass, aus Interesse einmal zu schauen, wie viele Exekutionsverfahren es in Ös­terreich gibt, und ich war, ganz ehrlich, von der Zahl überrascht. Wenn wir von Forde­rungsexekutionen reden, waren es im Jahr 2013 681 000 – das sind etwas mehr als 3 000 Anträge auf Forderungsexekution pro Tag –, und wenn wir von der Fahrnisexe­kution ausgehen, dann waren es über 800 000 und fast 4 000 Anträge pro Tag.

Diese Zahl zeigt schon, dass offensichtlich in Österreich ein massives Verschuldungs­problem gegeben ist, und in dem Zusammenhang sollten wir uns gemeinsam wiede­rum – das ist schon lange diskutiert worden – auch die Regeln zum Privatkonkurs an­schauen, denn ein Scheitern, sei es in der Selbständigkeit oder – auch sehr häufig ein Grund für Überschuldung – im Zuge von Scheidungen sollte nicht bedeuten, dass das ein Ende des wirtschaftlichen Disponierens ist. Es sollte auch nach einem Scheitern einen Neustart geben.

Insofern wäre mein Vorschlag aus Anlass dieser Zahlen – das hat nichts mit dem Stammgesetzesantrag zu tun –, dass wir uns den Privatkonkurs anschauen und in die­sem Zusammenhang schon auch überlegen, wie wir Personen, die wirtschaftlich schei­tern, einen Neustart ermöglichen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Rei­singer. – Bitte.

 


15.30.28

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde es kurz machen, denn ich möchte dann wieder zur U-Ausschuss-Gruppe. Ich laufe hin und her. (Abg. Rädler: wenn Sie so hin- und herlaufen?) – Ja. Okay, wir reden nachher darüber.

Wir begrüßen die Novelle, weil wir wirklich der Meinung sind, dass sie Verbesserungen bringt: die Stärkung der Rechte prozessunfähiger Personen – Kollege Steinhauser hat schon darauf hingewiesen –, auch die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens und rechtli­ches Gehör im Aufschiebungsverfahren.

Kollege Steinhauser hat auch die Problematik mit den möglicherweise geschäftsunfähi­gen Personen im Exekutionsverfahren angesprochen. Ich habe das auch schon im Ausschuss erwähnt: Wir befürchten, dass hier eigentlich den Gerichten zu wenig Spiel­raum für Einzelfallabwägungen in Bezug auf die Aufhebung des Zuschlags der Ver­steigerung bei Geschäftsunfähigkeit zustehen wird, und haben auch betont, dass es möglicherweise schwierig ist, oder eigentlich unmöglich ist, den Beginn der Geschäfts­unfähigkeit zu klären. Daher ist unser Appell dahin gehend, dass beobachtet wird, ob es zu einer Verlagerung der Beurteilung der Geschäftsunfähigkeit in das Exekutions­verfahren kommt. – Das tut aber nichts zur Sache, darauf will ich nur hinweisen.

Was uns aber in der Novelle stört – und deshalb beantragen wir auch eine getrennte Abstimmung über diesen Teil der Regierungsvorlage –, ist die Erhöhung der Vollzugs-


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gebühren. Es ist zwar nachvollziehbar und ich kenne die Argumentation, dass die Ge­hälter der Gerichtsvollzieher, die seit zehn Jahren nicht valorisiert wurden, aus diesem Topf bezahlt werden, in den diese Vollzugsgebühren eingezahlt werden, ich möchte aber trotzdem zu bedenken geben, dass wir in Österreich ein Problem damit haben, dass generell durch zu hohe Gerichtsgebühren der Zugang zum Recht erschwert wird. Es geht darum, dass die Rechtsanwender, wenn sie Exekution üben wollen, eigentlich diese Mehrkosten tragen werden, und ich möchte einfach sagen, dass wir der Meinung sind, dass das nicht der gute und richtige Weg ist und auch nicht das richtige Signal, da ganz allgemein die Gerichtsgebühren einfach zu hoch sind. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

15.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


15.32.50

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich glaube, ich kann mich kurz halten. Das ist ja eine Konsensmaterie, und wir haben schon darüber gesprochen, dass es bedeutende Verbesserungen gibt. Wenn also pro­zessunfähige Parteien in der Vergangenheit bei Versteigerungen Probleme hatten, dann ist diese Situation schlicht und einfach nicht nachvollziehbar, und wir haben jetzt endlich eine entsprechende Änderung umgesetzt.

Wir diskutieren auch schon seit Längerem die Frage der Abfindung der Exekutions­beamten im Vollzug und wollen hier schon seit Längerem – Kollegin Wurm und Kollege Amon haben da auch schon mitgewirkt – eine Erhöhung durchsetzen, was aber bis dato gescheitert ist. Aber die Exekutionsbeamten haben sich nach zehn Jahren na­türlich eine Verbesserung verdient.

Wir haben dann den Herrn Justizminister darum ersucht, und er hat hier in einer sehr temperamentvollen Art und Weise aufgeräumt (Heiterkeit des Bundesministers Brand­stetter und bei Abgeordneten der SPÖ), das mit uns durchgesetzt, und dafür danke ich in einem besonderen Maße. Wir können sagen, nach zehn Jahren haben sich die Exe­kutionsbeamten das nicht nur verdient, sondern sie haben es auch bekommen – dank unser aller Mitwirkung, auch jener des Herrn Justizministers.

Ich danke herzlich und bin froh, dass das jetzt endlich durch ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Bundesminister Dr. Brandstetter hat sich zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.34.19

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Beim vorliegenden Gesetz­entwurf handelt es sich, wie wir festgestellt haben, um eine angenehm unstrittige Ma­terie. Ich bin meinen Vorrednerinnen und Vorrednern sehr dankbar dafür, dass sie es mir nun so einfach machen und ich mich sehr kurz fassen kann.

Es wurde alles Wesentliche schon hervorgehoben. Wir mussten hier einigen Entwick­lungen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung tragen. Die Rechte geistig beeinträchtigter Personen im Zwangsversteige­rungsverfahren mussten gestärkt werden, das tun wir mit dieser Novelle, und wir wer­den natürlich die praktische Entwicklung in diesem sensiblen Bereich sehr genau ver­folgen – das kann ich Ihnen, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, versichern; da wird es dann auch entsprechende Erfahrungsberichte geben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 131

Es sollten natürlich mit dieser Novelle auch die rechtsstaatlichen Anforderungen im Exekutionsverfahren insgesamt verbessert werden. Auch das ist, glaube ich, mit dieser Novelle gelungen. Dazu kommen die Verbesserungen im familienrechtlichen Bereich, insbesondere die Maßnahmen zur Konzentration von Unterhaltsstreitigkeiten, zur Er­leichterung der Vertretungstätigkeit des Kinder- und Jugendhilfeträgers und zur Imple­mentierung der europäischen Schutzanordnungen zwecks besserer Bekämpfung von Gewalt in der Familie.

Ja, und dann trägt dieser Entwurf – das ist ein Punkt, über den ich mich besonders ge­freut habe – praktischen Erfahrungen im Exekutionsverfahren Rechnung, vor allem aus dem Bereich der öffentlichen Versteigerungen. In Zukunft wird der Richter die Mög­lichkeit haben, Bieterabsprachen in der Zwangsversteigerung wirksam und effektiv zu unterbinden.

Gerade dieser Punkt – und deshalb möchte ich ihn besonders hervorheben – beruht auf einer praktischen Anregung eines äußerst engagierten jungen Bezirksrichters aus Hollabrunn. Das hat mir sehr imponiert. Er hat sich brieflich an mich gewandt, hat die Situation geschildert, mit Beispielen belegt und gleich einen Vorschlag unterbreitet, wie man das tatsächlich unterbinden könnte. Wir sind dem Vorschlag sehr gerne gefolgt. Das zeigt auch, dass es immer sehr schön ist, wenn man praktischen Anregungen von in der Praxis tätigen Richtern oder auch Staatsanwälten folgen und sie legistisch um­setzen kann. Das ist mir genauso wichtig wie, dass sich unsere legistischen Maßnah­men natürlich auch an den Erfordernissen der Praxis orientieren und sich davon nicht zu weit entfernen dürfen.

Letzter Punkt: die Vergütungen der Gerichtsvollzieher. Nun, die mussten jetzt nach zehn Jahren wirklich angepasst werden. Mir ist bewusst, die Gerichtsgebühren – das habe ich auch schon mehrfach betont – sind an einer Obergrenze angelangt. Wir tun, was wir können, um das eine oder andere auch an Entlastung zu verwirklichen. Hier dienen diese Anpassungen an die Inflation letztlich auch der Steigerung der Effizienz des Exekutionsverfahrens – und das ist auch notwendig, denn die Zahlen, die Herr Ab­geordneter Steinhauser genannt hat, sind eindrucksvoll genug. Es ist sehr, sehr viel an Arbeit, was da geleistet werden muss.

Bei der Gelegenheit, Herr Abgeordneter Steinhauser: Bei mir laufen Sie mit Anregun­gen zu einer Neuregelung des Privatkonkursverfahrens offene Türen ein. Es gibt schon Vorüberlegungen dazu. Wir wollen uns dem Thema im Herbst wirklich widmen. Ich hal­te das auch für einen ganz wichtigen Punkt, in dem wir künftig Veränderungen vorneh­men wollen.

Im Begutachtungsverfahren hat es eigentlich durchwegs Zustimmung gegeben, und alle Anregungen wurden so weit wie möglich auch berücksichtigt. Daher darf ich Sie um möglichst breite Unterstützung dieses Gesetzesvorhabens bitten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.38

15.38.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 180 der Beilagen.

Hiezu liegt ein von der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger eingebrachtes Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setzentwurfes abstimmen lassen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 132

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel 2 in der Fassung der Re­gierungsvorlage.

Ich bitte jene Abgeordneten, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür die Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

15.39.1210. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (181 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Suchtmittelgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Tilgungsgesetz 1972 und das Gebührenanspruchsge­setz geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014) (203 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


15.39.31

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute eine Reform der Strafprozessordnung. Es ist eine Vielzahl an Maßnahmen, die in diesem Gesetz vorgeschlagen werden. Man muss sozusagen, wenn man eine Bewertung dieser Gesetzesnovelle vornimmt, Schritt für Schritt die Vor­schläge durchgehen.

Der erste Punkt ist eine Dreijahresfrist für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Das Stichwort zu dieser Dreijahresfrist ist: „überlange Ermittlungsverfahren“ – wir kennen sie aus der Zeitung, ich zähle sie nicht alle auf.

Ich sage dazu, die Dreijahresfrist, Herr Minister, ist nicht falsch, aber sie ist ein biss­chen ein Placebo, weil sie an den Grundproblemen nichts ändern wird. Ohnedies en­den die meisten Verfahren oder werden zur Anklage gebracht vor der Dreijahresfrist. An die Dreijahresfrist kommen eigentlich ausschließlich jene Verfahren, die aufgrund der Komplexität einen erhöhten Arbeitsaufwand bei der Staatsanwaltschaft nach sich ziehen, aber genau bei diesen Verfahren ist es ja auch dann möglich, über die Dreijah­resfrist hinaus zu ermitteln. Insofern wird die Dreijahresfrist da auch nichts ändern.

Vor allem liegt das Grundproblem der langen Verfahrensdauer ja ganz woanders. Das Grundproblem liegt darin, dass die Verfahrensdauer dadurch entsteht, dass es ge­setzliche Vorgaben gibt, dass es Ressourcen gibt und dass ein einzelnes Verfahren ei­nen spezifischen Arbeitsaufwand nach sich zieht. Die Dreijahresfrist wird an diesen drei Parametern nichts ändern. Wenn wir also die Verfahrensdauer verkürzen wollen, dann müssten wir konkret bei jenen Bereichen ansetzen, die die Dauer der Verfahren in die Länge ziehen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 133

Was ist das? – Stichwort zum Beispiel Berichtspflicht: Die Staatsanwälte haben im Jahr 2013 an die 5 000 Berichte geschrieben. Das kostet Zeit. Das durchläuft zehn Stationen. Da weinen sich – ich möchte das jetzt nicht so sagen, das klingt respekt­los – die Staatsanwälte dann die Augen aus und sagen, ich muss berichten: zuerst an den Gruppenleiter, dann an den Leitenden Staatsanwalt, dann an den Sachbearbeiter der Oberstaatsanwaltschaft, dann an den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, dann an den Sachbearbeiter im Justizministerium, dann an den Abteilungsleiter, dann an den Sektionschef, dann ans Kabinett, und dann ist es als zehnte Station beim Minister. – Zeitverlust ohne Ende!

Oder zweiter Punkt: Wenn man der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ge­nauer zuhört: Was kostet Zeit? – Die Kontoöffnungen. Die wollen wissen, ob es ein Konto bei einer österreichischen Bank gibt, und dann beginnt der Spießrutenlauf: Zu­erst müssen sie bei den Bankverbänden fragen, davon gibt es fünf. Die haben ein Rechtsmittel dagegen, obwohl sie gar nicht unmittelbar betroffen sind, sondern mögli­cherweise derjenige, der Beschuldigter ist. Wenn die Bankverbände keinen Einspruch tätigen oder dieser abgewiesen wird, dann geht es noch an die 3 500 Banken, die ha­ben wieder ein Einspruchsrecht. Zeitverlust laut der Staatsanwaltschaft: im Schnitt sechs Monate bis ein Jahr. – Dort könnte man etwas tun, aber dazu findet man nichts.

Oder Ressourcenausstattung – wie schnell ein Protokoll geschrieben wird –: Das ver­ändert etwas an der Verfahrensdauer, aber nicht eine Dreijahresfrist.

Der zweiter Punkt, den das Gesetz beinhaltet, ist das Mandatsverfahren, in dem es in Zukunft ohne mündliche Verhandlung in bestimmten Fällen zu einer Verurteilung kommen kann. – Ja, das kann eine Verfahrensvereinfachung bringen. Ich sehe das aus zwei Gründen – ich sage das einmal so – skeptisch. Man muss erst beobachten, in welche Richtung sich das entwickelt.

Der erste Punkt ist, dass dieses Mandatsverfahren möglicherweise die Diversion, den Außergerichtlichen Tatausgleich ersetzt, weil man sagt, das geht schneller, als wenn ich mühsam eine Diversion durchführen muss, und es wäre schade, wenn dieses kons­truktive Mittel der Diversion dadurch in den Hintergrund gedrängt wird.

Der zweite Punkt ist: Ich möchte es vorsichtig formulieren, aber es schafft schon einen Raum, der möglicherweise Prozessabsprachen begünstigen könnte – ohne dass ich generell unterstellen will, dass es dann automatisch zu Prozessabsprachen kommt. Das muss man sich genau anschauen.

Der dritte Punkt ist ein oft diskutiertes Thema, das in der Novelle gestreift wird, sage ich, das ist die Frage des Pauschalkostenersatzes, wenn es einen Freispruch im Straf­verfahren gibt – Stichwort: Tierschützerprozess. Die werden ein Jahr lang auf die An­klagebank gesetzt und bekommen am Ende 1 250 €, wenn ich mich nicht irre. Das ist ein rechtsstaatlicher Skandal! Die Menschen werden finanziell ruiniert, weil sie nicht ar­beiten können, und bleiben auf den Prozesskosten sitzen.

Der Konsens des Herrn Ministers mit mir geht so weit, dass das rechtsstaatlich ein un­tragbarer Zustand ist. Nur, wenn wir das jetzt in der Novelle aufgreifen und sagen, dann bekommen die eben beim Einzelrichterverfahren statt 1 250 € 3 000 €, so ist das immer noch sehr weit weg von dem, was die Verteidigungskosten real ausmachen. Und in einem Rechtsstaat sollte Chancengleichheit vor Gericht herrschen und nicht am Ende derjenige, der den Prozess quasi gewonnen hat, der freigesprochen wird, finan­ziell ruiniert übrig bleiben. (Beifall bei den Grünen.) Dieser Gesetzesantrag beseitigt diesen rechtsstaatlichen Missstand so nicht.

Es sind aber auch andere Punkte drinnen, die ich sehr positiv beurteilen würde, wie das Abgehen vom Beschuldigtenbegriff vom ersten Moment des Strafverfahrens an; da heißt es in Zukunft „Verdächtiger“. Noch besser würde mir „Angezeigter“ gefallen, denn


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„Verdächtiger“, „Beschuldigter“, das ist, glaube ich, im Umgangssprachlichen immer noch sehr nahe bei dem, was man eigentlich verhindern will, nämlich dass man sofort in einen bestimmten Geruch kommt, dass man per se vorverurteilt ist.

Ein weiterer Punkt, der sehr gut ist, ist die Informationspflicht für Beschuldigte bei Ein­stellung. – Ich glaube, es ist sehr angenehm, dass die Betroffenen erfahren, dass et­was strafrechtlich ausgestanden ist.

Auch sehr positiv ist, dass beim Außergerichtlichen Tatausgleich die Möglichkeit zum vorläufigen Rücktritt besteht. Das ist eine Verfahrensvereinfachung, die positiv ist. Das ist sozusagen vielleicht wieder ein bisschen das Gegengewicht, das diversionelle Maß­nahmen begünstigt.

Der zweite Berufsrichter im Schöffenverfahren und damit die Rücknahme einer fal­schen und schlechten Reform von vor ein paar Jahren ist auch positiv.

Herr Minister, ich würde es so formulieren: Das Glas ist halb voll. Da muss dann die Opposition immer entscheiden, was man macht. Die Grünen werden dagegen stimmen aus dem einfachen Grund – ich habe es Ihnen schon im Ausschuss gesagt –, dass diese Novelle in einem Tempo durchgezogen wird, die auch für den Rechtsstaat und für jene, die das kritisch beobachten, nicht gut ist. Ich glaube, die Begutachtungsfrist hat zwei Wochen betragen, und dann ist das sofort ins Parlament gekommen. Das hal­te ich rechtsstaatlich für problematisch.

Herr Minister, ich möchte aber, wenn ich hier stehe, noch ein zweites Thema anspre­chen, das zum Thema Strafprozess passt, das ist die Vorratsdatenspeicherung. Sie wissen, dass 11 139 KlägerInnen gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt haben und dass die Republik Österreich vor Gericht eine schallende Ohrfeige aus grundrecht­licher Sicht erhalten hat.

Der Verfassungsgerichtshof sagt, die Streubreite der Vorratsdatenspeicherung über­trifft die bisher in der Rechtsprechung zu beurteilenden Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz sowohl hinsichtlich des Personenkreises – nahezu die gesamte Bevölke­rung ist davon betroffen – als auch hinsichtlich der Art der betroffenen Daten. Das Ganze ist ein unverhältnismäßiger Eingriff. Der Verfassungsgerichtshof wischt die Vor­ratsdatenspeicherung mit einem Federstrich weg. Er setzt keine Reparaturfrist und hebt sämtliche Bestimmungen auf.

Herr Minister, ich finde, es ist an der Zeit, dass die österreichische Bundesregierung sich hier herstellt und sagt: Liebe Österreicherinnen und Österreicher, wir entschuldi­gen uns, dass wir zwei Jahre lang die Verfassung gebrochen haben (Hallo-Rufe bei der ÖVP) und massiv in das Recht auf Datenschutz und in das Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen haben. – Dass hier „Hallo!“ gerufen wird, ist bezeichnend: Eine Entschuldigung, nämlich dass man sich entschuldigen kann für etwas, was ver­fassungswidrig ist, obwohl das sehr oft passiert, kommt hier offensichtlich niemandem in den Sinn.

Ich kann mich noch genau an den Fall erinnern: Wir sind hier gestanden, wir haben diskutiert, wir haben im Ausschuss diskutiert – alle verfassungsrechtlichen Bedenken sind weggewischt worden, die haben niemanden interessiert. Die Experten haben sämtliche Dinge, die der Verfassungsgerichtshof hier in seinem Verfahren positiv als Grundrechtseingriff bezeichnet hat, weggewischt, ignoriert. Ich kann mich erinnern, da war eine Stimmung: Das ist uninteressant! Das passt, das brauchen wir!

Ich kann mich noch erinnern, die ehemalige Innenministerin Fekter – sie könnte übri­gens herauskommen und sich entschuldigen, sie hat das mitzuverantworten, Sie, Herr Minister, haben das geerbt; das wäre einmal eine neue Qualität –, ich kann mich also noch erinnern, sie hat sich hingestellt und hat gesagt: Das brauchen wir wegen der


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Kinderpornographie! – Ich frage nach zwei Jahren: Bei wie vielen Fällen betreffend das Delikt Kinderpornographie hat die Vorratsdatenspeicherung zur Aufklärung der Tat bei­getragen? – Antwort: Null, null Fälle! Aber das war das zentrale Argument.

Das zweite Argument war Terrorismus. Wie viele Delikte im Zusammenhang mit Terro­rismus waren Thema bei der Vorratsdatenspeicherung? – Null.

Herr Minister, Sie haben das politisch nicht zu verantworten, mir ist aber aufgefallen, dass Sie sich schon im Vorfeld, bevor das Urteil da war, für die Vorratsdatenspeiche­rung stark gemacht haben. Sie haben gesagt, wir können schwerste Verbrechen nicht mehr aufklären. – In all diesen Daten ist auch in einem 99-prozentigen Anteil nicht mehr von schwersten Straftaten die Rede. Wir reden in der Regel von Vergehen.

Sie haben dann Beispiele wie einen Mordfall angeführt, wo Sie genau wissen, dass dieser Mordfall auch ohne die Vorratsdatenspeicherung aufgrund der Verrechnungs­daten aufgeklärt hätte werden können.

Es bleibt man Ende nichts übrig. Das ist der Punkt und das ist zur Kenntnis zu neh­men. Es ist das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen, und es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die Vorratsdatenspeicherung in den letzten zwei Jahren keinen Beitrag zur Bekämpfung von Terrorismus, schwersten Verbrechen und Kinder­pornographie geliefert hat. (Beifall bei den Grünen.)

Eine Ihrer ersten Aktivitäten, entnehme ich dem „Kurier“, nachdem das Urteil des Ver­fassungsgerichtshofs gesprochen wurde, war offensichtlich, nach Deutschland zu fah­ren, um den dortigen Amtskollegen zu treffen – so schildert es der „Kurier“ – und wie­der darüber nachzudenken, welche neuen Schritte man in Europa für die Vorratsda­tenspeicherung setzen könnte. – Ich hätte mir gewünscht, dass ein Justizminister zu seinem Amtskollegen fährt und mit ihm gemeinsam darüber nachdenkt, wie man eine Richtlinie beseitigen kann, die massiv in unsere Grundrechte eingreift! Da hat sich kei­ner bewegt, das war uninteressant.

Jetzt, da der Europäische Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof ein klares Urteil gesprochen haben, jetzt plötzlich bewegt man sich – aber wiederum, um darüber nach­zudenken, welche neue Überwachungsmaßnahme man servieren kann.

Herr Minister, ich schätze Sie durchaus, und das wissen Sie auch – und es ist etwas durchaus Unübliches für einen Oppositionspolitiker, das so offen zu sagen –, denn in vielen Punkten zeigen Sie Reformfreude, wobei noch zu messen sein wird, ob Sie die­se Reformen einbringen, ich werde Sie jedoch tatkräftig unterstützen, aber in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung vertreten Sie eine Position, die schlicht nicht haltbar ist.

Ich ersuche Sie als jemanden, den ich als rechtsstaatlich sensibel kenne, diesbezüg­lich Ihre Position zu überdenken und nicht die gleichen Fehler zu machen wie Ihre Vor­gängerinnen. Die haben eine schallende Ohrfeige aus grundrechtlicher Sicht erhal­ten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Stein­acker. – Bitte.

 


15.51.18

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger!

„Die Praxis steht nicht erst am Ende, sondern schon am Anfang der Theorie.“

Dieses Zitat von Herbert Marcuse, einem deutsch-US-amerikanischen Philosophen (Abg. Pirklhuber: Dass Sie Marcuse zitieren, das freut uns!), illustriert den Werdegang unse­res Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014.


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Wir wollen die Erfahrungen aus der Praxis in dieses Gesetz gießen – wir haben ja im Jahr 2008 im Strafprozessrecht eine Jahrhundertreform umgesetzt und wir haben das Strafprozessrecht ins 21. Jahrhundert geführt. Nunmehr gilt es abzurunden, was sich in diesen Jahren in der Praxis sozusagen aufgetan hat und angezeigt ist, geändert zu werden.

Letztes Jahr im Juni ist die Bundesregierung vom Nationalrat aufgefordert worden, die Regierungsvorlage vorzulegen, und ich darf Sie jetzt kurz durch die wesentlichen Punkte führen.

Die bisherige Fassung des Strafprozesses hat aus Gründen des Rechtsschutzes einen sehr weiten Beschuldigten-Begriff gewählt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird oft­mals, wenn jemand beschuldigt ist, auch gleich eine Vorverurteilung vorgenommen, auch bei substanzlosen Anzeigen. Wenn diese öffentlich bekannt werden, wird ja je­mand sehr schnell als schuldig abgestempelt. Daher trennt die vorliegende Novelle nun den Begriff „Beschuldigter“ vom Begriff „Verdächtiger“.

„Beschuldigter“ ist nunmehr derjenige, der aufgrund von konkreten Tatsachen der Tat verdächtig ist und gegen den wegen dieses Verdachtes ermittelt wird, sonst, bei ent­sprechendem Anfangsverdacht, sprechen wir nur von einem „Verdächtigen“. – Ich möchte jedenfalls auch festhalten, dass der Umfang des Rechtsschutzes sowohl für den „Verdächtigen“ als auch für den „Beschuldigten“ gleich ist.

Ein weiterer Hauptpunkt der Vorlage ist die Verkürzung der Verfahrensdauer, die durch die gerichtliche Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nunmehr mit drei Jahren festgelegt ist, wonach dann die Gerichte zu befassen sind. Das dient der Kontrolle der Arbeit von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei, gibt aber auch den Er­mittlern entsprechende Druckmittel selbst in die Hand, und es vermeidet Schwebezu­stände für die Beschuldigten.

Der Verfahrensbeschleunigung dient auch eine weitere Änderung, nämlich der zweite Berufsrichter im Schöffenverfahren, den wir nunmehr wieder einführen, insbesondere bei schweren Delikten gegen die Person, aber auch bei schweren Delikten der Wirt­schaftskriminalität und der Korruption.

Zum Dritten gibt es das schon angesprochene neu gestaltete Mandatsverfahren. Bis 1999 gab es bereits ein Mandatsverfahren, doch dieses Mandatsverfahren, so wie wir es heute umsetzen wollen, hat weit höhere rechtsstaatliche Standards. Das Absehen von einer Hauptverhandlung und der Erlass einer gerichtlichen Strafverfügung bedür­fen dreier Voraussetzungen: Es muss erstens die Schuld- und Straffrage geklärt sein, der Beschuldigte muss bereits vernommen worden sein und es muss insbesondere ei­ne ausreichende Information gewährleistet sein, nach der – noch dazu ausdrücklich – auf die Hauptverhandlung verzichtet werden muss. Verhängt werden darf zudem nur eine Geldstrafe oder eine bedingte Freiheitsstrafe.

Dann gibt es noch den Einspruch gegen die Strafverfügung. Den kann sowohl der Be­schuldigte als auch das Opfer erheben. Ich glaube, dass die Diskussion, die wir im Ausschuss zu diesem Thema hatten, ganz wichtig ist – wir werden ja heute im Rahmen der Debatte über einen Entschließungsantrag diese Opferrechte, die wir durch den Ab­änderungsantrag gestärkt haben, noch einmal ganz besonders hervorheben.

Es geht auch um die Waffengleichheit von Anklage und Verteidigung im Bereich des Sachverständigenbeweises, wo der Beschuldigte nunmehr auch das Recht hat, bei Befangenheit oder begründetem Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen ei­nen Enthebungsantrag zu stellen und auch eine Person als Sachverständigen vorzu­schlagen.

Des Weiteren haben wir den Punkt, dass wir die Beträge, die der Freigesprochene von der Republik als Ersatz für die Verteidigerkosten bekommt, verdoppeln.


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Herr Kollege Steinhauser, ich kenne Ihre Argumente, aber ich möchte zu diesem The­ma, wenn Sie immer von Vollkostenersatz reden, schon auch auf Folgendes hinwei­sen: Es ist nicht nur die budgetäre Situation, die uns daran hindert, das in vollem Um­fang zu gewährleisten, sondern ich meine, dass es da einen großen Unterschied gibt. Sie als guter Jurist, als den ich Sie kennengelernt habe, wissen, dass es einen Unter­schied zwischen Strafprozess und Zivilprozess gibt und dass man den Freigespro­chenen mit dem Unterlegenen oder Obsiegenden im Zivilprozess nicht vergleichen kann.

Überlegen Sie einmal, was das bedeuten würde! In der logischen Konsequenz Ihrer Ableitung müssten wir ja so den Angeklagten und dann Verurteilten eigentlich zum Vollkostenersatz gegen die Republik auffordern! Daher glaube ich, dass die Lösung, die wir gefunden haben, auch in unseren budgetär schwierigen Zeiten eine wirklich gu­te und zu unterstützende Lösung ist.

Ich bedanke mich ausdrücklich für das gute, konstruktive und sachliche Klima im Jus­tizausschuss. Es möge diese Debatte auch weiterhin bestimmen.

Ich möchte schon noch sagen, dass durch die Annahme dieser Vorlage jedenfalls ein besserer Zugang zum Recht und eine Beschleunigung der Verfahren unter gleichzei­tiger Wahrung der gerechtfertigten Interessen der Beteiligten umgesetzt wird und wir damit jedenfalls unseren Rechtsstaat wieder ein Stück stärken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


15.57.16

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist eine große Ma­terie, es ist ein wirklich großer Schritt, den wir hier heute mit der neuen StPO-Novelle gehen. Das sollte man bei all den Diskussionen, die wir jetzt unter unterschiedlichen Aspekten geführt haben und vielleicht auch noch weiterhin führen werden, einmal un­terstreichen.

Ich weiß noch, wie wir oft darüber diskutiert haben, dass es völlig unzumutbar sei, dass jemand eine anonyme Anzeige macht, und mit der anonymen Anzeige wird man dann zum Beschuldigten. Als Beschuldigter wird man auch Beschuldigter genannt, und das ist dann schon wieder mehr oder weniger der Beweis für den selbst erhobenen Vor­wurf. Das wird hier jetzt endlich einmal abgestellt: Mit „Anfangsverdacht“ und „Beschul­digter“ werden zwei Begriffe verwendet, die in der öffentlichen Diskussion, in der mehr oder weniger stattfindenden medialen Ausschlachtung dann auch entsprechend präzi­se darstellen, worum es im eigentlichen Fall wirklich geht.

Die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens mit drei Jahren löste natürlich eine große Diskussion aus, weil sich vor allem die Rechtsberufe, insbesondere die Staatsanwalt­schaften dagegen verwahrt und gemeint haben, dass es natürlich Gründe gibt, warum ein Verfahren auch länger dauern kann. – Selbstverständlich kennen wir all diese Gründe. Es sind ja jetzt gerade zwei sehr prominente Fälle in Diskussion, die nunmehr, wie man hört, möglicherweise in ein entscheidendes Stadium eintreten werden. Da gibt es sehr vielschichtige Gründe.

Ich glaube, dass es ganz wesentlich ist, Herr Bundesminister – und das ist das, so denke ich, woran wir in der nächsten Zeit arbeiten müssen –, dass die personelle Aus­stattung an den richtigen Stellen auch tatsächlich vorhanden ist, weil die staatsanwalt­schaftlichen Behörden teilweise wirklich rettungslos überfordert sind und man hier ver-


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suchen muss, sie irgendwie einerseits zu unterstützen durch Abläufe – das passiert ja hier gerade mit dieser Novelle –, aber andererseits wahrscheinlich auch mit Ressourcen.

Und was ganz wichtig ist, und das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch anführen, ist, dass wir alle Maßnahmen wie Abschöpfungen, Einziehungen et cetera, die dazu dienen, die Vermögen, die durch Unrecht angehäuft worden sind, in die Staatskassa einzuholen, wirklich forcieren.

Ich denke, Herr Bundesminister, einerseits im BMJ und andererseits im Innenministe­rium haben wir noch einiges Potenzial, das es auszubauen gilt, um wirklich glaubwür­dig darzulegen, dass wir einerseits Geld aus den richtigen Kassen holen und dass wir dieses Geld auch in der Justiz verwenden, um dann mehr Staatsanwälte einzustellen. Andererseits erzielen wir damit gleichzeitig natürlich die stärkstmögliche abschrecken­de Wirkung, insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität, weil man nicht in dem Land, wo die Wahrscheinlichkeit am allergrößten ist, dass man das „Erworbene“ – unter Anführungszeichen – wieder abführen muss, unrechte Taten setzen wird.

Ich glaube also, dass wir hier auf einem guten Zug sind, dass aber dessen Geschwin­digkeit sicherlich noch erheblich zu steigern ist.

Dass es im Schöffenverfahren bei schwierigen Causen wieder einen zweiten Berufs­richter gibt, ist eminent wichtig. Die diesbezügliche Sparmaßnahme ist nämlich nach hinten losgegangen. Außerdem ist es ein richtiger Schritt, dass bei der Sachverständ­igenbestellung nunmehr eine entsprechende Regelung gefunden wird, denn wir alle kennen auch die Diskussion darüber, wie man sich zur Wehr setzen kann, wenn man den Verdacht hat, dass der Sachverständige befangen ist.

Kollege Steinhauser hat vorhin darüber gesprochen, was man noch Weiteres zur Be­schleunigung beitragen kann. – Ich glaube, dass wir etwa die Diskussion um die Kon­teneröffnung und darüber, ob es in Zukunft ein Register geben soll, noch weiterführen müssen. Ich anerkenne natürlich, dass es Geheimhaltungsaspekte gibt, die sehr we­sentlich sind. Nichtsdestoweniger verlieren wir hier wahnsinnig viel Zeit, und wenn man die Güter abwägt und sich ansieht, worum es hier geht, besteht sicherlich eine gewisse Verhältnismäßigkeit, im Hinblick auf welche man ein derartiges Register andiskutieren und vielleicht auch umsetzen kann.

Das Mandatsverfahren war natürlich einer der heftigsten Diskussionspunkte. – Ganz glücklich sind wir damit auch nicht. Wir haben aber die Hoffnung, dass das, was im besten Fall herauskommen kann, auch wirklich herauskommt und dass nicht, weil sich viele Betroffene ihres Rechtsschutzes gar nicht bewusst sind, letztlich Strafen verhängt werden, die sonst möglicherweise nicht verhängt worden wären. Ich denke aber, dass es viele positive Aspekte gibt, die dafür sprechen, dass das entsprechend umgesetzt wird.

Wir haben in diesem Zusammenhang auch noch – und dafür danke ich dem BMJ für die Unterstützung herzlich – eine Entschließung und eine Bemerkung im Ausschussbe­richt auf den Weg gebracht, dass die Richter und Staatsanwälte sehr sensibel mit den Mandatsverfahren umgehen, dass es eine entsprechend intensive Aufklärung der Be­troffenen gibt und dass auch die Opfereinrichtungen bei der Information der Opfer mitwirken, die ja verhindern können, dass es zu einem Mandatsverfahren kommt. Man kann natürlich nur dann disponieren, wenn man entsprechend ausgebildet beziehungs­weise informiert ist, und dazu sollen jetzt auch die Informationsblätter und das Wirken der Justiz insgesamt beitragen.

Ich glaube, insgesamt ist das ein wirklich großer Schritt, und ich gehe davon aus, dass wir hier auch weiterdiskutieren. Das liegt schon in unser aller Naturell. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.02



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 139

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


16.02.56

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum eigentli­chen Tagesordnungspunkt komme, erlaube ich mir, noch kurz zum Thema Vorratsda­tenspeicherung ein paar Worte zu sagen.

Ich empfinde es als sehr erfreulich, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmun­gen, die wir in Österreich hatten, jetzt vollkommen aufgehoben hat. Ich möchte aber dazu auch festhalten, wie es zu einer solchen Entscheidung kommen kann. Der Ver­fassungsgerichtshof sagt, dass er die Vorratsdatenspeicherung aufheben konnte, weil sie eindeutig gegen österreichisches Verfassungsrecht verstößt und vor allem den Grundrechten widerspricht. Bisher konnte er wegen einer diesbezügliche EU-Richtlinie allerdings nicht aufheben. Das heißt also: Wie man hier sieht, setzen EU-Richtlinien of­fensichtlich die Grundrechte in Österreich teilweise außer Kraft. Und das ist in Wirklich­keit ein höchst unerfreulicher Zustand; das muss man in diesem Zusammenhang er­wähnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nunmehr sind allerdings, gemessen an den österreichischen Bestimmungen, dieser Eingriff in die Grundrechte der Bürger beziehungsweise diese verdachtslose Totalüber­wachung nicht mehr möglich.

Jetzt aber zum eigentlich Tagesordnungspunkt, nämlich zur Änderung im Strafpro­zessrecht.

Vorweg unsere Kritik, dass das Begutachtungsverfahren äußerst kurz war und dass der Zeitraum von 17 Tagen für eine derartige Novelle, die als großer Wurf und so wei­ter bezeichnet wird, schlicht und einfach nicht ausreicht. Das muss geändert werden, dafür muss es unseres Erachtens eine grundlegende gesetzliche Basis geben. Es darf nicht möglich sein, dass das Begutachtungsverfahren aus irgendwelchen taktischen Überlegungen oder sonstigen Gründen – wer auch immer daran schuld ist, ob sich der eine oder der andere Koalitionspartner noch etwas überlegen muss oder ob ein Minis­terium noch etwas klären muss – so kurz ist, dass alle wesentlichen Personengruppen in der Gesellschaft nicht die Möglichkeit haben, sinnvoll an der Diskussion teilzuneh­men. Das ist schlecht für die gesamte Abwicklung und letztlich schlecht für den Rechts­staat und auch für die Demokratie. Das gehört schlicht und einfach geändert bezie­hungsweise in dieser Form beseitigt und auf eine Basis gestellt, dass es zumindest ei­ne vierwöchige Begutachtungsfrist gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt aber zum Inhalt selbst. Die einzelnen Punkte wurden schon angeführt. Ich möchte zu vier Punkten hier noch kurz Stellung nehmen.

An erster Stelle steht die Reduktion der Verfahrensdauer: Die Dauer des Ermittlungs­verfahrens wird jetzt im Gesetz festgeschrieben. – Ich empfinde das insofern als höchst positiv, weil einfach der Ansatz richtig ist, dass man sagt, dass es dem Rechts­unterworfenen und Angeklagten nicht zuzumuten ist, dass ein Verfahren sich über viele Jahre hinzieht. Wir kennen das aus den Medien: Manche Verfahren dauern zehn oder zwölf Jahre beziehungsweise haben so lange gedauert. In dieser Zeit ist der Angeklag­te völlig aus dem Rennen. Er ist angespannt und kann in Wirklichkeit kaum seinen Be­ruf ausüben. Und es wird auch immer schwieriger, die Wahrheit zu finden. Das ist ein völlig unzumutbarer Zustand!

Hier muss angesetzt werden, indem der Gesetzgeber festhält – und in diesem Zusam­menhang ist auch die Initiative des Ministers sehr löblich –, dass das ein unzumutbarer Zustand ist, der geändert werden muss. – Dass das geschieht, ist das wirklich Positive


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dabei. Wie das in der Praxis dann anschauen wird, werden wir sehen, denn es gibt na­türlich immer Möglichkeiten, das Verfahren doch zu verlängern. Aber es ist immerhin ein Paradigmenwechsel, dass jetzt die Staatsanwaltschaft von sich aus argumentieren muss, wenn sie länger als drei Jahre braucht. Das ist eine sehr positive Entwicklung!

Zweiter Punkt: Bei der Schöffengerichtsbarkeit wird der zweite Berufsrichter wieder ein­geführt. Die Erfahrung aus der Praxis hat ergeben, dass das sinnvoll ist. Daher sind wir auch froh, dass das jetzt geändert wird.

Der dritte Punkt wurde auch schon angesprochen: Es soll jetzt eine Differenzierung in dem Fall geben, dass es nur einen Anfangsverdacht gibt, aufgrund dessen einmal er­mittelt wird. Dafür wird ein neuer Begriff eingeführt, es wird nämlich jetzt vom „Ver­dächtigen“, statt gleich vom „Beschuldigten“ gesprochen. – Das ist von der Intention her ganz nett, weil ja bisher, wenn Anzeige erstattet wird, gleich festgestellt werden kann, und zwar unter Umständen sogar von demjenigen, der die Anzeige selbst erstat­tet hat, dass es Ermittlungen und daher einen „Beschuldigten“ gibt, und auch in den Medien bereits von einem „Beschuldigten“ zu lesen ist. So kommt es zu einer fakti­schen Vorverurteilung, und insofern halte ich das Bemühen, den Begriff zu ändern, vom Ansatz her für richtig.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob zwischen einem „Verdächtigen“ und einem „Be­schuldigten“ graduell ein großer Unterschied besteht. Denkt man sich, dass „verdäch­tigt“ nichts und „beschuldigt“ viel ist? – Ein „Verdächtiger“ wird ja nicht „verdächtigt“, sondern er ist „verdächtig“ und das klingt objektiv eigentlich schon danach, dass das etwas dahinter ist. – Ich halte daher diesen Begriff nicht für geglückt!

Wir haben in der Diskussion argumentiert, dass man stattdessen den Begriff „Ange­zeigter“ nehmen könnte, sind aber deswegen wieder davon abgekommen, das jetzt hier als konkreten Antrag einzubringen, weil es auch Verfahren gibt, die nicht aufgrund einer Anzeige, sondern von Amts wegen eingeleitet werden, und in diesem Fall würde „Angezeigter“ nicht passen.

Ich bitte aber allen Ernstes, mit uns gemeinsam zu versuchen, einen besseren Begriff zu finden, weil, wie gesagt, die Begriffe „Verdächtiger“ und „Beschuldigter“ in Wahrheit so nahe beieinanderliegen, dass das wahrscheinlich für den Bürger – und um diesen geht es –, wenn er es in den Medien mitverfolgt, keinen Unterschied darstellt. Daher sollten wir einen anderen Begriff finden. Die Intention ist, wie gesagt, richtig, aber die Lösung ist nicht optimal.

Der vierte Punkt ist das Mandatsverfahren: Damit hatten wir von Anfang an aus rechts­staatlichen Überlegungen sehr grundsätzliche Probleme, weil es ein Grundsatz ist, dass eine Verurteilung aufgrund eines Gerichtsverfahrens stattfindet. – Ich weiß, es gab früher schon ein Mandatsverfahren, aber dieses hat man 1998 mit guten Argumen­ten abgeschafft, nämlich genau mit dem Argument, dass das im Rechtsstaat so nicht funktionieren kann. Diese Problematik haben wir zur Diskussion gestellt und haben festgehalten, dass das tendenziell wiederum eine Zweiklassenjustiz fördert, weil derje­nige, der sich nicht so gut auskennt, der nicht so gut vernetzt und nicht so gut beraten ist, vielleicht gar nicht erkennt, was das bedeutet, wenn ihm eine Strafverfügung zuge­stellt wird, während ein anderer, der bessere Möglichkeiten hat, das sehr wohl erkennt und dann etwas tun kann.

Ich muss aber anerkennen, dass im Zuge dieser Gesetzwerdung, auch wenn nicht viel Zeit war, die Argumente der Opposition und auch Erfahrungen aus der Praxis trotzdem aufgenommen wurden und Grundlegendes geändert wurde, und das ist sehr erfreulich! Es sind hier jetzt nur noch Vergehen betroffen, und wir haben festgehalten, dass es aufgrund des Mandatsverfahrens nur noch bedingte Haftstrafen geben darf, und das auch nur dann, wenn der Betroffene von einem Anwalt vertreten ist.


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Das Ganze wurde also in eine richtige Richtung gebracht, so dass wir letztlich heute in dritter Lesung zustimmen werden. Für die zweite Lesung verlangen wir getrennte Ab­stimmung, um das Mandatsverfahren ablehnen zu können und um auch zu demons­trieren, dass wir da nach wie vor trotz dieser Verbesserungen Probleme sehen. Wir an­erkennen aber, wie gesagt, die Verbesserungen und auch den zusätzlichen Hinweis, dass man das in der Praxis überprüfen und kontrollieren wird.

Das sind die wesentlichen Punkte. Ein Thema möchte ich zum Schluss noch anspre­chen, nämlich die Diskussion darüber, ob es einen Kostenersatz im Strafverfahren ge­ben soll. – Ich bin der Überzeugung, dass das sehr wohl notwendig ist. Man kann zwar keinen unmittelbaren Vergleich zum Zivilprozess ziehen, das ist schon richtig, anderer­seits sollten wir uns das einmal vor Augen führen: Wir sind der Staat, der anklagt, und der Bürger ist einem Verfahren unterworfen. Letztlich stellt sich heraus, dass er un­schuldig ist, er hat aber alle Probleme gehabt, die damit zusammenhängen.

Jeder, der irgendwann einmal in ein solches Verfahren hineingezogen wurde oder die­ses vielleicht nur als Zeuge verfolgt hat, weiß: Das ist sehr anspannend, und man hat sehr hohe Kosten und sehr große Probleme damit. Man hat Anwaltskosten, Verfah­renskosten und so weiter zu tragen. Und ich meine, dass man sagt, dass es unzulässig ist, diesen Aufwand auszugleichen, ist einfach nicht richtig! Es muss hier eine gewisse Waffengleichheit geben.

Wenn jemand verurteilt wird, dann hat er eben die Strafe. Der Staat ist damit befriedigt, dass er eine Strafe verhängt. Wenn es aber einen Freispruch gibt, dann muss dem Rechtsunterworfenen der Aufwand abgegolten werden. Der Staat muss doch anerken­nen, dass möglicherweise ein Fehler unterlaufen ist oder zumindest eine falsche Per­son angeklagt wurde, und all die Schwierigkeiten, die der Betroffene hatte, müssen dann eben ausgeglichen werden. Dafür müssen wir uns etwas überlegen. Das muss im Rahmen des Budgets möglich sein, zu diesem Grundsatz müssen wir uns durchringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Summa summarum: Wir meinen, das Glas ist nicht nur halb voll, sondern es ist mehr als zur Hälfte voll, und daher werden wir heute, wie gesagt, zustimmen. Der Rechts­staat hat hier in weiten Bereichen gewonnen. Es gibt jedoch noch immer einiges zu verbessern, und in diesem Sinn werden wir uns der Diskussion weiter stellen und hof­fen, dass das so wie bisher auf einer sehr – wie man betonen muss – sachlichen Ebe­ne weitergeht und dass wir weitere Reformen auf den Weg bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Vetter. – Bitte.

 


16.13.05

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte zunächst auch auf das Thema Vorratsdatenspeicherung eingehen.

Auch ich habe mich gefreut, dass der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich aufhebend erkannt hat, dass diese Regelung rechtswidrig ist. Wir leben in einem Spannungsver­hältnis zwischen Transparenz und Intimsphäre und müssen zwischen diesen Rechts­gütern einen Ausgleich finden, der deshalb immer schwieriger wird, weil wir immer strengere Kriterien an diese Begriffe anlegen, so dass der Zwischenraum viel geringer wird. Es gibt fast keine Grauzone mehr zwischen dem Bereich, wo Transparenz gebo­ten ist, und dem Bereich, wo es sich um Intimsphäre handelt. Das wird schwieriger. Dennoch müssen wir immer – das ist unsere Aufgabe als Juristen – einen gewissen Ausgleich finden.

Wenn allerdings der Verfassungsgerichtshof ein Erkenntnis fällt, dann glaube ich nicht, dass man von einer „schallenden Ohrfeige“ sprechen kann. Abgesehen davon, dass


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das ein martialischer Ton ist, obliegt es ja gerade den Juristen, dass sie solche Dinge sine ira et studio angehen.

Ich als Anwalt habe natürlich auch schon viele Prozesse verloren, meine Damen und Herren. (Abg. Auer: Das ist aber schlecht!) Ich habe mich deshalb aber nicht gedemü­tigt gefühlt, und meine auch nicht, jedes Mal eine schallende Ohrfeige bekommen zu haben. Das gehört einfach dazu, meine Damen und Herren! In diesem Sinne möchte ich Sie auch bitten, da ein bisschen weniger Leidenschaften hineinzulegen, auch wenn die Regierung beim Verfassungsgerichtshof halt einmal nicht gewonnen hat! (Beifall beim Team Stronach.)

Meine Damen und Herren, dass wir die Bezeichnungen „Verdächtiger“ und „Beschul­digter“ geändert haben, halte ich für gut. Viele Leute sagen nämlich: Aha, da ist ein Verfahren anhängig! Kein Rauch ohne Feuer! – Somit kommt es schon zur Vorverur­teilung, und diese Vorverurteilung ist in heutigen Zeiten bereits relativ populär. Wenn irgendwo steht: „Es gilt die Unschuldsvermutung“, dann können Sie sicher sein, dass gemeint ist, dass die Schuldvermutung gilt.

Zum Mandatsverfahren gibt es einige Pro und Contra. Wir werden dem letztlich auch zustimmen. Der Wert der Öffentlichkeit ist sehr groß, aber es gibt, meine Damen und Herren, auch Verfahren, bei welchen ein Beschuldigter das Interesse hat, dass mögli­cherweise keine öffentliche Verhandlung stattfindet, und dass auch er meint, dass es besser ist, dass er ein Mandat im Mandatsverfahren bekommt.

Ich selbst war einmal mit einem Verfahren befasst, bei dem ein Mandatsträger einer dem Umweltschutz sehr nahestehenden Partei in einem anderen Bundesland als in dem, wo er Mandatsträger war, ein Verfahren hatte. Zu seinem großen Glück war das Ganze – wenn ich so sagen darf – eine Lappalie. Wenn das aber öffentlich geworden wäre, hätte es ihm in seinem Heimatbezirk sicherlich politisch sehr geschadet. So hat er die entsprechende Strafe bekommen, ohne dass ihm das in seinem Heimatbezirk politisch geschadet hätte, weil die politischen Gegner das sicherlich ausgenützt hätten.

Die lange Verfahrensdauer, meine Damen und Herren, ist mir ein großer Dorn im Au­ge, weil bei diesen langen Verfahren das Verfahren selbst zur Strafe wird. Wer nimmt jemanden als Vorstand einer Aktiengesellschaft, welche Frau heiratet jemanden, wer gründet mit jemandem eine Familie, der ein großes Verfahren anhängig hat, das jahre­lang dauert und wo man nicht weiß, ob der Betreffende jahrelang ins Gefängnis gehen wird oder nicht.

Ich halte es daher für ganz wichtig, dass wir wirklich zu kürzeren Verfahrensdauern kommen. Ich sehe es als ersten Schritt, Herr Minister, dass Sie dieses große Problem angehen! In diesem Sinne kann ich mich überhaupt dem Lob, dass der Herr Minister die Sache reformfreudig angeht, wirklich gerne anschließen.

Ich muss Ihnen sagen: Beim Vollkostenersatz bin ich etwas skeptisch. Die Zweifelsre­gelung, dass jemand im Zweifel freigesprochen werden soll, ist mir so wichtig, dass ich sie auch nicht im Entferntesten von irgendwelchen Kostenregelungen unterlaufen wis­sen möchte.

Viele Fragen, die hier anklingen, sind in die Richtung gegangen, dass jemand zweifels­frei unschuldig ist. Wenn dann das Gericht im Zweifel vielleicht anders entscheidet, dann hielte ich das für wirklich kontraproduktiv! (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Ceterum censeo, also ich bin der Meinung, dass die Regelung betreffend Sachverstän­dige zu überdenken und auch der Rechtsanwaltstarif zu erhöhen ist. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Walter Rosenkranz: Das stellt Richtern ein schlechtes Zeugnis aus!)

16.17



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 143

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Rei­singer. – Bitte.

 


16.18.00

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht diskutie­ren Sie das dann nachher noch!

Ich möchte auch ganz kurz zur Vorratsdatenspeicherung etwas sagen: Wir haben uns sehr gefreut, dass der Verfassungsgerichtshof hier so deutlich gehandelt und die Vor­ratsdatenspeicherung ausgesetzt beziehungsweise beseitigt hat. Ich möchte bei allem Verständnis dafür, dass Methoden wie die Vorratsdatenspeicherung natürlich eine Er­mittlung bisweilen erleichtern können, hier noch einmal betonen, dass wir wirklich auch weiterhin darauf pochen werden, dass nicht die gesamte Bevölkerung unter General­verdacht gestellt wird, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass solche Vorschriften die Gesellschaft nicht sicherer, sondern nur weniger frei machen.

Nun aber zur StPO-Novelle. Es ist sehr erfreulich – das gleich vorweggeschickt –, dass Sie, Herr Bundesminister, das Problem der überlangen Verfahren angehen wollen und auch erste Schritte in diese Richtung setzen.

Ich habe gehört, und meine Vorredner haben das auch betont, dass diese Novelle na­türlich auch mit einigen Unsicherheiten verbunden ist. Ich werde auf diese dann ein­gehen, sage aber auch gleich vorweg: Auch wir sehen das Glas nicht nur halb voll, sondern ein bisschen mehr. Auch wir haben ein bisschen Bauchweh und Bedenken, werden aber unsere Zustimmung geben, wobei ich betonen möchte, dass das Aus­schlaggebende dafür der Entschließungsantrag war, der heute noch eingebracht wur­de, der die Evaluierung des Mandatsverfahrens vorsieht. Dafür danke ich sehr herzlich, weil damit, glaube ich, unser Bauchweh ein bisschen weniger wird und unsere Zu­stimmung auf jeden Fall gegeben werden kann!

Auch von meiner Seite eine kurze Bemerkung zur Begutachtungsfrist: Das Bundes­kanzleramt weist auch immer darauf hin beziehungsweise pocht darauf, dass eine Be­gutachtungsfrist von zumindest sechs Wochen eingehalten wird. Es ist nämlich wirklich nicht nachvollziehbar und gänzlich unverständlich, dass es gerade bei einer so umfas­senden Novelle nur eine so kurze Begutachtungsfrist gab.

Man sieht ja auch an den Änderungen, die zwischen Begutachtungsentwurf und Regie­rungsvorlage vorgenommen wurden, am Entschließungsantrag und an Änderungen, die sonst noch stattgefunden haben, dass man sich mehr Zeit für die Begutachtung hätte nehmen sollen, andernfalls wird nämlich ein Kompromiss manchmal auch zur Makulatur.

Makulatur – das bringt mich gleich zum nächsten Punkt –: Auch wenn ich eingangs ge­sagt habe, dass es begrüßenswert ist, dass man hier gegen überlange Verfahren vor­geht – ich sehe hier schon den Paradigmenwechsel –, muss ich sagen: Mit dieser prin­zipiellen Festschreibung einer maximalen Verfahrensdauer sehen wir aber schon diese Bestimmung mehr als Makulatur, vielleicht hat sie noch einen gewissen psychologi­schen Effekt.

Der Kern des Problems liegt woanders, das wissen Sie, Herr Minister, wahrscheinlich ganz genau: Das ist die personelle Unterbesetzung in den Staatsanwaltschaften, das ist die Überlastung, das sind natürlich auch die Komplexität der Fälle und lange Warte­zeiten bei Berichten und Weisungen. Ich glaube, da muss man ansetzen und etwas tun. Wir werden in den nächsten Jahren, glaube ich, darüber noch Diskussionen füh­ren, auch wenn es wieder um budgetäre Fragen geht.

Zum Mandatsverfahren ist schon sehr viel gesagt worden. Ich möchte nur auf einen Aspekt hinweisen, den ich auch im Ausschuss vorgebracht habe: Wenn man bedenkt,


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dass rund 30 Prozent der Verurteilten Ausländer sind, ist es ganz besonders wichtig, bei diesen Mandatsverfahren, bei den Strafverfügungen darauf zu schauen, dass das übersetzt ist und dass insbesondere die Rechtsbelehrung in der Sprache erfolgt, die diese Person spricht, denn sonst haben wir, glaube ich, in der Praxis ein wirkliches Problem, das Problem, dass die Rechtsstaatlichkeit da beeinträchtigt ist.

Also darauf poche ich, und ich bitte, dass man sozusagen auch schon davor, dass nämlich die Exekutivbeamten in ihrer Tätigkeit schon mit einer gewissen Sensibilität, was dieses Thema angeht, vorgehen.

Ich bringe heute einen Entschließungsantrag ein – das wurde auch schon vom Kolle­gen Stefan erwähnt. Wir begrüßen die Verdoppelung des Kostenersatzes bei Frei­spruch – das ist ein erfreuliches Zeichen –, aber wenn man gerade den Tierschützer­prozess gesehen hat, wo es ja nicht im Einflussbereich des Angeklagten gelegen ist, wie viele andere Angeklagte es da noch gibt und wie lange sich solch ein Verfahren hinzieht, und weiß, welche Kosten da anfallen können, dann ist es, glaube ich, ganz wesentlich, dass wir den vollen Kostenersatz im Strafverfahren einführen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend vollen Kostenersatz bei Freispruch im Strafverfahren

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, durch den der volle Kostenersatz nach den Allgemeinen Honorarkriterien für Rechtsanwälte bei Freispruch im Strafverfahren gewährleistet wird.“

*****

Alles in allem gratuliere ich aber, es ist eine sehr umfassende Reform. Eine ein biss­chen längere Begutachtungsfrist hätten wir uns gewünscht, dann hätten wir es halt erst im Herbst beschlossen. Ich denke, das wäre kein Problem gewesen. Aber auch wir werden in dritter Lesung dieser Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger und Kollegen betreffend vollen Kostenersatz bei Freispruch im Strafverfahren

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Justizausschuss (203 d.B.) über die Regierungsvorlage (181 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Strafprozess­ordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Suchtmittelgesetz, das Staatsan­waltschaftsgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Tilgungsge­setz 1972 und das Gebührenanspruchsgesetz geändert werden (Strafprozessrechtsän­derungsgesetz 2014)

Derzeit erhalten Angeklagte bei einem Freispruch gemäß § 393a StPO maximal einen Kostenersatz von EUR 5.000,00. Mit Inkrafttreten der StPO-Novelle 2014 wird der Kos-


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tenersatz zwar verdoppelt, doch reicht auch dieser Betrag noch lange nicht aus um die tatsächlichen Kosten eines längeren Verfahrens annähernd abzudecken. Gerade der kürzlich zu Ende gegangene Tierschützerprozess hat dies eindrucksvoll demonstriert. Die Betroffenen werden dadurch übergebührlich belastet, da sie einerseits das Ver­fahren selbst bewältigen müssen und anderseits bei erfolgreicher Verteidigung auf den Kosten sitzen bleiben. Als Gebot des Fair-Trials fordern wir somit im Falle des Frei­spruches eine Erhöhung dieses Kostenersatzes auf die gemäß den Allgemeinen Hono­rarkriterien für Rechtsanwälte (AHK 2005) verrechenbaren Kosten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, durch den der volle Kostenersatz nach den Allgemeinen Honorarkriterien für Rechtsanwälte bei Freispruch im Strafverfahren gewährleistet wird.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


16.23.33

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich danke vorweg für das wirklich sehr konstruktive Gesprächsklima, das wir schon im Justizaus­schuss gehabt haben. Das hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass wir in der jetzt zur Diskussion stehenden Materie auch wirklich flott vorangekommen sind. Und ich danke auch für die konstruktive Kritik meiner Vorrednerinnen und Vorredner.

Auch ich – das sage ich ganz offen – hätte mir eine längere Begutachtungsfrist ge­wünscht – das ist schon richtig. Aus verschiedensten Gründen war das einfach faktisch nicht machbar. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass wir bis zuletzt Änderun­gen gerne aufgegriffen haben. Wir haben bis zuletzt an diesem Gesetzentwurf gefeilt und haben vieles, was an Kritik und Anregungen gekommen ist, auch tatsächlich um­gesetzt. Für mich – ich sage das ganz offen – ist das eigentlich selbstverständlich. Ich komme aus der Wissenschaft, und dort ist es völlig normal und geradezu geboten, dass man sachliche Kritik natürlich entsprechend ernst nimmt und auch umsetzt. Und das haben wir bei diesem Gesetzentwurf wirklich getan, bis hin zu dem Entschlie­ßungsantrag, zu dem ich dann noch kurz kommen möchte.

Vorweg, weil es nicht unmittelbar zum eigentlichen Thema gehört, einige Anmerkungen zur Vorratsdatenspeicherung: Lieber Kollege Steinhauser, mein Besuch beim Amtskol­legen in Berlin war nicht dadurch motiviert, dass der Verfassungsgerichtshof jetzt unse­re Regelung aufgehoben hat. Der Besuch war selbstverständlich, wie Sie sich vorstel­len können, schon viel früher vereinbart worden. Wir hatten eben die Notwendigkeit ge­sehen, uns über einige Vorhaben auf europäischer Ebene, unter anderem auch über die Situation der Vorratsdatenspeicherung, zu unterhalten. Warum? – Weil ja letztlich die europäische Ebene auch für uns maßgebend ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich, lieber Kollege Steinhauser, etwas ergänzen – ich schätze Sie als sehr konstruktiven Kritiker sehr, und daher bin ich sicher, dass Sie diesen Punkt einfach nur übersehen oder vergessen haben, aber man muss ihn schon erwähnen –: Wie war denn das mit dieser Vorratsdatenspeicherung, mit dieser Rege-


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lung? – Das mussten wir ja umsetzen. Die Richtlinie, die im Frühjahr vom Europäi­schen Gerichtshof gehoben wurde, war ja verpflichtend. Bei Androhung von Sanktio­nen musste Österreich das umsetzen, und Österreich hat das, ohne die Richtlinie und ihre Möglichkeiten voll auszuschöpfen, auch getan. Wenn wir es nicht getan hätten, dann hätten wir mit den entsprechenden Institutionen auf europäischer Ebene ernsthaf­te Probleme bekommen.

Das wollte ich schon gesagt haben, weil Sie gemeint haben, man müsste sich dafür entschuldigen. Das ist ein bisschen schwierig, wenn man sich überlegt, dass uns ja letztlich nichts anderes übrig blieb, als diese Richtlinie, die verbindlich ist, umzusetzen. Genau das wurde gemacht. Und jetzt haben wir eine Entscheidung des VfGH. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ist noch nicht da. Wenn sie da ist, schauen wir uns das an, und dann werden wir sehen.

Weil Sie auch den Punkt „Verfahrenskostenersatz“ angesprochen haben: Ja, wir erhö­hen jetzt einmal den Verteidigerkostenbeitrag ganz generell mit dieser Novelle, was sicherlich schon längst geboten war, das ist mir klar. Aber es ist schon auch einer Er­wähnung wert, gerade, weil Sie den Tierschützerprozess angesprochen haben, dass es dort natürlich schon auch Entschädigungszahlungen gab, die deutlich darüber hi­nausgehen. Diejenigen, die da Verfahrenshilfe bekommen haben, haben an Ersatz für das Jahr 2010 insgesamt immerhin rund 1 Million € bekommen und für das Jahr 2011 800 000 €. Das heißt, es ist nicht so, dass hier nicht auch nennenswerte Entschädi­gungszahlungen geleistet werden würden.

Das ist im Übrigen völlig unabhängig von allfälligen Amtshaftungsansprüchen, die ich derzeit nicht beurteilen kann und die auch nicht unmittelbar unser Ressort berühren. Das wollte ich gesagt haben. Es ist ja schon so, dass da einiges an Entschädigungen geleistet wird.

Insgesamt geht es in dieser Novelle vor allem um eines, und das ist natürlich ein wich­tiges Anliegen: die Verfahrensbeschleunigung. Das ist letztlich auch ein Gebot der Eu­ropäischen Menschenrechtskonvention. Überlange Verfahren sind EMRK-widrig, und daher sind wir hier in der Pflicht – aber nicht nur vonseiten der EMRK, sondern auch vonseiten des Hohen Hauses.

Es gibt – Sie erinnern sich daran – die Entschließung des Nationalrates vom 5. Ju­li 2013, und in dieser Entschließung wurde meine Amtsvorgängerin aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich entsprechende gesetzliche Vorhaben zur Abrundung des Re­formwerkes und zur Beseitigung zwischenzeitig sichtbar gewordener Mängel zu unter­breiten, inkludierend auch die Forderung nach einer gerichtlichen Kontrolle der Verfah­rensdauer.

Das heißt, das, was wir hier mit den Maßnahmen zur Beschränkung der Verfahrens­dauer machen, ist nichts anderes, als dass ich genau dem folge, was das Parlament zu Recht eingefordert hat, und das kann kein Fehler sein.

Ich glaube, dass diese dreijährige Frist allein schon psychologisch eine gewisse Wir­kung ausüben wird. Jeder kennt das. Und im Übrigen kann letztlich ja nichts passieren, denn – und das ist im Entwurf so vorgesehen – wenn es wirklich berechtigte Gründe dafür gibt, dass ein Verfahren länger dauern muss, dann wird das selbstverständlich möglich sein, mit entsprechender gerichtlicher Kontrolle – wie im Vorjahr vom Parla­ment gefordert.

Aber die vorliegende Novelle verfolgt ja nicht nur das Ziel einer Verfahrensbeschleu­nigung, sondern auch das Ziel der Stärkung des Rechtsschutzes der Beteiligten. Was meine ich damit? – Jetzt komme ich auf das zu sprechen, was Herr Kollege Stefan schon erwähnt hat: die Differenzierung zwischen dem bloß Verdächtigen und dem Be­schuldigten. Erst der Beschuldigte soll aufgrund einer konkreteren Verdachtslage dann


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tatsächlich in das Register eingetragen werden. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt, der, wie ich auch vielen Gesprächen mit Journalisten entnommen habe, auch von deren Seite positiv aufgenommen wird, weil einfach der Status als Verdächtiger sozusagen noch gar nichts aussagt; das wird sich dann auch herumsprechen. Und erst als Beschuldigter ist man in einer Position, wo man sagen muss, es gibt zumindest ein­mal einen konkreten Anfangsverdacht, und vorher ist das eben noch nicht der Fall.

Jetzt kann man natürlich über die rein semantische Bedeutung der Begriffe „Verdäch­tiger“ und „Beschuldigter“ philosophieren, aber ich denke, dass letztlich der Inhalt die­ses Gesetzes ja auch die Verwendung der Begriffe im Alltag prägen wird, und das wird sich entsprechend einspielen.

Ich habe mir vorhin gerade gedacht: Mein Gott, im üblichen, landläufigen Sprachge­brauch sagt man ja auch oft „die üblichen Verdächtigen“, und das sind nach allgemei­nem Verständnis noch lange keine Beschuldigten. – Also ich glaube, das wird sich ein­spielen und auch diese Differenzierung wird sich entsprechend bewähren.

Ein letzter Punkt betreffend die Objektivität der Verfahrensführung als eines der zentra­len Merkmale einer unabhängigen und objektiven Justiz: Es hat zuletzt Diskussionen über die Unabhängigkeit von Sachverständigen gegeben, die durch die Staatsanwalt­schaft im Vorverfahren bestellt werden und die dann auch vom Gericht in der Haupt­verhandlung herangezogen werden sollten oder sollen. Wir haben speziell diesen Punkt neu geregelt in dieser Novelle. Und wir haben mit dieser Novelle dem betroffe­nen Beschuldigten die Möglichkeit gegeben, auf die Auswahl des Sachverständigen mehr Einfluss zu nehmen. Es sollen damit die Objektivierung der Bestellung der Sach­verständigen und auch die Rechtsstellung des Beschuldigten in diesem Bereich deut­lich verbessert werden. Ich denke, das wird mit dieser Regelung auch gelingen.

Es ist bereits erwähnt worden: Die Wiedereinführung des zweiten Berufsrichters wird der Verfahrensbeschleunigung und auch der Steigerung der Qualität von größeren Verfahren dienen. Auch das halte ich für wirklich wichtig.

Und jetzt komme ich zum letzten Punkt, der natürlich der strittigste war, zum Man­datsverfahren. Gerade da – ich möchte das noch einmal sagen – haben wir wirklich viele, viele Anregungen aufgenommen, haben auch auf vieles reagiert, was da an Kritik gekommen ist. Es gab vor allem die Bedenken hinsichtlich der Rechtsstellung von Opfern von Delikten, dass deren Position durch das Mandatsverfahren in irgendeiner Form beeinträchtigt werden könnte. Diesen Bedenken haben wir wirklich Rechnung ge­tragen, auch den Bedenken der Opferschutzeinrichtungen, indem in der jetzt vorliegen­den Form die Opfer die Möglichkeit haben, durch einen Einspruch das Mandatsverfah­ren überhaupt zu torpedieren. Das ist letztlich, glaube ich, eine sehr starke Maßnahme zugunsten der Opfer.

Ich habe damit auch wirklich kein Problem, weil ich davon ausgehe, dass das Man­datsverfahren natürlich eine Verfahrensart sein sollte, die vom Richter nur dann als Lösungsvariante gewählt werden soll, wenn wirklich alles klar ist, auch in Bezug auf die Rechte und Ansprüche der Opfer.

Noch ein kleiner Punkt: Natürlich wird auch das Mandatsverfahren letztlich der Verfah­rensbeschleunigung dienen können. Ich glaube auch nicht, dass es der Diversions­möglichkeit unmittelbar in die Quere kommt und diese beeinträchtigt.

Es ist richtig, dass dieses Mandatsverfahren in der jetzigen Form auf Anregungen von Praktikern beruht. Wir haben mit vielen Bezirksrichtern gesprochen, die es für einen bestimmten Anwendungsbereich gerne wieder gehabt hätten. Und daher glaube ich auch sagen zu können, dass ich eigentlich sehr optimistisch bin, was die praktische Umsetzbarkeit dieser Regelung betrifft. Das ist eine Regelung für die Praxis, unter Be­achtung der entsprechenden rechtsstaatlichen Erfordernisse in Bezug auf die Opfer.


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Ein Punkt sei noch erwähnt, weil Kollege Steinhauser auch gemeint hat, auch durch die Berichtspflicht sei immer eine Verzögerung von Verfahren gegeben. Da sind zwei Kleinigkeiten zu korrigieren: Es gab im letzten Jahr insgesamt 600 Vorhabensberichte, nicht mehr. Und im Übrigen: Es gibt keine Berichte mehr an das Kabinett. Wir haben im Kabinett keine berichtspflichtigen Akten.

Und, ein weiterer Punkt, auch das möchte ich gesagt haben – ich habe es schon öfters erwähnt –: Selbstverständlich ist für mich die Einschränkung der Berichtspflicht ein Thema, keine Frage. Nur, es hat keinen Sinn, jetzt schon an dieser kleinen Schraube zu drehen, bevor nicht klar ist, was an der großen Schraube der Weisungsberechti­gung an sich möglich ist. Und das hängt eben davon ab, was die dafür eingesetzte Ex­pertengruppe, die von Anfang an bis Ende des Jahres dafür Zeit haben sollte, diesbe­züglich an Vorschlägen machen wird.

Ich komme schon zum Schluss. Ich bin sehr froh darüber, dass Sie alle sich offenbar sehr intensiv mit diesem Gesetzentwurf befasst haben, und bin überzeugt davon, dass er eine Verbesserung der Situation bringen wird.

Im Übrigen habe ich, weil das von Ihnen mehrfach erwähnt worden ist, sozusagen als Symbol, das jetzt auch probiert, und ich sage Ihnen ganz offen: Wenn man dieses Wasserglas (der Redner zeigt ein halb volles Wasserglas) nicht immer ganz füllt, son­dern immer nur zur Hälfte, ist der Effekt letztlich auch derselbe: Es löscht den Durst. Man muss halt ein paar Mal öfter einschenken, aber im Ergebnis ist es egal, ob halb voll oder halb leer. Das Ergebnis passt. Es ist vielleicht da oder dort mehr Mühe, aber das kann ja auch nicht schaden. Jedenfalls scheue ich das nicht.

Ich danke noch einmal für die konstruktiven Ausführungen und bitte Sie im Sinne des­sen, was ich soeben ausgeführt habe, um eine deutliche Zustimmung zu diesem Re­formpaket. Das wird natürlich nicht alle Probleme lösen, aber es ist ein wichtiger Schritt, um jedenfalls einmal die größeren Probleme anzugehen und sich in weiterer Folge genau zu überlegen, was allenfalls noch erforderlich sein wird. Aber dieser Ent­wurf wird sich – davon bin ich überzeugt – auch in der Praxis bewähren. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berla­kovich. – Bitte.

 


16.35.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zum The­ma Vorratsdatenspeicherung: Ich denke, dass die Entscheidungen, die gefällt wurden, jetzt die Chance bieten, das Thema Vorratsdatenspeicherung einer vernünftigen Lö­sung zuzuführen.

Es gibt immer mehr Bürger, die gewaltiges Unbehagen haben, dass heute alles an Da­ten festgehalten wird. Der Begriff vom gläsernen Menschen, der früher ein bisschen der Gottseibeiuns war, wird in Wirklichkeit von der Realität übertroffen. Wenn heute Essgewohnheiten und Dinge bis hin zum Kaufverhalten dokumentiert werden, so gibt es tatsächlich bei unbescholtenen, ehrlichen, anständigen Bürgern großes Unbehagen.

Ich denke, dass eine Lösung möglich ist, die sozusagen die Gratwanderung schafft, ei­nerseits berechtigten Sicherheitsinteressen des Staates Rechnung zu tragen, anderer­seits aber auch Bürgerinteressen einer modernen Gesellschaft zu wahren.

Österreich war und ist ein Rechtsstaat. Das soll aber nicht heißen, dass sich dieser auf seinen Lorbeeren ausruht, sondern es ist unser Ziel, die Qualität unseres Rechtsstaa-


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tes aufrechtzuerhalten, ja sie sogar weiterzuentwickeln. Vor allem muss unser Rechts­system permanent verändert und verbessert werden, weil sich auch unsere Gesell­schaft ändert.

Früher sind vielleicht gewisse Dinge unter den Teppich gekehrt worden, heute aber werden diese nicht mehr toleriert, beispielsweise Gewalt in der Familie – ich sage: ganz zu Recht werden sie nicht mehr toleriert.

Andererseits darf unser Rechtsstaat aber auch nicht überfrachtet werden. Der Bürger muss in einer vertretbaren Zeit zu seinem Recht kommen. Und genau das sind die Hauptanliegen der vorliegenden Novelle, nämlich dass die Strafprozessordnung einer­seits schnellere Verfahren bringt und andererseits einen besseren Rechtsschutz dar­stellt.

Es ist schon einiges gesagt worden, daher kann ich meine Ausführungen kurz halten. Ich halte es auch für sinnvoll, dass das Ermittlungsverfahren auf drei Jahre verkürzt wird; amtswegig wird das überprüft. Eine Verlängerung ist natürlich möglich, wenn die Staatsanwaltschaft sagt, dass es ein sehr komplexes Verfahren ist – das kann dann um zwei Jahre verlängert werden.

Ich halte es auch für sinnvoll, dass es einen verbesserten Rechtsschutz gibt. Es ist ja fast ein bisschen ein Volkssport geworden, dass unbescholtene Bürger ohne einen Be­weis einer Straftat beschuldigt werden, so nach dem Motto: Irgendwas wird schon hän­gen bleiben!

Nach dem Gesetz wurden diese Personen bisher als Beschuldigte bezeichnet. Das trägt schon das Wort „Schuld“ in sich, daher ist es gut, dass wir das heute ändern und dass der Begriff des „Verdächtigen“ und des „Anfangsverdachts“ eingeführt wird. Ich meine, das bringt einen besseren Schutz der Persönlichkeit.

Gut ist auch das Mandatsverfahren für minder schwere Fälle, das wurde angespro­chen. Es kann ja durchaus sein, dass ein Bürger mit dem Auto fährt, plötzlich einen An­ruf bekommt und dadurch einen Unfall mit leichter Körperverletzung verursacht. Und dieser Autofahrer ist sich der Schuld bewusst und will auch Verantwortung überneh­men. In diesem Fall ist es gut, dass ein derartiges Mandatsverfahren die Möglichkeit schafft, dass einerseits der unschuldig Verunfallte zu seinem Recht kommt, dass der Staat, die Justiz sich Geld und Zeit ersparen und dass letztlich auch der Unfallverur­sacher, der sagt: Ja, ich habe da einen Fehler gemacht!, ohne aufwendiges Verfahren und ohne, dass es zu einer nervenaufreibenden Verhandlung kommt, zu einer Klärung der Situation kommt.

Ich finde auch, dass das Thema Gewalt in der Familie bei diesem Mandatsverfahren besondere Berücksichtigung finden soll. Wir haben das diskutiert. Die Dunkelziffer ist eine hohe. Es steigt leider die Zahl der Fälle, in denen Gewalt in der Hausgemeinschaft passiert. Daher ist es gut, dass hier dem Rechnung getragen wird. Vor allem, dass Frauen, wenn so etwas passiert – und insbesondere sind Frauen davon betroffen –, ei­ne umfassende Information über ihre Rechte bekommen und dass die Opfer dabei ge­schützt werden, ist wichtig. Der Herr Bundesminister hat es ja schon ausgeführt, dass auch NGOs beigezogen werden sollen, die diesen Opfern helfen sollen.

Herr Bundesminister, ich gratuliere Ihnen – Sie werden allseits gelobt, und das ist gut – und freue mich, dass bei derart schwierigen Materien hier gemeinsam an einem Strang gezogen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 150

16.40.15

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich in meinem Redebeitrag dem Mandats­verfahren widmen.

Zwischen dem Ministerialentwurf und der heute vorliegenden Regierungsvorlage sind viele Änderungen eingearbeitet worden, die unter anderem von Opferschutzeinrichtun­gen vorgebracht wurden, die auf Experten- und Expertinnenebene, sei es nun von den unterschiedlichen Ministerien, sei es auch von den Klubs vorgebracht wurden, und wo Sie ein offenes Ohr gezeigt haben, Herr Minister, und entsprechend agiert haben, dass in dieser Regierungsvorlage sehr vieles noch Berücksichtigung gefunden hat.

Dass jetzt für Opfer die Möglichkeit besteht, Einspruch zu erheben, dass es grund­sätzlich nicht möglich ist, ein Mandatsverfahren anzusetzen, wenn sich das Opfer da­gegen ausspricht, das ist eine sehr wichtige Maßnahme in diesem Gesetzentwurf, in dieser Regierungsvorlage.

Ich bin immer schon frauenpolitisch aktiv gewesen. Ich habe mich immer für die Rechte der Opfer eingesetzt. Dass hier, so hoffe ich doch, die Opferschutzeinrichtungen be­ziehungsweise deren Bedenken Berücksichtigung gefunden haben, darüber bin ich schon sehr froh und auch beruhigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Steinacker, Kolleginnen und Kollegen einbringen.

In diesem Entschließungsantrag geht es darum, dass wir Sie, Herr Bundesminister, er­suchen, im Zusammenhang mit der Einführung des Mandatsverfahrens in § 491 StPO folgende begleitende Maßnahmen durchzuführen:

1. Rechtzeitig vor Inkrafttreten der Regelungen des Strafprozessrechtsänderungsge­setzes 2014 im Rahmen eines Einführungserlasses alle in Strafsachen tätigen Rich­terinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sowie Bezirksanwältinnen und Bezirksanwälte nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass bei der Anwendung der neuen Verfahrensart besonders da­rauf zu achten ist, dass alle Verfahrensbeteiligten, die von einem Mandatsverfahren betroffen sein könnten, insbesondere Opfer, individuell und umfassend über ihre Rech­te belehrt werden. – Ein wichtiger Punkt, dieser Einführungserlass. –

2. In die erforderliche Anpassung der Formulare zur Information und Belehrung für Op­fer die im Bereich des Gewaltschutzes tätigen NGOs (insbesondere die Gewaltschutz­zentren in Wien, also die Interventionsstelle, und den Weissen Ring) rechtzeitig ein­zubeziehen. – Eine wichtige Maßnahme für die Opferschutzeinrichtungen, die ja immer mit den Opfern zu tun haben. –

3. Bis zum 30. Juni 2017 dem Parlament eine Auswertung der Anwendungszahlen des Mandatsverfahrens unter größtmöglicher Aufschlüsselung aller wesentlichen Parame­ter (Anzahl der Einsprüche, Deliktsart, Betroffenheit der Opfer und anderes mehr) zu übermitteln und darüber zu berichten, ob die Erfahrungen mit dem Mandatsverfahren dessen Beibehaltung begründen können.

*****

Mit diesem Entschließungsantrag, mit diesem Zusatz kann ich dieser Vorlage auch mit gutem Gewissen zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Steinacker, Mag. Wurm, DI Berlakovich, Kollegin­nen und Kollegen

betreffend Sicherstellung einer opfergerechten Abwicklung des Mandatsverfahrens

eingebracht im Zuge der Debatte über den Ausschussbericht betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Suchtmittelgesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Geschworenen- und Schöffen­gesetz 1990 und das Gebührenanspruchsgesetz geändert werden (Strafprozessrechts­änderungsgesetz 2014) (203 d.B.)

Im Strafprozessrechtänderungsgesetzes 2014 wird die Einführung eines schriftlichen Mandatsverfahrens vorgeschlagen.

Auf Ebene der Bezirksgerichte und der Einzelrichter des Landesgerichts soll es künftig möglich sein, ein Strafverfahren wegen Vergehen einer beschleunigten Verfahrensab­wicklung zuzuführen, wenn die Sach- und Rechtslage umfassend geklärt ist, der Ange­klagte zum Anklagevorwurf vernommen worden ist und keine Beeinträchtigung der Rechte und Interessen des Opfers zu befürchten ist.

Zur Klärung dieser Voraussetzungen soll es dem Gericht auch freistehen, Angeklagten und Opfer zu vernehmen und gegebenenfalls auch die Frage der Schadensgutma­chung einer vergleichsweisen Bereinigung zuzuführen.

Im Begutachtungsverfahren und in anschließenden Gesprächen haben Opferschutzor­ganisationen Bedenken gegen diese Verfahrensart wegen der möglichen Verkürzung von Opferrechten und der mangelnden Eignung zur Behandlung von Gewalttaten im familiären Naheverhältnis geäußert.

Diese Kritik ist ernst zu nehmen: es darf vor allem zu keiner auch nur scheinbaren Ver­nachlässigung der Signalwirkung einer öffentlichen Hauptverhandlung in Fällen häus­licher Gewalt kommen. Das Interesse der Opfer, hier vor allem der Frauen an umfas­sender Information und Aufklärung ist eben so wichtig, wie eine weitere Sensibilisie­rung im Bereich der Justiz, Gewalttaten in familiären Beziehungen den gebührenden Stellenwert einzuräumen und Opfer auch zu ermächtigen, ihre Interessen vor Gericht deutlich vertreten zu können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, im Zusammenhang mit der Einführung des Mandatsverfahrens in § 491 StPO folgende begleitende Maßnahmen durchzuführen:

1. Rechtzeitig vor Inkrafttreten der Regelungen des Strafprozessrechtsänderungsge­setzes 2014 im Rahmen eines Einführungserlasses alle in Strafsachen tätigen Rich­terinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sowie Bezirksanwältinnen und Bezirksanwälte nachdrücklich darauf hinweisen, dass bei der Anwendung der neuen Verfahrensart besonders darauf zu achten ist, dass alle Verfahrensbeteiligten, die von einem Mandatsverfahren be­troffen sein könnten, insbesondere Opfer, individuell und umfassend über ihre Rechte belehrt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 152

2. In die erforderliche Anpassung der Formulare zur Information und Belehrung für Opfer die im Bereich des Gewaltschutzes tätigen NGOs (insbesondere die Gewalt­schutzzentren und den Weissen Ring) rechtzeitig einzubeziehen.

3. Bis zum 30. Juni 2017 dem Parlament eine Auswertung der Anwendungszahlen des Mandatsverfahrens unter größtmöglicher Aufschlüsselung aller wesentlichen Parame­ter (Anzahl der Einsprüche, Deliktsart, Betroffenheit der Opfer uam) zu übermitteln und darüber zu berichten, ob die Erfahrungen mit dem Mandatsverfahren dessen Beibehal­tung begründen können.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Feichtinger. – Bitte.

 


16.44.23

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist schon mehrfach erwähnt worden: Das Man­datsverfahren ist einer der zentralen Punkte der heutigen Novellierung der Strafpro­zessordnung. Wenn auch von verschiedener Seite her Bedenken in die eine oder an­dere Richtung angemeldet wurden, so darf man doch festhalten, dass nach den in­tensiven Diskussionen, insbesondere über die Höhe des maximal möglichen Strafaus­spruches, die Vertretung durch einen Anwalt bei Verhängung einer bedingten Haftstra­fe erreicht wurde und – die Genossin Wurm hat es schon erwähnt – insbesondere auch, dass das Opfer selbst – und das ist ja eine relativ einmalige Gelegenheit im Strafverfahren – durch einen Einspruch das gesamte Verfahren kippen und damit die Anordnung einer Hauptverhandlung erreichen kann. Der Herr Bundesminister hat es schon erwähnt.

Nach diesen ganzen Diskussionen liegt nun ein aus unserer Sicht praktikabler Entwurf zur Beschlussfassung vor.

Im Rechtsvergleich finden sich auch in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz seit Jahren in Kraft befindliche ähnliche Regelungen für derartig gelagerte Fäl­le, mit welchen durchaus positive Erfahrungen gemacht wurden. Ich kann hier nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Bedenken, die der Kollege Steinhauser geäu­ßert hat, dass es hiedurch zu Einschränkungen bei den Diversionen, beim Außerge­richtlichen Tatausgleich kommt oder es sich sogar in Richtung Prozessabsprachen be­wegen könnte, unbegründet sind, dass diese Entwicklungen nicht stattfinden.

Insofern finde ich auch den eingebrachten Entschließungsantrag extrem sinnvoll und wichtig, dass eben die Auswertung der Anwendungszahlen des Mandatsverfahrens bis 30. Juni 2017 dem Parlament zu übermitteln ist und darüber zu berichten ist, ob die Er­fahrungen mit dem Mandatsverfahren dessen Beibehaltung begründen können.

Eines der Hauptargumente, warum das Verfahren eingeführt wird, war ja Verfahrens­vereinfachung, Verfahrensbeschleunigung und damit verbunden Arbeitsentlastung für die zuständigen Gerichte. Da ist es schon interessant zu erfahren, ob die gesetzten Ziele mit der neuen Verfahrensart auch erreicht werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


16.46.47

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Das Strafprozessrecht hat Re-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 153

formbedarf. SPÖ und ÖVP haben sich dazu im Arbeitsprogramm der Bundesregierung klar bekannt. Heute liegen konkrete Reformvorschläge zur Beschlussfassung vor.

Zum kontrovers diskutierten Mandatsverfahren möchte ich feststellen, die Reformziele auf den Punkt gebracht, das heißt für mich, das Strafverfahren soll schneller gehen, aber nicht schlechter werden.

Wie kann das Verfahren gestrafft und beschleunigt werden, wie können dabei aber ei­nige für uns wichtige Grundsätze ausgebaut werden? – Zu diesen Grundsätzen zähle ich mehr Opferschutz, starke Grundrechte für den Beschuldigten gegenüber dem mächtigen Staat, ein hohes Maß an Transparenz, einen positiven Rahmen schaffen, dass Strafprozesse besonnen und sachlich ablaufen.

Im ersten Entwurf des Ministeriums blieb noch vieles offen, was zu heftigen Diskus­sionen in und zwischen den Fraktionen geführt hat. Aber trotz einer kurzen Begutach­tungsfrist konnten in den Verhandlungen zwischen den Fraktionen viele Bedenken aus­geräumt werden, was sich im Abänderungsantrag der Regierungsparteien im Aus­schuss ausdrückte.

Ein Kritikpunkt am Mandatsverfahren war, dass der direkte Kontakt des Angeklagten zum Gericht, die Konfrontation in der Verhandlung, der mahnende präventive Urteils­spruch des Gerichts eben fehlt. Dies wurde nun berücksichtigt. Das Mandatsverfahren ist bei jugendlichen Angeklagten nicht anzuwenden, wie wir es nun im § 32 Abs. 4 fin­den.

Das viel diskutierte Mandatsverfahren wird jetzt, nach der Abänderung, nur bei Delikten verhängt, die mit Geldstrafe oder bedingter Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden, wie zum Beispiel gefährliche Drohung, Nötigung, Körperverletzung, fortgesetz­te Gewaltausübung.

Opfer erhalten ein Einspruchsrecht gegen das Mandatsverfahren und nun gilt Verteidi­gerpflicht bei einer Verhängung einer ein Jahr nicht übersteigenden bedingten Frei­heitsstrafe.

Das Mandatsverfahren ist ja bloße Option für den Richter oder die Richterin, in eindeu­tigen Fällen bei Vorliegen eines Geständnisses eben das Strafverfahren zu straffen, zu beschleunigen und dass mit einem klaren gesetzlichen Auftrag dabei die Interessen sämtlicher Betroffener zu berücksichtigen sind, wozu ja auch der Entschließungsantrag noch aufruft und dazu Stellung genommen wird.

In den Verhandlungen konnte die SPÖ erreichen, dass die Einspruchsfrist nun vier Wochen beträgt, statt der sehr knappen 14 Tage im Ministerialentwurf.

Damit können wir heute einen vernünftigen Ausgleich vorlegen. Die Reform des Straf­prozessrechts geht in eine neue zeitgemäße Phase. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.50

16.50.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 203 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Stefan vor.

Ich werde daher zunächst über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setzentwurfes abstimmen lassen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 154

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 44 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit ange­nommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend vollen Kostener­satz bei Freispruch im Strafverfahren.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Jarolim, Mag. Steinacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstel­lung einer opfergerechten Abwicklung des Mandatsverfahrens.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 38.)

16.52.1911. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 465/A der Abgeordneten Otto Pendl, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz geändert werden (259 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


16.53.00

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren. Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es darum, dass jener Betrag, den ein Abgeordneter zur Verfügung gestellt bekommt, um parlamentarische Mitarbeiter zu bezahlen, um etwa 30 Prozent angehoben werden soll. Das würde eine faktische Erhöhung von 30 Prozent bedeuten, denn diese Bezüge sind in den letzten Jahren – ausgenommen der Nulllohnrunde – immer mit den Beam­tengehältern mitgestiegen. Hier geht es also nicht um eine Anpassung an die Inflation, sondern um eine tatsächliche Erhöhung des Bruttogehaltes von bisher 2 523 € auf 3 391 €. Argumentiert wird das damit, dass von den parlamentarischen Mitarbeitern be­sondere Leistungen erbracht würden, die diese Erhöhung rechtfertigen.

Bei allem Verständnis dafür, dass Leistung belohnt und honoriert werden soll, und auch bei allem Respekt vor den parlamentarischen Mitarbeitern: Wir halten diese Än-


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derung für sachlich nicht gerechtfertigt. Wenn Leistung belohnt werden soll, dann frage ich mich schon – allein hier im Haus –: Wie ist es mit den Fachreferenten in den Klubs, die hervorragende Arbeit leisten, oder mit den anderen Mitarbeitern des Parlaments, warum werden die nicht auch belohnt? Ist deren Arbeit nicht besonders herausragend? Wie ist es überhaupt mit allen Bürgern in diesem Staat, warum gönnt man denen nicht auch eine derartige Erhöhung, wenn es irgendwie möglich wäre, oder den Beamten an sich und so weiter?

In Wirklichkeit liegt das Problem woanders, nämlich schlicht und einfach bei den enor­men Lohnnebenkosten. Aufgrund dieses enormen Aufwandes, den auch jeder Unter­nehmer zu tragen hat, bleibt letztlich so wenig beim Dienstnehmer übrig. Das ist das Problem – und nicht die Frage der Leistungsentlohnung.

Am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn der Dienstnehmer ein Bruttoge­halt von 2 000 € erhält, er den Dienstgeber in Wirklichkeit 2 625 € kostet. Dem Dienst­nehmer bleiben davon netto 1 409 €, und hier entsteht in Wirklichkeit diese Kluft. Das ist das große Problem, über das wir immer wieder diskutieren. Da müsste man anset­zen, und jetzt nicht eine sachlich nicht gerechtfertigte Erhöhung durchführen, die auf eine ganz bestimmte Gruppe zugeschnittenen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich nehme an, es wird heute noch ein Redner auf die Sachlichkeit hinweisen. – Ich hal­te hier Sachlichkeit für nicht gegeben.

Erfreulich ist, dass hier noch ein Abänderungsantrag eingebracht wird, denn wir haben auf einen wirklich legistischen Fehler in dem Gesetzentwurf hingewiesen. Das wurde mehrmals zurückgewiesen, es sei da kein Fehler, es sei alles korrekt. Gott sei Dank haben sich die Damen und Herren von den Regierungsfraktionen den Gesetzentwurf jetzt noch einmal genau angeschaut und festgestellt, dass wir sehr wohl recht gehabt haben.

Wir bringen hier konstruktive Kritik ein, und ermöglichen es, dass das Gesetz wenigs­tens formell richtig zustande kommt. Wir selbst, wie gesagt, stimmen dem nicht zu, weil wir diese Erhöhung für sachlich nicht gerechtfertigt halten. Das hat nichts damit zu tun, dass wir die Tätigkeit der Mitarbeiter hier im Parlament nicht schätzen, oder dass wir meinen, diese dürfe überhaupt nicht belohnt werden.

Wir sind der Überzeugung, dass wir an diese Problematik – die Entgeltung von Abge­ordneten, von parlamentarischen Mitarbeitern und überhaupt, an diesen wesentlichen Teil für die funktionierende Demokratie – sogar sehr selbstbewusst herangehen sollten, aber eben nicht durch die Heraushebung einer Gruppe und einer Anhebung um 30 Prozent, denn damit wird in Wirklichkeit eine Ungleichheit hergestellt, die nicht ge­rechtfertigt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

16.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


16.57.01

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich werde versuchen, das Thema sehr sachlich zu bearbeiten. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Bei der Budgetdiskussion kamen folgende Hinweise: Ihr nehmt die zukünftigen parlamentarischen Maßnahmen, sowohl den UsA als auch die parlamentarischen Enqueten betreffend, so ernst, dass ihr nicht einmal einen Euro dafür ins Budget stellt! Ich hoffe, das ist noch allen in Erinnerung. Wir haben das zum Anlass genommen, um die finanzielle Vorsorge zu schaffen und gleichzeitig Maßnah­men zu treffen, weil mehr parlamentarische Aktivitäten und Arbeit – auch im demokra­tiepolitischen Sinne, was das Haus betrifft – auch etwas kosten. Dazu haben wir uns damals bekannt, und dazu bekennen wir uns auch noch heute. (Präsident Kopf über­nimmt wieder den Vorsitz.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 156

Ich möchte mich, bevor ich einen Abänderungsantrag einbringe, ganz ehrlich, ohne Po­lemik, Herr Kollege Stefan (Abg. Höbart: Sachlich!), bei unseren parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken! Ich mache das ehrlich. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS.)

Wir nehmen alles als Selbstverständlichkeit hin, glauben, sie sind rund um die Uhr für uns da, aber wenn es dann darum geht, unseren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern gegenüber fair und gerecht zu sein, dann kommen wir mit der Diskussion ins Nirwana. Das kann man schon so argumentieren. Eine vollbeschäftigte parlamentari­sche Mitarbeiterin, die akademisch ausgebildet ist und mehrere Fremdsprachen spricht, bekommt 1 600 € netto. Erklären Sie ihr das! Diese Beträge – und das wissen Sie, Herr Kollege, und das hätten Sie nicht notwendig gehabt – sind die Gesamtkosten, weil wir es rechtlich nicht anders darstellen können. (Abg. Stefan: Die Gesamtkosten sind andere!) Das ist nicht fair gegenüber einer der schwächsten Gruppen hier in die­sem Haus. (Abg. Kogler: Richtig!) Dieses Niveau lehne ich mit aller Klarheit ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wir haben kein schlechtes Gesetz vorbereitet. Aber wir nehmen immer alle Redebeiträ­ge, auch in den Ausschüssen, sehr ernst. Bevor wir hier diskutieren und irgendjemand etwas interpretiert, haben wir ohne Probleme gesagt: Okay, dann treffen wir hier einige legistische Maßnahmen – ich werde gleich den Antrag einbringen –, damit nichts mehr zu interpretieren ist! Das waren die parlamentarischen Mitarbeiter.

Was unsere Spesen betrifft, so haben wir nichts anderes gemacht als eine Systemum­stellung, abgekoppelt von den Einkünften der Abgeordneten und angebunden an ein Beamtenschema. Das ist es. In Wirklichkeit hätte es ja seinerzeit, im Jahre 1997, nicht an diese Regelung angebunden werden dürfen.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Pendl, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfas­sungsausschusses über den Antrag 465/A der Abgeordneten Pendl, Wöginger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz geändert wer­den (259 d.B.).

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Im Einleitungssatz zu Art. 1 wird die Wortfolge „BGBl. I Nr. 8/2013“ durch die Wort­folge „BGBl. I Nr. 209/2013“ ersetzt.

2. In Art. 1 wird in Z 1 in § 10 Abs. 1 nach der Wortfolge „zu 12 % des“ die Wortfolge „Ausgangsbetrags eines“ eingefügt.

3. In Art. 1 wird in Z 2 in § 10 Abs. 2 die Bezeichnung „50 %“ durch die Bezeichnung „6 %“ ersetzt.

4. In Art. 1 wird nach Z 2 folgende Z 2a eingefügt:

„2a. In § 10 Abs. 8 wird die Wortfolge ‚erhöht sich der Betrag nach Abs. 1 um 6 % des Ausgangsbetrages‘ durch die Wortfolge ‚erhöht sich der Betrag nach Abs. 1 um 12 % des Ausgangsbetrages nach Abs. 1‘ ersetzt.“

5. In Art. 1 Z 5 wird in der Novellierungsanordnung die Bezeichnung „Abs. 13“ durch die Bezeichnung „Abs. 14“ ersetzt und lautet dieser:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 157

„(14) § 10 Abs. 1, 2, 8, 9 und 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2014 treten mit 1. August 2014 in Kraft.“

Begründung:

Es handelt sich hiebei um legistische Richtigstellungen und um die Einbeziehung der Europaratsmitglieder in die geänderten Bezugshöhen für deren Aufwendungen.

*****

Lassen Sie mich abschließend – denn es eignet sich nicht für Polemik – Danke sagen, bei dir, August (Zwischenrufe bei der SPÖ), bei allen SprecherInnen und Abgeordne­ten, die sich für unsere parlamentarischen Mitarbeiter eingesetzt haben.

Springt über euren Schatten, unsere Bediensteten haben es sich verdient! Stimmt alle zu! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.02


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Pendl eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte. (Abg. Räd­ler: Die FPÖ gegen die kleine Leute!)

 


17.02.30

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Ich habe an sich eine tatsächliche Berich­tigung zu machen, und zwar folgende:

Herr Abgeordneter Pendl hat behauptet, ich hätte angeführt (Abg. Jarolim: Jugend­feindliche Rede gehalten!): tatsächliche Aufwendungen der Abgeordneten.

Ich habe aber bewusst gesagt: Bruttogehälter. Ich kann das durchaus unterscheiden. Ich habe gesagt: Bruttogehalt 2 523 € wird auf Bruttogehalt 3 391 € erhöht. Die tat­sächlichen Aufwendungen sind jetzt 3 197 € und werden auf 4 291 € erhöht.

Ich möchte nur festhalten, dass ich das sehr wohl auseinanderhalten kann und Sie mir da offenbar nicht richtig zugehört haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Dann sagt es auch! – Abg. Stefan – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Habe ich gesagt!)

17.03


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Herr Abgeordneter, dass Sie trotz meines Fehlers, eine Wortmeldung von Ihnen anzukündigen, eine tatsächliche Berichtigung, wie es hier am Bildschirm steht, gemacht haben. Danke.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


17.03.31

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Kollege Pendl, Sie wissen, dass ich Ihnen in Ihrem flammenden Plädoyer im Grunde genommen recht ge­be. (Abg. Pendl: Um das können sich die Pa-Mi nichts kaufen! – Weitere Zwischen­rufe.) Sie wissen, dass wir der Erhöhung der Gehälter von parlamentarischen Mitarbei­tern – und das haben wir im Ausschuss auch so diskutiert – grundsätzlich positiv ge­genüberstehen.

Sie haben die Gründe angeführt: Es sind in der Regel Akademiker, es gibt kaum eine Chance beziehungsweise gar keine, dass wir die Gehälter auch erhöhen, das ist gar keine Frage, sie arbeiten extrem viel, die Qualität der Arbeit ist, nehme ich an, in allen Klubs extrem gut – deswegen ist es auch nachvollziehbar. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Die Ausweitung des Budgets, das ja im Endeffekt dem Abgeordneten zur Verfügung steht, der dann entscheiden kann, wie viel er davon weitergibt, würde dem Parlamenta­rismus guttun. Das würde nämlich genau dazu führen, dass wir den lebendigen Par­lamentarismus haben, den wir eigentlich haben wollen. Ich verweise auf Vergleichs­beispiele, nur um sie kurz anzuführen.

Sie wissen, im Europäischen Parlament schaut das ganz anders aus. Der Abgeord­nete, nämlich der oder die Abgeordnete ad personam, hat viel mehr Geld zur Verfü­gung, kann dementsprechend mehr Mitarbeiter für sich in sein Büro einstellen. Das stärkt ihn nämlich in dem Zusammenhang auch gegenüber seiner Fraktion, und das ist mit ein Grund – nicht der einzige, denn ein anderer Grund ist, dass die auch noch aus unterschiedlichen Ländern kommen –, dass dort Abgeordnete emanzipierter sind und gegen die eigene Fraktion stimmen. (Abg. Schönegger: Machen Sie das!) – Wir? – Machen wir oft genug!

Sie können Kollegen Loacker fragen, er stimmt hier oft genug gegen die eigene Frak­tion. (Abg. Schönegger: Aber Sie?) – Ja, ich auch. Hören Sie sich die Argumente an, ich werde es Ihnen erklären! – Im Deutschen Bundestag genau das Gleiche: Abgeord­nete haben mehr Geld zur Verfügung, haben mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter und so weiter und so fort.

Bei uns ist es nur das Problem, dass das Geld – und wir geben ja viel Geld für den Parlamentarismus aus – in die Klubförderung fließt. Das ist so viel, dass sich die SPÖ im letzten Wahlkampf – sie haben es dann von der Partei zurückgezahlt – 3,5 Millio­nen €, glaube ich, für Plakate hat leisten können. Es ist alles zurückgezahlt worden, gar keine Frage, aber die Frage ist die Dimension, wie viel Geld da im Klub ist.

Das macht natürlich den Parlamentsklub stärker als die einzelnen Abgeordneten. Das ist aber nicht so, wie es eigentlich gedacht ist. Es ist nämlich so gedacht, dass der Ab­geordnete sein freies Mandat ausfüllen kann, dass der Abgeordnete im Mittelpunkt steht, weil er ja schließlich der gewählte Volksvertreter ist, und nicht nur, wie Sie sich das vorstellen, der Parlamentsklub, der bei uns aktuell die wahre Macht hat, weil dort die finanziellen Mittel liegen, dort Fachreferenten angestellt werden und so weiter und so fort.

Übrigens, weil Kollege Stefan gesagt hat, die Fachreferenten fallen dann irgendwie un­ter den Tisch: Das kann ich so auch nicht teilen, weil das der Parlamentsklub ent­scheidet, wie er die Fachreferenten bezahlt. (Abg. Rädler: Zur Sache!)

Betreffend die Erhöhung, die wir heute hier besprechen, ist aber das Problem, dass wir trotzdem nicht dort hinkommen, wie es die Intention ist, wie Kollege Pendl gesagt hat: Na, wir haben da mehrere Enqueten, wir haben Untersuchungsausschüsse und so weiter. – Ich persönlich bin der Meinung, dass wir mit der Erhöhung den Arbeitswust, der da auf uns zukommt, nicht irgendwie abfedern können. Das ist eine Erhöhung, gar keine Frage, aber die Intention kann ich so nicht teilen.

Ich glaube, wir sollten viel eher grundsätzlich diskutieren – das haben wir im Aus­schuss auch gemacht –, was uns denn Demokratie wert sein sollte – gar keine Frage, da bin ich sofort dabei, machen wir das! Kollege Wöginger hat auch gesagt, im Herbst sollten wir vielleicht einmal darüber diskutieren. Ich glaube, dass der einzelne Abgeord­nete jedenfalls noch mehr Geld zur Verfügung haben sollte als das, was wir oder was Sie ihm jetzt durch diese Erhöhung zusprechen wollen. (Zwischenruf des Abg. Pendl.)

Es geht eben um den einzelnen Abgeordneten, denn wenn der einzelne Abgeordnete mehr Geld zur Verfügung hat, dann ist er unabhängig. Das ist nämlich das, was ein freies Mandat auch sein sollte. Wenn er also unabhängig gegenüber seiner Partei ist, die ja momentan die Listen beschließt, dann ist er unabhängiger gegenüber seinem ei-


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genen Klub, und er kann ebendieses freie Mandat mit der Freiheit und mit der Unab­hängigkeit füllen, wie es eigentlich sein sollte. (Abg. Rädler: Mehr Freiheit ...!)

Jetzt erkläre ich Ihnen, wieso wir nicht zustimmen werden. Sie werden es ohnehin wis­sen, Sie kennen die Argumentation. Es werden die üblichen Zwischenrufe kommen. (Ruf bei der ÖVP: Haselsteiner!) Genau: Oligarchenpartei, Haselsteiner, was weiß ich was.

Sie wissen, wir sind Europameister in der Parteienförderung. Sie wissen, wir sind Vize-Weltmeister, was die Parteienförderung betrifft. Wir wissen alle, dass das größte Pro­blem jetzt nicht unbedingt die Parteienförderung im Bund ist, sondern in den Ländern viel da ist. (Zwischenruf des Abg. Pendl.) Bei den Ländern haben wir ein Problem. Da haben wir keine Gesetzgebungskompetenz, das ist mir vollkommen klar. Man könnte darüber diskutieren, ob man da versucht, auf die einzelnen Ihrer Kollegen in den Län­dern auch Druck auszuüben oder sinnvolle Gespräche zu führen; oder sich im Finanz­ausgleich vielleicht einmal überlegt, dass den Ländern weniger Geld zur Verfügung ge­stellt wird, dass sie auch einmal darüber nachdenken, wie viel da ist. Es ist mir klar: Das geht im Finanzausgleich nicht, weil dann die Landesfürsten kommen, und so wei­ter und so fort. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Der wesentliche Punkt ist – um das zusammenzufassen –: ein grundsätzliches Ja von uns NEOS, von mir. Eine Erhöhung der Gehälter der parlamentarischen Mitarbeiter wäre sinnvoll, aber nur in Verbindung damit: wenn ich die Parteienförderungen senke, wenn ich die Klubförderungen senke, dann gerne! (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt kommt ohnehin schon mein Schlusssatz: Was wir nämlich nicht brauchen, ist mehr Geld im System Politik. Das Geld muss nur dort hinkommen, wo es hingehört, und das ist nämlich beim einzelnen Abgeordneten. (Beifall bei den NEOS.)

17.08


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herrn Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


17.08.38

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Herr Kollege Scherak, eines sei Ihnen schon mitgegeben: Demokratie kostet etwas, vor allem auch mit dem gesamten System, was die Mitarbeiterschaft auch hier im Parlament anbelangt. Was wir sicher nicht wollen, ist, dass eine Demokratie, wie wir sie in Österreich Gott sei Dank haben, abhängig von Reichen wie dem Herrn Haselsteiner und Konsorten wird. Das wollen wir nicht – an die NEOS gerichtet! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Wir sind selbstbewusste Parlamentarierinnen und Parlamentarier, und wir brauchen ei­ne vernünftige Infrastruktur, meine Damen und Herren! Es sei heute auch all jenen ge­dankt, die 1992 den Mut hatten – und ich sage bewusst: den Mut hatten! –, denn wenn ich mir nämlich von Ihnen hier dieses „Schmidtchen Schleicher“ anhöre, dann fällt mir etwas aus der „Deutschen Messe“ ein: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken?“ (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Eigentlich wissen Sie nicht, wie Sie es Ihren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erklären sollen, aber der Boulevard und der Populismus müssen natürlich in irgendei­ner Art und Weise befriedigt werden.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich und offen: Wir haben rund 200 parlamentarische Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter in allen sechs Fraktionen. Ich habe so etwas noch nie erlebt wie damals, als Kollege Pendl und ich am 12. Juni diesen Antrag eingebracht haben, was da für eine mediale Hetze gegen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter losgetre­ten wurde. Es ist eine Schande, meine Damen und Herren! Es ist eine Schande, dass so etwas passieren kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 160

Ich wünsche mir nur eines für die Zukunft. Ich spreche bewusst die Zukunft an, weil im Ausschuss schon durchaus eine sachlichere Diskussion stattgefunden hat, und dafür bedanke ich mich auch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Was ich mir wünsche, ist, dass wir endlich einmal fraktionsübergreifend über diese Maßnahmen diskutieren kön­nen, über das, was unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft, die nicht zu den Klubs gehören.

Das sei hier auch einmal gesagt: Das ist keine versteckte Klubförderung! Sie stehen uns als Mandataren zur Verfügung. Es ist sogar im Parlamentsmitarbeitergesetz aus­drücklich geregelt, dass dieses Verhältnis nicht im Zusammenhang mit den Klubs ste­hen darf. Ich wünsche mir, dass wir das einmal auf einer ganz vernünftigen, sachlichen Ebene diskutieren können, diese Situation, die die Mitarbeiter, aber auch uns als Abge­ordnete betrifft.

Wie ernst nehmen wir uns eigentlich selber (Abg. Walter Rosenkranz: Also Sie neh­men wir nicht ernst!) mit unserer Tätigkeit und mit unserer Aufgabe? – Ich sage Ihnen das ganz offen: Ich bin ein selbstbewusster Mandatar, und auch meine Kolleginnen und Kollegen sowohl von der ÖVP als auch von der SPÖ, das weiß ich wirklich. Ich danke den Grünen dafür, dass sie mitstimmen. Wir sind selbstbewusste Mandatare (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Seit wann sind Sie selbstbewusst?), und wir dürfen uns nicht ständig unter unserem eigenen Wert schlagen, meine Damen und Herren! Das ist nicht der richtige Weg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte mich heute ausdrücklich – und das kommt wirklich von Herzen – bei unse­ren parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken! Und ja, Herr Kol­lege Stefan, es ist eine ordentliche Gehaltserhöhung. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, 30 Prozent!) Wissen Sie auch, warum? – Weil sie 1 681 € netto bekommen. Die letzte Erhöhung hat es im Jahre 2005 gegeben.

Die Aufgaben sind um ein Vielfaches mehr geworden. Wir haben heute eine Vielzahl an Enqueten und Enquetekommissionen. Soeben wird die Einigung verkündet, dass es den Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht gibt, mit einer neuen Verfahrens­ordnung. Das heißt, wir werden in Permanenz einen Untersuchungsausschuss haben, was auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Hauses betrifft.

Sie bereiten uns alles vor für die Plenarsitzungen, für die Ausschusssitzungen, sind ständige Begleitung für uns Abgeordnete sowohl im Parlament als auch im Wahlkreis. Sie betreuten den Bereich der Presse, der Öffentlichkeitsarbeit, der Medien. Bürgeran­fragen, der gesamte E-Mail- und Briefverkehr, Termingestaltung und, meine Damen und Herren, nicht zuletzt die Führungen hier im Haus werden großteils durch parla­mentarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht. Über 100 000 Bürgerinnen und Bürger besuchen im Jahr das Hohe Haus, und auch diese Tätigkeiten werden in einer hervorragenden Art und Weise von unseren parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren, dafür gibt es 1 681 € netto, wobei es sich großteils um Aka­demiker handelt, im Rahmen einer Art All-in-Vertrag, keine Abgeltung für Überstunden. Wenn wir hier um 2 Uhr morgens noch tagen, sind unsere Mitarbeiter in den Büros, so wie auch jetzt. Sie arbeiten für uns und bringen uns die Informationen, die wir brau­chen.

Meine Damen und Herren, ich stehe voll und ganz hinter dieser Erhöhung und freue mich wirklich, dass es heute auch hier in diesem Hause einen breiten Konsens – leider nicht einstimmig – für unsere engagierten und motivierten Mitarbeiter gibt, die wesent­lich zur Qualitätssteigerung hier in diesem Hause beitragen. Die Aufgaben und Anfor­derungen sind gestiegen. Das muss man anerkennen, das muss man wertschätzen, meine Damen und Herren, und das kann man nicht nur mit Worten tun, sondern das muss man auch mit Taten hinterlegen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 161

Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern, auch bei den Klubmitarbeitern und bei allen Bediensteten dieses Hauses, die es ermöglichen, dass wir eine gute Arbeit für dieses Land leisten können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.14


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Lo­acker. – Bitte.

 


17.15.10

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Mir kommen gerade die Tränen, wenn sich hier die großartigen Sozialpolitiker (Abg. Schönegger: Nicht zynisch werden!) – doch, das sage ich – hinstellen und so tun, als ob wir die parlamentarischen Mitarbeiter nicht wertschätzen würden. In Wirklichkeit geht es Ihnen einzig und allein darum, Ihre Partei- und Klubkassen zu füllen, Ihre nimmersatten Apparate zu füllen! – Darum geht es. (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ein Abgeordneter Ihrer Fraktion hat gegenüber einem Medium gesagt: Mein Budget für den parlamentarischen Mitarbeiter ist im April schon aufgebraucht. Das hat jemand aus Ihren Reihen gesagt. Da frage ich mich: Wer zahlt denn den Mitarbeiter nachher? – Die Klubkasse! Sie wollen Ihre Klubkasse entlasten (neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP) und spielen sich so auf, als ob Sie das den kleinen Mitarbeitern zukommen las­sen.

Es ist wirklich ein letztklassiges Doppelspiel, das Sie da spielen. Da gibt man hier den Sozialpolitiker, und in Wirklichkeit kann der Steuerzahler Ihre Apparate füttern! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

17.16


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Wöginger zu Wort gemeldet. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Meine Damen und Herren, wir stehen kurz vor dem Ende dieser heutigen Sitzung. Ich darf Sie jetzt wirklich darum bitten, die Aufregung sich wieder legen zu lassen und zu einem akzeptablen Tonfall und einer Lautstärke, bei der die Reden für alle verständlich sind, zurückzukehren.

Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.16.47

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Kollege Loacker hat soeben behauptet, dass hiermit die Klubkassen gefüllt werden.

Das ist nicht richtig, und ich berichtige tatsächlich, dass die parlamentarischen Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter einen Vertrag mit dem jeweiligen Abgeordneten haben und nicht an den Klub gebunden sind.

Es gibt selbstverständlich eine Zusammenarbeit mit dem Klub, aber es ist auch im Par­lamentsmitarbeitergesetz geregelt sowie in den Dienstverträgen, die wir mit den Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern haben – darin kommt das ebenfalls zum Ausdruck –, dass dezidiert ausgeschlossen wird, dass ein parlamentarischer Mitarbeiter auch in ei­nem Dienstverhältnis zu einer politischen Partei, einem Klub, einer Fraktion, einem all­gemeinen Vertretungskörper oder einer politischen Akademie steht, meine Damen und Herren.

Nehmen Sie das zurück, Herr Kollege Loacker! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.17


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 162

17.18.05

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Ich habe überhaupt kein Verständnis für die Art und Wei­se und auch für den Tonfall, in dem hier über parlamentarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diskutiert wird! (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Ich appelliere insbesondere an die Abgeordneten der NEOS, die sich hier besonders hervorgetan haben, sich nur einen Moment vorzustellen, was es bedeuten würde oder was es bedeutet für ebendiese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie sich Ihre Re­debeiträge anhören müssen. Diese Art und Weise, nicht wertschätzend mit den Mitar­beitern dieses Hauses umzugehen, ist für mich und ist meiner Meinung nach für das gesamte Haus völlig inakzeptabel! (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Dass wir hier zustimmen, hat einen ganz einfachen Grund: Wir wollen ein stärkeres Parlament! Und ein stärkeres Parlament braucht mehr und besser bezahlte Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter, braucht einen eigenen Verfassungsdienst, braucht ein sorgfältig renoviertes und ausgebautes Haus und hat – und das ist das Wichtigste – seit heute Rechte, um die wir Grüne Jahrzehnte in diesem Haus gekämpft haben!

Ich bin sehr froh darüber, dass wir dieses Gesetz jetzt beschließen und mehr Geld für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, aber das Allerwichtigste heute ist die große Ei­nigung über den parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht. Das ist das Neue. Das ist die größte Parlaments- und Demokratiereform der Zweiten Republik. Ich bin jetzt seit fast drei Jahrzehnten Abgeordneter. Ich habe in diesem Haus noch nicht annähernd ein Gesetz mit derart positiven Auswirkungen für die parla­mentarische Demokratie der Republik Österreich gesehen.

Es ist ein wichtiger Tag für den österreichischen Parlamentarismus, für die parlamen­tarische Demokratie. Und gerade an diesem Tag, speziell Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, auf diese Art und Weise mit einer Aufwertung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzugehen, verstehe ich schlicht und einfach überhaupt nicht. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Reden wir doch einmal darüber, was wir zusammengebracht haben: In Zukunft ist die Einsetzung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse Minderheitsrecht. In Zu­kunft ist die Ladung von Auskunftspersonen Minderheitsrecht. In Zukunft ist die Anfor­derung von Akten Minderheitsrecht. In Zukunft sind Organstreitverfahren – wenn sich Minister weigern, die angeforderten Akten herauszugeben, die eine Minderheit ange­fordert hat – beim Verfassungsgerichtshof Minderheitsrecht. Wir haben einen parla­mentarischen Vorsitz durchgesetzt. Wir haben dermaßen viel durchgesetzt, dass ich mir schon manchmal gedacht habe: Was ist da eigentlich in SPÖ und ÖVP passiert, dass sie zu derart weitgehenden Reformen bereit sind?

Ich sage Ihnen eines, und ich sage das jetzt in aller Deutlichkeit: Nach diesen Verhand­lungen bedanke ich mich öffentlich auch bei den Verhandlern von SPÖ und ÖVP, bei Andreas Schieder, bei Otto Pendl, bei Reinhold Lopatka und bei August Wöginger, selbstverständlich auch beim Kollegen Darmann von der Freiheitlichen Partei und selbstverständlich auch bei Dieter Brosz, denn wir haben es jetzt gemeinsam ge­schafft – nachdem die Sechser-Verhandlungen am Ende waren, vollkommen am Ende waren –, die Verhandlungen zwischen vier Parteien wieder flottzubekommen und zu ei­nem sachlichen Ergebnis zu kommen. (Abg. Meinl-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 163

Reisinger: Das ist unerhört!)

Jetzt erzähle ich Ihnen, weil es so skurril ist, noch ein kleines Detail: Seit Tagen twittert der Klubobmann der NEOS Verhandlungsergebnisse – und heute beschwert er sich öf­fentlich, dass die NEOS nicht an Verhandlungen teilnehmen durften. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das muss man sich einmal vorstellen: Verhandlungsergebnisse zu twittern, die man nicht verhandelt hat und von denen man gar nichts wissen kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist unerhört!) Das ist eine Art parlamentarischer Verhandlungen hinter dem eigenen Rücken, die mir bis heute noch nicht bekannt war.

Aber vergessen wir das, denn: Das ist ein wichtiger und zukunftsweisender Tag für das österreichische Parlament und für die parlamentarische Demokratie. Und auch wenn zwei Fraktionen, die noch nicht diese Erfahrung mit der Arbeit in Untersuchungsaus­schüssen haben, aber diese Erfahrungen sicherlich in Zukunft machen werden, sich nicht in der gebotenen Art und Weise beteiligt haben, haben zwei Regierungsfraktionen und zwei Oppositionsfraktionen gemeinsam sichergestellt, dass diese große Reform gelingt – und dafür noch einmal meinen herzlichen Dank. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

17.23


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


17.24.00

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Pilz, ich glaube, das war eine Themenverfehlung, der Untersuchungsausschuss ist jetzt nicht Teil der Ta­gesordnung. Tatsächlich ist es so, dass wir an den Verhandlungen teilgenommen ha­ben. Es mag sein, dass wir ein anderes Verständnis von Transparenz haben als Sie. Ich habe mir aber sagen lassen, dass es sehr konstruktive Gespräche mit den anderen Parteien gegeben hat, zuletzt auch von der Abgeordneten Meinl-Reisinger mit dem SPÖ-Abgeordneten Pendl und dem Klubobmann Schieder.

Jetzt aber zum eigentlichen Inhalt in der Sache und deutlich ruhiger als zuletzt: Wir ha­ben mehrfach erwähnt, dass wir natürlich für eine Erhöhung der Personalbudgets sind, allerdings nur dann, wenn im Gegenzug die Klubförderung oder die Parteienförderung reduziert wird. (Abg. Fekter: Weil euch der Haselsteiner bezahlt!) – Nein, Sie können auf unsere Transparenzseite schauen, Frau Kollegin Fekter, wir sind sehr transparent. Schauen Sie auf unsere Seite! Sie sehen alle Spenden. Im Gegensatz zur ÖVP weisen wir aus, woher wir unser Geld bekommen. (Beifall bei den NEOS.)

Jedenfalls ist es so, dass wir tatsächlich glauben, es braucht mehr Budget für Perso­nal – aber nur, wenn das System Politik nicht weiter teurer wird. Unser Vorschlag war, dass wir die Klubförderung reduzieren, im gleichen Ausmaß wie wir die Budgets erhö­hen. Es ist nicht zulässig, dass wir zu Beginn des Jahres die Abgaben und Steuern er­höhen, dass wir jetzt schon über ein nächstes Sparpaket diskutieren, dass wir den Menschen draußen sagen, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen – und wir selbst erhöhen beim System Politik. Wenn es kostenneutral wäre, würden wir zustim­men.

Auch uns sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich viel wert. Bitte, denken Sie noch einmal darüber nach! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

17.25


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits. Sie haben 1 Minute Restredezeit. – Bitte.

 


17.25.48

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Liebe par­lamentarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ihr seid heute da, es freut uns sehr! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Pock oder lieber Kollege, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Klub und parlamentarische MitarbeiterIn­nen stehen nicht im Zusammenhang. Das möchte ich einfach noch einmal sagen. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 164

Seit 1992 gibt es die parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie scheinen manchmal sehr, sehr unsichtbar, aber sie sind heute besonders sichtbar. Und das freut mich ganz besonders. Wir haben es wirklich geschafft, dass durch starke Verhandlun­gen – ein großes Danke an die SPÖ, an Otto Pendl, ein großes Danke an die ÖVP, an August Wöginger, super, dass die Grünen mitgehen, freut uns sehr – nach neun Jah­ren die parlamentarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich eine gerechte Ent­lohnung und Belohnung für ihre Arbeit bekommen. Sie machen Recherchetätigkeiten. Sie begleiten uns. Sie stehen uns bei. Sie sind ununterbrochen da. Sie machen Sit­zungen – und vieles, vieles mehr. Und das ist nur ein gerechter und wirklich fairer Zu­gang.

Ich freue mich, dass wir mit August eure Gehälter auch wirklich gerecht und entspre­chend aufbessern können. Das ist wirklich ganz, ganz wichtig für euch. Ich habe leider keine Redezeit mehr und möchte daher einfach nur sagen: Liebe PaMis, uns ist eure Arbeit wirklich viel wert. Ein großes und herzliches Danke von meiner, von unserer Sei­te. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.27


Präsident Karlheinz Kopf: Vorläufig letzter Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Lu­gar. – Bitte.

 


17.27.25

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Weil Kollege Pilz den Untersuchungsausschuss auch zum Thema gemacht hat, jetzt ein paar Worte da­zu. Sie haben das ja heute hier als große Sternstunde des Parlamentarismus gefeiert.

Ich sehe das nicht so. Ich glaube nicht, dass diese Einigung, die heute in dieser bra­chialen Art und Weise durchgepeitscht wurde – bei der zwei der Oppositionsparteien einfach überfahren wurden und eine sich das auch hat gefallen lassen –, eine positive Auswirkung haben wird. Ich glaube vielmehr, dass die Opposition, und auch die FPÖ, von der ich in dieser Sache leider etwas enttäuscht bin 

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, könnten Sie vielleicht zwischendurch einmal das Wort „Parlamentsmitarbeitergesetz“ oder „Bundesbezügegesetz“ erwäh­nen? (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (fortsetzend): Ja, das kann ich auch, wenn Sie das wünschen, Herr Präsident.

Herr Präsident, selbstverständlich ist es wichtig, dass man seine Mitarbeiter ordentlich bezahlt. (Zwischenrufe.) Natürlich sind das die Parlamentsmitarbeiter, es geht hier auch um die parlamentarischen Mitarbeiter. Und letztlich ist es in Zeiten der Sparsam­keit halt immer eine Abwägung, wenn es um Gehaltserhöhungen geht.

Aber da ich Ihnen jetzt Genüge getan habe, möchte ich doch noch einmal auf das Thema zurückkommen, das mir am Herzen liegt. Ich glaube, dass die Regierung sich diese Zustimmung hat abkaufen lassen und leider einen sehr hohen Preis bezahlen wird. (Zwischenrufe.)

Ich bin sogar ganz fest davon überzeugt, dass der Untersuchungsausschuss, der jetzt kommen wird, letztlich nicht das tun wird, was er soll, nämlich Licht in die Sache zu bringen. Sie haben leider einem Kompromiss zugestimmt, der es möglich macht, dass die Regierung das tut, was sie eigentlich in einem Untersuchungsausschuss nicht tun sollte, nämlich die Kontrolle über das zu bewahren, was untersucht werden soll. Das heißt, was den Vorsitz betrifft, was den Verfahrensrichter betrifft, überall ist die Regie­rung drinnen und kann letztlich darüber bestimmen, was hier aufgeklärt oder zugedeckt wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 165

Und Herr Pilz, wenn Sie schon so von dieser Einigung begeistert sind: Ich glaube, es liegt nur daran, dass Sie hoffen, sich wieder in diesem Ausschuss dementsprechend auch medial präsentieren zu können. Aber ich glaube, dass es diesmal nicht funktio­nieren wird, denn diese Einigung ist dergestalt, dass sie eben genau das verhindern wird. Das ist schlecht. Und das ist auch schlecht für die Aufklärung.

Ich hoffe inständig, dass ich mich irre, aber ich glaube, dass ich das nicht tue. Wir wer­den es sehen, denn dieser Untersuchungsausschuss wird jetzt kommen, und alleine die Freude über diese Einigung, die ich heute bei der ÖVP, vor allem beim Herrn Lo­patka, gesehen habe, zeigt mir schon, dass das nichts für die Opposition, sondern et­was für die Regierung sein muss.

Glauben Sie wirklich, dass die ÖVP, die jetzt mit einem Untersuchungsausschuss rech­nen muss, sich diebisch darüber freut, dass es hier eine Einigung gibt, wenn sie doch Aufklärung befürchten muss? Genau so ist diese Einigung auch ausgestaltet, dass es eben keine Aufklärung geben wird. Wie gesagt, ich hoffe, ich irre mich, aber ich glaube nicht, dass ich mich irre. Wir werden es sehen. Dieser Ausschuss wird kommen, und dann werden wir sehen, ob Licht in die Sache kommt. – Ich glaube es nicht. (Beifall beim Team Stronach.)

17.30


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jene­wein. – Bitte.

 


17.31.00

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Es ist dies eine durchaus emotionale Debatte, was auch nachvollziehbar ist. Ich möchte eingangs sagen: Ich schätze die Arbeit unserer parlamentarischen Mitarbeiter insgesamt und ganz speziell die meines persönlichen Mitarbeiters. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber das, was Sie jetzt hier erzählen, stimmt ja so auch gar nicht. Es wird auch nicht das Gehalt der parlamentarischen Mitarbeiter erhöht, denn das Gehalt, das ich meinem Mitarbeiter bezahle, und wie viele Stunden er dafür arbeitet, das mache ich mir mit ihm persönlich aus beziehungsweise jeder Abgeordnete mit seinem Mitarbeiter. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: Richtig!)

Herr Kollege Wöginger, wenn Sie Ihren Mitarbeiter bis zwei in der Früh hier stehen las­sen, ohne dass Sie ihm eine Überstundenabgeltung geben oder eben einen Zeitaus­gleich, dann ist das etwas, das Sie mit Ihrem Mitarbeiter so ausgemacht haben. Das müssen Sie sich mit Ihrem Mitarbeiter ausmachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben gestern hier herinnen die Arbeits- und Sozialdebatte gehabt. Sie, meine Da­men und Herren, haben gestern, ohne mit der Wimper zu zucken, eine massive Schlechterstellung beispielsweise für die Berufsgruppe der Bauarbeiter beschlossen.

Ich brauche nur daran zu erinnern: Bei sämtlichen Lohnverhandlungen und Pensions­erhöhungen gibt es einen Aufschrei, vor allem aus der ÖVP, was man sich denn nicht alles leisten könne. Wir schaffen es nicht einmal, einen Mindestlohn einzuführen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Aber wir schaffen eine Verfügbarkeit von plus 30 Prozent. Darum geht es: Hier wird die Verfügbarkeit um 30 Prozent erhöht. Das ist in Wahrheit ein Signal, das hier vom Par­lament ausgeht – und das in einer Zeit mit Rekordarbeitslosigkeit, in einer Zeit, wo Menschen draußen nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben leisten können! In dieser Zeit gehen Sie hier herinnen her und erhöhen das Gehalt Ihrer parlamentarischen Mit­arbeiter. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Wöginger, ich habe Ihnen genau zugehört, Sie haben gesagt, wir haben heute den Untersuchungsausschuss neu beschlossen und der Untersuchungsaus­schuss wird jetzt in Permanenz tagen. Die Arbeit werden wieder die PaMis tragen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 166

Aber was ist denn mit den Bediensteten hier im Haus? Das ist doch nur die halbe Wahrheit, die Sie hier sagen! Die Hausbediensteten sind die Leidtragenden unserer permanenten Untersuchungsausschüsse, denn die müssen genauso Überstunden ma­chen und hier immer arbeiten, und da habe ich nichts gehört von einer 30-prozentigen Erhöhung.

Die Wahrheit – und das tut Ihnen so weh – ist es, dass Sie beide bei den letzten Wah­len massiv verloren haben und viele Ihrer ehemaligen Mitarbeiter nicht mehr unter­bringen konnten. Genau das ist es! (Beifall bei der FPÖ. – Zahlreiche Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Sie brauchen eine Verfügung, um Ihre Leute, die jetzt auf der Straße stehen, wieder anzustellen. Das ist die der wahre Grund dafür, dass Sie um 30 Prozent erhöhen!

Da geht es nicht um eine Inflationsanpassung, da geht es nicht um eine normale Ge­haltserhöhung, sondern mitten im Jahr, mit 1. August, beschließen sie 30 Prozent Er­höhung für Menschen wie den Herrn Wöginger, der seine Mitarbeiter hier bis 2 Uhr in der Früh im Büro sitzen lässt. Wahrscheinlich muss der Mitarbeiter fernsehen, irgend­etwas im Computer recherchieren, und am nächsten Tag soll er dann wieder gestellt sein. Das ist offensichtlich Ihre Vorstellung von parlamentarischen Mitarbeitern, die Sie so wertschätzen. (Beifall bei der FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Mein Mitarbeiter hat mit mir einen 40-Stunden-Vertrag, an den ich mich streng halte. Ich habe auch zu meinem Mitarbeiter ein sehr gutes und ein sehr freundschaftliches Verhältnis. (Ruf: Schleimerin!) – Na nix Schleimerin, das können Sie sich abschmin­ken!

Unsere Mitarbeiter, die hier auf der Galerie sitzen, tragen unsere Linie auch mit; weil das die Menschen sind, die auch draußen Bekannte haben, die auch draußen mit Men­schen reden und genau wissen, wie das Leben sich draußen abspielt, wie viele Ar­beitslose wir haben, wie viele Menschen sich das Leben nicht leisten können.

Ich glaube, dieses Signal, das Sie hier heute beschließen, ist ein ganz, ganz schlech­tes Signal aus dem Parlament. Es wird nicht dazu beitragen, dass wir als Politiker mit mehr Respekt behandelt werden. Genau das Gegenteil wird der Fall sein! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ. )

17.35


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.35.19

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Ich berichti­ge: Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein hat hier behauptet, dass gestern das Parla­ment eine Schlechterstellung im Zuge der BUAG-Novelle beschlossen hätte.

Fakt ist: Wir haben gestern im Parlament, ohne FPÖ, eine Gleichstellung der Urlaubs­ersatzleistung für Bauarbeiter wie für alle anderen Arbeitnehmer in Österreich be­schlossen.

Fakt ist weiters: Kein einziger Cent weniger im Geldbörsel für jeden Bauarbeiter in die­sem Land! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Mehr soll es sein, nicht weniger!)

17.35

17.35.20

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Meine Damen und Herren, bei allem teilweisen Verständnis für eine emotionale De­batte: Wir kommen jetzt in einen Abstimmungsvorgang, und ich bitte um Konzentration!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll37. Sitzung / Seite 167

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 259 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Pendl, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordne­ten Pendl, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Nunmehr komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des soeben angenommenen Zusatz- und Abänderungsantrages der Abgeordneten Pendl, Wögin­ger, Kolleginnen und Kollegen in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.37.20Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 572/A(E) bis 587/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2077/J bis 2184/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Dr. Winter an die Präsidentin des Natio­nalrates eingebracht worden. (Unruhe im Sitzungssaal.)

*****

Meine Damen und Herren, wir haben noch eine Sitzung. Ich bitte Sie noch um ein paar Minuten Geduld!

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 17.39 Uhr – das ist unmittelbar im An­schluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.38.41Schluss der Sitzung: 17.38 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien