Plenarsitzung
des Nationalrates
Stenographisches Protokoll
72. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
Donnerstag, 25. April 2019
XXVI. Gesetzgebungsperiode
Großer Redoutensaal
72. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXVI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 25. April 2019
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 25. April 2019: 9.05 – 22.43 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden
2. Punkt: Bericht über den Antrag 669/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsatzgesetz für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung
3. Punkt: Bericht über den Antrag 680/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberales Bürgergeld
4. Punkt: Bericht über den Antrag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeitslosenversicherung bei langen Bezugsdauern
5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird, sowie Bericht über den
Gesetzesantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird
6. Punkt: Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz)
7. Punkt: Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014
8. Punkt: Bericht über den Antrag 715/A(E) der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen, über den
Antrag 451/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern sowie über den
Antrag 660/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Schrottreaktor – Stopp Mochovce
9. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60
10. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend BMB – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe Bund 2016/23
11. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend ART for ART Theaterservice GmbH – Reihe BUND 2018/51
12. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Landesstudios des österreichischen Rundfunks; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/44
13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird
14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle)
15. Punkt: Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird
17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (675/A)
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Inhalt
Nationalrat
Angelobung des Abgeordneten Karl Schmidhofer .................................................... 13
Personalien
Verhinderungen .............................................................................................................. 13
Ordnungsruf ................................................................................................................... 68
Ruf zur Sache ..................................................................................................... 180, 180
Geschäftsbehandlung
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2898/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG .................................................................................................................... 37
Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG .................................. 163
Redner/Rednerinnen:
Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 163
Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 165
Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 168
Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 169
Walter Rauch .............................................................................................................. 170
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 171
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 173
Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (110 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 14. Mai 2019 zu setzen – Annahme ............................................................................................................... 37, 243
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG 38
Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, die Regierungsvorlage (514 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (588 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG an den Ausschuss für Arbeit und Soziales rückzuverweisen – Ablehnung 57, 88
Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 89
Unterbrechung der Sitzung ................................................................................. 89, 115
Wortmeldungen betreffend Abwesenheit des Bundeskanzlers Sebastian Kurz:
August Wöginger ....................................................................................................... 124
Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 124
Fragestunde (9.)
Nachhaltigkeit und Tourismus ................................................................................... 14
Dipl.-Ing. Georg Strasser (111/M); Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Ing. Maurice Androsch
Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (108/M); Martina Diesner-Wais, Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann
Maximilian Linder (105/M); Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl
Michael Bernhard (114/M); MMMag. Gertraud Salzmann
Mag. Josef Lettenbichler (112/M); Mag. Philipp Schrangl
Erwin Preiner (109/M); Walter Rauch, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA
MMMag. Dr. Axel Kassegger (106/M); Mag. Muna Duzdar
Josef Schellhorn (115/M); Gabriel Obernosterer
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (117/M)
Mag. Johanna Jachs (113/M); Mag. Gerald Hauser, Renate Gruber
Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (110/M)
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13
Ausschüsse
Zuweisungen ......................................................................................................... 36, 242
Dringliche Anfrage
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat“ (3402/J) ............. 115
Begründung: Mag. Jörg Leichtfried ........................................................................... 121
Vizekanzler Heinz-Christian Strache ........................................................................ 125
Debatte:
Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................................................... 130
Karl Nehammer, MSc ................................................................................................ 132
Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 135
Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 137
Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 139
Sabine Schatz ............................................................................................................. 142
Karl Mahrer, BA .......................................................................................................... 145
Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ............................................................................... 146
Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 148
Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................ 149
Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 152
Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 153
Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ... 155
Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 157
Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 159
Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 160
Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 161
Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler“ Heinz-Christian Strache gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung ........................................................................ 144, 162
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des ,Großen Austausches‘“ – Ablehnung 151, 162
Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Nehammer, MSc, Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung von Lehrmaterialien“ – Annahme (E 71) . 154, 162
Verhandlungen
Gemeinsame Beratung über
1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (588 d.B.) ........................................................................................................... 38
2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 669/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsatzgesetz für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung (589 d.B.) ........................................................................................................................ 38
3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 680/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberales Bürgergeld (590 d.B.) 38
4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeitslosenversicherung bei langen Bezugsdauern (591 d.B.) ........... 38
RednerInnen:
Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 39
Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ........................................................ 40
Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 43
Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 46
August Wöginger ......................................................................................................... 47
Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .......................................................................... 50
Werner Neubauer, BA .................................................................................................. 54
Josef Muchitsch ........................................................................................................... 56
Kira Grünberg ............................................................................................................... 58
Dr. Irmgard Griss ......................................................................................................... 59
Peter Wurm ................................................................................................................... 60
Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 64
Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 65
Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 66
Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 67
Birgit Silvia Sandler ..................................................................................................... 69
Tanja Graf ...................................................................................................................... 71
Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 72
Peter Wurm (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 73
Norbert Sieber .............................................................................................................. 74
August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 75
Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 75
Nurten Yılmaz ............................................................................................................... 75
Mag. Ernst Gödl ........................................................................................................... 77
Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 78
Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 79
Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 80
Alois Stöger, diplômé (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) .................... 81
Mario Lindner ............................................................................................................... 81
Dr. Alma Zadić, LL.M. .................................................................................................. 81
Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann .................................................................................. 85
Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 86
Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 87
Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“ – Ablehnung ................................... 53, 91
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate“ – Ablehnung .................... 83, 91
Annahme des Gesetzentwurfes in 588 d.B. (namentliche Abstimmung) ...................... 88
Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...................................... 89
Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 589, 590 und 591 d.B. ............................ 91
Gemeinsame Beratung über
5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (557 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird, sowie über den
Gesetzesantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen (496 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (565 d.B.) 91
6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (558 d.B.): Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (566 d.B.) .......................................................................................... 92
RednerInnen:
Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 92
Mag. Josef Lettenbichler ............................................................................................. 93
Mag. Muna Duzdar (tatsächliche Berichtigungen) .............................................. 95, 105
Josef Schellhorn .......................................................................................................... 95
MMMag. Dr. Axel Kassegger ...................................................................................... 97
Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 98
Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 100
Melanie Erasim, MSc ................................................................................................. 102
Bundesministerin Elisabeth Köstinger .......................................................... 103, 105
Ing. Wolfgang Klinger ................................................................................................ 106
Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (tatsächliche Berichtigung) .................................. 108
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 108
Erwin Angerer ............................................................................................................ 110
Cornelia Ecker ............................................................................................................ 111
Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 113
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“ – Annahme (E 70) .................................................................................................. 107, 115
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 565 und 566 d.B. ......................................... 114
7. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.): Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 (575 d.B.) ...................................................................................................................... 115
RednerInnen:
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 175
Doris Margreiter ......................................................................................................... 176
Walter Rauch .............................................................................................................. 177
Michael Bernhard ....................................................................................................... 177
Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 179
Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 179
Johann Rädler ............................................................................................................ 181
Annahme des Gesetzentwurfes in 575 d.B. ................................................................ 181
8. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 715/A(E) der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen, über den
Antrag 451/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zu grenznahen Atommüll-Endlagern sowie über den
Antrag 660/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Schrottreaktor – Stopp Mochovce (576 d.B.) 182
RednerInnen:
Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 182
Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 183
Josef A. Riemer .......................................................................................................... 184
Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 186
Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 189
Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 190
Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................... 191
Werner Neubauer, BA ................................................................................................ 192
Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 194
Erwin Preiner .............................................................................................................. 195
Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 196
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sonder-Bilaterale mit der Slowakei zum AKW Mochovce und erneute Umweltverträglichkeitsprüfung“ – Ablehnung ...................................................... 186, 197
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 576 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „klares und entschiedenes Auftreten gegen Atomkraft und Atommüll-Endlager an Österreichs Grenzen“ (E 72) ............................................................................................................................. 197
9. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60 (III-214/578 d.B.) ...................................................... 197
RednerInnen:
Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 197
Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 198
Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 199
Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 200
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 201
Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 202
Kenntnisnahme des Berichtes III-214 d.B. ................................................................... 203
Gemeinsame Beratung über
10. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend BMB – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe Bund 2016/23 (III-11/579 d.B.) 203
11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend ART for ART Theaterservice GmbH – Reihe BUND 2018/51 (III-195/580 d.B.) .................. 203
12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Landesstudios des österreichischen Rundfunks; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/44 (III-44/581 d.B.) .................................................................................................................. 203
RednerInnen:
Hermann Gahr ............................................................................................................ 204
Andreas Kollross ....................................................................................................... 204
Wolfgang Zanger ............................................................................................... 205, 215
Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 207
Maria Großbauer ........................................................................................................ 208
Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 208
Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 209
Johann Singer ............................................................................................................ 210
Wolfgang Knes ........................................................................................................... 211
Hannes Amesbauer, BA ............................................................................................ 212
Klaudia Friedl .............................................................................................................. 213
Philip Kucher .............................................................................................................. 214
Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 215
Kenntnisnahme der drei Berichte III-11, III-195 und III-44 d.B. ...................................... 217
Gemeinsame Beratung über
13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (562 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (567 d.B.) ................................. 217
14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (559 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (31. StVO-Novelle) (568 d.B.) ........ 217
RednerInnen:
Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 217
Walter Bacher ............................................................................................................. 219
Andreas Ottenschläger ............................................................................................. 220
Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 221
Melanie Erasim, MSc ................................................................................................. 222
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 223
Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ............................................................................ 224
Ing. Christian Pewny .................................................................................................. 225
Robert Laimer ............................................................................................................. 226
Werner Herbert (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 227
Johann Singer ............................................................................................................ 227
Hans-Jörg Jenewein, MA (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 228
Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 228
Franz Hörl .................................................................................................................... 229
Maximilian Linder ....................................................................................................... 231
Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 231
Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abbiegeverbote für LKWs ohne Abbiegeassistenten“ – Ablehnung .................. 217, 232
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 567 und 568 d.B. ......................................... 232
15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (511 d.B.): Protokoll zur Änderung des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (569 d.B.) 232
Genehmigung des Staatsvertrages in 569 d.B. ........................................................... 233
16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungsvorlage (502 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (577 d.B.) ............................................................................................................................. 233
RednerInnen:
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 233
Dr. Maria Theresia Niss, MBA .................................................................................. 234
Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................... 235
Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 236
Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 237
Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................. 238
Walter Bacher ............................................................................................................. 239
Christoph Stark .......................................................................................................... 239
Katharina Kucharowits .............................................................................................. 240
Annahme des Gesetzentwurfes in 577 d.B. ................................................................ 241
17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (675/A) ......... 241
RednerInnen:
Angela Lueger ............................................................................................................ 241
Ing. Klaus Lindinger, BSc .......................................................................................... 242
Rudolf Plessl ............................................................................................................... 242
Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................... 243
Zuweisung des Antrages 675/A an den Geschäftsordnungsausschuss ..................... 243
Eingebracht wurden
Bericht ........................................................................................................................... 36
Vorlage 44 BA: Bericht gemäß § 54 Abs. 12 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen und gemäß § 60 Abs. 3 BHG 2013 über zugestimmte Vorbelastungen im 1. Quartal 2019; BM f. Finanzen
Anträge der Abgeordneten
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend humanitäre Hilfe für Mosambik (770/A)(E)
Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend überfällige Reduktion der Ammoniak-Emissionen (771/A)(E)
Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Symbole-Gesetz geändert wird (772/A)
Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (773/A)
Dipl.-Ing. Georg Strasser, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie Weiterentwicklung der bestehenden GAP-Instrumente in der neuen Periode (774/A)(E)
Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung der Aufteilungsvariante 90/10 beim Familienbonus (775/A)(E)
Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufwertung der Elementarpädagogik durch einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen (776/A)(E)
Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehramtsstudium für QuereinsteigerInnen (777/A)(E)
Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuaufstellung der Ballettakademie in der Staatsoper (778/A)(E)
Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine rasche Erarbeitung eines österreichischen UrheberInnenvertragsrechts (779/A)(E)
Norbert Sieber, Werner Neubauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (780/A)
Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend vollständige Information der Konsumentinnen und Konsumenten über die Herkunft und die Einhaltung von Tierschutzstandards bei Lebensmitteln, insbesondere bei tierischen Produkten in der Gastronomie und in allen öffentlichen Einrichtungen (781/A)(E)
Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einheitlicher Baulandbesteuerung“ (782/A)(E)
Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend den UNO-Bericht über die Überprüfung der österreichischen Flüchtlings- und Migrationspolitik (783/A)(E)
Anfragen der Abgeordneten
Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Reform der Grundsteuer (3371/J)
Walter Bacher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesregierung betreffend Vorratsdatenspeicherungsinitiative des österreichischen EU Vorsitzes (3372/J)
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Truppenreduktion am Westbalkan (3373/J)
Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für Umstrukturierungen im BKA (3374/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3375/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3376/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3377/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3378/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3379/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3380/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3381/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3382/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3383/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3384/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3385/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3386/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3387/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zielgruppen und Werbeausgaben in sozialen Netzwerken und Online-Medien (3388/J)
Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze bei Burschenschafter-Veranstaltungen (3389/J)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Meldegesetz und die App „Digitales Amt“ (3390/J)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Meldegesetz und die App „Digitales Amt“ (3391/J)
Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von Energiearmut (3392/J)
Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Gegengeschäfte der DaimlerChrysler AG (3393/J)
Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Geheimhaltung der Eurocopter-Nachbeschaffung (3394/J)
Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Geheimhaltung der Eurocopter-Nachbeschaffung (3395/J)
Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Schutz der kritischen Infrastruktur Österreichs (3396/J)
Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schutz der kritischen Infrastruktur Österreichs (3397/J)
Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Gedenkjahr anlässlich des 60-jährigen Bestehens von UN-Friedensmissionen (3398/J)
Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Zukunft der Auslandseinsätze und des Internationalen Krisenmanagements (3399/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds 2018 und 2019 (3400/J)
Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten seines Ministerbüros im Kalenderjahr 2018 / Folgeanfrage aufgrund Nichtbeantwortung (3401/J)
Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat“ (3402/J)
Anfragebeantwortungen
der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen (2901/AB zu 2965/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (2902/AB zu 2919/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (2903/AB zu 2921/J)
Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr
Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich eröffne die 72. Sitzung des Nationalrates. Ich darf Sie am zweiten Sitzungstag wieder herzlich begrüßen, so wie auch ganz herzlich die Gäste auf der Galerie, insbesondere die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in 1070 Wien. – Herzlich willkommen bei uns! (Allgemeiner Beifall.) Unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten, auch Sie seien herzlich begrüßt!
Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Dietmar Keck, Mag. Verena Nussbaum, Rainer Wimmer, Mag. Roman Haider, Mag. Gerhard Kaniak, Christian Ries und Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Von der Bundeswahlbehörde wurde uns mitgeteilt, dass anstelle der verstorbenen Abgeordneten Barbara Krenn, der wir ja gestern und jetzt in der Seelenmesse gedacht haben, Herr Karl Schmidhofer in den Nationalrat berufen wurde.
Da der Wahlschein vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.
Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer leisten Sie bitte mit den Worten „Ich gelobe“ Ihren Eid.
Ich darf nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Gahr, um die Verlesung der Gelöbnisformel bitten.
Schriftführer Hermann Gahr: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“
Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Ich gelobe.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Abgeordneten in unserer Mitte herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)
Der Herr Abgeordnete hat eine doch reiche politische Erfahrung, und ich wünsche ihm im Kreise der Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg alles erdenklich Gute.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz wird Vizekanzler Heinz-Christian Strache die Vertretung übernehmen,
für Finanzminister Hartwig Löger Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs
und für Justizminister Dr. Josef Moser Wissenschaftsminister Dr. Heinz Faßmann.
*****
Ich darf bekannt geben, dass der ORF wie üblich diese Sitzung in ORF 2 bis 13 Uhr überträgt, anschließend in ORF III, und ab 19.15 Uhr wird die Sitzung wie gestern schon probeweise in der TVthek online weiter übertragen.
Auch heute wird ein Parlamentsfotograf zu Dokumentationszwecken wieder im Haus und im Plenarsaal unterwegs sein.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.
Die Anfragen werden durch die Damen und Herren Abgeordneten von den Rednerpulten im Halbrund aus – das ist üblich und bekannt – an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus gestellt. Ich darf die Frau Minister recht herzlich begrüßen.
Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen, für die Antwort auf die Hauptfrage sind 2 Minuten vorgesehen, sonst 1 Minute. Ich werde dementsprechend immer wieder auch vorher schon ein Zeichen geben.
Nachhaltigkeit und Tourismus
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir dürfen beginnen. Die 1. Anfrage wird Herr Abgeordneter Strasser stellen. Frau Minister, ich darf dich an das Rednerpult bitten. Die anderen Kolleginnen und Kollegen bitte ich, immer schon in Vorbereitung zu den Mikrofonen zu kommen.
Herr Abgeordneter Strasser, ich bitte um Ihre Frage.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Für uns Bäuerinnen und Bauern sind Mittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik ein wichtiger Einkommensbestandteil und über Klimaschutzmaßnahmen und unsere ökologischen Leistungen erhöhen wir auch die Wertschöpfung in unseren Betrieben.
Meine Frage lautet:
„Welche Eckpunkte sind für Österreich in der kommenden GAP wichtig?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Abgeordneter, für die Frage. – Tatsächlich ist es so, dass die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik eine ganz wichtige tragende Säule unseres funktionierenden Lebensmittelsystems in Österreich und in Europa darstellt. Wir stehen wieder vor der Herausforderung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene. Es ist ja der einzige vergemeinschaftete Politikbereich, den wir in dieser Art und Weise vorfinden.
Für uns steht die Versorgungssicherheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger und damit einhergehend natürlich auch der Österreicherinnen und Österreicher an oberster Stelle, eben verbunden mit einer hochwertigen Qualitätsproduktion und mit Umwelt- und Klimaschutz. Auch da leisten unsere Bäuerinnen und Bauern einen wichtigen Anteil.
Für uns als Bundesregierung ist natürlich auch in diesem Bereich die finanzielle Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik ganz entscheidend. Da liegen ja laut dem Kommissionsvorschlag auch massive Kürzungen betreffend die ländliche Entwicklung vor.
Das ist für uns so und in diesem Ausmaß wirklich inakzeptabel, weil vor allem die ländliche Entwicklung Sorge dafür trägt, dass die Umwelt- und Agrarleistungen vonseiten der Bäuerinnen und Bauern erbracht werden. Darin sind beispielsweise auch unsere Ausgleichszahlungen für das Berggebiet, Förderungen für die biologische Landwirtschaft und Investitionsförderungen enthalten. Das ist wirklich ein ganz zentraler Punkt für uns.
Wir wollen die bäuerlichen Familienbetriebe in den Fokus der Gemeinsamen Agrarpolitik rücken. Wir wollen weg von dem System, dass die Quantität, also die Menge, gefördert wird, hin zu einem echten Qualitätssystem, das eben nur unsere bäuerlichen Familienbetriebe sicherstellen. Da wollen wir wirklich einen Paradigmenwechsel zustande bringen, dass die Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Hinkunft auch wirklich unseren bäuerlichen Familienbetrieben zur Verfügung stehen.
Der dritte Punkt, der uns sehr am Herzen liegt, sind die Agrarumweltprogramme. Diese sind auch mit eine Lebensader unserer bäuerlichen Struktur in Österreich, sie leistet Vielfältiges. Da wird vor allem auch in Zukunft stärker auf das Thema Klimaschutz zu fokussieren sein.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Strasser, bitte.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Ich bin dankbar dafür, dass Sie die ländliche Entwicklung, die traditionell in unserer Agrarpolitik in Österreich eine wichtige Rolle spielt, und auch die Kürzungen ansprechen, die wir so nicht akzeptieren können.
Meine Frage: Die Bauernhöfe und der ländliche Raum bilden eine Einheit. Welche Maßnahmen sind im Bereich der Regionalität, hier in der zweiten Säule, im Fokus?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Regionale Wirtschaftskreisläufe haben für uns oberste Priorität. Neben dem einzelnen bäuerlichen Familienbetrieb sichert die Landwirtschaft massiv Wertschöpfung im ländlichen Raum über die vor- und nachgelagerten Bereiche. Da wollen wir verstärkt auf Unterstützung kurzer Versorgungsketten Wert legen, damit lokale Märkte unterstützen, damit verbunden auch Absetz- und Fördermöglichkeiten sowie Fördermaßnahmen unterstützen. Wir wollen vor allem den Bereich der Cluster weiterentwickeln, Stichwort Direktvermarktung. Auch das ist wirklich ein Erfolgskonzept der österreichischen Landwirtschaft. Das Thema, stärker in Erzeugergemeinschaften zu gehen, liegt uns in diesem Zusammenhang weiters sehr am Herzen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Doppelbauer, bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sie haben es jetzt schon mit der GAP angesprochen. Die große Kritik ist ja im Augenblick – beziehungsweise auch das, was man aus Brüssel hört –: Es geht halt im Moment nicht mehr. Wenn wir den Status irgendwie erhalten, dann haben wir eigentlich schon viel erreicht, hört man durchaus auch immer wieder aus Brüssel, weil es einfach im Augenblick ein schwieriges Umfeld ist.
Meine Frage bezieht sich jetzt darauf: Wie wollen Sie denn jetzt als österreichische Bundesregierung bei der GAP eine stärkere Ökologisierung der Förderkriterien erwirken? Diesen Paradigmenwechsel betreffend, den Sie gerade angesprochen haben: Wie wollen Sie sich denn aus österreichischer Sicht dafür einsetzen beziehungsweise wie realistisch ist das im Augenblick aus Ihrer Sicht?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum einen ist, glaube ich, speziell die Ausrichtung der österreichischen Landwirtschaft ein Erfolgsmodell, das auch auf europäischer Ebene immer wieder gelobt wird. Also wir haben im Vergleich zu anderen EU-Staaten einen viel geringeren Strukturwandel. Bei uns sind es wirklich die bäuerlichen Familienbetriebe, die das Agrarsystem tragen, im Gegensatz zu anderen Ländern, die eigentlich in den letzten Jahrzehnten schon so stark auf Intensivierung gesetzt haben. Ich bin der Meinung, dass hier die Argumente absolut auf unserer Seite sind.
Wir zeigen, dass über diesen Fonds der ländlichen Entwicklung die Gelder wirklich zielgerichtet auch in Agrarumweltleistungen gehen und damit einfach einen Mehrwert für die gesamte europäische Bevölkerung und auch für die österreichische Bevölkerung liefern.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Androsch, bitte.
Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesminister! Frau Bundesminister, der EU-Rechnungshof hat in einem Sonderbericht festgestellt, dass es gerade für den Tierschutz und die Erhöhung der Tierschutzstandards in Europa wichtig ist, mehr GAP-Fördermittel einzusetzen. Wir von der SPÖ haben in der letzten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses einen entsprechenden Antrag eingebracht, der allerdings vertagt und nicht dem Plenum zugeführt wurde.
Meine Frage an Sie: Welche konkreten Forderungen werden Sie in diese Verhandlungen zur neuen GAP-Periode einbringen, um den europäischen Tierschutz und die Tierschutzstandards allgemein in Europa in Bezug auf die GAP-Förderungen zu heben?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, speziell über den Bereich der ländlichen Entwicklung und da eben speziell über den Bereich der Investitionsförderungen höhere Tierwohlstandards zu fördern und zu unterstützen. Das halte ich für einen absolut wichtigen Punkt. Wir haben da aber auch national durchaus Spielraum. Also die Standards im österreichischen Bundestierschutzgesetz aus dem Jahr 2006 sind um einiges höher, als es beispielsweise die europäischen Tierschutzstandards als solche sind.
Das ist natürlich auch im Wettbewerb ein maßgeblicher Unterschied. Ich spreche da als Beispiel die Besatzdichten in der Geflügelhaltung an. Da sehen wir schon, dass das auch massiven Druck auf unsere bäuerliche Erzeugung ausübt. Wir werden uns auf jeden Fall maßgeblich dafür einsetzen, dass Förderungen im Investitionsbereich stark diesen Fokus der Tierwohlbestimmungen und der Verbesserung des Tierwohles beinhalten werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 2. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Feichtinger. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Am 29. Jänner 2019 hat die Geschäftsführerin des Umweltbundesamtes anlässlich der Präsentation der Treibhausgasinventur bekannt gegeben, dass die Jahreshöchstmengen gemäß Klimaschutzgesetz im Jahr 2017 erstmals überschritten wurden. Statt 49,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente laut Zielwert wurden in diesem Jahr 51,7 Millionen Tonnen emittiert. Laut § 3 Abs. 2 Klimaschutzgesetz und § 28 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz muss die Ministerin in diesem Fall innerhalb von sechs Monaten beziehungsweise umgehend Sofortmaßnahmen ergreifen, um eine Zielerreichung bis 2020 dennoch sicherzustellen.
Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:
„Wieso lassen Sie bei der Bekämpfung des Klimawandels wertvolle Zeit verstreichen und schieben die gesetzlich notwendigen Sofortmaßnahmen auf die lange Bank?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Tatsächlich ist es so, dass der Klimawandel für die Bundesregierung und speziell für mein Ressort die höchste Priorität hat. Wir haben bereits im Jänner 2018, gleich zu Beginn, als ich mein Amt übernommen habe, damit begonnen, eine integrierte Klima- und Energiestrategie für Österreich auszuarbeiten, unsere #mission 2030. Wir haben sie in Rekordzeit, auch über eine parlamentarische Enquete und einen Bürgerbeteiligungsprozess, fertiggestellt. Wir sind sofort nach Beschluss auch in die Umsetzung der Maßnahmen gegangen.
Das Jahr 2018 war wirklich ganz klar dem Klimaschutz gewidmet. Wir haben viele der Maßnahmen wie beispielsweise den Raus-aus-dem-Öl-Bonus bereits vorgezogen, mit dem wir den Umstieg von fossilen Heizsystemen auf erneuerbare fördern. Wir haben das E-Mobilitäts-Paket ins Leben gerufen. Wir haben eine Bioökonomiestrategie auf den Weg gebracht. Wir entwickeln eine Green Finance Agenda. Wir haben zurzeit auch eine Wasserstoffstrategie in Ausarbeitung und wir arbeiten unter Hochdruck am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.
Wir haben auch gemäß dem Gesetz nach der Treibhausgasbilanz 2017 und dem verlassenen Zielpfad das Klimaschutzkomitee einberufen. Auch da nehmen wir die Expertise, die daraus folgte, sehr ernst und werden gemäß unserem Auftrag in den nächsten Monaten sukzessive die Klima- und Energiestrategie in Österreich umsetzen und die Maßnahmen daraus eben auch beschließen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Feichtinger? – Nein.
Die nächste Zusatzfrage stellt dann Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.
Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Die Erreichung der Klimaziele, wie Sie schon angeführt haben, ist uns sehr wichtig und natürlich auch die erneuerbare Energie sowie die Verwendung der erneuerbaren Energie. Wir haben aber in Österreich noch circa 700 000 Ölheizungen.
Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um diese Zahl abzubauen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Tatsächlich ist dieser Umstieg von den fossilen Heizsystemen hin zu erneuerbaren eine der wichtigsten Prioritäten, die wir neben unserem sehr ambitionierten Ziel haben, bis 2030 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren zu produzieren. Da sind wir weltweit eines der Länder, das eines der ambitioniertesten Ziele hat.
Ich freue mich sehr, berichten zu können – viele der Kompetenzen, speziell im Gebäudebereich, liegen ja auf Landesebene –, dass da massive Fortschritte erzielt werden. Wir konnten im April dieses Jahres, also vor rund zwei Wochen, im Rahmen der Landesklimaschutzreferentenkonferenz den Ausstieg aus Öl gemeinsam mit den Bundesländern beschließen. Das zeigt auch, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Der Bund fördert den Umstieg von fossilen Ölkesseln auf erneuerbare Heizsysteme mit 5 000 Euro. Das Programm erfreut sich wirklich sehr großer Beliebtheit. Wir konnten im letzten Jahr bereits rund 25 Millionen Euro auszahlen und werden genau dieses Erfolgsmodell auch in die Zukunft weiterschreiben. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Bißmann (Abg. Bißmann steht mit Gipsbein und Krücken am Rednerpult im Halbrund),
der wir alles Gute zur Genesung wünschen. Das nenne ich Arbeitseinsatz: Gestern verunfallt, heute schon hier. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Danke, Herr Präsident! – Guten Morgen, Frau Ministerin! Der Chef des IHS, des Instituts für Höhere Studien in Wien, Kocher, sagt: „[...] je länger man mit der Ökologisierung des Steuersystems wartet, desto teurer wird es später.“ – Bald stehen wegen der verpassten Klimaziele auch massive Strafzahlungen an die EU an. Alle ExpertInnen sind sich einig, dass eine Steuerreform ein erster Schritt sein muss. Zuletzt hat auch das Ökosoziale Forum einen eigenen Vorschlag eingebracht.
Meine Frage an Sie, Frau Ministerin: Wird sich Ihr Ministerium, das Nachhaltigkeitsministerium, in der neuen Reform dafür einsetzen, eine nachhaltige Zukunft möglich zu machen und eine klimaschutzwirksame Steuer auf CO2 in Österreich einzuführen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Ich wünsche Ihnen auch von meiner Seite gute Besserung! – Tatsächlich ist es so, dass wir klar am Zielpfad festhalten, dass wir mit unserer #mission 2030 auch die Grundlage dafür geschaffen haben, dass wir sektorübergreifend und auch ministerienübergreifend ein klares Commitment zur Treibhausgassenkung abliefern. Wir wollen den Reduktionspfad 2020 erreichen, und wir wollen vor allem auch die ambitionierten Ziele bis 2030 erreichen. Dafür ist ein Maßnahmenbündel ausschlaggebend, damit uns das auch gelingen kann.
Wir stehen jetzt kurz davor, dass der Finanzminister die Steuerreform präsentiert. Die Eckpunkte und auch den Zeitrahmen hat er ja bereits vorgestellt. Das soll in drei Etappen erfolgen. Der Finanzminister hat bereits angekündigt, dass die erste Etappe maßgeblich auch der Entlastung der geringeren Einkommen in Österreich dienen soll und dass da eben auch ökologische Komponenten einfließen werden. Daran wird natürlich auch von unserer Seite sehr stark gearbeitet, dass wir im Steuersystem ökologische Maßnahmen miteinfließen lassen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke, Frau Bundesministerin.
Wir kommen zur 3. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Lindner. – Bitte. (Abg. Linder – erheitert –: Linder, bitte!) – Entschuldigung! – Bitte. (Heiterkeit des Abg. Lindner.)
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Traditionelle Lebensmittel aus der Region haben bei uns in Österreich eine sehr, sehr große Tradition. Die Konsumenten kaufen immer mehr regional ein, legen großen Wert auf Regionalität. Auch im Tourismus ist das ganz, ganz wichtig, zum Teil ist die Regionalität der Lebens- und Genussmittel sogar urlaubsentscheidend für die Touristen. Es ist ganz wichtig, dass wir dieses Vertrauen der Konsumenten nicht verlieren, sondern weiter ausbauen. Aus diesem Grund plant die dafür zuständige Ministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz, Frau Minister Beate Hartinger-Klein, eine Herkunftskennzeichnung einzuführen.
Was aber können wir, Frau Minister, gemeinsam tun, dass diese regionale Produktion weiterhin ausgeweitet wird und auch der entsprechende Absatz dafür entsteht?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 105/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wie können wir die regionale Produktion im Ländlichen Raum stärken?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Ich glaube, die Antwort ist relativ einfach: nämlich regionale Produkte auch zu kaufen. Das ist mit auch eines der ganz großen Themen, die uns beschäftigen. Der Konsument, die Gesellschaft fordert immer stärker Regionalität, hohe Tierwohlstandards, biologische Produktion, Gentechnikfreiheit, aber am Regal gestaltet sich die Situation manchmal etwas anders. Also die erste Maßnahme, die jeder Einzelne ergreifen kann, ist, zu regionalen Produkten zu greifen.
Wir haben in Österreich über die Agrarmarkt Austria tatsächlich ein sehr gutes freiwilliges Kennzeichnungssystem aufgebaut, das jetzt – Sie haben es angesprochen – durch ein Herkunftskennzeichnungssystem für Primärzutaten von verarbeiteten Produkten ergänzt werden soll. Das ist auch ein weiterer Schritt, damit die Konsumentinnen und Konsumenten noch bewusster zu regionalen, zu heimischen, zu österreichischen Produkten greifen können. Wir verfolgen da eine klare Qualitätsstrategie, vor allem auch die Unterstützung der bäuerlichen Familienunternehmen, damit sie die Rohstoffproduktion sicherstellen können.
Wir haben mit dem Netzwerk Kulinarik eine Möglichkeit, da wirklich die bäuerlichen, die regionalen, die landesspezifischen Initiativen zu fördern und zu unterstützen und damit eben auch alternative Vertriebswege direkt hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten sicherzustellen und herzustellen, und diesen Weg werden wir weiterhin konsequent gehen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Linder? – Bitte.
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Welche Rolle spielen die geschützten Kennzeichnungen g.U. für geschützte Ursprungsbezeichnung, g.g.A. für geschützte geografische Angabe oder g.t.S. für garantiert traditionelle Spezialität für die Stärkung der landwirtschaftlichen Produktion in den Regionen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Der EU-Herkunftsschutz ist tatsächlich eine der höchsten Qualitätsauszeichnungen, die es in der Europäischen Union gibt. Die unterschiedlichen Möglichkeiten haben Sie bereits dargestellt. Auch in Österreich erfreut sich das sehr hoher Beliebtheit. Was wir mittlerweile auch mit Studien belegt sehen, ist, dass die Wertschöpfung dieser Produkte wirklich sehr stark zunimmt. Beispiele dafür sind etwa das Steirische Kürbiskernöl g.g.A. oder beispielsweise auch die Wachauer Marille g.U.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, diesen Herkunftsschutz zu erlangen, und das ist wirklich für gesamte Regionen ein perfektes Vehikel, um die traditionellen Spezialitäten, die traditionellen Produktionsweisen stärker zu vermarkten. Die Kontrollen sind da wirklich extrem streng und zeigen auch, dass sie wirken. – Also wir wollen das auf jeden Fall in den nächsten Jahren auch über unser Netzwerk Kulinarik weiterentwickeln und so noch mehr Produkten, noch mehr Regionen diese Möglichkeit des EU-Herkunftsschutzes geben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Mir geht es um den Flächenrückgang in Österreich. Wir haben es zwar geschafft, von, ich glaube, 17, 18 Hektar pro Tag auf ungefähr 12 Hektar zu kommen, wir haben also zumindest eine leichte Reduktion, sind aber noch immer Europameister im Zubetonieren. Wir wissen, dass das einen massiven Einfluss auf die Landwirtschaft hat, ich denke dabei an die Grundstückspreise, an die verfügbaren Flächen für die Landwirtschaft.
Daher meine Frage: Welche Maßnahmen planen Sie, um dieses klima- und umweltschädliche Verhalten in den nächsten Jahren deutlich zu verbessern? – Klar, ich weiß, es ist Ländersache, aber Sie haben da als Bundesministerin natürlich auch Hebel.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sie haben es bereits angesprochen: Es ist zumindest ein Trend absehbar, dass dieser massive Flächenverbrauch, den wir in Österreich in den letzten Jahren gesehen haben, rückläufig ist. Wir hatten einmal die unglaubliche Zahl von 24 Hektar pro Tag, die verbaut wurden, sind jetzt bei 12 Hektar, es ist aber nach wie vor eine viel zu hohe Zahl.
Was wir konkret machen, ist, vor allem im Bereich der thermischen Sanierung anzusetzen. In Österreich ist es derzeit so, dass der Bau, der Neubau auf der grünen Wiese einfacher und billiger ist als beispielsweise eine Revitalisierung eines Bestandsgebäudes. Wir wollen da gemeinsam mit den Bundesländern mit unserer Wärmestrategie, die wir zurzeit ausarbeiten, mit den Förderungen und den Möglichkeiten der thermischen Sanierung den Trend weiterhin umkehren und speziell eben auch die Bestandsanlagen sanieren, um auf der einen Seite Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben und auf der anderen Seite den Flächenverbrauch einzudämmen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Zinggl, bitte.
Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Frau Ministerin, der Rechnungshof hat festgestellt, dass Ihr Ministerium bereits vor drei Jahren bis zu 2 Millionen Euro an Fördergeldern eingesetzt hat, um über die von Ihnen genannte Netzwerkstelle Kulinarik heimische Produkte zu fördern, ohne dass dafür bislang ein Ergebnis, nicht einmal eine Strategie vorliegt. – Wo ist das Geld hingekommen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Das stimmt so nicht. Das Netzwerk Kulinarik wurde unter meinem Amtsvorgänger eingerichtet. Es wurden zwei Cluster gebildet. Es hat auch eine europaweite Ausschreibung gegeben. Ein Unternehmen hat diesen Zuschlag bekommen und die Fördergelder auch abgewickelt. Diese sind auch laut Rechnungshofbericht den bäuerlichen Initiativen, auch den Gastronomieinitiativen in den letzten Jahren zugutegekommen. Alles, was da in der Vergangenheit abgewickelt worden ist, hat auch entsprechend Niederschlag gefunden.
Wir sind jetzt gerade dabei, das Netzwerk Kulinarik neu aufzustellen, eben auch im Rahmen der Agrarmarkt Austria eine Abteilung einzurichten, das zu institutionalisieren und wirklich jeden Fördereuro, den wir über die Programme der ländlichen Entwicklung zur Verfügung haben, zu den bäuerlichen Initiativen zu bringen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 4. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage lautet:
„Das Emissionsziel für das Jahr 2020 (für Non-ETS) liegt bei 47,8 Millionen Tonnen (CO2-Äquivalent), 2017 lagen wir mit 51,7 Millionen Tonnen noch weit darüber. Auf einzelne Maßnahmen verteilt gerechnet, wie planen Sie konkret die überschüssigen 3,9 Millionen Tonnen CO2 einzusparen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Wir haben gemäß unserer Klima- und Energiestrategie zwei Hauptsektoren identifiziert, die maßgeblich zu diesem Anstieg auch der Treibhausgase in den letzten drei Jahren geführt haben. Die Hauptsektoren sind es, die wir reduzieren müssen, damit wir unsere Zielpfade 2020 und vor allem eben auch 2030 erreichen können.
Das ist zum einen der Verkehrsbereich, wo wir uns ein Sektorziel von 7,2 Millionen Tonnen CO2-Reduktion gesetzt haben und zum anderen der Gebäudebereich, wo wir uns verpflichtet haben, rund 3 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren. Das sind die zwei Hauptsektoren, die diese CO2-Einsparungen leisten müssen, aber natürlich auch alle anderen Bereiche außerhalb des ETS-Systems, beispielsweise der Landwirtschaftsbereich oder die Abfallwirtschaft. Nur in diesem Gesamtkonstrukt wird es auch gelingen.
Energieeffizienzmaßnahmen sind ein maßgeblicher Bereich, der auch zum Gelingen beitragen wird. Wir haben diese Klima- und Energiestrategie ja gemeinsam mit dem Verkehrsministerium erstellt, und natürlich liegt auch die gemeinsame Abarbeitung in der Hand unserer beiden Ministerien. (Abg. Leichtfried: Deshalb gibt es Tempo 140!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bernhard, bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Bei allem gebotenen Respekt – ich komme auch gleich zur Zusatzfrage – waren das jetzt Ziele und keine konkreten Maßnahmen. Darauf zielt auch meine Zusatzfrage ab.
Die Emissionen im Verkehrssektor haben sich seit 1990 um 74 Prozent erhöht. Laut Umweltbundesamt sind drastische Maßnahmen notwendig, um die Klimaziele noch zu erreichen, welche allerdings Ihr Koalitionspartner, die FPÖ, großteils ausgeschlossen hat.
Wie wollen Sie als zuständige Ministerin für Klimaschutz die Klimaziele im Verkehrssektor tatsächlich durchsetzen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum einen liegt die Zuständigkeit für den Verkehr im Verkehrsministerium und bei Bundesminister Hofer, mit dem wir wirklich sehr intensiv und auch gut zusammenarbeiten.
Eine Maßnahme, die zum Gelingen beitragen wird, ist zum einen der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene spielt hier eine zentrale Rolle. Der Verkehrsminister investiert gerade 2,3 Milliarden Euro jährlich in den Ausbau des österreichischen Schienennetzes. Wir wollen da massive Verbesserungen erzielen. Diese Investitionssumme hat es in dieser Form noch nie gegeben.
Der zweite Bereich ist die Transformation unseres Individualverkehrs. Wir haben da die Möglichkeit, beispielsweise über unser E-Mobilitäts-Paket Förderungen für emissionsarme beziehungsweise emissionslose Fahrzeuge auszuzahlen. Da setzen wir an. Wir haben ein Förderpaket von 100 Millionen Euro gerade neu aufgelegt, um das eben auch zu fördern und zu unterstützen, und wir haben auch die Hersteller in die Pflicht genommen. Speziell unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist es uns gelungen, maßgebliche CO2-Reduktionen auf europäischer Ebene zu verankern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Salzmann. – Bitte.
Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Laut der #mission 2030 will die Bundesregierung einen weitgehend CO2-neutralen Verkehrssektor erreichen.
Welches Maßnahmenbündel soll dabei im Hinblick auf die E-Mobilität erfolgen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – In der vorangegangenen Frage war das schon ein Bestandteil. Wir haben gemeinsam mit Bundesminister Hofer ein sehr großes, umfassendes E-Mobilitäts-Paket aufgelegt. Das umfasst fast 100 Millionen Euro und fördert vor allem den Umstieg im Individualverkehr, aber auch die öffentliche Hand und auch Unternehmen, wenn sie beispielsweise CO2-neutrale Fahrzeuge anschaffen.
Wir fördern erstmals den Ankauf von Wasserstoffautos und eben auch den Bau der dazu notwendigen Infrastruktur, sprich Ladekapazitäten. Wir haben da also ein sehr umfassendes Förderpaket aufgelegt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich Herrn Abgeordneten Rossmann das Wort erteile, darf ich die Schüler vom Sacré Coeur Riedenburg bei uns recht herzlich willkommen heißen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)
Die 5. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Ministerin! Wenn die eigenen klima- und energiestrategischen Ziele bis 2030 erreicht werden sollen, dann muss die Ökostromerzeugung verdreifacht werden. Diese Dekarbonisierung wird natürlich hohe Kosten verursachen und diese müssen möglichst fair auf alle NutzerInnen aufgeteilt werden, damit die Akzeptanz des Transformationsprozesses gewährleistet ist. Derzeit ist es ja so, dass die Finanzierung über eine Umlage erfolgt, dass die privaten Stromverbraucher nur ein Viertel des Stroms verbrauchen, aber die Hälfte der Kosten tragen. Im Dezember haben Sie ja bereits eine Punktation für ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vorgelegt.
Meine Frage in diesem Zusammenhang lautet:
„Welche wesentlichen Änderungen wird es im Entwurf des EAG (Erneuerbaren Ausbau Gesetz) im Vergleich zu der im Dezember veröffentlichten Vorschau geben?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Wir haben am 5. Dezember die Eckpunkte vorgelegt, wie unser Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ausschauen soll. Wir arbeiten derzeit intensiv daran, es präzise und genau auszugestalten und diese Inhalte auch in die entsprechenden Gesetzestexte zu gießen, um den Weg hin zu unserem Ziel beschreiten zu können, nämlich 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren.
Sie haben es bereits angesprochen: Wichtig ist, da wirklich auch auf eine soziale Verträglichkeit zu achten, vor allem auf den Bereich der Versorgungssicherheit zu achten. Das tun wir. Wir werden das Gesetz vor dem Sommer vorlegen, wir werden es auch in die Begutachtung schicken. Ein Teil davon ist auch der ganz starke Bereich der Dezentralisierung, also den Ausbau der Produktion der Energie viel stärker zu dezentralisieren; ein Beispiel ist das 100 000-Dächer-Programm, das wir mit der Vision geplant haben, dass irgendwann einmal wirklich jedes Haus ein Kraftwerk sein kann.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Rossmann, bitte.
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Sie haben zwar gesagt, dass die Kosten der Dekarbonisierung fair verteilt werden sollen, aber nicht angedeutet, ob diese Fairness auch tatsächlich Teil des Gesetzes sein wird.
Daher meine Zusatzfrage: Wird es bei der Verteilung der Kosten der Ökostromförderungen begünstigende Sonderregelungen für die Industrie geben?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zu Ihrer Frage ist zu sagen, dass der Industriestandort Österreich maßgeblich im Zusammenhang mit der Energieproduktion steht. Wir sehen, dass gerade durch die Strompreiszonentrennung zwischen Österreich und Deutschland 2018 die Großhandelspreise um einiges höher geworden sind. Das ist natürlich ein Wettbewerbsnachteil für unsere Industrie.
Dazu möchte ich auch eines entschieden sagen: Wir werden diese Absicherung der Industrie als wirklich zentralen Punkt auch verankern. Es ist entscheidend, dass nach wie vor in Österreich produziert wird und die Industrien nicht abwandern und wir dann die Güter wieder importieren, denn das ist ein besonders absurdes System, das wir weltweit zum Teil auch mitverfolgen können. Das heißt, wir werden den Fokus darauf legen, dass für unseren Wirtschaftsstandort Österreich dieser Ausbau der erneuerbaren Ziele eben auch entsprechend verträglich vonstattengehen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Rossmann: Das heißt, die privaten Haushalte werden zahlen! Klatschen Sie nur!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 6. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Lettenbichler. – Bitte, Sie sind am Wort.
Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Sie und Kollege Bundesminister Hofer haben im vergangenen Jahr ja eine Initiative gestartet, eine Klima- und Energiestrategie zu erarbeiten. Es wurde dazu ein breiter Beteiligungsprozess gestartet. Es wurden Experten eingebunden, NGOs, die breite Bevölkerung, auch wir Abgeordnete waren im Zuge einer Enquete eingeladen, hier mitzuarbeiten. Ich begrüße diesen Ansatz sehr, denn es hat ein Abweichen von vielen, vielen Einzelmaßnahmen hin zu einem integrierten Gesamtplan gegeben.
Wir haben uns Energieziele gesetzt, Klimaschutzziele gesetzt, die durchaus ambitioniert, aber machbar sind. Wir setzen auch darauf, Anreize zu schaffen statt Verbote. Wir wollen die Bevölkerung einbinden, anstatt sie zu bevormunden. Der Ausfluss dieser #mission 2030 sind konkrete Maßnahmen, Leuchtturmprojekte, insgesamt zwölf, allesamt versehen mit Zeitplänen, Zuständigkeiten, Kosten.
Nun zu meiner Frage:
„Wie läuft die Umsetzung der österreichischen Klima- und Energiestrategie #mission2030?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage. – Tatsächlich ist es so, dass wir ab dem Tag des Beschlusses bereits in die Umsetzung gegangen sind. Der Raus-aus-dem-Öl-Bonus ist eine der Maßnahmen, die wir auch schon vorgezogen haben, die wir mit den
Bundesländern bereits entsprechend umsetzen und die sich auch sehr großer Beliebtheit erfreut.
Saubere Mobilität, ein zweiter wichtiger Punkt, bei dem wir mittlerweile wirklich Erfolgszahlen vermelden können. Österreich ist, was die Neuzulassung von emissionsfreien Pkws betrifft, mittlerweile unter den Top-Ländern der europäischen Union angekommen.
Wir sehen, dass diese #mission 2030 wirklich wirkt, und dass sie vor allem auch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.
Klimaschutz ist nicht nur eine Angelegenheit der Bundesregierung und schon gar nicht nur eine Angelegenheit meines Ministeriums, sondern ist wirklich im Interesse aller, weil es um unsere Zukunft geht. Dazu brauchen wir jeden Einzelnen, um die Ziele auch wirklich zu erreichen, und jeder in Österreich muss wissen, dass sein Verhalten auch zum Klimawandel oder zum Klimaschutz beiträgt. Diesbezüglich wollen wir in den nächsten Wochen und Monaten noch weitere entsprechende Schritte setzen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Lettenbichler, bitte.
Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Zur Erreichung dieser ambitionierten Energieziele und zur Setzung effizienter Maßnahmen gegen den Klimawandel braucht es natürlich viel Geld. Da ist die öffentliche Hand gefordert, es sind aber auch private Investoren gefordert, seien es Einzelpersonen, seien es Gesellschaften, seien es Unternehmen. Das Pariser Klimaschutzabkommen sieht ja auch vor, dass man unter dem Titel Green Finance vermehrt Möglichkeiten, die in diese Richtung gegeben sind, ausschöpfen soll. Die Bundesregierung, Sie und Bundesminister Hofer haben da – ich habe es schon erwähnt – zwölf Leuchttürme gesetzt, und einer dieser Leuchttürme, der Leuchtturm Nummer 8, setzt sich mit dem Bereich Green Finance auseinander.
Da interessiert mich: Welche Rolle kann privates Kapital, welche Rolle kann die Finanzwirtschaft bei der Erreichung der Klimaziele spielen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Es wird eine entscheidende Rolle spielen. Wir haben gemäß unserem Regierungsprogramm und der #mission 2030 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen und Finanzminister Löger zurzeit eine Green Finance Agenda in Ausarbeitung. Wir haben den Startschuss bereits gegeben. Wir haben eine gemeinsame Focal Group Green Finance eingerichtet. Wir wollen, dass privates Kapital und Investitionen in grünes Investment umgelenkt werden, und wollen damit mit dafür Sorge tragen, dass wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Dies ist Bestandteil vor allem auch unseres Ziels, unser Wirtschaftssystem langfristig umzubauen.
Damit uns das alles gelingen kann, brauchen wir eine ökosoziale Marktwirtschaft, brauchen wir eine echte Kreislaufwirtschaft, und dazu wird diese Green Finance Agenda einen maßgeblichen Beitrag leisten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schrangl. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Frage passt gut zu dem, was Herr Abgeordneter Lettenbichler gefragt hat. Es gibt ja auch Menschen, die eher weniger Geld haben, und deswegen ist für mich interessant: Wie besteht die Möglichkeit, diesen Zielkonflikt zwischen Ökologie und Leistbarkeit zu minimieren?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesminister.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ich glaube, dass wir vor allem an den Protesten in Frankreich gesehen haben, dass die Frage des Klimaschutzes und auch der immer stärkeren Besteuerung ganz klar auch eine soziale Frage ist. Wir wollen Fehler, wie sie in Frankreich gemacht worden sind, nicht machen. Das ist mit ein Grund dafür, warum wir sehr stark auf ein Anreizsystem setzen. Wir wollen diesen langfristigen Umbau unseres Wirtschaftssystems begleiten – im Bereich der Energiepolitik, im Bereich der Mobilitätspolitik – und hier Anreize setzen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger diesen Umstieg auch leisten können. Das wird in letzter Konsequenz auch im Sinne von uns allen sein.
Energiearmut ist ein zentrales Thema, dem wir uns als Bundesregierung verschrieben haben. Wir haben das Thema ganz klar auch in der #mission 2030 verankert, und ich darf mich auch beim Parlament sehr herzlich dafür bedanken, dass uns da bereits maßgebliche Schritte gelungen sind.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.
Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin, ein herzliches Willkommen meinerseits! Wir Sozialdemokraten treten für ein Sofortverbot, auch europaweit, von Glyphosat ein, wie Sie wissen. Glyphosat ist höchstwahrscheinlich krebserregend, birgt auch die Gefahr, sich bei seiner Anwendung sehr negativ auf Bienen und auf die Insektenpopulation im Allgemeinen auszuwirken, beziehungsweise sind mit der Verwendung von Glyphosat auch große Gefahren verbunden, was den Natur- und Umweltschutz ganz allgemein betrifft, was aber natürlich auch sauberes Trinkwasser betrifft, und durch die Überdüngung besteht auch die Gefahr, dass es zu einer Klimaerwärmung kommt.
Frau Ministerin, ich möchte Sie fragen: Sie haben in den letzten fast eineinhalb Jahren nicht viel – eigentlich nichts – unternommen, um ein Sofortverbot des Pflanzengiftes Glyphosat durchzusetzen, sondern Sie haben durch Ihr Nichtstun diesbezüglich eine Verzögerung eingeleitet, obwohl wir wissen, dass sich Glyphosat negativ auf die Gesundheit der Menschen auswirkt (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll) und dadurch auch eine entsprechende Schädigung der Natur in Kauf genommen wird. Sie sind natürlich auch für das Inverkehrbringen des Pflanzengiftes Glyphosat zuständig.
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 109/M, hat folgenden Wortlaut:
„Warum verzögern Sie seit mehr als eineinhalb Jahren das Sofortverbot von Glyphosat und gefährden damit die Gesundheit der Menschen und nehmen die Schädigung der Natur in Kauf?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zu Ihrer Frage, Herr Abgeordneter: Der Wirkstoff wurde Ende 2017 auf EU-Ebene hinsichtlich seiner Risiken neu bewertet und auf europäischer Ebene für weitere fünf Jahre zugelassen. Wir haben im Regierungsprogramm verankert, dass wir eine Studie in Auftrag geben, die eine Machbarkeit und einen Aktionsplan für den Ausstieg sicherstellen soll. Diese ist derzeit gerade am Laufen. Wir machen das gemeinsam mit den Bundesländern, weil – Sie wissen das mit Sicherheit – die Bundesländer auch gesetzgebende
Kompetenz im Bereich der Ausbringung haben. Die Kosten der Studie werden vom Bund und den Ländern gemeinsam getragen – das ist auch der Grund dafür, warum die Länder da sehr intensiv mitreden. Wir werden diese Studie hoffentlich im ersten Halbjahr 2019 vorliegen haben.
Es ist ja ein sehr umfangreiches Werk, das da erstellt werden soll, mit dem Ziel, eben diesen Ausstieg herbeizuführen und dessen Machbarkeit herzustellen. Wichtig ist der Bereich der Alternativen zu Glyphosat, denn was uns nicht passieren darf, ist, dass dann beispielsweise Produkte verwendet werden, bei denen wir draufkommen, dass sie noch schädlicher sind. Ausstiegsszenarien sind da auch sehr zentral, und gemeinsam mit den Bundesländern werden wir diesen Weg erarbeiten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Preiner, bitte.
Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Ministerin, Sie haben bereits im Mai des vergangenen Jahres den Start für diese Maßnahme, für diese Untersuchung betreffend Glyphosatverbot, eingeleitet. Weshalb liegen noch keine Untersuchungsergebnisse vor?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Nun, die Materie ist vor allem auch rechtlich sehr komplex. Sie wissen, es haben einzelne Bundesländer ja bereits auch Versuche gestartet, das rechtlich umzusetzen – sie sind mehr oder weniger daran gescheitert. Alles, was wir vonseiten der EU-Kommission hiezu an Informationen bekommen, lassen wir auch einfließen. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen sind natürlich auch zentral und bedeutend, und die Bundesländer haben jetzt noch einiges an Fragen zusätzlich eingemeldet. Das muss auch mitaufgenommen werden, und sobald alle Fragen beantwortet sind, wenn die Studie fertig ist, wird sie auch präsentiert.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rauch stellt die nächste Zusatzfrage. – Bitte.
Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Frau Bundesminister! Wir haben ja in unserem Regierungsprogramm einige Punkte dazu verankert, welche Strategien wir verfolgen wollen.
Jetzt meine konkrete Frage: Welche Strategien werden Sie zur Reduktion der Pestizide in Zukunft verfolgen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Tatsächlich ist es so, dass wir in Österreich naturnahen Bekämpfungsmaßnahmen den Vorzug geben. Das schlägt sich in den letzten Jahren auch sehr klar in den Zahlen betreffend die Verwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln nieder. Diese sind in Österreich stark reduziert worden, eine Reduktion von rund 11,6 Prozent ist zu verzeichnen. Ich glaube, das ist ein sehr positiver Weg, den wir auch weiter beschreiten werden.
Wir haben ein System des Warndienstes eingerichtet, um einen zielgerichteten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu ermöglichen und die Menge maßgeblich zu reduzieren. Das ist ein System, das wir in Zukunft noch weiter ausbauen wollen und auch fortsetzen wollen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber, bitte.
Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Ministerin! Laut einem aktuellen Bericht der staatlichen französischen Umweltbehörde wurde bekannt,
dass sich Glyphosatrückstände sogar in Babywindeln wiederfinden, und die Sorge ist, dass diese Stoffe durch den kindlichen Urin aus den Windeln herausgelöst und vom kindlichen Körper aufgenommen werden. Jetzt wissen wir, dass es mitunter auch Studien gibt, die besagen, dass dieses Pflanzenschutzmittel krebserregend ist. Auf französischem Boden werden nun strengere Regeln gefordert, es wird im Sinne der Kinder argumentiert.
Im Hinblick auf Österreich möchte ich die Frage stellen, ob Sie überhaupt über diese Situation Bescheid wissen. Ist Ihnen bekannt, dass diese Stoffe auch in Babywindeln enthalten sind, und was werden Sie dagegen unternehmen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für Ihre Frage. – Grundsätzlich muss man, glaube ich, einmal betrachten, was der Rohstoff ist, der sich in den Babywindeln wiederfindet. Das ist in hohem Ausmaß Baumwolle, die nicht in Europa produziert wird. Ich glaube also, das fängt ganz stark im Bereich der Rohstoffprodukte an. Hier bin ich auch dafür – und die zuständige Bundesministerin Hartinger-Klein hat ja auch schon entsprechende Untersuchungen angekündigt –, dass wir das im Konsumentenschutzbereich wirklich zu 100 Prozent nachverfolgbar machen beziehungsweise auch dafür Sorge tragen, dass es zu keinen Rückständen in den Babyartikeln in Europa kommt.
Das ist ja nicht nur ein Problem, das wir in Österreich sehen, sondern das besteht genauso in ganz Europa und auch weltweit, aber die zuständige Bundesministerin Hartinger-Klein ist hier bereits tätig geworden, und im Rahmen ihrer Agenden im Bereich Konsumentenschutz werden hier mit Sicherheit auch weitere Schritte folgen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 8. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Kassegger. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Meine Frage beschäftigt sich mit dem Thema erneuerbare Energie.
Wir sind ja als Republik Österreich sehr gut unterwegs, sind ein Vorreiter, wenn es darum geht, den Anteil der erneuerbaren Energie am Gesamtaufkommen zu beurteilen; da sind wir sehr weit vorne. Zum Beispiel gewinnen wir im Strombereich schon jetzt bereits über 70 Prozent Energie aus erneuerbaren Energiequellen. Wir werden diesen Weg als Bundesregierung selbstverständlich intensiv fortsetzen. Das Ziel muss sein, den Anteil der fossilen Energieträger stark zurückzudrängen und irgendwann einmal am Ende des Tages gänzlich zu ersetzen. Das ist sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als selbstverständlich auch aus Klimaschutzgründen sinnvoll.
Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm, in der #mission 2030 bereits klare strategische Ziele definiert. Jetzt geht es darum, das im Gesetz konkret herunterzubrechen.
Meine Frage lautet:
„Welche Schwerpunkte hat das zukünftige Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Tatsächlich liegt es uns wirklich sehr am Herzen, dass wir in Österreich für den Ausbau der erneuerbaren Energien ein marktkonformes, ein wettbewerbsfähiges und vor allem auch ein innovationsfreundliches Fördersystem sicherstellen.
Versorgungssicherheit ist da für uns natürlich immer ein ganz großes Schlüsselthema. Tatsächlich wird uns das nur gelingen, wenn wir auf alle Bereiche der erneuerbaren Energie setzen, sehr stark auch dezentral ausbauen und uns vor allem auch das Thema der Sektorkopplung ganz zentral ansehen. Die Stromwärme, das Mobilitätssystem und die Sektorkopplung – diese drei Bereiche sowie auch der Bereich Greening the Gas spielen da eine ganz wesentliche Rolle. Wir setzen also sehr stark darauf, erneuerbare Energien ins Gassystem einzuspeichern.
Ein zentraler Punkt wird für uns auch sein, Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften dort zu ermöglichen, wo beispielsweise Gemeinschaftsanlagen errichtet werden sollen. Das Ziel ist es, das den Gemeinden und Regionen in Zukunft zu ermöglichen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Kassegger, bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Meine Zusatzfrage hat auch mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu tun, ganz konkret ist meine Frage nämlich: Wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung für die Umsetzung im Rahmen dieses Gesetzes aus?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wir wollen, dass das Gesetz am 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, das heißt, wir werden das EAG noch vor dem Sommer in Begutachtung schicken.
Ein Beschluss im Nationalrat ist auf jeden Fall vor Jahresende möglich, wenn wir gemeinsam an diesem Ziel festhalten, Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Wir haben in der Vergangenheit, in den letzten Monaten, gesehen, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit manchmal nicht so einfach zu erreichen ist, weil auch aus Parteikalkül dagegengestimmt wird. Ich würde in diesem Zusammenhang wirklich bitten, Parteipolitik hintanzustellen, dem Klimaschutz den Vorrang zu geben und entsprechend am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mitzuwirken.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Frau Ministerin! Zur Biomasse werden wir heute ja noch kommen. Meine Zusatzfrage betrifft das Thema Bekämpfung der Energiearmut. Da haben Sie ja angesprochen, dass das in der #mission 2030 vorkommt und dass Ihnen das ein wichtiges Anliegen ist.
Daher ist meine Frage ganz konkret: Welche Maßnahmen möchten Sie im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes setzen, um in Hinkunft weitere Schritte zu setzen, um Energiearmut zu bekämpfen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Die Leistbarkeit der Energie und damit einhergehend natürlich auch eine effiziente Energieproduktion stehen für uns an oberster Stelle. Tatsächlich ist es aber auch so, dass wir heute mit unserer Abstimmung dazu einen Beitrag leisten werden.
Wir haben ja im Zuge der Novelle des Ökostromgesetzes gemeinsam mit dem Koalitionspartner erstmals eine Regelung betreffend Befreiung von sozial schwachen beziehungsweise einkommensschwachen Haushalten von der Ökostromabgabe zum Beschluss vorgelegt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit.
Wir setzen in diesem Bereich sukzessive Akzente. Wir wollen Energie vor allem auch leistbar machen und all jenen, die es sich aufgrund der einkommensschwachen Situation nicht leisten können, entsprechende Hilfestellungen zur Verfügung stellen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 9. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.
Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Grundsätzlich muss man zum Tourismus-Masterplan, der durchaus positiv ist und in die richtige Richtung geht, einmal gratulieren. Er ist für den Tourismus ganz wichtig, weil er sozusagen auch eine Wertschätzung des Tourismus darstellt.
Ein Masterplan muss für mich als Unternehmer – und vor allem auch als Touristiker – vor allem darauf ausgerichtet sein, dass messbare Ziele und Zeiträume festgesetzt werden, um diese Ziele auch zu erreichen beziehungsweise einen so wichtigen Plan umsetzen zu können. Im Masterplan selbst finden wir allerdings weder Zeit- noch Maßnahmenzielsetzungen, die einem sogenannten Masterplan entsprechen würden.
Wie wollen Sie als Ministerin diesen Masterplan in Ihrer Legislaturperiode entsprechend auf Nachvollziehbarkeit, darauf, ob die Dinge umgesetzt werden, kontrollieren? – Die Umsetzung – etwas nicht nur aufs Papier zu bringen – ist ja ein entscheidender Punkt, und dazu müssen messbare Ziele und Zeiträume festgesetzt werden.
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 115/M, hat folgenden Wortlaut:
„Ein Masterplan, der diesem Namen auch gerecht werden soll, setzt Probleme und Maßnahmen zeitlich und verbindlich miteinander in Beziehung. Im von Ihnen veröffentlichten ,Plan T - Masterplan für Tourismus’ findet man jedoch nichts dergleichen: keine Zeitpläne oder Meilensteine, die den Weg in die Zukunft sinnvoll gliedern. Auch nach Verantwortlichkeiten sowie Verbindlichkeiten sucht man vergeblich. Wie soll ein Masterplan Tourismus aus Ihrer Sicht funktionieren, wenn es im entsprechenden Papier keine messbaren Ziele gibt?“
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum einen haben wir uns mit den zuständigen Bundesländern, die ja in der Gesetzgebung maßgeblich die Kompetenz für Tourismuspolitik haben, dazu verpflichtet und auch committet, dass dieser Masterplan ein lebendiges Produkt wird, also dass wir ständig daran arbeiten, ihn weiterzuentwickeln.
Wir wollen eine Transformation erstmals dahin gehend schaffen, dass Tourismuspolitik nicht mehr nur als reine Wirtschaftspolitik, sondern als Strukturpolitik gesehen wird. Das wird uns in der Umsetzung nur gemeinsam mit den Bundesländern gelingen. Wir haben begonnen, die Maßnahmen bereits ab Tag eins umzusetzen – ich darf nur die Registrierungspflicht für die Plattformökonomie ansprechen, Stichwort Airbnb, wo wir bei der Plattform selbst, aber auch beim Vermieter ansetzen, um wirklich eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
Wir haben bei der ÖW bereits ein Zusatzbudget aufgestellt, um speziell im Digitalisierungsbereich tätig zu werden. Wir haben der ÖHT bereits 1,5 Millionen Euro mehr für zielgerichtete Förderungen zur Verfügung gestellt, und wir haben mit der Positionierung Österreichs als der Kulinarikdestination Nummer eins in Europa auch einen Anker
im Netzwerk Kulinarik geschaffen. Die Weichen sind also gestellt und wir werden sukzessive an der Umsetzung arbeiten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schellhorn, bitte.
Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Minister! Tourismus ist ein Gesamtkunstwerk, ist eine Mischkalkulation, wie wir im Tourismus sagen. Sie haben im Masterplan ja verschiedene Punkte wie Digitalisierung, Fachkräftemangel et cetera festgelegt. Dazu bräuchten Sie Ihre Kollegen auf der Regierungsbank.
Haben Sie dafür eine Taskforce, eine bessere Koordinierungsstelle, zum Beispiel mit dem Sozialministerium, was den Fachkräftemangel anbelangt, mit dem Finanzministerium, aber auch mit dem Infrastrukturminister, der im Bereich der Digitalisierung vor allem die digitale Infrastruktur gewährleisten muss, eingesetzt? Der Infrastrukturminister muss ja, was die CO2-Ziele betrifft, eine Erreichbarkeit mit öffentlichen Mitteln umsetzen.
Sie müssten faktisch eine Untergruppe gründen, die eine Taskforce hat, um Ihre Ziele auch umsetzen zu können. Natürlich können Sie es alleine fordern, aber die Umsetzbarkeit ist doch auch Ihr Ziel.
Haben Sie eine solche Gruppe im Sinn? Wollen Sie so etwas initiieren? Das müssen Sie ja faktisch, wenn ich Sie ernst nehmen will und muss und werde – Sie werden daran gemessen werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wenn Sie so wollen, ist der Ministerrat die entsprechende Taskforce.
Sie haben den Fachkräftemangel beziehungsweise das Problem der fehlenden Arbeitskräfte im Tourismus angesprochen. Wir haben in der Woche vor Ostern bereits wieder gemeinsam mit dem zuständigen Sozialministerium Kontingente festlegen können, eine Erhöhung festlegen können, wir arbeiten also wirklich sukzessive jede Woche gemeinsam an der Umsetzung der Maßnahmen. Wie ich bereits angesprochen habe, geht es uns darum, dass Tourismuspolitik nicht mehr nur reine Wirtschaftspolitik ist, sondern Strukturpolitik. Die Maßnahmen sind ministerien- und sektorübergreifend und werden von uns gemeinsam getragen und umgesetzt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Obernosterer, bitte.
Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen auch eine Frage zum Tourismus stellen.
Den Masterplan für Tourismus haben Sie ja sofort in Angriff genommen, als Sie das Bundesministerium für Tourismus übernommen haben. Sie sind durch die Länder gezogen und haben mit 500 Experten aus allen Interessen- und Berufsgruppen diesen Tourismusplan aufgestellt. Ich muss sagen, das hat dem Tourismus sehr gutgetan. Das hat es in dieser Form von einer Regierung noch nie gegeben.
Überhaupt merkt man, dass vonseiten dieser Regierung für den Tourismus sehr viel Verständnis da ist. Das haben auch schon die ersten Aktionen gezeigt: Mehrwertsteuer, Airbnb oder jetzt zum Beispiel das Thema Eigenverantwortung der Wanderer. Wir kennen ja dieses Ersturteil in Bezug auf den Kuhvorfall, wir wissen aber auch, dass Tourismus gerade für viele Landregionen neben der Landwirtschaft der einzige wirtschaftliche Nebenerwerb ist.
Was haben Sie vor, um die regionalen Strukturen und die Wertschöpfungsketten dort zu stärken, damit man die Abwanderung halbwegs in den Griff bekommt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. – Der Tourismus im ländlichen Raum ist für uns tatsächlich eine Lebensader, wenn man so will, weil eben speziell im vor- und nachgelagerten Bereich extrem viele Arbeitsplätze am Tourismus, an der Branche hängen, auch anschließend an die Freizeitwirtschaft. Das muss man immer auch als Gesamtkonstrukt sehen. Ich glaube, der erste Schritt ist einmal die Vereinigung zwischen Landwirtschaft und Tourismus in einem Ministerium und das Nutzen der Synergien, die sich oft auch automatisch daraus ergeben.
Ich habe es bereits angesprochen: Unser strategisches Ziel ist es, Österreich als die Kulinarikdestination Europas zu positionieren und zu etablieren, die Qualitätsprodukte, die wir in Österreich haben, mit der hohen Qualität des Tourismus zusammenzuschließen und damit einhergehend einfach noch stärkere regionale Wertschöpfung zu schaffen und beiden Branchen damit auch ein zukunftsfähiges Gerüst zu geben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 10. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Zinggl. – Bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ernährungsbewusste Menschen wollen auch in Restaurants und Gaststätten gerne wissen, woher die Produkte kommen, die ihnen serviert werden, die sie essen, woher Eier, Fleisch und Gemüse tatsächlich kommen, wie die Tiere, die verarbeitet sind, vorher behandelt und gehalten wurden, und nur wenige Küchen geben das bekannt.
„Was werden Sie tun, um Konsumentinnen und Konsumenten über die tatsächliche Herkunft von Lebensmitteln zu informieren?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wie Sie wissen, ist für die Lebensmittelkennzeichnung grundsätzlich meine Kollegin Beate Hartinger-Klein zuständig. Wir arbeiten sehr intensiv und sehr gut auch gemeinsam daran, dieses transparente und nachvollziehbare Herkunftssystem in Österreich zu verbessern. Wir haben ja mit dem AMA-Gastrosiegel bereits ein System geschaffen, das sehr gut funktioniert, das sich auch großer Beliebtheit erfreut. Da ist die Herkunft aus Österreich zu 100 Prozent sichergestellt. Wir arbeiten gerade auch daran, kontinuierliche Verbesserungen im Bereich der Qualität und der Sicherheit für den gesamten Herstellungsprozess zu erzielen. – Das zum einen.
Zum anderen haben wir bereits eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für eine Reihe von Lebensmitteln, speziell im Fleischbereich. Da gibt es ja auch bereits eine europäische Herkunftskennzeichnung, und gemäß dem Regierungsprogramm arbeiten wir daran, für verarbeitete Produkte im Bereich Fleisch, Milch und Eier verpflichtend auch entsprechende Herkunftskennzeichnungen zur Verfügung zu stellen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Zinggl.
Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Also insbesondere das Letzte, was Sie gesagt haben, habe ich auch den „Salzburger Nachrichten“ entnommen. Sie planen die Herkunftsbekanntgabe in Produkten des Verkaufs, wenn ein Anteil von mehr als 50 Prozent von beispielsweise Eiern im Produkt enthalten ist, und als Beispiel
dafür nennen Sie Eiaufstrich und Eiernudeln. Nun sind in den meisten Eiaufstrichen weniger als 50 Prozent Eianteil und bei Eiernudeln sind es überhaupt weniger als 20 Prozent.
Warum wird dieser hohe Anteil von 50 Prozent gewählt, und können Sie ein Beispiel für ein Produkt nennen, in dem mehr als 50 Prozent enthalten sind?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Es gibt entsprechend der Produktgruppe natürlich verschiedene Klassifizierungen. Wir nehmen Anleihe an einem Modell, das es bereits in Frankreich und in Italien gibt, bei dem gemäß diesen Produktgruppen eine Herkunftskennzeichnung hergestellt wurde. Ich glaube, das sinnbildlichste Beispiel sind Milch und verarbeitete Milchprodukte wie beispielsweise Joghurt.
Wir nehmen da eben Anleihe bei Ländern, die das bereits in Umsetzung haben, und versuchen, das auch entsprechend zur Verfügung zu stellen. Es soll aber vor allem auch für unsere Lebensmittelhersteller, für unsere Lebensmittelindustrie ein Vorteil sein, die Herkunft Österreich wirklich klar auszuweisen und draufzuschreiben. Daran arbeiten wir, wie gesagt, gemeinsam mit dem zuständigen Gesundheitsministerium.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur 11. Anfrage darf ich Frau Abgeordnete Jachs ans Rednerpult bitten.
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Der Plan T wurde ja schon angesprochen. Mich würde interessieren:
„Was beinhaltet der ,Plan T – Masterplan für Tourismus‘ und was sind die nächsten Schritte?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Wir haben einen sehr umfangreichen Beteiligungsprozess gestartet. Wir haben das quasi nicht vom Ministerium aus in Wien geschrieben, sondern sind in die Bundesländer gegangen und haben dort mit 500 Beteiligten diesen Plan T ausgearbeitet. Uns war es ganz wichtig, ein neues Indikatorensystem für den Tourismus und für die Messbarkeit des Erfolgs des Tourismus einzusetzen. Zukünftig werden es nicht nur die Nächtigungszahlen alleine sein, sondern es wird gemäß dem Satellitenkonto eine wirklich breite Betrachtung geben, wie es der Branche wirklich geht.
Wir haben speziell auch das Thema der stärkeren Vernetzung zwischen der Landwirtschaft und dem Tourismus als eines der ganz großen Themen und Schwerpunkte herausgearbeitet. Das Thema Digitalisierung ist für uns etwas ganz Zentrales, ebenso das Thema Beschäftigung und die Frage, wie wir vor allem auch junge Menschen stärker für die Tourismusbranche begeistern können.
Es ist also ein sehr umfangreiches Projekt. Die Österreich Werbung spielt eine wirklich wichtige und zentrale Rolle im Bereich des Außenauftritts und des Marketings für den Tourismus. Da planen wir in Zukunft, noch viel stärker auf gemeinsame Aktionen und Kampagnen zu setzen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Jachs.
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Wollen Sie Österreich als Kulinarikdestination erlebbar machen?
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ja, da spielt vor allem unser Netzwerk Kulinarik eine maßgebliche Rolle. Ausgangspunkt sind unsere bäuerlichen Familienbetriebe und die unglaubliche Vielfalt an Lebensmittelproduktion, die wir in Österreich haben. Wir haben Gott sei Dank die Ausgangssituation, dass in Österreich alles unterschiedlich schmeckt und zum Teil auch ausschaut. Von Vorarlberg bis zum Burgenland gibt es da extrem viel Vielfalt, und das wollen wir im Kulinariknetzwerk auch entsprechend stärker verankern, mit einem Herkunfts- und einem Qualitätssystem unterlegen und so den bäuerlichen Initiativen auch die Möglichkeit geben, sich besser zu vermarkten und eben auch die Vernetzung zum Tourismus hin zu verstärken. Das wollen wir speziell über das Netzwerk Kulinarik sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Hauser. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Der Masterplan Tourismus zeigt die Wertschätzung für den Tourismus und ist notwendig, weil der Tourismus immerhin nicht nur für den ländlichen Raum wichtig ist, sondern 16 Prozent des Bruttonationalproduktes erwirtschaftet. Mit dem Masterplan Tourismus wird eine Strategie für den Tourismus für die Zukunft erarbeitet – es ist der Beginn und eben nicht das Ende –, aber ich möchte nur festhalten, dass das Nachdenken über den Tourismus, festgehalten im Masterplan Tourismus, nicht das Regierungsprogramm ersetzt.
Wir haben ja auf dreieinviertel Seiten ein umfassendes Regierungsprogramm erarbeitet, mit vielen Verbesserungen für die österreichische Tourismuswirtschaft, wie zum Beispiel die Reduktion der Mehrwertsteuer auf Beherbergung, womit wir den Betrieben – mehr als 40 000 Betrieben, von Privatzimmervermietern bis hin zum Hotelier – immerhin 140 Millionen Euro zurückgeben konnten. Jetzt gibt es eben daneben den Masterplan Tourismus, und ein Punkt des Masterplans ist, die Koordination zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Kulinarik zu vertiefen. Wir sind ja nicht umsonst das Bioland Nummer eins.
Sehr geehrte Frau Minister, was kann das Netzwerk Kulinarik zusätzlich für die landwirtschaftliche Produktion tun?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Uns liegt daran, dass wir ein durchgängiges Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem zur Verfügung stellen. Das soll die Basis bieten, damit wir in der bäuerlichen Produktion auf der einen Seite die Qualitätssicherheit gewährleisten, auf der anderen Seite auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung geben.
Uns liegt auch daran, alternative Vertriebswege zu schaffen. Wir sehen, dass speziell im Tourismus immer wieder auf den Großeinkauf zurückgegriffen wird. Da wollen wir eben auch zusätzliche Schienen zur Verfügung stellen, damit die Tourismusbetriebe leichter und einfacher auf bäuerliche Erzeugnisse mit klarer Herkunft, aus kleinbäuerlicher Produktion zurückgreifen können, und das soll auch über das Netzwerk Kulinarik zur Verfügung gestellt werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Gruber. – Bitte.
Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Airbnb wurde heute ja schon ein paar Mal erwähnt. Wie wir alle wissen, erschwert Airbnb zum Beispiel das Leben und Wirken unserer Beherbergungsbetriebe enorm.
Meine Frage dazu: Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie die Vermietung im Rahmen von Airbnb eindämmen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Airbnb ist in Österreich mittlerweile ein relevanter Faktor geworden.
Wir haben rund 1,7 Millionen Nächtigungen, die über Buchungsplattformen verzeichnet werden. Uns geht es darum, eine Registrierungspflicht zur Verfügung zu stellen. Wir setzen da an zwei Schrauben an, zum einen bei der Buchungsplattform selber; Grundlage dafür bietet ja auch eine europäische Regelung, die zurzeit von unserem Finanzminister ausgearbeitet wird, die die Möglichkeit beinhaltet, dass die Buchungsplattform selbst in die Pflicht genommen wird. Als zusätzliches Instrument wollen wir auch über österreich.gv.at die Möglichkeit schaffen, dass sich der Vermieter mittels weniger Klicks registriert, damit wir mehr oder weniger einen Abgleich und eine doppelte Sicherheit zur Verfügung stellen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 12. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Unterrainer. – Bitte.
Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Vor einigen Tagen wurde der Hühnerfleischskandal rund um einen ukrainischen Oligarchen, der massenhaft Billigfleisch in die EU importiert hat, bekannt. Der Großteil dieser Ware, nennen wir es einmal so, ist ohne Wissen über den Ursprung und den Hintergrund des Fleisches – funktioniert hat das über eigene Firmen in der Europäischen Union, in denen diese minderwertigen Produkte geringfügig verändert wurden, sodass ein neues, relativ hochwertiges Produkt entstanden ist – dann von unseren Gastronomiebetrieben gekauft worden.
Die heimische Gastronomie setzt ja, wie wir heute schon mehrmals gehört haben, in Österreich seit Jahren auf regionale Produkte und Fleisch aus nachhaltiger Tierhaltung, und diese Anstrengung unsererseits darf nicht zunichte gemacht werden. Da sind wir alle, glaube ich, einer Meinung. Sowohl die Besitzerinnen und Besitzer der Restaurants, der Gastwirtschaften, der Hotels und so weiter als auch die Konsumenten und Konsumentinnen müssen ja sichergehen können, dass das Fleisch, das in den Gastronomiebetrieben angeboten wird, auch unseren Standards entspricht.
Anlässlich dieses Falles lautet daher meine Frage:
„Was werden Sie in welchem Zeitrahmen unternehmen, dass Billigfleischimporte in die EU künftig nicht mehr möglich sein werden und unsere Gastronomiebetriebe nicht ausgetrickst und missbraucht werden?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Sie haben den ukrainischen Hühnerfleischskandal angesprochen: Das ist ein Betrug erster Güte und ist als solcher auch klar zu verurteilen. Ich würde mir da wirklich auch wünschen, dass die zuständige EU-Kommission – da ist die DG Sante für die Kontrollen verantwortlich – bei den Importen genauso darauf schaut wie auf das, was beispielsweise bei uns in Österreich produziert wird.
Dieser Missbrauch muss in Zukunft ausgeschlossen werden. Wir treten klar dafür ein – und haben auch schon Gespräche mit der EU-Kommission geführt –, dass in Zukunft genauer kontrolliert wird, dass genauer hingeschaut wird, damit eben entsprechende Missbrauchsskandale einfach nicht mehr passieren.
Ich halte es nach wie vor wirklich auch für vernünftig, über ein europaweites Herkunftssystem nachzudenken. Wir haben das bereits im Frischfleischbereich, das soll auch auf verarbeitete Produkte ausgeweitet werden, weil viele der Rohstoffe ja verarbeitet werden und der Ursprung dann nicht mehr nachvollziehbar ist. Das kann und wird eine Möglichkeit sein, um hinkünftig eben auch Missbrauch und derartigen Skandalen einen Riegel vorzuschieben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Keine.
Die 13. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Riemer. – Bitte.
Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Über 40 Jahre ist die Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf her. Zwei Katastrophen – Tschernobyl zum einen, Fukushima zum anderen – haben sich natürlich in Österreich im kollektiven Bewusstsein verankert. Österreich ist seitdem mit alternativen und erneuerbaren Energien einen eigenen Weg gegangen.
Meine Frage an Sie lautet:
„Welche Maßnahmen werden zur konsequenten Verfolgung des österreichischen Anti-Atomkraft Weges gesetzt?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank für die Frage. – Wir haben das zentral und klar in unserem Regierungsprogramm verankert. Ich glaube, die erste und wichtigste Maßnahme, um Atomenergie und Atomkraft zurückzudrängen, ist der kontinuierliche Ausbau von erneuerbarer Energie. Da setzen wir in Österreich wirklich neue Maßstäbe, und das werden wir in Zukunft auch weiter fortsetzen.
Im Bereich der nuklearen Sicherheit haben wir sehr viel zu tun, da geht es auch um kerntechnische Anlagen, die wir zum Teil nicht verhindern können, wenn sie beispielsweise in Nachbarländern gebaut werden, aber wir haben die Pflicht und werden alles dafür tun, dass wir die maximalen Sicherheitsanforderungen sicherstellen. Das gilt für Neubauprojekte genauso wie für bestehende Kernkraftwerke, vor allem auch in unseren Nachbarländern. Ich spreche hier Mochovce, die Reaktorblöcke 3 und 4 an, die uns wirklich ganz große Sorgen bereiten. Wir verlangen, dass UVP-Verfahren auch bei Langzeitverlängerungen sichergestellt werden, und wir werden auch versuchen, die allgemeinen Verpflichtungen im Rahmen der Espoo-Konvention entsprechend durchzusetzen.
Da sind wir wirklich als gesamte Bundesregierung gefordert und setzen uns auch entsprechend dafür ein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zanger.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Riemer.
Abgeordneter Josef A. Riemer: Ja, sie wurde aber im Prinzip schon fast beantwortet, und zwar, Frau Bundesminister, wollte ich wissen, was die Bundesregierung und Sie aufgrund der Sicherheitsbedenken gegen die Inbetriebnahme von Mochovce machen – das war ja auch medienwirksam. Was können wir konkret wirklich tun?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Mochovce bereitet uns wirklich sehr viel Kopfzerbrechen. Ich habe bereits im März auch ein Gespräch mit meinem Amtskollegen, dem Energieminister in der Slowakei, geführt.
Mir wurde zugesichert, dass wir auch entsprechend allen Transparenzbestimmungen Zugang zu Berichten bekommen. Wir sind da auf höchster Ebene, auch vonseiten des Bundeskanzlers, bereits aktiv. Wir gehen den besorgniserregenden Berichten über Bau- und Sicherheitsmängel konsequent nach, wir haben auch bereits die internationale Atomaufsichtsbehörde angerufen und um Hilfe gebeten, um da wirklich maximale Transparenz und Sicherheit herzustellen.
Ich würde aber wirklich auch bitten, dass die Sozialdemokratische Partei da tätig wird. Es handelt sich ja um eine sozialdemokratische Regierung in der Slowakei, die maßgeblich dafür Sorge trägt beziehungsweise vorantreibt, dass die nachweislich unsicheren Reaktorblöcke 3 und 4 von Mochovce in Betrieb genommen werden. (Zwischenruf der Abg. Bayr. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, da ist wirklich auch parteiübergreifendes Engagement gefragt, damit wir verhindern, dass diese Reaktorblöcke ans Netz gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist Ihre Verantwortung!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt und beantwortet. Ich bedanke mich für die Beantwortung bei der Frau Bundesminister.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 3371/J bis 3402/J
2. Anfragebeantwortungen: 2901/AB bis 2903/AB
B. Zuweisungen:
1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:
Budgetausschuss:
Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 54 Abs. 12 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen und gemäß § 60 Abs. 3 BHG 2013 über zugestimmte Vorbelastungen im 1. Quartal 2019 (Vorlage 44 BA)
2. Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur Vorberatung:
Ausschuss für innere Angelegenheiten:
Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden (594 d.B.)
Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:
Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 2009 geändert wird (593 d.B.)
Unterrichtsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Schulzeitgesetz 1985 geändert wird (595 d.B.)
Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Institutes des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen und die Eingliederung
des Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens erlassen und das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Bundesinstitutes für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens geändert wird (596 d.B.)
Verfassungsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (592 d.B.)
*****
Ankündigung einer Dringlichen Anfrage
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3402/J der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat“ dringlich zu behandeln.
Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2898/AB
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich ferner mitteilen, dass gemäß § 92 der Geschäftsordnung ein Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2898/AB der Anfrage 3000/J der Abgeordneten Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „erneut steigende Treibhausgase im Verkehrsbereich“ durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie abzuhalten.
Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss daran stattfinden.
Fristsetzungsantrag
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf vor Eingang in die Tagesordnung drittens auch noch mitteilen, dass die Abgeordneten Gerstl, Stefan, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird, 110 der Beilagen, eine Frist bis zum 14. Mai 2019 zu setzen.
Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen ohne Debatte zur Abstimmung gebracht.
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 5 und 6, 10 bis 12 sowie 13 und 14 der Tagesordnung zusammenzufassen.
Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Redezeitbeschränkung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde eine Einigung über die Redezeit erzielt. Dementsprechend haben wir eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart. Damit ergeben sich folgende Redezeiten: 148 Minuten für die ÖVP, für die SPÖ und die FPÖ jeweils 132 Minuten sowie für NEOS und JETZT je 44 Minuten. Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für jene, die keinem Klub angehören, je 22 Minuten, wobei die Redezeit pro Debatte auf 5 Minuten beschränkt ist.
Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die Redezeit.
Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (588 d.B.)
2. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 669/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsatzgesetz für eine bedarfsorientierte Mindestsicherung (589 d.B.)
3. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 680/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberales Bürgergeld (590 d.B.)
4. Punkt
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeitslosenversicherung bei langen Bezugsdauern (591 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Ich darf die Frau Bundesminister herzlich bei uns begrüßen.
Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Rendi-Wagner. Ich darf ihr das Wort erteilen.
10.21
Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade in den letzten Tagen und Wochen konnten wir leider den Verlust des politisch-moralischen Anstands in Österreich sehr deutlich beobachten. (Abg. Belakowitsch: Ja, das konnte man beobachten!) Es ist aber nicht nur der politisch-moralische Anstand, der verloren gegangen ist, sondern es scheint auch so zu sein, dass es der menschliche Anstand ist, der dieser Bundesregierung fehlt. Gerade am Beispiel der Mindestsicherung kann man das sehr gut festmachen.
Ich stelle am Anfang sehr einfache Fragen: Will diese Bundesregierung für die Menschen in Österreich mehr Möglichkeiten schaffen? Will sie Menschen mehr Chancen, mehr Perspektiven eröffnen? Will sie die soziale Sicherheit der Menschen erhöhen? Will diese Regierung den Menschen aus Notsituationen, die persönlich bedingt sein können – welcher Natur auch immer –, heraushelfen? Sind für diese Bundesregierung alle Kinder in diesem Land wirklich gleich viel wert? (Ruf bei der SPÖ: Nein!) – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Blau, wenn ich mir Ihren Vorschlag zum neuen Sozialhilfegesetz anschaue, so stelle ich fest: Die Antwort auf diese Fragen ist dreimal Nein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)
Was wir erleben, ist eigentlich noch etwas schlimmer, denn es ist eine Bundesregierung, die Bundesländer gegeneinander ausspielt, die Menschen gegeneinander ausspielt und mit dem Finger auf diese zeigt – auf die Schwächsten der Schwachen in diesem Land. Nur eines sei gesagt: Politik hat nicht die Aufgabe, mit dem Finger auf Menschen oder auf Menschengruppen zu zeigen, auch nicht auf NGOs oder Bundesländer, sondern die Aufgabe der Politik ist und bleibt es, Menschen die Hand zu reichen, wenn diese sie brauchen, Menschen zu unterstützen, wenn sie in Notlagen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)
Wir erwarten uns von dieser Bundesregierung beziehungsweise von einer Bundesregierung, wie wir sie verstehen, dass sie verbindet, dass sie zusammenführt, dass sie nicht spaltet, dass sie nicht hetzt. Dazu bräuchte es aber eines, sehr geehrte Damen und Herren, dazu bräuchte es mehr Anstand und Mitmenschlichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
Gerade am Beispiel der neuen Mindestsicherung zeigt sich auch, dass wir in der Sozialdemokratie ein gänzlich anderes Menschenbild als Sie haben, denn Ihr Entwurf lässt nur einen Schluss zu, nämlich dass Sie davon ausgehen, dass Menschen, die Sozialhilfe beziehen, eigentlich nicht arbeiten wollen – Tachinierer, sagt man in Wien (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –; ja, das ist Ihr Menschenbild! Wir haben ein ganz anderes: Wir sind der festen Überzeugung, dass Menschen arbeiten wollen, dass sie ihren Beitrag leisten wollen – für sich, für andere und für die Gemeinschaft, für die Gesellschaft. Das ist etwas, das in uns allen drinnen ist. Wir glauben daran, dass Menschen genau diese Leistung, diesen Beitrag erbringen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ja, es gibt Ausnahmen, es gibt Menschen, die vielleicht nicht wollen, aber es gibt vor allem auch jene, die nicht können, die nicht arbeiten können oder ihren Beitrag noch nicht leisten können. Es sind die Kinder, es sind Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, die ihren Beitrag vielleicht gerade nicht in dem Ausmaß, wie sie es wollen, leisten können. Klar ist aber: Die allergrößte Mehrheit will. Daher ist das auch eine Grundlage, wie wir die Mindestsicherung zu verstehen haben.
Wir verstehen Mindestsicherung erstens als ein Instrument der Existenzsicherung für jene, die noch nicht arbeiten können – die Kinder und jene Menschen, die es eben aus verschiedensten Gründen nicht können –, und zweitens verstehen wir Mindestsicherung als Sprungbrett auf den Arbeitsmarkt. Wenn ich mir Ihren Entwurf anschaue, dann
muss ich sagen, Ihre Mindestsicherung, Ihre Sozialhilfe ist kein Sprungbrett auf den Arbeitsmarkt, sondern ein Sprungbrett direkt in die Armut. Genau das ist es, was ich darin lese. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)
Sehr geehrte Damen und Herren, Aufgabe einer Regierung, der Regierenden und der Politik eines Landes muss es sein, die Armut und nicht die Armen zu bekämpfen. Das wäre unsere ureigenste Aufgabe (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT), das wäre die Basis des sozialen Friedens in unserem Land.
Was besonders betroffen macht, ist, wie kaltherzig Sie mit den Kindern dieses Landes umgehen. Sie kürzen Familien mit Kindern die Mindestsicherung um 40 Millionen Euro. Das ist übrigens dieselbe Summe, die Sie für PR und Werbung in den Kabinetten ausgeben. (Abg. Leichtfried: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie verlangen, dass jedes dritte Kind mit 1,50 Euro am Tag auskommt. Ich frage Sie daher: Kommt Ihr Kind, kommen Ihre Kinder mit 1,50 Euro pro Tag aus? Reicht das zum Leben? Reicht das zum Essen? Reicht das für ein geglücktes Aufwachsen und Leben? – Nein, es reicht nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Sie verfrachten 70 000 Kinder – 70 000 Kinder! – in ein chancenloses Leben. Sie zementieren 70 000 Kinder in der Armut, in einer Perspektivenlosigkeit ein. Sie sorgen dafür, dass Armut vererbt wird. Das ist das Produkt schwarz-blauer Sozialpolitik (Zwischenruf des Abg. Gudenus), das ist das Produkt des neuen Stils, das ist die soziale Kälte dieser Bundesregierung. Davon war auch die Gesetzwerdung geprägt: Sie sind drübergefahren und haben ignoriert. Sie haben eiskalt die Proteste der NGOs, der Experten und der Bundesländer ignoriert.
Sie wissen es ganz genau: Dieses Sozialabbaugesetz schafft Kinderarmut, spaltet unsere Gesellschaft und setzt den Grundstein für Lohndumping in Österreich. Die Sozialdemokratie wird niemals – niemals! – einem solchen Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)
10.28
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Hartinger-Klein. – Bitte.
Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dem heutigen Tag gehen wir im Plenum den nächsten Schritt für ein Reformvorhaben. (Ruf bei der SPÖ: Zur Armut!) Gleich zur ersten Frage, Frau Klubobfrau: Wir schaffen damit mehr Sicherheit, mehr Chancen, mehr Fairness, mehr Gerechtigkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt ja nicht! – Abg. Leichtfried: Für die Sponsoren des Herrn Kurz!)
Ich freue mich, sagen zu können, dass es in der Geschichte unserer Republik zum ersten Mal gelungen ist, ein Grundsatzgesetz des Bundes im Bereich des Armenwesens vorzulegen. Diese Bundesregierung bekennt sich zum Sozialstaat Österreich, der seinen Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet ist (Abg. Leichtfried: Scherzerl! – Ruf bei der SPÖ: Das stimmt ja gar nicht! – weiterer Ruf bei der SPÖ: Glauben Sie, was Sie sagen?), nämlich dort Hilfe zu leisten, wo Hilfe wirklich nötig ist: bei Menschen, die jahrelang gearbeitet haben und plötzlich vor dem Aus stehen (Zwischenruf des Abg. Rossmann); bei Menschen, denen eine Krankheit übel mitgespielt hat und die nun hart um ihre Zukunft kämpfen; bei Menschen, die wirtschaftlich hingefallen sind und wieder aufstehen möchten.
Am 15. April, also letzte Woche, wurde diese Regierungsvorlage im Sozialausschuss behandelt, und dieser Ausschusssitzung ist auch, wie Sie wissen, ein Expertenhearing
vorausgegangen. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit für einen Faktencheck nutzen. (Abg. Heinisch-Hosek: Den verlieren Sie!) Aufgrund der Diskussionsbeiträge im Sozialausschuss habe ich den Eindruck, dass zu ein paar Punkten noch immer Falschmeldungen verbreitet sind. (Abg. Leichtfried: Wie viele von den 140 Stellungnahmen waren positiv? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Der erste Faktencheck: Das dritte Kind ist nur mehr 44 Euro wert. – Meine Damen und Herren, richtig ist, dass die Beiträge für die Kinder zusammenzuzählen und rechnerisch auf alle Kinder aufzuteilen sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber nicht jedes Kind ist gleich viel wert!) Bei einer Familie mit drei Kindern bedeutet das pro Kind 132 Euro pro Monat Sozialhilfe plus Familienbeihilfe. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Weiterer Faktencheck: Obdachlose erhalten keine Sozialhilfe. – Richtig ist, dass auch Obdachlose eine sogenannte Hauptwohnsitzbestätigung relativ niederschwellig erhalten können. (Abg. Leichtfried: Ja, mit dem neuen Meldesystem!) Obdachlose, die regelmäßig eine Kontaktstelle aufsuchen (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja zynisch!), zum Beispiel eine Obdachloseneinrichtung, bekommen natürlich auch Sozialhilfe. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)
Dritter Punkt: Falsch ist, dass freiwillige Spenden privater Natur auf die Sozialhilfe angerechnet werden. (Abg. Leichtfried: Was war in dem Vorschlag? Sagen Sie, was in dem Vorschlag war!) – Richtig ist vielmehr, dass weder Spenden von Licht ins Dunkel zur Finanzierung von elektrischen Rollstühlen (Abg. Heinisch-Hosek: Da haben Sie lange gebraucht!) noch Essensgutscheine der Caritas oder einmalige Geldaushilfen von Verwandten oder Bekannten auf die Sozialhilfe angerechnet werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Warum haben Sie das geändert? Sagen Sie das!) Das heißt, dass Spenden jeglicher Art, freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, natürlich nicht angerechnet werden.
Weiters ist falsch, dass Mindestsicherungsbezieher in Österreich weniger als bei Hartz IV bekommen. – Meine Damen und Herren, ich habe immer gesagt: Mit mir gibt es kein Hartz IV! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das ist jetzt Kurz IV! – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Auch da werden Äpfel mit Birnen vermischt; das sind zwei völlig verschiedene Systeme. (Abg. Leichtfried: Das war jetzt ein interessantes Geständnis!) Eine Notstandshilfe, wie wir sie in Österreich haben und weiterhin haben werden, gibt es in Deutschland nicht. Menschen, bei denen der Arbeitslosengeldbezug bereits ausgelaufen ist, fallen in Deutschland sofort in Hartz IV mit Vermögenszugriff. In Österreich erhalten sie Notstandshilfe ohne Vermögenszugriff. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wie lange?) – Sie haben gerade nicht zugehört: Die Notstandshilfe gilt noch weiter. (Rufe bei der SPÖ: Wie lange?)
Weiters ist falsch, dass es für Menschen mit Behinderung massive Verschlechterungen geben wird. – Ganz im Gegenteil: Wir haben in unserem Grundsatzgesetz extra eine Schutzklausel zugunsten der Menschen mit Behinderung. Diese besagt, dass die Länder an ihren bisherigen spezifischen Regelungen für Menschen mit Behinderung festhalten und weiter entsprechend auszahlen können.
Menschen mit Behinderung abzusichern ist ein Muss des Grundsatzgesetzes. Das heißt erstens, das Grundsatzgesetz sieht einen verpflichtenden Zuschlag für Menschen mit Behinderung von rund 160 Euro im Monat vor. Zweitens: Auf den Nachweis der Sprachkenntnisse ist zu verzichten, wenn der Spracherwerb behinderungsbedingt nicht möglich ist. Drittens: Gleiches gilt auch für den Einsatz der Arbeitskraft von Menschen mit Behinderung, wenn sie diesen nicht erbringen können. Angehörige, die Familienmitglieder pflegen, sind besser abgesichert; bei demenzkranken und minderjährigen Per-
sonen ist Pflegestufe 1 ausreichend. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Noch ein Faktencheck: Mindestpensionisten fallen aus der Sozialhilfe heraus. – Nein, das ist falsch. Richtig ist, dass Mindestpensionisten nicht um ihre Wohnleistung fürchten müssen. Sie sind grundsätzlich keine Zielgruppe der neuen Sozialhilfe, das heißt, die Ausgleichszulage ist keine Leistung der Sozialhilfe. Es bleibt den Ländern überlassen und auch unbenommen, Mindestpensionisten auch Wohnbeihilfe oder sonstige Extraleistungen zu gewähren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Weiterer Faktencheck: Subsidiär Schutzberechtigte müssen gleichbehandelt werden. Anderes widerspräche Unionsrecht, behaupten Sie. – Nein, auch das ist falsch. Richtig ist, dass selbst die unionsrechtlichen Vorschriften die Möglichkeit vorsehen, subsidiär Schutzberechtigte anders zu behandeln und die Leistungen auf Kernleistungen zu reduzieren.
Ich komme jetzt zu einem Thema, das uns als Bundesregierung und mir persönlich sehr, sehr wichtig ist: Es wird immer diskutiert, dass wir die Armut damit vorantreiben. (Abg. Heinisch-Hosek: Ganz genau!) – Das weise ich aufs Schärfste zurück. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zum einen hat diese Regierung bereits zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut umgesetzt. Wir haben ja so viele Baustellen von Ihnen geerbt (Abg. Leichtfried: ... was denn?), wir müssen daher auch diese Maßnahmen umsetzen (Beifall bei FPÖ und ÖVP – Widerspruch bei der SPÖ): Erstens, Arbeitnehmer mit geringem Einkommen profitieren seit Mitte 2018 von der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge (Zwischenruf des Abg. Vogl); zweitens, die Einführung des Familienbonus Plus mit Beginn des Jahres erhöht das Einkommen von Familien um bis zu 1 500 Euro pro Kind (Zwischenruf des Abg. Loacker); drittens, Aktion Schulstartpaket; viertens, die Ausbildung bis 18; fünftens, die Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge für Menschen mit geringem Einkommen, die mit der Steuerreform kommt; sechstens, die frühen Hilfen; siebentens, der Bildungsbereich. Viele Maßnahmen, die Sie zuvor nicht gesetzt haben, setzen also wir und setzen wir jetzt um, um Armut zu verhindern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Was war siebentens?)
Aus meiner Sicht wurde im Grundsatzgesetz sehr viel Augenmerk darauf gelegt, dass es nicht bei den Höchstsätzen bleibt. Die Länder haben vielmehr eine Reihe von Überschreitungsmöglichkeiten, nämlich die Wohnkostenpauschale, die Härtefallklausel und nicht zuletzt bei den Alleinerziehenden. Es war für uns als Regierung ein Muss, den Alleinerziehenden mehr Hilfe zu geben. Diese liegt im Rahmen von maximal 106 Euro für das erste Kind bis maximal 27 Euro für jedes ab dem vierten Kind. Das bedeutet zusätzliche Leistungen für alleinerziehende Personen, damit ja keine Armutsgefährdung vorhanden ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Zudem haben die Länder die Möglichkeit der Überschreitung bei Menschen mit Behinderung und betreffend Schutz im Alter. Den Spielraum haben wir auch bei den Zuschüssen für Heizkosten erhöht. Das wurde ja auch immer kritisiert, aber es ist genau im Gesetz gestanden. Durch den Abänderungsantrag werden wir das noch einmal klarlegen, damit es wirklich alle verstehen. Das heißt, es besteht auch bei Zuschüssen für Heizkosten die Möglichkeit, sie per Geldleistung und als Sachleistung auszuzahlen.
Wichtig sind der Bundesregierung folgende Kernanliegen, die wir im Rahmen der Sozialhilfe Neu umsetzen: Die Sozialhilfe soll künftig stärker mit Anreizen zur Arbeitsaufnahme verknüpft werden. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Da setzen wir mit einem höheren Wiedereinstiegsfreibeitrag neue Impulse. Weiters soll die Unterstützung im Rahmen der Sozialhilfe künftig verstärkt über Sachleistungen erbracht werden. Ziel ist da vor allem mehr Treffsicherheit. Die Sozialhilfe soll nur mehr in voller Höhe zustehen,
wenn Menschen auch bereit sind, sich möglichst rasch zu integrieren. Da werden mit dem Arbeitsqualifizierungsbonus höhere Anreize für Spracherwerb geschaffen. (Ruf bei der SPÖ: Bla, bla! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Einkommen von Arbeitnehmerhaushalten sollen sich künftig wieder deutlicher von jenen Einkünften unterscheiden, die Haushalte mit Sozialhilfebezug erreichen können.
Das heißt, es sind so viele Anreize, die die Regierung diesbezüglich schafft. Weiters war insbesondere der Schutz des Eigentums ein ganz großer Wunsch meiner Fraktion; wir wollen das Eigentum schützen. Das bedeutet erstens eine Schonfrist für Wohnungseigentum (Abg. Leichtfried: Wie lange?) von drei Jahren (Abg. Leichtfried: Was ist nachher?) und zweitens ein Schonvermögen für eigene Ersparnisse von bis zu 5 300 Euro, das sind um 1 000 Euro mehr als vorher. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Mit dem vorliegenden Reformvorhaben wird, wie bereits erwähnt, ein weiterer wichtiger Punkt des Regierungsprogramms verwirklicht. Ich möchte mich beim Koalitionspartner bedanken, dass wir das in die Realität umsetzen können. Wir schaffen Fairness, Gerechtigkeit und Treffsicherheit! (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
10.40
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße den Pensionistenverband von Altmünster recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen, Kollegen! Liebe Gäste hier auf der Galerie, daheim vor den Fernsehgeräten! Heute beschließen wir nun das neue Sozialhilfegesetz, das sehr lange verhandelt worden ist und das, entgegen den Aussagen von Frau Rendi-Wagner, nicht husch-pfusch hier hereingekommen ist und ganz schnell beschlossen wird.
Frau Rendi-Wagner, Sie stellen sich hierher und stellen drei Fragen. Diese Fragen hätten Sie, hätten Sie sich wirklich interessiert, auch im Expertenhearing stellen können, das wir in der Osterwoche gehabt haben. Einen ganzen Tag lang sind wir hier gesessen und haben Fragen gestellt, einerseits an die Experten - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie natürlich nicht! Sie von der SPÖ haben keine Fragen gestellt, Ihnen hat es gereicht, einen Experten zu diskreditieren und niederzumachen. Das war Ihr Beitrag dazu. Ihnen war der Inhalt vollkommen egal. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Das merkt man ja auch an all diesen Dingen, die Sie hier vom Rednerpult aus erzählen und die überhaupt nicht stimmen. Die stimmen schlicht und einfach nicht! Es wird nicht weniger Geld für die AlleinerzieherInnen geben. (Abg. Rendi-Wagner: Habe ich gar nicht erwähnt!) Hätten Sie sich das Gesetz durchgelesen, wüssten Sie, dass es einen Alleinerzieherzuschlag für die Kinder gibt. Allein diese Aussage zeigt schon: Sie haben es sich nicht durchgelesen oder es interessiert Sie auch gar nicht. (Abg. Rendi-Wagner: Ich habe es gar nicht erwähnt!) – Sie haben es nicht erwähnt, nein, Sie haben gesagt, es kommt zu Kinderarmut.
Wissen Sie eigentlich, was Sie hier gesagt haben? – Sie haben Fragen gestellt, und dann haben Sie behauptet, es kommt zu Kinderarmut. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Ich weiß schon, Ihre Rede war insgesamt ein bisschen schwach (Beifall bei FPÖ und ÖVP), aber ich möchte das jetzt einmal alles wieder zurechtrücken, damit die Zuseherinnen und Zuseher daheim vor den Fernsehgeräten auch wissen, worum es wirklich geht.
Es geht nämlich schon auch darum: Wir haben in den letzten Jahren eines erlebt, wir haben einen sprunghaften Anstieg bei der Anzahl der Mindestsicherungsbezieher erlebt. Dieser geht zwar jetzt langsam zurück, aber was weiter ansteigt, ist die Anzahl der
Asylberechtigten in der Mindestsicherung; die ist nämlich im letzten Jahr um weitere 6 Prozent angestiegen. Genau deshalb ist es so notwendig, dem auch endlich einmal einen Riegel vorzuschieben und zu sagen: Nein, wir wollen keine anhaltende Zuwanderung in das Sozialsystem! Diese Fehlentwicklung gilt es aufzuhalten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Das ist genau das, was Sie wollen, dafür sind Sie gestanden. Wenn man sich die Zahlen anschaut, die wir aus Wien bekommen haben, wo Familien teilweise mehrere Tausend Euro an Mindestsicherung bekommen haben – jeden Monat, ohne Kontrolle ‑, wo Gelder an Menschen aus irgendwelchen Ländern, die längst in ihren Heimatländern zurück waren, ausbezahlt worden sind, und die Skandale beim Fonds Soziales Wien, die sich in den letzten Jahren exponentiell gesteigert haben, dann muss man sagen, es war dringend notwendig, endlich einmal die Notbremse zu ziehen und zu sagen: Diese Missstände darf es nicht mehr geben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Es war der ehemalige Sozialminister Stöger, der es nicht geschafft hat, eine einheitliche Lösung für alle Länder zu finden. Sie (in Richtung Abg. Stöger) waren derjenige, der es zu verantworten hatte, dass wir neun unterschiedliche Gesetze hatten, dass wir einen - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Warum werdet ihr denn so laut? Ihr wisst eh genau, dass es stimmt, was ich sage. Es war Stöger! Stöger hat dieses Problem in Wahrheit begründet. Das könnt ihr nicht verleugnen, denn das ist bekannt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir haben dann neun unterschiedliche Systeme gehabt. (Abg. Krist: Wenn hier jemand herumschreit, dann sind Sie das, Frau Kollegin!) – Na, dann seien Sie ein bisschen leiser, dann muss ich auch nicht so laut schreien. Sie brüllen immer dazwischen. Sie glauben immer, Sie müssen etwas sagen, obwohl Sie keiner fragt. Das ist Ihr Hauptproblem (in Richtung SPÖ) da drüben. Und wenn Sie die Möglichkeit haben, hier etwas zu sagen, dann kommt wieder nichts. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Genau diese Probleme haben wir aber gehabt. Wir haben dann auch das Problem der Sozialwanderung gehabt: dass Menschen aus anderen Bundesländern nach Wien gezogen sind, weil sie dort in der Mindestsicherung weit mehr Geld bekommen haben als mit Erwerbsarbeit in anderen Bundesländern. All diese Probleme sind jahrelang bekannt gewesen, und was haben Sie gemacht? – Herr Stöger, Sie sind genauso dagesessen und haben nichts gemacht, so wie Sie jetzt nichts tun. Sie sind halt dagesessen und haben es laufen lassen.
Wir haben aber den Anspruch gehabt: Wir wollen dieses Problem in die Hand nehmen und ändern. Wir wollen die Schieflage wieder in eine Ebene bringen, wir wollen wieder Gerechtigkeit schaffen. Die Mindestsicherung ist ein Ersatzeinkommen geworden, und das darf es nicht sein und das soll es nicht sein! Die Sozialhilfe Neu ist für Menschen in Notlagen. Sie ist eine Überbrückungshilfe, sie ist kein Ersatz für Erwerbsarbeit. Das kann es auch nicht sein und das soll es auch nicht sein, und genau in diese Richtung wollen wir gehen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Für jene Menschen, die in einer Notlage sind, die sehr wenig verdienen und aufstocken wollen, gibt es massive Verbesserungen. Wir wissen und Sie von der SPÖ wissen es auch: Aufgrund Ihrer Regelung, die Sie damals, 2010, beschlossen haben, war es für viele Familien und für viele AlleinerzieherInnen nicht möglich, zu sagen: Ich stocke auf!, denn dann wäre möglicherweise die Eigentumswohnung weg gewesen. Genau davor haben die Leute Angst gehabt. Wir haben jetzt die Sperrfrist, die Schonfrist, bis auf das Eigentum zugegriffen wird, auf drei Jahre verlängert. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer in der Mindestsicherung von neun Monaten hilft das genau diesen Menschen sehr viel weiter, weil sie jetzt vielleicht 100, 150, 200 Euro aufstocken können; das ist etwas, was sie vorher eben nicht tun konnten.
Das heißt, es ist nicht so, dass die Regierung da einspart. Ganz im Gegenteil, sie geht davon aus, dass in Zukunft vielleicht sogar viel mehr Menschen die Mindestsicherung
beziehen werden, sich das holen, was sie wirklich brauchen, um ein besseres Leben führen zu können. Das ist das, was Sie zu verleugnen versuchen. Das ist das, was Sie einfach totschweigen. Ihnen geht es nur um eines, Sie schießen sich nur auf die verpflichtenden Deutschkurse ein, die wollen Sie nicht. Es tut mir wahnsinnig leid, aber das ist etwas, was ganz wichtig ist, denn Deutsch ist ein Basic für Menschen, die zu uns kommen. Ohne die Sprache wird es niemals eine Integration am Arbeitsplatz geben. Das ist vollkommen denkunmöglich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Wir sehen die Probleme heute schon. Es sind ja die Asylberechtigten, die die langen Verweildauern in der Mindestsicherung haben. Wir wissen nicht, ob wir es überhaupt jemals schaffen, dass wir diese Leute in unseren Arbeitsmarkt integrieren. Von den über 30 000 arbeitslos gemeldeten Asylberechtigten ist es laut Auskunft des Herrn Taucher, des ehemaligen Chefs des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, überhaupt nur einem Drittel möglich, jemals in den Arbeitsprozess zu kommen. Alle anderen können nicht nur die Sprache nicht, sondern müssten auch noch alphabetisiert werden. Es gibt da also enorme Probleme, und genau die gilt es aber nicht weiter zu verstärken, sondern die gilt es zu bekämpfen. Das ist das Bekenntnis, dazu bekennen wir uns und dazu stehen wir. Daher war es dringend notwendig, diese Reform durchzuführen, und ich bin sehr, sehr froh, dass es gelungen ist.
Dieser Prozess war ein sehr langer. Wir haben sehr lange verhandelt, und es sind viele Kritikpunkte, die es gegeben hat, noch klargestellt worden, beispielsweise betreffend Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen, die Angst hatten, dass dann womöglich zusammengerechnet wird. Das wurde alles noch klargestellt. Es war nicht geplant; möglicherweise war es im ursprünglichen Entwurf, im Begutachtungsentwurf, für manche unverständlich. Die Kritiken wurden wirklich ernst genommen, Unklarheiten wurden richtiggestellt und wurden so formuliert, dass es jetzt eindeutig ist.
Es wird auch an den Ländern liegen, das umzusetzen. Wenn sich Frau Rendi-Wagner hierherstellt – jetzt ist sie eh schon wieder weg, sie hat ja ihre Rede schon gehalten. (Rufe bei der SPÖ: Nein! Nein! Dort hinten!) – Na ja, sie hat sich hinten versteckt. Ich verstehe schon, dass sie sich versteckt, ich würde mich für so eine Rede auch genieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wenn sie sich hierherstellt und sagt: Gehen Sie nicht auf die Bundesländer los!, dann frage ich mich schon: Meinen Sie allen Ernstes, wenn Herr Hacker ankündigt, das Gesetz nicht umsetzen zu wollen, dass die Regierung sich hinsetzt und sagt: Na ja, dann machen Sie halt in Wien weiter wie bisher, mein Gott, Wien ist halt ein rechtsfreier Raum!? – Nein, meine Damen und Herren, so ist es nicht!
Auch der Wiener Stadtrat wird sich daran halten müssen, und Sie werden sehen, auch er wird es tun, auch er wird ein Ausführungsgesetz vorlegen – das wird er sehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Drohen Sie?) – Bitte? (Abg. Heinisch-Hosek: Drohen Sie? – Abg. Rosenkranz: Was soll denn das jetzt? Meine Güte! Drohen, das ist eine strafbare ...!) – Ich weiß ja nicht, welches - - Ich habe gesagt, Sie werden sehen, auch Herr Hacker wird ein Gesetz vorlegen. (Abg. Rosenkranz: Das ist unfassbar mit Ihnen!) Ich stelle mir langsam die Frage, ich weiß nicht, welches Problem Sie haben, Frau Heinisch-Hosek; es ist ein massives, glaube ich. Mit einer Drohung hat das aber jedenfalls nichts zu tun gehabt. Ich habe Ihnen gesagt, Herr Hacker wird ein Gesetz vorlegen, denn er wird eines vorlegen müssen. Wenn Sie gerne in der Anarchie leben, dann ist das Ihre Sache, aber dann sollten Sie sich wirklich überlegen, ob Sie Teil der österreichischen Gesetzgebung bleiben wollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt. Die Frau Minister hat einen sehr guten Gesetzentwurf vorgelegt, der wirklich in allen Punkten genau durchdacht worden ist, der wirklich lange und ausführlich verhandelt worden ist, damit es eben nicht zu Härtefällen kommt, damit es in unserem Land nicht zu einer Armut kommen muss, sondern damit jenen, die es notwendig ha-
ben, auch entsprechend geholfen werden kann. Es ist jedenfalls eine massive Verbesserung für die Menschen in diesem Land. Es ist auch so, dass Menschen, die zu uns gekommen sind, jetzt verpflichtet werden, den Deutschkurs zu besuchen. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Scherak: Das ist ja wie im Stadion da!)
10.51
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Im April 2018 hat die Bundesregierung in einer großen Pressekonferenz angekündigt, dass die neue Mindestsicherung komme, nämlich im Juni 2018. Seither ist mehr als ein Jahr vergangen (Ruf bei der SPÖ: Zum Glück!), das es gebraucht hat, bis diese ewige Ankündigung mit schriller Begleitmusik zur Umsetzung gelangt ist. Und diese schrille Begleitmusik, die wir jetzt ein Jahr lang hatten, ist so gegangen: Die bösen Ausländerfamilien mit den vielen Kindern sind schuld!
So hat Sebastian Kurz beim dritten Satz in der Pressekonferenz gleich die Ausländerfamilien mit den vielen Kindern herangezogen, und die Frau Ministerin hat gesagt: Fremde müssen warten! – Jetzt haben wir sie, die Schuldigen: die Ausländer.
Doch diese schrille Begleitmusik war nur Ablenkung, die war nicht das, worum es geht. Worum geht es wirklich? – Das neue Gesetz verteilt ein bisschen um; ein bisschen von den Mehrkindfamilien weg hin zu den Alleinerziehenden und zu den Menschen mit Behinderung. Das war es dann aber auch schon. Und weil die Alleinerziehenden eine viel größere Gruppe sind als die Familien mit vielen Kindern, kommt das neue Gesetz auch ein bisschen teurer als das alte, das können Sie der wirkungsorientierten Folgenabschätzung entnehmen. Viel Lärm also um nichts!
Aber die SPÖ rennt gleich in die Falle und bespielt jenes Feld, das die Regierung so gerne eröffnet, nämlich das Ausländerspielfeld. Wenn man sich das wirklich anschauen würde, dann wüsste man, dass die Alleinstehenden die größte Gruppe bei den Mindestsicherungsbeziehern sind, und die zweitgrößte Gruppe sind die Alleinerziehenden mit einem Kind. Aber das Ablenkungsmanöver der Regierung, die ihre gesamte Regierungsarbeit in wirklich verachtenswerter Weise auf Ausländerressentiments aufbaut, funktioniert unter anderem auch deswegen, weil die größte Oppositionspartei Oppositionsarbeit nicht kann und in jede aufgelegte Falle direkt hineinrennt.
Diese durchgängige Antiausländerpolitik, die der einzige Kern der Regierungsarbeit ist, kann man an mehreren Punkten nachvollziehen – schauen Sie sich das an! Lehrlinge, die eine Lehre machen, für die sich kein Österreicher und kein EU-Bürger findet, werden abgeschoben. – Das spart nichts ein, aber es schadet den Ausländern. Zeitungsverkäufer werden von der Pflichtversicherung im ASVG ausgenommen. – Das spart nichts ein, aber das trifft Ausländer. Man verstaatlicht jetzt mit diesem Gesetz das System der Deutschprüfungen für integrationswillige ausländische Mitbürger. – Das spart nichts ein, aber es schadet den Ausländern, weil es das Angebot verknappt.
Selbst dort, wo es gar nicht um Ausländer geht, wie beim neuen Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, verkauft die Regierung den Medien erfolgreich einen Inländervorrang vor Ausländern. Wenn man aber in die Landesgesetze zur Wohnbauförderung schaut, dann weiß man, dort ist immer die Staatsangehörigkeit ein Kriterium, ob jemand für die Wohnbauförderung förderwürdig ist oder nicht. Aber das ist egal. Man bekommt schöne Zeitungsartikel, man bekommt schöne Fernsehberichte, wenn man etwas gegen die Ausländer sagt. Diese Regierung würde sogar den Wetterbericht auf Ausländer framen, wenn es ihr gelänge. (Beifall bei den NEOS.)
Was wir hier erleben, ist primitive Arbeit auf der Basis von primitiven Instinkten. Die wesentlichen Baustellen der Mindestsicherung bleiben völlig unbearbeitet. Was der Rechnungshof seit Jahren fordert, nämlich dass man die zwei sozialen Sicherungssysteme, Notstandshilfe und Mindestsicherung, zu einem System der sozialen Absicherung zusammenzieht, das bleibt unerledigt. Es wird weiterhin so sein, dass der Großteil der Bezieher, die Aufstocker sind, zu zwei Behörden gehen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Wir werden weiterhin einen Datensalat haben, weil neun Landesgesetze separat gemacht werden und neun EDV-Systeme separat aufgebaut werden. Wir werden wieder keine vergleichbaren Daten haben. Das, was die alte Mindestsicherung nicht konnte, kann die neue Sozialhilfe auch nicht.
Was wir gebraucht hätten, wäre eine auszahlende Stelle für einen Bezug, nämlich das liberale Bürgergeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung zusammengezogen. Das müsste bundeseinheitlich sein und so gemacht sein, dass nicht der mehr bekommt, der sich im Behördendschungel besser auskennt, sondern dass alle von einer Stelle diesen Bezug bekommen.
Anstatt ein Jahr lang um ein Sozialhilfegesetz so einen Wirbel zu machen, wo es um in Summe 950 Millionen Euro geht, hätte man sich auch der großen Baustelle Pensionen zuwenden können, denn dort geht es um 20 000 Millionen Euro, da geht es um 20 Milliarden Euro. Das ist Ihnen wurscht, das ist Ihnen piepschnurzegal, Sie rühren keinen Finger bei den Pensionen, aber zu dem Thema kann man auch keine Antiausländerpolitik machen. (Beifall bei den NEOS.)
Ja, es geht Ihnen einzig und allein darum, Stimmung gegen Ausländer zu machen, es geht Ihnen einzig und allein darum, auf der Welle der Ressentiments Wahlerfolge einzufahren. – Das ist schmutzige Politik, das ist schäbige Politik und das ist Ihr persönliches Armutszeugnis. (Beifall bei den NEOS.)
10.57
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte.
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, wie hier zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz diskutiert wird, zu einem Gesetz, das seinesgleichen sucht, meine Damen und Herren! Es ist ein weiterer Meilenstein dieser Bundesregierung und auch in der Sozialpolitik in Österreich. Wir setzen das um, was wir versprochen haben – auch mit diesem Gesetz! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir folgen damit eigentlich dem Grundsatz in der Sozialhilfelogik: Wir helfen jenen Menschen, die diese Hilfe auch benötigen, weil sie sich selbst helfen möchten, aber nicht können. Wir können aber jenen, die sich selber helfen könnten, aber es nicht wollen, auf Dauer keine Unterstützung geben. Es ist auch in der Politik unsere Verantwortung, diesem Grundsatz treu und gerecht zu werden – mit einem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das in Zukunft auch für alle neun Bundesländer gilt, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Es ist schon eigenartig, Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie stellen sich hier heraus, kritisieren das Gesetz von hinten bis vorne – und nennen keine einzige Zahl! Darum geht es doch eigentlich: Wie viel geben wir den Menschen aus den Steuertöpfen von Ländern und Gemeinden? Die sind es nämlich, die die Sozialhilfe in Österreich bezahlen.
Für die Einzelperson ändern wir nichts an dem, was es früher gegeben hat. Es ist der Nettoausgleichszulagenrichtsatz. Das, was ein Mindestpensionist in Österreich bekommt, bekommt eine Einzelperson, auch wenn sie in der Mindestsicherung ist. Das
sind 885 Euro netto pro Monat. Es war gut und recht, als der Kollege Hundstorfer seinerzeit die 15a-Vereinbarung mit uns abgeschlossen hat – und heute ist es das Teufelswerk, ist es zu wenig! Immer dann, wenn Sie nicht regieren, gerät die SPÖ aus den Fugen. Sie haben aber auch zu akzeptieren, dass es eine andere Mehrheit hier in diesem Hause gibt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Uns geht es um jene, die sich in erster Linie selber nicht helfen können. Es ist eine Überbrückung, wie richtig gesagt wurde. Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende werden mit diesem Gesetz bessergestellt. Menschen mit Behinderung bekommen 160 Euro pro Monat mehr. Wir haben einen zusätzlichen Bonus für die Kinder von Alleinerziehenden – Kollege Loacker hat das richtig angesprochen –, das sind die größten Gruppen, das sind die Einzelpersonen und jene, die alleinerziehend sind. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Wir haben einen Wiedereinsteigerbonus, das heißt, Leistung muss angerechnet werden. Wer arbeitet, darf sich für maximal zwölf Monate einen Teil des Erwerbseinkommens zusätzlich behalten. Warum? – Weil wir die Menschen sonst nicht in Arbeit bringen, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, mit welchen Scheuklappen Sie in Ihren Wahlkreisen unterwegs sind. Im Übrigen sagen das auch Ihre Mitglieder draußen in den Regionen, die stehen nämlich zu dem Gesetz, die verstehen, dass wir da eine Höhe brauchen, die angemessen ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Zusätzlich gibt es eine Härtefallregelung, die sehr große Spielräume bietet. Warum? – Weil wir da in der Grundsatzgesetzgebung sind, und daher brauchen wir Spielräume für die Vollzugsbehörden, in diesem Sinne für die Bezirkshauptmannschaften und auch für die Magistrate. Ich bin selber durch die Bundesländer gefahren, vor allem auch durch die westlichen, weil es da spezielle Situationen am Wohnungssektor gibt. Wohnungen sind in Salzburg, in Innsbruck und in Bregenz teurer, das ist unbestritten; daher haben wir gemeinsam eine Lösung geschaffen, dass die Länder die Möglichkeit haben, da bis zu 30 Prozent dazuzugeben – weil wir das verstehen.
Dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist ein Gesetz mit Hausverstand, meine Damen und Herren, und das ist auch ein Zeichen dieser Bundesregierung, dass letzten Endes mit Hausverstand gearbeitet wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Kommen wir zu den Kindern: Armut, Kinder bekommen kein Geld mehr. – Es ist eigentlich mein Grundverständnis, dass von diesem Pult aus nicht ständig die Unwahrheit gesagt werden darf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sehe das aber in Permanenz, seit die SPÖ in Opposition ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Eine fünfköpfige Familie – Eltern mit drei Kindern – bekommt in Zukunft einen Nettobetrag von 1 640 Euro pro Monat an Sozialhilfe. Dazu kommt die Familienbeihilfe für die drei Kinder mit rund 630 Euro. Das sind 2 270 Euro (Ruf bei der FPÖ: Netto!) netto pro Monat für diese fünfköpfige Familie. (Zwischenruf der Abg. Yildirim.)
Meine Damen und Herren von der SPÖ, jetzt frage ich Sie eines: Was erzählen Sie Ihrem Tischler, was erzählen Sie der Kellnerin, was erzählen Sie einem Koch, was erzählen Sie jemandem, der 40 Stunden in der Woche in einem Industriebetrieb arbeitet und dort als Schweißer tätig ist und 2 200 Euro brutto verdient (Abg. Yildirim: Dass er unterbezahlt ist!) und mit seinen Abgaben dafür sorgt, dass diese Sozialhilfe letzten Endes ausbezahlt werden kann? – Die Antwort auf diese Frage sind Sie uns schuldig geblieben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Es sind 1 000 Euro für drei Kinder. Ich fordere nicht nur die SPÖ, sondern auch alle anderen Organisationen auf, die mit diesen 43, 44 Euro hausieren gehen: Die Familienbeihilfe gehört dazugerechnet! Das gehört zum Einkommen dazu, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Stehen für diese drei Kinder 1 000 Euro zur Verfügung, dann sind es nicht 43 oder 44 Euro, dann sind es 333 Euro pro Kind und Monat, die dieser Familie zur Verfügung stehen. Ich bitte wirklich eindringlich darum, dass endlich einmal klar ist: Das steht in dem Gesetz, das wird so umgesetzt und das bekommen die Familien für ihre Kinder – pro Kind 333 Euro pro Monat. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir haben aber ein Grundsatzproblem. Angesichts der wirtschaftlichen Situation in Österreich werden wir bei jedem Betriebsbesuch dahin gehend angesprochen: Wir brauchen Arbeitskräfte, Fachkräfte, wir haben einen Mangel in diesem Bereich! – Das, was wir schon in diesem Gesetz abbilden, ist, dass wir von all jenen, die arbeiten können, erwarten, dass sie auch bereit sind, eine Arbeit anzunehmen. Es ist notwendig, meine Damen und Herren, dass wir das auch sagen: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme in diesem Land sein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Zu dieser ganzen Thematik rund um die deutsche Sprache: Jetzt kann man das so oder so sehen, aber eines ist klar, und ich glaube, das ist auch unbestritten: Deutsch ist die Grundvoraussetzung und der wichtigste Faktor dafür, dass man in Österreich am Arbeitsmarkt integriert werden kann. Deutsch ist auch die Voraussetzung dafür, dass das Zusammenleben in unserer Gesellschaft letzten Endes funktioniert. Daher stellen wir diese 300 Euro pro Monat für jemanden, der die deutsche Sprache noch nicht beherrscht, nicht als Geldleistung zur Verfügung, sondern als Sachleistung – als Sachleistung 300 Euro pro Monat für einen verpflichtenden Deutschkurs, weil Deutsch die Grundvoraussetzung für die Integration in Österreich, in die Gesellschaft und auch in den Arbeitsmarkt ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)
Abschließend: Ich ersuche darum, die Dinge so zu bewerten, wie sie sind. Jeder hat natürlich seine freie Wortwahl, aber etwas Falsches zu behaupten, ist unredlich, vor allem vonseiten der Mandatare hier im Nationalrat oder auch im Bundesrat, insgesamt im Parlament. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Bezieher einer Mindestpension sind davon in keiner Weise betroffen, die Ausgleichszulage fällt nicht unter den Titel der Sozialhilfe, und gerade die SPÖ müsste das als jene Partei, die in den letzten Jahren den Sozialminister gestellt hat, wissen. (Abg. Rosenkranz: Das ist ja das Problem gewesen!) Die Bezieher einer Mindestpension werden Tag für Tag verunsichert. Ihnen wird in keiner Weise irgendetwas weggenommen, sie sind von diesem Gesetz in Wahrheit überhaupt nicht betroffen. – Das muss auch einmal gesagt werden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Und ja, wir haben heute noch zwei Abänderungen, weil wir das auch ernst nehmen. Wir nehmen ein Hearing ernst. Wir waren auch dort, im Gegensatz zu einigen anderen. Wir nehmen das ernst. (Abg. Lindner: Was soll das heißen?) Die Spenden werden nicht angerechnet, weder öffentliche noch private, und Heizkostenzuschüsse können auch in Zukunft von den Ländern bezahlt werden. Uns ist wichtig, das auch klarzustellen. An und für sich wäre das klar gewesen, aber wenn es - - (Abg. Leichtfried: Nein! Nein!) – Kollege Muchitsch ist wenigstens einer, der sich die Dinge ansieht. Es fällt uns im Gegensatz zu Ihnen (in Richtung SPÖ) kein Zacken aus der Krone, meine Damen und Herren, wir ändern das ab, damit das klargestellt ist und damit diese Verunsicherung nach diesem Beschluss hoffentlich auch ein Ende haben wird.
Meine Damen und Herren, dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist notwendig, um den Sozialtourismus in Österreich endlich zu beenden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Die gesamte Bevölkerung weiß, letzten Endes hat es doch einen Zustrom nach Wien gegeben, weil hier das Schlaraffenland hinsichtlich Mindestsicherung ausgebrochen ist. Es hat de facto ein bedingungsloses Grundeinkommen gegeben, und damit bringen wir die Menschen nicht in Arbeit. Höchste Arbeitslosenquote, höchste Zahl an Mindestsicherungsbeziehern hier in der Bundeshauptstadt – dem setzen wir ein Ende. Wir wol-
len jenen Menschen helfen, die Hilfe brauchen, aber jene, die arbeiten können, müssen auch arbeiten. – Danke, Frau Bundesministerin, dass wir dieses Gesetz gemeinsam ausgearbeitet haben. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Eigentlich wäre jetzt alles gesagt! – Abg. Leichtfried: Das war bis jetzt der kürzeste Applaus!)
11.08
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.
Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Kollege Wöginger, Sie stellen sich hier heraus und führen zwei Beispiele an: Sie rechnen auf der einen Seite hoch, was ein Mindestsicherungs-, ein Sozialhilfeempfänger zukünftig bekommen wird, schmücken es mit Familienbeihilfe aus und fügen alle Sozialleistungen hinzu, die dieser Staat für Menschen, die eine Familie haben und auch bedürftig sind, zur Verfügung stellt. Dem stellen Sie ein Erwerbseinkommen gegenüber, ohne anzuführen, dass es auch für diese Menschen und für diese Familien, die tagtäglich einem Beruf nachgehen, sehr wohl auch eine Familienbeihilfe gibt, sehr wohl auch Sozialleistungen gibt. Da würden die Zahlen nämlich ganz anders aussehen, da würden wir nicht auf dieselben Beträge kommen, sondern da würde man einen entsprechend höheren Betrag erwähnen müssen.
Wenn Sie hier draußen stehen und sagen, an diesem Pult solle die Wahrheit gesagt werden, es sei unredlich, hier etwas zu verschweigen, dann bitte ich Sie, bei der Wahrheit zu bleiben (Abg. Wöginger: Ja!) und die Zahlen vollständig zu erwähnen, denn alles andere ist genau, was Sie gesagt haben: nämlich unredlich. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neubauer: Eigentlich überall soll die Wahrheit gesagt werden, nicht nur dort!)
Ich möchte vielleicht mit dem Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen, der heute eingelangt ist, beginnen. Wenn es mir auch schwer fällt, etwas Positives an dieser Regierungsvorlage zu finden, so möchte ich doch damit anfangen, jene Punkte zu erwähnen, die ich unterstützenswert finde.
Es gibt zwei wichtige Klarstellungen, die das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz betreffen: Erstens soll der Heizkostenzuschuss, der etwa von einer Gemeinde gewährt wird, nicht von der Sozialhilfe abgezogen werden.
Zweite Klarstellung: Private Spenden müssen oder dürfen – im Unterschied zum ursprünglichen Entwurf – auch nicht in Abzug gebracht werden. – So, das war es. Das sind die zwei Punkte, die ich als unterstützenswert einstufe.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie aber: Ist es nicht erschütternd, dass es, wenn hier eine Regierung ein Sozialhilfegesetz vorlegt – das heißt, ein Gesetz, das Menschen in einer Notlage helfen soll –, die gesamte, geeinte Opposition braucht, es Sozialorganisationen braucht, es die Zivilgesellschaft braucht, die genau in diese Richtung drängen, damit es überhaupt zu so einem Abänderungsantrag kommt, der hier eingebracht wird? (Beifall bei JETZT.) Ist es nicht erschütternd? (Abg. Neubauer: Nein!) Ich bin der festen Überzeugung. Womöglich liege ich diesbezüglich falsch (Abg. Zarits: Ja, sicher!), vielleicht ist es mit dieser neuen türkis-blauen Regierung denkbar geworden, dass man es überhaupt in Erwägung zieht, Hilfeleistungen, die Menschen anderen Menschen gegeben haben, von der Sozialleistung abzuziehen. Vielleicht ist es im Sinne dieser neuen Regierung moralisch zu rechtfertigen, dass sich der Finanzminister am Ende des Tages genau diese Ausgaben spart – nämlich Spen-
den von Menschen an andere Menschen, die sich in einer Notlage befinden. Dies ist nun nicht mehr geplant, aber ich muss wirklich sagen, auch wenn dieser Abänderungsantrag unterstützenswert ist, fühlt es sich nicht richtig an, was aktuell hier debattiert wird. (Beifall bei JETZT.)
Es kann nicht sein, dass es die Zivilgesellschaft braucht, dass es soziale Organisationen braucht, die an Ihrer Regierungsvorlage derartige Kritik üben müssen, derartig aufschreien müssen, damit es schlussendlich zu einem Abänderungsantrag in diese Richtung kommt.
Abgesehen davon sind Sie aber Ihrer Linie treu geblieben. Das Expertenhearing ist schon einige Male erwähnt worden. Ich habe es erschütternd gefunden, wie sämtliche Bedenken, die von hochrangigen Sozialexperten und -expertinnen in diesem Land geäußert worden sind, sämtliche Kritik einfach zur Seite gewischt worden ist, als hätte es sie nicht gegeben. Vielleicht sind einige Punkte auch überhört worden, ich habe gedacht, ich werde bei dieser Gelegenheit auf alle Fälle noch einmal ansprechen, was die wichtigsten, zentralen Kritikpunkte im Hearing gewesen sind, um ein bisschen Sachlichkeit in das Thema zu bringen.
Einer der größten Kritikpunkte war, dass Menschen, die sich bereits in einer sozialen Notlage befinden, weiter an den Rand gedrängt werden, weil bei den aktuellen Zahlen zur Armutsschwelle nämlich nicht die EU-SILC-Daten herangezogen werden, wodurch sich eine niedrigere Zahl ergibt.
Sie ignorieren auch völkerrechtliche Verpflichtungen, das war einer der größten Kritikpunkte. Es wurde bemängelt, dass nämlich unter anderem die Kinderrechtskonvention und die Behindertenrechtskonvention nicht in einem Ausmaß eingehalten werden, in dem es diesen Menschen eigentlich zustehen würde, nämlich was die Chancengleichheit für Kinder und für Menschen mit Behinderung betrifft. Ich habe es im Ausschuss bereits angeführt: Ein Kind kann nichts dafür, dass seine Eltern Sozialhilfe empfangen. Ein Kind kann nichts dafür. Deshalb darf es auch nicht die Folge der Politik sein, dass wir diesen Kindern die Zukunftschancen verbauen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Sie nennen das degressiv gestaffelt – das ist eine Umschreibung dafür, dass es in der Zukunft für mehrere Kinder weniger Unterstützungsleistungen geben wird, dass sich auf die Summe der Kinder gerechnet die Unterstützungsleistung mit einem weiteren Kind reduzieren wird. Das nennen Sie degressiv gestaffelt, ich nenne es Zukunftsraub diesen Kindern gegenüber. (Beifall bei JETZT.)
Was den Föderalismusdschungel betrifft, ist im Ausschuss auch schon einiges gesagt worden. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Unter anderem hat eine Behinderung nichts mit fehlendem Leistungswillen zu tun. (Abg. Gödl: Hat er ja gesagt!) Eine Behinderung hat nichts damit zu tun, dass ein Mensch nicht bereit wäre, zu arbeiten. Aber dementsprechend ist die Situation gegeben, dass diese Menschen auf eine Sozialleistung angewiesen sind, dass sie auf Mindestsicherung oder zukünftig Sozialhilfe angewiesen sind.
Was Sie aber machen, ist, nach dem Grad der Behinderung zu unterscheiden. Sie unterscheiden gezielt: Wer hat über 50 Prozent Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und wer hat weniger? Menschen, die weniger eingeschränkt sind, haben nämlich überhaupt keinen Anspruch auf den von Ihnen, Frau Ministerin, und von Ihnen, Kollege Wöginger, erwähnten Bonus für Menschen mit Behinderung. (Ruf bei der ÖVP: War bisher auch so!) Menschen mit unter 50 Prozent Behinderung haben keinen Anspruch darauf. (Abg. Gödl: Das ist nicht neu!) Warum unterscheiden Sie hier? Warum wird hier gezielt getrennt? – Je nachdem, ob ausreichend Behinderung vorliegt oder nicht, gibt es eine
Unterstützung oder es gibt keine Unterstützung. Ich finde das wirklich nicht in Ordnung, das ist meiner Meinung nach keine Sozialpolitik, dieses Gesetz beinhaltet keinen gerechten Anspruch.
Es geht dann weiter, was die Einrechnung von Wohnkosten betrifft, es geht weiter, was die Einrechnung von Lebenshaltungskosten betrifft – all diese Punkte schieben Sie auf die Länder ab. Sie gehen her und sagen: Wir machen eine Obergrenze. Doch ein Mindestmaß für ein menschenwürdiges Leben schreiben Sie nicht fest, das überlassen Sie den Ländern. Das ist genau meine Kritik, denn da entsteht dieses Föderalismusmonster, das Sie hiermit entfesseln. Sie starten ein Race to the bottom – wer weniger Sozialleistung zahlt, wird am Ende des Tages belohnt werden. Wer bietet weniger? – Das ist genau dieser Ausgrenzungswettbewerb, den ich gezielt ablehne.
Sie gehen auch in Richtung Sachleistungen – es gab große Kritik eines Experten, von Professor Dimmel von der Universität Salzburg, der angeführt hat, für Menschen, die aus der Sozialhilfe eine Sozialleistung erhalten, Sachleistungen im Wohnkostenbereich einzuführen, entspreche einer Stigmatisierung dieser Menschen. Er hat auch geschildert, warum: Es ist für einen Vermieter oft nicht wünschenswert, einem Sozialhilfeempfänger eine Wohnung zu vermieten, einfach weil diese Menschen vielleicht für unzuverlässig gehalten werden und in der Folge zudem in eine Situation gedrängt werden, die es ihnen verunmöglicht, Zugang zu adäquatem Wohnraum zu erhalten.
Ein Punkt, der mir im Hearing besonders wichtig war und den ich auch stark kritisiert habe, ist die Sanktionierung, wenn sich Menschen um einen Job bemühen. Sie bemühen sich um einen Job, sie bemühen sich um eine Ausbildung, aber sie beziehen noch Sozialhilfe. Genau bei diesen Personengruppen planen Sie eine finanzielle Einschränkung. Sie verlangen nämlich, dass eine betroffene Person, die eine Ausbildung braucht, sich diese selbst bezahlen soll – und Sie wollen die Sozialhilfe noch um 300 Euro kürzen. Einen Gruß an alle Menschen da draußen, die noch nicht die Ausbildung haben, die diese Regierung vorschreibt, die noch nicht die Kriterien erfüllen, die diese Regierung zukünftig vorschreibt! Es wird finanzielle Kürzungen geben, mit denen eine Kürzung der Sozialhilfe einhergehen wird.
Das ist die aktuelle Situation, die wir vorfinden. Das ist auch der Grund, aus dem ich frage, warum in dem Entwurf keine Mussbestimmung für Alleinerziehende enthalten ist. Sie rühmen sich und sagen: Wir werden die Situation für Alleinerziehende verbessern. – Nein, das machen Sie nicht. Sie lassen es offen. Sie lassen offen, ob es durch die Länder etwas dazu kommen kann oder nicht. Wieso schafft es diese Bundesregierung allerdings nicht, ein Mindestmaß für ein menschenwürdiges Leben zu definieren und dieses zu gewährleisten, anstatt dies den Bundesländern zu überlassen? (Abg. Gödl: Haben Sie schon etwas von Artikel 12 gehört?) Denn das ist es, was wir als gerecht der Bevölkerung gegenüber empfinden, die sich in einer Notlage befindet. (Abg. Gödl: Sie brauchen einen Nachhilfekurs in Verfassungsrecht! – Abg. Steinacker: Bilden Sie ... Bundesverfassung!)
Ich möchte auch noch einen Antrag einbringen – wenn es nichts hilft, dann schadet es wenigstens nicht. Sie gehen her und sagen, die UN-Kinderrechtskonvention ist Ihnen egal, es wird pro Kind schlussendlich gestaffelt weniger bezahlt, sie sollen es sich aufteilen, Menschen mit Behinderung werden nach dem Grad ihrer Behinderung beurteilt, Wohnkosten werden eingerechnet, wenn diese in einer Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern leben, sollen sie entsprechend weniger erhalten, oder die Bundesländer regeln es. Dazu möchte ich wirklich sagen: Wenn Sie die UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention einhalten wollen, dann bitte ich Sie, diesen Antrag zu unterstützen, weil er das gewährleisten und Ihre Behauptung, dass Sie das ohnehin tun würden, entkräften würde.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insb. die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und KonsumentInnenschutz, wird aufgefordert, im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes die vollumfängliche Einhaltung der Bestimmungen sowohl der UN-Behindertenrechtskonvention, als auch der UN-Kinderrechtskonvention sicher zu stellen.“
*****
Stimmen Sie dem zu! Wenn Sie behaupten, Sie würden das ohnehin tun, dann kann das ja kein Problem sein, hier Ihre Zustimmung zu signalisieren. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)
11.19
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen
betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“
eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.): Sozialhilfe-Grundsatzgesetz.
Begründung
Das ExpertInnenhearing vom 15.4.2019 zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat eindeutig ergeben, dass die Vorlage der Regierung ungeeignet ist, Österreichs völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Kindern (UN-Kinderrechtskonvention), aber auch gegenüber behinderten Menschen (UN-Behindertenrechtskonvention) in gebührender Weise nachzukommen.
Im Hinblick auf das Wohlergehen und die Chancengleichheit aller Kinder – die für die prekäre Lage ihrer Eltern keinerlei Schuld tragen – ist hier insbesondere die degressive Staffelung der Kinderrichtsätze zu kritisieren. Selbst unter der Maßgabe, dass die Summe der für Kinder gebührenden Beträge rechnerisch gleichmäßig auf alle Minderjährigen im Haushalt aufzuteilen ist, genügt nicht, um eine derart drastische Verringerung (25%, 15%, 5%) wie vorgesehen zu rechtfertigen. Es ist daher klar, dass mit steigender Kinderzahl die Chancen im Leben für jedes einzelne Kind sinken – eine solche Situation mutwillig herbeizuführen darf keine Zielsetzung eines modernen Sozialstaates sein und widerspricht dem Ziel, Kindern eine dem gesellschaftlichen Durchschnitt gleichkommende Existenzsicherung zu gewähren.
Im Hinblick auf Menschen mit Behinderung wiederum, ist dem Normalisierungsprinzip folgend festzuhalten, dass eine dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechende, nachfragefähige Situation zu gewährleisten ist. Durch den Vorrang der Sachleistungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist augenscheinlich, dass dies nicht der Fall ist und
Menschen mit Behinderung auch aus dem Grund diskriminiert werden, weil sie körperlich nicht über die Voraussetzung verfügen, eine Situation herbeizuführen, in der sie unabhängig von sozialen Hilfeleistungen werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insb. die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und KonsumentInnenschutz, wird aufgefordert, im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes die vollumfängliche Einhaltung der Bestimmungen sowohl der UN-Behindertenrechtskonvention, als auch der UN-Kinderrechtskonvention sicher zu stellen.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht daher auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Werner Neubauer. – Bitte.
Abgeordneter Werner Neubauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Wissen dessen, dass es ein gutes Gesetz ist, das wir heute verabschieden werden, bin ich auch dessen gewiss, dass laut einer Umfrage 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung dieses Gesetz ebenfalls für gut befinden. (Zwischenruf des Abg. Drozda. – Abg. Loacker: Ja, genau!)
Das heißt, diese Bundesregierung ist auf einem guten Weg, im Sinne der Bevölkerung auch gute Gesetze zu machen, die von der Bevölkerung als solche auch anerkannt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Drozda. – Heiterkeit des Abg. Loacker.)
Und ihr von der Sozialdemokratie solltet euch überlegen – lieber Kollege Drozda, der du mich gerade so anlächelst (Zwischenruf des Abg. Wittmann) –, ob eure Haltung wirklich so grenzgenial ist, wenn 61 Prozent der sozialdemokratischen Wähler dieses Gesetz ebenfalls für gut befinden. Das solltet ihr euren Wählern erklären, warum ihr eine derartige Haltung an den Tag legt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Kollege Loacker, auch 65 Prozent der NEOS-Wähler befürworten dieses Gesetz laut dieser Umfrage, die repräsentativ ist. (Abg. Loacker schüttelt den Kopf und macht eine ablehnende Handbewegung. – Zwischenruf des Abg. Drozda. – Abg. Knes: Ha, ha!)
Auch da solltet ihr also vielleicht überlegen, ob eure Haltung wirklich so gut ist. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Ich glaube, das Gesetz ist gut, es zeugt von einer hohen Moral und Verantwortung und ist vor allem treffsicher.
Frau Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, Sie haben zuerst gesagt, dass der Abänderungsantrag grenzwertig sei. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Ich darf Ihnen sagen: Er entstand im Wesentlichen aus einer öffentlichen Diskussion, die wir in ganz großer Breite geführt haben. (Abg. Loacker: Haben Sie die Umfrage in Ihrer Nachbarschaft gemacht?) Eine solch große Beteiligung wie jetzt, inklusive Hearing, hat es bei diesem Gesetz kaum jemals vorher gegeben. Es ist das Wesen eines demokratischen Prozesses, dass man – und das hat die Bundesregierung auch bewiesen – gute Vorschläge auch nachträglich noch einarbeiten kann, gewisse Gesetzestexte noch konkre-
tisieren kann, und das ist natürlich auch bei diesem Gesetz eingeflossen. Ich gratuliere der Frau Ministerin dazu, dass sie die Größe hatte, das auch zuzulassen.
Ich darf aber einiges schon noch in Erinnerung rufen, weil die Sozialdemokratie so großartig von Moral und Verantwortung gesprochen hat: Wer hat denn diese Verantwortung gepflegt, Herr Kollege Wittmann? Wer hat sie denn gepflegt? 2012 hat die Armutskonferenz bereits gesagt, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist schwach, kann die Armut nicht verhindern und ist nicht am tatsächlichen Bedarf orientiert. (Abg. Wittmann: Und jetzt machen wir es noch ärmer! Das ist die Antwort von Ihnen?)
So, was ist geschehen? (Abg. Wittmann: Jetzt machen wir es noch ärmer? Das ist die Antwort?) Obwohl man das gewusst hat, hat Bundesminister Hundstorfer bereits 2015 gegenüber einer sozialdemokratischen Delegation aus dem Deutschen Bundestag gesagt, jetzt müsse man schon etwas tun, denn man habe festgestellt, das sei nicht wirklich gut, was man da jetzt habe, das koste sehr viel Geld und richte sich eigentlich an die falschen Leute. Das ist wie damals bei der Hacklerregelung: Da sind die Falschen in Pension gegangen, und nachher hat der Hundstorfer gesagt, man müsse an dieser Regelung etwas ändern.
Was hat er getan? – Er hat nichts getan. Obwohl er gesagt hat, mit 2016 laufen die Verträge mit den Bundesländern aus, hat er nichts getan. Dann hat sich natürlich schon die Frage gestellt: Warum? – Er hat nämlich in einem Interview gesagt, er könne sich vorstellen, dass Teile der Mindestsicherung als Sachbezug geleistet werden. – Man höre! Das ist auch etwas, was von der Sozialdemokratie schon heftig kritisiert wurde.
Ich zitiere weiter: „Hundstorfer signalisierte Offenheit für eine entsprechende Debatte. Sachbezüge in Form von Energieleistungen oder Miete seien durchaus vorstellbar. Es gebe dazu bereits Beschlüsse in Wien und Niederösterreich und auch in anderen Bundesländern wäre eine derartige Sachleistung möglich.“ – Warum ist dann nichts geschehen? Wollte man es sich offenbar mit 50 Prozent der Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung vor einer Wahl nicht anlegen? Hatte man vor der letzten Wahl Angst, diese Wählerstimmen zu verlieren? Anders ist es ja nicht zu verstehen, dass man einfach drei Jahre lang nichts getan hat und insgesamt sieben Jahre lang geschlafen hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Mir ist das mittlerweile klar: Die SPÖ kritisiert heute die Bundesregierung, hat aber damals in der Regierung selbst eigentlich eine schwache Sozialpolitik gemacht. Sie haben uns mit über 450 000 Arbeitslosen die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik hinterlassen, und weil Sie im Zusammenhang mit diesem Gesetz das Thema Verarmung so hervorheben, darf ich Sie daran erinnern, dass 1,5 Millionen Menschen durch Ihre unsoziale Politik in die Armut getrieben wurden. Diese Bundesregierung hat es in eineinhalb Jahren geschafft, diese Zahl um 138 000 Menschen zu reduzieren, und ich glaube, auch darauf kann man stolz sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Eines noch: Wenn wir ab 1.1.2020 die Mindestpension von 1 200 Euro einführen, dann werden wir diese Zahl der Armutsgefährdeten noch weiter reduzieren können.
Den Antrag der SPÖ lehnen wir naturgemäß ab (Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: „Naturgemäß“!), weil die Anträge der SPÖ nur darauf abzielen, das, was die Bundesregierung gut in diesem Gesetz verankert hat, rückgängig zu machen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dafür stehen wir nicht. Wir stehen für eine Politik für die österreichische Bevölkerung, deshalb ersuche ich um Zustimmung für unseren Antrag. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
11.26
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich habe jetzt allen zugehört und mir meine Meinung aufgrund der insgesamt 142 Stellungnahmen gebildet, die ich auch entsprechend analysiert habe. Es ist mehr als bezeichnend, wenn dieses Gesetz in 139 von diesen 142 Stellungnahmen von Organisationen, NGOs, Vereinen, Plattformen als schlecht bezeichnet wird. Wenn es nur drei Stellungnahmen gibt – von Organisationen, die eigentlich nichts mit Armutsbekämpfung zu tun haben (Abg. Belakowitsch: Von der Volkshilfe! – weiterer Ruf bei der FPÖ: SPÖ!) –, die Ihr Gesetz unterstützen, dann ist das mehr als bezeichnend. Diese drei waren die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer und das Land Niederösterreich. Das sind drei Organisationen, die sich nicht unbedingt mit Armut befassen, aber das sei einmal dahingestellt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Wissen Sie, was in diesen Stellungnahmen wirklich herauskommt? Sie beschließen heute ein Gesetz, durch das die Kinderarmut in Österreich steigen wird. (Abg. Wurm: Immer dieselbe Leier! – Zwischenruf des Abg. Noll.) Sie beschließen heute ein Gesetz, durch das Leistungen reduziert werden. Ganz besonders bezeichnend ist es für mich, dass aus der ursprünglichen Textierung in Ihrem Begutachtungsentwurf vom 28. November jetzt der Satz, dass es Ziel sei, Armut zu vermeiden, herausgenommen wurde – und genau so schaut Ihr Gesetz aus.
Das Schlimmste dabei ist – und ich frage mich das wirklich –: Ist Ihnen als Vertreter von ÖVP und FPÖ bewusst, dass Sie heute Verantwortung dafür tragen, dass die Armut in Österreich steigen wird? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)
Da Kollege Neubauer die SPÖ kritisiert hat: Heute hat die Statistik Austria Folgendes veröffentlicht: Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist in der Zeit von 2010 bis 2019 um 187 000 Menschen reduziert worden, und zwar aufgrund der Mindestsicherung, deshalb, weil wir damals die Mindestsicherung eingeführt haben. Die Mindestsicherung hat zumindest gewährleistet, dass sie das Mindeste sichert. Was jetzt passiert, ist ein Abbau. (Beifall bei der SPÖ.)
Wissen Sie, was schlimm ist? – Ihr Gesetz orientiert sich hinsichtlich der Höhe der Leistungen an der Anzahl der Kinder. Die Formel, die für Sie anzuwenden ist, ist ganz einfach: Je mehr Kinder in einer Familie, desto weniger Leistung. – Ja, da kann man stolz sein! Da muss ich Ihnen wirklich gratulieren! – Das ist wirklich mehr als sozial bedenklich. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)
Was Sie auch ein bisschen vorbeigeschwindelt haben, ist, dass diese Reduzierung nicht nur für Menschen gilt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, sondern auch für Menschen, die keinen Pflichtschulabschluss haben – auch das haben Sie noch mit hineingeschummelt –: Immerhin 16 000 Menschen in Österreich haben keinen Pflichtschulabschluss, und diese haben Sie einfach mit jenen gleichgestellt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind; sie bekommen auch weniger Sozialhilfe Neu. Das gehört vielleicht auch einmal gesagt: Was euch da wieder eingefallen ist, auch diesen Menschen in Zukunft weniger Geld zu gewähren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)
Weil Kollege Wöginger von Klarstellungen gesprochen hat: Ich muss euch ganz ehrlich sagen, ich werde den Eindruck nicht los – vor allem bei dem Hearing am 15. April, in der Osterwoche, ist es zutage getreten –, dass wir uns als Oppositionsparteien mit eurem Verschlechterungsgesetz inhaltlich mehr auseinandergesetzt haben als ihr als zuständige und verantwortliche Abgeordnete der Regierungsfraktionen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT. – Abg. Belakowitsch: Eben nicht! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Wisst ihr, das ist mehr als traurig, wenn wir im Hearing beginnen, das Thema Spenden zu hinterfragen, und um 11.42 Uhr hirscht Klubobmann Wöginger mit seiner Sozialministerin raus aus dem Hearing vor die laufenden Kameras (Abg. Wöginger: Das hat dich gestört, gell?) und sagt: Da werden wir noch etwas klarstellen!
Auch die Klarstellungen sind nicht zufriedenstellend, lieber August Wöginger. Warum? – Ihr habt die Heizkostenzuschüsse wieder als Kannbestimmung verfasst (Abg. Wöginger: Das ist ein Grundsatzgesetz, lieber Freund!) – als Kannbestimmung! –, ihr habt weiterhin die Spenden auf vier Monate befristet (Abg. Rosenkranz: Darf der Kaiser nichts mehr selber machen? – weiterer Ruf bei der FPÖ: Lass ihn, er versteht das nicht!), sodass sie entsprechend nicht angerechnet werden dürfen. (Abg. Wöginger: ... hat eh keiner ausgezahlt!)
Und noch zu Wien, weil das auch passt. (Ruf bei der FPÖ: In Wien gibt es eh schon lange keinen mehr!) – Na das ist ein toller Hinweis! (Abg. Belakowitsch: ... den gibt es schon ewig nicht mehr in Wien!) – Es kommt ständig dieses Argument, da erfolge eine Zuwanderung in unser Sozialsystem, es gebe da Sozialschmarotzer und so weiter. Fakt ist: Keiner von diesen 308 000 Menschen will in der Mindestsicherung bleiben – keiner! Jeder will wieder einen Job haben und arbeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Ui-Rufe bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)
Fakt ist, die Verweildauer beträgt 8,5 Monate – 8,5 Monate! (Abg. Belakowitsch: Durchschnitt! Was heißt denn das, Durchschnitt?!) Wenn die Leute angeblich alle in der Mindestsicherung bleiben wollen, warum gehen sie denn dann aus der Mindestsicherung wieder raus? – Weil sie rauswollen! Das sind die Fakten. Und Fakt ist auch: In Wien ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher um 9 Prozent gesunken: von 143 000 im August 2017 auf 129 000 im August 2018. (Abg. Wurm: Sag die ganze Wahrheit! – Abg. Belakowitsch: Nein, das ist die halbe Wahrheit!) Deswegen: Es gibt da keine Zuwanderung! Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher ist rückläufig, weil sie wieder rauswollen. Und was machen Sie? – Sie hauen dort noch einmal ganz kräftig drauf.
Wenn Ihnen die NGOs, alle Organisationen wichtig sind, die tagtäglich mit armen Menschen arbeiten, dann nehmen Sie die Kritik dieser NGOs ernst! Sie haben gestern ein Schreiben des Caritas-Präsidenten Dr. Michael Landau bekommen. Lesen Sie das jetzt bitte wenigstens durch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wurm: Der hat das Gesetz auch nicht gelesen!) Nehmen Sie sich bitte die 2 Minuten Zeit und lesen Sie sich das durch, denn das haben sich nämlich alle Organisationen verdient, dass sie von Ihnen ernst genommen werden. (Abg. Loacker: Die ÖVPler gehen in die Kirche, aber es ist wurscht, was dort gesagt wird!) Wenn Sie das durchlesen und wenn Sie dann noch immer sagen, das ist ein gutes Gesetz, dann stimmt irgendetwas nicht bei Ihnen.
Ich appelliere an Ihr Gewissen. Ich appelliere an Ihre soziale Einstellung. Ich appelliere an Ihre christlich-sozialen Werte. (Oh-Ruf des Abg. Gudenus. – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Stimmen Sie diesem Gesetz nicht zu, sondern stimmen Sie unserem Antrag auf Rückverweisung zu! Wenn Sie das nicht tun, dann werden wir Folgendes sichtbar machen: Alle Menschen, die jetzt von der Mindestsicherung betroffen sind, und alle Menschen, die in Zukunft durch Ihre Politik noch stärker in diese Mindestsicherung hineinfallen werden, haben ein Recht darauf, zu wissen, wer dieses Gesetz entsprechend verschlechtert. (Ruf bei der ÖVP: Alle anderen!) Aus diesem Grund werden wir eine namentliche Abstimmung verlangen. (Beifall bei der SPÖ.)
Mein letzter Satz: Frau Bundesministerin Hartinger-Klein, Sie haben hier einmal ganz lautstark zu uns hereingerufen: Wer schafft die Arbeit? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich muss rufen: Wer schafft die Armut? (Ruf: Die SPÖ!) – Sie schaffen damit Armut. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Leichtfried: Merkts euch das! – Ruf bei der FPÖ: Was?)
11.33
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.
Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte gleich zu Beginn auf die Rede der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber eingehen, denn sie hat hier gesagt, dass nur Menschen mit Behinderungen, die einen Grad von mindestens 50 Prozent haben, einen Mindestsicherungszuschlag von 18 Prozent des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes bekommen. Das ist nicht ganz wahr, weil sich das Gesetz auf § 40 Abs. 1 und 2 des Bundesbehindertengesetzes bezieht. Sie hat anscheinend vergessen, Absatz 2 zu lesen, denn in diesem Absatz ist klar festgehalten, dass Menschen mit Behinderungen auch einen Behindertenpass bekommen können, wenn sie zu weniger als 50 Prozent behindert sind, denn da gibt es auch Ausnahmeregelungen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Ich möchte auch noch auf die Kritik am Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eingehen, das manchen anscheinend nicht einheitlich genug erscheint. Es steht ja bereits im Gesetzestitel: Es ist ein Grundsatzgesetz. Die Länder haben einen Spielraum, um auf verschiedene regionale Erfordernisse eingehen zu können, zum Beispiel eben auf die unterschiedlich hohen Wohnkosten. Es wurde da eine größtmögliche Vereinheitlichung und Harmonisierung geschaffen, ein kleinster gemeinsamer Nenner. Bis Jahresende müssen die Länder ihre jeweiligen Ausführungsgesetze erlassen.
Als Behindertensprecherin sind mir natürlich gerade jene Punkte sehr wichtig, die Menschen mit Behinderungen betreffen. Auch der Regierung ist es ein großes Anliegen, dass Personengruppen wie Alleinerziehende oder auch Menschen mit Behinderungen im neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz nun bessergestellt werden.
Regelungen für Menschen mit Behinderungen sind zudem ein absolutes Novum, was das Sozialhilfegesetz betrifft, denn in den früheren 15a-Vereinbarungen hat es diesbezüglich überhaupt keine Regelungen gegeben. Es wurde im Bereich Behinderungen auch im Vergleich zum Erstentwurf des Gesetzes substanziell nachgebessert und auf die Stellungnahmen der Interessenvertretungen sehr gut eingegangen.
Nun zu den entsprechenden Punkten, die Menschen mit Behinderungen betreffen: Menschen mit Behinderungen erhalten in Zukunft einen Mindestsicherungszuschlag von 18 Prozent des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes. Das entspricht rund 160 Euro monatlich. Aus der ursprünglichen Kannbestimmung wurde eine Mussbestimmung. Das bedeutet, dass die Länder verpflichtet sind, diese Zusatzleistung auszuzahlen. Zudem bleibt es den Ländern unbenommen, Sonderbedarfe durch andere oder zusätzliche Regelungen zu berücksichtigen.
Alles, was es bisher an Zusatzleistungen gab, darf seitens der Länder natürlich weiterhin gewährt werden. Auch die Gewährung von Zusatzleistungen in Härtefällen ist möglich.
Das Grundsatzgesetz stellt außerdem klar, dass die erhöhte Familienbeihilfe, das Pflegegeld oder weiter gehende Pflege- und Behindertenleistungen gänzlich unberührt bleiben.
Auch wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, für Menschen mit Behinderungen eigene Bedarfsgemeinschaften einzurichten, um den diversen Wohn- und Lebensformen gerecht zu werden. Des Weiteren können Menschen mit Behinderungen von der Haushaltsdeckelung ausgenommen werden. Sie sollen ihre Leistung ungekürzt erhalten. Was zum Beispiel insbesondere gehörlosen Menschen große Sorge bereitet hat, war ein eventuell zu erbringender Nachweis der Sprachkompetenz. Auch das ist geklärt und im Gesetz klar geregelt. Von der Erbringung der Sprachkompetenz ausge-
nommen sind alle Menschen, deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb ausschließt wie zum Beispiel auch Menschen mit komplexen Kommunikationsstörungen.
Auf den Abänderungsantrag bezüglich der Spenden ist schon genauer eingegangen worden. Auch das sind Änderungen, die sehr positiv zu sehen sind. Ganz besonders freut mich, dass mit diesen neuen Regelungen dem erhöhten Armutsrisiko von Menschen mit Behinderungen entgegengewirkt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
11.38
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Irmgard Griss. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es ist ja nur natürlich, dass es bei einem solchen Thema verschiedene Sichtweisen gibt, aber wenn man sich die Redebeiträge bisher angehört hat, dann hat man manchmal den Eindruck gewonnen, es werde nicht über denselben Gesetzentwurf gesprochen, so weit gehen diese auseinander.
Mir geht es eher um etwas Grundsätzliches, denn das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz betrifft ja einen Bereich, der ein Thema ist, seit es organisierte Gesellschaften gibt, seit der Antike, nämlich die Frage: Wie gehen wir mit den Armen um? Wie erreichen wir, dass jenen geholfen wird, die das wirklich brauchen, und jene, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten, also ihren Beitrag leisten?
In der Antike hat man die Armen ausgegrenzt, und das Christentum ist auch als Reaktion darauf als Religion für die Armen entstanden. Wir waren ja heute in der Früh in der Kirche, und Sie kennen alle das Wort aus den Seligpreisungen: Selig die Armen, denn ihrer ist das Himmelreich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Wir kennen aus dem Evangelium auch den Satz: Wer vollkommen sein will, verkaufe alles, was er hat, und gebe den Erlös den Armen. Es gibt aber auch eine Gegenstimme, und zwar im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher. Da sagt Paulus: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ Das zeigt dieses Spannungsverhältnis. Du, der du hast, gib den Armen, unterstütze sie, aber leiste deinen Beitrag, arbeite, wenn du arbeiten kannst.
Diese Haltung gegenüber den Armen, dass sie arbeiten sollen, hat ja ganz extreme Ausprägungen in der Geschichte gehabt, wie die Arbeitshäuser, die es in England und Deutschland gegeben hat. Oliver Twist ist in einem Arbeitshaus geboren, die Verhältnisse dort waren schrecklich. In deutschen Arbeitshäusern war es im 19. Jahrhundert sogar üblich, dass die Menschen dort einen Haufen Steine von einem Platz zum anderen und dann wieder zurück schichten mussten, nur damit sie arbeiten. Es war völlig sinnlos.
Davon sind wir heute Gott sei Dank weg. Von Arbeitshäusern spricht niemand, aber dennoch ist es ein Thema, wie wir erreichen, dass die, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten. Daher kann man der Regierung nicht vorwerfen, dass sie hier versucht, Anreize zu setzen. Es gelingt ihr nur leider nicht so, dass man wirklich sagen kann, dass das erfolgreich sein und auch den Menschen gerecht wird. Was aber an Ihrem Entwurf stört, ist die Schlagseite, die er hat, und die Schlagseite ist eine Antiausländerschlagseite. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)
Das sieht man bei den 300 Euro Sachbezug für Sprachkurse, das sieht man bei der Kürzung des Mehrkindzuschlags. Es ist das Gegenteil von dem, was früher üblich war: je mehr Kinder, desto mehr Geld. Jetzt heißt es: Je mehr Kinder, desto weniger Geld.
Das ist ganz klar gegen ausländische Familien gerichtet. Das verstehe ich nicht, weil auch diese Kinder unsere Zukunft sind, genauso wie die Kinder, die von autochthonen Österreichern geboren und aufgezogen werden. Wir müssen alles tun, um Kindern aus sozial schwachen Familien gute Chancen zu geben. Das ist nicht nur sozial, das ist auch klug, das ist gerecht, das bringt auch in unserer Gesellschaft die Menschen zueinander.
Ganz negativ ist daher, was mit dieser Antiausländerschlagseite gemacht wird, wie leider auch mit anderen Maßnahmen, die diese Regierung bisher gemacht hat, dass sie nämlich die Stimmung im Lande vergiften. Manche Menschen können gar nicht glauben, dass so etwas möglich ist. Vor zwei Tagen hat mir eine junge Frau gesagt: Ja kann das sein, dass das so gegen Ausländer gerichtet ist, dass man ihnen diese 300 Euro nicht zahlt?! Das bringt die Gesellschaft auseinander, und das ist etwas, was durch Vorteile, die das Gesetz vielleicht haben kann, nicht aufgewogen wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)
11.44
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Wir beschließen heute ein Gesetz, für das wir Freiheitliche bei den letzten Nationalratswahlen auch gewählt wurden. Ich bin sehr froh darüber und stolz darauf, dass wir heute auch einen Schlusspunkt beim Reformprogramm der Mindestsicherung, das dringend notwendig war, setzen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es hat in den letzten Monaten sehr, sehr viel Propaganda von der Opposition und von unzähligen NGOs gegeben, wobei uns Dinge vorgeworfen wurden, die sich im Gesetz einfach so nicht wiederfinden. Ich habe dann persönlich in unzähligen Gesprächen mit Betroffenen – auch mit NGOs – auch viele Dinge aufklären können. Ich gebe zu, die ganze Materie ist sehr komplex, aber jeder, der das Gesetz in der Tiefe anschaut, wird vielleicht auch zu dem Ergebnis kommen, dass sich hier sehr viel in eine richtige Richtung bewegt. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)
Wer wird profitieren? – Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Profitieren werden die Alleinerzieherinnen; das ist, glaube ich, eine sehr gute Entscheidung. Wer wird noch profitieren? – Profitieren werden die Menschen mit Behinderungen. Kollegin Kira Grünberg hat das ausführlich dargelegt. Der dritte Bereich, der profitieren wird – und darauf bin ich auch stolz –, sind die österreichischen Staatsbürger. Das ist das, was wir auch wollten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es ist auch ganz klar, wer vielleicht nicht unbedingt profitieren wird. Das sind jene Zuwanderer, die sich in Österreich nicht integrieren wollen oder können, die die deutsche Sprache nicht erlernen können oder wollen. Sie werden es schwerer haben, auch im ganzen Asylbereich wird es Einschränkungen geben, und es wird auch jene treffen, die arbeitsunwillig sind. Für diese wird es da und dort sicher Einschränkungen geben. Das ist auch das, was die Bevölkerung von uns als Regierung erwartet hat, dass wir nämlich in diesem Bereich ganz klare Ansagen und Vorgaben machen.
Dieses Gesetz wird der Anfang vom Ende von Österreich als Sozialstaat der ganzen Welt sein. Das Sozialhilfegesetz soll für Österreich und österreichische Staatsbürger da sein und kann nicht – so wie es in Tirol ist – für über 100 Nationen, die sich derzeit in Tirol in der Mindestsicherung befinden, weiterhin das Auffangnetz sein. Das wird hiermit eingeschränkt und beendet. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich habe in den letzten fünf Jahren auch mehrmals hier im Plenum auf die Historie hingewiesen und möchte es vielleicht heute noch einmal kurz wiederholen: Es wurde leider Gottes auch von ehemaligen sozialistischen Sozialministern immer nach dem Motto: Augen zu und durch!, agiert. Das System hat sich einfach verselbständigt.
Kollege Loacker, die Analyse war sehr korrekt, nur empirisch – und das solltest du wissen – ist einfach ganz klar belegbar, warum wir eine gewisse Richtung eingeschlagen haben. Die Zahl der österreichischen Staatsbürger in der Mindestsicherung ist seit 2011 nahezu unverändert geblieben, sie liegt im Bereich von 120 000 bis 140 000 Personen. Es ist aber dazugekommen, dass die Zahl durch die Nicht-Österreicher auf 320 000 Mindestsicherungsbezieher gestiegen ist.
Ich wiederhole noch einmal: Das sind alles Zahlen, die Sie auch im Quartalsbericht von Wien oder in Berichten des Landes Tirol finden. Ich erwähne als Tiroler immer wieder das Land Tirol. Wir haben derzeit im Land Tirol über 100 Nationen in der Mindestsicherung, und bereits 63 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Tirol sind nicht österreichische Staatsbürger.
Unsere Intention ist, dass die Mindestsicherung, die Sozialhilfe für Österreicher da sein soll. Wir werden eine gewisse Anzahl an Personen haben, die wir auch dauerhaft unterstützen werden müssen. Das ist gut so, das soll auch so sein. Es ist aber klar, dass diese Beispiele, die wir hatten, wo Familienclans 3 000, 4 000 Euro oder noch mehr netto jedes Monat überwiesen bekommen haben, die österreichische Bevölkerung, die jeden Montag aufstehen und arbeiten gehen muss, natürlich nicht versteht und auch nicht mittragen kann. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)
Es wurden heute auch von unserer Seite – auch von der Frau Ministerin – sehr viele Details klargestellt. Ich möchte das nicht alles wiederholen, ich möchte Sie nur zum Abschluss – bevor ich noch einen Abänderungsantrag einbringe – vielleicht einfach um etwas bitten. Ich verstehe ja die Opposition, weil man natürlich auch versucht, politisches Kleingeld zu machen, das sich aber in Luft auflösen wird, weil sich nahezu alle Vorwürfe bis heute eigentlich als Fake News herausgestellt haben. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Ich würde aber vor allem die über 100 NGOs, die in diesem Bereich tätig sind – das fängt bei der Caritas an und geht bis zum Obdachlosenverein –, wirklich darum ersuchen und bitten: Bitte suchen Sie auch das Gespräch mit uns persönlich! Wir können das Gesetz auch mit Ihnen Paragraf für Paragraf durchgehen.
Unsere Intention war es, diesen Bereich der Sozialpolitik in Österreich wirklich aufrechtzuerhalten, aber wieder auf ein Maß zurückzustutzen, das gewährleistet, dass er auch langfristig abgesichert ist. Ich würde auch alle darum bitten, über die Grenzen Österreichs zu schauen – da brauchen Sie nur in Europa zu bleiben, da rede ich noch gar nicht von anderen Kontinenten –: Dieses Sozialnetz, das wir in Österreich haben – und es ist gut, dass wir es haben –, gibt es außer in Österreich nahezu auf der ganzen Welt nicht mehr. Wir wollen es auch weiterhin erhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Ich möchte jetzt den heute schon viel diskutierten und viel zitierten Abänderungsantrag einbringen. Ich finde es in einer parlamentarischen Demokratie sehr wichtig und sinnvoll, dass man im Diskussionsprozess dann auch Klarstellungen vornimmt. Das finde ich weder verwerflich noch sonst etwas. Das hätte ich mir früher auch schon sehr oft von der Sozialdemokratie gewünscht, denn da bestand kaum Bereitschaft, Dinge noch ein bisschen zu reparieren. Wir stellen in diesem Abänderungsantrag einige Dinge klar, die wir heute schon diskutiert haben. Da geht es um den Heizkostenzuschuss und die Spenden. Diese sind im ursprünglichen Gesetzentwurf unserer Meinung nach zwar durchaus richtig definiert worden, aber wir machen es hier noch einmal ganz, ganz klar, um jede Verwechslungsgefahr für die Zukunft auszuschließen.
Ich bringe daher folgenden Antrag ein:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
1. Der Titel lautet:
„Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden.“
2. Art. I § 2 Abs. 5 zweiter Satz lautet:
„Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen gemäß § 5 ausgeschlossen ist.“
3. In Art. I § 7 Abs. 4 werden folgende zwei Sätze angefügt:
„Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.“
4. In der Anlage zu Art. II wird der Ausdruck „a) 1. Auf Personenebene:“ gestrichen.
*****
Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
11.53
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch
und Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (588 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden (514 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:
1. Der Titel lautet:
„Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden“
2. Art. I § 2 Abs. 5 zweiter Satz lautet:
„Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen gemäß § 5 ausgeschlossen ist.“
3. In Art. I § 7 Abs. 4 werden folgende zwei Sätze angefügt:
„Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.“
4. In der Anlage zu Art. II wird der Ausdruck „a) 1. Auf Personenebene:“ gestrichen.
Begründung
Zu Z 1:
Die vorgeschlagene Änderung ist einem Tippfehler am Ende der Gesetzesbezeichnung geschuldet.
Zu Z 2 (Art. I § 2 Abs. 5 und Art. I § 7 Abs. 4 dritter Satz):
Der durch § 5 gesetzte Rahmen umfasst sowohl monatliche Leistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts als auch zur Befriedigung des Wohnbedarfs. Die erhöhten Ansätze der Wohnkostenpauschalregelung (§ 2 Abs. 5) als auch die Gewährung von Zusatzleistungen zur Vermeidung von Härtefällen (§ 6) setzen jeweils die Erbringung als Sachleistung voraus. Durch den vorgeschlagenen Abänderungsantrag soll die Möglichkeit geschaffen werden, Zuschüsse, die allein der Abdeckung von Heizkosten gewidmet sind, auch weiterhin als Geldleistungen zu erbringen und diese von der Anrechnung auszunehmen.
Zu Z 3 (Art. I § 7 Abs. 4 zweiter Satz):
Um Unklarheiten im Zusammenhang mit Zuwendungen privater Natur und ohne rechtliche Verpflichtung (wie etwa Spenden) zu beseitigen, soll in § 7 Abs. 4 eine Passage aufgenommen werden, die bereits in den meisten Mindestsicherungsgesetzen in dieser oder ähnlicher Form existiert (z.B. in § 10 Abs. 6 Z 4 WMG). Demnach soll eine Anrechnung von freiwilligen Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, grundsätzlich unterbleiben.
Zu Z 4 (Anlage zu Art. II):
Hier erfolgt eine redaktionelle Anpassung.
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Mag. Bruno Rossmann. – Bitte.
11.54
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Gestern hat die Regierung in einem Ministerratsbeschluss klargemacht, wofür sie in den kommenden Jahren steht: für ein Nulldefizit in den Jahren 2019 bis 2023. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) – Na, bevor Sie klatschen, hören Sie einmal zu, was ich zu sagen habe! (Abg. Neubauer: Nicht so schlecht!) Dieses Programm muss bis Ende des Monats nach Brüssel gemeldet werden. Wer ein Nulldefizit zum obersten Ziel der Politik erhebt, macht damit aber auch klar, dass andere Ziele keinen Platz haben, etwa die Frage der Armutsbekämpfung und die Vermeidung der Armut in diesem Lande. (Abg. Rosenkranz: Da hat das eine mit dem anderen nichts zu tun! Sie verstehen es nicht!) – Mir wäre es doch deutlich lieber, wenn wir hier über Gesetze und Programme diskutieren könnten, Herr Kollege Rosenkranz, die nicht Nulldefizit lauten, sondern null Armut. (Beifall bei JETZT.)
Sie gehen aber mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf ja nicht das erste Mal in die Richtung, dass Sie nicht die Armut bekämpfen wollen, sondern eigentlich Armut schaffen und damit die Armen bekämpfen. (Ruf bei der FPÖ: Na geh!) Sie setzten in den letzten Monaten eine Reihe von Maßnahmen, die Österreich ziel- und treffsicher in Richtung einer Zweidrittelgesellschaft führen werden. Die heutige Regierungsvorlage ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Die Mindestsicherung, wie wir sie bisher hatten, war das unterste soziale Auffangnetz. Die Aufgabe des untersten sozialen Auffangnetzes in unserem Lande ist es, allen Menschen – allen Menschen, ich betone: allen – ein Leben in Würde und eine Teilhabe an der reichen Gesellschaft, die Österreich nun einmal ist, zu ermöglichen.
Das gilt aber für die Sozialhilfe Neu natürlich nicht. Das leistet das Gesetz nicht, denn in entscheidenden Punkten wird gekürzt. Ja, es gibt auch einige Verbesserungen, das will ich gar nicht verschweigen, aber in einigen entscheidenden Punkten wird gekürzt. Es gibt empfindliche Kürzungen, wenn es um mangelhafte Deutschkenntnisse von NichtösterreicherInnen geht, und vor allem gibt es empfindliche Kürzungen bei Familien mit Kindern.
Jetzt hat uns Martin Schenk von der evangelischen Diakonie vorgerechnet, was dieses Sozialhilfegesetz Neu für Familien mit Kindern bedeutet, und es bedeutet, dass Familien mit Kindern in Österreich weniger Geld zur Verfügung haben werden als Familien mit Kindern in Deutschland mit Hartz IV. (Abg. Gödl: Das ist schon widerlegt!) – Nein, das ist nicht widerlegt, Herr Martin Schenk hat das noch einmal bestätigt und hat es Ihnen - - (Abg. Gödl: Das ist widerlegt! Das ist ein Rechenfehler! Das sind Fake News!) – Ja, aber dass Sie nicht rechnen können, haben Sie ja schon öfter bestätigt. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich erinnere nur an die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Diese Milliarde müssen Sie uns vorrechnen. Sie müssen aber offensichtlich einmal einen Grundkurs in den arithmetischen Rechnungsarten machen, und dann können wir über die Tatsachen weiterreden, bei wem gekürzt wird und was das bedeutet. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Es sind also Leistungen unter Hartz-IV-Niveau, und das, meine Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP, ist eine Schande für ein reiches Land wie Österreich. Einem solchen Gesetz werden und können wir niemals zustimmen! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Kinderarmut ist wohl eines der schrecklichsten Dinge, die man sich überhaupt vorstellen kann. Ich frage mich immer wieder: Was haben die Armen im Land verbrochen, dass sie von Ihnen so behandelt werden, wie sie behandelt werden? (Abg. Höbart: Das sagt der Luxuspensionist von der Arbeiterkammer!) Die Antwort ist, sie haben gar nichts verbrochen, aber die Politik von Türkis-Blau ist eben auf Spaltung angelegt.
(Abg. Höbart: Der Luxuspensionist von der Arbeiterkammer!) Sie spielen Arme gegen Ärmere aus, Sie spielen Inländer gegen Ausländer aus. Genau das ist der Kern Ihrer Politik. Mit dieser Politik des Spaltens und Hetzens versuchen Sie, Ihre Macht im Land abzusichern. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)
Eine moderne Sozialpolitik indes schaut ganz anders aus. Da geht es um Grundrechte auf eine Mindestsicherung, die ein Leben in Würde garantiert. Da geht es nicht um Almosen, Frau Ministerin. Es soll nicht nur jenen geholfen werden, die nichts haben, denn es gibt viele Untersuchungen, die zeigen: Services for the poor tend to be poor services. – Das ist genau das, was Sie machen.
Ich will, dass wir ein unterstes soziales Auffangnetz in unserem Land haben, das null Armut garantiert – und das wäre leicht möglich. Das wäre dann leicht möglich, wenn Sie das dafür erforderliche Geld – es handelt sich ohnehin nur um 1 Milliarde Euro – dahin gehend vermehren würden.
Würden Sie den Finanzminister bei der Bekämpfung der Steuerflucht von Großkonzernen ein wenig antreiben und wäre er dafür in Brüssel ein wenig mehr tätig und in Österreich aktiver, auch bei einer Digitalsteuer, könnten wir uns eine moderne Wohlfahrtspolitik leisten, die allen ein Leben in Würde ermöglicht. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)
12.00
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren von der Opposition, vor allem von der SPÖ, es ist halt schon ein bisschen schwierig, wenn man mit Gewalt Oppositionspolitik machen muss und die Fakten einfach bis zur Selbstaufgabe leugnet und vorgefertigte Parolen abliefert, denn was wir mit dieser Gesetzesreform machen – und das sollten Sie einfach zur Kenntnis nehmen –, ist: Wir sichern damit die höchste Sozialhilfezahlung ab, die es weltweit im Bereich der Sozialhilfe gibt, und das ist eine ordentliche Sozialpolitik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Herr Kollege Rossmann, das ist eben moderne Sozialpolitik – weil Sie das angesprochen haben – und das unterscheidet sich halt fundamental von Ihrer sozialistischen Sozialpolitik, die nicht treffsicher ist, die als ungerecht empfunden wird. So war es auch im Bereich der Mindestsicherung: Das war ein System, das vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als hochgradig ungerecht empfunden worden ist, vor allem von der arbeitenden Bevölkerung. Genau da setzt unsere Reform an, um wieder mehr Gerechtigkeit ins System zu bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Hören Sie einfach damit auf, zu sagen, hier wird bei den Ärmsten der Armen eingespart! Es wird überhaupt nichts eingespart, es wird einfach der Fokus wieder mehr auf die Gerechtigkeit im System gelegt. Es wurde schon mehrfach gesagt: Gerade für jene, bei denen die Armutsgefährdung am höchsten ist, bei Alleinerzieherinnen, bei Menschen mit Behinderung, gibt es jetzt auch entsprechende Zuschläge, dort wird es jetzt auch entsprechend mehr an Sozialhilfe geben, weil es dort auch notwendig ist. Es wurde schon gesagt – und das wissen wir und das werden Sie auch selbst wahrnehmen, wenn Sie ein bisschen hellhörig zu den Wählerinnen und Wählern gehen –, dass die Maßnahmen, die nun gesetzt werden, vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als richtig und notwendig erachtet werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Es wurde bereits mehrfach gesagt, dass wir nun ein Sozialhilfe-Grundsatzgesetz machen. Das war schon beim Hearing im Sozialausschuss sehr interessant, denn da ha-
ben Sie sich oft auch widersprochen: Die einen sagen, was wir jetzt machen, ist zu wenig zentralistisch, die anderen kritisieren wieder, dass wir es föderal mit Unterscheidungen je nach den Gegebenheiten in den Bundesländern machen. Ich glaube, wir gehen mit diesem Grundsatzgesetz den richtigen Weg und bieten dort, wo es regionale Unterschiedlichkeiten gibt, nämlich im Bereich der Wohnkosten, die Möglichkeit, dass die Bundesländer das anders regeln können.
Ich möchte aber zu einem besonderen Schwerpunkt kommen, der uns bei der Reform besonders wichtig ist, und das ist die schnelle Wiederintegration in den Arbeitsmarkt, die Förderung des Wiedereinstiegs in den Arbeitsmarkt. Ich glaube, da setzen wir den richtigen Schritt, denn es geht nicht nur darum, Lohneinkommen zu erwerben, sondern Arbeit ist auch Lebenssinn, ist auch Sinnstiftung, und daher ist der möglichst schnelle Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt besonders wichtig.
Da hat sich im Hearing aber auch Folgendes gezeigt – und es ist ja wirklich erschreckend, welches Weltbild manchen innewohnt –: Die Expertin der SPÖ hat allen Ernstes gesagt, sie hält das Ziel für falsch, die Menschen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie hält es für falsch, man möge die Leute (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Lüge!) viel länger in der Abhängigkeit halten. Auf meine Frage hin wurde diese Aussage noch einmal bestätigt, sie hat gesagt, die schnelle Arbeitsmarktintegration ist ein falscher Zugang. Sie meint das sozialistische System Wien, die Menschen lange in Abhängigkeit und am Tropf der SPÖ zu halten. Das ist das System Wien mit explodierenden Antragszahlen und einer vollkommen fehlgeleiteten Sozialpolitik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir setzen Maßnahmen, damit diese Arbeitsmarktintegration auch schnell funktionieren kann. Da geht es um Anreize. Mit dem Wiedereingliederungsfreibetrag setzen wir genau diesen Anreiz (Abg. Plessl: Für 50 plus, welche Anreize haben Sie da?), damit es möglich ist, wieder in den Erwerbsprozess einzusteigen – und nicht dass man, wenn man eine Beschäftigung annimmt, dann möglicherweise weniger hat, sondern dass man die Möglichkeit hat, aufzustocken und damit einen attraktiven Anreiz, sich wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Auch hier setzen wir unseren Grundsatz: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein!, konsequent um.
Mit unseren Reformen werden wir viel mehr Gerechtigkeit ins System bringen und heute – ich sage es abschließend noch einmal – die höchste Sozialhilfezahlung weltweit sicherstellen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
12.04
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Bemerkung Nummer eins: Es ist bezeichnend, dass ausschließlich Männer der Regierungsparteien wissen, wie Alleinerzieherinnen in diesem Land leben, und ich glaube, Sie meinen ausschließlich Frauen mit Kindern.
Sie behaupten, dass die Zuschläge für Alleinerziehende mit einem Kind gewährleistet sind. Ich habe letztens Herrn Klubobmann Wöginger gefragt, ob er sicherstellen kann, dass das in jedem Bundesland so ist. Er hat behauptet, ja; ich sage, nein, es ist nach wie vor eine Kannbestimmung. Frauen, die allein mit ihren Kindern leben, können einen Zuschlag erhalten – das ist keine Mussbestimmung geworden. Und bei einer Frau mit drei Kindern wird dadurch, dass ab jetzt nicht mehr jedes Kind gleichgestellt ist, dieser Zuschlag, wenn sie ihn bekommt, von der degressiven Gestaltung der Kinderzuschläge aufgefressen.
Bemerkung Nummer zwei: Es gruselt einem fast ein bisschen angesichts dessen, wie hier Propaganda gemacht wird, Unwahrheiten verbreitet werden, denn Sie wissen genau, in unserem Hearing im Sozialausschuss hat diese Expertin genau erklärt, was sie meint. Ich habe frauen- und arbeitsmarktpolitische Einrichtungen besucht – Sie vielleicht noch nie, das weiß ich nicht – und genau dort wird immer wieder gesagt, dass manche Menschen, Frauen oder Männer, etwas länger benötigen, eine etwas längere Phase brauchen – weil sie vom Elternhaus her gewisse Dinge nicht erlernt haben, weil sie gewisse Dinge vielleicht verlernt haben –, und das sollte gewährleistet sein. Die haben ja alle auch eine Quote zu erbringen im Sinne dessen, diese Menschen wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen zu lassen. Wenn Sie nun behaupten, es soll ab jetzt nicht mehr sein, dass man ihnen ein, zwei, drei Monate mehr zugesteht (Abg. Belakowitsch: Das hat sie nicht gesagt!), gruselt es mich daher. Sie machen Schmalspurkurse – und dafür sind auch Sie verantwortlich, Frau Ministerin, da Sie auch für den Arbeitsmarkt verantwortlich sind –, Sie streichen dem AMS Millionen von Euro und kategorisieren die Leute in A-, B- oder C-Bereiche, und die, die im C-Bereich sind – vorwiegend Frauen, darf ich nur sagen –, bekommen nur mehr Vierwochenkurse und dann sollen sie dem Arbeitsmarkt gefälligst zur Verfügung stehen.
Außerdem ist die Auswirkung dieser Gesetzgebung auf Frauen kaum bis fast noch nicht debattiert worden. Es ist auch bezeichnend – das ist die dritte persönliche Anmerkung –, dass die Frauensprecherinnen der Regierungsparteien hier nicht Stellung nehmen. Das finde ich sehr schade. Gestern haben wir versucht, dem Frauenvolksbegehren Rechnung zu tragen und der Lebenssituation von Frauen zu einem Vorteil zu verhelfen, der jetzt in vielen Fällen nicht gegeben ist, vor allem wenn sie allein mit ihren Kindern leben. Sie haben gestern keinem einzigen dieser Anträge Ihre Zustimmung erteilt. Genau dieses Sozialhilfegesetz Neu wird dazu beitragen – und da können Sie noch so dagegenreden –, dass Frauen- und Kinderarmut verstärkt werden wird.
Lassen Sie sich nur noch eine Zahl auf der Zunge zergehen: Die Ärmsten in Österreich – das hat die Konsumerhebung ergeben, das habe nicht ich erfunden – brauchen im Schnitt rund 700 Euro im Monat fürs Essen, fürs Wohnen, für die Miete, für Kleidung, und dann ist fast nichts mehr übrig, wenn Kinder auf Schulschikurs oder sonst wohin fahren sollen.
Diese 700 Euro sind für lernschwache Menschen noch um 300 Euro gekürzt worden, nämlich von den 885 auf 585. Wie soll man, wenn man schon zum Leben 170 Euro mehr pro Monat braucht, damit auskommen, wenn man zufällig keinen Pflichtschulabschluss absolviert hat? Da sind sicherlich auch Frauen dabei, die das bitter nötig hätten.
Frauen kämpfen natürlich auch um Unterhaltssicherung – auch da haben Sie taube Ohren und fühlen sich gar nicht zuständig, obwohl diese Streitigkeiten oft sehr lange dauern. Wenn jemand das auch nicht hat, alleine mit den Kindern lebt, in einem Rosenkrieg um Unterhaltssicherung kämpfen muss, dann ist, glaube ich, Obdachlosigkeit von Frauen und Kindern nicht mehr weit. Dafür sollten Sie sich schämen! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)
12.09
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.
Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ja, trotz aller Unkenrufe aus den Reihen der Oppositionsparteien ist heute ein guter Tag für die soziale Gerechtigkeit in diesem Land. Es ist ein guter Tag für alle Menschen, die sich in einer
schwierigen Phase ihres Lebens befinden und auf die Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen sind. Ein schlechter Tag ist es lediglich für Sozialtouristen aus aller Herren Länder, die es sich auf Dauer in der sozialen Hängematte dieses Landes gemütlich machen, denn damit machen wir Schluss, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Loacker: Das ist zum Kotzen!)
Der Zwischenruf des Kollegen Loacker, wenn ich es richtig vernommen habe, „zum Kotzen!“, das zeichnet Sie auch aus, da soll sich jeder - -
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Loacker, Sie wissen, dass ich Ihnen dafür einen Ordnungsruf erteile.
Bitte, Herr Abgeordneter Amesbauer, Sie sind wieder am Wort.
*****
Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Gut, ungeachtet dessen, weiter im Programm: Die Mindestsicherung – und das wurde ja heute schon öfters angeführt – ist derzeit eine reine Ländermaterie und seit Auslaufen der Bund-Länder-Vereinbarung im Jahr 2016 ohne jeglichen gemeinsamen Rahmen. Wir schaffen jetzt einen vernünftigen bundesweiten Rahmen mit einheitlichen Spielregeln, aber bei gleichzeitigen Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesländer im Sinne der Ausführungsgesetzgebung, wo gewisse Details noch geregelt werden können. Das führt zu mehr Transparenz und vor allem auch zu einem Ende des Fleckerlteppichs, was die Mindestsicherung in Österreich betrifft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, ich verstehe nicht, dass Sie sich hier herstellen können und ernsthaft die Armut ausrufen, die Ungerechtigkeit hier ausrufen. Es wurde mehrfach erwähnt – Sie wissen das auch genau, es wurde mit den Experten im Hearing diskutiert, es wurde im Ausschuss lang und breit diskutiert, es gibt auch entsprechende Klarstellungen –, was alles gemacht wird: Sie wissen, dass es einen verpflichtenden Zuschlag für Menschen mit Behinderungen geben wird. Sie wissen, dass Zuschläge für Alleinerziehende vorgesehen sind. Daher verstehe ich auch Kollegin Heinisch-Hosek überhaupt nicht, dass sie hier jetzt von der großen Frauenarmut fantasiert. Es ist einfach nicht wahr, was Sie hier behaupten. Es gibt mehr Treffsicherheit durch mehr Sachleistungen, und die große Ungerechtigkeit müssen Sie mir wirklich einmal schlüssig zu erklären versuchen, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Zum Thema Asylberechtigte: Es wird ja immer Wien als Schlaraffenland für die Sozialtouristen aus aller Herren Länder angeführt. Das ist richtig, aber auch mein Heimatbundesland, die Steiermark, ist ein Eldorado für solche Menschen. Die Kollegen Leichtfried und Muchitsch wissen ja ganz genau, dass dort die sozialistische Asyl- und Mindestsicherungslandesrätin Doris Kampus zuständig ist, die derzeit gerade mit einer Vielzahl von landesinternen Prüfungen konfrontiert ist, die ihre Intransparenz und ihr Chaos in ihrem Mindestsicherungssystem aufdecken.
In der Steiermark ist es auch jetzt so, dass bei den voll unterstützten Mindestsicherungsbeziehern – also jenen, die die Mindestsicherung in voller Höhe lukrieren – 62 Prozent Ausländer sind; und diese bekommen immerhin satte 885 Euro pro Monat, ab dem ersten Tag des positiven Asylbescheides. Das heißt also, ohne je einen Tag hier gearbeitet zu haben, ohne je einen Cent in das Steuersystem, in das Sozialsystem, das das ganze Werkel am Laufen hält, einbezahlt zu haben, schöpfen die diese 885 Euro ab. Das ist eine Verhöhnung gegenüber allen Menschen, die jahrzehntelang in die-
sem Land geschuftet und in dieses System auch einbezahlt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Natürlich verlangen wir jetzt – und das ist auch die große Änderung – diesen Menschen etwas ab, nämlich dass auch entsprechende Deutschkenntnisse erbracht werden müssen. Das ist für die Integration unabdingbar, das ist auch wichtig für die Verfügbarkeit und die Brauchbarkeit am Arbeitsmarkt, denn wir wollen auch bewusst Anreize schaffen, um Menschen wieder in die Erwerbstätigkeit zu führen – und das gilt für Inländer wie auch für Ausländer gleichermaßen –, sodass sie in der Erwerbstätigkeit ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Sie hingegen wollen die Menschen bewusst in der Abhängigkeit halten, Sie wollen sich dadurch gönnerhaft verhalten können und mit Ihren roten Soziallandesräten die Sozialleistungen halt mit der Gießkanne verteilen. Das ist Ihr Zugang, wir haben einen anderen Zugang. Sie wollen auch weiterhin ohne irgendwelche Auflagen Steuergeld an Asylwerber verteilen, um auf diese Weise auch künftige Wählerstimmen zu lukrieren. Damit ist es jetzt vorbei, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Wirklich ein ernst gemeinter Appell an die Fake-News-Fraktion der SPÖ hier: Hören Sie endlich auf, den Menschen Ihre Lügengeschichten aufzutischen, und kommen Sie ‑ ‑
Präsidentin Doris Bures: Ich würde Sie ersuchen, das Wort Lügengeschichten zurückzunehmen! – Bitte.
Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Ich nehme das zurück. – Hören Sie auf, den Menschen die Unwahrheiten aufzutischen, und kommen Sie endlich zur Sachlichkeit und zur Wahrheit zurück! Ihre Schauermärchen werden sich in Luft auflösen, so wie das beim Arbeitszeitgesetz schon der Fall war (Beifall bei FPÖ und ÖVP), wo Sie fantasiert und den Menschen erzählt haben, dass die fünfte Urlaubswoche gestrichen wird, dass es keine Überstundenzuschläge mehr gibt, dass jeder 12 Stunden arbeiten muss. Das hat sich alles in Luft aufgelöst – genauso wird es auch hier sein.
Bitte reden Sie auch ein ernsthaftes Wort mit Ihrem Parteifreund, dem Volkshilfe-Chef Erich Fenninger. Ich möchte hier sagen, die Volkshilfe leistet in vielen Gemeinden großartige Arbeit – auch meine Familie hat das schon in einer schwierigen Situation in Anspruch genommen –, aber es ist nicht fair und nicht in Ordnung, wenn man jetzt so eine Zelttour macht und den Armutsnotstand in Österreich ausruft, denn durch dieses Sozialhilfegesetz – und das ist die Wahrheit! – wird niemand dazu gezwungen, in Österreich in einem Zelt zu übernachten. Das sind ganz, ganz schlechte und bewusst falsch gezeichnete Bilder, die Sie hier in der Öffentlichkeit bringen, meine Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Unterstützen Sie uns lieber dabei, dass wir die Armut treffsicher bekämpfen wollen, dass wir jenen Menschen eine Hilfestellung bieten wollen, die wirklich Unterstützung benötigen, aber auch Sanktionen für jene vorsehen, die den Sozialstaat schamlos ausnutzen. Ob Sie das jetzt für richtig empfinden oder nicht, ist mir relativ egal, heute ist ein guter Tag für die soziale Gerechtigkeit in Österreich, heute ist ein guter Tag für jene Menschen, die wirklich unsere Hilfe benötigen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
12.16
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Birgit Sandler zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich liebe dieses Land, ich liebe die Kultur, die Gebäude und die Landschaft, aber als Frau und als Mann kann
man ein Land nur lieben, wenn man auch die Menschen, die hier leben, liebt (Beifall bei der SPÖ), die Alten und die Kinder, die Gesunden und die Kranken, die Reichen und die Armen, aber vor allem jene, die keine Lobby haben, die stumm sind und die nicht gehört werden. – Und Sie, Sie hören sie nicht. Sie hören die Kinder nicht und Sie hören die Menschen mit Behinderung und die Eltern, die sich um diese Kinder kümmern, nicht.
Ja, ich gebe zu, Sie haben einiges entschärft, weil Sie zur Abwechslung einmal Stellungnahmen eingeholt und diese auch eingearbeitet haben, aber dass man das in einer Demokratie besonders hervorheben muss, ist eigentlich ein Armutszeugnis – nur so nebenbei gesagt.
Mehr als die Hälfte der MindestsicherungsbezieherInnen lebt in Familien mit Kindern. Sie erhöhen zwar den Betrag für das erste Kind, aber wenn zwei Personen in einem Haushalt Mindestsicherung beziehen, verlieren die schon 89 Euro im Monat. Ab dem zweiten Kind gibt es deutlich weniger, 129 Euro, und für jedes weitere nur mehr 43 Euro. Damit sind wir wieder bei den 1,50 Euro am Tag. (Abg. Zarits: Die bekommen die Kinderbeihilfe!) Kein Kind sucht sich aus, in welche Familie es hineingeboren wird, und es sucht sich nicht aus, ob es als erstes, zweites oder drittes Kind geboren wird (Beifall bei der SPÖ), und die Windeln kosten gleich viel, für das erste Kind, für das zweite Kind und für das dritte Kind. Kinder sind Kinder und haben alle das gleiche Recht auf alle Chancen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)
Wer bei Kindern spart, spart an der Zukunft unserer Gesellschaft. Kinder, die in Armut aufwachsen müssen, haben schlechtere Bildungschancen und damit auch schlechtere Chancen auf ihrem Lebensweg. Sie haben weniger soziale Kontakte, weil sie oft niemanden zu sich einladen können und deswegen auch nicht eingeladen werden. Sie können an vielen Veranstaltungen und Aktivitäten nicht teilnehmen und werden von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen.
Aber auch Eltern, die sich um ihre Kinder mit Behinderung kümmern, oder Menschen mit Behinderung bleiben von der Kürzung nicht verschont. Zwar gibt es für sie grundsätzlich einen Bonus von 18 Prozent, aber auch da gibt es Einschränkungen und Hürden, die Erwerbsfähigkeit muss um mindestens 50 Prozent gemindert sein. Und ja, es gibt eine Kann-Bestimmung, aber Sie wissen ja, kann heißt, es kann sein, es kann aber auch nicht sein. Das stellt für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Lernschwächen eine fast unüberwindbare Hürde dar und lässt alle, deren Behinderung nicht hoch genug ist, außen vor, obwohl sie wegen ihrer Behinderung einen Mehrbedarf haben.
Wem geht es besser, wenn Sie denen, denen es schlecht geht, noch etwas wegnehmen? Wem geht es besser, wenn sich Menschen das Nötigste nicht mehr leisten können? – Niemandem. Mit der Abschaffung der Mindestsicherung verschärfen Sie die Lebenssituation von Kindern, vor allem von Frauen und von Menschen mit Behinderung.
Das Ziel jeder Reform muss es sein, dass es den Menschen danach besser geht und nicht schlechter. Kinder- und Altersarmut müssen sinken und nicht steigen, sagt Michael Landau in diesem Brief (ein Schriftstück in die Höhe haltend), den Sie wahrscheinlich nicht gelesen haben. Ich würde mir an Ihrer Stelle die Zeit dafür nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Wäre dieses Gesetz eine Deutscharbeit, würde darunter stehen: Thema verfehlt!, denn diese Sozialhilfe ist weder sozial noch eine Hilfe. – Danke und ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ.)
12.20
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Wir haben jetzt schon einiges an Argumenten zum Thema Mindestsicherung gehört. Ich werde mich heute auf zwei wesentliche Punkte konzentrieren, die das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz betreffen, und die Fakten ein wenig näher erläutern.
Erstens die Mindestsicherung für Alleinerziehende: Wir haben heute schon gehört, Alleinerziehende mit einem Kind sind eine der größten Gruppen. Ich darf dazu ein Beispiel aus meinem Heimatbundesland Salzburg bringen. Dort hat bis dato die Mindestsicherung 885 Euro betrogen. (Ruf bei der FPÖ: Betragen!) Dazu kam ein Zuschlag für das Kind von 185 Euro. Das macht summa summarum 1 070 Euro netto im Monat aus – ohne die Kinderbeihilfe. Mit der neuen Regelung, die unsere Ministerin vorgelegt hat, beträgt der Mindestsatz weiterhin 885 Euro. Es kommt ein Zuschlag von 221 Euro fürs erste Kind dazu, und neu ist ein Zuschlag, den die Bundesländer bezahlen können, der bei 106 Euro bis 239 Euro pro Monat zusätzlich liegt. Wenn ich den Zuschuss von 106 Euro zur Anwendung bringe, dann kommt die gleiche Mutter mit einem Kind jetzt auf 1 212 Euro statt wie bisher auf 1 070 Euro netto. Das sind immerhin 142 Euro netto mehr für diese Mutter. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Das Neue ist also dieser Zuschuss. Die Argumentation, die die SPÖ-Kollegin Heinisch-Hosek gebracht hat, dass die Bundesländer diesen Zuschuss nicht zur Anwendung bringen müssen, scheint meiner Ansicht nach damit zusammenzuhängen, dass die SPÖ wieder einmal die Bundesländer bevormunden möchte und wieder keine eigenen Kompetenzen zulassen will. (Abg. Heinisch-Hosek: Welches Bundesland hat eine Negativstellungnahme eingebracht? Niederösterreich vielleicht?!) Wir sind allerdings der Meinung, dass unsere Bundesländer sehr wohl selbst am besten einschätzen können, wo vor Ort Handlungsbedarf ist (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, Niederösterreich, leider!) und die Entscheidungen selbst treffen können. (Beifall bei der ÖVP.)
Es ist vielleicht so, dass die Belastungspartei SPÖ die eine oder andere schlechte Erfahrung mit der SPÖ in Wien gemacht hat und daher den anderen Bundesländern nicht zutraut, wirklich gute Entscheidungen treffen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ich kann Ihnen sagen, wir in Salzburg mit unserem Landeshauptmann Wilfried Haslauer werden diesen Zuschuss von 106 Euro bis 239 Euro für die alleinerziehenden Mütter sehr wohl beanspruchen. Trotz der Befürchtung der SPÖ darf ich auch den anderen Bundesländern so viel zutrauen, dass sie die Sachkompetenz mitbringen und eigene Entscheidungen treffen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Kitzmüller.)
Zweitens möchte ich auf das Thema der notwendigen Deutschkenntnisse eingehen. Aus meiner Praxis als Personaldienstleisterin, die tagtäglich mit Jobsuchenden zu tun hat, kann ich Ihnen mit Sicherheit eines mitgeben: Es findet heute kaum jemand einen Job, der nicht die entsprechenden Deutschkenntnisse aufweisen kann. (Abg. Yılmaz: Das sagt ja auch keiner!) Ich finde überhaupt nichts Verwerfliches – absolut nichts Verwerfliches – daran, wenn wir sagen: Deutsch- oder Englischkenntnisse sind eine Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis. (Abg. Yılmaz: Wenn man die Kurse kürzt und keine Kurse anbietet!) – Sie finden auch im internationalen Bereich, liebe Kollegin, oder in anderen Ländern, wenn sie nicht vor Ort die Landessprache – oder zumindest Englisch – sprechen, keinen Job.
Die letzten Jahre haben uns eindeutig gezeigt, dass die bisherigen Bemühungen, die wir in diese Richtung unternommen haben, einfach nicht ausreichend waren. Daher
müssen wir die Anreize anders setzen. (Abg. Yılmaz: Deswegen wurde es gekürzt!) Die Mindestsicherung für Bezieher mit schlechten Deutschkenntnissen wird nun an die Bereitschaft zur Qualifizierung gekoppelt. Das ist auch gut und richtig so, denn bis zum Erlangen entsprechender Deutschkenntnisse beziehungsweise Englischkenntnisse erhalten sie zumindest 65 Prozent. Das sind 575 Euro netto, und die 300 Euro, die jetzt Differenz sind, verwenden wir eben für Sprachkurse. Somit investieren wir in die Qualifizierung dieser Menschen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung gibt es auch beim Thema Deutschkenntnisse sehr wohl Ausnahmen; ich darf das eine oder andere als Beispiel nennen. Eine Ausnahme sind Personen mit betreuungspflichtigen Kindern bis zum dritten Lebensjahr, die müssen das nicht machen. Weiters: Personen, die zu pflegende Angehörige haben, müssen das nicht machen, berufsunfähige Personen müssen das nicht machen. Abgeordnete Kira Grünberg hat es schon gesagt: Personen mit Behinderungen, die eine Lernschwäche haben und nicht fähig sind, die Sprache zu erlernen, sind von dieser Regelung auch ausgenommen. (Abg. Yılmaz: Das war bis jetzt auch schon! Das ist nichts Neues!) Also erzählen Sie nicht, dass da nicht wirklich auf die Praxis eingegangen wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Unser Ziel ist es nämlich nicht, die Menschen in der Mindestsicherung zu halten, sondern wir wollen sie in die Lage versetzen, dass sie ihr Leben eigenverantwortlich gestalten können. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie lassen sie alleine!) Unser Ziel ist es also nicht – und ich betone das noch einmal, Frau Kollegin –, die Menschen in der Mindestsicherung zu halten, sondern ihnen die Chance zu geben, einen Arbeitsplatz zu finden. (Abg. Heinisch-Hosek: Wer nicht spurt, wird bestraft!) Deshalb unterstützen wir diese Menschen auch. Alle, die können, sollen Deutsch lernen, und wie ich schon gesagt habe: Das ist auch gut und richtig so, denn ausreichend Deutsch – immerhin eine Kultursprache und die am häufigsten gesprochene Sprache in Europa – ist insgesamt ein Integrationsbonus, nicht nur für den Arbeitsmarkt. Wir wissen, mit ausreichenden Deutschkenntnissen ist eine gesellschaftliche Anteilnahme, eine Kommunikation mit Ärzten, mit Schulen, mit Behörden bestens möglich und erleichtert den Menschen das Miteinander und auch die Integration. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bösch.)
Wir sind auf einem richtigen Weg. Ich darf hier auch die Gelegenheit nutzen, mich bei allen zu bedanken, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, allen voran bei unserer Bundesministerin. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
12.26
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie hier zuhören und zusehen! Manche in der Regierung haben den Sinn sozialer Gesetze nicht verstanden. Ich bedanke mich dafür, dass es Abgeordnete gibt, die das hier auch sehr deutlich sagen. Was ist der Sinn von sozialen Gesetzen? – Das eine ist: Wir schaffen Rechte für Menschen, die Hilfe brauchen, weil sie Beiträge gezahlt haben. Das ist die Sozialversicherung. Da haben wir ein gutes System entwickelt. Das zweite System, das wir haben, ist: Wir schaffen Sicherheit für Menschen einfach allein aus der Tatsache heraus, dass sie Menschen sind. Das war die Mindestsicherung. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Jetzt an die ÖVP: Mit Ausnahme von 13 Abgeordneten der österreichischen Landtage haben alle ÖVP-Landtagsabgeordneten die bestehenden Mindestsicherungsgesetze mitgetragen und beschlossen. Ich habe Respekt vor diesen Menschen, die in Kenntnis
dessen, was die Menschen im Land brauchen, diese Mindestsicherungsgesetze verantwortet haben. Sie haben nicht verantwortet, dass man zu Kindern sagt: Mit 150 Euro im Monat kommt man aus!, oder: Mit 1,50 Euro am Tag für ein Kind kommt man aus! – Ich sage allen, die nichts von Sozialpolitik verstehen, sie sollen die Finger von unserem Sozialstaat lassen.
Herr Abgeordneter Wurm hat heute gesagt, das sei der Anfang vom Ende des Sozialstaates (Abg. Wurm: Nein, nein, nein! – Abg. Belakowitsch: Was?! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und leider muss ich ihm recht geben. (Beifall bei der SPÖ.) – Leider muss ich ihm recht geben.
Wenn jemand sagt, wir wollen nicht bevormunden: Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz richtet sich an Landtagsabgeordnete. Die, die hier bevormundet werden, sind die Landtagsabgeordneten der ÖVP. Sie werden am meisten bevormundet, da sie in den österreichischen Landtagen die Mehrheit haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie werden von diesem Grundsatzgesetz bevormundet.
Das ist genau das, was man hier macht – und dazu gratuliere ich dir, August Wöginger (Zwischenruf der Abg. Steinacker) –: Das Gegenteil von dem sagen, was man tut. Ihr bevormundet eure Partie. Warum? – Die am häufigsten Angesprochenen sind Landtagsabgeordnete der ÖVP, an die richtet sich das Gesetz. Bundeskanzler Kurz will euch diese unsoziale Politik, die die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer haben wollen, jetzt aufoktroyieren, dass ihr das da draußen macht. Das ist eine Entmündigung der Länder, denn es werden erstmals Höchstgrenzen eingeführt. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Ihr verbietet den Ländern, dass sie andere Maßnahmen setzen, wenn sie im Land notwendig sind. Ihr entmündigt auch die Länder, die soziale Ausgrenzung tatsächlich bekämpfen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Zarits.)
Die Verfassungsrechtler haben beim Hearing deutlich gesagt, dass der Entwurf des Gesetzes ganz klar den Zweck sozialer Gesetze missachtet, dass man nichts vom Existenzminimum sagt, keine Grundlagen festlegt und dieses Gesetz den Zweck nicht erfüllen wird. Wenn man dazu steht, was die Geschichte der Zweiten Republik geklärt hat, nämlich dass soziale Sicherheit die wichtigste Grundlage der Demokratie ist, dann muss man sagen, das, was ihr da heute macht, ist auch eine Gefährdung der Demokratie an sich (Beifall bei der SPÖ), denn dieses Gesetz verursacht nichts anderes als steigende Armutsgefährdung, Mehrkosten in der Verwaltung und eine größere Ungleichbehandlung der Menschen.
Ich sage das noch einmal mit Johann Böhm: „Soziale Sicherheit ist die verlässlichste Grundlage der Demokratie“. – Wer eine Demokratie haben will, darf diesem Gesetz nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)
12.32
Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Peter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Stöger hat behauptet, ich hätte in meiner Rede gesagt, das wäre das Ende des Sozialstaates Österreich.
Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt, das ist das Ende des Sozialparadieses für Menschen aller Herren Länder. Das habe ich gesagt. Sollte es an meiner Aussprache, vielleicht an meinem leichten Tiroler Akzent gelegen sein, möchte ich es hiermit noch einmal klarstellen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ.)
12.32
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Norbert Sieber zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Muchitsch und Schimanek.) Wir diskutieren das Grundsatzgesetz der Sozialhilfe, und Fakt ist, mit diesem Gesetz sorgen wir für mehr Gerechtigkeit in diesem Land. Wir helfen ganz bewusst jenen, die sich nicht selbst helfen können, und, meine Damen und Herren, wir können es natürlich auch auf einer sachlichen Ebene abführen, aber leider wird hier sehr stark mit Emotionen gearbeitet.
Geschätzte Frau Rendi-Wagner – ich glaube, Sie ist im Moment nicht im Saal, man wird es ihr ausrichten –, wenn Sie auf Twitter bereits wieder behaupten und auch in Ihrer Rede schon gesagt haben, dass 40 Millionen Euro gekürzt werden, dann muss ich Ihnen sagen: Lesen Sie das Gesetz! Es steht in der WFA. Kollege Loacker hat ebenfalls bestätigt, dass das nicht der Fall ist, sondern dass eher mehr Geld zur Verfügung steht.
Sie glauben auch, dass wir der Meinung sind, Sozialhilfeempfänger wollen nicht wieder arbeiten. Faktum ist, dass wir mit dem Wiedereinstiegsbonus ein Werkzeug geschaffen haben, das zum Wiedereinstieg animiert und die Angst davor nimmt. Bisher war es so, dass manch einer, der in der Sozialhilfe war und eine Arbeit übernommen hat, deutlich weniger gehabt hat. Jetzt ist es so, dass eine Familie mit drei Kindern, die in der Sozialhilfe ist, 2 270 Euro bekommt. Nimmt einer der Partner einen Job mit 1 000 Euro netto an, dann wird diese Familie in Zukunft 2 621 Euro zur Verfügung haben, also: Arbeiten lohnt sich, der Wiedereinstiegsbonus hilft. Deswegen ist dies eine so wichtige Maßnahme. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir den Vermögenszugriff auf drei Jahre hinausgeschoben haben, um eben die Angst zu nehmen, dass bei der Sozialhilfe beziehungsweise wenn ich arbeiten gehe, gleich auf meine Eigentumswohnung oder mein Vermögen zugegriffen wird. Auch diesbezüglich setzen wir die richtigen Maßnahmen.
Es wird eben nicht wahrer, auch wenn Sie es hundertmal wiederholen, dass wir Kinder in die Armut bringen. Machen wir einen Faktencheck! Wie schaut es denn wirklich aus? – Einem Paar, einem Ehepaar mit drei Kindern werden in Zukunft 2 270 Euro netto zur Verfügung gestellt. Das ist ein Wert, der international seinen Vergleich sucht. Ich glaube, sagen zu können: Kein anderes Land auf der Welt bringt derartige Sätze zusammen. – Und da Herr Muchitsch gesagt hat, je mehr Kinder, umso weniger bekommt man, dann schauen wir uns an, was ein Paar mit vier Kindern bekommt.
Zuerst noch einmal zur Wiederholung: Ein Paar mit drei Kindern erhält 2 270 Euro, das Paar mit vier Kindern wird in Zukunft 2 548 Euro zur Verfügung haben, also deutlich mehr. (Abg. Muchitsch: Je mehr Kinder, desto niedriger die Zuschläge!) Das, was Sie hier zu uns sagen, ist also einfach nicht richtig, das, was Sie von sich geben. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Muchitsch und Abgeordneten der FPÖ.)
Was wir tun, ist, dass diese Sozialhilfe ein deutlicher Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit ist. Wir sorgen dafür, dass besonders armutsgefährdete Gruppen wie Alleinerzieherinnen oder Menschen mit Behinderungen deutlich mehr an Unterstützung bekommen werden. Wir wollen, dass alle, die arbeiten können, so rasch wie möglich eine Erwerbsarbeit aufnehmen. Das, meine Damen und Herren, ist nämlich gerecht gegenüber allen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Wer arbeitet, darf in diesem Land nicht der Dumme sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Abschließend an Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, gerichtet: Während Sie offensichtlich mit der Sozialistischen Jugend von Wiener Neustadt lieber den Geburtstag von Lenin feiern, beschließen wir ein Sozialhilfegesetz, das ein absolutes Mehr an Gerechtigkeit in diesem Land bringt. Wir stehen dazu! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Was hat das mit dem zu tun?! Ha, ha, ha! – Abg. Sieber – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Das ist nicht Ha-Ha!)
12.37
Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann August Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Abgeordneter Stöger hat erneut behauptet, dass ein Kind mit 1,50 Euro pro Tag das Auslangen finden muss. (Abg. Heinisch-Hosek: Das dritte Kind!) – Das ist unwahr.
Ich berichtige tatsächlich: Diese Situation bezieht sich auf den Satz von 5 Prozent, das sind 44 Euro, der beim dritten Kind vorgesehen ist. Insgesamt sind bei drei Kindern 398 Euro Sozialhilfe vorgesehen. Es steht im Gesetz, dass es auch bei minderjährigen Personen auf gleiche Teile aufzuteilen ist, das heißt, das sind 133 Euro. Dazu kommt die Familienbeihilfe mit 632 Euro. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist keine Berichtigung!) – Das ist eine Berichtigung! Ich halte das ausdrücklich auch als Klubobmann der Volkspartei fest: Das ist eine tatsächliche Berichtigung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Daher stehen dieser Familie 1 030 Euro für die drei Kinder zur Verfügung. Das sind über 340 Euro und pro Kind pro Tag 11,40 Euro. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
12.39
Präsidentin Doris Bures: Es gibt eine weitere tatsächliche Berichtigung. Herr Abgeordneter Josef Muchitsch hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Eine tatsächliche Berichtigung zum Redebeitrag des Kollegen Norbert Sieber: Er hat behauptet, ich hätte in meiner Rede angeführt: je mehr Kinder in einer Familie, desto weniger Geld.
Ich berichtige: Ich habe ganz klar ausgeführt, je mehr Kinder in einer Familie sind, desto niedriger sind die Zuschläge pro Kopf. Lesen Sie bitte Ihr Gesetz! Je mehr Kinder in einer Familie sind, desto geringer ist dieser Zuschlag pro Kind, pro Kopf. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Lesen Sie Ihr Gesetz und haben Sie den Mut, sich hierherzustellen und auch dazu zu stehen, was Sie in Ihr Gesetz hineingeschrieben haben! (Beifall bei der SPÖ.)
12.39
Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.
Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, danke, dass Sie der Diskussion zuhören und nicht tratschen oder mit Ihrem Handy spielen! Wir sind ja mittlerweile schon einiges gewohnt. Unsere Anforderungen an Minister und Ministerinnen sind schon so weit unten, dass man sich schon bedanken muss, wenn uns jemand zuhört. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Werte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich habe seit gestern Abend versucht, mich auf diese Diskussion vorzubereiten. (Zwischenruf des Abg.
Rosenkranz.) Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr sind Betroffenheit, Trauer und Wut übrig geblieben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das, was Sie hier heute als neue Sozialhilfe zur Abstimmung bringen, verdient diesen Namen nicht. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)
Frau Bundesministerin, werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, haben Sie jemals einer Mutter in die Augen geschaut, die ab dem 20. eines Monats nicht weiß, was sie kaufen, was sie kochen und welche Jause sie ihren Kindern mitgeben soll? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Haben Sie jemals in Ihren Sprechstunden Väter und Mütter gehabt, die gerade den Einkaufszettel vom Pädagogen bekommen haben, was die Kinder im kommenden Semester mitzubringen haben? (Abg. Bösch: Ja, das nach 20 Jahren SPÖ-Sozialministern!) Ich würde Ihnen einmal raten, mit diesen Menschen wirklich zu kommunizieren, denn ich glaube, das tun Sie nicht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rosenkranz und Schimanek.)
Eine Privilegierte nach der anderen kommt hier heraus und rechnet vor, was die Leute an Geld bekommen. (Abg. Rosenkranz: Es ist schon spannend, mit wie viel Meinung Sie zu wenig Ahnung haben! – Zwischenruf des Abg. Zarits.) Das ist ja unglaublich. Und Sie (in Richtung Bundesministerin Hartinger-Klein) haben sogar den Vorschlag von 150 Euro gemacht. (Beifall bei der SPÖ.) Wie kommt man zu so etwas? Da muss man schon – entschuldigen Sie den Ausdruck, ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann – ein bissl weltfremd sein. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.) Man kann doch nicht so privilegiert sein, dass man glaubt, man kommt mit 150 Euro im Monat aus. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein.)
Was Sie mit diesem Gesetz des Weiteren noch tun, ist, zu sagen, wenn jemand nicht Deutsch kann, bekommt er weniger – Frau Abgeordnete Graf hat das betont. Natürlich wollen wir auch, dass Menschen Deutsch sprechen. Wer will das nicht?! Eine Chuzpe ist es aber allemal, Kurse zu kürzen, die Budgets für Kurse zu kürzen und dann zu verlangen, dass sie weniger Geld bekommen, weil sie nicht Deutsch können.
Was Sie noch machen, ist, eine Institution, nämlich das Österreichische Sprachdiplom, zu zerschlagen, indem Sie ihnen das Recht zur Prüfungsabnahme verbieten. Das darf nun alles der Österreichische Integrationsfonds machen. Der ist gar nicht dazu in der Lage, weder mit seinen Einrichtungen noch mit seinen PrüferInnen oder sonst irgendetwas. Alle Macht wird im Österreichischen Integrationsfonds zentralisiert.
Als ich das beim Hearing gefragt habe, bekam ich die Antwort, das ist eine staatliche Prüfung, das ist wie beim Führerscheinkurs: Sprachkurse dürfen alle machen und das muss dann staatlich abgenommen werden. – Das würde dann bedeuten, dass in Österreich niemand mit einem internationalen Fahrschein (Abg. Wurm: Führerschein!) – Führerschein, danke! – fahren darf oder dass ein Pfleger oder eine Pflegerin, die ihre Ausbildung in Nürnberg, in München gemacht hat, in österreichischen Spitälern nicht arbeiten darf. Das stimmt doch gar nicht.
Warum zerschlagen Sie das Österreichische Sprachdiplom, das mit seinen 200 Einrichtungen international anerkannt ist und auf Initiative von Außenministerium, Wissenschaftsministerium und Sozialministerium gegründet worden ist? Warum tun Sie das?
Das Einzige, das das Österreichische Sprachdiplom eigentlich möchte – die sind übrigens dafür zertifiziert, solche Prüfungen abzunehmen, und haben einen Vertrag bis Mai 2021, das sind noch circa zwei Jahre –, ist, dass man ihnen das, was sie schon in der Hand haben, nämlich diesen Vertrag, nicht wegnimmt. Da werden 60 Arbeitsplätze in den Sand gesetzt; gratuliere! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
12.45
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ernst Gödl. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Neugestaltung der Mindestsicherung wird nun, wie es auch Kollege Loacker vorhin erwähnt hat, schon sehr lange in diesem Haus diskutiert, also seit über einem Jahr, seitdem die erste Grundsatzpunktation der Bundesregierung eingebracht wurde. Sie ist also tatsächlich ausführlich diskutiert worden.
Wie, glaube ich, alle Redner der Regierungsparteien klargestellt haben, geht es in keiner Weise um Einsparungen im System, sondern es geht vor allem darum, ein System gerechter aufzustellen. Es muss einfach klar sein, dass der, der in unserem Staat arbeiten geht und in ein Sozialsystem einzahlt, nicht der Dumme sein darf. Wer arbeiten geht, darf eben nicht der Dumme sein, sondern muss am Ende des Tages auch mehr zum Leben haben als der, der von der Solidargemeinschaft unterstützt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir haben das nun auch einer anderen Wortwahl ausgesetzt, denn in Zukunft heißt es nicht mehr Mindestsicherung, sondern Sozialhilfe. Das finde ich insofern richtig und wichtig, als mit dieser Unterstützungsleistung seitens des Staates für jedermann klargestellt sein soll: Es ist eine Hilfestellung. Hilfe heißt, dass jemand anderer jemandem in einer Notlage zur Seite steht und unter die Arme greift. Hilfe im Sinne unseres Sozialstaates heißt, dass jemand einen Geldbezug bekommt, den ja jemand anderer vorher einzahlen muss. Das Geld kommt ja bekanntlich nicht vom Himmel, sondern muss vorher von jemandem – von der Solidargemeinschaft – erwirtschaftet werden. Daher ist diese Umbenennung in Sozialhilfe durchaus richtig und rechtmäßig.
Natürlich stellen wir uns ganz stark die Frage der Gerechtigkeit. Wenn du, Beppo Muchitsch, sagst, wie das zu Hause in den Wahlkreisen ist, kommt mir das manchmal so vor – ah, nun ist er eh da, Beppo Muchitsch! –, als ob du nicht mehr bei deiner Bevölkerung und in deinem Wahlkreis unterwegs bist. Tatsächlich gab es nämlich schon in der Wahlbewegung zuvor, aber auch in den letzten Monaten und Jahren immer wieder den Hinweis aus der Bevölkerung an uns Volksvertreter: Wir haben da in manchen Bereichen kein ausbalanciertes, gerechtes System.
Vor einigen Wochen ist ein Bediensteter einer Sozialeinrichtung, der als Heimhelfer angestellt ist, zu mir gekommen, und hat sich – er hat gehört, welche hohen Sätze über die Mindestsicherung in Österreich ausbezahlt werden – darüber beschwert, dass er glaubt, dass er gar nicht mehr als das verdient, was er über den Sozialstaat erhalten könnte. Ich habe ihm gesagt, ich kann das so nicht sagen, aber wenn er bereit wäre, mir seinen Gehaltszettel zu bringen, könnte ich das verifizieren.
Er hat mir seinen Gehaltszettel gebracht. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Sein Gehaltszettel vom April 2019 – also ganz aktuell – besagt (aus einem Schriftstück vorlesend), er verdient als Heimhelfer in einer staatlichen Einrichtung bei voller Beschäftigung 1 903,80 Euro brutto. Davon muss er 325 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen abliefern und 134 Euro an Lohnsteuer bezahlen. Es bleiben ihm bei voller Beschäftigung in einer Einrichtung in Graz-Umgebung also 1 443 Euro übrig.
Dann habe ich nachgefragt, wie seine Familiensituation ist: Sie haben kleine Kinder (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Leichtfried) und die Frau ist in Teilzeit beschäftigt – sie verdient etwa 500, 600 Euro netto noch dazu. Das heißt, diese Familie mit Kindern hat circa 2 000 Euro netto monatlich zur Verfügung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Gleichzeitig habe ich hier einen ganz aktuellen Mindestsicherungsbescheid in der Hand (ein Schriftstück in die Höhe haltend). Der ist von jemandem aus meinem Bezirk, der nicht ganz weit weg von dieser ersten Person wohnhaft ist – also in einer anderen
Gemeinde. Diese Familie mit vier Kindern bekommt als monatliche Nettoleistung aus der Mindestsicherung – noch ohne weitere Sozialleistungen, ohne Familienbeihilfe und dergleichen – 1 939,22 Euro.
Allein an diesem Beispiel sehen Sie - - (Abg. Stöger: Wie gibt es das?) – Das sind die ganz richtigen Daten, das kann ich Ihnen alles beweisen. Allein an diesem Beispiel sehen Sie, dass da offensichtlich eine Schieflage besteht, nämlich auch deswegen (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil dieser arbeitende Mensch natürlich auch zu mir sagt, dass er ja gar nicht mehr verdiene, je mehr Kinder er habe.
Ich habe nun nachgefragt, wie das in der Steiermark ist – ich nehme an, in den anderen Bundesländern ist es nicht anders –, wenn man in einer Gemeinde angestellt ist. Wissen Sie, wie das mit der Kinderzulage ist? – Als Gemeindevertragsbediensteter bekommen Sie pro Kind – egal, wie viel Sie verdienen, egal, in welchem Einkommenssegment – 16,40 Euro als Zulage.
Genau diese Fakten müssen wir beachten (Zwischenruf bei der SPÖ), denn eines ist für den Sozialstaat fundamental wichtig, Herr ehemaliger Sozialminister Stöger: Es ist natürlich wichtig, dass der Sozialstaat Notlagen absichert, aber es ist ebenso wichtig, dass die, die in den Sozialstaat einzahlen, den Sozialstaat auch akzeptieren. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir brauchen eine breite Akzeptanz des Sozialstaates, denn nur dann können wir ihn absichern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir brauchen diese doppelte Fairness in einem Sozialstaat: jene unterstützen, die Unterstützung brauchen, aber auch die Fairness jenen gegenüber, die mit ihrer Leistung – mit ihrer Arbeitsleistung, mit ihrer Steuerleistung – in diesen Sozialstaat einzahlen.
Für mich ist es wichtig – für dich sollte das auch wichtig sein, lieber Beppo Muchitsch! –, dass ich, wenn jemand mit so einem Lohnzettel zu mir kommt (ein Schriftstück in die Höhe haltend), dieser Person mit ruhigem Gewissen in die Augen schauen und sagen kann (Zwischenruf des Abg. Muchitsch): Ja, es zahlt sich aus, dass du erwerbstätig bist! Ja, es zahlt sich aus, dass du in unseren Sozialstaat einzahlst (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Muchitsch), damit wir ein funktionierendes Sozialsystem haben! (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Mit diesem Gesetz kann ich ruhigen Gewissens jenen in die Augen schauen, die Hilfe benötigen, aber auch jenen, die in dieses System einzahlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Sehr gut!)
12.52
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Mag.a Selma Yildirim. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Zu den Ausführungen meines Vorredners von der ÖVP möchte ich bemerken: Es könnte natürlich eine Mietzinsobergrenze helfen, faire und gerechte Löhne könnten helfen und eine gerechte Steuerreform könnte dieser Familie, die Sie erwähnt haben, auch helfen. (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Änderungen des Statistikgesetzes. Sie wissen, mit diesen Änderungen soll sichergestellt werden, dass die Länder monatlich persönliche Daten von Sozialhilfebezieherinnen und -beziehern übermitteln. Gläsern sind wir ohnehin schon alle. Die Sozialministerin wird sich bei dieser Gesetzesänderung schon etwas gedacht haben – davon gehen wir einmal aus. Das Gesetz soll wohl – wie uns bei jeder Gelegenheit erklärt wird – dazu dienen, das österreichische Sozialhilfewesen aufrechtzuerhalten, und auch der wechselseitige Datenaustausch zwischen den Behörden soll sichergestellt werden – letzteres ist auf jeden
Fall eine sinnvolle Sache –, aber, sehr geehrte Damen und Herren, welche Aussagekraft hat dabei die Angabe von Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern von Sozialhilfeantragstellern und -antragstellerinnen? Welche statistische Relevanz haben die Staatsangehörigkeit und der Geburtsort der leiblichen Eltern eines Menschen, der in Not geraten ist? Was genau bezwecken Sie mit der Erhebung dieser Daten?
Daten, aus welchen die rassische und ethnische Herkunft hervorgehen, stellen nicht zu Unrecht sensible Daten dar, die ganz besonderen Schutz genießen. Haben Sie schon einmal etwas von der Datenschutz-Grundverordnung gehört? – Laut Artikel 9, sehr geehrte Damen und Herren, ist das grundsätzlich untersagt, mit der gegenständlichen Gesetzesänderung wird dieses Verbot aber umgangen.
Die Bundesstatistikanstalt soll Informationen über Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher in die Transparenzdatenbank übermitteln. Es geht um Steuergelder, und mit diesen ist sparsam umzugehen. Dazu dienen auch Erhebungen über – ich sage jetzt einfach – Transferleistungen. Jährlich werden jedoch auch Milliarden an Steuergeldern unter dem Titel Förderungen, Subventionen und Zuschüsse an Konzerne und an unterschiedlichste Personengruppen wie Landwirte und Landwirtinnen ausbezahlt. Dabei mag es sich durchaus um gute und sinnvolle Investitionen und Ausgaben handeln – wie jene zur Armutsbekämpfung –, aber warum werden dabei nur einzelne Teilbereiche herausgepickt und in die Transparenzdatenbank eingespeist?! Geldflüsse aus öffentlichen Mitteln sind sichtbar zu machen – dann aber alle!
Warum persönliche Merkmale von SozialhilfebezieherInnen bemerkenswerter sind als Geldflüsse an andere Personengruppen, ist für mich auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Auf den zweiten Blick könnte man einen Plan vermuten. Wann werden Sie aufhören, schwache Menschen zu stigmatisieren? Wann werden Sie aufhören, Menschen nicht zuletzt auch dadurch, dass bei manchen etwas öffentlich gemacht wird, was bei anderen unsichtbar bleibt, gegeneinander auszuspielen?
Nur eine völlige Transparenz in diesem Bereich würde es möglich machen, die Relation richtig zu erkennen. Wenn jedoch lediglich einseitig zum Zwecke der Stimmungsmache Daten offengelegt werden, geht damit heute ein Stück Anstand und Mitmenschlichkeit in Österreich verloren. (Beifall bei der SPÖ.) Dieses Land braucht aber mehr Anstand und Mitmenschlichkeit, sehr geehrte Damen und Herren. Bekämpfen wir die Armut und nicht die Armen!
An dieser Stelle möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsparteien kurz mitteilen, dass wir ihren Anträgen nicht aus dem Grund nicht zustimmen werden, weil wir sie für nicht sinnvoll halten, sondern weil wir einen Rückverweisungsantrag stellen werden – das ist der einzige Grund und sonst nichts. Alle Ihre Anträge sind legitim, aber wir sind der Meinung, das gehört grundsätzlich in die Ausschüsse zurück. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)
12.56
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Kollegin Yildirim, ich darf nur eine kleine Anmerkung machen: Die Geburtsdaten und Geburtsorte der Eltern der Sozialhilfeantragsteller werden seit vielen Jahren erhoben – eingeführt vom Herrn Minister Rudolf Hundstorfer – und sie sind selbstverständlich nirgendwo öffentlich zugänglich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Yildirim.)
Es ist alles zu diesem Gesetz gesagt, meine Damen und Herren. Dieses Gesetz ist in fast jeder Hinsicht eine Verbesserung gegenüber dem Istzustand. Es löst eine mit den Ländern geschlossene Artikel-15a-Vereinbarung ab und steckt nun einen klaren Grundgesetzrahmen. Es gibt den Ländern Möglichkeiten und Alternativen, aber eben in einem klaren Rahmen. Es wird zur Vereinheitlichung beitragen, es trägt zur Wiedereingliederung bei, es trägt hinsichtlich Sprache etwas zur Integration bei und es hilft denen, die es wirklich notwendig haben – Alleinerziehern und Behinderten –, denen, die tatsächlich Hilfe brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ich möchte an dieser Stelle doch noch einmal anhand eines Beispiels, das ein deutscher Kollege einmal ganz gut erläutert hat, den Unterschied zwischen deiner Sozialtheorie, Kollege Muchitsch, und meiner christlich-sozialen herausarbeiten, denn du hast an das Christlich-Soziale appelliert. Ich sage dir dann, was ich glaube, dass das Richtige ist. Ich nehme dafür das Beispiel des heiligen Martins, des späteren Bischofs von Tours. Dieser ist irgendwann einmal als Legionär in Richtung Frankreich geritten und hat an einer Straßenecke einen Hungernden und Frierenden gefunden. (Abg. Lindner: Das hast du im Bundesrat schon mal gemacht!) Er ist von seinem Pferd heruntergestiegen und hat seinen Mantel und seinen Proviant mit diesem geteilt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Lindner und Loacker.) Er hat den Hungernden und Frierenden stabilisiert, ihn vor dem Verhungern und Erfrieren gerettet. (Abg. Loacker: ... heiliger Nikolaus!) Dann ist er in die nächste Stadt weitergeritten und hat den Verantwortlichen ein wenig Geld gegeben, damit sie ihn holen. Diese haben ihn geholt und haben ihn wiederhergestellt. Er hat bis zu seinem Ende ein eigenbestimmtes Leben geführt.
Das ist das, was ich darunter verstehe. Dich, Kollege Muchitsch, kann ich fragen: Was hätte denn der heilige Martin getan, wenn er Sozialist gewesen wäre? – Er hätte den Mantel geteilt, er hätte den Proviant geteilt und er hätte das Pferd in der Mitte auseinandergeschlagen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Das Problem wäre, dass man sich vielleicht noch ein wenig am Pferdefleisch hätte laben und am erkaltenden Kadaver hätte wärmen können, am Ende des Tages aber beide gestorben wären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Was will ich: Will ich zwei Tote oder will ich zwei Lebende? (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) – Grüne haben wir hier nicht, aber vielleicht noch für den Kollegen Rossmann als Erinnerung: Wenn der heilige Martin ein Grüner gewesen wäre, hätte er gesagt: Um Gottes Willen, das arme Pferd!, und hätte versucht, das Pferd und den Mann zu tragen und wäre ebenso gescheitert. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ein Liberaler hätte den Mann am Boden nicht gesehen, weil für den nur Berittene zählen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ich, lieber Kollege Muchitsch - - (Abg. Loacker: ... wieder fertig!) – Oh, danke, Herr Kollege Loacker! Ich, lieber Kollege Muchitsch, habe mich ganz klar dafür entschieden, was ich will (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger): Ich will eine Sozialpolitik, die beide leben lässt, die zwei Lebende in Eigenverantwortung produziert, und nichts anderes. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)
12.59
Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Abgeordneter Fürlinger hat behauptet, Bundesminister Hundstorfer hätte die Regelung eingeführt, dass der Geburtsort der Eltern gemeldet werden muss. – Das ist unrichtig. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)
Richtig ist, dass Sie mit diesem Gesetz die Grundlage im Statistikgesetz dafür liefern. Es hätte schon eine Bestimmung im Statistikgesetz geben müssen, wenn er das gewollt hätte. Die hat es nicht gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)
13.01
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer persönlichen Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung hat sich noch einmal Herr Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte schön.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Abgeordneter Wurm hat in einer tatsächlichen Berichtigung gesagt, und ich repliziere darauf, ich hätte ihn - - (Abg. Schimanek: Das geht nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist meine persönliche Erwiderung. So. – Er sagte, er hätte gesagt, das sei das Ende des Sozialparadieses für aller Herren Länder.
Gott sei Dank gibt es moderne Technologien. Wir haben im Fernsehen nachgesehen, was er tatsächlich gesagt hat: „Dieses Gesetz wird der Anfang vom Ende von Österreich als Sozialstaat der ganzen Welt sein.“ (Oh-Rufe und Beifall bei der SPÖ.)
13.02
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Lindner zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur ÖVP: Ich würde mir wünschen, dass endlich wieder die ÖVP in dieses Haus einzieht, eine Partei, die – bei allen Fehlern – den Sozialstaat über Jahrzehnte hinweg mitaufgebaut hat. Heute gibt es nur eine Partei, die ihre christlich-sozialen Wurzeln auf ganzer Linie dem Opportunismus geopfert hat. Schämen Sie sich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben Obdachlosigkeit bekämpft, statt sie zu fördern, wir haben Menschen geholfen, statt ihnen etwas wegzunehmen. Wir haben Armut bekämpft. Jetzt ist diese Regierung auch noch stolz darauf, sie aktiv zu schaffen.
Dieses Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist fehlerhaft, es ist untauglich, es ist verfassungswidrig und es ist europarechtswidrig. Dieses Gesetz erzeugt Armut, meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist Müll! (Beifall bei der SPÖ.)
SOS Mitmensch hat heute gepostet, und ich zitiere: „25. April 2019. Tag der Schande. Parlament beschließt schlimmste Armutsverschärfung der Zweiten Republik.“ (Abg. Fürlinger: Das macht es nicht richtiger!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer schafft die Armut? Wer schafft die Armut? – Beate Hartinger-Klein schafft die Armut! August Wöginger schafft die Armut! Merkt euch das endlich einmal! (Abg. Wöginger: Was schreist du so?) Wenn ihr noch einen Funken von Anstand habt – wenn ihr noch einen Funken von Anstand habt! –, dann stimmt ihr diesem Gesetz nicht zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Der plärrt da herum!)
13.04
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die zentrale Aufgabe
eines Sozialstaates ist es, für Sicherheit zu sorgen, und dazu gehört auch die soziale Sicherheit. Mit diesem Gesetz ist aber die soziale Sicherheit in unserem Land gefährdet. Dieses Gesetz sieht keine Mindeststandards vor, sondern nur Höchstgrenzen. Das bedeutet: Weniger kann man immer auszahlen, aber man darf ja nicht über eine bestimmte Höchstgrenze kommen. Wir haben es heute schon gehört, wir brauchen 700 Euro zum Überleben. Das heißt, Sie nehmen den Menschen mit diesem Gesetz das Mindestmaß an sozialer Unterstützung, das Überlebensnotwendige, das Existenzminimum weg. Und das Ganze in einem der reichsten Länder der Welt! (Beifall bei JETZT.)
Mit diesem Gesetz gefährden Sie nicht nur die soziale Sicherheit, Sie verstärken auch durch die Spaltung der Gesellschaft die Unsicherheit im Land. Diejenigen, die keinen Pflichtschulabschluss oder schlechte Deutschkenntnisse haben, bekommen 300 Euro weniger, als sie zum Überleben bräuchten. Das betrifft vor allem Frauen und Kinder. Brauchen denn diese Familien und diese Frauen weniger zum Essen? Brauchen sie weniger Kleidung? Brauchen diese Kinder weniger Schulsachen? Brauchen sie keine Wohnung?
Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz schaffen Sie das Mindestmaß ab, und das betrifft sehr viele Frauen und sehr viele Kinder. Es betrifft auch jene Frauen, die Aufstockerinnen sind, das heißt jene, die arbeiten und trotzdem zu wenig verdienen, um das Mindestmaß, das Existenzminimum überhaupt zu erreichen. Die bekommen auch weniger. (Abg. Fürlinger: Nicht weniger! Gleich viel!)
Zu den Aufstockerinnen gehören auch Personen, die nur schlecht Deutsch sprechen. Dazu gehören Frauen, die schlecht Deutsch sprechen und in Branchen arbeiten, in denen sie generell wenig verdienen, zum Beispiel Reinigungsfachkräfte. Wenn sie um 6 Uhr in der Früh in der Arbeit sind und sich am Nachmittag um die Kinder kümmern sollen, wann sollen sie dann den Deutschkurs machen?
Ich gebe Ihnen schon recht: Deutsch ist wichtig, Deutsch ist die Eintrittskarte in unsere Gesellschaft. Wenn wir mit diesem Gesetz aber die Möglichkeit streichen, dass Deutschkurse absolviert und Deutschprüfungen auch bei anderen vom ÖIF, vom Integrationsfonds, zertifizierten Instituten abgelegt werden können, dann verhindern wir, dass Deutschprüfungen abgelegt werden können. Das ÖSD, das Österreichische Sprachdiplom Deutsch erleidet sowohl einen Imageschaden als auch einen wirtschaftlichen Schaden. Das Österreichische Sprachdiplom Deutsch hat letztes Jahr über 1 Million Euro investiert, um sich vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizieren zu lassen und damit die Möglichkeit zu schaffen, dass Deutschprüfungen auch beim ÖSD abgelegt werden können.
Die Streichung in diesem Gesetz führt zu Folgendem: Alle Deutschprüfungen konzentrieren sich beim ÖIF. Dadurch wird es sehr wohl zu Engpässen beim ÖIF kommen. Das führt dann auch dazu, dass Personen, die Deutschprüfungen ablegen wollen, teilweise bis zu einem Jahr auf einen Termin warten müssen, und in diesem Jahr bekommen sie weniger Sozialhilfe, nämlich um 300 Euro weniger. In dem Jahr werden sie eben nicht das Existenzminimum bekommen können. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Lindner.)
Um diese Engpässe zu verhindern und zu garantieren, dass Personen auch tatsächlich Deutschprüfungen ablegen können, bringen wir heute folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass die schon bisher vom ÖIF zertifizierten Sprachinstitute, wie das ÖSD, für die Abnahme der nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und dem Integrationsgesetz erforderlichen Deutschprüfungen (auch weiterhin) zugelassen werden.“
*****
Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)
13.09
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (514 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-lntG) geändert werden (588 d.B.).
Begründung
Der Entwurf für das neue Sozialhilfe-Grundsatzgesetz enthielt in der Begutachtungsphase bezüglich des vorzulegenden Nachweises der Sprachkenntnisse noch die fett markierte Passage: „Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) bzw. einer ÖIF anerkannten Bildungseinrichtung“. Da die Einrichtung „Österreichisches Sprachdiplom Deutsch“ (ÖSD) erst vor nicht ganz einem Jahr in einem sehr aufwendigen Akkreditierungsprozess vom ÖIF zertifiziert wurde, fand sie sich in dieser Formulierung auch wieder. In der inzwischen vom Ministerrat beschlossenen Fassung des Sozialhilfe-Gesetzes wurde nun nicht nur dieser Zusatz ersatzlos gestrichen, sondern es wurde auch das Integrationsgesetz in diese Richtung - ebenso nach der Begutachtungsfrist - verändert. Somit hatte weder das ÖSD selbst noch die ca. 100 betroffenen ÖSD-lizenzierten Sprachschulen und Kursanbieter, deren Teilnehmende auf die ÖSD-Prüfungen vorbereitet werden, die Möglichkeit rechtzeitig Stellung zu nehmen. Die Prüfungen des ÖSD auf B1 sind in Bezug auf Sprachniveau, Prüfungsinhalte und Durchführung komplett gleich wie die Prüfungen des ÖIF. Sie sind noch bis Ende Mai 2021 für die Erlangung von Daueraufenthalt oder Staatsbürgerschaft (vgl. Modul 2 der Integrationsvereinbarung) anerkannt. Nach dem aktuellen Entwurf des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes wären für die Beantragung der vollen Sozialhilfe als Sprachnachweis aber nur noch ÖIF-Zertifikate anerkannt. Das führt zu einem unerklärlichen sachlichen Widerspruch, da die ÖSD-Prüfungen für die österreichische Staatsbürgerschaft anerkannt wären, aber nicht für die Beantragung der Sozialhilfe.
Die Integrationsprüfungen des ÖSD wurden im Zuge eines strengen und sehr aufwendigen Zertifizierungsverfahren vom ÖIF selbst erst Ende Mai 2018 auf drei Jahre als gleichwertige Sprachnachweise zertifiziert. Die Durchführung der ÖSD-Integrations-
prüfung ist vollständig an die Integrationsprüfung des ÖIF angepasst sowie an strengste Vorgaben gebunden und wird durch den ÖIF qualitativ regelmäßig evaluiert. Nur vom ÖIF zertifizierte Prüfungseinrichtungen sind für die Durchführung von ÖSD-Integrationsprüfungen zugelassen, alle Prüfenden sind vom ÖIF zertifizierte Lehrkräfte. Die Forderung nach einheitlichen Qualitätsstandards wird also durch die geltende Rechtslage bereits ausreichend erfüllt. ÖSD-Prüfungen sind international anerkannt und akkreditiert (z.B. ALTE). Allein diese ALTE-Akkreditierung erfordert noch strengere Qualitätskriterien, die das ÖSD ebenfalls nachweislich erfüllt.
Im Vergleich zu den im Gesetz alternativ erwähnten nicht standardisierten Spracheinstufungsbestätigungen sind standardisierte Prüfungen wie die des ÖSD wesentlich aussagekräftiger.
Aus oben genannten Gründen ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb durch die alleinige Prüfungsdurchführung des ÖIF das Missbrauchsrisiko minimiert werden sollte. Weder in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf finden sich Hinweise über festgestellte Qualitätsmängel oder Missbräuche, noch gibt es generell Nachweise dafür, dass bei ÖSD-Prüfungen ein höheres Missbrauchsrisiko gegeben sein könnte als bei den ÖIF-Prüfungen. Der behördliche Aufwand bei der Überprüfung von TeilnehmerInnendaten ist durch eine im Sommer 2018 eigens erstellte Schnittstelle zwischen ÖSD und ÖIF, wodurch alle erforderlichen Teilnehmer-Daten vom ÖSD direkt in die Datenbank des ÖIF eingespeist werden, nicht größer.
Da das ÖSD komplett eigenfinanziert arbeitet, fallen dem Staat bzw. dem Steuerzahler für die Abwicklung der ÖSD-Prüfungen keine (zusätzlichen) Kosten an. Käme es zu einer Übergangslösung, könnte das ÖSD den ÖIF langfristig auch im Bereich der TestersteIlung unterstützen und damit helfen, Kosten und Ressourcen sowohl in der TestersteIlung als auch bzgl. der „Austrifizierung“ einzusparen. Derzeit kauft der ÖIF die Tests bei einer deutschen Firma ein und „austrifiziert“ sie dann erst für den österreichischen Kontext.
Wenn das ÖSD seine Tätigkeit beenden muss,
- sind die Arbeitsplätze von derzeit 56 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen sowie von etlichen freiberuflich Lehrenden und Prüfenden gefährdet,
- erleiden auch Prüfungs- und Sprachzentren im Ausland, wie z.B. Österreich-Institute, österreichische Kulturforen, Universitäten mit Österreich-Bezug (Österreich-Bibliotheken), österreichische Auslandsschulen, sonstige Sprachzentren einen hohen wirtschaftlichen und ideellen Schaden (Prestige),
- müssten diese Sprachzentren ihre Kursteilnehmenden wieder zu Prüfungsanbietern aus Deutschland (Goethe-Institut, telc GmbH) schicken, deren Prüfungen ausschließlich Deutschland-orientiert sind,
- würde die 25-jährige Aufbauarbeit bzw. Erfolgsgeschichte einer sich selbst tragenden (also ohne öffentliche Mittel auskommenden) Bildungseinrichtung zunichte gemacht werden und international anerkanntes fachliches Know-how I Fachexpertise verloren gehen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äu-
ßeres, wird aufgefordert, sicher zu stellen, dass die schon bisher vom ÖIF zertifizierten Sprachinstitute, wie das ÖSD, für die Abnahme der nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und dem Integrationsgesetz erforderlichen Deutschprüfungen (auch weiterhin) zugelassen werden.
*****
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.
Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bißmann zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Ministerin! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Fürs Erste möchte ich mich ganz herzlich für die überparteiliche Solidarität bedanken, die mir hier heute entgegengebracht wird. – Vielen Dank dafür!
Eine Reform hat immer zum Ziel, einen Zustand zu verbessern. Bei der Reform der Mindestsicherung sollte ja das Ziel sein, die Kinder- und Altersarmut in Österreich zu bekämpfen, den sozialen Frieden im Land zu sichern und zu stärken, das verfassungsmäßig verbriefte Recht der Mensch in Österreich auf ein menschenwürdiges Leben in Anwendung zu bringen. Besorgte Stimmen darüber, dass die Reform der Mindestsicherung die Armut nicht verringert, sondern verschärft, sind zahlreich. Es besteht Sorge über eine Reform, die den Armen die Würde nimmt und nicht gibt.
Es beginnt schon bei der Bezeichnung. Ich bin Bezieherin von Mindestsicherung, das impliziert, dass ich in einem Land lebe, in dem jeder Mensch das Grundrecht darauf hat, abgesichert zu sein. Ich bin Sozialhilfeempfänger, das nimmt den Betroffenen den letzten Rest von Würde. Wir leben also in einem Land, das die Sozialhilfe wieder einführt – und das in einer Zeit, in der ein Land nach dem anderen weltweit das bedingungslose Grundeinkommen erforscht und einführen will. (Abg. Fürlinger: Und abschafft!) Da ist sich die Mehrheit der Zukunftsforscher weltweit einig, dass das richtig ist, auch in Österreich. (Abg. Fürlinger: Und wieder abschafft!)
Ich bitte Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, der christlich-sozialen Partei Österreichs! Lieber Herr Rosenkranz! Besinnen Sie sich auf Ihre christlich-sozialen Werte, bleiben Sie bei den Menschen im Land, zeigen Sie Herz und Verstand! (Abg. Rosenkranz: Herz und Verstand, ja gerne! Aber christlich-sozial? Die kennt sich nicht aus im politischen Spektrum!)
Alexander Pollak von SOS Mitmensch hat aus Anlass der heute anstehenden Abstimmung über die Sozialhilfe Neu an die Abgeordneten im Parlament zehn Fragen übermittelt, die ich verlesen möchte. Die Antwort auf alle Fragen ist ein Wort: Niemandem! (Die Rednerin hält ein Blatt mit der Aufschrift „#niemandem“ in die Höhe und stellt es dann vor sich auf das Rednerpult.)
Erste Frage: „Wem geht es besser, wenn armutsbetroffene Kinder“ – ab dem dritten Kind – „um bis zu 80 Prozent weniger Sozialhilfe als bisher erhalten?“
Zweite Frage: „Wem geht es besser, wenn vorwiegend ältere Personen, die längerfristig keine Chance auf Arbeit haben, um 1.170 Euro weniger pro Jahr erhalten, weil ihnen Sonderzahlungen gestrichen werden?“
Dritte Frage: „Wem geht es besser, wenn Arbeitende mit geringem Einkommen nicht mehr auf die bisherige Höhe der Mindestsicherung aufstocken können und dadurch genauso einen Verlust wie Menschen ohne Erwerbsarbeit?“
Vierte Frage: „Wem geht es besser, wenn es in der ,Sozialhilfe neu‘ keine einheitlichen Untergrenzen und keine Mindeststandards mehr für ein menschenwürdiges Leben gibt?“
Fünfte Frage: „Wem geht es besser, wenn auch Menschen mit Behinderung von Kürzungen betroffen sind und nur dann einen Bonus erhalten, wenn der Grad der Behinderung 50 Prozent übersteigt?“
Sechste Frage: „Wem geht es besser, wenn Frauen, Männer und Kinder, die nicht Deutsch auf Maturaniveau der zweiten Fremdsprache beherrschen, für viele Monate, Jahre oder – wenn sie älter sind und Lernschwächen haben – auf Dauer in tiefste Armut verbannt werden?“
Siebente Frage: „Wem geht es besser, wenn Frauen, Männer und Kinder, denen in ihrem Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben droht, gänzlich von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden, wenn sie subsidiären Schutz erhalten haben?“
Achte Frage: „Wem geht es besser, wenn Personen die in Erwachsenen-Wohngemeinschaften leben, drastische Einbußen bei der Sozialhilfe erleiden?“
Neunte Frage: „Wem geht es besser, wenn durch die vielen neuen Schikanen die Bürokratie in Österreich aufgebläht und verteuert wird?“
Zehnte Frage: „Wem in Österreich geht es besser, wenn es vielen im Land schlechter geht, wenn es mehr Unsicherheit und tiefere Armut gibt und die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergerissen wird?“
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich frage Sie nun: Wenn niemand der Betroffenen profitiert, wer profitiert eigentlich von den Kürzungen im Sozialbereich? Es muss irgendwo einen versteckten Honigtopf geben, von dem jemand weiß, wo er ist. Frau Bundesministerin, Sie müssten am besten wissen, wo dieser ist, und wer in den Honigtopf greift, der schleckt sich auch die Finger ab, das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich habe heute Rosen als Trost für ein Missgeschick bekommen, das mir gestern passiert ist. Ich möchte Ihnen nun eine dieser Rosen geben Frau Ministerin, damit Ihnen dieses Missgeschick nicht passiert, denn die Regierung droht mit dieser Reform der Mindestsicherung zu stolpern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Bißmann überreicht Bundesministerin Hartinger-Klein eine Rose.)
13.14
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Bißmann hat vorhin an meine christlich-soziale Wurzel und Einstellung appelliert.
Ich möchte tatsächlich berichtigen: Ich bin nicht Mitglied der Österreichischen Volkspartei, die nach ihrer geschichtlichen Wurzel christlich-sozial ist, was ich im Rahmen des demokratischen Spektrums ja äußerst schätze, sondern ich komme aus der Wurzel des Dritten Lagers, des sogenannten national-freiheitlichen, und ich finde mich in der sozialen Heimatpartei. Daran können Sie auch appellieren. Selbstverständlich bin ich Christ, römisch-katholisch, und das gerne. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
13.15
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dönmez. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe jetzt sehr, sehr lange überlegt, ob ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort melden soll, und vor allem auch – und das ist ja das Schöne des freien Mandats, selbst darüber entscheiden zu können –, wie ich abstimmen werde.
In meinem Herzen finden sich zwei Regungen. Ich habe so wie viele von uns ein Menschenbild, das ich nach Worten Immanuel Kants so wiedergeben möchte: Wenn wir glücklich sind, dann denken wir nicht an Elend, wenn Licht ist, denken wir nicht an Dunkelheit, und wenn es uns gut geht und wir Wohlbefinden fühlen, dann denken wir nicht an das Schlechte oder an Schmerz. – Ich wünsche niemandem von uns, dass es ihm einmal schlecht geht, dass er Schmerz verspürt oder in Armut verfällt. Das ist sicherlich nicht lustig und auch nicht selbst gewählt.
Andererseits weiß ich, dass diese gute Grundhaltung, dieser soziale Staat, den wir haben, von manchen Menschen auch ausgenutzt wird. Viele meiner Vorredner haben heute hier an dieser Stelle gesagt, dass insbesondere die Zuwanderung von Ausländern ins Sozialsystem vermieden werden soll, was eben auch als Ausländerfeindlichkeit interpretiert wird.
Ich sage Ihnen eines: Ich habe diese Woche mit einem Unternehmer aus Wien gesprochen. Er ist Gastronom. Er hat in Wien 20 Filialen, in denen er Speisen und Getränke anbietet. Er ist türkischstämmig. Er hat ungefähr 200 Mitarbeiter, die meisten stammen auch aus der Türkei, kurdischstämmig, und es sind auch einige Syrer darunter. Wissen Sie, was er mir gesagt hat? – Seine Mitarbeiter verdienen Vollzeit 1 500 Euro netto, und er findet nur ganz schwer Mitarbeiter. Manche, die Vollzeit angemeldet sind, kommen zu ihm und sagen, er soll sie doch mit maximal 800 Euro oder sogar noch weniger, geringfügig anmelden, damit sie gewisse Leistungen nicht verlieren. Das kann es doch nicht sein!
Aus beiden Lagern, sowohl von der Sozialdemokratie, aber auch aus der FPÖ und der ÖVP, sind viele richtige Argumente gekommen. Ich sage Ihnen aber eines: Der beste Schutz vor Armut ist nach wie vor die Bildung und der soziale Aufstieg. Darum ist es auch nicht wurscht und nebensächlich, zu erheben, welchen Bildungsstand die Eltern haben und woher sie kommen, um zu wissen, ob es über die Generationen hinweg einen Aufstieg gibt. Der soziale Aufstieg wird sehr schwer sein, wenn es pro Jahr 15 000 Schulabbrecher gibt.
In den nächsten Jahren – das wissen alle hier in diesem Saal – wird in der Arbeitswelt kein Stein auf dem anderen bleiben. Durch die Digitalisierung und die Industrie 4.0 werden viele Tätigkeiten durch Maschinen und Roboter ausgeführt werden. Es entstehen aber andererseits natürlich auch wieder neue Jobmöglichkeiten, aber nicht mehr in dieser Hülle und Fülle. Wir leben gerade in einer Zeit, in der viele Bereiche der Produktion in Billiglohnländer exportiert worden sind. Das heißt, hier in Österreich wird der Druck auf jene, die eine schlechte Schulausbildung haben, die schlechte Deutschkenntnisse haben, die kaum einen Hauptschulabschluss haben, noch mehr steigen. Daher ist es wichtig, dass wir massiv auf Bildung setzen, wenn wir Armut vermeiden möchten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Auch ich habe zwei Kinder im Schulalter. In diese Klasse wurden vier oder fünf Flüchtlingskinder reingesetzt. (Abg. Friedl: ... Alleinerziehende!) – Auch Kinder von Alleinerziehenden sind in dieser Schule, in dieser Klasse. In dieser Klasse fahren alle Kinder auf einen Schulausflug mit, da wird keines zurückgelassen, und alle Kinder haben genauso wie meine Kinder auch einen Schulrucksack und die Schulsachen, die sie benö-
tigen, mit dabei, weil sie diese bekommen, weil wir auf Landesebene Unterstützungen haben oder auch vom Elternverein aus jenen, die sozial und finanziell schwächer sind, unter die Arme greifen.
Wir lassen niemanden zurück, und das ist wichtig, im Kleinen und auch für einen Staat. Es ist aber auch wichtig, dass wir diesen Sozialstaat erhalten, daher verstehe ich, dass da gegengesteuert werden muss. Ich muss aber ehrlich sagen, dass sehr viel davon abhängt, welches Menschenbild und welche persönlichen Zugänge man hat.
Ich bin in einem meiner Grundberufe Sozialarbeiter und ich tue mir jetzt sehr, sehr schwer. Ich habe jetzt lange überlegt, wie ich abstimmen soll ...
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich kann Ihnen leider nur noch ein kurzes Schlusswort erlauben, dann ist Ihre Redezeit erschöpft.
Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (fortsetzend): Schlusssatz: Ich werde dieser Gesetzesvorlage dieses Mal leider nicht meine Stimme geben. – Danke. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Friedl.)
13.21
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.
Wünschen die Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Zu Tagesordnungspunkt 1 liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen vor.
Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 588 der Beilagen nochmals an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zu verweisen.
Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft geändert werden in 588 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Wöginger, Dr. Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Wöginger, Dr. Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Änderung des Titels, Änderungen in Artikel 1 sowie eine Streichung in der Anlage zu Artikel 2 eingebracht.
Wer hiezu die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.
Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.
Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich die amtlichen Stimmzettel verwendet werden.
Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellten Urne zu werfen. (Unruhe im Saal. – Präsidentin Kitzmüller gibt das Glockenzeichen.) – Bitte um Ruhe, meine Damen und Herren!
Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte achten Sie darauf, nur einen Stimmzettel einzuwerfen!
Ich bitte nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Zanger, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird ihn später dabei ablösen. – Bitte sehr.
*****
(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Zanger und Gahr werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Wahlurne.)
*****
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die Stimmabgabe ist beendet.
Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vornehmen.
Zu diesem Zweck unterbreche ich die Sitzung für einige Minuten.
*****
(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 13.30 Uhr unterbrochen und um 13.36 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine sehr geehrten Abgeordneten! Ich nehme die unterbrochene Sitzung nun wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.
Abgegebene Stimmen: 171; davon „Ja“-Stimmen: 107, „Nein“-Stimmen: 64.
Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.
Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:
Amesbauer, Amon Werner, Angerer;
Baumgartner, Belakowitsch Dagmar, Berger, Berlakovich Nikolaus, Bösch, Brückl;
Deimek, Diesner-Wais;
Engelberg, Eßl;
Fichtinger Angela, Fürlinger, Fürst;
Gahr, Gerstl, Gerstner, Gödl, Graf Martin, Graf Tanja, Großbauer, Grünberg, Gudenus;
Hafenecker, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hauser, Herbert, Himmelbauer, Höbart, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Hörl;
Jachs, Jeitler-Cincelli, Jenewein;
Kainz, Kassegger, Kaufmann, Kirchbaumer, Kitzmüller, Klinger Wolfgang, Kopf, Kugler Gudrun, Kühberger Andreas, Kumpitsch, Kuss-Bergner Angelika;
Lasar, Lausch, Lettenbichler, Linder Maximilian, Lindinger, Lintl, Lopatka, Lugar Robert;
Mahrer, Marchetti, Mölzer, Mühlberghuber;
Nehammer, Neubauer, Niss Maria Theresia;
Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;
Pewny, Pfurtscheller, Plakolm, Povysil, Prinz;
Rädler, Ragger, Rauch, Reifenberger, Riemer, Rosenberger, Rosenkranz;
Salzmann, Schandor, Schartel, Schimanek, Schmidhofer Karl, Schmiedlechner Peter, Schmuckenschlager, Schrangl, Schwarz, Sieber Norbert, Singer Johann, Smolle, Sobotka, Stark, Stefan, Steger Petra, Steinacker, Strasser;
Taschner, Tschank;
Wagner, Wassermann, Weidinger, Wöginger, Wurm;
Zanger Wolfgang, Zarits Christoph.
Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:
Androsch, Antoni;
Bayr, Becher Ruth, Bernhard, Bißmann, Bures;
Cox;
Dönmez, Doppelbauer, Drozda Thomas, Duzdar Muna;
Ecker, Einwallner, Erasim;
Feichtinger Elisabeth, Feichtinger Klaus Uwe, Friedl;
Gamon Claudia, Greiner Karin, Griss Irmgard, Gruber;
Hammerschmid, Heinisch-Hosek, Hochstetter-Lackner, Holzinger-Vogtenhuber, Holzleitner, Hoyos-Trauttmansdorff;
Knes, Kollross, Kovacevic, Krainer Kai Jan, Krisper, Krist Hermann, Kucharowits K., Kucher Philip, Kuntzl;
Laimer, Leichtfried, Lindner Mario, Loacker, Lueger Angela;
Margreiter, Muchitsch;
Noll;
Pilz, Plessl, Preiner Erwin;
Rendi-Wagner, Rossmann;
Sandler, Schatz, Schellhorn, Schieder, Stöger Alois;
Troch;
Unterrainer;
Vogl;
Wimmer Petra, Wittmann;
Yildirim, Yılmaz;
Zadić Alma, Zinggl.
*****
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir haben noch weitere Abstimmungen durchzuführen. (Abg. Sobotka steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesministerin Hartinger-Klein.) – Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Sobotka begibt sich zu seinem Sitzplatz.) – Danke schön.
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einhaltung der Bestimmungen der UN-Konventionen zu Kinderrechten und Behindertenrechten im Rahmen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung der ÖSD-Spracheinstufungs-Zertifikate“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 589 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 590 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht in 591 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (557 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird sowie
über den Gesetzesantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen (496 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (565 d.B.)
6. Punkt
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (558 d.B.): Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (566 d.B.)
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte schön.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! Vor rund zwei Monaten hat die SPÖ im Bundesrat gegen ein schlechtes Gesetz von ÖVP und FPÖ gestimmt. (Abg. Eßl: Ein gutes Gesetz!) Dieses Gesetz war intransparent, dieses Gesetz hat für Anlagenbetreiber und -betreiberinnen Unsicherheiten gebracht. Es wäre politisch verantwortungslos gewesen, da mitzugehen. (Abg. Haubner: Glauben Sie das selber?) Immerhin geht es um 150 Millionen Euro, die die Stromkunden und Stromkundinnen aus ihren Ökostrombeiträgen finanziert hätten.
Frau Ministerin, anstatt auf unsere Kritik einzugehen, hat Ihre Partei, die ÖVP, im ganzen Land diffamierende Unwahrheiten von wegen Atomstrom in Österreich plakatiert (Abg. Haubner: Das ist die Folge! – Zwischenruf des Abg. Eßl) und nur mit Schuldzuweisungen reagiert. Auch von Ihrer Seite, Frau Ministerin, kommen jedes Mal, wenn Sie hier zu diesem Thema sprechen, nur Schuldzuweisungen und Vorwürfe, auch zuletzt im Ausschuss. (Abg. Haubner: Sie haben keine Argumente gehabt!) Ich möchte Ihnen ganz offen und ehrlich sagen, ich finde es mittlerweile peinlich, dass in diesem Zusammenhang von Ihnen hier jedes Mal nur Vorwürfe und Schuldzuweisungen kommen und überhaupt nicht die Bereitschaft da ist, die Kritik von unserer Seite zu sehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich finde das, was in der letzten Ausschusssitzung passiert ist, so wie Sie sich verhalten haben, einer Ministerin unwürdig. Frau Ministerin, in Wirklichkeit haben Sie die demokratische Entscheidung des Bundesrates nicht respektiert, Sie haben sich über diese demokratische Entscheidung hinweggesetzt. Anstatt neuerlich mit der größten Oppositionspartei zu verhandeln, sind Sie den politischen Irrweg dieses heute vorliegenden Grundsatzgesetzes gegangen.
Für mich verdient dieses Grundsatzgesetz mehr die Bezeichnung Biomasseschlamassel als den Namen Biomasse-Grundsatzgesetz. Ich sage Ihnen, warum: Erstens einmal schieben Sie die gesamte politische Verantwortung auf die neun Bundesländer ab. Jetzt, da es unangenehm geworden ist, entziehen Sie sich Ihrer Verantwortung. (Abg. Haubner: Sie hätten ja zustimmen können, dann wäre es anders gekommen! – Abg. Prinz: Nein, jetzt müssen die Roten ...!)
Zweitens machen Sie aus 47 Biomasseanlagen eine Staatsaffäre.
Drittens brauchen wir nun zehn Gesetze statt nur mehr einem Gesetz.
Viertens braucht es nun ein EU-beihilferechtliches Verfahren, auch wenn Sie behaupten, das wäre nicht der Fall. Ich kann Ihnen nur nahelegen, einmal die Stellungnahmen
der Länder zu lesen, die von der ÖVP geführt werden. Die weisen nämlich genau darauf hin. – So viel dazu, dass Sie immer behaupten, dass wir da eine rasche Lösung bräuchten. Wir wissen ganz genau, wie lange solche Verfahren dauern.
Fünftens sind die Länder nun gezwungen, eigene Abgaben einzuführen. Schön, dass Sie sich mit einer Köstinger-Steuer verewigen. Diese Köstinger-Steuer wird je nach Bundesland unterschiedlich ausfallen, und es ist eigentlich überhaupt nicht einzusehen, dass ein burgenländischer Haushalt fast dreißigmal so viel zahlen soll wie ein Haushalt in Tirol, weil natürlich der Bedarf an Biomasseanlagen ganz unterschiedlich ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Summa summarum belastet man damit zusätzlich alle österreichischen Bürger und Bürgerinnen. Und das alles nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil Sie nicht bereit waren, mit der größten Oppositionspartei zu reden. (Abg. Haubner: Das ist ein Märchen! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn. – Abg. Eßl: Was ist Ihr Vorschlag? Was ist Ihr Vorschlag?) Deshalb gehen Sie einen mühsamen Weg, der sehr viel Rechtsunsicherheit bringt, nämlich für die Anlagenbetreiber und -betreiberinnen. (Abg. Haubner: Märchenstunde! – Abg. Eßl: Was ist der Vorschlag der SPÖ? Vorschlag!)
Frau Ministerin, Sie beschäftigten auch in puncto Grundsatzgesetz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, stattdessen sollten wir uns in Wirklichkeit dem großen Ganzen im Energiebereich zuwenden, und daher interessiert mich in diesem Zusammenhang sehr wohl, wie es denn jetzt mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ausschaut. Wo ist der Entwurf, auf den ich und auf den wir schon seit Monaten warten?
Tatsächlich gibt es eine Entwicklung, die ich unheimlich besorgniserregend finde: Wenn es darum geht, das Klima in unserem Land zu schützen, dann ist es so, Frau Ministerin, dass laut den Berechnungen Ihrer Experten und Expertinnen Österreich Strafzahlungen in Milliardenhöhe drohen werden, wenn wir unsere Klimaziele 2030 nicht erreichen. (Abg. Eßl: Dann stimmt zu!) Derzeit schaut es aber definitiv so aus, dass wir die Ziele nicht erreichen werden, und ich sage Ihnen nur das Stichwort Tempo 140, bei dem Sie als Umweltministerin Monate gebraucht haben, um zu widersprechen.
Wenn wir nämlich jetzt nicht rechtzeitig in Klimaschutz investieren, wenn wir nicht alles unternehmen, dann werden wir in Österreich am Ende draufzahlen (Abg. Kassegger: Deswegen schalten Sie die Biomassekraftwerke ab! – Zwischenruf des Abg. Eßl), und dann werden Sie auch Ihr heiliges Nulldefizit nicht erreichen.
Frau Ministerin, zum Abschluss: Fotoaktionen und PR-Gags, auch Fotos mit Arnold Schwarzenegger, werden keine CO2-Emissionen einsparen, und daher fordere ich Sie nochmals auf, endlich wirkliche Maßnahmen für eine aktive Klimapolitik umzusetzen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: So eine schlechte Rede habe ich schon lange nicht mehr gehört! – Abg. Haubner: Ein Wahnsinn! Kein Vorschlag, nichts!)
13.45
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lettenbichler. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin hat die ZuhörerInnen und ZuschauerInnen hier und zu Hause wohl etwas ratlos zurückgelassen.
Wir haben von Ihnen im Ausschuss und in verschiedenen anderen Debatten, sei es im Bundesrat oder im Nationalrat, immer nur gehört, was Sie nicht wollen, aber Sie haben nie gesagt, was Sie wollen. Das passt leider, ich muss es so sagen, in das Bild, das Sie nicht nur heute und gestern, sondern in den vergangenen Wochen abgegeben ha-
ben. Ihnen von der SPÖ geht es nur um Fundamentalopposition. Sie haben heute wirklich kein einziges Argument vorgebracht, warum Sie dagegen sind. Wir geben Ihnen heute die zweite Chance, dass Sie hier zustimmen, aber Sie sagen nur njet – Oppositionspolitik sieht anders aus. Sie betreiben Fundamentalopposition zum Nachteil der Bevölkerung, zum Nachteil dieser Biomasseanlagen, und das ist nicht richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ich glaube, ich muss jetzt ein wenig aufklären, weil Sie zur Genese dieses Gesetzes ja rein gar nichts gesagt haben. Sie beschweren sich, welchen Weg wir jetzt gegangen sind, doch Sie hätten sowohl im Nationalrat und in weiterer Folge auch im Bundesrat die Chance gehabt, dieses Gesetz, so wie es ist, zu beschließen. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, es ist alles schlecht, was man macht, das ist Ihr Weg, den Sie gehen. Die betroffenen Biomasseanlagenbetreiber und die Bevölkerung können sich bei Ihnen bedanken, dass wir diesen Umweg machen mussten, dass wir Zeit verstreichen lassen haben. (Abg. Vogl: Die Steuerzahler können sich auch für die Einsparungen bedanken!) Wir von den Regierungsparteien reden nicht so wie Sie von Dingen, die wir nicht haben wollen, sondern wir setzen Punkte für die Bevölkerung um, und wir lassen die Biomasseanlagenbetreiber nicht im Stich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Uns ist jede Kilowattstunde, die aus Ökostrom gewonnen wird, wichtig, denn wer Ökostrom abdreht, dreht unweigerlich Atomstrom auf, und dafür stehen Sie! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Vogl: Der Kausalzusammenhang ist falsch! – Zwischenrufe der Abgeordneten Duzdar und Knes.)
Sie haben den Wirtschaftsausschuss angesprochen: Wir seitens der Koalitionsparteien – Kollege Kassegger, ich, die Kolleginnen und Kollegen und auch die Ministerin – tun uns mit Ihnen wirklich schwer. Ich habe es auch im Ausschuss gesagt. Sie als Energiesprecherin sind meine Ansprechpartnerin, Frau Kollegin Duzdar, aber in der Debatte im Nationalrat wurde Herr Knes vorgeschickt und im Ausschuss wurde Herr Stöger vorgeschickt, um Dinge zu behaupten, wie dass Steuern erhöht werden, Steuern eingehoben werden; das ist für einen ehemaligen Minister eigentlich eine Bankrotterklärung, wenn er nicht einmal weiß, wie die Gelder eingeholt werden. (Abg. Knes: Wer zahlt es? Der Ökostromkunde zahlt es, nicht Sie!)
Es geht da um ein Umlagesystem! Sprechen Sie nicht immer von Steuern und nennen Sie nicht irgendwelche Namen dazu, denn Sie können sich beim Kärntner, beim Steirer, beim Oberösterreicher, bei der Niederösterreicherin, beim Wiener bedanken, dass wir diesen Umweg gegangen sind! Ich glaube, es wäre besser, die Namen zu nennen: zum Beispiel beim Kollegen Zaggl, Bundesrat aus Tirol, beim Kollegen Novak aus Kärnten, beim Kollegen Schabhüttl aus dem Burgenland, beim Kollegen Kaske aus Wien und bei Frau Hahn in Niederösterreich, die dafür gesorgt haben, dass wir diesen Umweg gegangen sind.
Wir sind aber auch stolz darauf, dass wir diesen Umweg gehen. Die Frau Ministerin hat die Initiative gemeinsam mit uns, mit der ÖVP- und der FPÖ-Fraktion, ergriffen, denn die Alternative wäre gewesen, dass 47 Biomasseanlagen abgeschaltet hätten werden müssen. Damit wären auch 6 000 Arbeitsplätze verloren gegangen, die in unmittelbarem und mittelbarem Zusammenhang stehen. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Das alles hätten Sie in Kauf genommen, nur um den Preis einer Fundamentalopposition und einer kategorischen Ablehnung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Haubner: So schaut’s aus!)
Einmal mehr will ich hier hervorheben, dass wir auch mit anderen Oppositionsparteien gesprochen haben, die zugestimmt haben. Sie haben dieselben Informationen gehabt wie Sie. Es waren Ihnen gegenüber alle Informationen vorliegend, und die einzige
Partei, die immer dagegengestimmt hat, im Bundesrat wie im Nationalrat, war die SPÖ. Die NEOS haben im Nationalrat zugestimmt, sie haben sich das auch nicht einfach gemacht, Kollegin Bißmann auch, und im Bundesrat haben sogar die Grünen zugestimmt. (Abg. Plessl: Freibrief für 150 Millionen!)
Diese Parteien sind jetzt auch nicht dafür bekannt, dass sie der Bundesregierung einfach einen Gefallen tun wollen und deshalb zustimmen, sondern sie haben die Dinge auf Basis der vorliegenden Informationen bewertet und zugestimmt. Dieser Umweg ist nun leider notwendig geworden, aber wir gehen nicht von diesem Weg ab. Wir wollen diese Anlagen retten und wir werden diese Anlagen retten, denn – und noch einmal in diese (in Richtung SPÖ) Richtung gesprochen –: Wer Ökostrom abdreht, dreht unweigerlich Atomstrom auf! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Eßl: Bravo! – Abg. Haubner: Klare Worte! Klare Worte!)
Ein Thema, das Sie heute überhaupt nicht angesprochen haben – und das ist die zweite Novelle, die wir heute neben dem Ökostromgesetz beschließen wollen –, ist die Bekämpfung der Energiearmut. (Ruf bei der SPÖ: Das ist aber nicht von Ihnen!) Es ist dies ein weiterer Pflock, den wir einschlagen, mit dem wir einkommensschwache Österreicherinnen und Österreicher entlasten wollen. Bis zu 300 000 Österreicherinnen und Österreicher profitieren jetzt von dieser vollständigen Befreiung von den Ökostromkosten. Das war uns wichtig. Wir haben diesen Punkt natürlich auch heute wieder mit hineingenommen, nachdem Sie ja das im Nationalrat und auch im Bundesrat schon abgelehnt haben. Das ist der FPÖ sehr wichtig, das ist uns sehr wichtig, das ist der Ministerin wichtig. Und wir lassen uns durch diese Fundamentalopposition und -kritik nicht abbringen.
Wir arbeiten mit Hochdruck am Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, wir werden es vor dem Sommer vorlegen. Wir wollen es mit den Zielen so halten, dass wir sie auch schaffen werden. Sie sind allesamt ambitioniert. Doch wir wollen gemeinsam diesen Weg gehen. Und da lade ich Sie einmal mehr ein, heute mit uns ein Stück des Weges zu gehen und dann auch beim EAG. Gehen Sie mit, geben Sie sich heute einen Ruck, dann können wir etwas gegen den Klimawandel und für die Energiewende machen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
13.52
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Ich möchte tatsächlich berichtigen: Kollege Lettenbichler hat gesagt: „Wer Ökostrom abdreht, dreht [...] Atomstrom auf.“
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es eine einstweilige Verfügung gibt, durch die Ihnen mehr oder weniger verboten wird, diese Behauptung gegen die Sozialdemokratie in den Raum zu stellen. Der Zusammenhang stimmt auch nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Stimmt! Das stimmt!)
13.52
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.
Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzte Frau Minister! Ja, wir haben ein Problem. Das haben wir eh beim letzten Mal schon besprochen, ich möchte es hier noch einmal wiederholen: Das Problem besteht nicht nur darin, dass es Schadholz in den Wäldern gibt, dass wir dringend eine Reparatur des Ökostromgesetzes gebraucht hätten und mit unserem Vorschlag einer Sunset Clause von drei Jahren ein neues Gesetz erarbeitet hätten. Ich möchte mich bei den Kollegen Kas-
segger und Lettenbichler für die gute Zusammenarbeit bedanken, das war sehr konstruktiv. Das Problem ist eher, dass nicht nur Schadholz in den Wäldern ist, sondern auch Partikularinteressen bei der SPÖ verfolgt werden. Ich möchte das – und das muss man auch einmal – ganz klar benennen: Sie schimpfen immer gegen Konzerne, aber da vertreten Sie auch einen Papierkonzern. Das ist ein Problem! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)
Da haben Sie auch die Partikularinteressen der Wiener Linien zu vertreten. Und das möchte ich auch einmal ansprechen: Es geht um die Anrechnungspunkte und darum, ob die sozialistisch geführte Stadt Wien über die Wiener Linien mehr als 10 Millionen Euro oder noch mehr verliert beziehungsweise zurückzahlen muss. Das sind Ihre Partikularinteressen, aufgrund derer Sie nicht mitgestimmt und aufgrund derer Sie nicht in einer konstruktiven Art und Weise ein neues Ökostromgesetz mitgeschrieben haben. (Abg. Duzdar: Sie sind nicht konstruktiv!) Das müssen wir einmal ganz klar sagen, und das darf auch einmal ausgesprochen werden. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Duzdar: Partikularinteressen ...!)
Die Wiener Linien würden ja sonst wahrscheinlich, wenn sie 10 Millionen Euro zurückzahlen müssen, das Lobbyingbüro in Brüssel verlieren. Ich weiß ja nicht, was die Wiener Linien in Brüssel zu tun haben, aber es beschäftigt mich nach wie vor, warum man dort ein Lobbyingbüro hat. – Das nur nebenbei gesagt. (Abg. Duzdar: Das heißt, Sie sind für die ... des öffentlichen Verkehrs?)
Es ist für mich schwer begreiflich, warum Sie in diesem Punkt stante pede dagegen sind. Ich glaube nicht einmal, dass es Frontalopposition ist, ich glaube, das waren diese Partikularinteressen. (Abg. Duzdar: Ihre Partikularinteressen!) Dem müssen Sie einfach standhalten.
Nun zu dem Punkt: Die Regierungsparteien sind Ihnen auch entgegenkommen, was die Energiearmut betrifft. Das muss man auch sagen, das haben wir so peripher mitbekommen, weil das nicht unser Ansatz ist. Wenn wir uns um Energiearmut kümmern, dann haben wir auch Konzepte dabei und sagen nicht: 1,70 Euro oder 20 Euro aufs Jahr gesehen werden jenen, die es sich nicht leisten können, sozusagen refundiert. Was könnte man denn richtigerweise anders machen, als 20 Euro rückzuüberweisen oder einen Gutschein auszustellen? – Reformieren wir diese sinnlosen Transferleistungen!
Was könnte man mit Heizkostenzuschüssen zugunsten von Energieeffizienzmaßnahmen machen? Nach wie vor werden zum Beispiel 20 Millionen Euro pro Jahr mit den Landesbudgets addiert und wortwörtlich verheizt. Das ist eines der Grundthemen, denen wir uns widmen müssen, wenn wir Energiearmut zugunsten derer lindern wollen, die es sich nicht leisten können. Wir müssten, wir könnten, sage ich einmal, anstatt auf diese Maßnahmen des Geldausschüttens zu setzen, in Energieeffizienzmaßnahmen investieren.
Mit diesem Geld könnte man zum Beispiel 40 000 neue energieeffiziente Fenster einbauen, mit diesem Geld könnte man 6 000 neue Heizsysteme installieren, mit diesem Geld könnte man 100 000 Quadratmeter Außenwanddämmung anbringen. Diese Offensive muss gestartet werden! Wir müssen das angehen, anstatt auf Ihren Vorschlag einzugehen. Dass sie auf Ihren Vorschlag eingehen, habe ich von den Kollegen Kassegger und Lettenbichler nicht ganz verstanden. Sie hätten eher in die Konstruktivität gehen sollen: Wie können wir das ganze System reformieren?
Dagegen sprechen wir uns auch aus, genauso wie wir uns gegen den Abänderungsantrag aussprechen. Das muss ich auch einmal sagen. Das geht wieder über die Hintertür: Jene, die nicht so energieeffizient sind, bei denen senken wir. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Seid ihr auch schon draufgekommen?) Wir waren schon immer da-
gegen. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Da drüben nämlich ...! – Zwischenruf des Abg. Knes.) Wir haben im Gegensatz zu euch auch ein Konzept.
Wir haben ein Konzept, wie man Energiearmut bekämpft und wie man vor allem CO2 minimiert. Wir haben im Gegensatz zu euch ein Konzept, und darum sind wir auch beim Abänderungsantrag dagegen, weil das natürlich den Ländern in die Hände spielt und jenen in die Hände spielt, die nicht so effizient sind; und das ist einer der Punkte, auf die wir setzen. (Beifall bei den NEOS.)
Was Sie tun müssen, liebe Regierung: keine Kosmetikmaßnahmen. Was Sie tun müssen: Bis 2020 muss der neue Nationale Energie- und Klimaplan stehen. Bis jetzt gibt es bei den schweren Kapiteln zum Großteil nur leere Seiten. Das ist ein Thema. Diesem Thema müssen wir uns widmen. Bis 2020 müssen wir unsere CO2-Emissionen gegenüber 2017 um 3,9 Millionen Tonnen reduzieren. Bis jetzt hat uns noch keiner erklärt, wie das funktioniert. Ich will nur sagen: In ein paar Monaten ist 2020. Irgendwann müssen wir es also einmal hinkriegen, dass wir da anfangen, damit wir auch verantwortungsbewusst für die nächste Generation arbeiten. CO2 zu reduzieren heißt, auf das Klima zu achten und auf die nächste Generation zu achten.
Arbeiten Sie nachhaltig und bringen Sie diese Strategie endlich mit Zahlen auf den Weg! 2020 ist bald. Wir messen Sie an Ihren Taten. (Beifall bei den NEOS.)
13.58
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht, wo ich anfangen soll. Da das meiste schon gesagt wurde, erkläre ich noch einmal, worum es geht – ich glaube, dass das in diesem Zusammenhang wichtig ist –: Es geht einerseits um das Biomassegesetz, also um ein Notgesetz. Wir waren in einer Notsituation, das wird immer weggeschoben. Biomassekraftwerke waren in einer Notsituation, auch verursacht durch - - (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Eine seit Jahren im Voraus bekannte Not!) – Ja, jetzt können wir darüber diskutieren, ob im Voraus bekannt oder nicht. Jedenfalls ist unbestritten, dass eine Notsituation da war, die durch Borkenkäferbefall et cetera noch verschärft wurde; eine zusätzliche Notsituation.
Jetzt haben wir zwei Alternativen, nämlich erstens wegzuschauen, nichts zu tun (Abg. Rosenkranz: SPÖ!) – das wäre die Alternative der SPÖ – oder zweitens zu helfen, einzuschreiten, zu agieren, das ist die Alternative der Bundesregierung. So einfach ist das; und das haben wir gemacht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Wir hätten das Ganze viel, viel einfacher haben können, mit einem – unter Anführungszeichen – „normalen“ Bundesgesetz, das hätte einer Zweidrittelmehrheit bedurft. Da hat die SPÖ gesagt: Wir machen Opposition, begründen das nicht wirklich und stimmen im Nationalrat und im Bundesrat dagegen. (Abg. Vogl: ... begründet!) Im Übrigen ist die SPÖ die einzige Partei, die im Nationalrat dagegen gestimmt hat, da haben die NEOS dafür gestimmt. (Abg. Duzdar: Stimmt überhaupt nicht! Die Liste JETZT ...!) Auch im Bundesrat ist es so gewesen; es ist schon erwähnt worden, dass dort sogar die Grünen dafür gestimmt haben. So schlecht kann das aus dieser Perspektive gesehen also nicht gewesen sein. – Also Fundamentalopposition!
Es ist schon etwas seltsam, wenn sich Kollegin Duzdar jetzt herstellt und sich darüber beklagt, dass wir jetzt zehn Gesetze statt einem hätten. – Ja, klar, wegen Ihnen! Wir hätten es auch gerne einfacher gehabt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Duzdar: ... Schuldzuweisungen! – Zwischenruf des Abg. Vogl.)
Das Ziel ist, in einer Notsituation zu helfen, und das tun wir. Andererseits kam der Einwurf: Ja, wer zahlt’s? – Wir wissen genau, wer das zahlt (Zwischenrufe bei der SPÖ), nämlich die sogenannten Endabnehmer über die Ökostrompauschale. Ökostrompauschale, Zählpunktpauschale: Das ist ein ganz eigenes Thema, vielleicht spreche ich das auch noch kurz an. Sie wissen ganz genau, was damit gemeint ist.
Der Endabnehmer zahlt. Das sind die Haushalte, das sind aber auch kleine Gewerbetreibende und natürlich auch die Industrie. Da ist es natürlich unser Ziel, diese Belastung so gering wie möglich zu halten. Genau das gelingt jetzt mit diesem Gesetz, nämlich einerseits wirksame Hilfe zuteilwerden zu lassen und andererseits – wer zahlt’s? – diese Belastung so gering wie möglich zu halten. Ich sage Ihnen: Die Zahlen, die Sie da kolportieren – 150 oder was auch immer Millionen Euro –, werden so nicht eintreten (Zwischenruf der Abg. Duzdar), weil wir schon lange nicht mehr von 47 Kraftwerken sprechen, die betroffen sind, sondern es sind schon deutlich weniger, weil für manche davon schon die reguläre Förderung gilt et cetera. Das wird also weniger werden.
Andererseits wundert es mich auch, weil eines dieser Kraftwerke – nämlich das größte und der größte Nutznießer – das Kraftwerk in Simmering ist. Mir ist es völlig unverständlich, warum Sie als SPÖ – ich sage es jetzt einmal salopp – Ihre eigenen Kraftwerke im Regen stehen lassen – nicht nur das in Simmering, sondern auch die in Kärnten. Das müssen Sie mir erklären! Es wird Ihnen nicht gelingen, ich verstehe es einfach nicht. (Abg. Duzdar: Schauen Sie sich die Tarife an, dann wissen Sie’s!)
Das Zweite: Energiearmut ist auch schon angesprochen worden. Heute beschließen wir im Nationalrat, auch einen Bundesratsbeschluss aufgreifend, einkommensschwache, sozial schwache Haushalte von diesen 20 Euro Mindestbeitrag zu befreien. Das war uns als sozialer Heimatpartei ein besonderes Anliegen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar.)
Das alles hätten Sie mit Ihrer Fundamentalopposition auch aufs Spiel gesetzt. Sie hätten einfach alles abgelehnt. Jetzt springen Sie auf den Zug hier auf und wollen sich als die Partei verkaufen, die sozusagen die Verhinderung der Energiearmut sichergestellt hätte. – Das Gegenteil ist der Fall! Sie hätten es billigend in Kauf genommen, dass auch diese Bestimmung nicht gekommen wäre.
Es ist also der Regierung zu verdanken, dass beide Bestimmungen jetzt Gesetz werden, nämlich einerseits, dass den Biomassekraftwerken geholfen wird, und andererseits, dass den sozial schwachen Haushalten Unterstützung zuteilwird, indem sie von diesen 20 Euro befreit werden.
Es ist ein gutes Gesetz beziehungsweise es sind zwei gute Gesetze. Ich persönlich bin sehr zufrieden und glaube, zumindest wir als Regierungsparteien sind mit den Gesetzen zufrieden, weil es gute Gesetze sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
14.04
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Befreiung vom Ökostrombeitrag für Personen, die von der GIS-Gebühr befreit sind, werden wir selbstverständlich zustimmen und haben diese Forderung auch bisher immer wieder unterstützt.
Etwas, dem wir aber noch nie zugestimmt haben und dem wir auch heute nicht zustimmen werden, ist die Biomasseförderung. Frau Ministerin, Sie haben meine Kollegin Stephanie Cox im Ausschuss attackiert, und ich kann Ihnen genau sagen, warum wir seinerzeit schon dem Initiativantrag nicht zugestimmt haben und warum wir auch
diesem Grundsatzgesetz nicht zustimmen werden. Meine Kritik damals und heute lautet unverändert: Es wird ein teures, ineffizientes und intransparentes Fördersystem fortgesetzt. Das ist meine Kritik.
Herr Kollege Lettenbichler, Sie haben behauptet, dass alle dieselben Informationen über diese Biomasseförderung und insbesondere über die 47 Anlagen, die gefördert werden sollen, haben. – Das ist schlicht und einfach nicht richtig! Mir liegen über diese 47 Anlagen keinerlei Informationen vor. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Herr Kollege Kassegger: Allen Ernstes von einer Notsituation zu sprechen, ist ja absurd, entschuldigen Sie bitte! (Ruf bei der ÖVP: Sie wissen wirklich nicht ...! – Abg. Kassegger: Gehen Sie mal raus aufs Land und schauen Sie sich um!) Sie haben ja – genauso wie Sie, Herr Kollege Lettenbichler – seit Langem gewusst, dass die Förderungen auslaufen und sind dann am letzten Drücker mit einem Initiativantrag dahergekommen. Sie haben die Zeit verstreichen lassen. (Abg. Deimek: Das ist eine Chuzpe! Das ist ja ein ...! Dazu braucht’s euch!) Ja, Sie haben die Zeit verstreichen lassen, in der man ein Fördersystem, das den Namen verdient, ausarbeiten und die gesamte Ökostromförderung im Rahmen eines Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes auf neue Beine hätte stellen können. Bis heute liegt aber ein solcher Entwurf nicht vor.
In dem Sinne: Ja, Herr Kollege Kassegger, wir hätten es einfacher haben können, nämlich wenn die Regierung oder Sie hier im Nationalrat rechtzeitig ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vorgelegt hätten. Das haben Sie nicht getan. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kassegger: Sie wissen aber schon, wie lang das Ökostromgesetz läuft, oder?!)
Jetzt haben Sie es plötzlich eilig, 47 Anlagen zu fördern, die vermutlich zum Teil hoch ineffizient sind. Genau diese Regierung ist es, Sie sind es, die immer von einem sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln sprechen. Sie sprechen von der Treffsicherheit von Förderungen. Wo ist denn da der sparsame Umgang mit öffentlichen Mitteln? Wo bleibt denn da die Treffsicherheit? (Abg. Rosenkranz: Sie sprechen von der Vernichtung von Arbeitsplätzen! Das finde ich besonders ...! Vernichtung von Arbeitsplätzen!) – Herr Kollege Rosenkranz, wenn rechtzeitig ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hier eingebracht worden wäre, wäre kein einziger Arbeitsplatz vernichtet worden. Das ist doch die Wahrheit, Herr Kollege Rosenkranz! Das ist doch schlicht und einfach die Wahrheit! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Hätten Sie früher FPÖ gewählt, Kollege Rossmann! Hätten Sie früher FPÖ gewählt, dann wäre alles gegangen!)
So muss ich aber feststellen, dass bisher aus dem Ressort von Frau Ministerin Köstinger keine einzige brauchbare Vorlage zum Klimaschutz gekommen ist. Das ist doch das wahre Problem, das wir im Energie- und Klimaschutzbereich feststellen können. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Es deutet sich bei diesem Grundsatzgesetz, das hier vorliegt, abermals ein Mischmasch mit unzureichenden Maßnahmen an, die zum Teil in die falsche Richtung gehen. Wir müssen uns, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, die wir uns gesetzt haben, endlich ernsthaft an die Arbeit machen. Da ist die Regierung und da sind Sie, meine Damen und Herren, auch von der Opposition, gefordert, rechtzeitig jene Anträge einzubringen, die wir brauchen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Bislang liegt aber leider nichts Brauchbares vor.
Das ist ja auch der Grund, warum zum Beispiel Climate Action Network Europe kürzlich die Klimaschutzpolitik in Österreich als poor bezeichnet hat. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Die Folge wird sein, dass wir bis 2030 mit Strafzahlungen in der Größenordnung von mindestens 8 Milliarden Euro rechnen müssen, und das ist ein kleines
Hypo-Desaster zulasten der Bevölkerung dieses Landes. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.09
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Strasser. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss sichern wir den Fortbestand von 47 KWK-Anlagen und sichern 6 000 Arbeitsplätze.
Wir leisten damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz, denn es wird auch in Zukunft notwendig sein, in Österreich einen gewissen Energiemix weiterzuentwickeln – Wind-, Wasser-, Sonnenenergie –, selbstverständlich geht es auch um die Weiterentwicklung im Bereich Biomasse. Dafür legen wir heute einen Grundstein, und es werden weitere Schritte folgen – ein Beschluss, der in die richtige Richtung geht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir sorgen auch für eine Entlastung der Forstwirtschaft, denn wir haben eine Notsituation. Kollege Rossmann, ich lade Sie ein, gemeinsam mit mir einen Ausflug ins nördliche Waldviertel zu machen: Dort stirbt uns der Wald hektarweise weg; das ist eine Notsituation, und es ist notwendig, dass dieses Schadholz dort schnell wegkommt.
Der dritte Bereich: Wir liefern einen Beitrag zur Absicherung unseres Wirtschaftsstandortes. Ja, auch wenn die Entwicklung der erneuerbaren Energien jetzt noch einigermaßen viel Geld kostet, wird uns das mittel- oder langfristig aus volkswirtschaftlicher Sicht zugutekommen, weil das Ende des fossilen Zeitalters naht und jene Volkswirtschaften, die sich schnell auf diese Entwicklung einstellen, auch langfristig zu den stärkeren gehören werden.
Aber jetzt zur SPÖ: Die SPÖ spielt da ein interessantes Spiel, und man muss sich die Frage stellen, was die SPÖ will. Ich sage ganz offen: Das ist gewissermaßen eine Kindesweglegung und auch ein Verrat – ein Verrat an jenen Funktionärinnen und Funktionären aus Ihrer Gesinnungsgemeinschaft, die am Aufbau dieser Biomassekraftwerke mitgewirkt haben. Ich darf nur eine Zahl nennen: Zwei Drittel dieser 47 Anlagen stehen in SPÖ-Gemeinden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rossmann und Leichtfried.) Also ich glaube, Sie sollten sich mittelfristig bei Ihren Kolleginnen und Kollegen, die in der Regionalentwicklung tätig sind, die in der Kommunalpolitik tätig sind und redlich an der Entwicklung dieser Kraftwerke mitgewirkt haben, entschuldigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Ich darf jetzt folgenden Abänderungsantrag einbringen:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (558 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (566 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Die oben erwähnte Vorlage (558 d.B.) wird wie folgt geändert:
1. In § 4 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Dritter bedienen“ die Wortfolge „oder Dritten die Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz übertragen“ eingefügt.
2. Nach § 5 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:
„(2a) Die Landesgesetzgeber können von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnutzungsgrad abweichen, sofern beim Betrieb der Ökostromanlagen gemäß § 3 aufgrund außergewöhnlicher Naturereignisse mehr als 50 % Schadholz eingesetzt wird. Die Betreiber einer Ökostromanlage gemäß § 3 haben den Einsatz von mehr als 50 % Schadholz im Konzept über die Rohstoffversorgung nachzuweisen. Sofern ein Landesgesetzgeber von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnutzungsgrad abweicht, kann dieser auch eine reduzierte Vergütung vorsehen.
3. In § 6 Abs. 1 erster Satz wird das Wort „Netznutzungsentgelt“ durch die Wortfolge „Netznutzungs- und Netzverlustentgelt“ ersetzt.
4. In § 6 Abs. 1 zweiter Satz wird nach dem Wort „Fernsprechentgeltzuschussgesetz“ die Wortfolge „BGBl. I Nr. 142/2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2016,“ eingefügt.
5. In § 6 Abs. 3 wird die Wortfolge „Einhebung von Zuschlägen gemäß Abs. 2“ durch die Wortfolge „Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz“ ersetzt.
*****
Vielen Dank an alle, die an der Arbeit zu dieser Gesetzesvorlage mitgewirkt haben! Jetzt geht es mit vollem Elan in die Verhandlungen zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (Zwischenruf bei der SPÖ), und da wünsche ich uns gutes Gelingen. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
14.14
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger
Kolleginnen und Kollegen
zur Regierungsvorlage betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (558 d. B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (566 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Die oben erwähnte Vorlage (558 d.B.) wird wie folgt geändert:
1. In § 4 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Dritter bedienen“ die Wortfolge „oder Dritten die Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz übertragen“ eingefügt.
2. Nach § 5 Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:
„(2a) Die Landesgesetzgeber können von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnutzungsgrad abweichen, sofern beim Betrieb der Ökostromanlagen gemäß § 3 aufgrund außergewöhnlicher Naturereignisse mehr als 50 % Schadholz eingesetzt wird. Die Betreiber einer Ökostromanlage gemäß § 3 haben den Einsatz von mehr als 50 % Schadholz im Konzept über die Rohstoffversorgung nachzuweisen. Sofern ein Landesgesetzgeber von dem in Abs. 2 festgelegten Brennstoffnutzungsgrad abweicht, kann dieser auch eine reduzierte Vergütung vorsehen.
3. In § 6 Abs. 1 erster Satz wird das Wort „Netznutzungsentgelt“ durch die Wortfolge „Netznutzungs- und Netzverlustentgelt“ ersetzt.
4. In § 6 Abs. 1 zweiter Satz wird nach dem Wort „Fernsprechentgeltzuschussgesetz“ die Wortfolge „BGBl. I Nr. 142/2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 81/2016,“ eingefügt.
5. In § 6 Abs. 3 wird die Wortfolge „Einhebung von Zuschlägen gemäß Abs. 2“ durch die Wortfolge „Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz“ ersetzt.
Begründung
Zu Z 1 (§ 4 Abs. 1):
Die sprachliche Erweiterung soll klarstellen, dass die Verteilernetzbetreiber ihre Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz auch an Dritte übertragen können. Diese Änderung bietet die Möglichkeit einer besseren operativen Abwicklung.
Zu Z 2 (§ 5 Abs. 2a):
Unter den außergewöhnlichen Naturereignissen im Sinne des § 5 Abs. 2a können insbesondere folgende Fallkonstellationen verstanden werden: Borkenkäferkalamität, überdurchschnittlicher Schnee- und Eisbruch sowie Windwurf.
Zu Z 3 und Z 4 (§ 6 Abs. 1):
Die Regierungsvorlage verweist lediglich auf das Netznutzungsentgelt; entsprechend der Regel in § 48 ÖSG 2012 sollen die benötigten Mittel indes auch in Form eines Zuschlages zum Netzverlustentgelt eingehoben werden können. In diesem Sinn wird der Passus erstreckt. Die Ergänzung in § 6 Abs. 1 zweiter Satz stellt sicher, dass sämtliche Verweise auf andere Gesetze statisch ausgestaltet sind.
Zu Z 5 (§ 6 Abs. 3):
Die Änderung stellt sicher, dass den Verteilernetzbetreibern die durch die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz anfallenden Aufwendungen zu ersetzen sind. Bereits die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 558 BlgNR 26. GP 2, 3) hatten den Aufwandersatz nicht auf die Einhebung von Zuschlägen gemäß § 6 Abs. 2 beschränkt gesehen. Mit dem Abänderungsantrag wird die textliche Ausgestaltung in § 6 Abs. 3 nun nachgezogen.
*****
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der ordnungsgemäß eingebrachte Abänderungsantrag steht mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Erasim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Schellhorn, ich habe ja fast schon aufpassen müssen, dass ich auf dieser Anbiederungsspur Richtung ÖVP nicht ausrutschte. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Diese Doppelstrategie fahren Sie bei einigen Gesetzen; das war schon beim 12-Stunden-Tag so, da haben Sie die ganze Plenarsitzung lang dagegenargumentiert und dann dafürgestimmt. Jetzt haben Sie uns auch sehr ausführlich die Schwächen dieses Gesetzes zur Kenntnis gebracht und dargelegt, was man mit den Geldern Sinnvolleres anstellen könnte. (Abg. Schellhorn: Was ist jetzt die G’schicht?)
Anscheinend muss ich hier mit ein paar Märchen aufräumen. Sagen Sie, glauben Sie das, was Sie hier sagen, die ständigen Schuldzuweisungen, eigentlich selbst? (Ruf bei
der ÖVP: ... in den Spiegel schauen, Frau Kollegin!) Sie, geschätzte Ministerin, legen ein schlechtes, undurchsichtiges, intransparentes Gesetz vor. Sie waren nicht bereit, auch nur einen Millimeter mit uns als Sozialdemokratie, der Partei, die im Bundesrat ein Drittel der Stimmberechtigten stellt, zu verhandeln. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Dann verlieren Sie die Abstimmung, und was machen Sie? – Sie finden es nach wie vor nicht der Mühe wert, gemeinsam mit uns einen Konsens zu erzielen, sondern legen ein noch viel schlechteres Gesetz vor, spielen dann die Empörte, weil wir diesem noch viel schlechteren Gesetz – natürlich – auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Und unsere Forderungen waren, bitte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nicht irgendwelche Utopien (Zwischenruf bei der ÖVP), wir wollten lediglich mehr Transparenz. Da geht es um 150 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren, die den Menschen mittels der Köstinger-Abgabe – noch dazu in sehr unterschiedlichem Ausmaß, zwischen 30 Cent und 30 Euro pro Bundesland – aus der Tasche gezogen werden; aber das ist halt Ihr Sparen im System, das am Ende die Endverbraucherinnen und Endverbraucher berappen.
Um von Ihrer Unfähigkeit, nachhaltige, transparente und effiziente Klima- und Umweltpolitik zu machen, abzulenken, brauchen Sie Schuldige. Sonst sind bei all Ihren Themen immer die Migranten die Schuldigen, das funktioniert beim Umweltthema nicht so gut – dann brauchen wir halt jetzt die SPÖ als Schuldigen, als Erklärung, warum es nicht gut funktioniert! (Abg. Zarits: Ja sicher! Richtig!) Der eigentliche Skandal ist, dass Sie eine Beschimpfungs- und Diffamierungskampagne mit Plakaten initiieren; da gibt es sogar eine einstweilige Verfügung, Ihre Plakate, Ihre Hetz- und Lügeninserate (Hallo-Ruf bei der ÖVP) wurden damit untersagt. Wenn Sie Größe und Charakter haben, stellen Sie sich heute hier her – ich gebe Ihnen die Möglichkeit (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP) – und entschuldigen Sie sich in aller Öffentlichkeit für diese Ungeheuerlichkeiten! (Beifall bei der SPÖ.)
Frau Ministerin, Sie werden als Ministerin in die Geschichte eingehen, unter deren Ägide Milliardenstrafzahlungen für Österreich fällig wurden, weil Sie nicht in der Lage sind, vernünftige Gesetze auf den Boden zu bringen. Ein bisschen Chichi und ein bisschen Hihi ist halt bei Weitem zu wenig, wenn es um ein richtiges Zukunftsthema geht! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
14.18
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt die Frau Minister. – Bitte, Frau Minister.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Auch den Ausführungen der Frau Abgeordneten folgend, kann ich, glaube ich, sagen: Zum Thema Biomassekraftwerke ist in den letzten Wochen und Monaten wahrscheinlich schon mehr gesagt worden, als uns allen lieb ist, und wahrscheinlich auch mehr, als zum Teil wirklich notwendig war. Bereits im Jänner dieses Jahres haben wir eine Übergangslösung für jene Biomassekraftwerke, die von dem Auslaufen des bestehenden Ökostromgesetzes betroffen waren, präsentiert.
Ich darf in diesem Zusammenhang trotzdem noch einmal erwähnen, dass es sich sehr wohl um eine massive Notsituation handelt. In diversen Bezirken in Oberösterreich und in Niederösterreich finden wir eine Schadholzsituation vor, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Und es ist absolut unlogisch und zum Teil auch wirklich verrückt, wenn man bestehende, hocheffiziente Anlagen nicht weiterführt, sondern sie vom Netz nimmt und dafür dann Atomstrom und Kohlestrom importiert – denn das ist die Folge, wenn wir den Strom nicht selbst produzieren; das sei wirklich noch einmal in dieser
Deutlichkeit gesagt. Empörung gibt es eigentlich nur vonseiten der SPÖ, alle anderen können zu diesem Thema ganz normal und kultiviert diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Bitte erlauben Sie mir, noch eines zu diesem Bereich zu sagen (Zwischenruf bei der SPÖ): Frau Abgeordnete Duzdar hat behauptet, dass das, was wir im Jänner vorgelegt haben, ein schlechtes Gesetz war. – Frau Abgeordnete Duzdar und der gesamte SPÖ-Klub: Das war eine Verlängerung des bestehenden Gesetzes, das in diesem Haus in der letzten Legislaturperiode mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen worden ist; im Bundesrat ist die Abstimmung damals einstimmig über die Bühne gegangen. Es ging nur um eine Verlängerung um drei Jahre. Wir stehen heute wieder hier, weil Sie Parteipolitik gemacht haben (Zwischenruf der Abg. Duzdar) – auf dem Rücken der Biomassekraftwerke und auf dem Rücken vieler Beschäftigter in diesem Land. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: So schaut es aus!)
Auch den Vorwurf der Intransparenz können wir hier so nicht stehen lassen und auch nicht gelten lassen: Am 5. Dezember sind alle relevanten Unterlagen an alle Klubs versendet worden, sind auch alle Zahlen dargelegt worden. Ich würde Sie wirklich darum bitten, damit aufzuhören, hier mit irgendwelchen Nebelgranaten herumzuwerfen. Wir haben mit der ÖSG-Novelle einkommensschwache Haushalte von der Abgabe befreien wollen – auch das wurde abgelehnt. Das schaffen wir heute mit dem entsprechenden Antrag. Da geht es natürlich auch darum, einen Beitrag gegen die Energiearmut zu leisten, aber auch darum, dem Ökostrom Vorschub zu leisten.
Es war weder mein Ziel noch mein Interesse, das in dieser Art und Weise zu machen, aber aufgrund der Ablehnung von Ihrer Seite – entsprechend dann auch im Bundesrat – mussten wir noch einmal eine Notlösung zustande bringen; das ist das Biomasseförderung-Grundsatzgesetz, mit dem wir eben den betroffenen Anlagenbetreibern möglichst rasch helfen können, damit die Anlagen nicht vom Netz gehen und damit vor allem auch der Schadholzabtransport funktioniert. Die Situation draußen vor Ort ist wirklich eine extrem schlimme, und das, was Sie hier machen – das tut mir wirklich sehr leid –, lässt sich einfach nicht nachvollziehen. Das Grundsatzgesetz deckt sich inhaltlich mit der ÖSG-Novelle, die im Bundesrat blockiert worden ist. Wir schaffen so eine Übergangslösung für drei Jahre. Es ist vollkommen transparent, und es ist auch vollkommen klar, worum es hier geht.
Weil angesprochen worden ist, dass die Bundesländer jetzt unterschiedliche Tarife einheben, möchte ich nur noch einmal dazusagen: Ja, das stimmt, aber ein einziger Bundesrat hätte das verhindern können; wenn im Sinne der Länder entschieden worden wäre und nicht nach Parteiinteresse, dann wäre das nicht der Fall gewesen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Wir arbeiten sehr intensiv daran, hier gute Lösungen zustande zu bringen. Wir haben bereits Gespräche mit allen Bundesländern geführt, wir erarbeiten ein Musterausführungsgesetz, damit es eine möglichst einheitliche Vorgehensweise gibt; das war im Rahmen der Begutachtung der Wunsch vieler Länder. Wir haben selbstverständlich auch namhafte Verfassungsrechtler miteinbezogen, beispielsweise Herrn Professor Mayrhofer aus Linz, der diese Variante als absolut verfassungskonform bezeichnet hat. Der Lösungsweg ist geprüft und ist somit auch bestätigt.
Weil ein Vorwurf bezüglich Beihilfenrecht hier im Raum steht: Wir haben auch das bereits klar analysiert. Für die Regierungsvorlage ist keine beihilferechtliche Notifikation bei der EU-Kommission notwendig, da damit kein relevanter Eingriff in die beihilferechtliche Substanz erfolgt; es handelt sich dabei nur um technische Änderungen. Es wird mit der Regierungsvorlage das bestehende Gesetz, das bereits einmal notifiziert worden ist, entsprechend verlängert. Alle Änderungen im Grundsatzgesetz oder eben auch in den Ausführungsgesetzen der Länder müssen somit auch im Einklang mit dem be-
reits notifizierten System sein, da sonst natürlich das Risiko einer Neunotifizierung droht. Von unserer Seite, vonseiten des Bundes war es wirklich auch das Ziel, das auszuschließen.
Es wurde jetzt auch das Thema Klimaschutz mehrmals angesprochen. Ich möchte Sie bitten, nicht permanent etwas einzufordern und dann bei der kleinsten Gelegenheit auf den Ablehnknopf zu drücken. Es geht hier wirklich nur um den Fortbestand von Anlagen, die hocheffizient sind, die auslaufen würden. (Abg. Vogl: Wenn sie hocheffizient sind, warum laufen sie dann aus?) Diese Anlagen bestehen, sind funktionstüchtig, sind in den Regionen auch wirklich wichtig und gewährleisten die Strom- und Wärmeversorgung. Es geht um eine Übergangslösung, und ich würde Sie wirklich bitten, sich hier der Verantwortung bewusst zu sein und diesem Gesetz zuzustimmen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
14.24
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Ministerin, Sie haben gesagt, dass es sich bei diesem Grundsatzgesetz beziehungsweise bei der ursprünglichen Fassung um eine Verlängerung gehandelt hätte.
Ich berichtige tatsächlich: Es wäre da in der ursprünglichen Fassung um zusätzliche 350 Millionen Euro gegangen, die die Stromkunden und Stromkundinnen bezahlt hätten (Zwischenrufe bei der ÖVP), nach einem Abänderungsantrag 150 Millionen Euro, und daher ist das keine Verlängerung, sondern das wäre eine Sondervereinbarung gewesen.
Ich möchte Sie auf noch etwas hinweisen: Sie haben heute gesagt, dass die SPÖ die einzige Fraktion ist, die nicht kultiviert diskutieren kann. Ich ersuche Sie wirklich (Abg. Neubauer: Keine tatsächliche Berichtigung mehr! – Zwischenrufe bei der ÖVP): Ich bin der Meinung, dass diese Wortwahl einer Ministerin nicht würdig ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wenn man schon dagegen ist, muss man es auch aushalten! – Abg. Neubauer: Unfassbar, was die ... zuerst gesagt hat ...!)
14.25
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die Frau Minister hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.
Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ging tatsächlich darum, den bestehenden Gesetzestext, der bereits seit 2012 in Kraft war, für drei Jahre zu verlängern (Ruf bei der SPÖ: Zusätzlich!), um jenen Anlagen, die eben ausgelaufen sind, einen Nachfolgetarif zu gewährleisten.
Frau Abgeordnete, Sie sind Energiesprecherin der größten Oppositionspartei – und Sie haben das selbst auch betont – in diesem Land. Sie tragen auch eine Verantwortung dafür, wirklich zu wissen, wovon Sie reden, worum es in diesem Bereich geht. (Abg. Kucharowits: Das ist unglaublich! Das ist wirklich unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich möchte Sie wirklich darum bitten, dass wir uns normal hinsetzen und nicht irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen, die wirklich absolut absurd sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)
14.26
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Klinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
14.26
Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister – Ministerin, um es korrekt zu sagen! Sehr geehrte Damen und Herren, Zuseher hier und vor den Fernsehschirmen! Zuallererst möchte ich zum Tagesordnungspunkt 6 einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“ einbringen.
Worum geht es dabei? – Die Länder werden aufgrund der Notwendigkeiten mit diesem Grundsatzgesetz praktisch verpflichtet, Biomasseanlagen zu fördern; sie sind auch angehalten, diese Förderungen einheitlich zu gestalten. Es soll quasi ein Musterausführungsgesetz geben, das entspricht auch dem Wunsch vieler Länder, damit sie wissen, wie sie in dieser Sache einheitlich vorgehen können.
Der Entschließungsantrag lautet:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, auf die Bundesländer dahingehend einzuwirken, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber die Inhalte des o.a. ‚Muster-Ausführungsgesetzes‘ und damit die dort vorgeschlagenen Nachfolgetarife (bis 2 MW: 10 Cent/kWh, größer 2 bis 10 MW: 9 Cent/kWh und über 10 MW: 8,5 Cent/kWh) in die entsprechenden Landes-Ausführungsgesetze übernehmen.“
*****
Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Duzdar hat davon gesprochen, dass das, was die Regierung macht – in weiterer Folge natürlich: der Nationalrat –, peinlich und unwürdig ist. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Ich denke, das Einzige, das in dieser ganzen Angelegenheit peinlich und unwürdig ist, ist die Verhinderung eines wichtigen Gesetzes durch die SPÖ-Fraktion im Bundesrat. Das ist peinlich und unwürdig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Ich glaube schon, dass es, wenn wir möglichst rasch, schnell und effizient zu einem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz kommen wollen, notwendig sein wird, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Bruno Rossmann hat das hier auch kritisiert. – Es kann nicht Sinn der Opposition sein, hier durch Verhinderungstaktiken ein entsprechend wichtiges Gesetz hintanzuhalten und durch mögliche demokratische Eingaben so weit zu verhindern, dass Österreich diesbezüglich womöglich hinten bleibt. Ich glaube, das ist auch nicht in Ihrem Sinne.
Es wird, wenn wir die Klimaschutzziele, die wir alle in Paris einhellig beschlossen haben, auch tatsächlich durchbringen wollen, ganz wichtig sein, dass wir uns bewusst werden, was für uns in Österreich in Wirklichkeit die wichtigste und beste Energiequelle ist, und das ist nun einmal die Wasserkraft.
Ich war vor Kurzem in Linz bei einem Gespräch auf hochrangiger Ebene, bei dem es um den Ausbau der Wasserkraftanlagen an der Salzach und am Inn ging, wo wir be-
reits die ökologische Problematik des Sohledurchbruchs in Aussicht haben und es trotz des enormen Engagements – auch finanzieller Art und Weise – des Betreibers noch immer nicht möglich ist, ein entsprechendes Projekt, ein Kraftwerk im entsprechenden Ausmaß zu planen und zu bauen, damit auch dieser Sohleeinbruch hintangehalten werden kann.
Damit bin ich bei einer Meinung, die mir sehr wichtig ist, nämlich dass hier alles getan werden muss, dass es auf EU-Seite, nämlich trotz des Versuchs einer Verhinderung durch Natura-2000-Projekte, in Zukunft möglich gemacht werden muss, dass in Österreich diese wichtige Energiequelle Wasserkraft zum Durchbruch kommen kann – hier als Paradebeispiel an Inn und Salzach, ökologisch und ökonomisch wichtig.
Aber ich sage noch etwas dazu: Wenn es in Zukunft – von vielen Geplänkeln getragen – verhindert werden sollte, dass wir die Wasserkraft ausnützen – zwei Drittel der Stromerzeugung basieren bereits auf Wasserkraft, und wir können das restliche Drittel auch noch allein aus Wasserkraft schöpfen; wir könnten es, wenn wir wollten –, dann wird die Sache wahrscheinlich dahin gehend keinen guten Ausgang nehmen, dass wir die zu hoch, uns motivierend, vorgegebenen Klimaziele nicht erreichen werden. Eines ist nämlich auch klar: Wenn das Donaukraftwerk Altenwörth mehr Strom produziert als alle Windkrafträder in Niederösterreich zusammen, dann frage ich mich schon: Auf welche Technologien sollen wir in Zukunft setzen? (Zwischenruf des Abg. Vogl.)
Das ist eine ganz entscheidende Frage, wenn ich davon ausgehe, dass die wichtigsten und effizientesten Stromerzeugungssysteme zum Durchbruch kommen müssen, nicht jene, die mit Förderungen ewig am Tropf gehalten werden. Marktfähigkeit muss gegeben sein, und da werden wir in Zukunft noch eine Menge zu tun haben, da werden wir noch eine Menge zu diskutieren haben.
Ich appelliere an alle Energiesprecher, da im Sinne von Österreich an einem Strang zu ziehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.32
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger
Kolleginnen und Kollegen
betreffend einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (558 d.B.): Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) (566 d.B.) in der 72. Sitzung des Nationalrates am 25. April 2019
Mit der diesem Entschließungsantrag zugrundeliegenden Regierungsvorlage betreffend ein Grundsatzgesetz über die Förderung der Stromerzeugung aus Biomasse (Biomasseförderung-Grundsatzgesetz) werden nunmehr die Bundesländer als Ausführungsgesetzgeber verpflichtet, Ökostromanlagen auf Basis fester Biomasse und auf Basis von Abfällen mit hohem biogenen Anteil – in Entsprechung des Grundsatzgesetzes des Bundes - zu fördern.
Im Sinne einer möglichst einheitlichen Vorgangsweise der Bundesländer wurde nunmehr seitens des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus ein „Muster-
Landesausführungsgesetz“, das den Vorgaben des Grundsatzgesetzes entspricht, und in welchem die bereits im Vorblatt zur gegenständlichen Regierungsvorlage vorgeschlagenen Nachfolgetarife festgeschrieben sind, erarbeitet. Dies entspricht auch dem Wunsch vieler Länder, der im Rahmen des Begutachtungsverfahren artikuliert wurde.
Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten soll nunmehr auf die Bundesländer dahingehend eingewirkt werden, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber die Inhalte des o.a. „Muster-Ausführungsgesetzes“ und damit die dort vorgeschlagenen Nachfolgetarife (bis 2 MW: 10 Cent/kWh, größer 2 bis 10 MW: 9 Cent/kWh und über 10 MW: 8,5 Cent/kWh) in die entsprechenden Landes-Ausführungsgesetze übernehmen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus wird ersucht, auf die Bundesländer dahingehend einzuwirken, dass die jeweiligen Landesgesetzgeber die Inhalte des o.a. „Muster-Ausführungsgesetzes“ und damit die dort vorgeschlagenen Nachfolgetarife (bis 2 MW: 10 Cent/kWh, größer 2 bis 10 MW: 9 Cent/kWh und über 10 MW: 8,5 Cent/kWh) in die entsprechenden Landes-Ausführungsgesetze übernehmen.“
*****
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ordnungsgemäß unterstützt, ausreichend unterschrieben und steht mit in Verhandlung.
Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Feichtinger zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Klinger hat in seiner Rede vorhin behauptet, wir hätten das Pariser Klimaabkommen hier einmütig beschlossen.
Ich berichtige tatsächlich: Die FPÖ hat dagegen gestimmt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf des Abg. Neubauer. – Ruf bei der SPÖ: ... hat jemand anderer die Rede geschrieben!)
14.33
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte schön.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Ich verrate Ihnen jetzt ein kleines Geheimnis: Ich habe heute insgeheim darauf gehofft, dass ich mich als Vertreterin der Opposition hier herstellen und diese Bundesregierung loben kann (Ruf bei der ÖVP: ... nicht über die Lippen!) – ein Lob für einen sinnvollen und nachhaltigen Gesetzesvorschlag zum Thema Biomasseförderung –, aber leider kann ich das nicht, denn das, was Sie uns jetzt als Grundsatzgesetz vorgelegt haben, entspricht eben nicht etwas, was zu loben ist, sondern es ist im Gegenteil nicht lobenswert und es ist der sprichwörtliche Holzweg.
Warum sage ich das? – Wir alle wissen, mit welchen Unsicherheiten die Betreiber von Biomassekraftwerken im Augenblick konfrontiert sind, aus dem ganz einfachen Grund,
dass eben diese Regelung ausläuft, und wir wissen auch, dass es jetzt besonders kritisch ist, weil es im Augenblick diese großen, großen Mengen an Schadholz durch Windbruch und Borkenkäfer gibt. Das heißt, es besteht wirklich dringender Handlungsbedarf, und Ihre Aufgabe als Bundesregierung wäre es gewesen, die Zeit seit dem Scheitern des Ökostrompakets sinnvoll zu nützen und eine nachhaltige Lösung zu erarbeiten, die auch von den Beteiligten mitgetragen wird und die auch an die durchaus sinnvollen Bestimmungen im Ökostrompaket angelehnt gewesen wäre, die wir NEOS im Februar auch mitgetragen haben.
Doch was machen Sie? – Sie verlieren sich im Klein-Klein, sie präsentieren heute einen Gesetzesvorschlag, der im Vergleich zum Ökostrompaket wirklich Nachteile inkludiert und einen klaren Rückschritt bedeutet – und zwar sind es im Wesentlichen drei Punkte, und auf diese möchte ich nun eingehen.
Der erste, das wurde heute auch schon angesprochen, ist diese bundesweit einheitliche Regelung, die gefallen ist. Sie wollen es jetzt den Bundesländern überlassen, die jeweiligen Förderregime für die Biomasse zu gestalten. Das bedeutet nicht nur einen möglichen Preiskampf, eine Standortungleichheit und am Ende des Tages mehr Bürokratie, es erschließt sich mir einfach nicht, was es bringen soll. – Ja, jetzt werden die Kollegen von der ÖVP und von der FPÖ sagen: Wir haben eh einen Entschließungsantrag eingebracht, damit wir das ein bisschen austarieren können! Ich glaube, Kollege Klinger hat gerade gesagt, das ist dann quasi eh rechtlich verbindlich, aber, meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass dieser Inhalt eben nicht rechtlich verbindlich ist, und das ist das große Problem.
Der nächste große Unsicherheitsfaktor, der heute noch gar nicht angesprochen wurde, ist die EU-Ebene. – Im Gegensatz zu Ihrem Ministerium, Frau Bundesminister, haben sich viele Brancheninsider und auch profunde Wettbewerbsrechtler schon geäußert und gesagt, dass es wahrscheinlich auf EU-Ebene nicht halten wird, weil das vorliegende Gesetz gar nicht unter das von der EU genehmigte Fördersystem fällt. Das heißt, am Ende des Tages kann es hier für die Unternehmerinnen und Unternehmer zu Rückzahlungen von Förderungen kommen, und das kann ja nicht im Sinne des Erfinders sein.
Drittens: Als Draufgabe soll spätestens nächstes Jahr, auch das wurde schon angesprochen, ein neues Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das EAG, kommen, und niemand weiß, ob es dann nicht wieder zur nächsten Änderung dieses Biomassegesetzes kommt, und das ist natürlich wiederum sehr, sehr schwierig für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die ja planen wollen und Rechtssicherheit brauchen.
Was wäre also die Lösung gewesen? – Es wäre weit sinnvoller gewesen, gleich gemeinsam am neuen EAG, inklusive der Biomasse, zu arbeiten und so nachhaltig die Rechtssicherheit und die Planungssicherheit für die Betreiber, für die Unternehmerinnen und Unternehmer zu generieren. Wenn man sich die kritischen Stellungnahmen anschaut, die von fast allen Stakeholdern kommen, dann weiß man auch, dass das eigentlich die richtige Antwort gewesen wäre: Es wäre am sinnvollsten gewesen, es gleich gemeinsam zu erarbeiten.
Weil wir gerade von den Stakeholdern sprechen: Es ist interessant, wenn man sich anschaut, wie auf dieses Gesetz reagiert wurde, denn von fast allen Bundesländern, auch von den schwarzen Bundesländern, vom Städtebund, von der Papierindustrie, der Vereinigung Österreichischer Elektrizitätswerke, der IV, der Arbeiterkammer, der IG-Holzkraft bis hin zu Oesterreichs Energie haben eigentlich fast alle gesagt, dass es massive Probleme bei der Umsetzung dieses Gesetzes geben wird. – Das sollte Ihnen doch eigentlich zu denken geben, wenn so viele relevante Akteure jetzt im Augenblick bestenfalls verhalten auf dieses neue Gesetz reagieren.
Faktum ist einfach, dass anstatt dass man sich mit den Betroffenen und der Opposition hingesetzt und eine langfristige, eine haltbare Lösung für alle erarbeitet hätte, hier heute ein problematisches Gesetz durchgepeitscht wird, und das in einem so sensiblen Bereich wie der Biomasse, die wir dringend brauchen, um weniger abhängig vom Import fossiler Brennstoffe zu werden, und die auch für die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum so wichtig ist.
Wie ich zu Beginn gesagt habe: Ich würde hier wirklich gerne stehen und diese Bundesregierung für etwas Sinnvolles loben, deshalb zum Schluss mein Appell. Es gibt das EAG – wir können hier gemeinsam arbeiten, um diese Fehler auszumerzen und eine Lösung schaffen, die dann auch von allen relevanten Kräften unterstützt werden kann. Dieses Gesetz – das auch noch einmal in aller Härte –, so wie es jetzt vorliegt, wird nämlich mehr Probleme verursachen als es lösen wird. (Beifall bei den NEOS.)
14.38
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich habe mir jetzt die Debatte und die Argumente der Opposition angehört, und ich muss sagen, es ist teilweise schon abenteuerlich. Vor allem das, was die SPÖ hier von sich gibt, ist abenteuerlich. (Abg. Leichtfried: Na ja, das ist schon ein bisschen voreingenommen!)
Herr Leichtfried, es geht um ein Gesetz, und das ist Faktum, das 2002 mit Ihnen, mit der ÖVP, mit den Freiheitlichen erstmals beschlossen wurde, ausverhandelt wurde; 2012 hat es Novellierungen gegeben. Es geht nur um eine Verlängerung um drei Jahre, und da von Intransparenz zu reden und von einem Gesetz, das Sie nicht kennen, dessen Inhalte Sie nicht kennen, das ist wirklich abenteuerlich!
Ich werde Ihnen die Inhalte noch einmal sagen, sie sind nicht so schwierig – Frau Duzdar, wenn Sie jetzt einmal aufpassen! (Zwischenruf der Abg. Duzdar) –: Verlängerung um drei Jahre, und es geht um drei Tarife: Kraftwerke bis 2 Megawatt 10 Cent, von 2 bis 10 Megawatt 9 Cent und über 10 Megawatt 8 Cent. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Das steht in diesem Gesetz. Nichts anderes steht in diesem Gesetz, und Sie sprechen von Intransparenz.
Hier geht es um 47 Kraftwerke, die vor dem Aus stehen, und es gibt schon Kraftwerke, die zusperren, weil der Ökostromtarif ausläuft. Da gibt es ein Beispiel: Ende April wird im Holzkraftwerk Gmünd kein Holz mehr übernommen; mit Ende Juni wird die Produktion von Ökostrom komplett eingestellt, weil der Ökostromtarif ausläuft.
Die Frau Minister hat es schon erwähnt: In der Region gibt es einen riesigen Schadholzanfall; die Bauern müssen sich andere Abnehmer suchen. Und was noch dazukommt: Das Holzkraftwerk wird dann im Sommer mit Öl betrieben. – Das erreichen Sie mit dieser Blockade.
Und vor allem: Wenn Sie dann hergehen und dieses Gesetz, das ja in einem zweiten Teil noch die Schwächeren in unserem Land entlasten wollte – das neue Gesetz tut es natürlich auch –, dann auch noch ablehnen, es im Bundesrat blockieren und Ihre Macht im Bundesrat missbrauchen (Abg. Wittmann: Was heißt „missbrauchen“? Das ist noch immer in ...! Das ist das Recht des Bundesrates!), offensichtlich einfach aus parteipolitischem Kalkül oder vielleicht aus Argumenten, wie sie Herr Schellhorn hier genannt hat, ein Gesetz blockieren und ablehnen, dann ist das Machtmissbrauch. Das ist Machtmissbrauch im Bundesrat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihre Bundesräte werden das dann schon in ihren Ländern erklären können.
Ich verstehe Föderalismus schon, und ich glaube, wenn heute Bundesräte einen guten Grund haben – beispielsweise dass etwas zum Nachteil der Länder wäre –, dann können oder sollen sie das natürlich auch ablehnen. (Abg. Wittmann: Das passt ins Bild!) Ich bin aber neugierig darauf, wie die Länder entscheiden werden! Ich bin neugierig darauf, wie das Land Kärnten, wie Herr Kaiser in Kärnten entscheiden wird (Zwischenrufe des Abg. Wittmann) und was er dann Herrn Novak und Herrn Appé als Bundesratspräsidenten sagen wird, die das Gesetz abgelehnt und blockiert haben. Da bin ich sehr neugierig darauf, wie sich die Kärntner bezüglich ihrer Betriebe und ihrer Unternehmen und vor allem ihrer Arbeitsplätze verhalten werden, ob Kärnten dieses Grundsatzgesetz umsetzen wird oder nicht. Das werden wir uns anschauen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.)
Damit das Ganze also gelöst werden kann, muss jetzt ein Grundsatzgesetz erlassen werden. Das ist natürlich nicht die beste Lösung. (Abg. Leichtfried: Nein, das ist eine schlechte Lösung!) Wir hätten gerne ein Verfassungsgesetz gehabt, das hier wie gesagt im Nationalrat beschlossen und um drei Jahre verlängert wird, aber das ist nicht gegangen. Da sind die NEOS noch mitgegangen; jetzt muss es ein Grundsatzgesetz werden und neun Ausführungsgesetze in den Ländern.
Das ist ein Weg, den auch wir so nicht gehen wollten, aber die Argumentation, warum die NEOS hier jetzt nicht mitgehen, verstehe ich auch nicht, muss ich ganz ehrlich sagen. Jetzt redet man von einem Föderalismuswirrwarr und neun Gesetzgebungen in den Ländern. (Abg. Schellhorn: Das ist doch ein ...! Geh, hör auf!) – Herr Schellhorn, ich verstehen es bei Ihnen deshalb nicht, weil Sie im Finanzausschuss genau das gefordert haben. (Abg. Schellhorn: Was habe ich im Finanzausschuss gefordert?) Im Finanzausschuss fordern Sie Steuerautonomie für Länder, und jetzt gibt es ein Gesetz, mittels dessen genau das passiert (Abg. Schellhorn: Was?), und dann sind Sie dagegen genau mit dem Argument. Also das Argument verstehe ich auch nicht: Einerseits fordern die NEOS Steuerautonomie für Länder; jetzt gibt es ein Gesetz, mittels dessen genau das passiert, dass die Länder Steuerautonomie haben und wir das beschließen müssen, und dann sind Sie mit demselben Argument dagegen. Man ist also mit demselben Argument einmal dafür und das nächste Mal dagegen. Das können Sie mir auch nicht erklären. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schellhorn: Nachhaltig! Nachhaltig!)
Zu Herrn Rossmann fällt mir eigentlich nichts mehr ein, muss ich ehrlich sagen. Er redet jedes Mal von einer ökologischen Steuerreform, bei jeder zweiten Rede erwähnt er das, und er fordert Klimamaßnahmen jetzt. (Abg. Rossmann: Ich habe gar nicht geredet heute!) Also bei Ihnen, Herr Rossmann, ist, muss ich sagen, der grüne Lack ab, und der Kommunist ist sitzen geblieben. Mehr ist nicht mehr. Anders kann ich mir das nicht erklären. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Faktum ist, dieses Gesetz ist notwendig und richtig, damit wir diese Kraftwerke weiterhin betreiben können, damit da nicht wieder fossile Energie zum Einsatz kommt, sondern erneuerbare Energie gefördert wird und diese 6 000 Arbeitslätze auch weiterhin bestehen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
14.44
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.
Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich muss – ich wollte es eigentlich nicht – kurz auf zwei Vorredner der FPÖ replizieren.
Herr Klinger, wenn Sie behaupten, ein Beschluss im Bundesrat, der nicht Ihrer Vorstellung entspricht, sei peinlich, dann muss ich Sie korrigieren: Das ist Demokratie, und ich freue mich, als Europäerin in einer Demokratie leben zu können. (Beifall bei der SPÖ.)
Nun zu Herrn Angerer: Ich finde es wirklich sehr bedauerlich, einen parlamentarischen Beschluss im Bundesrat als „Machtmissbrauch“ zu deklarieren – aber das spricht für Ihre Weltanschauung, für Ihr Weltbild in der FPÖ. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das werden wir nach drei Tagen ...!)
Aber nun zurück zur Sachlichkeit, denn wir diskutieren hier und heute im Parlament ein sehr wichtiges Gesetz. Laut einem Bericht der E-Control vom März 2019 sind in Österreich 117 000 Haushalte von Energiearmut betroffen. 117 000 österreichische Haushalte sind somit nicht in der Lage, ihre Wohnungen dauerhaft mit Energie zu versorgen.
Was heißt das? – Da sitzen Familien mit Kindern in den Wintermonaten in kalten Wohnungen und frieren, und das ist meiner Meinung nach nicht vertretbar. Diese Entwicklung stimmt mich nachdenklich, denn wenn die Energiepreise weiterhin so steigen, wird auch diese Zahl weiter steigen. Wir müssen leistbare Energie sicherstellen! Hier sind nicht nur die Anbieter und die gesetzlichen Energieversorger gefordert, sondern auch wir als Politik. Wir stimmen heute natürlich für eine Befreiung von der Ökostromabgabe, dieses Gesetz basiert ja auch auf unserem Antrag. Dies ist aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Frau Ministerin, weil Sie heute Morgen in der Fragestunde die #mission 2030 angesprochen haben: Da gibt es nur einen jämmerlichen Satz zur Energiearmut, und das finde ich nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die E-Control hat auch eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass gerade Menschen aus einkommensschwachen Haushalten, also genau die auch von Energiearmut betroffene Gruppe, nur sehr mangelhaft über Kenntnisse im Bereich des Energiesparens verfügen. Hier muss angesetzt werden! Es braucht da eine groß angelegte Informationskampagne und ein gut ausgebautes Netz an Energieberatungsstellen, denn nur wer aufgeklärt ist, kann ordentlich Energie sparen und mit Energie effizient wirtschaften. Ich denke hier vor allem auch an unsere Jugend.
Dieser Punkt betrifft aber nicht nur jene, die von Energiearmut betroffen sind, sondern dieser Punkt betrifft uns alle, denn Verschwendung von Energie schadet unserem Klima, und ich möchte in meinem Redebeitrag auch kurz zur Klimapolitik Stellung nehmen.
Der vorgelegte Energie- und Klimaplan der Bundesregierung ist laut zahlreichen wissenschaftlichen Kommentaren – ich darf zitieren – ungeeignet, irgendein Klimaziel zu erreichen. – Zitatende. Viele bereits beschlossene Maßnahmen wurden aufgeweicht und keine nennenswerten Neuerungen stehen auf der Tagesordnung. Österreich, wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Klimaziele bis 2030 nicht erfüllen können, wenn wir nicht sofort umdenken, sofort eine grundlegend andere Klimapolitik angehen, Frau Ministerin.
Unverständlich in diesem Kontext ist, dass Mittel für die Umweltförderungen gekürzt werden, dass Mittel für die Energieforschung drastisch gekürzt werden, und ganz aktuell gibt es einen Artikel in der heutigen Printausgabe der „Presse“ mit der Headline: „Sanierung und ökologischer Neubau von Gebäuden sollen steuerlich begünstigt werden. Das hilft vor allem gewerbetreibenden Bauträgern. Förderungen für Solaranlagen werden sukzessive gekürzt.“ – Und die gewerblichen Bauträger, das sind die Spender von Kurz und der ÖVP, das wissen wir. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Muchitsch!)
Das ist eine Klimapolitik, die nicht einmal den Namen Klimapolitik verdient! Wir sind unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verpflichtet, eine ordentliche Klimapolitik vorzulegen. Wenn wir den Turnaround nicht schaffen, heißt das Strafzahlungen seitens
der Europäischen Union in der Höhe von 9,2 Milliarden Euro, die auf Österreich zukommen. Das werden die Menschen in diesem Land zahlen müssen, und für die tut es mir wirklich leid. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
14.48
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Bißmann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Klimaschutz ist ja glücklicherweise endlich in aller Munde, nicht zuletzt aufgrund der globalen Schulstreikbewegung Fridays for Future.
Klimaschutz ist erneuerbare Energie, und Biomasse ist erneuerbare Energie. Holzkraftwerke erzeugen erneuerbaren, klimafreundlichen Strom und Wärme. Ich möchte heute gar nicht mehr auf die Inhalte der debattierten Ökostromnovelle und des Biomasse-Grundsatzgesetzes eingehen, sie wurden schon genug von den Kollegen und Kolleginnen ausgeführt. Es geht darum, die Einspeisetarife der betroffenen Holzkraftwerke zu verlängern und sie vor dem Zusperren zu bewahren. Ich stehe zu meiner Stimme für die Ökostromnovelle, und ich werde heute auch beim Grundsatzgesetz mitgehen.
Liebe SPÖ, sosehr ich bei der Sozialpolitik auf Linie bin mit euch, beim Klimaschutz, bei der Klimapolitik tue ich mir noch ein bisschen schwer mit euch. Die verhandelnden Regierungsfraktionsvertreter haben bestimmt im Vorfeld der Ökostromnovelle nicht alles richtig gemacht. Man könnte bei so wichtigen parteiübergreifenden Klimaschutzmaßnahmen schon mit etwas mehr Fingerspitzengefühl an die Verhandlungspartner herantreten.
Jedoch, liebe SPÖ, liebe Muna Duzdar, ich möchte schon entschieden der Aussage widersprechen, dass die Bundesministerin und die Regierungsfraktionskolleginnen und -kollegen schuld daran seien, dass die Ökostromnovelle im ersten Anlauf ein derartiger Bauchfleck wurde. Es ging ja nur um die Verlängerung bestehender Förderungen für Holzkraftwerke bis zum Inkrafttreten des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes 2020. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)
Der Umweg, der jetzt über das Grundsatzgesetz, über die Länderregelung gegangen werden muss, ist nicht ideal. Dieser Kritik stimme ich zu. Aber bitte schieben Sie es nicht der ÖVP in die Schuhe, dass dieser Umweg notwendig wurde! Sie haben das Gesetz im Bundesrat blockiert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Die Ökostromnovelle hätte eine Sternstunde parteiübergreifender Zusammenarbeit im Parlament in puncto Klimaschutz werden können, stattdessen wurde eine wichtige Klimaschutzmaßnahme blockiert. Auch wenn sie nicht perfekt war, sie war wichtig und sie ist wichtig.
Weiters muss ich Ihnen sagen, liebe SPÖ, dass ich es nicht ganz glauben kann, dass Sie die Vertreter der Biomassebranche sind, dass Sie diese Branche vertreten. Ich war mit vielen Betreibern von Holzkraftwerken in Kontakt, mit Verbänden und Interessenvertretern dieser Branche und darf Ihnen berichten, das Gros der Branche ist nicht ganz glücklich über Ihre Politik. Ich weiß auch von SPÖ-Bürgermeistern, die die Klimapolitik ihrer Kollegen auf Bundesebene infrage stellen. Das sind natürlich Bürgermeister, in deren Gemeinden Holzkraftwerke Arbeitsplätze sichern, die auch die Klimaschutzperformance der Gemeinden verbessern helfen.
Wir, alle hier in diesem Saal, müssen im Klimaschutz zusammenarbeiten, überparteilich. Nicht zuletzt ist es ein Thema, das jeden Menschen in diesem Land betrifft, jeden Menschen auf dieser Erde. Aber lassen Sie uns zumindest ab jetzt bei der Ausgestal-
tung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes 2020 demonstrieren, dass dem Parlament, dass dem Nachhaltigkeitsministerium, dass der Regierung der Klimaschutz ein zentrales, ein wichtiges, ein parteiübergreifendes Anliegen ist! Das ist unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem schönen Land und vor allem gegenüber den Kindern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
14.52
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor.
Wünschen die Herren Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.
Ich komme zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 geändert wird, samt Titel und Eingang in 557 der Beilagen.
Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.
Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Ich stelle auch hier die erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend Biomasseförderung-Grundsatzgesetz in 558 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Änderungen in den §§ 4 und 6 sowie eine Einfügung in § 5 eingebracht.
Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Wir kommen somit zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einheitliche Vorgangsweise durch Berücksichtigung eines Muster-Landesausführungsgesetzes zum Biomasseförderung-Grundsatzgesetz durch die Landesgesetzgeber“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (E 70)
Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.): Bundesgesetz zur Durchführung von Verpflichtungen aus dem Protokoll von Nagoya sowie der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 (575 d.B.)
Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 7. Tagesordnungspunkt.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Berlakovich. – Wir haben noch 3 Minuten bis zum Aufruf der Dringlichen Anfrage. Wollen Sie noch beginnen? (Abg. Berlakovich verneint dies.) – Gut, dann unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr.
*****
(Die Sitzung wird um 14.57 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen.)
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat“ (3402/J)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3402/J.
Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.
Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:
Beginnen wir mit einer Selbstverständlichkeit: Der Verfassungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen klar dazu geäußert, dass die kompromisslose Ablehnung aller Formen des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Republik sei.
Dieser Konsens hat im Jahr 2019 dieselbe Selbstverständlichkeit zu haben und er hat nicht nur vom Verfassungsgerichtshof, sondern von allen Institutionen und Amtsinhaberinnen und Amtsinhabern dieser Republik geachtet und erhalten zu werden.
Mit diesen Sätzen wurde die dringliche Anfrage im Bundesrat am Donnerstag, den 11. April 2019 an Bundeskanzler Sebastian Kurz eingeleitet. Bedauerlicherweise hatte
der Bundeskanzler zum Thema „klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen und klares Bekenntnis zur Europäischen Union“ nur wenig mitzuteilen. Zehn ausführliche Fragen wurden von ihm in einer Minute Redezeit beantwortet.
Das einzige, was mitgenommen werden konnte, ist die Aussicht, dass die personelle Ausstattung des Extremismusreferates im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung evaluiert und gegebenenfalls auch gestärkt wird. Rechtsextremismusberichte seien nicht notwendig, es müsse der allgemeine Extremismusbericht genügen. Konkreter wurde der Bundeskanzler bei zwei Themen: Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinen Platz in Kabinetten oder Büros der Bundesregierung haben. „Sollte uns jedoch eine solche Tatsache bekannt werden, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen“, so der Bundeskanzler. Er persönlich lehne Schaltungen in rechts- wie auch linksextremen Publikationen in aller Deutlichkeit ab, dies sei jedoch Sache der einzelnen Ressorts. Alles in allem ist Bundeskanzler Sebastian Kurz also im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht besonders engagiert, sondern eher verärgert, dass er sich mit einem solchen Thema auseinandersetzen muss.
Ein Bundeskanzler ist gemäß dem System unserer Bundesverfassung aber für die Auswahl der Bundesregierung verantwortlich, er schlägt diese vor und er kann jederzeit einzelne Mitglieder der Bundesregierung entlassen. Er trägt die Verantwortung für das Agieren der einzelnen Mitglieder der Bundesregierung, für die Achtung und Wahrung des antifaschistischen Grundkonsenses der 2. Republik sowie für die Positionierung der Republik Österreich in Europa.
Gegenwärtig stellt die Freiheitliche Partei Österreichs die Hälfte der Mitglieder der Bundesregierung und den Vizekanzler. Bei der Ressortverteilung wurden beide Sicherheitsressorts, sowohl das Innenministerium wie auch das Landesverteidigungsministerium, in den Kompetenzbereich von FPÖ-Ministern gelegt. Auch dafür trägt der Bundeskanzler die Verantwortung.
Von Tag zu Tag werden gleichzeitig aber immer wieder neue Sachverhalte darüber bekannt, wie eng die Beziehung zwischen seinem Regierungspartner FPÖ und der Identitären Bewegung in Österreich ist.
Um die Identitären kurz zu charakterisieren, sei eine Aussage von Martin Sellner, den Vorsitzenden dieser Bewegung, zitiert:
„Es existiert Krieg, ein Kampf bis aufs Messer. Damit dieser Krieg gewonnen werden kann, müssen wir ihn beginnen."“
Dazu passt, dass bei den Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der Identitären Bewegung nicht nur umfangreiches Propagandamaterial, sondern auch Gaspistolen, Schlagstöcke, Butterfly-Messer und andere Waffen sichergestellt wurden.
Die finanzielle Ausstattung dieser rechtsextremen Bewegung erfolgt hauptsächlich durch Spenden. Laut Recherchen von ZiB 2 und Salzburger Nachrichten nahmen die Identitären seit 2012 über drei Fördervereine mindestens 700.000 Euro ein. Wie bereits nachgewiesen werden konnte, erfolgt die laufende Finanzierung durch regelmäßige Spender, angeblicher Weise rund 500 Personen, sowie 600 Einzelspenden im letzten Kalenderjahr. Eine Überprüfung der Spenderlisten brachte eine hohe Übereinstimmung zwischen Spendern und Personen, die ebenfalls im Umfeld der FPÖ aktiv sind. Eine besonders hohe Übereinstimmung besteht im Bereich der Jugendbewegungen der FPÖ, aber es wurden durchaus auch Persönlichkeiten aus der aktiven Politik in den Medien genannt. Die Beziehungen sollen aber auch in die Ministerien direkt führen, also zu Personen, die die Politik der Bundesregierung aktiv mitgestalten und beeinflussen.
Die Finanzierung dieser rechtsextremistischen Bewegung findet aber auch durch das offizielle Österreich statt:
So vergaben 2018 die Ressorts der FPÖ Minister Strache, Kickl, Hofer und Kunasek Inserate in der Höhe von insgesamt € 71.636 an vom DÖW als rechtsextrem eingestufte Magazine wie den „Wochenblick“, „Zur Zeit“ oder „alles roger?“, wie parlamentarische Anfragen ergaben. FPÖ-Ressortminister haben daher auf Kosten der Steuerleistungen der Österreicherinnen und Österreicher dafür gesorgt, dass rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet wird. Ein solcher Vorgang ist nicht nur als besorgniserregend, sondern als demokratiegefährdend zu werten.
Die Gleichgültigkeit des Bundeskanzlers diesen Sachverhalten gegenüber zeigt sich durch seine Beantwortung im Bundesrat. Es reicht nicht, wenn er persönlich gegen Inseratenschaltungen in rechtsextremen Medien ist, nein er muss es verbindlich anordnen. Dazu hat Sebastian Kurz ausreichend rechtliche Möglichkeiten. Dafür trägt Sebastian Kurz die Verantwortung. Dafür ist er Bundeskanzler.
„Grazie a Harald e a tutti gli storici amici e alleati austriaci della FPÖ che hanno aderito all’appello di Milano „Verso l’Europa del Buonsenso!“
„Vielen Dank an Harald und alle historischen österreichischen Freunde und Verbündeten der FPÖ, die sich dem Mailänder Aufruf „Towards a Europe of Common Sense“ angeschlossen haben!“
Mit diesen Worten begrüßte Matteo Salvini den Entschluss der FPÖ, also einer österreichischen Regierungspartei, der von ihm gegründeten rechten Allianz im Europaparlament beizutreten und deren politische Inhalte zu unterstützen. Eine Allianz, der Parteien wie die AfD, die Lega, der Front Nationale und andere rechte Parteien, aber eben auch die FPÖ, angehören sollen.
All diese Parteien vereint ein ideologischer Grundsatz, nämlich die Europäische Union schwächen bzw. zerstören zu wollen, um den Nationalismus in Europa zu stärken.
Es ist anzunehmen, dass der Koalitionspartner von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Zukunft verstärkt einen antieuropäischen Politikansatz vertreten wird. Damit werden aber auch Institutionen wie die Europäische Menschenrechtskonvention infrage gestellt, die Basis und Grundlage unseres liberalen Rechtsstaates ist, und Nationalismus sowie Ausländerfeindlichkeit gefördert.
Auch hier trägt der Bundeskanzler Mitverantwortung; ein bloßer Hinweis auf die aktuellen Europawahlen ist als Reaktion auf diese besorgniserregende Entwicklung zu wenig.
Da diese politischen Parteien in Österreich vielleicht noch etwas zu unbekannt sind, seien deren politische Einstellungen kurz vorgestellt, damit man sich ein Bild machen kann, in welche Richtung die FPÖ sich entwickelt:
Marine Le Pen (Rassemblement National): „Ich will die EU zerstören, nicht Europa! Ich glaube an das Europa der Nationen.“ (Le Pen, Der Spiegel, 2.6.2014)
Auf einer Pressekonferenz mit Matteo Salvini in Rom im Oktober 2018 bekräftigte Le Pen: „Wir kämpfen zusammen mit Salvini nicht gegen Europa, sondern gegen die Europäische Union, die zu einem totalitären System geworden ist. Wir kämpfen gegen diese Europäische Union um das wahre Europa zu retten.“ (euronews, 8.10.2018)
AfD-Bundessprecher Alexander Gauland sagte vor dem AfD-Parteitag im Jänner 2019 in Riesa, dass die EU „krank an Kopf und Gliedern“ sei und von Grund auf reformiert werden müsse. (APA, 13.1.2019)
Salvini bei einer Pressekonferenz mit Viktor Orbán Ende August 2018 in Mailand: „Heute beginnt eine Reise, die uns in den nächsten Monaten auf dem Weg zu einem anderen Europa (…) führt. (…) All das, was die Soros-finanzierten europäischen Eliten, die von den Macron’s präsentiert werden, abgelehnt haben. Ich glaube, wir stehen kurz vor einem historischen Wendepunkt auf kontinentaler Ebene.“ (APA, 28.8.2018; RT, 29.8.2019)
Salvini bei einer Plenarsitzung des EU-Parlaments im August 2018: „Ich entschuldige mich beim Publikum (…) für diesen Irrsinn in diesem Haus. (…) Ihr seid nicht normal meiner Meinung nach. (…) Euch sollte ein sehr guter Arzt therapieren!“ „Ich warte nur darauf, dass das EU-Parlament auch noch eine Psycho-Polizei einführt, um nicht ganz Linientreue die nicht (…) gleichgeschaltet sind zu verfolgen.“ (Salvini, Rede vor dem EU-Parlament, 13.4.2017)
Es ist daher äußerst besorgniserregend, in welche Richtung sich die Hälfte der österreichischen Bundesregierung entwickelt, ohne dass der Bundeskanzler aktiv dagegen auftritt. Die Äußerungen dieser neuen Allianz gehen jedoch nicht nur in Richtung EU-Feindlichkeit. Nein, sie sind vielmehr den Nationalsozialismus verharmlosend und fremdenfeindlich auf einem Niveau, das nur als verabschiedungswürdig betrachtet werden kann.
So führte Alexander Gauland, AfD, aus: „Hitler und die Nazis sei nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“
So auch Bernd Höcke, der in einem Interview ausführte, dass es ein Problem sei, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird, und dass es nicht so Schwarz und Weiß sei. Denn in der Geschichte gebe es kein Schwarz und kein Weiß, es gebe vielmehr viele Grautöne.
Der Gründer der rechten Allianz trat in der Vergangenheit mit folgenden Äußerungen an die Öffentlichkeit:
Salvini: „Wir brauchen eine Massen-Säuberung. Straße für Straße. Quartier für Quartier.“ Oder: „Wenn ich Minister werde lasse ich alle Migranten zurück an Afrikas Strände bringen, mit einem freundlichen Schulterklopfen, einem Päckchen Nüsse und einem Eis.“
Offen versprach er „eine kontrollierte ethnische Säuberung“.
Das sind also jene politischen Parteien, mit welchen die FPÖ in der nächsten Periode im Europaparlament eine enge politische Zusammenarbeit pflegen wird, eine Allianz, der wohl auch die Mitglieder der Bundesregierung, die der FPÖ angehören, verpflichtet sein werden. Damit bewegt sich die Republik Österreich, zumindest ein bedeutender Teil dieser Republik, in eine Politik der Schwächung bis hin zur Zerschlagung der Europäischen Union, der europäischen Grundwerte und Freiheiten hin zu einem Bekenntnis zum Nationalismus verbunden mit einer Skepsis gegenüber Ausländern, wenn nicht sogar zu einer Politik der Ausländerfeindlichkeit.
Dieser Befund wird nicht nur von Oppositionspolitikern geteilt, sondern sogar der langjährige ÖVP-Abgeordnete Ferdinand Maier führte in der Tiroler Tageszeitung am 12. April 2019 aus:
„Es gibt viele Anzeichen dafür, dass wir auf dem Weg in die Dritte Republik sind“, befindet Ferdinand Maier-mit Verweis auf Aussagen von FPÖ-Chef Jörg Haider in den 1990er-Jahren. „Als das damals öffentlich bekannt geworden ist, habe ich niemanden in der ÖVP getroffen, der gejubelt hat ob dieser Ideen. Nun wird das toleriert und akzeptiert. Man ist sukzessive weiter nach rechts gerückt.“
Diesem Urteil ist wenig hinzuzufügen. Eines wird aber immer deutlicher: Auch andere europäische Länder betrachten diese Entwicklung Österreichs mit Skepsis. So häufen sich die Hinweise, dass unser Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung aus verschiedenen Gründen immer mehr von den Partnerdiensten abgeschnitten wird. Österreich bekommt Informationen nur mehr äußerst selektiv und ist sogar aus den Arbeitsgruppen des Berner Clubs, eine Vereinigung der europäischen Nachrichtendienste, ausgeschlossen. Eine Entwicklung, die gerade in Zeiten von Terrorbedrohungen von rechtsextremer, aber auch von islamistischer Seite her äußerst gefährlich ist. Die Österreicherinnen und Österreicher erhalten gegenwärtig nicht mehr den Schutz, den sie bisher gewohnt waren. Eine Gründung dieser rechten Allianz unter aktiver Mitwirkung einer österreichischen Regierungspartei wird diesen Trend noch verstärken, einen Trend der Ablehnung der Zusammenarbeit mit Österreich.
Neben diesen sicherheitspolitisch bedenklichen Entwicklungen wurde am 18. April 2019 der Index der Pressefreiheit veröffentlicht. Die Überschrift dieser Mitteilung lautete: Pressefreiheit in Österreich alarmierend verschlechtert. Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen hat die Republik Österreich in ihrer neuen Weltrangliste zur Lage der Medien binnen eines Jahres um 5 Plätze auf Rang 16 hinuntergestuft. Der Indexwert fiel von „gut“ in den Bereich „ausreichend“. Diese Entwicklung ist beschämend und trägt die Handschrift der freiheitlichen Mitglieder der Bundesregierung, wieder unter Duldung durch Bundeskanzler Sebastian Kurz.
In der Begründung der Herabstufung Österreichs wurden der Angriff von Vizekanzler Heinz-Christian Strache gegenüber den ORF-Redakteur Armin Wolf (Vorwurf der Lüge), der Aufruf der RFJ der kritischen Standard-Redakteurin Colette Schmidt zu schreiben (samt Foto und Mailadresse der Journalistin), die interne Anordnung des Innenministeriums, kritischen Medien wie Falter, Standard und Kurier nur geringstmögliche Informationen zur Verfügung zu stellen, sowie die Angriffe von FPÖ-Stiftungsräten und-Politikern auf den Ungarn-Korrespondenten des ORF Ernst Gelegs und Report-Chef Wolfgang Wagner genannt.
Auch zu diesen unglaublichen Entgleisungen haben weder Bundeskanzler Sebastian Kurz, noch der zuständige Medienminister Gernot Blümel Stellung bezogen, schon gar nicht diesen für die Republik Österreich blamablen Vorgängen widersprochen oder die eigentlich wirklich notwendigen personellen Maßnahmen eingeleitet. Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, nennt die Entwicklungen alarmierend. Aus unseren Nachbarländern wissen wir, wie leicht angreifbar scheinbar unangreifbare Werte wie Pressefreiheit sind. Umso mehr müssen wir uns für sie einsetzen. Ich bin schockiert darüber, in welche Richtung sich die Pressefreiheit in einem Land wie Österreich entwickelt hat. Unabhängiger Journalismus ist die Basis jeder Demokratie und muss entsprechend verteidigt werden.
Konsequenz muss daher sein, dass die Bundesregierung sofort alle Maßnahmen setzen muss, um das Vertrauen in die Existenz einer qualitativ hochwertigen Pressefreiheit wiederzuerlangen. Auch hierfür trägt neben der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit Bundeskanzler Sebastian Kurz, aber auch sein Medienminister Gernot Blümel die Verantwortung. Diese Maßnahmen sind umgehend zu setzen, Ziel muss es sein, im Index der Pressefreiheit in Österreich 2020 einen Platz unter den ersten Zehn zu erreichen.
Ein weiterer wesentlicher Faktor zur Aufrechterhaltung einer liberalen Demokratie und eines Rechtsstaates ist die Justiz. Der zuständige Bundesminister Josef Moser ruft seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit nach Hilfe, was die Finanzierung von Planstellen für Richter und Staatsanwälte betrifft. Das personelle Aushungern der Justiz ist ein weiterer Hinweis darauf, dass unser liberaler Rechtsstaat und unsere liberale Demokratie in eine illiberale Richtung verändert werden. Genauso, wie es zu wenig Planstellen für die
Bekämpfung des Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gibt, stehen auch zu wenige Staatsanwälte zur Verfügung, um beispielsweise Hass im Netz intensiv entgegenzutreten und zu bekämpfen. Anstatt Budgetmittel für Eigenwerbung, aufgeblähte Kabinette und Generalsekretariate oder Imagekampagnen durch Inseratenschaltungen (auch in rechtsextremen Medien) zu verwenden, sollten diese Mittel gezielt der Justiz zur Verfügung gestellt werden, um die Dauer der Verfahren deutlich zu verkürzen, aber auch die Bekämpfung von Hass im Netz intensiv und verdichtet zu führen. Denn Hass im Netz ist ein Umstand, der die Gesellschaft in Österreich spaltet und Solidarität und Gemeinsamkeit zerstört.
Die Vorgänge am letzten Wochenende, von der Veröffentlichung eines Rattengedichtes durch die FPÖ-Braunau bis hin zum Teilen einer rechtsextremen Plattform im Internet durch den Vizekanzler, haben gezeigt, welche Priorität eine aktive Politik zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich gegenwärtig innehat. Mit diesem Rattengedicht eines FPÖ-Vizebürgermeisters einer Bezirkshauptstadt, welches sich an nazistischen Schmähschriften gegenüber Jüdinnen und Juden orientiert, wurde das internationale Ansehen Österreichs wiederum auf das Spiel gestellt, die internationale Berichterstattung – von der BBC über die FAZ bis zur NY-Times – war für Österreich ein enormer Schaden. Es ist die rote Linie deutlich und mehrfach überschritten. Herr Bundeskanzler handeln sie endlich und entlassen Sie den Vizekanzler aus der Bundesregierung, der maßgebliche Verantwortung für die freiheitliche Regierungsmannschaft trägt.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler folgende
Dringliche Anfrage
1. Welche Ergebnisse brachte die Evaluierung des Extremismusreferates im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung?
2. Wann ist mit einer Aufstockung der personellen Ressourcen in diesem Referat zu rechnen, um gezielt und effektivextremistische Aktivitäten in Österreich zu bekämpfen, was offensichtlich bisher nicht gelungen ist?
3. Wann wird endlich wieder ein eigener Rechtsextremismusbericht jährlich erstellt, um der spezifischen Situation Österreichs aus seiner Geschichte heraus entsprechend eine gezielte und effiziente Bekämpfung des Rechtsextremismus zu ermöglichen und die Österreicherinnen und Österreicher transparent darüber zu informieren?
4. Was brachten die Überprüfungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten und den Generalsekretariaten betreffend allfällige Nähen zu rechtsextremistischen Gedankengut und wie viele Personen wurden wegen Verbindungen zu rechtsextremistischen Bewegungen aus ihren Ämtern entfernt, wie dies von ihnen in der Beantwortung der dringlichen Anfrage im Bundesrat angekündigt wurde?
5. Wer hat diese Überprüfungen wann und auf welche Art und Weise vorgenommen?
6. In der Beantwortung der dringlichen Anfrage im Bundesrat haben sie erklärt, dass sie gegen Inseratenschaltungen in rechts- und linksextremen Medien sind. Was hat die Bundesregierung bisher rechtlich und politisch unternommen, um solche Inseratenschaltungen in Zukunft zu verhindern?
7. Welche europapolitischen Maßnahmen wird die Bundesregierung betreffend die Bildung der rechten Allianz durch Matteo Salvini hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung der Europäischen Union setzen?
8. Welchen Einfluss auf die Politik der Bundesregierung hat der Umstand, dass ihr Koalitionspartner aktiv an dieser Allianz beteiligt ist betreffend die Ausrichtung der österreichischen Bundesregierung in Fragen betreffend die Zukunft Europas?
9. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um den beschämenden Umstand, dass Österreich in der Weltrangliste zur Lage der Medien um 5 Plätze auf Rang 16 heruntergestuft wurde, zu korrigieren und Österreich unter die Top 10 in diesem Index zu bringen?
10. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um unabhängige Journalistinnen und Journalisten vor Angriffen aus der Politik insbesondere aus dem Kreise der Regierungsfraktionen zu schützen?
11. Wird die Bundesregierung im Gegensatz zur Vorgangsweise des Innenministeriums in Zukunft allen Journalistinnen und Journalisten den gleichen Zugang zu Informationen gewährleisten?
12. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um den Rechtsstaat zu garantieren und der Justiz die notwendigen Ressourcen insbesondere in personeller Hinsicht zur Verfügung zu stellen, um einerseits Verfahren rasch zu erledigen, andererseits aber auch einen effizienten Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich zu leisten?
13. Wird die Bundesregierung dafür sorgen, dass ausreichend Planstellen (zum Beispiel in der Form von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften) zur Bekämpfung von Hass im Netz zur Verfügung stehen und durch welche Maßnahmen wird dies bis wann erfolgen?
14. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um das internationale Ansehen Österreichs mittel- und langfristig wiederherzustellen?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage dringlich zu behandeln.
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Leichtfried als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich darf Ihnen am Anfang ein Zitat näherbringen:
Der Verfassungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen klar festgestellt, dass „die kompromisslose Ablehnung“ aller Formen „des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen“ Demokratie ist. Das gilt natürlich auch für 2019. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)
Das hat der Bundeskanzler gesagt, an den die Anfrage eigentlich gerichtet ist. – Wo ist der Bundeskanzler? (Ruf bei der ÖVP: Na geh!) Wo ist er? (Abg. Wöginger: In China ist er, und du weißt das ganz genau! – Ruf bei der ÖVP: Ganz Österreich weiß das!) Er ist wieder nicht da, aber das ist man eh schon gewohnt.
Der Herr Bundeskanzler hat noch etwas gesagt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu dürfen keinerlei Platz in Kabinetten oder Büros der Bundesregierung haben. Sollte uns eine solche Tatsache bekannt werden, werden selbstverständlich umgehend Konsequenzen gezogen.
Das hat der Herr Bundeskanzler auch gesagt. Es wundert mich, dass Sie da nicht klatschen zu dem, was der Bundeskanzler so sagt. (Abg. Zarits: Weil du es sagst!) Vielleicht klatschen Sie aus einem ganz bestimmten Grund nicht, denn wenn man nur ein
bisserl recherchiert, kommt man zu einer erstaunlichen Erkenntnis: Es gibt kaum ein freiheitliches Kabinett, in dem nicht jemand ist, der zumindest im Verdacht steht, rechtsextremistisch zu sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Das genügt!)
Geschätzte Damen und Herren! Was ist mit diesem Grundkonsens, Herr Bundeskanzler? Was ist mit Konsequenzen, Herr Bundeskanzler? Wo ist Ihre Haltung in dieser Frage, Herr Bundeskanzler? Nichts als hohle Worte! (Beifall bei der SPÖ.)
Es sind ja nicht nur die Mitarbeiter. In den vergangenen Wochen waren wir Zeuge von Ereignissen, die mir aus demokratiepolitischer Sicht große Sorgen machen. Was ist in den vergangenen Wochen deutlich in der Öffentlichkeit zutage getreten? – Enge Verbindungen von FPÖ-Politikern zu rechtsextremen, antidemokratischen Netzwerken wie zum Beispiel den Identitären; ein EU-Spitzenkandidat, Herr Vilimsky, der einen Moderator, der ihm unangenehme Fragen stellt, hinauswerfen will (Widerspruch bei der ÖVP) – lesen Sie „Österreich“, da steht es! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ) –; ein Innenminister, der sich über das Recht stellt; ein Vizekanzler – Sie, Herr Vizekanzler! ‑, der eine Facebook-Seite bewirbt, die den Holocaust leugnet; und am Ostermontag dieses menschenverachtende Rattengedicht als Ostergruß.
Ich frage: Was ist mit dieser Regierung? Was ist mit euch? Das kann doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)
Nach 15 Monaten schwarz-blauer Bundesregierung sind die Dämme in diesem Land gebrochen. (Abg. Rädler: Burgenland!) Es wurden immer mehr Verstrickungen der FPÖ mit Rechtsextremen an die Oberfläche gespült, die moralischen Dämme von Politikern und Politikerinnen, insbesondere FPÖ-Politikern, reißen immer mehr ein und drohen einzustürzen.
Gegenwärtig, geschätzte Damen und Herren – denken Sie einmal darüber nach! –, stellt die Freiheitliche Partei Österreichs die Hälfte der Mitglieder der Bundesregierung und den Vizekanzler. Der Bundeskanzler – und es ist der Bundeskanzler, der dafür am Ende verantwortlich ist! – hat dieser FPÖ beide Sicherheitsressorts zugeteilt, die Nachrichtendienste und das Kommando über 86 000 bewaffnete Österreicherinnen und Österreicher. Sebastian Kurz hat die FPÖ mit den höchsten bundespolitischen Ämtern versorgt. Es ist am Ende der Bundeskanzler, der hier die Verantwortung trägt und sich heute vor dieser Sitzung drückt, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Der Kanzler ist entschuldigt! Das geht so nicht! So geht das nicht!)
Und alles, was man hört, sind nur leere Worte, Worthülsen. (Abg. Wöginger: Er ist entschuldigt! Die Geschäftsordnung gilt auch für die SPÖ!) – Herr Klubobmann Wöginger! (Abg. Wöginger: Nein, da tut es sich wirklich einmal!) Der Kalender des Nationalrates dürfte dem Bundeskanzler mindestens schon seit einem Jahr bekannt sein. Und wenn er jedes Mal, wenn das Parlament tagt, irgendwo anders ist, ist das seine Verantwortung (Abg. Wöginger: Das ist ja nicht wahr!), und daran sieht man auch, wie ernst er dieses Parlament nimmt! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)
Es ist bei leeren Ankündigungen geblieben. Ja, ein Vizebürgermeister ist irgendwo zurückgetreten – großartig, großartige Leistung! Aber das war es auch schon. Die wirklichen Konsequenzen bleiben aus. Was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihren Kabinetten, Herr Vizekanzler? Was ist mit denen? Sind die noch immer dort? Ich frage Sie: Sind die noch immer dort? – Ja, sie sind noch immer dort! (Abg. Rosenkranz: Weil es keine Rechtsextremen sind!) Keinerlei Konsequenzen hat es gegeben, keinerlei Konsequenzen! Und das ist eine Gefahr für die Demokratie im Land, für die Sicherheit im Land und für die Österreicherinnen und Österreicher, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Und was macht die FPÖ? Was macht ihr? – Ihr sitzt da und ignoriert die ÖVP, ihr ignoriert den Bundeskanzler. Ja, wenn sie sich das gefallen lassen, ist das ihre Sache. Und
die Regierungsmitglieder der FPÖ sprechen weiter auf rechtsextremen Veranstaltungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind weiter in den Regierungsbüros, und die FPÖ-Minister finanzieren weiter rechtsextreme Zeitungen, geschätzte Damen und Herren! Das ist das, was de facto in unserem Land passiert, und das ist das, was die große Gefahr für dieses Land ist, für unser Österreich!
Allein diese Einblicke zeigen, ihr seid ein Risiko für unser Land! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir erleben, dass die Grenzen des politischen und menschlichen Anstands in Österreich laufend ohne Konsequenzen überschritten werden – und damit diese Grenzen auch immer weiter verschoben werden. Ich fordere Sie alle auf, und es ist mir bitterernst damit: Es muss in unserem Land demokratischer Grundkonsens bleiben, dass Menschen nicht herabgesetzt, nicht beleidigt und nicht gedemütigt werden dürfen! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich frage Sie, Sie von der ÖVP: Was muss noch passieren, dass es Konsequenzen gibt? Fakt ist leider, dass der Bundeskanzler nicht willens oder nicht in der Lage zu sein scheint, diese Entwicklung zu stoppen. Beides ist höchst gefährlich. Deshalb haben wir uns auch an den Bundespräsidenten gewandt, und er hat im Gegensatz zum Bundeskanzler reagiert. Er hat den Herrn Vizekanzler zu sich zitiert. Er hat nicht weggesehen.
Es ist aber auch wichtig, geschätzte Damen und Herren, vor allem jene, die uns zusehen, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehen, dass dieses Parlament, dieses Hohe Haus, das die wichtigste Institution eines demokratischen Staates ist, solche Entwicklungen nicht hinnimmt. (Beifall bei SPÖ und JETZT.)
Deshalb haben wir auch diese Dringliche Anfrage eingebracht und deshalb fordern wir dazu auf, Rechtsextremismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Deshalb fordern wir auch ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, zur liberalen Demokratie, zum Rechtsstaat, und, geschätzte Damen und Herren, der Bundeskanzler wird aufgefordert, endlich die Frage zu beantworten – jetzt tut er sich schwer, weil er nicht hier ist; jetzt müssen Sie das machen, Herr Strache, was natürlich ein bisschen schwierig ist, aber Sie kriegen das schon hin –, welche konkreten Handlungen er setzt, um gegen den Rechtsextremismus in Österreich und die Verstrickungen seiner Regierung in rechtsextremen, antidemokratischen Gruppen und Netzwerken vorzugehen.
Ich bin der Überzeugung, dass die FPÖ zu viele dieser Chancen, die sie auch gehabt hat, verspielt hat (Abg. Gudenus: Im Burgenland vor allem!): ein Vizekanzler, der Inhalte einer Webseite teilt, die den Holocaust leugnet – Herr Strache, das ist nicht tragbar, das sage ich Ihnen ganz offen; und Sie teilen sie nicht nur, Sie bewerben sie dadurch und machen sie einer noch größeren Gruppe von Menschen zugänglich –, Inhalte, die uns an eine Zeit erinnern, von der hoffentlich wir alle hoffen, dass sie nie wiederkommt.
Herr Strache, Sie sind nicht irgendjemand. Sie sind der Vizekanzler dieser Republik, Sie sind der FPÖ-Parteiobmann, Sie sind für die FPÖ-Ministerinnen und FPÖ-Minister verantwortlich, und Sie können und dürfen sich nicht aus dieser Verantwortung stehlen. Und wenn der Bundeskanzler nicht in der Lage ist, diese Verantwortung wahrzunehmen, müssen wir Sie, Herr Strache, parlamentarisch zur Rechenschaft ziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)
Für die Sozialdemokratie ist das Maß voll. Aus unserer Sicht sind Sie für die Republik, für unsere Heimat in dieser Funktion nicht mehr tragbar. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gudenus.)
Wir stellen heute einen Misstrauensantrag gegen Sie, Herr Strache, und die ÖVP wird die Möglichkeit haben, zu zeigen, wie sie zum Verfassungskonsens steht, wie sie zu
Konsequenzen steht und wie sie zu Haltung steht. Das wird sich heute zeigen, geschätzte Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Wöginger: Zur Geschäftsbehandlung!)
15.12
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülergruppe aus dem Gymnasium in Eisenstadt und die Schülergruppe der Handelsschule in Oberpullendorf herzlich begrüßen. Herzlich willkommen hier bei uns im Hohen Haus! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. – Abg. Wöginger: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung!)
*****
Herr Klubobmann Wöginger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Klubobmann-Stellvertreter Leichtfried hat mehrmals in seiner Rede darauf hingewiesen, dass der Bundeskanzler heute nicht anwesend ist.
Ich halte fest: Der Bundeskanzler ist ordnungsgemäß schriftlich für beide Plenartage entschuldigt, weil er auf einer Auslandsreise in China ist.
Des Weiteren halte ich fest, dass der Bundeskanzler von den letzten zwölf Nationalratssitzungen bei sechs anwesend war, zweimal war er entschuldigt (Abg. Wittmann: Aber heute ist er nicht anwesend!), und eine dieser Entschuldigungen war, weil er das Holocaust-Denkmal in Maly Trostinec mit eingeweiht hat. – Ich halte es für notwendig, das zu Protokoll zu geben.
Herr Klubobmannstellvertreter Leichtfried, nehmen Sie Abstand davon, es zu kritisieren, wenn der Bundeskanzler auf Auslandsreise und ordnungsgemäß entschuldigt ist! Es hat auch SPÖ-Bundeskanzler gegeben, die auf Auslandsreise waren, und es hat keine Fraktion gegeben, die das kritisiert hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
15.14
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr stellvertretender Klubobmann Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Klubobmann Wöginger! Ich verstehe die Aufregung jetzt nicht ganz. Mir ist bekannt, dass der Herr Bundeskanzler heute entschuldigt ist. (Abg. Wöginger: Wieso fragst du dann, wo er ist? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist nur auffällig, dass der Herr Bundeskanzler dann, wenn es ernst wird, dieses Haus meidet. (Beifall bei der SPÖ.)
Das zeigt, was für eine Einstellung er zur parlamentarischen Demokratie hat, und darauf wollte ich aufmerksam machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Ernst wird es, wenn es dir einfällt, oder wie? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
15.14
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. – Bitte.
15.15
Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Ich möchte mich vorerst bei der SPÖ dafür bedanken, dass sie mir heute die Gelegenheit gibt, einige Dinge klar- und richtigzustellen.
Die Dringliche Anfrage haben Sie, Herr Abgeordneter Leichtfried, an den Herrn Bundeskanzler gerichtet, den ich heute verfassungsgemäß vertrete. Und natürlich ist es auch ein bisschen ein durchschaubares Manöver vor der Wahl zum Europäischen Parlament, denn natürlich war Ihnen bekannt, dass der Herr Bundeskanzler seit längerer Zeit eine für Österreich durchaus wichtige Auslandsreise, nämlich nach China, geplant und fixiert hat. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Es war daher nicht unbekannt, dass er heute nicht hier sein wird. So gesehen ist das auch nicht überraschend. Und natürlich verstehe ich, dass Klubobmann Wöginger das kritisiert, wenn man hier überrascht tut (Abg. Leichtfried: Der Parlamentskalender war dem Bundeskanzler schon länger bekannt!) oder das sozusagen zu einem Vorwurf erhebt.
Bevor ich Ihre Fragen beantworte, möchte ich einige grundsätzlichen Dinge festhalten. Niemand in dieser Regierung und auch niemand von den beiden Regierungsparteien will die Demokratie schwächen – niemand! Niemand will die Europäische Union zerstören – weil auch das in der Begründung Ihrer Dringlichen Anfrage heute zu lesen ist. Niemand unterstützt Extremismus (Ruf: Geh, geh, geh!), nämlich weder Rechtsextremismus noch Linksextremismus, auch nicht Extremismus, der sich vielleicht hinter dem Mantel einer Religionsgemeinschaft versteckt. So gesehen sind Ihre Unterstellungen haltlos. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)
Wann immer es um Verhetzung oder Antisemitismus oder nationalsozialistische Wiederbetätigung geht, haben wir sehr, sehr klare Linien, wir haben sehr, sehr klare und deutliche Gesetze, und da greift der Rechtsstaat auch ein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dort habe ich auch immer sehr, sehr klare Linien gezogen, weil das in unserer Demokratie keinen Platz hat und auch nicht zu tolerieren ist. Ich habe das mehrfach betont, und ich ziehe auch überall dort, wo diese Linien überschritten werden, wenn das in meinem Zuständigkeitsbereich liegt, klare Konsequenzen.
Sie können sich in Ihrer Anfrage seitenweise, was Sie ja tun, auf die Identitären beziehen, Sie müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass wir Freiheitlichen und die Freiheitliche Partei mit diesem Verein organisatorisch und strukturell nichts zu tun haben und vor über einem Jahr darüber hinaus auch einen verbindlichen Beschluss, einen Vorstandsbeschluss gefasst haben, mit dem wir diese Abgrenzung auch deutlich gemacht haben, nämlich dass eine Mitgliedschaft bei den Identitären unvereinbar mit einer Funktion in der FPÖ ist. In manchen Bundesländern liegt der entsprechende Beschluss sogar länger zurück.
Wir sind definitiv nicht für Aussagen von Vereinen oder Personen verantwortlich, auch nicht für Aktionen, die nichts mit der Freiheitlichen Partei zu tun haben, und lassen uns da auch nicht in Geiselhaft nehmen, Herr Abgeordneter.
Und ja, ich bin sehr wohl der Meinung, dass diese Gruppierung beobachtet werden muss, so wie alle Verbindungen oder Vereine, bei denen es den Verdacht auf Extremismus geben kann, natürlich beobachtet werden sollen, gleich ob links, rechts oder religiös motiviert, weil es auch die Aufgabe des Staates ist, dort zu prüfen, wo es konkrete Verdachtsmomente gibt.
Was unsere europäischen Bündnispartner betrifft, so haben Sie hier in üblicher Manier Zitate aus dem Zusammenhang gerissen oder auch verzerrt dargestellt und Nebensätze ins Monströse aufgeblasen. Ich sage, das richtet sich von selbst. Dass es ange-
sichts der Wahlen zum Europäischen Parlament natürlich Nervosität gibt, das liegt schon auf dem Tisch, denn natürlich gibt es Umfragen und natürlich gibt es auch Entwicklungen, im Rahmen derer bisher schon bestehende Fraktionen miteinander in Gespräche getreten sind und sich abzeichnet, dass in Zukunft vielleicht aus drei bisherigen europäischen Freiheitsfraktionen eine gemeinsame große entstehen kann. Dass es deshalb Aufregung gibt, das kann ich schon nachvollziehen; noch dazu, wenn die sozialistische Fraktion auf europäischer Ebene laut Umfragen nicht gerade zulegt, sondern eher abbaut.
Noch einmal: Niemand will die Europäische Union zerstören. Es gibt natürlich massiven Reformbedarf in der Europäischen Union – das werden ja hoffentlich nicht einmal Sie selbst, Herr Abgeordneter Leichtfried, leugnen (Zwischenruf des Abg. Wittmann), denn Sie müssten wirklich betriebsblind sein, wenn Sie meinen, es sei auf Ebene der Europäischen Union alles bestens und in Ordnung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Gerade der Brexit hat in den letzten Monaten auch einiges aufgezeigt, nämlich dass es da eine Entwicklung gibt, die insgesamt nicht erfreulich ist, eine unendliche Geschichte, die uns eigentlich Warnung sein sollte, aber diese Warnung verstehen vielleicht nicht alle. Es ist weiterhin in manchen Bereichen ein more of the same der Fall, und das ist kein zukunftsfähiges Modell. Wenn man so weitermacht wie bisher, dann wird mit dieser falschen Entwicklung in der Europäischen Union natürlich ein Schaden angerichtet, und genau darum geht es: dass man diese Fehlentwicklungen aufzeigt und korrigiert.
Gerade dann, wenn man für ein Friedensprojekt Europa eintritt, muss man Fehlentwicklungen der Europäischen Union kritisieren und auch zu einer Verbesserung der Struktur beitragen, damit die Akzeptanz für dieses Projekt bei den europäischen Völkern wieder steigt und nicht weiter sinkt.
Auch die Pressefreiheit ist mitnichten bedroht, Herr Abgeordneter, ebenso wenig wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten; auch diese ist nicht bedroht.
Und was dieses berüchtigte und – ja, ich sage es so – fürchterliche Gedicht mit Vergleichen, die nicht passend und die geschmacklos sind, betrifft, kann ich sagen, da wurden auch unverzüglich die Konsequenzen gezogen.
Insgesamt bieten Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage schon ein Sammelsurium an diversen ideologisch motivierten Weltuntergangsfantasien, die von der Realität nicht bestätigt werden können. Das, was Sie hier betreiben, ist das klassische Denken, das oftmals in einer gewissen sozialen Blase und in einer Echokammer vorhanden ist und im Rahmen dessen man Ängste schürt und offenbar auch versucht, zur Spaltung beizutragen. Sie schüren Ängste mit Un- oder teilweise auch Teilwahrheiten – etwas, was Sie bei anderen in der Vergangenheit immer verurteilt haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Ihre Parteivorsitzende, Frau Dr. Pamela Rendi-Wagner, hat unlängst gesagt: „Wir werden alle demokratischen Mittel ausnützen, wenn Respekt und Anstand verloren gehen und die Demokratie in Gefahr gerät.“ – So das Zitat.
An diese Aussage – diesen Eindruck muss man haben – haben Sie sich beim Verfassen dieser Anfrage nicht erinnert und auch nicht gehalten, denn die Fülle von Vorwürfen, die darin enthalten sind, und die Inszenierungen, die da vorhanden sind, sind natürlich polemisch. Sie haben da offenbar viel aus der Vergangenheit in Ihrer Partei fortgesetzt, was unter Kern, aber auch Silberstein leider Gottes traurige Realität gewesen ist.
Ich habe vor zwei Tagen mit dem Herrn Bundespräsidenten ein Gespräch geführt – das hat der Herr Abgeordnete angesprochen –, aber das war kein Hinzitieren, sondern das war der übliche monatliche Gesprächstermin, den wir haben, um uns auszutauschen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Im Zuge dieses Gesprächs, dieses Austausches – ja, selbstverständlich, denn jeder Verantwortungsträger hat das selbstverständlich zu tun – haben wir auch festgehalten, dass gerade politische Verantwortungsträger und im Besonderen Regierungsvertreter Verantwortung tragen, wenn es darum geht, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, der natürlich wichtig ist, nicht gefährdet wird, und wenn es darum geht, dass es um ein Klima des Respekts geht. Bei Ihrer Inszenierung vermisse ich diese Haltung; Sie fordern sie ein, aber leben Sie im Rahmen dieser Inszenierung nicht wirklich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Sie betreiben Silberstein hoch zwei – und das sind genau die, ich sage, ja, üblen Methoden, mit denen Sie schon 2017 gescheitert sind und die Ihnen jetzt auch nicht helfen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Sehr geehrte Frau Parteivorsitzende, Sie haben ja auch einen offenen Brief an den Herrn Bundespräsidenten geschrieben. Darin halten Sie einiges fest. Sie schreiben etwa, dass Sie zahlreiche Vorkommnisse durchaus mit Bedauern und mit einer gewissen Kritik zur Kenntnis nehmen, aber auch wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Vorkommnisse erlebt, die wir kritisiert haben, Vorkommnisse in Ihrer Partei, Vorkommnisse, die Ihre Partei mit zu verantworten hatte, die wir aber mit großer Sorge und auch mit Bedauern gesehen haben.
Wir haben da in der Vergangenheit einige Entwicklungen erlebt – ob das jetzt das politische Versagen in manchen Bereichen gewesen ist oder Chaos, Stillstand und Streit und auch die Belastungspolitik und Schuldenpolitik auf dem Rücken der Menschen; das Land wurde da und dort durchaus in Krisenszenarien hineingeführt –, angesichts derer man sagen muss, wir haben diese zum Glück korrigiert. Wir haben aber erleben müssen, dass die Grenzen der konstruktiven Kritik bei Ihnen da enden, wo eine andere Meinung anfängt, und alles, was nicht Ihrer Meinung entspricht, wird automatisch in Richtung Extremismus verunglimpft. Das ist einfach nicht redlich, und das muss man konsequent zurückweisen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Sie haben in Ihrem offenen Brief auch das Wort gemeinsam sehr betont. Gemeinsam – ein Wort, das natürlich auch für Sie wichtig ist, aber auch in der SPÖ-Parteizentrale groß angebracht werden sollte, denn nur gemeinsam kann man gute Politik machen, und gemeinsam ist nicht die Synthese von gemein und einsam.
Antworten Sie bitte nicht mit einer falschen Moral und auch nicht mit permanenter künstlicher Aufregung bei allem, was nicht Ihrer eigenen Meinung entspricht. Es gibt zum Glück Vielfalt, Pluralität und gerade in einer Demokratie unterschiedliche Meinungen – ob sie Ihnen allen gefallen, ist eine andere Frage, aber das macht gerade die Breite einer demokratischen Gesellschaft aus. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Dort, wo Extremismus beginnt, sollten wir alle im Sinne des demokratiepolitischen Grundkonsenses auch unserer Verfassung gemeinsam vehement dagegenhalten – aber ich sage, gerade dort, wo Extremismus und Gewalt auch wirklich evident sind und nicht in einer verzerrten Darstellung, wo man den Eindruck hat, dass Sie aus parteipolitischer Motivation grundsätzlich versuchen, Andersdenkende in solch eine Ecke zu stellen, wo sie nicht hingehören. Das ist etwas, was sich auch die 26 Prozent der österreichischen Wählerinnen und Wähler, die der Freiheitlichen Partei ihr Vertrauen geschenkt haben, nicht nur nicht verdienen, sondern was diese auch zu Recht empört, wenn man das so betreibt, wie Sie das tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Gerade dann, wenn es um solch wesentliche Themen des österreichischen demokratischen Grundkonsenses geht, sollte man besonders sachlich sein und nicht mit fal-
schen Behauptungen Zwietracht und Verunsicherung säen, denn das ist ein Zustand, der teilweise wirklich untragbar ist und der im wahrsten Sinne des Wortes den Begriff bemüht, der heute auch schon von Ihrer Parteivorsitzenden in den Mund genommen wurde: Da geht es um Hetze, und genau die hat in unserer Gesellschaft nichts verloren.
Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass es mit Ihrer Parteivorsitzenden zu einer Verbesserung bezüglich dieser Haltung in Ihrer Partei kommen werde. Diese Hoffnung ist aber leider Gottes enttäuscht worden, denn man muss wirklich wahrnehmen, dass es einfach die Fortsetzung des Kurses unter Ihrem ehemaligen Parteichef Kern ist.
In mir werden Sie immer einen Politiker haben, der natürlich für gelebte Demokratie, für Menschenrechte, für Anstand und Respekt einsteht, Frau Rendi-Wagner, und ich bin gerne bereit, dann, wenn es um diese Werte geht, jederzeit die Hand auszustrecken, aber das sollte dann auch ehrlich gemeint sein. Ich würde mich freuen, wenn wir in dieser Haltung gemeinsam für Österreich arbeiten könnten. Unterschiede in politischen Ansichten sollten eben nicht in Diffamierung, Dirty Campaigning oder Frontalopposition münden, wie das teilweise auch bei Ihnen der Fall ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Beantwortung Ihrer Fragen komme, noch Folgendes: Herr Abgeordneter Leichtfried, Sie haben in Ihrer Rede dargestellt, dass ich Inhalte einer Webseite geteilt haben soll, wo der Holocaust geleugnet wird. Herr Abgeordneter Leichtfried, gerade das ist ein solches Beispiel! Ich habe keine Inhalte geteilt, wo der Holocaust geleugnet wurde, und ich weise das auf das Schärfste zurück. Da wird es wirklich unappetitlich, denn da handelt es sich um das schlimmste Menschheitsverbrechen, um einen gezielten, industriellen Massenmord an Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Religion, und das ist ein Wahnsinn, der hoffentlich von allen verurteilt wird. Gerade in dieser Sache sollten Sie besonders sachlich und redlich sein (Beifall bei FPÖ und ÖVP) und nicht in dieser Art und Weise Verquickungen darstellen, die eben ausdrücklich nicht der Realität entsprechen. (Abg. Kuntzl: Was haben Sie dann geteilt?)
Ich komme zur Beantwortung Ihrer Fragen.
Zu den Fragen 1 und 2:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt eine Evaluierung des gesamten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Diese Evaluierung umfasst eine detaillierte Analyse aller Aufgabenbereiche sowie deren ressourcenmäßiger Ausstattung. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse werden entsprechende organisatorische und ressourcentechnische Maßnahmen gesetzt werden.
Die Ressourcen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, aber auch im Bereich der Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurden in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund der stetig steigenden Aufgabenstellungen sukzessive und deutlich erhöht. Die derzeit beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung verfügbaren personellen und technischen Ressourcen ermöglichen jedenfalls eine umfassende und zeitnahe Bearbeitung aller gestellten Aufgaben.
Zur Frage 3:
Die Bundesregierung kämpft gegen jegliche Form des Extremismus, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um Linksextremismus, Rechtsextremismus oder einen religiös motivierten Extremismus handelt. Die Bundesregierung legt jährlich den Verfassungsschutzbericht vor, der alle staatsschutzrelevanten Aspekte umfassend betrachtet und auch all die Elemente des Extremismus, die es in unserer Gesellschaft gibt, entsprechend darlegt. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass alle Formen des Extremismus ohne Einschränkung entsprechend beleuchtet werden. Jeder Extremismus
ist gleich mies, daher ist da nicht zu differenzieren. Ich sage, das ist auch unsere klare Haltung.
Zu den Fragen 4 und 5:
Wie der Herr Bundeskanzler bereits in der letzten Bundesratssitzung ausgeführt hat, haben Personen aus dem rechtsextremistischen Milieu keinen Platz in den Kabinetten oder Büros der Bundesregierung. Sollte uns – Sie stellen das ja immer wieder in den Raum, ohne aber irgendeinen Namen oder einen Beleg zu nennen – irgendwo eine Tatsache bekannt werden, werden wir selbstverständlich umgehend entsprechende Konsequenzen ziehen. Im Übrigen wird, Bezug nehmend auf die Anregung, eine Sicherheitsüberprüfung für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten von Ministerien zu beantragen, die Zugang zu vertraulichen Informationen haben, darauf verwiesen, dass eine solche standardmäßig erfolgt und natürlich auch vorgenommen wurde. So gesehen hätte das auch dort schon sichtbar werden müssen – das ist ausdrücklich nicht der Fall.
Zur Frage 6:
Wie der Herr Bundeskanzler ebenfalls bereits im Bundesrat erörtert hat, ist die Vergabe von Inseraten Entscheidung der einzelnen Ressorts. Schaltungen in extremistischen Publikationen lehnen wir als Bundesregierung ab. (Ruf bei der SPÖ: Warum gibt’s das dann? – Abg. Leichtfried: Warum machen Sie es dann?) – Wenn Sie einen Zwischenruf machen, dann gehe ich gerne darauf ein: Nicht jedes Medium, das Ihrer Gesinnung nicht entspricht, ist extremistisch. Auch das muss man einmal festhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Gerade die Presse- und Medienfreiheit ist Ihnen hoffentlich wirklich heilig (Abg. Leichtfried: Ja! Dem Herrn Vilimsky auch? Oder?), und nicht nur dort, wo es sich um ein Medium handelt, das Ihrer Gesinnung entspricht.
Zu den Fragen 7 und 8:
Auf europäischer Ebene konnten unter dem österreichischen Ratsvorsitz verschiedenste Maßnahmen gesetzt werden, die jegliche Form von Extremismus verurteilt haben und auch gegen jede Form von Extremismus gerichtet waren. Beispielsweise konnte eine Einigung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Onlineinhalte erreicht werden. Es ist uns ebenfalls gelungen, den gemeinsamen Kampf und die entschlossene Vorgehensweise gegen jede Form von Antisemitismus zu stärken. Dieser Fortschritt wurde durch eine Erklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rats im Dezember 2018 auch manifestiert.
Die Institution des Europäischen Parlaments verkörpert die europäische liberale Demokratie und somit die demokratische Legitimität in der Europäischen Union. Es gilt daher, demokratisch gewählten Parteien auch frei zu überlassen, sich im Europäischen Parlament in Fraktionen zusammenzuschließen. Dieser demokratische Prozess bildet einen wesentlichen Grundpfeiler unserer demokratischen Wertestruktur, die Sie hoffentlich nicht infrage stellen.
Zu den Fragen 9 und 10:
Die Pressefreiheit ist in Österreich als Grundrecht verfassungsrechtlich verankert und stellt damit eine wesentliche Basis natürlich für unsere Demokratie und selbstverständlich auch insbesondere für unsere Politik dar. Pressefreiheit basiert auf der Meinungsfreiheit und gehört zu den höchsten Gütern der Demokratie. Es gehört zu unseren Pflichten als Demokraten, die freie Meinungsäußerung – ja, die passt einem vielleicht nicht immer – selbstverständlich nicht nur zu schützen und hochzuhalten, sondern es auch anzuprangern, wenn diese Freiheit Gefahr läuft, angegriffen zu werden.
Und natürlich ist Kritik immer legitim, das macht das Wesen einer Demokratie aus. Dafür treten wir als Bundesregierung ein und haben etwa journalistische Arbeit bei der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung explizit ausgenommen. Damit haben wir nicht nur klargestellt, dass an der Pressefreiheit nicht zu rütteln und jede Einschränkung inakzeptabel ist, wir haben damit vielmehr eine nachhaltige Maßnahme zur Stärkung der Presse- und Medienfreiheit gesetzt.
Zur Frage 11:
Die Bundesregierung wird, wie dies selbstverständlich auch durch das Bundesministerium für Inneres geschieht, alle Journalistinnen und Journalisten in bewährter Weise servicieren und ihre rechtlich vorgesehene Auskunftspflicht allen Medien und der interessierten Öffentlichkeit gegenüber erfüllen.
Zu den Fragen 12 und 13:
Schon jetzt wird auf die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hass im Netz besonderes Augenmerk gelegt. Dass die Justiz sehr effektiv gegen alle Formen des Extremismus, aber insbesondere auch im Bereich von Verhetzung und Wiederbetätigung vorgeht, belegen die steigenden Anfalls- und Erledigungszahlen.
Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der wirkungsvollen Bekämpfung extremistischer Straftaten wurden in den letzten Jahren richterliche und staatsanwaltliche Planstellen nicht nur nicht eingespart, sondern darüber hinaus sogar sukzessive vermehrt.
Ungeachtet dessen wird die Bundesregierung auch weiter unter Wahrung der Budgetziele dafür Sorge tragen, dass den Staatsanwaltschaften die erforderlichen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen und die gestiegenen Herausforderungen, insbesondere auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung und des Cybercrime, rasch und qualitätsvoll bewältigt werden können.
Zur Frage 14:
Österreich genießt international ein ausgezeichnetes Ansehen, und wir sind fester Bestandteil der internationalen Gemeinschaft mit einem klaren Bekenntnis zum Multilateralismus. Dies hat insbesondere der vergangene Vorsitz im Rat der Europäischen Union gezeigt. Österreich konnte in der zweiten Jahreshälfte 2018 die Europäische Union positiv mitgestalten und auch wichtige Themen auf den Weg bringen, und die gute Arbeit wurde – auch wenn das vielleicht den einen oder anderen nicht interessiert – auch insbesondere vom Kommissionspräsidenten Juncker und auch vom Ratspräsidenten Tusk gelobt.
Österreich ist auch Standort vieler internationaler Organisationen. Unter anderem haben die Vereinten Nationen hier in Wien einen ihrer vier Sitze, und kürzlich wurde zudem auch der Ausbau wichtiger internationaler Organisationen am Standort Wien bekannt gegeben. Österreich wird auch zukünftig natürlich ein wichtiger Brückenbauer auf europäischer und internationaler Ebene sein. Ich glaube, wir sind daher alle gut beraten, unser gutes Image im Ausland nicht anzupatzen. Das hat schon in der Vergangenheit ganz, ganz schlecht auf die österreichische Bevölkerung gewirkt. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
15.37
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Sie kennen den Brauch: jede Fraktion 25 Minuten, jeder Redner 10 Minuten.
Als Erste ist Frau Klubobfrau Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen
und Herren! Herr Vizekanzler, wenn Sie heute hier zum Thema Brexit Stellung beziehen und sich quasi als der Supereuropäer und Verteidiger der Europäischen Union geben, darf ich Sie an etwas erinnern, und zwar an Ihre eigene Presseaussendung vom 26. Juni 2016. (Abg. Wöginger: Das ist drei Jahre aus!) In dieser haben Sie Folgendes geschrieben:
„Wir gratulieren den Briten zu ihrer wiedererlangten Souveränität. Das Ergebnis ihres gestrigen Referendums ist eine Weichenstellung für die Demokratie [...]“ (Abg. Leichtfried: Da schau her!)
Ich könnte jetzt mit zahlreichen Interviewaussagen Ihres Spitzenkandidaten Vilimsky fortsetzen, in denen er unter anderem am 20. Februar 2016 von der EU Besserstellungen Österreichs forderte und Folgendes sagte:
„Wenn nicht, wäre es ratsam, auch ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, quasi den Öxit, anzudenken.“ – So weit mit Ihrer Liebe und Ihrem Bekenntnis zur Europäischen Union, Herr Vizekanzler. (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist Ihnen alles bekannt! Michael Köhlmeier warnte vor genau einem Jahr in seiner viel beachteten Rede in folgenden Worten: „Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, nie, sondern mit vielen kleinen [...]“. – Es sind genau diese kleinen Schritte, die Ihre Freiheitliche Partei jetzt schon fast täglich als sogenannte Missverständnisse, Ausrutscher (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT), als Einzelfälle abtut, und mit diesen kleinen Schritten werden laufend Grenzen überschritten.
Diese laufende Grenzüberschreitung hat nur ein Ziel, nämlich Grenzen zu verschieben, Grenzen neu zu setzen. Es sind die Grenzen des politischen und moralischen Anstandes, die hier von Ihnen neu gesetzt werden, die immer weiter und weiter, Stück für Stück verschoben werden.
Ja, und wenn wir genau hinschauen, dann merken wir über die laufenden Monate auch eines: Diese Schritte werden größer. Diese Schritte und Stücke der Grenzverschiebung werden dabei immer lauter, und das zeigt die Gefahr dabei: Es zeigt die Gefahr der schleichenden Gewöhnung, die Gewöhnung an neue moralische Grenzen. Das ist das wirklich Gefährliche, sehr geehrte Damen und Herren, und das ist das wahre Ziel. Für uns ist klar: An diese Grenzüberschreitungen kann und darf sich die Politik, kann und darf sich die Gesellschaft niemals gewöhnen! (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)
Die Frage ist nur – und das ist die entscheidende Frage –: Wer trägt da die Verantwortung? – Das Bundes-Verfassungsgesetz lässt daran keinen Zweifel: Der Bundeskanzler schlägt die Bundesregierung vor. Der Bundeskanzler kann einzelne Mitglieder der Bundesregierung entlassen. Er trägt die Verantwortung für die Handlungen der Mitglieder der Bundesregierung. Er trägt auch die Verantwortung für die Achtung und Wahrung des demokratischen Grundkonsenses.
Wie geht der Bundeskanzler unserer Republik mit dieser Verantwortung um? – Genau diese Frage ist der Maßstab, an dem man ihn messen wird, und die Maßzahlen heißen: Mut, Haltung und Durchsetzungskraft. (Beifall bei der SPÖ.)
Was aber haben wir bisher dazu gesehen? – Es sind verbale Appelle des Kanzlers, die so gut wie ungehört blieben, die im luftleeren Raum verhallt sind. Heute zieht der Kanzler sogenannte rote Linien, morgen werden genau diese wieder überschritten. Die FPÖ ignoriert quasi die Worte des Bundeskanzlers, ja noch mehr: Sie ignoriert sie nicht einmal, sie macht weiter wie bisher – eine Grenzüberschreitung hier und eine Grenzüberschreitung dort.
Das ist das, was sich vor allem auch im Umgang mit den Medien und den Journalistinnen und Journalisten dieses Landes tagtäglich zeigt, wenn man etwa beim „ZIB 2“-
Interview Harald Vilimskys vor laufender Kamera hört, dass dieser droht, dass ein Interview nicht ohne Folgen bleiben wird, und tags darauf noch eines drauflegt und meint: „Wäre ich Generaldirektor, dann würde ich Armin Wolf vor die Tür setzen.“ (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ja, dann gibt es auch noch einen FPÖ-Stiftungsrat Steger, der ein ORF-Interview als „pervers“ bezeichnet, und wir haben einen FPÖ-Vizekanzler, der auf Facebook postet: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF.“ (Abg. Bösch: Meinungsfreiheit!) Ja, dahinter steckt eine klare Strategie, sehr geehrte Damen und Herren: die Strategie der Freiheitlichen Partei Österreichs.
Das hat der oberösterreichische Landesrat Podgorschek bei einer Rede vor der AfD kürzlich klargemacht, und es könnte nicht besser zusammengefasst werden. Ich zitiere: „Was wir unbedingt durchführen müssen, ist eine Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisierung vorgeworfen wird. Das müssen wir durchziehen.“ – Ihr FPÖ-Parteikollege. (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich! Unglaublich! – Abg. Scherak: Er sagt es wenigstens! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ja, das alles hat ein Ausmaß erreicht, sehr geehrte Damen und Herren, bei dem alle Alarmglocken läuten müssten. Freie Medien, freie Journalistinnen und Journalisten sind ein Grundpfeiler unserer Demokratie! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)
Genau an diesen Grundpfeilern sägen Sie jeden Tag, aber wir werden da eine rote Linie ziehen, denn für uns Sozialdemokraten ist eines klar: Wenn Anstand und Respekt verloren gehen und wenn die Demokratie durch Rechtsextremismus untergraben wird, dann werden wir niemals tatenlos zusehen! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT.)
15.45
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nehammer. (Abg. Leichtfried – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Nehammer –: Wir hören eh alle gut!)
Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Die SPÖ wirft dem Bundeskanzler vor, im Kampf gegen Rechtsextremismus und Abscheulichkeiten, die in den letzten Tagen passiert sind, zu wenig aktiv zu sein. (Abg. Lindner: Richtig!)
Wahr ist vielmehr: Der Bundeskanzler hat immer, wenn es notwendig war, ganz klar festgestellt, wo in einer Demokratie eine rote Linie ist, wo in einer Republik eine rote Linie ist, wo es gerade auch im Umgang mit Identitären kein Wischiwaschi geben darf.
Er hat festgestellt, dass Rechtsradikale mindestens so gefährlich sind wie extremistische Islamisten, er hat auch ganz klargemacht, dass diese Trennlinie auch in der Koalition, in der Zusammenarbeit ganz klar sichtbar sein und gezeigt werden muss, und er hat das auch von unserem Koalitionspartner eingefordert.
Genau das Gleiche war es, als dieses abscheuliche Rattengedicht publik geworden ist, und jeder hier im Haus, jeder, der hier sitzt, findet es entsetzlich und abscheulich. Auch da hat er unmittelbar, klar und schnell eine Reaktion gefordert.
Jetzt kommt etwas, was Sie vonseiten der SPÖ in Ihren Darstellungen unterschlagen: Diese Reaktionen von unserem Koalitionspartner, vom Vizekanzler kamen: klar, eindeutig; und auch das Bekenntnis dazu, wachsam zu sein, dass diese Dinge sich nicht wiederholen dürfen.
Das ist das, was man aus dem Befund der letzten Tage feststellen kann. Der Bundeskanzler hat in seiner Rolle als Verantwortungsträger für diese Bundesregierung, für die Republik einen Koalitionspartner, einen Vizekanzler an der Seite, der bezüglich genau dieser Themenfelder, die Sie aufzeigen und als gefährlich identifizieren, dies ebenfalls weiß und etwas tut; und auch in der Fraktion der Freiheitlichen erfolgt die klare Verurteilung dessen, was da passiert ist, sei es das Rattengedicht, sei es der Umgang mit Identitären. Ganz klar! Unmissverständlich! (Abg. Schellhorn: ... grad was anderes! – Abg. Lindner: Glauben Sie das wirklich?)
Was aber für mich interessant ist: Die Anfrage und auch der Misstrauensantrag kommen ja von der SPÖ, und die Frau Klubobfrau und der Klubobfraustellvertreter sagen ja, es gehe ihnen um das Thema Glaubwürdigkeit (Ruf bei der SPÖ: So ist es!), es gehe ihnen darum, dass sie es völlig absurd finden, dass wir als neue Volkspartei mit den Freiheitlichen in einer Koalition sind. Das ist schon ein wenig seltsam, Frau Bundesparteiobfrau Rendi-Wagner, wenn Sie das so feststellen.
Da sind Sie aber wahrscheinlich nicht so alleine. (Abg. Leichtfried: Vorsitzende heißt das!) – Das stimmt, ihr habt auch früher noch einen Zentralsekretär gehabt. – Der Klubobfraustellvertreter hat mich gerade darauf hingewiesen, dass es Vorsitzende heißt bei der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, die 1991 noch Sozialistische Partei Österreichs geheißen hat.
Kommen wir aber zu den Fakten aus dem Nationalratsklub! (Abg. Vogl: Ein Historiker, oder? – Ruf bei der SPÖ: Sind Sie jetzt schwarz oder türkis? – Heiterkeit der Abg. Friedl.) – Frau Abgeordnete Friedl amüsiert sich gerade, das freut mich auch sehr. Mich würde interessieren, wie Sie damit umgehen, dass Ihr Landeshauptmann im Burgenland in einer Koalition mit der Freiheitlichen Partei ist. (Abg. Leichtfried: Tun Sie nicht ablenken! – Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) – Ich weiß, dass Ihnen das jetzt unangenehm ist. – Herr Klubobfraustellvertreter Leichtfried hat gemeint, ich solle jetzt nicht ablenken, aber ich finde, das ist eine sehr interessante Frage, wenn man gerade so wie Sie hier draußen gestanden ist, sowohl Sie als auch Ihre Vorsitzende, und ganz moralisch agiert. Ich höre keine Antwort, wie es Ihnen damit geht (Abg. Rendi-Wagner: Sie sind ja am Wort! – Zwischenrufe der Abgeordneten Knes und Leichtfried), dass Ihr Landeshauptmann in einer Koalition mit den Freiheitlichen ist. Empört Sie das als freie Mandatarin des SPÖ-Klubs nicht? Ziehen Sie daraus Konsequenzen? (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.) Was ist dann das?
Auch in Oberösterreich, die oberösterreichischen Kollegen (Abg. Wittmann: Wie lange ist der Dollfuß bei euch im Klub gehangen?): Wie geht es Ihnen in der Zusammenarbeit in Linz mit der Freiheitlichen Partei? (Abg. Scherak: Nur weil die das ...!) Da ist das alles für den SPÖ-Klub offensichtlich in Ordnung. (Abg. Rendi-Wagner: Nette Ablenkung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da gibt es keine Agitation. Und wenn ich mir jetzt etwas wünschen könnte, um Beweis zu führen, dass Doppelmoral mir gerade aufseiten der SPÖ gegenübersitzt (Abg. Wittmann: Wie lange ist der Dollfuß bei Ihnen gehangen?), dann ist das Kollege Wittmann: Er führt gerade Kanzlerdiktator Dollfuß an.
Es ist die SPÖ, die Geschichte verharmlost (Widerspruch bei der SPÖ), indem es ihr nicht zu dumm ist, keine Konsequenzen von einem hochrangigen SPÖ-Funktionär zu fordern, der unseren Klubobmann, einen demokratisch gewählten Mandatar mit mehr Vorzugsstimmen als viele aufseiten der SPÖ, die hier sitzen, von den Wählerinnen und Wählern bestätigt, mit Dollfuß vergleicht. (Abg. Rendi-Wagner: Niemand hat verglichen!)
Es geht aber noch weiter: nicht nur mit Dollfuß an sich, wegen seiner politischen Tätigkeiten, nein, sondern die Gleichen, die hier in der SPÖ gerade in der ersten Reihe sitzen, die von Gerechtigkeit, Fairness, Antidiskriminierung sprechen, sagen: Na, der
Wöginger ist nicht nur politisch wie Dollfuß, sondern auch von seiner Körpergröße her. (Abg. Drozda: Geh bitte! – Abg. Rendi-Wagner: Das haben Sie gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ja unglaublich, richtig! – Geh bitte? Kollege Drozda sagt gerade: Geh bitte! – Das ist tatsächlich unglaublich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.)
Das ist in zweierlei Hinsicht ein Skandal (Abg. Kuntzl: Das haben Sie jetzt gesagt!): weil es eine Verharmlosung ist und weil es keine Konsequenzen gibt. Und bei all den Skandalen, die passiert sind - - (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner – auf Abg. Nehammer deutend –: Das hat ja er gesagt!) – Nein, leider nicht, Frau Vorsitzende, das hat Ihr Kollege Ackerl gesagt. Frau Vorsitzende, ich spreche mit Ihnen! Es hat Kollege Ackerl gesagt. (Abg. Lindner: Sitzt er da? Sitzt er da?) Es tut mir leid, dass ich Sie ansprechen muss, aber Sie fordern auch sonst Konsequenzen vonseiten der FPÖ.
Wissen Sie, was der Unterschied zwischen der SPÖ und der FPÖ ist? (Abg. Rendi-Wagner: Sie verteidigen die FPÖ!) – Bei jeder Entgleisung gibt es Konsequenzen vonseiten der FPÖ (Abg. Rendi-Wagner: Bei jeder? Bei jeder? – Ruf bei der SPÖ: Glauben Sie das ernsthaft?!) gegenüber ihren Mitgliedern und Leuten (Abg. Rendi-Wagner: Wo denn? Wo? – weitere Wo-Rufe bei der SPÖ), aber bei der SPÖ fehlt jede Konsequenz, wann immer es eine Entgleisung gibt! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Tu nur! Tu nur!)
Bleiben wir einfach bei den Fakten! Wissen Sie, was (ein Blatt Papier in die Höhe haltend) das ist? – Das sind zusammengetragene Entgleisungen der SPÖ. Meine Redezeit wäre jetzt zu kurz, um alle vorzulesen, aber es hat nie eine personelle Konsequenz gegeben, es hat nie eine Aufforderung von der Parteiobfrau oder vom Klubobfraustellvertreter gegeben, zu handeln und da zu agieren.
Ich erinnere an das „Nobelhure“-Posting, ich erinnere daran, dass ein jetzt amtierender Landesobmann aus Tirol sexistische Bemerkungen machen darf und es keinerlei Konsequenzen hat. (Abg. Wöginger: Der wird gewählt auch noch! – Abg. Gudenus: ... Narrenfreiheit! – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Das wird vonseiten der SPÖ – jetzt gerade auch wieder mit den Reaktionen, auch von Bundesgeschäftsführer Drozda, vielleicht fängt es die Kamera ein – relativiert, man sagt: Na, ist eh nichts passiert! – Das ist ja unglaublich! (Abg. Leichtfried: Herr Nehammer, fällt Ihnen zu Rechtsextremismus auch was ein? – Zwischenrufe der Abgeordneten Drozda und Rendi-Wagner.)
Und weil Kollege Wittmann auch immer so bedacht auf die Verfassung und die Würde des Hauses und die Demokratie ist: Herr Kollege Wittmann, Sie hätten ganz viel zu tun im Bezirk Wiener Neustadt. (Abg. Drozda: Hast du irgendwas zu Rechtsextremismus zu sagen? – Abg. Rendi-Wagner: Das Thema ist Rechtsextremismus! – Abg. Drozda: Kannst du was dazu sagen?) Wissen Sie, dass im Bezirk Wiener Neustadt die Sozialistische Jugend des Geburtstags Lenins gedenkt? (Ah-Ruf bei der ÖVP.) Linksextremismus ist genauso zu verurteilen wie Rechtsextremismus, und es wird den Millionen Opfern des Kommunismus nicht gerecht, wenn da vonseiten der SPÖ weggeschaut und vom Kollegen Wittmann milde darüber hinweggelächelt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Bleiben wir aber beim Thema Glaubwürdigkeit und Angriffe der SPÖ, bleiben wir dabei! Das, was mich wirklich erschüttert, und das sage ich ganz offen (Abg. Leichtfried: Dass du kein Wort zum Rechtsextremismus verlierst!), ja, Klubobfraustellvertreter Leichtfried, was mich wirklich erschüttert, ist, dass du zur Kenntnis nimmst und tolerierst, dass ihr als SPÖ – und hinter dir sitzt Kollege Drozda als Bundesgeschäftsführer, und die Vorsitzende nimmt es zur Kenntnis, weil sie dafür verantwortlich ist – jemanden in der Partei beschäftigt, der antisemitische und rassistische Facebook-Seiten ins Netz stellt.
(Abg. Rendi-Wagner: Er ist nicht beschäftigt!) Er ist beauftragt vonseiten der SPÖ, er hat eine eigene Agentur, und das war – nur zur Erinnerung an alle, die jetzt zuschauen – genau der Mitarbeiter, der mit Tal Silberstein gemeinsam diese schrecklichen Seiten ins Internet gestellt hat, Fakeseiten (Abg. Zarits: Unerhört! Wahnsinn!), die Sebastian Kurz in die Nähe des Rechtsextremismus, des Antisemitismus gebracht haben oder ihn sogar in Soros-Kontakt gezeigt haben, um Antisemiten auf ihn aufmerksam zu machen.
Das sind die Methoden des Tal Silberstein und seines Mitarbeiters (Abg. Rendi-Wagner: Das Rattengedicht ist von gestern!), und der Mitarbeiter, der ist jetzt aktiv von Ihnen beschäftigt, Frau Vorsitzende. (Abg. Rosenkranz: Sie sind von gestern! Die Genossen sind von gestern! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)
Frau Vorsitzende, reden wir über Herrn Pöchhacker, so heißt der Mann nämlich, der Schatten von Tal Silberstein! Wie können Sie es verantworten, Frau Vorsitzende - - Frau Vorsitzende, ich ersuche Sie, kurz so viel Höflichkeit aufzubringen, mir zuzuhören, wenn ich Sie anspreche! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Ich würde Sie darum bitten, mir zuzuhören, wenn ich Sie frage, wie Sie es verantworten können, einen Mann zu beschäftigen, der antisemitische und rassistische Inhalte auf Facebook stellt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Wir beschäftigen ihn nicht! Er ist nicht beschäftigt!) Das ist der eigentliche Skandal.
Noch ein kurzes Wort auch zu den Angriffen – Schlusswort (Abg. Leichtfried: Kurzes Wort zum Thema Rechtsextremismus!) – des Klubobfraustellvertreters Leichtfried, wo denn der Kanzler sei: Herr Klubobfraustellvertreter Leichtfried, der Kanzler ist bei der Seidenstraßenkonferenz in China, mit dem chinesischen Staatspräsidenten. Er sichert Arbeitsplätze für diese Republik, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, und tut das, was ein Bundeskanzler tun soll. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
15.57
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Rosenkranz. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Landsleute! Diese Dringliche Anfrage samt Misstrauensantrag ist ein bemitleidenswerter Auftritt der Selbsthilfegruppe Problemlösung in der Öffentlichkeit, abgekürzt SPÖ. Und Sie haben mehrere Probleme.
Erstes Problem: Sie sind keine Regierungspartei mehr, und das schmerzt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Es ist schon angeklungen: Dort, wo in einer wirklich guten, fachlich und sachlich seriösen Zusammenarbeit die FPÖ mit Ihnen regiert, gibt es keine Befindlichkeiten Ihrerseits, ob im Burgenland oder in Linz, obwohl doch die FPÖ, so wie Sie es ausführen, direkt der Ausbund des Bösen sein soll. Da schauen Sie weg – vordergründig wie nur.
Zweites Problem: Sie sind keine fähige Oppositionspartei. Ich würde als Regierungskritiker – ich bin es nicht – NEOS wählen. Mit zehn Mandaten bringen die zehnmal so viel Power auf die Straße wie Sie mit Ihren 52. Das ist das Problem. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Loacker. – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Abg. Scherak: Na gut, jede Stimme nehmen wir auch nicht! – Abg. Rendi-Wagner: Besprechen Sie das mit dem Vizekanzler ...!)
Und in dieser Verzweiflung bleibt nur eines übrig: Anpatzen, Verdrehen, Unterstellen, Hetze, Angstmache, Spalten der Gesellschaft. Jedes Mittel ist Ihnen in der politischen Debatte recht, bis hin zu den Methoden des Herrn Silberstein.
Zur Klarstellung: Nationalsozialismus ist und bleibt in jeder Form in Österreich verboten, wird geahndet und strafrechtlich von unabhängigen Gerichten bestraft. Das ist gut so. Jeder Extremismus, auch der von Ihnen ausgeblendete Linksextremismus mit seinen Gewaltdemonstrationen und der staatsfeindliche, antidemokratische und gewaltverherrlichende Islamismus, auch als Vorbote eines neuen Antisemitismus, ist Nährboden für Straftaten, die den einzelnen Bürger und den Staat insgesamt bedrohen. Sie alle gehören beobachtet, um Auswüchse zu unterbinden und mögliche Straftaten, Gewalttaten zu verhindern.
Übrigens: Was ist denn für Sie Rechtsextremismus?
In Ihrer Anfrage mixen Sie die Begriffe rechts und rechtsextrem bunt durcheinander. Sie setzen es gleich. Das ist schändlich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Rechts im demokratischen Spektrum ist zu akzeptieren, auch von Ihnen. Die FPÖ ist eine rechte Partei: Patriotismus, Sicherheit, kulturelle Identität, Schutz der Familie, Fairness und Gerechtigkeit für unsere Landsleute, Schutz vor illegaler Massenzuwanderung – dafür stehe ich, und ich schäme mich nicht dafür. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Die FPÖ ist eine demokratische Partei, voll und ganz auf dem Boden von Verfassung, Grundrechten und dem Akzeptieren von Wählerentscheidungen. – Dafür stehe ich auch. Wenn Sie einen Alt-ÖVPler – das ist Ferry Maier – in Ihrer Anfrage mit der Aussage zitieren, die Politik rücke nach rechts (Abg. Scherak: Der wählt wirklich NEOS!): Ist das für Sie in der SPÖ in der Demokratie etwas Untragbares? Hat Rechts in der Demokratie nichts verloren? Was ist denn das? Nennen Sie das demokratisch? Ich sage Ihnen: Nein, das ist es nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Sie akzeptieren keine demokratischen Mehrheiten, die nicht links sind. Das ist Ihr Verständnis von Demokratie? Ist das die von Ihnen strapazierte Haltung von Toleranz, Respekt, Anstand und Menschenrecht? Menschenrecht: unteilbar für alle – nur nicht für Rechte? Das ist Ihre Meinung?
Was ist bei Ihnen?, würde Herr Leichtfried da fragen. Kann ich Sie daher ganz zwanglos als linksextrem bezeichnen? Anhaltspunkte hätte ich genug: Lenin-Geburtstagsfeier der Sozialistischen Jugend in Wiener Neustadt, Stalin-Gedenktafel im SPÖ-regierten Wien, Che-Guevara-Büste im roten Wien. Ob Hitler oder Stalin, ob Himmler oder Lenin, ob der Mörder von Christchurch oder Che Guevara – für mich sind Massenmörder Massenmörder und verdienen samt und sonders kein Andenken! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Wo bleibt denn Ihre Abgrenzung? Was ist denn, wenn Ihre Spitzenfunktionäre – Kaiser, Voves, Schicker, Entholzer – freiheitliche Politiker als „Rattenfänger“ bezeichnen und damit implizit die Wähler der FPÖ als Ratten meinen? Oder die grüne Abgeordnete Krismer, die H.-C. Strache als „Ratte“ bezeichnet: Wo waren denn Ihre Aufschreie, Ihre Konsequenzen, Ihre Distanzierungen? Wo war Ihr Brief an den Bundespräsidenten? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Alle blind auf einem Auge – oder tolerieren Sie das alles mit einem genüsslichen, süffisanten Lächeln?
Kann es aber sein, dass gerade Wahlkampf ist und Sie feststellen müssen, dass es Menschen gibt, die eine EU mit einem Europa der Vaterländer auf Augenhöhe wollen, ein Friedensprojekt, einen Wirtschaftsraum, eine Rechtsordnung, wo Verträge wie
Schengen und Dublin zum Schutz vor illegaler Massenzuwanderung auch eingehalten werden? Mehr Demokratie statt Zentralismus und Bevormundung, aber von mir ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union, aber auch ein klares Bekenntnis zu Reformen für die Bürger!
Jetzt kommt Ihr drittes Problem: Die europäische Sozialdemokratie liegt am Boden. Das wird für Sie und Ihre journalistischen Wahlhelfer am 26. Mai Realität werden. Die Politik der Schulz’ und der Timmermans’ wird abgewählt. In Frankreich können die Sozialisten gar nicht mehr alleine kandidieren. Die Menschen wollen eine EU, die im Sinne von Subsidiarität und auf Augenhöhe die wirklich wichtigen Probleme ohne überbordenden Zentralismus löst. Auch rechte Demokraten wie Harald Vilimsky und Matteo Salvini werden zunehmend Wählerinteressen zum Wohl der Menschen vertreten. (Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner.) – Ja, lachen Sie nur, lachen Sie nur! Wer zuletzt lacht, lacht am besten! (Beifall bei der FPÖ.)
Was Sie in Ihrer letzten Frage fordern, ist, dass die Bundesregierung das internationale Ansehen Österreichs wiederherstellt. Wer bestellt denn international die Medienberichte, die das Ansehen Österreichs beschädigen sollen? Sie selbst sind es, damit Sie dann mit diesen Artikeln unter Krokodilstränen jammern können. Das kennen wir schon seit dem Jahr 2000. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Mir ist es in erster Linie wichtig, dass die Österreicherinnen und Österreicher ein gutes Bild von diesem Land und der Politik haben, und es sieht ganz so aus, als ob die Bürger zu einem deutlich überwiegenden Teil endlich mit einer Regierungsarbeit zufrieden sind – etwas, woran Sie gescheitert sind. Österreicher erkennen mehrheitlich, dass diese Regierung gut arbeitet. Ihr Misstrauen findet auch hier heute kein Gehör.
Mit Ihren Anwürfen im EU-Wahlkampf – eine Zeit, laut Bürgermeister Häupl, der fokussierten Unintelligenz – wollen Sie eines aus machtpolitischen Interessen hintertreiben: den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in dieser Bundesregierung für die Menschen in diesem Land, an der Spitze personifiziert von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache. Das ist Ihr viertes und damit das Hauptproblem. – Sie werden es nicht schaffen! (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
16.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gruppe der Strafvollzugsakademie bei uns im Hohen Haus herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Vorweg, Herr Kollege Nehammer: Sie haben wörtlich gesagt – ich glaube, es ging um den Unterschied zwischen der SPÖ und der FPÖ –, bei jeder Entgleisung gibt es bei der FPÖ Konsequenzen. Ich muss Ihnen, glaube ich, jemanden hier im Haus vorstellen, das ist Kollege Höbart, Christian Höbart, Abgeordneter der FPÖ. Das war der, der auf Facebook ein Posting gemacht hat und Migranten als „Höhlenmenschen“ diskreditiert hat. Die Konsequenz darauf habe ich nicht mitbekommen, er sitzt immer noch da. Es gibt offensichtlich nicht bei jeder Entgleisung Konsequenzen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Was ich auch nicht verstanden habe, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, ist: Ja, es mag sein, dass es in der SPÖ auch viele Dinge gibt, die nicht in Ordnung sind, aber das ist eigentlich nicht das, finde ich, worüber wir hier jetzt reden sollten. (Rufe bei der ÖVP: Wieso nicht? Wieso nicht?) – Okay, ich weiß nicht, wieso die ÖVP so ein zwingendes Bedürfnis hat, über die Entgleisungen der SPÖ zu reden.
Ich sage Ihnen etwas, ich habe ein ganz anderes Anliegen: Mir geht es darum, dass es meiner Meinung nach in der Politik rote Linien gibt und dass diese roten Linien zu Recht auch – da gebe ich Ihnen recht, Herr Vizekanzler, und auch dem Herrn Bundeskanzler – immer wieder aufgestellt werden. Das Problem ist nur, dass wir wöchentlich dann über diese Linien und über diese Linienverschiebung reden, weil immer ein vermeintlicher Einzelfall kommt und diese Linie verschoben wird. Ich habe es ehrlich gesagt satt, dass wir uns hier in diesem Parlament darüber unterhalten müssen, wo denn die rote Linie ist und was denn gerade noch in Ordnung ist.
Ich habe auch schon aufgehört, bei der Summe aller Einzelfälle, die da in der FPÖ passiert sind, mitzuzählen. Was ich wirklich auch zurückweisen will, ist etwas, was sowohl der Herr Vizekanzler – Sie (in Richtung Vizekanzler Strache) haben das angesprochen – als auch jetzt Herr Klubobmann Rosenkranz gesagt haben: dass das jetzt etwas mit der Europawahl zu tun hat. Ich meine, der Vorfall mit dem Rattengedicht, das von einem – mittlerweile – ehemaligen FPÖ-Vizebürgermeister geschrieben wurde, war jetzt vor Kurzem, und das haben nicht wir uns oder die SPÖ oder sonst jemand sich ausgesucht, dass es jetzt an die Öffentlichkeit gekommen ist, und das hat auch nichts mit der Europawahl zu tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das Problem ist, dass ich mich frage, wie wir denn damit umgehen, wenn jedes Mal diese rote Linie überschritten wird, die aufgestellt wird, und wie unglaubwürdig es dann ist, nach Konsequenzen zu rufen und zu sagen: Ja, man muss jetzt etwas machen, ich stelle hier erneut eine rote Linie auf und sage, das und das geht gar nicht! – Diese Verschiebung der roten Linien führt erstens dazu, dass es eine Vergiftung des politischen Klimas gibt, dass gegen Bevölkerungsgruppen gehetzt wird, und zweitens ist eine rote Linie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr sonderlich ernst zu nehmen, wenn sie andauernd überschritten wird und wir sie dann woanders aufstellen. Das ist eigentlich etwas, was ganz logisch ist, und das Problem ist: Wenn ich jedes Mal nach einer neuen Konsequenz rufe, egal ob der Bundeskanzler oder der Vizekanzler oder wer auch immer, merke ich am Schluss irgendwann einmal nicht mehr, was denn konkret eigentlich diese rote Linie gewesen sein soll.
Herr Vizekanzler, mir geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes. Ich erkenne ja sogar an, dass Sie da schnell reagiert haben. Das haben Sie gemacht. Sie haben den FPÖ-Vizebürgermeister aus der Partei rausgeschmissen – oder er ist selbst gegangen –, Sie haben gesagt: So etwas hat in der FPÖ keinen Platz!, aber Sie wissen auch, dass das nicht nur gerade jetzt passiert. Das ist ja nicht der Erste bei Ihnen, der eine rote Linie überschreitet; Sie wissen, Kollege Höbart als Beispiel, und ich habe ein paar der wirklich ganz widerlichen Beispiele mitgebracht, Sie kennen die auch alle. Sie haben ja auch zu Recht in vielen Fällen wirklich reagiert, das muss man Ihnen auch lassen, aber Sie kennen den ehemaligen Gewerkschafter in Wels, der NS-Devotionalien verteilt und mit ihnen dealt. Sie wissen, dass Noch-FPÖ-Landtagsabgeordnete aus Wien immer wieder bei der Ehrenveranstaltung für den NS-Piloten Walter Nowotny an seinem Grab teilnehmen.
Sie kennen das Posting des FPÖ-Mitarbeiters des burgenländischen Landeshauptmannstellvertreters Johann Tschürtz – insofern haben Sie da nicht unrecht, die SPÖ toleriert das offensichtlich auch, das stimmt; das ist aber das grundsätzliche Problem. Der hat während des Vienna City Marathons ein Posting gemacht, bei dem dunkelhäutige Läufer dabei waren, und geschrieben: „Habens heute Ausgang?“ – Und die Konsequenz war, dass man mit ihm spricht.
Sie hatten FPÖ-Funktionäre, die ehemaligen Politikerinnen der Grünen eine Gruppenvergewaltigung gewünscht haben.
Sie kennen ein Mitglied des Vorstands der FPÖ Tulln; dieses hat auf Facebook über „Untermenschen“ geredet und dann gesagt, sie kannte die Begrifflichkeit nicht. Selbst wenn man die Begrifflichkeit nicht kannte, ist das, finde ich, kein Begriff, den man verwenden sollte.
Sie kennen den nunmehrigen Mitarbeiter von Ihnen, Herr Bundesminister Hofer, der geschrieben hat, dass Widerstandskämpfer in der NS-Zeit Verräter waren. Er hat sich irgendwann einmal dafür entschuldigt, aber er hat das zumindest nichtsdestotrotz gemacht.
Sie kennen Postings, wo Leute als „Kongoaffen“ bezeichnet wurden.
Sie kennen – sehr faszinierend, insbesondere sehr widerlich – das ehemalige Mitglied – da haben Sie auch Konsequenzen gezogen, das ist richtig – der freiheitlichen Gewerkschaftsfraktion. Das hat auf Facebook ein Bild einer älteren Dame mit Keksen in Hakenkreuzform gepostet und dann daruntergeschrieben: „Omas Kekse sind die besten!“
Sie kennen das Rattengedicht, das wir gehört haben.
Herr Vizekanzler, das Problem ist nicht, dass Sie dann die Konsequenz ziehen, das Problem ist, dass es offensichtlich wesensimmanent in der DNA der FPÖ ist (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT), dass Sie solche Leute anziehen, das ist das Problem. Ich nehme es Ihnen ja ab, dass Sie sie ausschließen, aber Sie müssen sich darüber Gedanken machen, wie es dazu kommt, dass sehr viele Leute, die solch ein Gedankengut haben, bei Ihnen Funktionärinnen und Funktionäre sind. Das ist die große Frage, die wir uns stellen müssen.
Es hilft nichts, wenn man jedes Mal, wenn man so etwas Widerliches mitkriegt, eine neue Grenze aufstellt und sagt: Bis hierher und nicht weiter, ich ziehe die Konsequenzen!, sondern Sie müssen sich im Kern fragen, was Sie machen – ich sage jetzt nicht, dass Sie persönlich dafür verantwortlich sind, aber Sie sind Parteiobmann der FPÖ –, dass solche Leute in größerer Anzahl bei Ihnen mitwirken wollen. Das ist eine Aufgabe, die schlichtweg nur Sie selbst erfüllen können. – Diese Gedanken müssen Sie sich machen.
Die ÖVP muss sich folgende Frage stellen – und das ist die, die mich in den letzten Tagen auch im Zusammenhang mit dem Rattengedicht am meisten beschäftigt –: Wie geht es Ihnen damit, dass Sie in einer Koalition mit einer Partei sind, die offensichtlich wesensimmanent in ihrer DNA drinnen hat, dass sie Leute mit solch einem Gedankengut anzieht? Das sind einerseits die Fragen, die sich die ÖVP stellen muss, und das ist andererseits auch die Frage, mit der sich die FPÖ beschäftigen muss. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)
16.12
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! (Ruf bei der FPÖ: Oje, oje! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Die Frage, die meiner Meinung nach mit dem Herrn Vizekanzler und – insofern als er betroffen ist – mit dem Herrn Bundeskanzler zu diskutieren ist, ist: Können der Herr Vizekanzler, der Verkehrsminister, der Innenminister, können zumindest diese drei hervorragenden Exponenten der Freiheitlichen Partei weiterhin noch Mitglieder der Bundesregierung bleiben?
Jetzt sind wir in einer schwierigen Situation. Ich mache dem Bundeskanzler überhaupt keinen Vorwurf, dass er auf einer lange geplanten Chinareise ist. Er trifft dort übrigens einen chinesischen Staatspräsidenten, der nicht nur jährlich den Geburtstag von Lenin, sondern auch den von Marx, Engels und Stalin feiert. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das soll ihn nicht daran hindern, mit ihm erfolgreiche Wirtschaftsverhandlungen zu führen. Uns bewegt aber etwas anderes.
Es ist ein bisschen eine schwierige Situation. Ich beneide Sie darum überhaupt nicht, Herr Vizekanzler, jetzt so tun zu müssen, als wären Sie der Bundeskanzler, der erklärt, was er mit dem Vizekanzler tut. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist wirklich nicht ganz einfach, aber ich anerkenne Ihr Bemühen, so zu tun, als wären Sie jetzt der Bundeskanzler, der dann nachher mit dem Vizekanzler redet. – Gut!
Also, Herr Bundeskanzler-Vertreter, bitte sagen Sie nachher dem Herrn Vizekanzler Folgendes: Erstens, er soll ernst nehmen, keine Inserate mehr in rechtsextremen Zeitungen zu schalten. Das hat ja – wie Sie, Herr Bundeskanzler-Vertreter, hier wörtlich gesagt haben – der Herr Bundeskanzler im Bundesrat auch so gesagt. Das betrifft zum Beispiel die Zeitung „Info-direkt“. „Info-direkt“ (eine Ausgabe besagter Publikation in die Höhe haltend) ist eine eindeutig rechtsextreme Zeitung (Ruf bei der FPÖ: Wer sagt das?), die durch ein Inserat der Freiheitlichen Arbeitnehmer zur AK-Wahl 2019 – das ist nur die letzte Ausgabe – und durch ein einseitiges Inserat der Stadt Linz, des freiheitlichen Vizebürgermeisters, unterstützt wird. Der Hauptartikel ist ein dreiseitiges Interview unter dem Titel „Sie haben es nicht geschafft uns zu ruinieren!“. Da ist Identitären-Chef Martin Sellner im Gespräch mit „Info-direkt“. Für so etwas gibt es freiheitliche Inserate? Für so etwas gibt es von einem freiheitlichen Vizebürgermeister Inserate der Stadt Linz? – Das geht nicht!
Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler, bitte reden Sie mit dem Herrn Vizekanzler und FPÖ-Chef, er soll das in seiner Partei endlich abstellen. Das ist unerträglich! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn der Herr Bundeskanzler – bitte sagen Sie ihm das! – nicht in der Lage ist, das dem Herrn Vizekanzler klarzumachen, dann muss er ihn entlassen, denn dann hält er sich nicht an das, was die Bundesregierung ständig erklärt.
Was ist jetzt mit diesem „Info-direkt“? – „Info-direkt“ wird nicht nur von Freiheitlichen in Linz, von Freiheitlichen in der Gewerkschaft finanziert (eine Tafel mit dem Foto von Harald Vilimsky, dem Logo von ENF und der Aufschrift: „EU-Asylpolitik“, „Sichere Außengrenzen muss heißen: Es kommt keiner durch, der kein Recht darauf hat.“ in die Höhe haltend), sondern auch vom Abgeordneten Vilimsky. Die Verwaltung des EU-Parlaments hat übrigens festgestellt, dass einzig und allein diese Abrechnung der Mittel dieser Fraktion nicht zur Kenntnis genommen wird, und zwar nicht nur weil es bei den Inseratenabrechnungen Probleme gibt, sondern weil das EU-Parlament auch nicht zur Kenntnis nimmt, dass diese Fraktion mit EU-Steuergeldern in einer kurzen Periode 250 Flaschen Champagner verbraucht hat, und zwar um 400 000 Euro aus Mitteln des EU-Parlaments. Das hat aber zumindest nichts mit Rechtsextremismus zu tun. (Abg. Gudenus: Ein Brüller!)
„Info-direkt“ feiert auch politische Erfolge, und das ist einer der von „Info-direkt“ gefeierten politischen Erfolge (ein Titelblatt der genannten Publikation mit einem Bild von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache vor dem Logo der Vereinten Nationen in die Höhe haltend): „Die Zeitenwende beginnt: Keine Unterschrift für den Migrationspakt“, „HC Strache hat Größe gezeigt und auf das Volk gehört. Weiter so!“ (Abg. Rosenkranz: Bravo!) – Das lässt ihm diese Sellner-Postille ausrichten.
Damit kommen wir zu Martin Sellner. Martin Sellner betreibt unter dem Namen Phalanx einen Onlinehandel. In diesem Onlinehandel verkauft er auch T-Shirts. (Der Redner
hält eine Tafel mit dem Bild eines T-Shirts in die Höhe.) Eines dieser Damen-T-Shirts heißt Patriotic Revolution. Wenn Sie sich die Großaufnahme dieses Damen-T-Shirts anschauen (eine Tafel mit dem Motiv des T-Shirts in die Höhe haltend), sehen Sie, dass da steht: „Join the patriotic revolution“. Sie sehen auch Bilder von Strache, von AfD-Höcke, von Orbán und von Le Pen. In diesem Inserat wird erklärt, worum es geht.
Unten im Inserat steht als Kaufanreiz (eine Tafel mit dem Text des Inserats in die Höhe haltend): „Aufgrund der großen Nachfrage der Aufkleber haben wir euch dieses Motiv nun auch auf ein Shirt gedruckt. [...]“ Hier sind „die Köpfe einer anderen Wende vereint. Strache, Höcke, Orban und Le Pen stehen für ein anderes Europa.
Zwar trennt uns von ihnen eine Scheidewand. Sie als Parteipolitiker werden immer anders denken, fühlen und tun (müssen) als wir. Aber wir sind Teil einer gemeinsamen Bewegung die durch Europa geht und auf der Straße, wie in den Parlamenten andere Verhältnisse schafft.
Dieses Motiv ist eine Würdigung ihrer Leistungen und ein Bekenntnis zu dem gemeinsamen Weg, auf dem wir getrennt marschieren aber am Ende vereint gewinnen werden: es ist der Neustart Europas. ,Reloading Europe‘.“
Das steht hier, und das ist ein Bekenntnis, nicht nur mit dem Strache-Bild am T-Shirt, sondern mit dem klaren Bekenntnis: Wir marschieren getrennt, aber wir gewinnen gemeinsam! Der braune Block in Europa marschiert getrennt, aber will gemeinsam gewinnen. (Abg. Gudenus: Hui!) Das wird ganz offen angekündigt, das ist das Geschäftsmodell – und darum geht es.
Ich habe das heute auf Twitter gestellt, und das Damen-T-Shirt ist plötzlich im Verkauf nicht mehr erhältlich. (Ruf bei der SPÖ: Da haben sie wieder mal reagiert!)
Das ist offensichtlich nicht mehr das beste Geschäft. Das beste Geschäft macht Martin Sellner aber nicht mit Damen-T-Shirts, sondern mit Strache, der Freiheitlichen Partei und der Bundesregierung – und das ist das Problem. Das politische Problem ist, dass von der Ablehnung des UN-Migrationspakts bis zum Schüren von Hass als Politikmodell letzten Endes identitäre Politik gemacht wird.
Das Problem der Freiheitlichen ist ja, dass sie Gruppen wie die Identitären als Denkfabriken, als Ideenfabriken, als Ideologieproduzenten, als nationalistische Erneuerer brauchen. Das sind die Leute, die euch die Gedanken produzieren. Der große Austausch: identitär. Wir haben nachgeschaut: Auf Straches Facebook-Seite findet es sich mindestens 20-, eher 30-mal – Austausch, Austausch, Austausch, Austausch! –, und zwar genau seit dem Mai 2012, seit der Gründung der Identitären.
Wenn Sie sich jetzt das Strategiepapier anschauen, das das BVT bei einem der führenden Identitären beschlagnahmt hat, dann finden Sie darin die Medienstrategien und die Medienmittel, die die Identitären einsetzen. Zwei der wichtigsten lauten: FPÖ-TV und die Facebook-Seite von H.-C. Strache. Die haben ja im Strategiepapier schon gewusst, wie es funktioniert, und plötzlich tauchen genau diese Postings wie bestellt auf Straches Facebook-Seite auf – wie bestellt!
Lauter Einzelfälle, zehn Einzelfälle, 20 Einzelfälle, 100 Einzelfälle: Das Einzige, worauf wir uns bei der FPÖ verlassen können, ist, dass es jetzt schon fast jeden Tag einen Einzelfall gibt, und das ist auch das Problem. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das ist kein Problem, das die FPÖ lösen kann. Die FPÖ lässt von den Identitären denken, und sie macht und praktiziert längst identitäre Politik. Die Weglegung funktioniert nicht. Wo FPÖ draufsteht, sind Identitäre drin.
Das Problem liegt bei der ÖVP, und es ist auch nur bei der Österreichischen Volkspartei lösbar. Wir hatten das bereits in der ersten schwarz-blauen Koalition, nur ist die damals von der freiheitlichen Seite eher durch Korruption zusammengehalten worden. Der Unterschied ist, dass Ideologie – rechtsextreme Ideologie! – bei dieser Koalition in hohem Maße die Bindung durch Korruption ersetzt hat.
Das ist jetzt eine große Frage an den Bundeskanzler – und ich glaube nicht, Herr Vizekanzler, dass Sie in der Lage sind, ihm diese Frage seriös weiterzugeben; deswegen werden wir das mit ihm noch einige Male hier besprechen müssen, und zwar persönlich –: Wie wollen Sie den Schaden, der durch Ihren Koalitionspartner täglich in immer größerem Maße verursacht wird, von Österreich abwenden? – Sie reden ständig von Sicherheit.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Wir haben den größten Unsicherheitsinnenminister der Zweiten Republik, und es liegt am Bundeskanzler, da klare Verhältnisse zu schaffen. Die Freiheitlichen sind heute politische Geiseln der Identitären, und ich frage mich, wieweit die Österreichische Volkspartei bereits eine politische Geisel der Freiheitlichen Partei ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte kommen Sie zum Schluss! Sie haben überzogen. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Herr Präsident! Ich bin gerade bei der zweiten Hälfte meines Schlusssatzes.
Ich hoffe, dass der Bundeskanzler in der Lage ist, nicht nur bei jedem Einzelfall eine routinerote Linie zu ziehen, sondern endlich zu trennen, was nicht zusammengehört: eine demokratische Österreichische Volkspartei und eine rechtsextreme Freiheitliche Partei – im Interesse dieser Republik, im Interesse der Demokratie, im Interesse unseres Rechtsstaates! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)
16.24
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Hat der Pilz schon geredet? Habe ich den schon verpasst?)
Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder fünfte Identitäre ist laut Verfassungsschutz in Österreich im Besitz von Waffen. Ich zitiere: „Gottseidank hab ich schon ne Waffe gekauft, bevor der Asylwahn begonnen hat.“ – Das hat Martin Sellner auf Twitter gepostet. Er ist der Sprecher der österreichischen Identitären, jener rechtsextremen Gruppierung, die Sie, Herr Vizekanzler, als – ich zitiere – „parteiunabhängige nicht-linke Bürgerbewegung“ bezeichnet haben und die Sie gelobt haben: „Sie sind quasi junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft.“
Seit bekannt wurde, dass der Attentäter von Christchurch dem Sprecher der österreichischen Identitären eine Spende überwiesen hat, sind auch die Verbindungen, die personellen, die räumlichen, die organisatorischen, aber vor allem die ideologischen Verbindungen der Freiheitlichen Partei zu den Identitären ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerutscht.
Seither werden Sie, Herr Vizekanzler, nicht müde, zu betonen, dass sich die Freiheitliche Partei von den Identitären distanziert. Sie haben ja heute auch schon wieder erwähnt, dass es seit Februar 2018 einen Beschluss gibt, dass man nicht FPÖ-Funktionär und aktives Mitglied der Identitären gleichzeitig sein kann. Jetzt beschreibt ja dieser Beschluss allein schon, wo die FPÖ ideologisch steht – oder gibt es eine andere
Partei hier im Parlament, die einen derartigen Beschluss überhaupt notwendig hat, um sich von den Identitären auf diese Weise zu distanzieren? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)
Welche Konsequenzen hat es bis zur aktuellen Debatte aus diesem Beschluss gegeben? – Mir sind keine bekannt. Wir alle wissen, dass die FPÖ, dass Funktionäre und Funktionärinnen der FPÖ die Identitären von Beginn an wohlwollend begleitet haben. Wir kennen Ihre Distanzierungen, Herr Vizekanzler. Können Sie sich noch erinnern, als Sie Anfang 2018, als die Liederbuchaffäre rund um den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl, Udo Landbauer, aufgepoppt ist, gesagt haben, die Burschenschaften hätten nichts mit der FPÖ zu tun? Welche Konsequenzen hat diese Liederbuchaffäre im Endeffekt gehabt? – Ich sehe keine. (Abg. Neubauer: Warum auch?)
Was uns jeden Tag vor Augen geführt wird, ist, dass sich der Rechtsextremismus in der FPÖ nicht ausschließlich auf die Identitären beschränkt. (Zwischenruf des Abg. Neubauer. – Abg. Belakowitsch: Pscht!) Wir haben mitgezählt, Kollege Scherak: 59 rechtsextreme, rassistische, antisemitische Vorfälle seit Regierungsgründung im Dezember 2017. (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich!) Wo sind die Konsequenzen, Kollege Nehammer, die Sie angesprochen haben, aus diesen 59 Vorfällen? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)
Nein, sehr geehrte Damen und Herren, das sind keine Einzelfälle mehr, wie das gestern wieder betont wurde. Nein, das ist nicht der Narrensaum der FPÖ, wie Ihr Kollege Haimbuchner ständig betont. Das ist das Wesen der FPÖ, das ist diese Partei! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)
„Unsere Gesinnung haben wir nie verheimlicht und stehen auch jetzt dazu.“ – Das hat Ihre Amstettener Parteikollegin, die FPÖ-Stadträtin Kashofer, erst neulich in den „NÖN“ gesagt, als ihre Verbindungen zu den Identitären in die Kritik geraten sind.
Ja, die Empörung der letzten Zeit war sogar so groß, dass sich Herr Schweigekanzler Kurz dazu zu Wort gemeldet und gesagt hat, er duldet keinen schwammigen Umgang der FPÖ mit den Identitären. Gereicht hat ihm dann sozusagen als Distanzierung, dass Sie, Herr Strache, offenbar die identitären Kaderfiguren auf Twitter blockiert haben. Kanzler Kurz hat Ihnen dafür die Absolution erteilt.
Ja, das war erwartbar: Der schwarz-blaue Koalitionspakt zugunsten Ihrer Wahlkampffinanzierer, zugunsten einer Umverteilung von unten nach oben hat für die ÖVP und hat für Bundeskanzler Sebastian Kurz mehr Priorität als eine echte Trennlinie zu den Identitären. (Beifall bei der SPÖ.)
Weil es, wie Kollege Leichtfried schon gesagt hat, nicht tragbar ist, dass Sie, Herr Vizekanzler, in den sozialen Medien zu einem Medium verlinken, das auch dafür bekannt ist, holocaustleugnende Artikel zu posten, stelle ich folgenden Antrag:
Misstrauensantrag
gemäß § 55 GOG-NR
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Dem Vizekanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“
*****
Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Cox und Zadić.)
16.29
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Misstrauensantrag
gemäß § 55 GOG-NR
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler
eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen – klares Bekenntnis zur Europäischen Union – klares Bekenntnis zur liberalen Demokratie und zum Rechtsstaat“
Begründung
Der Vizekanzler Heinz-Christian Strache ist als Vizekanzler auch Bundesminister für Öffentlichen Dienst und damit auch für Personalangelegenheiten im öffentlichen Dienst zuständig. Dabei zeigt sich, dass in dieser Gesetzgebungsperiode die Kabinette aufgeblasen und durch Paralleleinrichtungen, die sogenannten Generalsekretariate, noch ergänzt wurden. Parteipolitische Umfärbungen sind beinahe täglich auf der Tagesordnung, Burschenschafter und ähnlich Denkende werden mit öffentlichen Funktionen versorgt. Nunmehr wurde aber bekannt, dass in den Kabinetten auch Personen aufgenommen wurden, die den Identitären nahestehen und von diesen beeinflusst werden.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache steht aber auch für das System des schlampigen Umganges bzw. der mangelnden Distanz zum Rechtsextremismus. Er ist als Parteivorsitzender für die Ausrichtung der Parteilinie und die Mitgliederaufnahme in die FPÖ verantwortlich. Seit Regierungsantritt sind unfassbare und demokratiegefährdende, rechtsextreme Sachverhalte in Österreich bekannt geworden, die alle im mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit der FPÖ stehen. Nach der Selbstdefinition des Bundeskanzlers ist die rote Linie deutlich und mehrfach überschritten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Antrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Dem Vizekanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt."
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mahrer. – Bitte.
16.29
Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ja, es gab einige ganz klar zu verurteilende Vorkommnisse erst in den letzten Tagen.
Sie haben uns in den letzten Tagen beschäftigt, haben die Themenlandschaft überlagert. Mögliche Verbindungen von FPÖ-Funktionären mit den Identitären und ein abscheulicher, nennen wir es Reim eines FPÖ-Vizebürgermeisters in Oberösterreich haben eine Welle der Empörung hervorgerufen. Ich meine zu Recht und ich meine, eine deutliche Antwort der Bundesregierung und der Verantwortlichen war erforderlich.
Das ist auch geschehen, und zwar postwendend. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat, Frau Parteiobfrau Rendi-Wagner, Mut, Haltung und Durchsetzungsvermögen gerade auch an diesem Beispiel bewiesen, und Vizekanzler Strache hat Führungsvermögen, Verantwortungsbewusstsein bewiesen, indem er sowohl die Abgrenzung zu den Identitären als auch die Klarstellung zu den untragbaren Aussagen und Ausdrücken des Vizebürgermeisters aus Oberösterreich getroffen hat. Das war richtig und das war notwendig. Notwendig war aber auch die Konsequenz des Rücktritts des Vizebürgermeisters in Oberösterreich.
Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit, sich wieder den wichtigen politischen Themen zu widmen – Arbeit gibt es ja genug –, aber die Empörung wird jetzt am Köcheln gehalten, das sehe ich auch an der heutigen Diskussion sehr deutlich. Man gibt sich sehr viel Mühe, den Generalverdacht zu manifestieren – mit großem Aufwand, und das ja nicht erst seit Tagen, sondern schon seit Wochen, seit Monaten, auf allen Kanälen und jetzt auch mit einer Dringlichen Anfrage. Damit ist für mich klar, es geht bei dieser Anfrage, meine Damen und Herren, lediglich um den Versuch, den neuerlichen Versuch, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben. Es geht um den Versuch, immer wieder darzustellen, dass die FPÖ nicht regierungsfähig sei. Ich vermute, meine Damen und Herren, die SPÖ hat neben dem EU-Wahlkampf nur einen Grund dafür, und dieser Grund heißt schlicht und einfach Macht.
Damit komme ich zur Geschichte. Lernen Sie Geschichte!, dieses Zitat kennen wir von der Ikone der SPÖ, Bruno Kreisky. Diese Geschichte und die Rolle der SPÖ kennen wir auch aus den 1970er-Jahren und den 1980er-Jahren, aber auch ganz aktuell. Schauen wir uns das doch hinsichtlich der vorliegenden Medienberichte noch ein wenig genauer an! Wie war denn das damals?
Die SPÖ hat mit ihren Gremien 1970 zugestimmt, dass die damalige Minderheitsregierung mit Duldung der FPÖ und Friedrich Peters gebildet worden ist. 1983 wurde auf dem SPÖ-Sonderparteitag gegen die FPÖ als deutschnationale Partei mit Querverbindungen zum Neonazismus gewettert, ehe die SPÖ-Gremien trotz vieler Kritik mit großer Mehrheit den Segen zum rot-blauen Bündnis gegeben haben. Übrigens, Sie wissen ja noch, wer damals Vizekanzler dieser Regierung war: der heute von Ihnen kritisierte ORF-Stiftungsrat Norbert Steger.
Die SPÖ war also damals gar nicht so heikel, wenn es um die Beurteilung der FPÖ gegangen ist. Auch die aktuelle Geschichte – die Beispiele haben wir teilweise schon gehört – zeigt uns: Wenn es um die Wiedererlangung oder um die Erhaltung der Macht geht, hat die SPÖ keine Berührungsängste mit der FPÖ.
Meine Damen und Herren! Die FPÖ und die Realität heute sind Gott sei Dank völlig anders. Es gibt ein klares Regierungsprogramm und es gibt im Gegensatz zur Zeit des Friedrich Peter und des Bruno Kreisky ein klares Bekenntnis des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers mit einer strikten Abgrenzung zu allen Formen des Extremismus,
auch ganz klar und explizit zum Nationalsozialismus. Diese konsequente Abgrenzung zu allen Formen des Extremismus vermisse ich bei Teilen der Opposition, insbesondere auch bei der SPÖ.
Ich stelle Ihnen nur ein paar Fragen: Wo war denn der konzertierte nachhaltige Aufschrei der SPÖ, als die Sozialistische Jugend vor Kurzem öffentlich den Massenmörder Lenin verherrlicht und gemeinsam seinen Geburtstag gefeiert hat? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wo ist die Reaktion der SPÖ auf die unfassbare Entgleisung eines FSG-Personalvertreters und Wiener Bezirksrats, der Innenminister Herbert Kickl in einem YouTube-Video mit Adolf Hitler, dem Massenmörder, gleichsetzt?
Was hat sich die SPÖ gedacht, als kürzlich ein bekennender Linksextremer, der auch die extremen Gewalttaten in Frankreich wohlwollend befürwortet, ausgezeichnet worden ist? War das ein Irrtum?
Zu Peter Pilz, unter anderem auch: Wo ist denn die klare Abgrenzung zur Gewalt von Linksextremen? Ich erinnere mich noch sehr gut: Wo war denn damals die Dringliche Anfrage an den SPÖ-Bundeskanzler, als, ausgelöst vom Schwarzen Block und Teilen der Antifa, im Protest gegen den Akademikerball Teile der Wiener Innenstadt demoliert worden sind? (Abg. Plessl: Wann war das, Herr Kollege?) Wo waren Sie denn da? (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Wo waren Sie da? Warum haben Sie nichts gemacht?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle haben die Möglichkeit, weiter zu hetzen, weiter zu spalten und auch zu versuchen, einen Keil zwischen ÖVP und FPÖ zu treiben – es wird Ihnen, und das verspreche ich Ihnen, nicht gelingen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Einigen wir uns also darauf: Wir alle, und ich hoffe, da kann ich für Sie alle sprechen, lehnen Extremismus jeglicher Art ab; sei es Linksextremismus, Rechtsextremismus oder religiös motivierter Extremismus! Unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, meine Damen und Herren – und das Bekenntnis ist da –, sind unantastbar. Diese Werte sind der Maßstab für unsere tägliche Arbeit. Unser Vizekanzler hat unsere volle Unterstützung, unser volles Vertrauen, und wir stehen zu dieser Regierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
16.36
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gudenus. – Bitte. (Abg. Lettenbichler: Das hat jetzt sicher nichts mit Wien zu tun!)
Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Damen und Herren auf der Ministerbank! Die Suppe scheint sehr dünn zu sein, Herr Kollege Leichtfried, wenn Sie von 20 Redeminuten, die Ihnen als Begründer zur Verfügung stehen, gerade 12 Minuten aufwenden und anscheinend immer den alten Kalauer vom Nazivergleich auf den Tisch bringen, sich nicht bewusst seiend, dass das im Endeffekt eine Verharmlosung des Nationalsozialismus darstellt. Herr Kollege Leichtfried, Sie bringen laufend den Nazivergleich, Sie bringen laufend die Nazikeule, aber in Wirklichkeit ist das ein leichtfertiger Umgang mit den Begriffen, die hier in den Raum gestellt werden. Sie verharmlosen damit in Wirklichkeit diverse Begriffe immens, und das gilt es zu verurteilen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wann habe ich das eigentlich gesagt?)
Für mich stellen sich nach den Reden von Leichtfried und Rendi-Wagner einige Fragen. Erstens: Wie tief kann man nur sinken? Zweitens: Wie nervös müssen Sie vor der EU-Wahl eigentlich sein, wenn man in Umfragen liest, dass die NEOS, obwohl sie viel schwächer vertreten sind, die SPÖ in der Stärke der Oppositionsarbeit schon längst überholt haben? Wie verzweifelt müssen Sie eigentlich sein, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Man kann nur eines zurückgeben: Si tacuisses! Sie haben auch heute eine wunderbare Gelegenheit verpasst, einfach den Mund zu halten und zu schweigen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir kommen zum Thema Glaubwürdigkeit. Sie unterstellen uns laufend Nähe zu Extremisten, zu Rechtsextremisten und dergleichen. Sprechen wir einmal zum Beispiel von Ihrer Nähe, liebe SPÖ, zu Linksextremisten – ist heute schon angeführt worden –, zu Antifa, von Randalen bei Balldemonstrationen und dergleichen! – Da schweigen Sie, da messen Sie mit zweierlei Maß. Es ist überhaupt Ihre Kunstfertigkeit, laufend mit zweierlei Maß zu messen und sich selbst nicht den Spiegel vorzuhalten, wo Ihre Nähe zu vermeintlichen Extremismen ist. Diese Nähe ist viel leichter nachzuweisen.
Beispiel: Nähe zum radikalen Islamismus. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zu Recht vor zwei bis drei Jahren, damals noch im Landtag, dem damaligen Landeshauptmann von Wien und Bürgermeister Häupl vorgeworfen (Abg. Leichtfried: Jetzt kommt schon wieder Wien!), er müsse sich zu Recht als Ziehvater des radikalen Islamismus in Wien bezeichnen lassen. So muss er sich zu Recht bezeichnen lassen. Es ist auch ganz klar nachweisbar anhand von Subventionen der Gemeinde Wien, die von der Mehrheit der SPÖ beschlossen wurden und weiterhin beschlossen werden, einerseits an radikal-islamistische Vereine, andererseits an linksextreme Vereine. Ich erinnere zum Beispiel an das Amerlinghaus.
Es gibt Vereine, die zur Weltrevolution aufgerufen haben, zur marxistischen, trotzkistischen Weltrevolution. (Abg. Rosenkranz: Das ist etwas für den Pilz!) – Da hört man wiederum nichts. Da werden Hunderte Millionen Euro jährlich an Steuergeldern hinausgeschmissen, Geld, das Menschen hart erwirtschaften, um Ihre Flausen im Kopf zu finanzieren. Das ist Ihnen keine Kritik wert, da gibt es keine Distanzierung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Reden wir von den täglichen Vorfällen, Herr Leichtfried! – Wo bleibt die Distanzierung, wo bleiben die Konsequenzen, wo bleiben die Rücktritte von diversen Personen, wenn die SPÖ täglich Facebook-Postings wie zum Beispiel heute: „Kreisky würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen würde, dass heute wieder Nazis im Parlament ein- und auskriechen“, von sich gibt?
Das ist das Einzige, was Sie können: dauernd Nazivergleiche und in Wirklichkeit ein Verharmlosen der Begriffe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle hier für unsere Fraktion eines ganz klar fest: Wir lehnen jede Form des Sozialismus ab, egal ob international oder national! – Eine vollkommen klare Sache, und damit haben Sie ein Problem. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ihre Parteikollegin Julia Herr hat noch vor Kurzem das Regime in Venezuela hochgelobt und hochgepriesen, ein Regime, das es trotz der Tatsache, dass Venezuela das erdölreichste Land der Welt ist, geschafft hat, Millionen von Menschen in die Armut zu befördern. Wenn das von Frau Julia Herr hochgepriesen wird, dann sieht man, wie sehr Sie hier mit zweierlei Maß messen.
Wir haben mit Extremismus nichts am Hut. Wir
stehen hinter unserem Vizekanzler
H.-C. Strache. Die Bundesregierung ist geeint, es passt kein Blatt Papier
zwischen uns. Wir arbeiten Tag für Tag, Woche für Woche Schritt
für Schritt weiter für die Anliegen der Bevölkerung und
müssen Ihren Scherbenhaufen erst aufräumen. (Beifall bei FPÖ
und ÖVP.)
16.41
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler ist ja in China, daher darf ich vielleicht mit einer chinesischen Fabel beginnen. Ein Herrscher fragt seinen Minister: Vor wem muss man sich im Staat am meisten fürchten? Und der Minister sagt: Vor der Ratte in der Bildsäule!
Dazu muss man wissen, dass es in vielen chinesischen Orten üblich war, dem Geist des Ortes eine Bildsäule zu errichten, die wunderbar bemalt war, und diese Bildsäule wurde verehrt und geehrt.
Eines Tages hat sich in eine solche Bildsäule eine Ratte eingenistet. Jetzt stand man vor dem Problem, wie man die Ratte entfernen kann, denn man will ja nicht einer Ratte Ehrerbietung erweisen. Hätte man die Ratte durch Feuer vertreiben wollen, hätte man die Bildsäule anzünden müssen, dann wäre sie vernichtet gewesen. Hätte man die Ratte durch Wasser vertreiben wollen, hätte man die Bildsäule in Wasser tauchen müssen, und das hätte womöglich die Farben aufgelöst. So musste man die Ratte in der Bildsäule hinnehmen und konnte sie nicht entfernen.
Warum erzähle ich diese Fabel? – Weil die FPÖ in einer ähnlichen Situation ist. (Bundesminister Hofer: Bitte kein Rattenvergleich!) Es ist heute schon gesagt worden: Dieses Gedankengut, das die Identitären vertreten, das Extremisten vertreten, das ist Teil Ihrer DNA, Teil Ihrer Gründungsgeschichte. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.) Herr Klubobmann Rosenkranz hat heute darauf verwiesen, dass Sie ja das Dritte Lager repräsentieren, dass Sie aus dem VdU, aus dem Verband der Unabhängigen, hervorgegangen sind. Also dieses Gedankengut ist nach wie vor vorhanden. (Abg. Rosenkranz: Kraus und Reimann!)
Wir haben das ja heute bei der Debatte über das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ganz deutlich gesehen, diese Stoßrichtung gegen die Ausländer. (Abg. Martin Graf: Vergleichen Sie uns mit Ratten? Das ist ja unglaublich!) Herr Abgeordneter Amesbauer hat sich gerühmt, dass etwas dagegen unternommen wird, dass diese Menschen unser Sozialsystem ausnutzen. Die Stimmung, die Sie dadurch erzeugen, wird dann von manchen – Gott sei Dank nicht von allen – so verwendet, dass sie extrem werden, solche Pamphlete wie das Rattengedicht verfassen. Aber die Ursache sind diese Gedanken, die Sie auch vertreten, die Angst vor den Fremden, vor den Ausländern, die Sie schüren. Daher ist es schwer für Sie, sich davon zu trennen. Sie können sich distanzieren, aber wenn Sie das wirklich mit der Wurzel ausreißen wollen, müssten Sie die Partei neu gründen, Herr Vizekanzler, sonst wird das nicht funktionieren! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Warum ist das für uns so gefährlich? – Da bin ich ganz bei dem, was Frau Klubobfrau Rendi-Wagner am Beginn gesagt hat: Grenzen werden immer weiter hinausgeschoben, Unsagbares wird sagbar gemacht. Vielleicht haben manche von Ihnen Sebastian Haffner, „Geschichte eines Deutschen“, gelesen. Er beschreibt die Entwicklung in den 1930er-Jahren in Deutschland. Das war ganz ähnlich – ich hoffe nicht, dass wir je so
weit kommen –, aber Sebastian Haffner schreibt, es wäre 1933 nicht möglich gewesen, so etwas wie die Reichspogromnacht zu machen. Die Deutschen wären dagegen aufgestanden, wenn Synagogen zerstört worden wären, jüdische Geschäfte geplündert, Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben worden wären. 1938 hatte man sich schon an vieles gewöhnt.
Ich habe mir gedacht – jetzt, in unserer Situation, stellen wir uns das einmal vor, das liegt uns jetzt näher –: Was wäre denn gewesen, wenn vor zehn Jahren – damals war Frau Fekter Innenministerin – Frau Fekter gesagt hätte: Ich habe eine gute Idee: Benennen wir das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Ausreisezentrum um!? Was wäre die Reaktion gewesen? – Man hätte gesagt, sie hat den Verstand verloren, sie ist verrückt geworden, das kann sie ja nicht ernst meinen. Jetzt wird das vom Herrn Innenminister – er ist nicht mehr da – gesagt. Und? – Na ja, sagt er es halt. Wir gehen mit einem Achselzucken zur Tagesordnung über, denn es ist ein Baustein in dieser gesamten Entwicklung, wo immer stärker Ängste geschürt werden, Abneigungen befeuert werden.
Das ist eben die Erzählung – und das muss ich beiden Regierungsparteien vorhalten –, die Erzählung, was auch die Essenz Ihres politischen Handelns ist, dass Sie bei welchem Thema auch immer bei den Ausländern ankommen, bei den Zuwanderern ankommen, bei den Asylwerbern ankommen, damit Ängste schüren, damit Aversionen schüren und offenbar nicht überlegen, was das in der Bevölkerung bewirkt, welche Stimmung Sie damit erzeugen, nur damit Sie Stimmen bekommen, welcher Schaden das für die Gesellschaft ist (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ) – und diesen Preis zahlen wir alle.
Was dabei noch besonders störend ist – und das ist auch ein bisschen der Nachteil, wenn man diese Diskussionen hier im Parlament führen muss –: dass wir nicht über die wirklich wesentlichen, wichtigen, für unsere Zukunft ganz entscheidenden Dinge sprechen. Wann wurde hier im Parlament über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz debattiert? – Ich kann mich nicht erinnern. Das ist die größte Revolution, die überhaupt vorstellbar ist, auf die wir uns vorbereiten müssen, im Bildungssystem, ganz entscheidend in der Arbeitsmarktpolitik. Das wird unsere Lebensgrundlagen entscheidend verändern. Was geschieht dazu? – Sehr, sehr wenig, kaum etwas. Das wäre aber wichtig, es wäre notwendig, alle Ressourcen, die intellektuellen, die materiellen, hineinzustecken, damit wir dem gewachsen sind.
Daher ist es sehr zu bedauern, dass wir uns immer wieder mit diesen Themen beschäftigen müssen, dass wir immer wieder hören müssen, Sie distanzieren sich von etwas, was eigentlich das Wesen Ihrer Partei ausmacht – denn dass das gefährlich ist, das ist offenkundig.
Ich schließe mit einem Zitat von Bertolt Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
16.50
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Geschätzte Ministerinnen und Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die ÖVP/FPÖ-Regierung ist seit gut 16 Monaten im Amt. Seither tanzen in beunruhigender Regelmäßigkeit rechtsextremistische, ausländerfeindliche und auch antisemitische Vorfälle aus der Reihe der FPÖ. Nicht, dass es diese nicht schon vorher
gab, aber seitdem die FPÖ in der Regierung ist, hat sie eine besondere Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernommen.
Sie tun jetzt gerne so, als wären das nur Einzelfälle, doch das sind sie nicht. Das kann ich Ihnen anhand eines einfachen Rechenbeispiels veranschaulichen: Es gab seit der Regierungsbildung ungefähr 62 FPÖ-Einzelfälle. Das sind ungefähr 3,9 Einzelfälle im Monat, beinahe ein Einzelfall pro Woche. Wenn man jetzt im Wörterbuch unter Einzelfall nachschlägt, findet man folgende Erklärung: Ein Einzelfall ist ein einmaliges Ereignis, ein einmaliger Vorfall. Diese Definition trifft aber auf diese Anzahl von widerlichen und rassistischen Ausfällen überhaupt nicht zu.
Und weil man, wie ich finde, sehr hohe Zahlen auch nicht besonders gut erfassen kann, habe ich mir gedacht, ich veranschauliche 62 Einzelfälle für Sie. „Der Standard“ hat sich die Mühe gemacht, diese zusammenzufassen, und ich habe mir erlaubt, diese in einer Rolle zusammenzufassen, um sie hier vorzuführen. Meine Damen und Herren, das alles sind Einzelfälle, Einzelfälle der FPÖ (einen Stoß mit Zeitungsartikeln bedruckte, aneinander geklebte DIN-A4-Zettel in die Höhe haltend, entfaltend und nacheinander auf den Boden gleiten lassend), alles, alles Einzelfälle. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)
Schafft es nun die FPÖ, sich von diesen extremen rechten Rändern auch wirklich glaubwürdig abzugrenzen? Die sogenannten Einzelfälle ziehen sich durch alle Ebenen, wohin wir schauen, ob Bund, Land oder Gemeinde, überall fallen FPÖ-Funktionäre oder FPÖ-Mitarbeiter mit rassistischen, fremdenfeindlichen, aber auch antisemitischen Äußerungen auf; zum Beispiel der Herr Innenminister, der Flüchtlinge konzentriert in Lagern unterbringen möchte, oder ein Landesrat Waldhäusl, der Flüchtlinge sonderbehandeln möchte. Jeder, der ein Geschichtsbewusstsein hat, weiß, worauf Sonderbehandlung abzielt.
Auch sonst sind FPÖ-Mitglieder und -Funktionäre in ihrer Ausdrucksweise nicht immer besonders zimperlich. (Abg. Rosenkranz: Dafür kommt der Herr Pilz aus dem Mädchenpensionat, nicht?!) So hat man zum Beispiel einer Grün-Politikerin eine Massenvergewaltigung durch Flüchtlinge gewünscht. Manchmal tun sich auch erstaunliche geschichtliche Wissenslücken auf. Da wissen dann beispielsweise FPÖ-Funktionäre nicht, dass der Begriff Untermensch, den eine FPÖ-Funktionärin für Flüchtlinge verwendet hat, ein Begriff ist, der damals im Nationalsozialismus verwendet wurde. Das überrascht, denn die FPÖ betont immer wieder, dass sie Wert auf Tradition und Geschichtsbewusstsein legt.
Herr Vizekanzler Strache, ich möchte Ihnen aber schon zugestehen, dass Sie in den letzten 16 Monaten sehr wohl versucht haben, die FPÖ von den antisemitischen Positionen so mancher zu distanzieren. Leider hat es irgendwie nicht gereicht, und es ist nicht so ganz gelungen, diese Verstrickungen von rechtsextremen Kreisen zur FPÖ zu kappen. Das haben auch die umfangreichen Enthüllungen der vergangenen Wochen über die umfangreichen Verstrickungen beispielsweise der Identitären Bewegung mit der FPÖ gezeigt. So ist FPÖ-Innenminister Kickl als Starredner vor dem rechtsextremen Kongress der Verteidiger Europas aufgetreten. Prominente FPÖ-Anhänger haben den Identitären Unterkunft gegeben und ihnen ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Funktionäre und Abgeordnete der FPÖ marschieren bei Demonstrationen der Identitären. Der Grazer FPÖ-Bürgermeister hat es in seiner ersten öffentlichen Äußerung nicht einmal geschafft, sich von den Identitären zu distanzieren.
Lassen Sie mich festhalten: Diese Identitäre Bewegung, das sind keine harmlosen Spinner oder dergleichen, es handelt sich dabei um eine Organisation, gegen die ak-
tuell die Staatsanwaltschaft wegen Terrorverdachts ermittelt, weil diese Identitäre Bewegung Verbindungen zum rechtsextremistischen Neuseeland-Terroristen aufweist.
Auf eine Sache möchte ich bei der rechtsextremen Identitären Bewegung sehr wohl eingehen, nämlich auf ihre Ideologie. Diese Ideologie der Identitären Bewegung hat den rechtsextremen Neuseeland-Terroristen dazu motiviert, zu den Waffen zu greifen und auf Andersgläubige zu schießen. Diese zutiefst menschenverachtende Ideologie, der er gefolgt ist, ist die These vom großen Austausch. Diese Verschwörungstheorie geht davon aus – das möchte ich hier schon kurz erläutern –, dass irgendwelche verborgenen Mächte einen geheimen Plan verfolgen, die „weiße europäische Rasse“ – unter Anführungszeichen – gegen muslimische oder außereuropäische Einwanderer auszutauschen. Das wollte der Christchurch-Terrorist mit allen Mitteln verhindern.
Meine Damen und Herren! Der große Austausch ist die Basisideologie der rechtsextremen Identitären. Sie verwenden diesen bei jeder ihrer Aktionen, warnen davor und motivieren andere, sich gegen den großen Austausch zur Wehr zu setzen, veranschaulicht anhand dieses Plakats. (Die Rednerin hält ein Bild einer Demonstration von Anhängern der Identitären Bewegung, die ein Transparent mit der Aufschrift „Bald sind wir eine Minderheit im eigenen Land“ „Stoppt den Austausch“ vor sich hertragen, in die Höhe.)
Herr Vizekanzler! Sie haben in den vergangenen Wochen versucht, die FPÖ aus ihren tiefen Verstrickungen mit den Identitären zu lösen. Doch es ist zu wenig und vor allem nicht ausreichend und nicht glaubwürdig. Wenn Sie es aber mit dieser Distanzierung wirklich ernst meinen, Herr Vizekanzler, dann nutzen Sie doch heute die Möglichkeit und stellen Sie hier im Hohen Haus fest: Der große Austausch, diese absurde Verschwörungstheorie der Identitären, hat keinen Platz in der FPÖ und auch keinen Platz hier im Hohen Haus! (Beifall bei JETZT und SPÖ.)
Herr Vizekanzler, lassen Sie es, auch vor dem Hintergrund Ihres eingangs erwähnten Engagements, nicht zu, dass Anhänger dieser terroristischen Ideologie weiterhin in der FPÖ eine politische Heimat finden. Ich bringe heute einen Entschließungsantrag ein, der Ihnen allen, werte Abgeordnete, die Möglichkeit gibt, sich klar von dieser terroristischen Ideologie des großen Austausches zu distanzieren. Distanzieren Sie sich heute davon!
Deswegen stelle ich folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend „Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des ‚Großen Austausches‘“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um innerhalb ihres Wirkungsbereichs die Bevölkerung darüber zu informieren, dass es sich beim so genannten ‚großen Austausch‘ um eine rechtsextreme Verschwörungstheorie handelt, die in der österreichischen Gesellschaft und Politik keinen Platz hat.“
*****
Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)
16.59
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, LL.M., Kolleginnen und Kollegen
betreffend Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des „Großen Austausches“
eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage in der 72. Sitzung
Begründung
Martin Lichtmesz, einer der Chefideologen der „Neuen Rechten“ im deutschsprachigen Raum, übersetzte die Hassschrift von Renaud Camus: „Revolte gegen den großen Austausch“ ins Deutsche. In Folge wurde der Slogan vom „großen Austausch“ zum Schlachtruf der Identitären Bewegung. 2014 starteten die Identitären eine große Online-Kampagne dazu1. „Der große Austausch“ [im Original: „The Great Replacement“] war auch der Titel des Pamphlets, mit dem der Neuseeland-Terrorist seine Taten rechtfertigen wollte.
Hinter der Formulierung „Der große Austausch“ versteckt sich eine rechtsextremistische Verschwörungstheorie, die behauptet, „dunkle Mächte“ planen die weiße „Rasse“/ die „weiße Bevölkerung Europas“ gegen muslimische oder außereuropäische EinwandererInnen auszutauschen. So käme es, gemäß der Theorie des „großen Austausches“ in absehbarer Zeit zu einem „Untergang Europas“ oder einem „Genozid“.
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um innerhalb ihres Wirkungsbereichs die Bevölkerung darüber zu informieren, dass es sich beim so genannten ‚großen Austausch‘ um eine rechtsextreme Verschwörungstheorie handelt, die in der österreichischen Gesellschaft und Politik keinen Platz hat.“
1 https://www.identitaere-bewegung.at/der-grosse-austausch/
*****
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die Kollegen und Kolleginnen – ich glaube, es haben von der Freiheitlichen Partei heute bei dieser Debatte nur Kollegen gesprochen – mit: Angriff ist die beste Verteidigung!, reagiert haben, ist nicht weiter überraschend.
Schon überraschend und jedenfalls sehr bedauerlich ist, dass die Kollegen von der ÖVP mit Ablenkung – reden wir über etwas anderes! – reagiert haben und ihnen leider heute in dieser Debatte zum Thema Umgang mit dem erstarkenden Rechtsextremismus in Österreich sehr wenig eingefallen ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Deswegen möchte ich noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen und noch einmal herausarbeiten, worum es uns in dieser Debatte wirklich geht. Es gibt die Gruppe der Identitären – eine rechtsextremistische Gruppe, die sich formiert, die wächst.
Um auch den Zusehern und Zuseherinnen zu veranschaulichen, worum es hier geht: Das ist eine Gruppe, die davon spricht, den Krieg zu beginnen, den Kampf bis aufs Messer zu führen, und bei der bei Hausdurchsuchungen tatsächlich auch Waffen gefunden wurden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Weil in diesen Debatten dann immer wieder von Meinungsfreiheit gesprochen wird, muss man ganz klar festhalten – und das würde hier zum Grundkonsens gehören –: Das hat mit Meinung nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)
Wie finanziert sich diese Gruppe? – Diese Gruppe finanziert sich durch Spenden, wobei sich immer wieder herausstellt, dass Spender sich im FPÖ-Umfeld bewegen, dass sogar Persönlichkeiten, die bei der Freiheitlichen Partei aktiv politisch tätig sind, zu den Spendern zählen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das war schon immer problematisch, aber jetzt sind Sie Regierungspartei, und da beginnt das Problem wirklich dramatisch zu werden, gefährlich zu werden, denn die Verstrickungen, die sich hier auftun, ziehen sich bis in die Ministerien hinein. Herr Vizekanzler, Sie haben es in der Beantwortung so dargestellt, als ob Ihnen das nicht bekannt wäre: Das ist in den letzten Tagen alles öffentlich in den Medien dargestellt worden, und wir sind auch gerne bereit, Ihnen ein entsprechendes Dossier zukommen zu lassen, um Sie in dieser Angelegenheit zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)
Was auch noch dazukommt und die Sache noch einmal dramatischer macht, ist, dass es hier nicht um irgendwelche Ministerien geht – es gibt an sich nicht irgendwelche Ministerien, da sind wir uns schon einig –, sondern es geht, unter anderem, um die beiden Ministerien, die für die Sicherheit in unserem Land zuständig sind, es geht um das Innenressort und um das Verteidigungsressort. Diese beiden möchte ich besonders herausstreichen, denn diesen beiden freiheitlichen Ministern unterstehen 80 000 bewaffnete Sicherheitskräfte und drei Geheimdienste in unserem Land. Über die freiheitlichen Ministerbüros beginnen sich da rechtsextremistische Netzwerke einzuschleusen und auszubreiten. Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, dem müssen wir gemeinsam Einhalt gebieten, da sind Sie doch hoffentlich noch dabei! (Beifall bei der SPÖ.)
An dieser Stelle kann ich Ihnen nicht ersparen, den Herrn Bundeskanzler in die Pflicht zu nehmen, denn es ist seine Verantwortung, es ist seine Vereinbarung mit dem Regierungspartner, welche Ministerien der Freiheitlichen Partei überantwortet wurden. Der Herr Bundeskanzler ist ein bisschen verärgert, er rümpft die Nase, aber ich weiß nicht, ob er wirklich den Ernst der Situation begreift. Wirkliche Konsequenzen hat er jedenfalls noch nicht gezogen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Die roten Linien werden verschoben, das ist heute schon gesagt worden. Die Freiheitliche Partei verschiebt die roten Linien, und die ÖVP legitimiert diese Verschiebung. – Dem müssen wir gemeinsam ein Ende setzen. (Beifall bei der SPÖ.)
17.04
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.
Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Werter Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Hohes Haus! Verehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, das von Toleranz, Anstand und Respekt allen gegenüber geprägt ist – mit einer einzigen Ausnahme, nämlich
wenn es darum geht, eine klare Linie zum Extremismus zu ziehen, egal ob linker, rechter oder religiöser Extremismus.
Extrem bleibt extrem, ist menschenverachtend und eine Bedrohung für unsere liberale Gesellschaft. Wir alle, die wir hier im Hohen Haus sitzen, treten dafür ein, unsere Werte gegenüber allen, die sie in Frage stellen, zu schützen – und da frage ich mich schon, warum manchmal mit zweierlei Maß gemessen wird. Sie reden von Ablenkung, ich rede von Tatsachen. Das, was in der Bundesregierung als ehrenrührig empfunden wird, nämlich eine Koalition mit der FPÖ, wird im Burgenland, in meinem Heimatbundesland, hoch gelobt. Ich erinnere an lobende Worte des ehemaligen Landeshauptmannes Hans Niessl, der immer wieder die gute Zusammenarbeit mit der FPÖ gepriesen hat, und auch der jetzige Landeshauptmann ist mit dieser Zusammenarbeit höchst zufrieden. – Wo ist da bitte der Unterschied? Dort, wo die SPÖ in der Opposition ist, ist es ehrenrührig, und dort, wo sie in der Regierung ist, ist alles in Ordnung? – Das muss mir einmal jemand erklären. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Ein Zitat des Philosophen Rudolf Burger passt da ganz gut dazu: Immer, wenn die SPÖ nicht in der Regierung ist, bricht der Faschismus aus. – Nur im Burgenland ist es offensichtlich anders. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Sie haben heute mehrmals von Konsequenzen gesprochen – Konsequenzen, die vonseiten der Bundesregierung sehr wohl gezogen werden, die ich aber manchmal in einem anderen Zusammenhang schmerzlich vermisse. Ich erinnere an ein Interview eines SPÖ-Abgeordneten in Kärnten, der sich dazu verstiegen hat, zu sagen: „Da halte ich mich an Goebbels, der gesagt hat: Das Volk muss fühlen, wer das Sagen hat.“ – Das war an einem 16. Dezember, er hat dann kurzfristig das Mandat zurückgelegt. Der Landesparteivorstand hat am darauffolgenden 7. Jänner eine Empfehlung abgegeben, dass der Abgeordnete sein Mandat behält – großartige Leistung! – So viel zum Thema Konsequenzen. (Zwischenruf des Abg. Nehammer.)
Kommen wir zum Rechtsextremismus: Ich komme aus Eisenstadt. In Eisenstadt ist das Österreichische Jüdische Museum beheimatet, das klar dokumentiert, welch unglaubliches Verbrechen an unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern begangen wurde. Ich war vor Kurzem mit dem Leiter des Museums, Johannes Reiss, und dem slowakischen Botschafter am jüdischen Friedhof, und da hat sich natürlich auch eine Diskussion rund um Extremismus und Rassismus ergeben. Wir waren uns ganz klar einig darüber, dass all das, was an Wissen in diesem Museum dokumentiert ist, an unsere Kinder und Kindeskinder weitergegeben werden muss. Das ist auch Auftrag unserer Bildungspolitik, denn wir haben es mit der letzten Generation derer zu tun, die Zeugnis von diesen Gräueltaten ablegen können.
Ich trete aber auch für ein klares Bekenntnis gegen linken Extremismus ein. Der Name der SJ-Vorsitzenden Julia Herr ist heute schon mehrmals gefallen, und ich darf daran erinnern, dass sie auf der Liste der Kandidaten zur EU-Wahl der SPÖ an sechster Stelle steht (Zwischenruf der Abg. Kucharowits) – eine Kandidatin, die als Vorbild Venezuela erwähnt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Welches Vorbild? Menschenverachtung? Verfolgung? – Da frage ich mich schon: Messen Sie da mit zweierlei Maß? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Viele von Ihnen hier im Saal und zu Hause können sich noch an die 1960er- und 1970er-Jahre erinnern, als es schick war, Che Guevara auf das Titelblatt der Schülerzeitungen zu setzen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2019, und es gibt immer noch Menschen, die ihn verehren und ihm eine Büste setzen, nämlich das Rote Wien. Che Guevara, der Commentatore (Abg. Krainer: Comandante! – Heiterkeit bei der SPÖ), der nicht nur im Guerillakrieg tätig, sondern auch ein Verehrer der Kulturrevolution Chinas war – eindeutig: Menschenverfolgung, Menschenverachtung und mehrfacher, hundert-
facher Mord –, und diesen verehrt das Rote Wien? Darüber muss ich aber wirklich nachdenken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wissen Sie, ich lebe Toleranz, ich bin beim Roten Kreuz, und zu den Grundsätzen des Roten Kreuzes zählen Menschlichkeit und Neutralität. Wir machen keinen Unterschied nach Rasse, Nationalität, Religion oder Ethnie. Ich hoffe, dass wir alle hier in diesem Raum uns darüber klar sind, dass niemand hier einen Unterschied machen darf, denn was zählt, ist der Mensch, und wir alle sind dazu berufen, diese Menschenwürde zu schützen, egal von wem sie angegriffen wird, ob von religiösen Extremisten, von links oder von rechts. Darin sehe ich unsere Verpflichtung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Damit genau dieses Bewusstsein bewahrt und weitergegeben wird, darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Karl Nehammer, MSc, Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung von Lehrmaterialien“
eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage in der 72. Sitzung des Nationalrates
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob im Rahmen der im österreichischen Bildungswesen zur Anwendung gelangenden Lehrmaterialen ausreichend vor totalitären Schriften und allenfalls damit in Verbindung stehenden Verschwörungstheorien gewarnt und über deren Ursachen und Wirkungen aufgeklärt wird.“
*****
Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
17.10
Präsidentin Doris Bures: Dieser Entschließungsantrag ist somit ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Kollegin Zadić, weil Sie vorhin mit Ihrer Liste versucht haben, zu zeigen, wie lang die Liste der Einzelfälle wäre: Ich habe sogar von der dritten Reihe aus gesehen, dass da vermeintliche Einzelfälle drauf waren – wie zum Beispiel der Fall Udo Landbauer –, die keine sind. Oder haben Sie da irgendetwas gerichtlich Anhängiges gefunden? (Oh-Rufe bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)
Wissen Sie, was aber im Vergleich dazu interessant wäre? – Eine Liste der gestoppten gerichtlichen Verfahren gegen Ihren Kollegen Pilz. Da würde mich interessieren, wie lang diese Liste wäre. Das sollten wir uns bei Gelegenheit einmal anschauen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Vielleicht auch noch eingangs, bevor ich dann zum Debattenthema komme, eine Information für die SPÖ, die Herr Landeshauptmann Doskozil gerade ausrichtet: Ein Nein zu Rot-Blau sei nicht Parteilinie, sagt er Ihrem Spitzenkandidaten Schieder – auch sehr interessant. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Also vielleicht sollten Sie sich eher mit sich selbst auseinandersetzen, bevor Sie hier interessante Dinge in den Raum stellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rosenkranz: Das ist ja der eigentliche Obmann!)
Aber zurück zu einer Dringlichen Anfrage, die offenbar nicht einmal die Sozialdemokraten mehr interessiert, denn wenn man in deren lichte Reihen schaut, ist schon erkennbar, dass es ein sehr, sehr polemischer Ansatz ist, der hier gewählt wurde. Ich werde mich der Angelegenheit aber trotzdem ernsthaft nähern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, der Anker, den Sie im Zuge dieser Anfrage setzen, reicht in eine Zeit, hinsichtlich derer wir uns alle hier im Haus einig sind, dass wir alles Erdenkliche tun müssen, damit eine solche nicht mehr wiederkommt – und verlassen Sie sich darauf, wir werden das auch tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Es ist auch eine Zeit, die die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte darstellt, und daraus müssen wir auch unsere Lehren ziehen – und auch das werden wir tun. Das möchte ich Ihnen aber genauso ans Herz legen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, denn wenn Sie genau diese Zeit dazu heranziehen, politische Polemik zu betreiben, die Gesellschaft spalten und schlussendlich ein Klima erzeugen, das auch in Gewalt münden könnte, machen Sie sich selbst zu möglichen Erfüllungsgehilfen eines Systems, das Sie augenscheinlich ablehnen wollen.
Die Begründung der Anfrage geht sehr weit in die Geschichte zurück. Ich möchte nicht so weit in die Geschichte zurückgehen, weil dazu schon alles gesagt wurde. Was ich aber machen möchte, ist: Ich möchte mich mit den letzten 17 Monaten und dem in Österreich entstandenen politischen Stil auseinandersetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie.
Frau Kollegin Rendi-Wagner, können Sie sich noch erinnern, als im Zuge der Diskussion zur Arbeitszeitflexibilisierung nicht nur Millionen von arbeitenden Menschen von Ihnen mit Unwahrheiten verunsichert wurden, sondern Sie und Ihre Genossen einen politischen Akt gesetzt haben, der mehr als bedenklich war? Frau Kollegin Rendi-Wagner, Ihre roten Gewerkschafter waren es, die Pflastersteine und Grabkerzen vor die Häuser unserer Abgeordneten gestellt haben. (Abg. Rosenkranz: Unerhört! Unerhört!) Wissen Sie eigentlich, was damit in den Familien angerichtet worden ist? Wissen Sie, was Sie bei Kindern angerichtet haben, die das vor dem Haus vorgefunden haben, die entsetzt ihre Eltern gefragt haben, was hier vonstattengeht? Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie können ganz gerne herschauen! (Ruf bei der FPÖ: Nein, da schämt man sich!) Das ist eine Sache, die Sie zu verantworten haben – Sie und Ihre Genossen von der Gewerkschaft. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek – mit zwei Fingern zuerst auf ihre Augen und dann auf den Redner deutend –: Wir hören Sie ...!)
Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Ihre Gestik und Ihre Mimik zeigen, dass Sie nervös sind, und das ist auch gut so. (Abg. Heinisch-Hosek – auf ihre Augen und auf ihre Ohren deutend –: Ich muss Sie nicht anschauen, es reicht, wenn ich Sie höre!) Wissen Sie, warum? Es gab keine Konsequenzen nach diesen Handlungen. Die gab es nicht. Wissen Sie, was eine Woche später passiert ist, Frau Kollegin Heinisch-Hosek? Da haben linke Aktivisten ein Feuer am Dach des Verkehrsministeriums entzündet. Ist das die Art und Weise, wie Sie Politik machen wollen? Gab es da Konsequenzen aus Ihren Reihen? Ich kann mich nicht daran erinnern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Im Gegenteil! Sie haben rhetorisch aufgeschärft. Gewerkschafter aus Ihren Reihen sprechen davon, die Regierung zu stürzen, in Kärnten behauptet eine SPÖ-Politikerin, die Opposition gehöre überhaupt gleich in ein Flugzeug der Ethiopian Airlines, in das Katastrophenflugzeug, das abgestürzt ist, und der Sohn des von Ihnen geschätzten Landeshauptmannes von Kärnten bezeichnet Österreich als eine „Nazion“. (Abg. Höbart: Ein Wahnsinn! Das ist echt ein Wahnsinn!) Frau Kollegin Rendi-Wagner, das blieb konsequenzlos, obwohl Sie immer so gerne Konsequenzen sehen? Wissen Sie, was Sie gemacht haben? Es war nicht nur konsequenzlos, sondern dieser Herr Kaiser kandidiert jetzt sogar noch auf einem wählbaren Platz bei den Wahlen zum EU‑Par-
lament. – Das sind Ihre Konsequenzen, Frau Kollegin Rendi-Wagner! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Extremismus jeglicher Art, egal ob linker oder rechter, muss strikt abgelehnt werden, darin sind wir uns einig. Da darf man auch nicht auf einem Auge blind sein. Das bringt mich auch schon zu der Frage, wie die Parteiführung der SPÖ darauf reagiert, dass Hoffnungsträger der Sozialistischen Jugend – bis jetzt keine Konsequenzen! – in Wiener Neustadt bei Herrn Wittmann den Geburtstag von Lenin feiern, einem der größten kommunistischen Massenmörder, die die Welt je gesehen hat. – Den feiern Sie und Ihre Jugend, Kollege Wittmann! (Abg. Wittmann: Ihre Partnerpartei tut das auch!) Ich bin gespannt, wie Sie das erklären werden. Ich habe dafür kein Verständnis und erwarte auch Konsequenzen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe vorhin vom politischen Klima in diesem Land gesprochen und möchte der Sache auf den Grund gehen, was dazu geführt hat, zum Beispiel zur Aberkennung der Menschlichkeit des politischen Gegners, wie es die SPÖ und ihre Vorfeldorganisationen dauernd machen, indem der VSStÖ zum Beispiel Aufkleber verteilt, auf denen zu lesen ist: Finde die rechte Sau! (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner. – Abg. Rosenkranz: Unerhört!) Frau Kollegin, das steht auf Ihren Aufklebern drauf, und daneben ist ein farbentragender Student zu sehen. Finde die rechte Sau! – Das ist Ihre Diktion, und ich möchte wissen, was Sie dazu sagen, Frau Kollegin Rendi-Wagner. (Abg. Rosenkranz: Menschenverachtend!) Was sagen Sie dazu? Das ist Menschenverachtung pur. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Menschenhatz!)
Frau Kollegin, ist Ihnen klar, was Sie und Ihre Genossen mit all diesen Dingen, mit dieser Agitation für eine Saat in Österreich ausgesät haben? Ist Ihnen klar, dass Ihre Genossen von der SPÖ Langenzersdorf Bilder posten – und noch dazu steht drunter: Yes, we Pam! –, auf denen man den Kanzler und den Vizekanzler dieser Republik in Hakenkreuzform abgebildet sieht. Ist Ihnen das klar? (Abg. Drozda: ... Karikatur ...!) Ist Ihnen auch klar, welches Bild Sie dadurch im Ausland über Österreich zeichnen? Übernehmen Sie die Verantwortung dafür? Es stünde Ihnen zu. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Drozda: Das war auch im „Kurier“! Kennen Sie den?)
Am Ende führen genau diese Aktivitäten dazu, dass sich auch Journalisten radikalisieren, wie zum Beispiel Herr Klenk in einem Tweet gestern, den er zwar wieder gelöscht hat, in dem aber trotzdem stand, er fände es gut, wenn Vilimsky für seine Frechheiten gegenüber Wolf nochmals den Taser-Selbsttest macht, diesmal aber ohne Polizisten und ohne Auffangen.
Frau Kollegin Rendi-Wagner, das ist das Klima in der Gesellschaft, das Sie erzeugen. Ich möchte Ihnen daher am Ende meiner Ausführungen einen Spruch aus dem Talmud mitgeben, der gerade für die Sozialdemokratie sehr, sehr wichtig wäre. Beherzigen Sie ihn und handeln Sie auch danach: Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Erasim. – Abg. Kuntzl: Das schreiben Sie sich selber ins Stammbuch!)
17.18
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Muna Duzdar. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Ich habe jetzt
sehr aufmerksam den Rednern, den Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP und der FPÖ zugehört. Sie haben über alles geredet, sie haben nur nicht zum Thema Rechtsextremismus und Umgang mit Rechtsextremismus gesprochen (Rufe bei der ÖVP: O ja! – Abg. Haubner: Besser aufpassen!), und auch nicht über die politische Verantwortung derjenigen in diesem Land, die Rechtsextremismus salonfähig gemacht haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Kollege Nehammer, ich habe heute ganz besonders hingehört und eben sehr aufmerksam zugehört. Eines ist bei Ihren Reden besonders auffällig (Ruf bei der ÖVP: Dass sie gut waren!): erstens einmal, dass sie sehr selten inhaltlich sind, sehr selten sachlich sind (Abg. Zarits: Was?!), und zweitens, dass sie sich ausschließlich dadurch auszeichnen, dass Sie die Sozialdemokratie verbal angreifen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Nehammer.)
Allein schon von Ihrer Körpersprache: Wenn Sie sich hier ans Rednerpult stellen, drehen Sie sich immer automatisch zu uns! (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Das seid ihr nicht gewöhnt!) Ich frage mich, warum, Kollege Nehammer, denn es geht heute nicht um die Sozialdemokratie; das ist einfach eine Themenverfehlung! (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)
Es geht um das Thema Rechtsextremismus und die politische Verantwortung des österreichischen Bundeskanzlers – darum geht es. Daher würde ich Sie bitten, sich beim nächsten Mal das Thema der Dringlichen Anfrage genau anzuschauen! (Beifall bei der SPÖ.)
Das, was Sie heute von sich gegeben haben, war nämlich im Grunde genommen nichts anderes als ein reines Ablenkungsmanöver, und ich finde es bezeichnend, dass all diese Vergleiche, die heute angeführt wurden, in Wirklichkeit nur dazu dienen, Ihre politische Verantwortung zu verharmlosen und Dinge schönzureden und zu relativieren. Sie wollen sich nicht mit dieser politischen Verantwortung auseinandersetzen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Jetzt hat’s das Röhrl komplett zerrissen!)
Wenn Sie, Herr Kollege Nehammer, sich heute hierherstellen und sagen, Bundeskanzler Sebastian Kurz ist so verantwortungsbewusst, immer, wenn eine rote Linie überschritten wird, dann ist er der Erste, der darauf hinweist und das feststellt, dann stelle ich schon die Frage in den Raum: Haben Sie eigentlich nicht gewusst, wer die FPÖ ist? (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Strasser: Was ist im Burgenland? – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Habt ihr mit Doskozil nicht gesprochen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Hat der Bundeskanzler damals, als er diese Regierungsbeteiligung zustande gebracht hat, nicht gewusst, dass die FPÖ in Wirklichkeit seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten Beziehungen zu rechtsextremen Parteien (Abg. Rosenkranz: Zu welchem Thema sprechen Sie?), Naheverhältnisse zu einer rechtsextremen Szene hat?
Daher empfinde ich das als mehr als nur scheinheilig, das empfinde ich als Frotzelei, als Verhöhnung der Bevölkerung ... (Abg. Wöginger: Das ist ein Ordnungsruf! – Abg. Schwarz: „Scheinheilig“ geht gar nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich würde Sie bitten, den Ausdruck scheinheilig zurückzunehmen und dann in Ihrer Rede fortzufahren.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (fortsetzend): Gut, dann nehme ich den Begriff scheinheilig zurück und sage heuchlerisch. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Wöginger: Das ist ja noch ärger! – Abg. Rosenkranz: „Zurück! du rettest den Freund nicht mehr“!)
Präsidentin Doris Bures: Diese Ausdrucksweise hatten wir heute schon mehrmals, wie Sie sehen können, wenn Sie sich die Stenographischen Protokolle zur Lektüre nehmen. Viel besser ist es nicht. Ich würde darum bitten, dass man sich jetzt am Ende
dieser Debatte bei aller Emotionalität noch einmal darum bemüht, diese so zu führen, dass wir die Würde des Hauses nicht verletzen. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (fortsetzend): Es ist eine Verhöhnung der Bevölkerung, wenn die ÖVP, wenn die Türkisen, wenn Sebastian Kurz heute so tut, als ob er nie gewusst hätte, wer die FPÖ ist und welche Verbindungen und Verstrickungen die FPÖ zur rechtsextremen Szene hat. Es geht heute um nichts anderes als um die politische Verantwortung, und er trägt diese politische Verantwortung. Sebastian Kurz trägt die politische Verantwortung, denn allein aus Machtgier, aus Machtbesessenheit hat er mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ rechtes, rechtspopulistisches, rechtsextremes Gedankengut in Österreich salonfähig gemacht (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Strache), und das soll man so beim Namen nennen.
Daher sage ich ganz klar und deutlich: Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dem Ansehen Österreichs damit geschadet. Schämen Sie sich, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Das ist ein Wahnsinn! – Abg. Zarits: Das ist wirklich ein Wahnsinn! – Abg. Wöginger: Das hat’s euch zerrissen heute, das Röhrl! Kollateralschaden ...!)
17.24
Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Efgani Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Duzdar und KollegInnen aus den Reihen der SPÖ! Ihr Kampf gegen Rechtsextremismus in allen Ehren, aber Hand aufs Herz: Würden Sie genauso vehement (Abg. Neubauer: Graue Wölfe!) gegen die Grauen Wölfe, die türkischen Rechtsextremisten, die unter anderem ein sehr willkommener Ansprechpartner Ihres SPÖ-Bürgermeisters in Linz sind, oder Leute, die aus einem islamistisch-nationalistischen Umfeld der Millî Görüş kommen und bei Ihnen Sprecherfunktionen und Gemeinderatsfunktionen bekleiden, vorgehen, dann wäre das Ganze authentisch! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Sobotka: Hört, hört!)
Ich bin im Salzkammergut aufgewachsen, in Gmunden, und in den Neunzigerjahren war das wahrlich nicht lustig, wenn man da mit dunkler Hautfarbe und anderem Aussehen durch die Stadt gegangen ist und die Leute der rechtsextremen Vapo, die sich um Gottfried Küssel formiert haben, Lokalitäten in Gmunden in Besitz genommen haben und einfach Leute nach Aussehen angepöbelt und niedergeprügelt haben. Das ist nicht lustig! Das ist kein schönes Klima, das wünsche ich niemandem. Es kann aber nicht sein, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass man, wenn man für die Heimat eintritt, wenn man einen Patriotismus, einen gesunden Patriotismus an den Tag legt, wenn man Probleme benennt, die es zweifelsohne im Zusammenleben gibt, als Rassist, als Rechtsextremist und als islamophob abgestempelt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Es steht mir nicht zu, als Mandatar ohne Fraktionszugehörigkeit in Richtung einer Partei eine Empfehlung abzugeben, aber ich erlaube es mir dennoch, insbesondere an die Mandatsträger der Freiheitlichen Partei, auf Gemeindeebene, auf Landesebene und teilweise auch im Nationalrat: Dass wir heute diese Themen diskutieren, ist teilweise eigenen Entgleisungen und Dummheiten geschuldet. Dass sich unser Herr Vizekanzler heute hierhersetzen muss und diese Thematik überhaupt aufs Tapet kommt, ist meiner Meinung nach wirklich entbehrlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)
Nennen wir die Dinge beim Namen, wenn es Probleme gibt, aber diffamieren wir nicht Leute aufgrund ihrer Herkunft oder Religionszugehörigkeit oder ethnischen Abstammung! Es gilt, gemeinsam für Werte, für Haltungen einzutreten, und es ist wurscht, wer von wo abstammt, denn was zählt ist nicht die Herkunft, sondern das Verhalten, und für dieses ist jeder selbst verantwortlich. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
17.28
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann. – Bitte. (Rufe bei FPÖ und ÖVP: Nein! Jössas na! Der Lenin!)
Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich kann bei der Rede von Frau Abgeordneter Griss anschließen: Ich glaube, dass das Problem, das sich darstellt, ist, dass sich durch diese vielen Einzelfälle die Grenzen verschieben und vieles toleriert wird, was vor Jahren nicht tolerierbar gewesen wäre.
Es geht mir nicht um diese Einzelfälle, die immer wieder aufkeimen und die man dann versucht, in den Griff zu kriegen, aber für mich ist es dann schon verwunderlich, dass ein Innenminister, ein Innenminister der Republik Österreich bei einer Kundgebung der Verteidiger Europas, die sich als Rechtsradikale bezeichnen und als solche auch eingeladen haben, die auch Identitäre eingeladen haben, sagt, das sei seine Ideologie, die Ideologie seiner Partei.
Dann wird es gefährlich, denn dann trägt man diese Ideologie, die man bekämpfen will – ich will gar nicht abstreiten, dass Sie einiges versuchen –, in die Regierung, und dann lebt man sie hier, und auch die personelle Verschränkung in den einzelnen Ministerien, die personelle Verschränkung in den Kabinetten ist ja das Gefährliche.
Ich habe mir die Mühe gemacht, einen Politikwissenschafter herauszusuchen, Lawrence Britt – den empfehle ich jedem und das ist wahrscheinlich für die ÖVP interessant –, der 14 Merkmale für rechtsradikale Regimes, von Hitler bis Pinochet, untersucht hat: zunächst starker und anhaltender Nationalismus – Sie können für sich selbst entscheiden, wie weit wir sind –, Missachtung der Menschenrechte – ich erinnere an die Sicherungshaft –, gemeinsames Feindbild wird geschaffen, Vorrang des Militärs (Abg. Gudenus: Rumänien!), Sexismus, kontrollierte Massenmedien – ich weiß schon, dass dieser Spiegel etwas schwierig ist, weil Sie bis jetzt zu allem Ja sagen konnten (Beifall bei SPÖ und NEOS) –, Fokussierung auf nationale Sicherheit (Abg. Martin Graf: Klingt ganz nach Chávez!), Verknüpfung von Staat und Religion, unternehmerische Macht wird unterstützt, gewerkschaftliche Macht wird unterdrückt, Missachtung von Intellektuellen und Geisteswissenschaften – Ihr Umgang mit den Künstlern (Beifall bei der SPÖ) –, Fokussierung auf Kriminalität und härtere Haftstrafen, Korruption und Vetternwirtschaft.
Und jetzt (Zwischenrufe bei der ÖVP) überlegen Sie für sich selbst, wie weit wir sind! Ich glaube, wenn sich jeder diesen Spiegel vorhält, dann wird er draufkommen, dass wir dort einen ziemlich weiten Weg gegangen sind. Wir sind einen ziemlich weiten Weg gegangen und es kann mittlerweile ein Innenminister in dieser Republik sagen, er gehört dieser Ideologie an, die Sie versuchen, zu bekämpfen. Er sagt das von selbst, das können Sie im Fernsehen nachschauen, das gibt es auf YouTube alles noch. Das ist das Gefährliche. Und dann geht ein Spitzenkandidat bei der Europawahl her und bedroht einen Journalisten, weil er ihm nicht die Fragen stellt, die er gerne gehört hätte (Abg. Neubauer: Das hat Kern auch gemacht!), und sagt, er schmeißt ihn hinaus. – Was ist das für eine Einstellung, die man immer weiter hinaustreibt und in Wirklichkeit
damit die Demokratie vorführt? Daher ist das der berechtigte Antrag, um Sie zu Konsequenzen zu bringen.
Ich bin der Meinung des Abgeordneten Rosenkranz (Abg. Rosenkranz: Ui, das ist gefährlich!) – es ist eine Frage des Wahlkampfes, aber wie naiv muss man denn sein, dass etwa bei der Niederösterreich-Wahl permanent von der ÖVP jemand vor den Vorhang gezogen wird? Wie naiv muss man denn sein, dass man glaubt, das sind die Sozialdemokraten? Wie naiv muss man sein? (Beifall bei der SPÖ.) Die wissen genau, wer bei euch in den Kabinetten sitzt. Die werden bei der nächsten Wahl den Nächsten hervorzaubern. Das ist doch nicht unser Problem, das ist euer Problem, das ihr mit ihnen habt, dass nämlich bei jedem Wahlkampf irgendjemand vor den Vorhang geholt wird. Und die Naivität, dass das irgendjemand anderer sein sollte, die bleibt Ihnen vorbehalten. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Rosenkranz: Der Peter Wittmann als Schutzpatron der SPÖ!)
17.32
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren hier und vor den Fernsehschirmen! Was wir hier heute gesehen haben, ist wirklich erstaunlich: Wir haben hier ein Gespenst an die Wand gemalt bekommen, jetzt zuletzt auch noch, als würde der Nationalsozialismus aufkeimen. Es ist unglaublich, was ich hier von mehreren Vertretern gehört habe. Auch Kollegin Griss, die an sich ja eigentlich sonst immer sehr vernünftig spricht, bringt ein Zitat, bei dem es darum geht, dass der Nationalsozialismus wieder kommt. Frau Kollegin Kuntzl spricht ohne Namensnennung davon, dass im Innenministerium Rechtsextremisten eingewandert sind, dass die ein Netzwerk gebildet haben und dass mehr oder weniger alle bewaffneten Kräfte in der Polizei dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind. (Abg. Rendi-Wagner: Das hat sie nicht gesagt!) – Aber Sie haben keinen Namen genannt, Sie haben hier alle ein Gespenst an die Wand gemalt (Abg. Rosenkranz: Ein Bild!), Sie haben hier ein Bild gemalt, das überhaupt nicht der Realität entspricht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Kollege Wittmann stellt sich hierher und führt an, was zu einem rechtsextremen Staat führt. Es ist absurd, mit Verlaub gesagt. Wirklich, ich habe nicht geglaubt, dass ich mich heute noch zu Wort melden muss, weil ich gedacht habe, diese Diskussion könnte ja eigentlich noch vernünftig ablaufen. Ich will hier jetzt auch nicht vorwerfen, was andere Parteien auch gemacht haben, gerade in Wiener Neustadt, indem ich mich hierherstelle und sage, ich zähle die 14 Punkte auf, wie Rechtsradikalismus oder ein rechtsradikaler Staat entsteht, und die eigene Jugend ehrt Lenin. (Abg. Wittmann: Das ist Ihre Partnerpartei!) Da brauche ich gar keine Stufen mehr, Lenin hat diese Stufen alle in einem übersprungen und Millionen Menschen umgebracht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Und Sie stellen sich hierher und glauben tatsächlich, dieses Bild an die Wand malen zu müssen.
Wir haben ganz klargemacht, dass wir jede Form von Extremismus ablehnen – linken, rechten und religiös motivierten. Der Vizekanzler hat es gemacht, er hat es auch in den letzten Jahren bewiesen, er hat auch bewiesen, wie er Demokratie sieht. Demokratie aber heißt immer auch, dass man auch die Meinung des anderen respektiert. Und dort, wo dann der Rechtsstaat einzuschreiten hat, dort, wo der Extremismus tatsächlich gefährlich wird, dort muss er auch einschreiten. Dafür ist aber nicht ein Journalist verantwortlich, dafür ist nicht irgendein privater Verein verantwortlich, dafür sind nicht
selbsternannte Rechtsextremismusexperten verantwortlich, die üblicherweise selbst aus dem linksextremen Spektrum kommen, nachgewiesenermaßen. Die bestimmen nicht, was extrem im Sinne von verboten ist, sondern das entscheiden bei uns Gerichte und dafür haben wir den Rechtsstaat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir haben in Österreich eine der strengsten Gesetzgebungen der Welt, wenn es darum geht, nationalsozialistische Wiederbetätigung und Verhetzung zu verfolgen. Das haben wir, unser Rechtsstaat funktioniert, und ich nehme nicht an, dass das hier jemand infrage stellt. Was Sie in Wirklichkeit machen wollen, ist: Sie fordern für sich selbst Meinungsfreiheit ein, wollen sie aber anderen nicht gewähren. Das funktioniert in der Demokratie nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Sie sprechen davon: Ja, wenn man diese Ideologie hat, dann wird es gefährlich, wenn man so eine Geisteshaltung hat, dann wird es gefährlich. – Das ist in Wirklichkeit die Art und Weise, wie Sie hier vorgehen – und das stört mich. Wenn Sie wirklich neutral sagen würden: Es ist absolut abzulehnen, dass man Menschen mit Tieren vergleicht!, gut, da bin ich Ihrer Meinung – ich finde das furchtbar, geschmacklos und letztklassig –, aber dann sagen Sie es und sagen Sie es allgemein und nicht nur auf eine Partei oder auf eine Gruppierung zeigend. Wenn Sie es allgemein sagen, dann können wir das gemeinsam unterschreiben.
Das tun Sie nicht. Warum tun Sie es nicht? – Weil es hier ja um eine ganz andere Debatte geht. Es geht darum, eine erfolgreiche Regierung möglichst zu zerstören, und es geht darum, im Wahlkampf noch irgendwo Erfolg zu haben. Um nichts anderes geht es. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Und wenn eine Abgeordnete Che Guevara nicht richtig bezeichnet, dann lachen Sie. Sie hat gerade festgehalten, dass der auch ein Massenmörder war, der von vielen aus der linken Szene immer wieder verehrt wurde. Dann lachen Sie, denn Sie kennen sich da so gut aus und stellen sogleich fest: Da ist die falsche Bezeichnung getroffen worden! – Sie merken nicht, wie unsensibel Sie hier in Wirklichkeit agieren. Sie zeigen mit dem Finger auf andere und sind völlig unsensibel, wenn es darum geht, auch diese Dinge zu benennen. (Abg. Lindner: Wer hat denn dieses Leiberl gehabt? Ihr Bundesparteivorsitzender!)
Ich wollte hier nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern ich fordere nur ein, dass Sie das machen, was in einer Demokratie wichtig ist, nämlich dass man andere Meinungen zulässt. Die können durchaus auch so sein, dass sie vielleicht geschmacklos sind und uns auch nicht gefallen und wir uns als Partei auch davon abgrenzen, aber solange der Rechtsstaat nicht einschreitet, sind sie zulässig, und ich bin froh, dass es so ist, und das ist ein Zeichen für eine freie Gesellschaft. Ich hoffe nicht, dass hier jemand etwas anderes will, denn das wäre nämlich wirklich ein Schritt in eine totalitäre Gesellschaft. Die wollen wir nicht, die haben Lenin und Konsorten vertreten. Das ist eine Geisteshaltung, die wir tatsächlich ablehnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Vizekanzler“ Strache gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.
Da zu solch einem Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.
Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für diesen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Zadić, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Distanzierung von der rechtsextremen Verschwörungstheorie des ‚Großen Austausches‘“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diese Entschließung aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Nehammer, Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Evaluierung von Lehrmaterialien“.
Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (E 71)
Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie mit der Ordnungszahl 2898/AB.
Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt; wir gehen gleich in die Debatte ein.
Ich erteile Herrn Klubobmann Mag. Bruno Rossmann das Wort. – Herr Klubobmann, Sie wissen, Ihre Einleitung darf 10 Minuten dauern. Bitte.
Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, Themenwechsel, vom Rechtsextremismus zum erneuten Anstieg der Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich.
Die aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes betreffend Treibhausgasbilanz zeigen für 2017 einen weiteren Anstieg der Treibhausgase. Dieser weitere Anstieg der Treibhausgase hat dazu geführt, dass die im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Grenzwerte, die erlaubten Höchstwerte um etwa 5 Prozent überschritten worden sind. Einer der Haupttreiber bei den Emissionen von Treibhausgasen ist – das ist seit Langem bekannt und nichts Neues – der Verkehrsbereich.
§ 3 Abs. 2 des Klimaschutzgesetzes schreibt auch vor, was bei Überschreitung der Höchstgrenzen von Treibhausgasemissionen zu passieren hat, dass nämlich auf Basis einer Evaluierung bereits gesetzter Maßnahmen umgehend weitere Verhandlungen über Maßnahmen zu führen sind. Ab Bekanntwerden der Überschreitung ist nach meinem Verständnis des Klimaschutzgesetzes eine sechsmonatige Frist dafür vorgesehen.
Ich wollte nun vom Herrn Bundesminister für Verkehr in einer aktuellen Anfrage wissen, welche Sofortmaßnahmen er angesichts der desaströsen Treibhausgasbilanz ins Auge fassen und wann er ein Maßnahmenpaket vorlegen wird. Er antwortet zunächst einmal in epischer Breite, warum es zu einer starken Emission von Treibhausgasen im Verkehrsbereich gekommen ist. – Das war nicht meine Frage, Herr Verkehrsminister,
das wissen wir selbst, das ist ausreichend dokumentiert. Ich wollte von Ihnen auch keine Problembeschreibung haben, Herr Verkehrsminister, ich wollte von Ihnen problemlösende Maßnahmen hinsichtlich Emissionen im Verkehrsbereich haben.
Schauen wir uns eine Kernpassage aus der Beantwortung der Fragen 1 bis 5 an, in der es um diese Sofortmaßnahmen geht. Da schreiben Sie uns: „Die nun zu erfolgende seriöse Evaluierung der gesetzten Maßnahmen erfordert seine Zeit“ – ihre Zeit wohl – „und ist eine unabdingbare Voraussetzung für mögliche weitere Verhandlungen.“ – Na ja, dass die Evaluierungen seriös sein sollen, davon gehe ich wohl aus, sonst braucht man keine Evaluierungen zu machen.
Sie schreiben weiter: „Nach dieser Bewertung wird es die herausfordernde Aufgabe der Expertinnen und Experten aller am Prozess beteiligten Institutionen sein, für die politischen Entscheidungsträger Vorschläge für die notwendigen weiteren Schritte zur möglichen Umsetzung erforderlicher Sofortmaßnahmen vorzubereiten.“
Ja, jetzt stellt sich natürlich die Frage, und dahin gehend war ja auch die Anfrage gestellt, an welche Maßnahmen Sie denken. Mir ist schon klar, im Prozedere ist zunächst diese Evaluierung vorgesehen, dann sagen die Experten, welche Maßnahmen gesetzt werden sollen, und Sie entscheiden darüber. Es gibt aber beispielsweise den „Sachstandsbericht Mobilität“ des Umweltbundesamtes, da sitzen ja auch lauter Experten, die viel davon verstehen, dort werden 100 Maßnahmen genannt. Diese, Herr Minister; fallen nicht ausschließlich in Ihren Zuständigkeitsbereich, das ist schon richtig, aber aus diesen 100 Maßnahmen hätte es natürlich ein Potpourri von Maßnahmen gegeben, die sehr wohl in Ihren Zuständigkeitsbereich fallen, und da hätte mich natürlich schon interessiert, welchen Maßnahmen Sie da nahetreten werden, denn dass es im Verkehrsbereich nicht fünf vor zwölf ist, sondern fünf nach zwölf, das wissen wir.
Meine Fragen an Sie: Sind diese Evaluierungen schon im Laufen? Welche Expertinnen und Experten, die Ihnen die Sofortmaßnahmen zusammenstellen werden, werden Sie heranziehen? Reicht es nicht, den Sachstandsbericht heranzuziehen? Wann werden wir erste substanzielle Schritte in Richtung einer Reduktion der Treibhausgase sehen?
Schamloser als Sie in dieser Anfragebeantwortung Ihre Untätigkeit offenlegen, geht es gar nicht mehr, Herr Minister. Wir wissen ja, dass in Ihrem Bereich bislang wenig passiert ist, dass sogar Kontraproduktives passiert ist, nämlich der Pilotversuch Tempo 140. Auch dazu habe ich eine Frage gestellt, die Frage 9. Ich wollte von Ihnen wissen, ob Sie bereits vor Beginn der Testphase zu Tempo 140 wussten, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit auf dem dritten Fahrstreifen der Teststrecken bei über 140 km/h lag und ob das einen Einfluss auf Ihre Entscheidung für diesen Pilotversuch gehabt hat. – Und Sie, Herr Minister, antworten mir auf beide Fragen mit: „Nein.“
Das hat mich ehrlich gesagt schon verwundert. Warum hat mich das verwundert? – Es gibt ein Gutachten, und dieses Gutachten (ein Schriftstück in die Höhe haltend), nehme ich an, kennen Sie: ein Gutachten für die Asfinag, erstellt vom Ziviltechnikerbüro Nast Consulting. In diesem Gutachten ist auf Seite 13 nachzulesen, dass es sehr wohl Überschreitungen des Tempolimits von 130 km/h gegeben hat, also auf den nunmehrigen Teststrecken Geschwindigkeiten von teilweise über 140, sogar 145 Kilometer pro Stunde gefahren wurden.
Warum können Sie mir da, Herr Minister – das müssen Sie mir jetzt einmal erklären –, mit Nein antworten? Das Gutachten ist vom 30. Mai 2018. Wann ist der Testversuch auf den Pilotstrecken gestartet worden? – Im Juli 2018, Herr Minister. Also dieses Gutachten war zeitlich eindeutig davor, daran können Sie nicht deuteln.
Jetzt kann man Sie natürlich fragen: Warum antworten Sie mir mit Nein? Ist Ihnen das völlig egal gewesen? – Mag sein. Oder haben Sie dieses Gutachten ausschließlich deshalb erstellen lassen, weil Sie es brauchen, um einen Testversuch zu einer Erhöhung von Tempo 130 zu machen, die im Verordnungswege geregelt werden kann? Wenn Sie – nach der Straßenverkehrsordnung – die Geschwindigkeit erhöhen wollen, dann brauchen Sie nämlich ein Verkehrsgutachten, das attestiert, dass dadurch der Verkehrsfluss begünstigt wird. Das steht auch in dem Gutachten drinnen – auch, sage ich –, aber es wird nicht begründet. Was ist denn das für ein Gutachten, Herr Minister? – Das ist ein Gefälligkeitsgutachten, nichts anderes. Ich habe mich bei Experten und Expertinnen der TU schlaugemacht, und die sagen, der Verkehrsfluss wird durch eine Erhöhung des Tempolimits nicht erhöht, ganz im Gegenteil.
Das ist ja höchst obskur, was Sie mir da geantwortet haben, und das schreit geradezu nach einer Erklärung. Lassen Sie sich, Herr Minister, gute Argumente einfallen!
Dann würde mich noch interessieren: Warum haben nicht Sie diese Studie beauftragt? Warum wurde diese Studie von der Asfinag beauftragt? Wie viel hat diese Studie gekostet? War das nicht verschwendetes Steuergeld? – All das sind Fragen, auf die ich von Ihnen gerne eine Antwort hätte.
Ich fasse zusammen: Diese Anfragebeantwortung zu einem der größten Klimasünderbereiche, dem Verkehrsbereich, bleibt inhaltlich extrem dürr, obwohl der Hut brennt. Noch einmal: Schamloser als mit dieser Anfragebeantwortung kann man seine eigene Untätigkeit nicht offenlegen.
Wenn Sie so weitermachen – das wissen Sie selber –, droht im Klimabereich ein Desaster. Es drohen Strafen in Milliardenhöhe, von 8 Milliarden Euro ist die Rede; und diese Strafen, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs zu zahlen haben werden, Herr Verkehrsminister, werden Sie, wenn Sie nicht demnächst tätig werden, zu verantworten haben. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)
17.51
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Hofer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister, Sie wissen, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. Sie haben das Wort.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin, ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Ich darf aber zunächst auf das Gutachten eingehen: Herr Rossmann, Sie müssen wissen, dass es betreffend verkehrspolizeiliche Verordnungen auf Autobahnen eine übliche Vorgangsweise ist, dass Gutachten von der Asfinag beauftragt werden. Das ist in allen Bereichen so und war auch hier so; „Gefälligkeitsgutachten“ weise ich wirklich auf das Schärfste zurück. Der Sachverständige unterliegt auch in diesem Fall einer erhöhten Haftung, deswegen bitte ich, jetzt keine Vorwürfe zu tätigen, die unhaltbar, unrichtig sind. (Abg. Rossmann: Warum hat er es nicht begründet?) – Was meinen Sie mit „begründet“? (Abg. Rossmann: Dass der Verkehrsfluss erhöht wird, nur durch erhöhte Tempolimits ...!) – Es ist bei dieser Bestimmung das tatsächlich gefahrene Tempo kein Kriterium, sondern es geht um Fragen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs und Fragen der Verkehrssicherheit, Herr Rossmann.
Zweitens: Sie haben nach der Durchschnittsgeschwindigkeit gefragt. Bitte verwechseln Sie v85, v95 nicht mit der Durchschnittsgeschwindigkeit! Das sind völlig unterschiedliche Zahlen. v85 heißt, dass 85 Prozent der Autofahrer eine Geschwindigkeit unter diesem Wert fahren, v95, dass 95 Prozent unter diesem Wert sind.
Die Zahlen sind folgendermaßen: Wir haben im Bereich der Durchschnittsgeschwindigkeit einen Wert, der weit unter 140 km/h liegt – wenn ich jetzt den Zettel noch finde (in seinen Unterlagen blätternd), dann werde ich Ihnen das gleich sagen. Es wäre für mich kein Kriterium gewesen, denn in Wirklichkeit wäre das sogar eine Bestätigung dessen gewesen, was ich vorhabe, nämlich dass 140 km/h eine Geschwindigkeit ist, die auch tatsächlich gefahren wird. Sie verwechseln v85, v95 mit der durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeit. Sie können auch nicht die Geschwindigkeit an ganz bestimmten einzelnen Tagen hernehmen und daraus den gesamten Durchschnitt errechnen. Das ist wirklich ein großer Unterschied, darauf möchte ich nachdrücklich hinweisen.
Das Gutachten zeigt, dass auf dem dritten Fahrstreifen im Bereich Niederösterreich, Einzeltagmessung, in Fahrtrichtung Walserberg von 5 Uhr bis 17 Uhr – da haben Sie recht – die Geschwindigkeit überwiegend bei 140 bis 145 km/h liegt; aber nicht der Durchschnitt, sondern überwiegend. In der anderen Fahrtrichtung, Wien-Auhof, lag sie bei 140 km/h, und im Bereich Oberösterreich liegt dieser Wert, den ich vorhin genannt habe, überwiegend bei 125 km/h. Wenn man nun die Messungen auf diesen beiden Teststrecken zusammennimmt und über die Werktage verteilt, bekommt man Geschwindigkeiten von 135 km/h bei der ersten Messung im Mai und von 137 km/h bei der zweiten Messung, die später durchgeführt worden ist. Das ist die Durchschnittsgeschwindigkeit.
Nun zu den Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Verkehr, die uns allen ein großes Anliegen sein müssen: Das Wesentlichste und Wichtigste, das wir bei allen anderen Maßnahmen, die es im Rahmen des Individualverkehrs gibt, tun können, ist: Schiene, Schiene, Schiene, öffentlicher Verkehr. Dort erreicht man am meisten. Wir haben im Bereich Schiene einen Verkehrsträger, der in einem hohem Ausmaß elektrifiziert ist. Wir wollen bis 2030 die Elektrifizierung noch weiter, auf 85 Prozent, steigern. Das kostet natürlich viel Geld, aber es rechnet sich auch. Das Ziel ist, jede Strecke in Österreich auch elektrisch betreiben zu können.
Wir sind in der Europäischen Union das Bahnland Nummer eins. Die Schweiz ist noch stärker, aber in der Europäischen Union sind wir hinsichtlich gefahrener Kilometer pro Person wirklich die Nummer eins. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir investieren alleine in die Schieneninfrastruktur 13,9 Milliarden Euro.
Jetzt fragen Sie: Warum ist das so hoch? – Schauen Sie sich einmal die Zahlen im Vergleich 2016/2017 an! Allein in diesem einen Jahr gibt es ein Plus von 3 Prozent. – Plus 3 Prozent! Warum? – Weil es immer mehr gefahrene Fahrzeugkilometer gibt, und weil wir unter dem Transit leiden. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Als kleines Land leiden wir massiv unter dem Transit.
Ich glaube, auch Sie waren dafür, dass wir Mitglied der Europäischen Union werden. Als Mitglied der Europäischen Union unterliegen wir gewissen Regeln. Wir können nicht einfach die Grenzen zumachen und sagen: Es darf kein Lkw und kein Pkw dieses Land durchqueren! Das können wir nicht, aber ich habe die Experten im Verkehrsministerium – und dort gibt es hervorragende Experten – gebeten, zu prüfen, welche Möglichkeiten wir europarechtlich haben, damit Transit auch stärker belastet wird.
Ein guter Freund von mir hat vor wenigen Wochen einen schwer kranken Kollegen aus Spanien mit einem VW-Bus nach Hause gebracht. Die Tagesmaut, die auf dieser Strecke in einzelnen Ländern zu bezahlen ist – 100 Euro und mehr –, ist wesentlich teurer als das, was Sie in Österreich bezahlen müssen, wenn Sie dieses Land queren. Das betrifft den Pkw-Verkehr und auch den Lkw-Verkehr. Das heißt, wir müssen darüber nachdenken, wie man maßvoll auch den Transit stärker zur Kassa bitten kann, damit wir Maßnahmen zur Dekarbonisierung auch in Österreich noch stärker finanzieren können.
Aber noch einmal: Am wichtigsten ist die Schiene. Investitionen von 13,9 Milliarden Euro in Schieneninfrastruktur in nur fünf Jahren, das ist der größte Betrag, der jemals in einem so kurzen Zeitraum investiert worden ist. – 13,9 Milliarden Euro! (Abg. Rossmann: Und wie viel geht in den Straßenausbau?) – Beim Straußenausbau werden für Autobahnen, Schnellstraßen nicht jene Beträge ausgegeben, die wir in die Schiene investieren. Wir investieren noch dazu 700 Millionen Euro jährlich an Zuschüssen für den Personenverkehr und 100 Millionen Euro an Zuschüssen für den Güterverkehr.
Dazu kommt, dass wir gerade an einer Nahverkehrsunterstützung für Ballungszentren arbeiten, damit in diesen Bereichen auch die Städte abseits von Wien eine Unterstützung erhalten. Bisher wurde Wien beim U-Bahn-Bau zu Recht unterstützt, weil es eine wichtige Maßnahme ist. Andere Städte als Wien, Linz, Graz und so weiter haben aber mittlerweile ähnliche Probleme – Stau, Stau, Stau. Man muss versuchen, die Autofahrer vor der Stadtgrenze für den öffentlichen Verkehr zu begeistern, denn wer einmal im Auto sitzt, bleibt, das wissen wir, in den meisten Fällen auch im Auto sitzen. – So viel zum öffentlichen Verkehr, zur Schiene.
Zweitens, Individualverkehr: In diesem Bereich ist die Frage der Dekarbonisierung das große Thema. Wir haben im Bereich der Elektromobilität weitaus bessere Zulassungszahlen als das in Deutschland der Fall ist. Die Zahlen sind nicht ganz ähnlich, was die Bundesländer anbelangt; die besten Zahlen sehen wir in Vorarlberg, sehr viel bei Einfamilienhäusern, im ländlichen Raum. Nicht so tolle Zahlen ergeben sich in Wien; nicht weil die Wiener sich nicht für dekarbonisiertes Fahren begeistern würden, sondern wenn man in einem mehrgeschoßigen Haus lebt, findet man dort keine Stromtankstellen vor. Das heißt, hier müssen wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass man auch dann, wenn nicht 100 Prozent der Mieter einverstanden sind, eine Stromtankstelle errichten kann. Das betrifft die E-Mobilität.
Ich möchte auch unterstreichen, dass die Studie zu den Auswirkungen, Zahlen zur E-Mobilität in Österreich, die jetzt vorliegt, ein besseres Bild zeichnet als in Deutschland. Warum? – Weil der Anteil an erneuerbaren Energieträgern in Österreich wesentlich höher als jener in Deutschland ist. Wir decken viel über die Wasserkraft ab. Wir haben Windkraft, wir haben im Bereich der Wärme auch Geothermie, wir haben Biomasse, Solarthermie, Photovoltaik. Wir haben alles, damit sich dieses Land aus erneuerbaren Quellen versorgen kann. Der Grad an erneuerbarer Energie, der Anteil der erneuerbaren Energie soll auch nicht nur im Strombereich weiter steigen.
Wenn Sie mich nach dem Verkehrsbereich fragen, sehe ich das Problem beim Elektroauto in der Batterie. Wir haben keine europäische Batterieproduktion. Diese benötigen wir aber, wenn wir uns nicht in neue fatale Abhängigkeiten begeben wollen. Deswegen glaube ich, dass die Antwort nicht nur das E-Auto ist, sondern auch Wasserstoff. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) – Ja, aber das kann man nicht mi